Internationales

Syrien - Ein Land im Chaos des Krieges

Menschen flüchten vor sozialer Katastrophe und Krieg. Kriegstreiber profitieren. Mehr Bomben ändern nichts!
Stefan Gredler

Seit 2011 tobt in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg. Bis jetzt ist kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen, im Gegenteil, die Lage verschlimmert sich von Tag zu Tag. Während zahlreiche lokale Kräfte von verschiedensten Seiten finanziert und bewaffnet werden, (regional-) imperialistische Staaten nicht nur indirekt, sondern auch vermehrt direkt in den Krieg eingreifen, tragen vor allem die syrische ArbeiterInnenklasse, die Landbevölkerung, die Armen und die Jugend die schwere Last des blutigen Konflikts. Sie sind es, die am meisten unter Krieg, Terror und der bitteren sozialen Lage leiden.

2013 lebten 75% der Bevölkerung in Armut. Bis heute ist diese Zahl weiter gestiegen. Die letzten offiziellen Studien zur sozialen, ökonomischen und politischen Lage wurden 2014 veröffentlicht. Die Wirtschaft liegt vollkommen am Boden. Große Teile der Industrie wurden zerstört, genauso wie die Infrastrukturen von Spitälern, Telekommunikation und besonders des Bildungsbereiches. In dem ehemaligen Vorzeigeland der Bildung im arabischen Raum ist es mehr als der Hälfte der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen unmöglich, in die Schule zu gehen. 2013 besuchten in Städten wie Ar-Raqqa, der Hochburg des IS in Syrien, oder im seit Beginn des Krieges hart umkämpfte Aleppo, 94% bzw. 90% der Kinder nicht die Schule. Syrien hat eine extrem junge Bevölkerung, denn über 50% der sind unter 24. Besonders ihre Zukunft wird in den Schrecken des Krieges geraubt.

Durch den rasanten Anstieg der Preisen von Grundnahrungsmitteln, dem ökonomischen Zusammenbruch und das Morden von allen Seiten werden immer mehr Menschen zur Flucht getrieben. Offiziell haben über vier Millionen Menschen das Land verlassen, 7,6 von rund 21 Millionen (Gesamtbevölkerung 2010) Menschen sind innerhalb der syrischen Grenzen geflohen. Es sind die Nachbarländer Syriens, welche die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Alleine der Libanon, flächenmäßig acht mal kleiner als Österreich und mit einem fast 17 mal kleineren BIP, hat seit Beginn des Bürgerkriegs 1,5 Millionen SyrerInnen aufgenommen. Doch auch in den riesigen Flüchtlingslagern haben die Menschen keine Perspektive auf eine bessere Zukunft. Sie sind Gefangen zwischen Elend und Elend. Die EU errichtet Grenzzäune, kürzt die Hilfsgelder für die Flüchtlingslager und schickt stattdessen gemeinsam mit ihren Komplizen Flugzeuge um „Frieden“ herbei zu bomben.

Die soziale Krise ist ein wesentliches Zahnrad im Motor, der den Bürgerkrieg am Laufen hält.

Die einzige stabile Einkommensquelle, die es aus der Zeit vor dem Konflikt noch gibt, sind die Gehälter durch das Assad-Regime. Seit 1971 an der Macht, hat sich dieses einen riesigen Staatsapparat aufgebaut, um sich seine diktatorische Herrschaft zu sichern. Dort, wo die Regierung heute keinen Einfluss mehr hat, sind es die zahlreichen verschiedenen Banden, Terrorgruppen und Rebellen, die mit Geld lokal-/imperialistischer Mächte finanziert werden und somit Sold auszahlen können. Auch der IS lockt mit Geld & Autos. Abgesehen von finanzieller Unterstützung von Verwandten aus dem Ausland, ist oft die einzige Möglichkeit an Geld zu kommen, sich einer der Milizen anzuschließen. Viele kämpfen und morden also nicht aus Überzeugung, sondern auch um zu überleben und dafür zu sorgen, dass die Familie Nahrungsmittel kaufen kann. Weitere Bomben imperialistischer Mächte werden an dieser Situation nichts ändern, sondern neben der sozialen Katatrophe noch die ethnisch-religiöse Spaltung vertiefen. Es gilt daher, Sand ins imperialistische Getriebe zu streuen, nicht Öl ins Feuer zu gießen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wie Krieg und Ausbeutung den Terror in die Welt brachten

von Steffen Strandt, Berlin

Wie Krieg und Ausbeutung den Terror in die Welt brachten

Zur Geschichte des „Islamischen Staates“

Über 32.650 Menschen sind 2014 durch Terroranschläge getötet worden. Das sind 80 Prozent mehr als 2013. Dabei wurden die meisten Anschläge in Afghanistan, Irak, Nigeria und Syrien verübt. Direkt am Morgen nach den Pariser-Anschlägen sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande: „Wir sind im Krieg“. Das weckt böse Erinnerungen an die Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als George Bush zum Krieg gegen den Terror aufrief, und mit den Angriffen auf Afghanistan und Irak genau die politischen Bedingungen schaffte, die zum Anwachsen des so genannten Islamischen Staates (Daesh*) führte.

Daesh ist als Organisation vor allem aus dem irakischen Al-Qaida-Ableger entstanden. Dabei ist Al-Qaida das Frankenstein-Monster der USA aus Afghanistan.

1978 eroberte die Demokratische Volkspartei Afghanistans die Macht und errichtete unter der Führung der Sowjetunion eine bürokratisch geführte Regierung, die das Land der Feudalherren verteilte, Versuche der Industrialisierung startete, die Trennung von Staat und Religion einführte, und zumindest auf dem Papier die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchsetzte. Im Zuge des Kalten Krieges sah die USA in dieser Regierung eine Gefährdung ihrer Interessen in der Region. Von den enteigneten und entmachteten Feudalherren wurden zusammen mit reaktionären Mullahs die Mudschaheddin gegründet, die sich zum Ziel setzten eine islamistische Diktatur zu errichten. Gemeinsam mit Pakistan und Saudi-Arabien unterstütze die USA die Mudschaheddin massiv mit Waffen und Finanzmitteln. Aus der ganzen Welt schlossen sich islamistische Kämpfer den Mudschaheddin an. Aus den Mudschaheddin entwickelten sich dann ab 1988 Al-Qaida, die 2001 den Anschlag auf das World-Trade-Center in New York verübten.

Der „Krieg gegen den Terror“ produziert Terror

Die Bush-Administration nutzte die Anschläge vom 11. September aus, um ihre geopolitische Vormachtstellung auf der arabischen Halbinsel und in Afghanistan zu sichern. Mit der Besetzung Afghanistans und des Iraks begann eine Spirale der Gewalt, die heute nach 14 Jahren „Krieg gegen den Terror“ den globalen Terrorismus nicht eindämmen konnte, sondern zu mehr Bürgerkriegen und Terrorismus geführt hat. Der Krieg der US-geführten „Koalition der Willigen“ gegen den Irak 2003 und die achtjährige Besatzung hat 650.000 Todesopfer im Irak gefordert und die ohnehin vorhandene Wut in der arabischen Welt auf den US-Imperialismus weiter angeheizt. Diese berechtigte Wut auf den Imperialismus konnten die Islamisten nutzen und in Wut und Hass auf die gesamte „westliche Welt“ umwandeln.

Bürgerkrieg im Irak: konfessionell und ethnisch

Saddam Hussein herrschte als sunnitischer Muslim mit brutaler Unterdrückung gegen die schiitische Mehrheit und die kurdische Minderheit im Irak. Gleichzeitig verhinderte er jegliche Möglichkeit von Arbeiterorganisationen sich für die grundlegendsten Rechte von ArbeiterInnen einzusetzen. Nach dem schnellen militärischen Sieg gegen die irakische Armee, setzten die US-Besatzer den Schiiten Nouri Al Maliki als Präsidenten ein. Die Machtverhältnisse wurden nun umgedreht: Sunniten wurden von der Macht ausgeschlossen und Schiiten übernahmen die wichtigsten Posten in der Gesellschaft. In der Folge stiegen die Spannungen zwischen den Konfessionen an. Der militärische Widerstand gegen die US-Besatzung war vor allem ein Widerstand von sunnitischen Milizen gegen die US-Koalition und die irakische Regierung. Für die Unterdrückung von Aufständischen nutzte das amerikanische und irakische Militär zunehmend auch die Hilfe von schiitischen Milizen.

Die weitgehende Zerstörung der Wirtschaft durch Krieg und Besatzung, und der andauernden Bürgerkrieg bedeuten für die sunnitischen Massen eine deutliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen im Vergleich zur Herrschaft Saddams. Das amerikanische Magazin „The Nation“ hatte die Möglichkeit Interviews mit IS-Kämpfern zu führen, die im Gefängnis der irakischen Armee saßen, und sie zu fragen, warum sie für Daesh kämpfen. Dabei war der Glaube an ein fundamentalistisches Zerrbild des Islam nicht das Hauptmotiv, das die Befragten angaben. Für viele ist der IS zunächst eine Organisation, die einen regelmäßigen Sold zahlen kann, und damit für die Ernährung der Familie sorgt. Neben den materiellen Gründen für Daesh zu kämpfen, war bei den Interviewten der Kampf gegen den US-Imperialismus und für eine bessere Stellung der Sunniten eine Hauptmotivation. Ein Gefangener wird zitiert: „Die Amerikaner kamen. Sie nahmen Saddam weg, aber sie nahmen uns auch unsere Sicherheit. Ich mochte Saddam nicht. Wir hungerten, aber wenigstens hatten wir keinen Krieg. Als ihr [die Amerikaner] kamt, hat der Bürgerkrieg begonnen.“

Ethnische und religiöse Konflikte in Syrien

Der Alavit Bashar Al Assad konnte seine Herrschaft vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges vor allem auf die verschiedenen ethnischen und religiösen Minderheiten und auf ein starkes staatliches Sozialprogramm stützen. Durch die neoliberalen Reformen der 1990er und 2000er Jahre verschlechterten sich die Lebensbedingungen der einfachen Bevölkerung zunehmend. Dagegen und gegen die Unterdrückung durch den allgegenwärtigen Staats- und Polizeiapparat richtete sich der Massenaufstand von 2011. Der Aufstand wurde vor allem durch die arabisch-sunnitische Mehrheit, sowie durch die kurdische Minderheit im Norden getragen, hatte aber keinen starken ethnischen oder konfessionellen Charakter. Wegen der harten militärischen Antwort des Regimes entwickelte sich der politische Aufstand schnell in einen Bürgerkrieg, der zunehmend auch an ethnischen und religiösen Linien geführt wird. Mittlerweile basiert die verbliebene militärische Macht von Assad hauptsächlich auf zumeist alavitische Soldaten, der Unterstützung durch Russland, sowie der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah-Miliz. Auch durch diese Konstellation kann Daesh sich in Syrien als Bewahrer des „wahren Islams“ und Verteidiger der Sunniten gegen alle Feinde von Assad, über die so genannten „Kreuzritter aus West und Ost“, dem schiitischen Iran und den Kurden inszenieren.

Das „Geschäftsmodell“ des IS

Daesh hat es geschafft im Irak und Syrien ein Gebiet mit etwa sechs Millionen Menschen unter seine Kontrolle zu bringen. In diesem Gebiet haben sie nach einer langen Periode des Bürgerkrieges begonnen, wieder staatliche Strukturen aufzubauen. Zum einen werden diese staatlichen Strukturen zur brutalen Unterdrückung jeglicher Opposition, sowie zur Durchsetzung einer frauenfeindlichen und totalitären Sharia, die jegliche persönliche, und kulturelle Entfaltung unterdrückt, genutzt. Zum anderen stellt der sogenannten islamische Staat mit seinen Verwaltungsstrukturen aber auch eine grundlegende öffentliche Infrastruktur zur Verfügung. Für die Kämpfer in seinen Reihen zahlt er einen regelmäßigen Sold, Heiratsprämien und kommt für die medizinische Versorgung auf.

Finanziert wird diese Infrastruktur zum einen durch Plünderungen von Finanzmitteln und Kriegsmaterialien aus den besetzten Gebieten: Bei der Eroberung von Mossul im Juni 2014 erbeuteten sie, neben einer großen Menge von Kriegsmaterialien, aus der örtlichen Filiale der irakischen Zentralbank 425 Millionen US-Dollar. Zum anderen verkauft Daesh geplünderte archäologische Funde und gefördertes Erdöl, das hauptsächlich über die Grenze zur Türkei geschmuggelt wird.

Auf dem G20 Gipfel Mitte November hat Putin eine von seinen Geheimdiensten erstellte Liste veröffentlicht, die die Finanzierung von Daesh aus vierzig Ländern, darunter auch G20-Mitgliedern darstellte. Eine Nachricht darüber war in beinahe keinem westlichen Mainstream-Medium zu finden. Das zeigt aber, wie der IS seinen Ölhandel und Verkauf von Antiquitäten auch nach Europa abwickeln kann, und wie sie auch finanzielle Unterstützung über Konten aus Europa bekommen können. Nach dem Gipfel gab es viele Absichtserklärungen westlicher PolitikerInnen die Finanzströme und den Ölhandel des so genannten Islamischen Staates zu stoppen. Dabei besteht das Problem des Ölschmuggels und der Finanzierung von Daesh aus Europa nicht erst seit den Anschlägen von Paris.

Wie Daesh stoppen?

Sowohl die Geschichte kolonialer und imperialistischer Politik von Frankreich, den USA und dem Rest des NATO-Blocks zeigt, dass eine Ausweitung der altbekannten Interventionspolitik nicht zu einem politischen, ideologischen oder militärischen Sieg über Daesh führen kann. Weitere Luftangriffe auf Städte die vom IS kontrolliert werden, führen nur zu weiteren Opfern unter der Zivilbevölkerung. Damit wird die einfache Bevölkerung weiter in die Arme von Daesh getrieben, die sich dadurch wieder als die Verteidiger gegen imperialistische Aggressionen darstellen können. Das gleiche gilt noch drastischer für NATO-Bodentruppen. Sowohl die NATO-Staaten, als auch Russland und die lokalen Machthaber aus dem Iran, der Türkei oder Saudi-Arabien vertreten ihre jeweils eigenen ökonomischen und geopolitischen Ziele in Syrien und stellen keine Perspektive für einen Frieden im syrischen und irakischen Bürgerkrieg dar. Auch kann keiner dieser Staaten oder Machtblöcke ein Modell für eine ökonomische und politische Entwicklung der Region darstellen, weil sie alle nur für unterschiedliche Modelle von kapitalistischer Abhängigkeit stehen.

Die einzige Kraft, die in der Region die Terrorbande des sogenannten Islamischen Staates stoppen kann, sind die Opfer der imperialistischen und islamistischen Barbarei: die Arbeiter-Innen, Bauern und Ausgebeuteten in der Region selber. Dafür ist ein Programm notwendig, dass sich gegen die Spaltung in verschiedene ethnische und religiöse Gruppen wendet und für die Einheit der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten steht. Wegen dem eskalierten Bürgerkrieg ist eine positive Entwicklung in Syrien und dem Irak aber auch abhängig von der Entwicklung von sozialen Kämpfe in den Nachbarländern, die eine Perspektive für eine Zukunft jenseits von islamistischem Terror und kapitalistischer Ausbeutung weisen kann. Dafür ist der Aufbau von multiethnischen Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften notwendig, die sich gegen die Ausbeutung durch internationale Konzerne und die Herrschaft des Imperialismus, aber auch gegen die lokalen Herrscher wenden. Daraus kann die Perspektive einer friedlichen sozialen, politischen und ökonomischen Entwicklung entstehen: Eine freiwillige sozialistische Föderation der Länder des Nahen und Mittleren Ostens.

* Wir benutzen hier für den sogennanten „Islamischen Staat“ auch das arabische Akronym für Islamischer Staat in Irak und Sham (Syrien) – Daesh um deutlich zu machen, dass Daesh keinesfalls als Staat für alle Muslime sprechen kannn. Außerdem gibt es Berichte, dass Daesh damit droht, Menschen die diesen Namen benutzen die Zunge herauszuschneiden.

Kolonialismus und die Anschläge in Paris

Nachdem Frankreich in den 1960er Jahren die direkte Kontrolle über seine Kolonien aufgegeben hat, konnten die ehemaligen Kolonien nie eine vollständige Unabhängigkeit vom französischen Imperialismus erreichen. So gibt es in 14 ehemaligen afrikanischen Kolonien noch immer ein Abkommen, das französischen Konzernen ein Vorkaufsrecht für neu entdeckte Rohstoffvorkommen sichert, Rüstungsimporte sind nur von französischen Produzenten möglich, und militärische Allianzen dürfen nur mit der Zustimmung der französischen Regierung eingegangen werden. Um diese imperiale Herrschaft zu sichern, gab es seit Anfang der 1960er Jahre insgesammt 45 von Frankreich unterstütze Militärcoups gegen unliebsame Regierungen. Während des ersten Weltkriegs teilte das britische und das französische Kolonialreich die arabische Welt mit dem Sykes-Picot-Abkommen von 1916 unter sich auf. Die Gebiete vom heutigen Syrien, Libanon und Teilen der Türkei fielen unter die Herrschaft Frankreichs. Der große Teil des Iraks wurde durch die Briten kontrolliert. Dadurch entstand die mit dem Lineal gezogenen Grenze in der Wüste zwischen Syrien, Irak und Jordanien. Als der IS die Grenze zwischen Syrien und dem Irak eroberte, nutzten sie dies auch propagandistisch und erklärten diese Aufteilung der Welt durch die Kolonialherren für ungültig. Kurz vor den Anschlägen hat Frankreich die Luftschläge auf syrische Städte, die von Daesh beherrscht wurden ausgeweitet und nach den Anschlägen noch weiter intensiviert. Diese Geschichte des Kolonialismus und die aktuelle imperialistische Politik Frankreichs sind, neben dem antimuslimischen Rassismus und der Perspektivlosigkeit von großen Teilen der muslimischen Jugend, der Nährboden auf dem der IS Kämpfer für Syrien und Attentäter in Europa rekrutieren kann.

 

Spanien: Wahlergebnis bedeutet Linksverschiebung

von Socialismo Revolucionario (CWI in Spanien)

Dieser Artikel erschien zuerst am 23. Dezember auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net

Keine Mehrheit für die bisherige Regierung; Podemos erholt sich etwas

Die Wahlen am 20. Dezember markieren eine einschneidende Veränderung der politischen Situation und der Zusammensetzung des Parlaments. Sie reflektieren den Wandel, der in den letzten Jahren stattgefunden hat und sich sowohl in Massenmobilisierungen und sozialen Bewegungen als auch in den Kommunal- und Regionalwahlen dieses Jahres äußerte – dort wurden KandidatInnen der „Volkseinheit“ in Barcelona, Madrid und anderen Orten zu Bürgermeitern gewählt.

Die wichtigste Veränderung ist das Aufbrechen des Zweiparteiensystems, denn die PP und die ehemals sozialdemokratische PSOE haben zusammen über 5 Millionen Stimmen verloren. Während auf die PP 3,6 Millionen dieses Verlustes entfielen, erzielte auch die PSOE ihr niedrigstes Ergebnis seit dem Ende der Diktatur. Und es zogen zwei neue Parteien ins Parlament ein: Die bürgerlich-populistische Ciudadanos sowie insbesondere Podemos, welche über 20% erzielte und 69 Sitze haben wird (darunter einige von mit Podemos kooperierenden Wahlbündnissen). Trotz ihres „moderateren“ Auftretens in den letzten Monaten machte letztere einen Wahlkampf gegen die Austeritätspolitik und gegen das spanische politische System generell.

Doch natürlich kann nicht ignoriert werden, dass die PP mit 123 gewonnenen Sitzen und 1,7 Millionen mehr Stimmen als die zweitplatzierte PSOE weiterhin die stärkste Kraft ist – und dies trotz des starken Rückgangs an Unterstützung, den ihr ihre Regierungszeit gebracht hat, weil sie heftige Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen vorgenommen hat, in Spanien Massenarbeitslosigkeit herrschte und herrscht, Armut, prekäre Jobs und soziale Ungleichheit stiegen und steigen, etc. Die geringe wirtschaftliche Erholung in diesem Jahr – von der allerdings die Mehrheit nichts gespürt hat – sowie die Tatsache, dass die Massenarbeitslosigkeit aufgehört hat zu steigen, könnten einen gewissen positiven Effekt auf das Ergebnis der PP gehabt haben. Aber insgesamt ist es desaströs für sie, zumal sie bisher die absolute Mehrheit innehatte.

Die PSOE erzielte zwar wie erwähnt ihr schlechtestes Ergebnis in der Zeit nach Franco, aber angesichts der Wahlvorhersagen, in denen sie teilweise auf den dritten oder vierten Platz kam, wird ihr Abschneiden innerhalb der Parteikreise als relativer Erfolg angesehen.

Ciudadanos wiederum kam zwar mit einem guten Ergebnis für eine erstmals landesweit angetretene Partei ins Parlament, erzielte aber viel weniger Sitze als nach den Vorhersagen erwartet. Sie schadeten sich selbst durch politische Fehler – darunter insbesondere die Ankündigung, eine Regierungsbildung der PP zu unterstützen – und ihre Zukunft sieht nicht allzu rosig aus, zumal sie immer stärker mit Kürzungspolitik und Sparmaßnahmen identifiziert werden.

Comeback von Podemos – aber eine verpasste Chance für die Linke

Die wichtigste Veränderung der politischen Landschaft ist natürlich der Einzug von Podemos ins Parlament mit über 5 Millionen Stimmen beim ersten Wahlantritt. Dadurch wurde teilweise das „Comeback“, von dem Pablo Iglesias im Vorfeld gesprochen hatte, realisiert (in den letzten Monaten hatte es einen deutlichen Rückgang der Umfrageergebnisse gegeben und teilweise wurden nur noch 10% für seine Partei vorausgesagt). Beigetragen haben dazu neben seinem geschickten Auftreten in Fernsehdebatten auch die Unterstützung von Schlüsselfiguren der sozialen Bewegungen im spanischen Staat wie Ada Colau, der Führerin der Bewegung gegen Zwangsräumungen (PAH). Letztendlich kam Podemos sehr nah an die PSOE heran und erhielt nur 340.000 Stimen weniger.

In Katalonien wurde die von Podemos, der Izquierda Unida (Vereinigte Linke) und anderen unterstütze Liste „Podem en Comu“ stärkste Kraft – ein historischer Sieg, und das nur drei Monate nach dem enttäuschenden Abschneiden einer ähnlichen Wahlallianz in den regionalen katalanischen Wahlen. Auch im Baskenland war Podemos die meistgewählte Partei; in Galizien und Valencia, zwei traditionellen Bastionen der PP, kamen linke Allianzen mit Podemos-Beteiligung jeweils auf den zweiten Platz (in Galizien kandiderte Podemos zusammen mit „Anova“ und in Valencia zusammen mit „Compromis“).

Aber aus diesen Resultaten müssen die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden, und die wichtigste ist, dass Podemos dort die besten Ergebnisse erzielt hat, wo eine wirkliche Vereinigung der Kräfte stattgefunden hat – linke und Arbeiterorganisationen eingeschlossen. Dies war in Katalonien, Galizien und Valencia der Fall, und unterstreicht den Punkt, den unsere Schwesterorganisation Socialismo Revolucionario immer gemacht hat: eine vereinigte Kandidatur, die sich auf die sozialen Bewegungen stützt und alle wirklich linken Kräfte umfasst – einschließlich der Vereinigten Linken, die diesmal separat als „Volkseinheit“ antrat und knapp eine Million Stimmen gewann – hätte wirklich um den Wahlsieg mitkämpfen können. Umso wichtiger ist es jetzt, solch eine Einheit aufzubauen, sich im Kampf gegen die Kürzungspolitik demokratisch von unten zu organisieren und dabei sektiererische Machtkämpfe zu unterlassen.

Das Resultat der Vereinigte Linke / Volkseinheit (IU – UP nach den spanischen Abkürzungen, AdÜ) war ebenfalls bedeutsam, zumal es trotz des Aufstiegs von Podemos erzielt wurde und die Partei in mehreren Regionen zugunsten von Allianzen mit Podemos auf einen Wahlantritt verzichtete. Der vom linken Parteiflügel stammende Vorsitzende Alberto Garzon führte einen sehr guten Wahlkampf und dürfte weit über das reine Wahlergebnis der Volkseinheits-Liste hinaus politisches Kapital und Unterstützung aufgebaut haben. Die Kampagne stütze sich im Vergleich zu anderen auf ein solides, wenn auch nicht revolutionäres linkes Programm, das wichtige Forderungen zur Beschneidung der wirtschaftlichen Macht der Eliten enthielt: Die „geretteten“ Banken sollten verstaatlicht werden, die Energieunternehmen wiederverstaatlicht, um soziale Energiearmut bekämpfen zu können und in erneuerbare Energien investieren zu können, etc.

Insgesamt bedeuten die Wahlen eine Linksverschiebung und reflektieren damit die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre, in denen mehr Klassenkämpfe als zuvor stattgefunden haben. Darauf muss aufgebaut werden und Einheit im Kampf gegen die Kürzungspolitik von egal welcher Regierung, die sich jetzt bilden wird, geschaffen werden.

Welche Regierung wird es geben?

Es ist noch offen, was bei der Regierungsbildung geschehen wird, und die Situation ist sehr instabil. Sogar ein Scheitern mehrerer Versuche, und daran anschließend Neuwahlen, kann nicht ausgeschlossen werden. Jedenfalls ist es wahrscheinlich, dass es zu einer Minderheitsregierung kommt, die von Natur aus instabil sein würde und nur eine geringe Chance hätte, die volle Legislaturperiode zu überstehen.

Diese Situation müssen linke Kräfte und die Arbeiterbewegung ausnutzen, um gegen die neue Regierung Proteste zu organisieren und für Kämpfe zu mobilisieren – nicht nur defensiver, sondern auch offensiver Art, um verlorene Rechte wiederzugewinnen und den Lebensstandard wieder zu erhöhen.

Es wird wohl mehrere Wochen dauern, bis eine neue Regierung gebildet wird, aber die aktuelle Stimmung ist klar gegen eine Fortsetzung der PP-Alleinregierung, welche als korrupt und als verheerend für ArbeiterInnen, Frauen, StudentInnen und Arme gesehen wird.

Die PSOE wird unter (auch internen) Druck kommen, eine weitere PP-Regierung zu unterstützen oder zumindest nicht zu verhindern, auch wenn dies bedeuten würde, selbst weiter an Unterstützung zu verlieren. Dennoch ist es wahrscheinlicher, dass sie versuchen wird, mit Hilfe von Podemos und anderen eine alternative Regierung zu bilden.

Die Linke darf nicht vergessen, dass eine neue PSOE-Regierung kapitalistischen Charakters sein wird und Kürzungspolitik (wenn auch in geringerem Umfang als die PP) umsetzen wird. Daher müssen Podemos und die anderen Linken ihre politische Unabhängigkeit bewahren und auch im Fall einer – richtigen – Hilfe bei der Wahl einer alternativen Regierung, die die PP verjagen würde, konkrete Zugeständnisse als Bedingung für diese Hilfe verlangen und durchsetzen. Ihre Forderungen müssen dabei über abstrakte Versprechen einer Verfassungsreform hinausgehen (das ist Pablo Iglesias’ aktuelle Position, die übrigens sehr wahrscheinlich sowieso von der PP-Mehrheit im Senat blockiert würde) und die Erfüllung konkreter Bedürfnisse und Forderungen der ArbeiterInnen und der Armen erreichen. Die parlamentarische Beschränkung auf eine eventuelle PSOE-Regierungswahl ist von entscheidender Bedeutung. Linke Kräfte und die Arbeiterklasse dürfen keiner der möglichen Regierungen einen Blankoscheck ausstellen, sondern müssen ihre Unabhängigkeit bewahren, um für ihre Forderungen zu kämpfen – gegen jede Regierung, die Kürzungen durchzusetzen versucht.

Ein Programm für eine wirklich linke Regierung würde mit einer Streichung der Arbeitsmarkt„reformen“ beginnen, die von den vorherigen PSOE- und PP-Regierungen durchgeführt wurden, und zusätzlich deren Stellenabbau im öffentlichen Dienst, antidemokratische Gesetze, Privatisierungen und Kürzungsmaßnahmen zurücknehmen. Aber diese Maßnahmen können – obwohl sie nicht revolutionär sind – angesichts der aktuellen kapitalistischen Krise und der Diktatur der Märkte und der Bosse nicht ohne Weiteres umgesetzt werden. Weitere Maßnahemn wären notwendig, um die grundlegende Ausrichtung der Wirtschaft zu ändern und diesen Leuten aus den Händen zu nehmen. Dazu gehören die Verstaatlichung des Bankensektors unter demokratischer Kontrolle, um Ressourcen in die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen im Wohnungsbau und anderen sozialen Bereichen umzulenken, sowie die Übernahme von Schlüsselsektoren der Wirtschaft in öffentliche und demokratische Kontrolle. Eine linke Regierung würde auch das Recht aller Nationen des spanischen Staates auf Selbstbestimmung in die Verfassung aufnehmen und ein unverzügliches freies und rechtlich bindendes Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens garantieren.

Die beste und wichtigste Art und Weise, Zugeständnisse von einer Minderheitsregierung zu bekommen – sei sie PP- oder PSOE-geführt – ist durch Kämpfe auf der Straße und in den Betrieben. Minderheitsregierungen sind, wie oben erklärt, schwächer und auch leichter durch Mobilisierungen unter Druck zu setzen bzw. letztendlich zu stürzen als die bisherige PP-Mehrheits-Alleinregierung.

Die Erfahrungen in Griechenland und in mehreren regionalen und lokalen Regierungen im spanischen Staat haben die Grenzen aufgezeigt, innerhalb derer reformistische Regierungen unter kapitalistischen Bedingungen handeln müssen, wenn sie nicht gewillt sind, kühne sozialistische Maßnahmen zu ergreifen, um mit der kapitalistischen Kürzungspolitik zu brechen.

Darum ist es wichtig, die Arbeiterklasse und die Linke darauf vorzubereiten, der Mehrheit die Macht in die Hände zu geben – durch neue demokratische Organisationen, die mit einem Programm demokratischer öffentlicher Kontrolle ausgestattet sind, um die Wirtschaft nach den Interessen der Gesellschaft zu planen anstatt nach denen der Großunternehmen und Superreichen. Nur so könnten auch die Rechte aller Nationen und Völker respektiert werden. Diese Organisationen müssen auch Podemos und die Vereinigte Linke sowie die sozialen Bewegungen und GewerkschafterInnen umfassen und sich auf wirkliche Demokratie von unten gründen – letzteres betrifft neben der Ausarbeitung des Programms auch die Wahl von FührerInnen und KandidatInnen.

 

Politische Revolution in den USA?

von Anna Shadrova

Bernie Sanders und linke Positionen zum US-Präsidentschaftswahlkampf

Als Bernie Sanders Ende Mai in Minneapolis bei einer Wahlkampfveranstaltung geredet hat, standen die Leute Schlange: Mehrere tausend waren gekommen, hunderte warteten vor der Tür – 200 hatten die VeranstalterInnen erwartet.

Im Juli dann 11.000 in Arizona, 15.000 in Seattle, 28.000 in Portland, Oregon, einer Stadt so groß wie Bremen (ohne Metropolregion). Er nennt sich einen demokratischen Sozialisten, fordert kostenlose Hochschulbildung, staatliche Gesundheitsversorgung, die Erhöhung des Mindestlohns und eine politische Revolution gegen die gekaufte Politik für die Milliardäre. Wer ist Bernie Sanders, und was bedeutet seine Kampagne für die Arbeiterbewegung in den USA?

Bernie Sanders ist seit 2007 als unabhängiger Kandidat Senator in Vermont und tritt mit Forderungen nach Umverteilung und Besteuerung von hohen Einkommen, Lohngleichheit von Männern und Frauen, Gleichberechtigung für Menschen aus dem LGBTQI*-Spektrum und Migrationspolitik auf1 Als Sanders ankündigte, dass er bei den Vorwahlen der Demokraten antreten würde, sammelte er innerhalb von vier Tagen drei Millionen Dollar an Spenden, fast ausschließlich von Einzelpersonen, nach einigen Monaten hatten eine Million Menschen gespendet.2

In vielen Städten bildeten sich ‚People for Bernie‘-Komitees, die viele neue und bis dahin nicht politisch aktive Menschen anziehen.

Neue Bewegungen in den USA

Bernie Sanders kandidiert vor dem Hintergrund eines generell gesteigerten Interesses an der sozialen Frage und eines Aufschwungs an linken Bewegungen in den USA.

Besonders in der Krise, aber auch schon in den Jahrzehnten zuvor, hat sich die Reichtums- und Einkommensverteilung in den USA deutlich zugunsten der reichsten ein Prozent verschoben3 Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in der Krise, eine hohe Schuldenbelastung durch steigende Immobilienpreise und Studiengebühren seit Jahrzehnten, ein stagnierender Mindestlohn und zunehmende Polizeirepression sorgten seit Langem für Unzufriedenheit. Die veränderte Stimmung fand erstmals Ausdruck im ersten Wahlkampf von Obama 2008 und 2009, dessen Hauptthemen ‚Change‘, Veränderung, und Versprechungen von sozialen Verbesserungen und allgemeiner Krankenversicherung waren. Obama wurde damals mehrfach von Republikanern angegriffen, die ihn als Sozialist bezeichneten. Was nicht vorgesehen war: Viele Leute entwickelten plötzlich einen positiven Bezug zum Sozialismusbegriff: „Wenn das, was Obama fordert, Sozialismus ist, dann bin ich auch Sozialist“. Und dieser Trend hält an: Bei einer Umfrage im Juni haben 47 Prozent angegeben, dass sie bereit wären, bei der Wahl für einen sozialistischen Kandidaten zu stimmen4 und eine andere Umfrage ergab, dass eine Mehrheit (52 Prozent) sich für eine Umverteilung von Reichtum durch eine hohe Vermögenssteuer ausspricht.5

Nachdem Obama aber keine Veränderungen bewirkte, fand die Unzufriedenheit neuen Ausdruck: Zunächst 2011 in Madison, Wisconsin, wo das Rathaus (Capitol) besetzt wurde und bis zu hunderttausend Menschen protestierten6, als gewerkschaftliche Rechte beschnitten werden sollten. Dann bei der Occupy-Bewegung, die im selben Jahr, inspiriert von den Revolutionen in arabischen Ländern und den Empörten-Bewegungen und Platzbesetzungen in Spanien, Portugal und Griechenland, in den USA am prominentesten als „Occupy Wall Street“ entstand. Zweihundert Leute besetzten über zwei Monate einen Park im New Yorker Finanzdistrikt, und tausende nahmen an Demos und Kundgebungen gegen Vermögens- und Einkommensungleichheit teil: „We are the 99 per cent“ – „Wir sind die 99 Prozent“ war der Slogan der Bewegung. In der Folge gründeten sich Occupy-Ableger in vielen Städten.

In Minneapolis war es, auch durch den Einfluss von Socialist Alternative, der Schwesterorganisation der SAV, gelungen, Occupy mit der Bewegung gegen Hausräumungen zu verknüpfen. GewerkschafterInnen hatten die Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Dollar aufgestellt, wofür sich in Seattle nach der Wahl von Kshama Sawant als erster Sozialistin seit hundert Jahren in den Stadtrat eine starke Bewegung entwickelte, was mittlerweile nicht nur in Seattle, sondern unter anderem auch San Fransisco, Los Angeles und für ArbeiterInnen im Fast Food-Bereich in New York erkämpft wurde. Seit 2014 entwickelt sich außerdem zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine Bewegung gegen den starken staatlichen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze, die sich Black Lives Matter (#blm) nennt. Alle diese Bewegungen sind noch von einer sehr kleinen Zahl Aktiver getragen, aber die Stimmung ist in vielen Städten landesweit spürbar, und vielerorts finden Reorganisationsversuche der Gewerkschaften statt, kandidieren GewerkschaftskandidatInnen bei lokalen und regionalen Wahlen, verbinden sich Gruppen zu neuen Bündnissen für 15 Dollar Mindestlohn und andere Forderungen.

Sanders‘ Kandidatur als Katalysator für die Bewegung

Seit den 40er Jahren hatte die linke Bewegung in den USA wenig zu lachen. Auf antikommunistische Gesetze, die McCarthy-Ära und den kalten Krieg folgte die Zermürbung der Gewerkschaften, am dramatischsten beim Fluglotsenstreik 1981. Es gab nur zwei wirklich erfolgreiche Momente in der US-Nachkriegsbewegung: Die Bewegung gegen den Vietnam-Krieg mit der anschließenden Studierendenbewegung vor allem in Küstenregionen. Und die Civil Rights-Bewegung gegen die rassistische Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung.7

Daher ist die Entwicklung neuer Bewegungen eine besondere Herausforderung, hat aber auch eine besondere Dynamik. Es gibt praktisch keine Organisationsstrukturen, die mit den Parteien, Gruppen, Bündnissen und Gewerkschaften in europäischen Ländern vergleichbar wären. Bernie Sanders‘ Kandidatur kann dabei eine beschleunigende Wirkung haben, weil sie viel mediale Aufmerksamkeit auf fortschrittliche Forderungen lenkt und den wenigen Aktiven einen Anknüpfungspunkt an breitere Schichten der Arbeiterklasse bietet. Die People for Bernie-Gruppen sind bereits ein Ausdruck dieser Wirkung, denn viele von ihnen sind nicht bloße Wahlkampfkomitees, sondern sehen sich als Bündnisse für Bernies Forderungen, mit oder ohne Wahl und mit oder ohne Bernie.

Licht und Schatten

Doch bei allem Enthusiasmus für die Möglichkeiten seiner Kandidatur regt sich auch Kritik: Bernie Sanders hat als Senator Kompromisse mit den Demokraten gemacht und Kürzungen zugestimmt. Aktive von #blm kritisieren ihn, weil er zunächst nur wirtschaftliche Ungleichheit aufgriff, aber zur krassen institutionellen Diskriminierung vor allem durch Polizei und Gerichte keine Aussagen traf. Erst nach einigen Auseinandersetzungen, bei denen #blm-Aktive seine Wahlkampfveranstaltungen so störten, dass er sie abbrach, hat er diese Punkte in sein Programm aufgenommen.

Bernie Sanders‘ außenpolitische Positionen nehmen weder den Standpunkt der Arbeiterklasse ein, noch sind sie pazifistisch. Er stimmte für den Afghanistankrieg, setzt sich für militärische Interventionen der USA im ‚Kampf gegen den Terrorismus‘ ein und betrachtet die Angriffe des israelischen Staats auf Palästina im letzten Jahr als, wenn auch überzogene, grundlegend gerechtfertigte Selbstverteidigungshandlung.

Nicht alle seine Forderungen sind so radikal, wie seine Rhetorik vermuten lässt, und von verschiedenen Gruppen wird ihm vorgeworfen, er würde als älterer, weißer, privilegierter Mann diejenigen, die er vertreten will, zu wenig zu Wort kommen lassen.

Kleinere und größere Übel

Der wichtigste Kritikpunkt gilt jedoch Bernie Sanders‘ Analyse der Demokraten, denn er macht den Fehler, sich auf die Logik des kleineren Übels einzulassen. Damit bedroht er selbst die Dynamik, die seine Kandidatur angestoßen hat. So hat er bereits angekündigt, sich dem Wahlkampf für den oder die andere PräsidentschaftskandidatIn der Demokraten, höchstwahrscheinlich Hillary Clinton, anzuschließen, sollte er die Vorwahlen nicht gewinnen, was beinahe sicher ist. Er erklärte, er würde mit allen Mitteln verhindern wollen, dass ein Republikaner diese Wahl gewinnt, und jüngst fügte er hinzu, Hillary Clinton sei an ihrem schlechtesten Tag immer noch unendlich viel besser als ein republikanischer Kandidat.8

Er schürt so Illusionen in ein besseres, oder zumindest weniger schlechtes, Leben unter demokratischer Regierung. Genau das ist aber historisch zigmal widerlegt: Es sind oft gerade die etwas linker anmutenden Parteien des Kapitals, die die größten Verschlechterungen durchsetzen können. Zum Beispiel auch in den USA, wo die Regierung von Obama eine Ausweitung von militärischen Operationen im Inland, eine Verlängerung von Guantanamo und des Afghanistankrieges und drastische Verschlechterungen für RentnerInnen beschlossen hat, wie sie George Bush zuvor nicht ohne größere Proteste hätte umsetzen können.

Die Logik des kleineren Übels, zu Englisch ‚lesser evilism‘, ist in den USA wegen der besonders unmaskiert menschenfeindlichen Haltung der Republikaner und Libertären (Tea Party Bewegung) ohnehin weitverbreitet.

Das kleiner erscheinende Übel ist in seiner politischen Wirkung auf die Arbeiterbewegung und Linke aber oftmals das größere, denn Parteien wie die US-Demokraten haben einen psychologischen Vorteil, der mit ihrem linkeren Image einhergeht: Leute glauben eher, dass eine Verschlechterung unumgänglich war, dass es ‚keine Alternative gab‘, wenn sie von ‚den ja schon weniger Schlimmen‘ durchgeführt wird. Bernie Sanders bestärkt diese Illusionen und liefert damit ein weiteres Sprungbrett für Hillary Clintons Politik im Dienste der Konzerne und Oligarchen.

SozialistInnen und Bernie Sanders

Manche linken Gruppen in den USA nennen die hunderttausenden Leute, die Sanders anzieht, verächtlich ‚sheeple‘ (von sheep – Schaf und people – Leute), sie werfen ihnen Naivität vor, weil sie ihm mehr Abgrenzung zu den Demokraten und Radikalität zusprechen, als gerechtfertigt wäre, und seine Schwächen verkennen. Fakt ist aber, dass die Debatte, die er ausgelöst hat, viel tiefer in die Gesellschaft wirkt, als alle Bewegungen der letzten Jahre. Die Gefahr ist groß, dass Sanders‘ Aufruf, Hillary Clinton zu wählen und damit die Politik zugunsten von Milliardären und zum Schaden der Arbeiterklasse fortzusetzen, wenn er die Vorwahlen verliert, zu einer Demoralisierung dieser Leute führt und das Potential für eine neue Bewegung abermals verpufft. Wenn SozialistInnen es aber schaffen, mit diesen Leuten in Kontakt zu treten, sie davon zu überzeugen, dass eine neue politische Kraft, eine Massenpartei der normalen Bevölkerung, notwendig ist, die mit Gewerkschaften und Jugendlichen gemeinsam eine starke Bewegung aufbaut, könnte das der Anfang einer tatsächlich grundlegenden Veränderung der politischen Lage in den USA sein. Mitglieder von Socialist Alternative, der Schwesterorganisation der SAV in den USA, beteiligen sich deshalb an People-for-Bernie-Versammlungen und versuchen dort, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was nötig wäre, um die Forderungen wirklich durchzusetzen. Bernie Sanders selbst hat mehrfach gesagt, es gehe in dieser Kampagne nicht um ihn, es gehe um politische Veränderungen. Das sollten SozialistInnen aufgreifen und diese Chance nutzen, mit vielen tausend Menschen ins Gespräch zu kommen.

Ist Bernie Sanders ein demokratischer Schäferhund?

Einige linke Gruppen argumentieren, man würde Illusionen in die Demokraten Vorschub leisten, indem man auf Sanders‘ Wahlkampf orientiert und ihm und seinen Ideen zu viel Raum gibt. Sie sagen, Sanders wäre eine Vorfrontfigur der Demokraten, jemand, den sie nur einsetzen, um am Ende die radikalisierten Schichten, ihre Unterstützung und ihre Spendengelder, in den eigenen Wahlkampf zu lenken. Um in ihrem Bild zu sprechen: Er ist der Schäferhund, der die sheeple zusammentreibt.

Es ist sicherlich eine Gratwanderung, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man würde für Sanders Kampagne machen und wäre bereit zur Aufgabe von politischen Prinzipien, um ihm zum Erfolg zu verhelfen, und gleichzeitig in eine konstruktive und solidarische Diskussion über die nötigen Schritte zur Umsetzung der Forderungen mit den neuen Aktiven zu treten.

Gleichzeitig bestehen Illusionen in die demokratische Partei bereits, und sie entstehen in jeder Wahlperiode neu durch die abschreckenden Positionen der Republikaner. Eine neue, unabhängige Kraft kann aber nur Bedeutung erlangen, wenn sie von einer Bewegung getragen wird. Diese wiederum muss erst entstehen, und im Moment sammelt sich das größte Potential dafür um Bernie Sanders. Zwar gibt es mit Jill Stein eine Kandidatin der Green Party (die in den USA weiter links und unabhängig stehen als die Grünen in den europäischen Ländern), aber realistisch betrachtet bekommt sie trotz ihrer klar unabhängigen und weniger problematischen Postion in einigen politischen Fragen bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit wie Bernie Sanders.

GenossInnen von Socialist Alternative berichten allerdings auch, dass sie viele Leute treffen, die Bernie Sanders‘ Forderungen unterstützen, aber keine Illusionen mehr in die Demokraten hegen. Diese Leute, und die Leute, die sich nach Sanders‘ Nichtwahl von den Demokraten abwenden, können zum Ausgangspunkt für die Bildung einer unabhängigen Kraft der Arbeiterklasse werden. Während mit der Occupy Wall Street-Bewegung erste Gespräche über Antikapitalismus und die Ausweglosigkeit des kapitalistischen Systems in der Breite möglich wurden, diskutieren größere Teile der US-Gesellschaft jetzt zum ersten Mal seit Langem sozialistische Ideen und echte Alternativen zur Kürzungs- und Kriegspolitik des US-Establishments.

Kann Bernie Sanders nach links gedrückt werden?

Zugleich verkennt die Analyse, Sanders wäre nur ein demokratischer Strohmann, seine durchaus widersprüchliche Rolle. Zwar ist es nicht falsch, zu sagen, die Demokraten könnten versuchen, ihn als solchen zu benutzen um die Stimmen der fortschrittlichsten Schichten als kleineres Übel abzuräumen. Eigentlich gäbe es dafür aber wenig Grund: Alle Umfragen zeigen, dass die jungen und nicht-weißen Wählerschichten demokratisch wählen, und ihre Zahl nimmt in den kommenden Wahlen zu. Zugleich besteht für die Demokraten eine große Gefahr darin, dass Leute anfangen, sich selbstständig zu organisieren und die Grenzen des Systems in ihren Kämpfen kennenzulernen, oder gar eine neue, unabhängige Organisation aufzubauen. Auf Bernie Sanders als Schäferhund zu setzen wäre ein ziemlich riskantes Unterfangen ohne jede Not zu diesem Zeitpunkt. Eine Figur wie Obama war weitaus geeigneter, die Stimmung abzufangen, Bernie Sanders hingegen ist im Moment eher Brennspiritus als Feuerlöscher.

Wie bewusst ihm seine eigene Rolle in diesem Prozess ist, ist schwer zu sagen. Aber so oder so wirken die Verhältnisse der Bewegung auch auf ihn zurück, und wenn seine Forderungen auf eine Stimmung treffen und eine allgemeine Organisations- und Bewegungsdynamik anstoßen, wird er sich entscheiden müssen, sich entweder mit der Bewegung zu radikalisieren oder von ihr zurückgelassen zu werden. Erste solche Momente sind schon jetzt sichtbar: Bernie Sanders hat in der Vergangenheit abgelehnt, die Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar aufzustellen. Nachdem sie aber in mehreren Städten erkämpft wurde, hat Sanders diesen Punkt im Mai 2015 zum ersten Mal in sein Programm aufgenommen. Das kann von der Bewegung aufgegriffen und in einer Art Schneeballeffekt genutzt werden.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Bernie Sanders im weiteren Verlauf mit noch linkeren Positionen oder sogar einer unabhängigen Kandidatur reagieren muss, insbesondere, wenn er in den Umfragen zu nah an Hillary Clinton heranrücken sollte (er liegt jetzt im Schnitt bei knapp über 30 Prozent, sie bei ca. 55 Prozent)9 und die Führung der Demokraten mit einer Hetzkampagne reagiert.

Für die sozial(istisch)e Revolution

Sanders ist kein Sozialist im marxistischen Sinn: Seine Vorstellung von einer politischen Revolution beschränkt sich weitgehend auf etwas Sozialstaat, vergleichbar mit der sozialdemokratischen Politik in einigen europäischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg. Im US-Kontext wirken jedoch seine Forderungen, und nicht nur seine Rhetorik, tatsächlich so radikal, dass er eine gesellschaftliche Debatte auslöst. Sieben Tage Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zwölf Tage bezahlter Urlaub im Jahr sind kein Sozialismus, aber in einem Land, in dem viele Beschäftigte keine Krankenversicherung und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, abgesehen von vier oder fünf gesetzlichen Feiertagen haben, sind diese Forderungen weitgehend.

Aber Bernie Sanders sieht seine Kandidatur nicht als Ersatz für die Bewegung, und das ist ein entscheidender Anknüpfungspunkt für MarxistInnen. Er erklärte bei seiner Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in Vermont:

„Heute beginnen wir eine politische Revolution, um unser Land wirtschaftlich, politisch, sozial und in Umweltfragen zu verändern. (…) Brüder und Schwestern, jetzt ist nicht die Zeit, um in kleinen Schritten zu denken (…) Jetzt ist die Zeit für Millionen von Familien zusammenzukommen“ (Übers. d. A.)10

Damit das gelingen kann, muss die Bewegung erkennen, dass die Parteien der Konzerne und Oligarchen, ob Demokraten oder Republikaner, keinen Hebel für sie darstellen. Wenn Bernie Sanders in den Vorwahlen gegen Hillary Clinton verliert, kann das ein wichtiger Schritt für den Erkenntnisprozess sein, dass eine Politik im Dienste der Arbeiterklasse bei den Demokraten nicht erwünscht ist.

Socialist Alternative ruft nicht zur Wahl von Bernie Sanders oder der demokratischen Partei auf. Die GenossInnen sind sich bewusst über die Grenzen seiner Kandidatur und seines Programms und erklären überall, wo sie auftreten, die Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen Kraft, die das kapitalistische System in Frage stellt, und dass Parlamentssitze nur dienlich sind, wenn sie an die Bewegung anknüpfen. Kshama Sawant hat vorgemacht, wie SozialistInnen das Parlament nutzen können, um Bewegungen zu unterstützen und zu befördern. Das Entscheidende an Bernie Sanders‘ Kandidatur ist aber die breite Politisierung und die ermutigende Wirkung, die sie auf Aktive und Interessierte hat. Diese Dynamik zu befeuern und in Bewegungen zu konkreten Forderungen zu lenken ist die wichtigste Aufgabe von SozialistInnen im kommenden US-Wahlkampf.

Anna Shadrova war vor Kurzem mehrere Monate in den USA und dort aktiv in der erst 2014 gegründeten Ortsgruppe von Socialist Alternative in Austin, Texas. Sie lebt in Berlin und beteiligt sich unter anderem an der Arbeit der jungen GEW.
1 https://berniesanders.com/issues/
2http://www.nytimes.com/politics/first-draft/2015/09/30/bernie-sanders-ra... , http://nymag.com/daily/intelligencer/2015/09/bernie-sanders-makes-a-mill..., zulezt aufgerufen am 6.11.2015
3 http://assets.motherjones.com/politics/2011/inequality-p25_averagehouseh...
4 http://www.huffingtonpost.com/2015/06/22/socialist-president-poll_n_7638...
5 http://ivn.us/2015/05/06/americans-now-socialist/
6 http://usatoday30.usatoday.com/news/nation/2011-02-26-wisconsin-saturday...
7 Es gab einzelne Erfolge im LGBTI*-Bereich, aber diese waren weniger von einer starken, öffentlich wahrnehmbaren Bewegung getragen und wurden eher als Verhandlungsmasse von den Parteien eingesetzt, um Stimmen aus den jeweiligen Communities zu gewinnen.
8 http://talkingpointsmemo.com/livewire/bernie-sanders-hillary-clinton-can...
9 https://en.wikipedia.org/wiki/Nationwide_opinion_polling_for_the_Democra...
10 „Today we begin a political revolution to transform our country economically, politically, socially, and environmentally,“ Sanders said. „Brothers and sisters, now is not the time for thinking small … now is the time for millions of working families to come together.“ , http://www.washingtonexaminer.com/bernie-sanders-today-we-begin-a-politi..., zuletzt aufgerufen am 6.11.2015

 

Spanischer Staat vor den Wahlen

von René Kiesel, Berlin

Höhenflug von Podemos beendet – Linke lässt Chancen ungenutzt

Am 20. Dezember werden im größtem Staat der iberischen Halbinsel Wahlen zu den beiden Kammern des Cortes, Parlament und Senat, stattfinden. Anhaltende Korruptionsskandale, die nicht überwundene ökonomische Krise und die Fäulnis des politischen Establishments prägen den Süden Europas. Die Erklärung der Mehrheitsparteien im katalanischen Parlament, ab November einen unilateralen Unabhängigkeitsprozess zu initiieren, verschärfte die Staatskrise. Eine linke Einheitskandidatur und ein Programm, das eine Antwort auf die Situation gibt, scheint gleichzeitig in weiter Ferne.

von René Kiesel, Berlin

40 Jahre nach dem Tod des Diktators Francisco Franco und fast 80 Jahre nach Beginn der Spanischen Revolution sind die zentralen Probleme des Landes weiterhin ungelöst. Das kapitalistische Zweiparteiensystem, 1978 als konstitutionelle Monarchie etabliert und dessen Stammhalter zur Zeit die konservative Partido Popular (Volkspartei) unter Ministerpräsident Mariano Rajoy ist, erwies sich als unfähig, diese anzugehen. Die Bauern und arme Landbevölkerung, vor allem im Süden, haben weder Land zu ihrer eigenen Verfügung, noch ein ausreichendes Einkommen. Die Industrie ist bis auf wenige Sektoren schwach entwickelt und viele Betriebe sind in Länder mit geringeren Löhnen abgewandert. Die Kirche ist ungebrochen eine Stütze der Zentralregierung und konservativsten Teile der Politik. Nach dem Übergang zur bürgerlichen Demokratie wechselte sie und Milliarden an Geld- und Landwerten gemeinsam mit den meisten faschistischen Funktionären in die Partido Popular (Volkspartei). Dies ist bis heute der Grund, dass es rechts von dieser Schwesterpartei der CDU keine nennenswerte Kraft im spanischen Staat gibt. Teile der Armee und vor allem der Polizei blieben nach deren offizieller Demokratisierung ein Hort der Kräfte, die den Geist des alten Regimes verkörpern. Ein demokratisches Selbstbestimmungsrecht der Minderheiten im spanischen Staat existierte nie und bis heute sind Referenden über die Frage der Loslösung vom Zentralstaat verboten.

Ein Ende der Wirtschaftskrise?

Seit 2013 heißt es, die Wirtschaft habe die Rezession nach der globalen Krise von 2007 überwunden und wächst erneut. Diese Meldung der großen Medien erschien ebenso unglaubwürdig, wie die Versprechen der kapitalistischen PolitikerInnen. Offiziell ist die Arbeitslosenquote zwar von über 26 Prozent während des Höhepunktes auf gut 21 Prozent in diesem Jahr gesunken. Doch gleichzeitig hat sich die Anzahl der Erwerbsfähigen in den letzten drei Jahren um eine halbe Millionen verringert. Besonders die Auswanderung vor allem junger und hoch qualifizierter Menschen spielt eine große Rolle. Es wird geschätzt, dass sich momentan mindestens 2 Millionen Staatsangehörige in anderen Ländern befinden. Weitere Faktoren für den Rückgang sind die Ausweitung der prekären Lohnarbeit durch Befristung, Teilzeit und eine Senkung des allgemeinen Lohnniveaus durch Verschlechterungen beim Arbeitslosengeld und Kündigungsschutz seit der Arbeitsreform 2012.

Das durchschnittliche Einkommen sank seit dem letzten Höhepunkt 2011 um bis zu neun Prozent. In 1,6 Millionen Haushalten ist niemand in Lohnarbeit, wovon 720.000 keine einzige Einkommensquelle haben. Die sozialwissenschaftliche Fundación Foessa schätzt, dass 22 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze von 7800 Euro im Jahr und 6,4 Prozent, beziehungsweise drei Millionen Menschen in absoluter Armut, also von weniger als 307 Euro pro Monat, leben.

Vor allem Frauen und Kinder betroffen

Insbesondere Frauen und Kinder kämpfen mit den verschlechterten Lebensbedingungen. Zusätzlich zum alltäglichen Sexismus, der Mehrarbeit im Haushalt und sexualisierter Gewalt, gibt es in Krisenzeiten eine Zuspitzung. Häusliche Gewalt erlebt einen Aufschwung und die reine Existenzsicherung wird zum Überlebenskampf. Der Bruttolohn beträgt für Frauen im Schnitt 51 Euro pro Tag, was ein Viertel weniger ist, als bei ihren männlichen Kollegen. Die Kosten für den Lebenserhalt sind in den großen Städten höher als in Deutschland. Von den 2,8 Millionen Teilzeitbeschäftigten sind 72 Prozent weiblich. Alleinstehende Frauen werden, oft ohne jegliche Jobmöglichkeit, zweimal so häufig arm wie Männer ohne PartnerIn.

In Folge von Privatisierung des Gesundheitswesens und Kürzungen von Sozialleistungen sind ein Viertel aller Kinder von Armut betroffen und zehn Prozent aller Familien mit Nachwuchs fristen in absoluter Armut ihr Dasein.

Zusätzlich leiden Frauen, die zu den kämpferischsten Teilen der sozialen Bewegung gehören, unter einer ideologischen Offensive. Auf dem Höhepunkt des Widerstandes während einer Reihe von Generalstreiks und der Proteste der Indignados (Empörten) 2011-2013, sollte die Arbeiterklasse bewusst gespalten werden. Seit 2012 gibt es ein Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert und das bislang nur durch Druck von unten und Uneinigkeit in der herrschenden Volkspartei nicht zur Anwendung kommt. Die Angriffe bleiben jedoch nicht ohne Antwort. Erst Anfang November gingen in Madrid über 200.000 Menschen, vor allem junge Frauen, gegen Sexismus in der Gesellschaft und Selbstbestimmung über ihren Körper und ihr Leben auf die Straße.

Land der Gegensätze

In den letzten Jahrzehnten gab es im Land eine massive Konzentration von Kapital und Unternehmen. Gleichzeitig gibt es zwischen Superreichen und Armen wenig Abstufungen. Das Kleinbürgertum ist zwar verhältnismäßig größer, jedoch vergleichsweise ärmer und mehr vom Absturz ins Nichts mehr bedroht, als beispielsweise in Deutschland. Kleine Gewerbetreibende mit Arbeitstagen von 12 Stunden und gleichzeitig miserablem Einkommen bilden dabei die große Masse. Ende Oktober 2015 wurde bekannt, dass die oberen zehn Prozent 55,6 Prozent des landesweiten Vermögens besitzen. Millionen sind hingegen auf staatliche Unterstützung oder Essensspenden angewiesen. Ohne diese Wohlfahrt würde der Anteil von Menschen in Armut knapp 48 Prozent statt offiziell 22 Prozent betragen. Die Schuldenbremse und das neoliberale Paradigma der Reduzierung öffentlicher Ausgaben werden weitere verheerende Folgen haben.

Die Blütezeit der Industrie im Süden Europas war kurz und deren Entwicklung kam nie völlig zur Entfaltung. Mit einer Industrieproduktion, die 13 Prozent des BIP ausmacht, liegt der spanische Staat noch hinter Portugal. Vor allem in Katalonien, Valencia und dem Baskenland, also Regionen mit strategisch wichtigen Häfen, hat sich Industrie angesiedelt. Aber selbst hier nur in einigen Sektoren wie in der Baubranche und der Autoindustrie. Die große Arbeitslosigkeit Mitte der Neunziger Jahre wurde mit dem Bauboom bekämpft. Jedoch ist dies ein „Motor, der geschmolzen ist“ (El País vom 25.10.2015). Die Bautätigkeit beträgt ein Zwanzigstel im Vergleich zum Höhepunkt vor der Krise. Hunderttausende wurden entlassen, über eine Millionen Menschen verloren durch Hypothekenschulden ihre Bleibe. Die Banken, von denen sieben große Konzerne zwei Drittel des Marktes beherrschen sind eng mit dem Hypothekengeschäft verbunden. Die Zuspitzung wird durch die katalanische La Caixa (Die Bank) deutlich, der etwa ein Dutzend Sparkassen anderer Regionen im Staat gehören. Die Fusion großer Bankhäuser kosteten 60 Milliarden Euro an staatlichen Rettungspaketen nach dem Platzen der Immobilienblase und fast 30.000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Regierungsparteien in den Regionen entsenden Abgeordnete als DirektorInnen in die Sparkassen. Korruptionsskandale sind daher an der Tagesordnung und selbst die Izquierda Unida (Vereinigte Linke) wurde in Madrid darin verwickelt.

Die Banken sind auf dem Lande eng mit der Agrarwirtschaft und dem Grundbesitz verflochten. Die Konzentration des Landbesitzes war immer eines der größten Probleme spanischer Politik. Doch seit den 80er Jahren ist die Durchschnittsgröße eines Gutes von 11 auf 24 Hektar gewachsen. Gleichzeitig lebt die Landbevölkerung vor allem im südlichen Andalusien von weniger Einkommen als 1985. Die Warendistribution wird von zehn Handelsketten beherrscht, die über die Hälfte aller Verkäufe verzeichnen, wogegen mehr als ein Drittel aller Beschäftigten in kleinen Läden arbeitet. Für sie gibt es nur zwei Perspektiven – der langsame Untergang ihrer Läden durch Konkurrenz mit den riesigen Handelskonzernen oder das schnelle Aus. Wenn niemand mehr Geld zum Verreisen oder Ausgehen hat, ist ihre Existenz unmittelbar bedroht. Die Zukunftsvision ist der Fall ins Bodenlose und absolute Verarmung. Einen Vorgeschmack gibt es im Süden, wo an vielen Geschäften „Wegen Krise geschlossen“ prangt und die Arbeitslosigkeit zum Teil auf 70 Prozent unter Jugendlichen stieg. Deshalb steht diese Schicht potentiell auf Seiten der ArbeiterInnen. Zur Zeit bilden sie aber vor allem in den Regionen der nationalen Minderheiten – Baskenland, Katalonien und Galizien – gemeinsam mit den konservativ-katholischen Teilen der Beschäftigten den Rückhalt für konservative oder nationalistische Partien. Doch das kann schnell umschwingen. Die rechtskonvervative Regierungspartei CDC in der katalanischen Region war genauso wie deren baskisches Pendant PNV an der regionalen Durchsetzung der Kürzungen durch die Madrider Regierung beteiligt. Auch hier gibt es durch deren rechte nationalistische Politik im Bunde mit der katholischen Kirche keinen Platz für Parteien rechts von ihnen. Abgeschreckt vom Nationalismus dieser Parteien stützen konservative migrantische Teile der Armen vielerorts rückständige spanische Parteien wie die Partido Popular (Volkspartei) oder zur Zeit die Bürgerpartei Ciudadanos (BürgerInnen), die sich gegen Regionalismus ausspricht. Würde es eine Partei geben, die eine glaubwürdige Alternative in Form eines sozialistischen Programms aufzeigt, könnte sie auf dem linken Potential dieser Schichten aufbauen. Eine Einheit kann hier nur durch soziale Forderungen in Verbindung mit dem Recht auf Selbstbestimmung nationaler Minderheiten hergestellt werden.

Podemos und Izquierda Unida – ¿Ahora en común? (Jetzt gemeinsam)

In diesem Jahr wird und wurde auf jeder Ebene im spanischen Staat gewählt – in Städten und Kommunen, den Regionen und zum nationalen Parlament. Es war aber nicht nur das Superwahljahr, sondern auch das Jahr der Wirrungen und Spaltungen. An Fragen der Wahltaktik offenbarten sich in allen Organisationen der Linken grundlegende Differenzen. Ein weiterer allgemeiner Effekt war eine Entpolitisierung der Auseinandersetzungen und ein Verschwinden vieler AktivistInnen von der Straße. Die Organisierung des unmittelbaren Wahlkampfes verdrängte den Protest. Wahltaktische Überlegungen führten oft dazu, die Klärung prinzipieller Fragen hinten an zu stellen oder das Programm gar zu verklären, um sich anzupassen, statt den vom Establishment gekauften Medien klare Aussagen entgegenzustellen. Dies zögerte den Prozess der Neuordnung auf der Linken weiter hinaus und er wird bis zu den Parlamentswahlen am 20. Dezember nicht beendet sein. Als Folge kam unter anderem keine gemeinsame landesweite linke Kandidatur zustande obwohl mehrere Plattformen und Organisationen jeweils an die anderen appellieren, sich ihnen anzuschließen und Podemos und Izquierda Unida in einigen Landesteilen gemeinsam antreten werden. Eine davon ist La Izquierda (Die Linke), die sich vor allem aus dem linken sozialdemokratischen Spektrum rekrutiert, aber auch die ehemalige Vorsitzende der Jugend der sozialistischen PSOE ist dabei. Eine andere Plattform Convergencia por La Izquiera (Übereinkunft für Die Linke) ist eine Abspaltung prominenter KandidatInnen der Madrider Izquiera Unida. Die Weigerung der lokalen Führung, eine gemeinsame Kandidatur mit Podemos (Wir können es) einzugehen, nahmen sie zum Anlass, eine eigene Wahlplattform, Volkseinheit, wie sie sagen, zu gründen und gleichzeitig alle radikalen Forderungen über Bord zu werfen.

Bei den Wahlen in den Kommunen im Mai war es lokalen linken und Bewegungsbündnissen gelungen, große Erfolge zu erzielen. Als „Ganemos/Guanyem“ (Wir gewinnen) oder Ahora en Común-Listen gewannen sie in Madrid, Barcelona und Sabadell die Mehrheit und stellen nun BürgermeisterInnen. Sie setzten sich vor allem aus Podemos und Izquierda Unida zusammen. Die gemeinsamen Listen wurden in Asambleas (Versammlungen) in den Stadtteilen gewählt. Die Einbeziehung der Plataforma de Afectados por la Hipoteca (Plattform für die von der Hypothek Betroffenen) mit deren Sprecherin Ada Colau als Spitzenkandidatin war ein Garant für den Erfolg in Barcelona. Doch die Bürokratie der Vereinigten Linken, vor allem deren größter Teil der Partido Comunista de España (Kommunistische Partei Spaniens), fürchtete vielerorts um ihren Einfluss gegenüber Podemos und setzte sich vorerst mit getrennten Wahlantritten durch. Auch die Podemos-Führung bestritt die Wahlen auf regionaler Ebene im Alleingang. Die Folgen waren ein deutlich schlechteres Abschneiden, als in den Orten, wo es zu gemeinsamen Kandidaturen kam, weitere Spaltungen und eine Entleerung der örtlichen Organisationen der Vereinigten Linken. Die Vorwahlen für die gemeinsamen linken Kandidaturen in Andalusien waren dennoch ein extremes Beispiel für die bürokratische Handlungsweise der regionalen IU-Führung. Es traten hier KandidatInnen der Vereinigten Linken und anderer Bündnisse an. Auf die Listen der Izquierda Unida entfielen in einigen Wahlbezirken mehr Stimmen, als Menschen daran teilgenommen haben. An anderer Stelle verschwanden die Stimmzettel. Dieser Wahlbetrug, Pucherazo genannt, besitzt leider im spanischen Staat eine lange Tradition und wurde vor allem von bürgerlichen Parteien angewandt. Hier wollte die Führung der andalusischen KommunistInnen ihren Einfluss sicher stellen und brachte dabei die gemeinsame Liste zum Scheitern.

In der Izquierda Unida, 1986 als Parteienbündnis gegründet, war es immer die eurokommunistische PCE, die den Ton angab. Sie zehrt bis heute von ihrer Popularität aus dem Widerstand gegen den Franquismus. In den 80ern traten Tausende in die neue Linke ein. Jenen fehlte aber ein klares Programm und in solchen Situationen setzen sich auch kleinere Organisationen mit dem festeren Apparat durch. Die kommunistische Partei verfolgte schon über Jahrzehnte einen reformistischen Kurs und war eine der ersten, die für den Kompromiss nach dem Tode Francos stimmte, der die Verfassung von 1978 und mit ihm das Zweiparteiensystem etablierte. Dies bedeutete, dass sich alte faschistische Funktionsträger in der neu gegründeten konstitutionellen Monarchie hohe Posten sichern konnten. Die PCE folgte ihrer stalinistischen Etappentheorie wie zu Zeiten des Bürgerkrieges und sagte für den spanischen Staat eine lange kapitalistisch-demokratische Entwicklung voraus und setzte auf Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften. In diesen Jahren war sie in den Augen vieler eher Teil des Establishments. Als Massen vor den Toren der Parlamente protestierten, gingen sie mit ihren grünen FraktionspartnerInnen lieber zu den Plenarsitzungen. Der Vorsitzende ist seit dem Kongress im Juni 2014 der zum linken Flügel gehörende Alberto Garzon, der für Bewegungsorientierung, eine Abkehr von der Klüngelpolitik der alten Generation und eine gemeinsame linke Kandidatur steht. Dass er gewählt wurde ist Ausdruck des Widerspruchs einer Partei, die in manchen Gebieten nicht mehr als eine leere Hülle ist und deren Basis in anderen Landesteilen einen anderen Kurs will.

Podemos

Die Madrider Convergencia ist in diesen Wahlen jedoch nicht die einzige Kraft, die eine Volksfront anstrebt. Vorerst scheint der Höhenflug von Podemos gestoppt zu sein. Lagen sie in der ersten Jahreshälfte bei bis zu 25 Prozent in Umfragen, kommen sie nun auf höchstens 15 Prozent. Auch die IU-Führung lernte aus den schlechten Ergebnissen der Wahlen im Frühjahr. Unter dem Druck der Basis schwenkten beide Organisationen ein und traten erstmals im September in Katalonien mit einer gemeinsamen Liste an. Für die Wahlen im Dezember wurden in allen Orten unter dem Namen Ahora en común (Jetzt gemeinsam) gemeinsame Listen aufgestellt, die Organisationen, Bewegungen und Einzelpersonen einschließen sollen. Laut VertreterInnen von Podemos sind diese Listen wirkliche „Volkseinheit“.

In der öffentlichen Wahrnehmung werden prominente VertreterInnen wie der Vorsitzende Pablo Iglesias oder die ehemalige Europaabgeordnete und nun andalusische Fraktionschefin Teresa Rodríguez als RegierungspolitikerInnen im Wartestand wahr genommen und haben ihre rebellische und kämpferische Ausstrahlung verloren. Gleichzeitig übt die Führung eine erhebliche Dominanz aus. Als in Katalonien die nationalistischen Parteien Ende Oktober ankündigten, über die Unabhängigkeit der Region abstimmen lassen zu wollen, forderte Iglesias den verhassten Staatspräsidenten Mariaono Rajoy (PP) auf, mit ihm zu reden. Podemos sei der einzige Garant für die Einheit (des spanischen Staates, El País 29.10.2015). Die Theorie des Linkspopulismus sowie den (auch parteiinternen) Bonapartismus haben die Podemos-GründerInnen um Iglesias und dem Chefideologen Íñigo Errejón von ihrer Tätigkeit für Regierungen in Venezuela und Ecuador gelernt. Nicht nur, dass sie über enorme mediale Mittel verfügen, ihre Vorschläge zu verlautbaren. Einmal gewählt, ist die Führung nicht an die Parteibasis gebunden. Diese kann nur in Form eines Plebiszits über Vorschläge der Führung online abstimmen. Zugleich gibt es keine demokratischen Parteistrukturen, in denen alternative Vorschläge diskutiert und um Mehrheiten gerungen werden kann. Ähnlich wie in Griechenland die Politik Tsipras’, dem Iglesias auch nach dem Kniefall vor der Troika die Treue hält, setzen sich in Podemos die politischen Tendenzen durch, die als europäische Variante des lateinamerikanischen Peronismus angesehen werden können. Die Weigerung, sich politisch links zu verorten, um rückständigere Teile der Bevölkerung anzusprechen, führte so weit, dass Podemos in der südspanischen Stadt Málaga alle linken Referenzen wie „Kapitalismus“ oder „Klasse“ aus ihrem Wortschatz strich. Deren Spitzenkandidat garantiert in der Online-Ausgabe von El País vom 02.11.15 die Fortsetzung des gemeinsamen religiösen und nicht-religiösen Unterrichts und bezeichnet die Religion als Teil der Geschichte. Für jede linke Partei im spanischen Staat eine undenkbare Haltung, wo selbst die pro-kapitalistische PSOE (Sozialistische Partei) einen republikanischen und atheistischen Anstrich wahren muss. Die Formel der wahren Volkseinheit dient als Rechtfertigung, vermehrt AkademikerInnen und (klein)bürgerliche Personen auf die Kandidatenlisten zu setzen.

Das autoritäre interne Regime des akademischen Führungszirkels mit Pablo Iglesias als unangefochtenen Sprecher der Organisation wurde im Oktober 2014 auf dem Parteikongress in Madrid fest geschrieben, bei dem das Zentralkomitee gewählt wurden. Er konnte sich mit seinem Vorschlag durchsetzen, dass ausschließlich VertreterInnen der siegreichen Liste in das Gremium entsendet werden. Seitdem regiert der Iglesias-Flügel uneingeschränkt und konterkariert die Massenbeteiligung in mehr als 1000 Círculos (Zirkeln) bei der Gründungsphase der Partei. Ohne demokratische Strukturen ist es de facto unmöglich, die Führung abzuwählen. Podemos ist dementsprechend noch schwerer zu reformieren, als die bürokratische Izquierda Unida, die zumindest in Teilen noch dem Einfluss der Mitglieder und einer Wahlpflicht unterliegt. Die einzige Garantie gegen eine solche Führung ist eine politisch aktive Mitgliedschaft in demokratischen Strukturen, die mit einem Programm ausgestattet ist, für das sie kämpft. Doch gerade deswegen forciert die führende Clique den Prozess der Entpolitisierung und beschränkt sich selbst auf findiges Politmarketing, das ihnen möglichst hohe Wahlergebnisse sichert.

Socialismo Revolucionario (Revolutionärer Sozialismus), die Schwesterorganisation der SLP im Spanischen Staat, tritt für die Einheit der linken KandidatInnen ein, um den größtmöglichen Einfluss nach den Wahlen sicherzustellen. Doch nicht um jeden Preis. Die Erringung von Parlamentssitzen wird wenig Veränderungen bringen, wenn diese nicht das Sprachrohr einer schlagkräftigen Bewegung sind. Bewegungen gegen die Austeritätspolitik brauchen einen politischen Ausdruck in Form eines klaren antikapitalistischen und sozialistischen Programms. Dies steht im Gegensatz zur Podemos-Taktik, die davon ausgeht, ihre Wahlergebnisse würden durch inhaltliche Zugeständnisse und ein weniger radikales Auftreten besser. Mitglieder des CWI auf der iberischen Halbinsel treten für eine Streichung der Staatsschulden und die Einstellung der Zahlung an die Troika für „Rettungspakete“, für die Rücknahme von Privatisierungen und ein massives öffentliches Investitionsprogramm für Beschäftigung ein. Als einen ersten Schritt ist es wichtig ein Verbot von Räumungen von Wohnungen aufgrund von Hypothekenschulden durchzusetzen und in bezahlbaren Wohnraum zu investieren, beziehungsweise Leerstand zu vergeben, statt weitere Startbahnen für Megaflughäfen und andere Prestigeprojekte zu bauen. In Barcelona gibt die Regierung von Ada Colau (die auf Basis einer gemeinsamen linken Kandidatur gewählt wurde) ein Beispiel, dass auch eine linke Minderheitsregierung gebildet werden kann, statt Koalitionen mit der bürgerlichen PSOE zu bilden. In Andalusien hat das dazu geführt, dass die Linke Zugeständnisse machte und Kürzungen in Zeiten der größten Krise weltweit mit trug, statt Widerstand zu organisieren. Doch selbst dort, wo die Linke durch eine Kandidatur aus den Bewegungen an die Regierung kam, stellt sich schnell die Frage, welchen Weg sie einschlagen wird. Werden sie die Massen mobilisieren, um Verbesserungen real umzusetzen? Sowohl in Madrid, als auch in Barcelona scheint der Pfad in die entgegen gesetzte Richtung gegangen zu werden. Manuela Carmena stimmte in Madrid dem hochspekulativen Handel mit städtischen Immobilien zu, während die Wohnungspreise weiter steigen, während in Barcelona die katalanischen Spezialeinheiten der Polizei linke AktivistInnen verhaften. Der Anklagepunkt des „anarchistischen Terrorismus“ erinnert an die dunkelsten Zeiten der Franco-Justiz.

Aufbruch oder Stagnation?

Die lokalen Asambleas und Listas de confluencia (Listen des Zusammenflusses), bei denen KandidatInnen in Vorwahlen bestimmt werden, drücken die Erkenntnis der Bewegungen in die Notwendigkeit demokratischer Verfahren aus. Aus der Bewegung der Empörten entstanden als rudimentäre Form der demokratischen Organisation, sind sie jetzt hauptsächlich Koalitionen der verschiedenen Parteien unter Teilnahme einer Anzahl von nicht-organisierten Personen. Ohne demokratische Struktur und Verantwortlichkeit, bleiben die Listen von Ahora en común der Willkür führender PolitikerInnen ausgesetzt. Die jeweiligen Parteien benennen ihre WunschkandidatInnen, Ada Colau in Barcelona oder Podemos auf den Balearischen Inseln fügen im Nachhinein auf eigene Faust weitere Personen hinzu oder streichen unliebsame Teilnehmende. Wie Socialismo Revolucionario, bereits zu Beginn der Bewegung vor vier Jahren vorschlug, ist der einzige vorwärts weisende Weg, aus den losen Versammlungen, Institutionen einer Demokratie von unten zu machen. Dafür wäre es notwendig, in Betrieben, Schulen, Organisationen und Stadtteilen VertreterInnen zu wählen, die jederzeit abwählbar, rechenschaftspflichtig und ohne jegliche Privilegien als RepräsentantInnen ihres Bereiches in diesem Komitee agieren. Diese könnten die Aufstellung von Wahllisten diskutieren, beschließen und vor Missbrauch schützen. In ihnen sollte die Diskussion über das richtige Programm für den Widerstand der Jugend, ArbeiterInnen und Armen geführt und reale Aktionen organisiert werden.

All diese Faktoren führen zu einer Ernüchterung und Ermüdung in weiten Teilen der linken AktivistInnen und Wählerschaft. Im Zuge der politischen Krise durch Unabhängigkeitsbemühungen der herrschenden Partei in Katalonien offenbarten PSOE, PP und Ciudadanos (bürgerliche spanisch-nationalistische Kraft) zwar ihr reaktionäres Gesicht. Jedoch kann Podemos durch ihre staatstragende Ausstrahlung nicht als eine glaubwürdige Alternative auftreten. Der IU-Vorsitzende Alberto Garzon sagte zum Zusammenrücken der pro-kapitalistischen Parteien, dass dies „ein Vorspiel einer großen Koalition [aus PSOE und PP A.d.A.]“ sei, die „mit der Entschuldigung namens Katalonien mit den Kürzungen fort fahren wird. (El Pa´is 29.10.)“

Was bleibt wenn die Linke bei den Wahlen im Dezember einmal mehr die Chancen nicht nutzt? Was wird aus den Zehntausenden, die in und um Podemos aktiv wurden? Die Massen sind der taktischen Manöver und Zick-Zacks überdrüssig und Müdigkeit macht sich breit. Seit den symbolischen Generalstreiks 2012 sind die Gewerkschaften in der Versenkung verschwunden. Es besteht die Gefahr, dass der Aufschwung linker Kräfte erst einmal in einen Abschwung übergeht. Jedoch werden nicht alle Aktiven in den Zirkeln und Versammlungen verschwinden. Trotz allem wurden tausende von Zwangsräumungen verhindert und demokratische Strukturen wie in der Bewegung gegen Zwangsräumungen gebildet. Das explosive Potential der nationalen Frage wird nicht abflauen, sondern mit dem Rückkehr der Krise verstärkt. Da sich hier grundlegend demokratische Fragen in den Vordergrund drängen und der Protest gegen die Zentralregierung gerichtet ist, können soziale Revolten entstehen.

 

     

    Die Rolle des österreichischen Imperialismus am Balkan

    Die österreichische Wirtschaft ist zentral verantwortlich für die Ausbeutung der Menschen auf dem Balkan, an der Produktion von Armut und Flüchtlingen
    Sonja Grusch

    „Österreich“ ist aktiv am Balkan. Und zwar wirtschaftlich, militärische und politisch. Es geht also nicht nur um Rolle des österreichischen Kapitals, der Unternehmen und Banken. Sondern es geht um die Rolle des österreichischen Imperialismus und hier ganz zentral um die Rolle des Finanzkapitals (siehe Hypo & Co.!). Und es geht um die politische Unterstützung der Interessen des Kapitals durch die österreichische Politik.

    Die Geschichte des österreichischen Imperialismus ist eine lange

    Die Rolle Österreichs am Balkan geht lange zurück. Die österreichische Monarchie hatte ja kaum Kolonien und auch deshalb wurden die Länder und Regionen des Balkan de facto als Kolonie genutzt bzw. missbraucht. In diesem Zusammenhang kam es 1908 zur Annexion Bosniens durch Österreichs – wodurch Österreich die Welt auch an den Rand eines Weltkrieges führte. Die Monarchie verfolgte politische und wirtschaftliche Interesse, Interessen die sie auch in Konflikt mit anderen imperialistischen Staaten brachte – wie z.B. mit Russland das seinerseits den Balkanbund rund um Serbien unterstützt hatte.

    Diese Situation war auch eine der zentralen Ursachen für die sogenannten Balkankriege 1912/13 die am Vorabend des 1.Weltkriegs stattfanden. In Folge hatte Österreich auch die Entstehung des Staates Albanien unterstützt. Natürlich ging es schon damals nicht um das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, sondern um eine Teile-und-Herrsche-Politik. Den Anspruch auf die ehemaligen Kronländer hat die herrschende Klasse in Österreich nie wirklich aufgegeben. So führten die Austrofaschisten den Doppeladler (der nun wieder auch nach Osten blickte) wieder als Staatswappen ein. Dieses Zündeln mit nationalen Spannungen war auch ein Charakteristikum der österreichischen Außenpolitik in den 1980er und 1990er Jahren.

    Der Einfluss des österreichischen Imperialismus am Balkan wurde durch die Entstehung des titoistischen Jugoslawiens stark eingeschränkt. Zwar gab es umfangreiche Handelsverbindungen und -Verträge und auch sonst viel Austausch durch einerseits viele JugoslawInnen, die in Österreich arbeiteten bzw. viele ÖsterreicherInnen die in Jugoslawien Urlaub machten. Aber direkten und. v.a. auch politischen Einfluss hatte das österreichische Kapital keinen mehr – aus seiner Sicht ein schmerzlicher Verlust.

    Das österreichische Kapital wittert seine Chance

    Doch ab den 1980er Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage Jugoslawiens. Das stalinistische Modell von Jugoslawien stieß an seine Grenzen. Zwar war der Titoismus aufgrund des Partisanenkampfes weniger abgehoben und weniger importiert als der Stalinismus in den verschiedenen osteuropäischen Staaten, doch die die „ArbeiterInnenselbstverwaltung“ war mehr Propaganda und Verlagerung der wirtschaftlichen Probleme auf die betriebliche Ebene als eine echte Kontrolle und Verwaltung der Wirtschaft. Auch die Nationale Frage war nicht gelöst, sondern nur überdeckt worden. Und als die wirtschaftlichen Probleme zunahmen brach diese wieder verstärkt auf. (Mehr unter: http://www.slp.at/artikel/was-tun-mit-titos-erbe-4802)

    Das österreichische Kapital sah seine Chance gekommen. Tatsächlich war die österreichische „Diplomatie“ eine der Ersten, die den Zerfallsprozess Jugoslawiens aktiv unterstützte und nationalistische Tendenzen vorantrieb. Alois Mock, damals führender österreichischer Politiker (ÖVP), preschte vor. Er war ein „guter“ Vertreter der Interessen des österreichischen Kapitals und war bestrebt, im kommenden Prozess der kapitalistischen Restauration dem österreichischen Kapital einen Startvorteil zu verschaffen. Die Hypo Alpen Adria Bank dürfte neben vieler anderer windiger Geschäfte auch in die Finanzierung von Waffenkäufen in den Balkankriegen der 1990er Jahre gespielt haben. Der damalige ÖVP-Verteidigungsminister Fasslabend stellte 1993 klar: „Mit der Zersplitterung des bisher weitgehend einheitlich agierenden ehemals kommunistischen Staatenverbandes in unterschiedliche Ziele verfolgende Nationalstaaten und als Konsequenz der Staatenteilung in der nordöstlichen, östlichen und südlichen Nachbarschaft erfährt Österreichs regionale Stellung in Mitteleuropa insgesamt eine nicht unbeträchtliche Veränderung. Daraus entsteht die Möglichkeit, dass Österreich politisch, kulturell und ökonomisch verstärkt in den ostmittel- und südosteuropäischen Raum hineinwirkt und dadurch seine vitalen sicherheitspolitischen Interessen – erstmals seit 1955 – aktiv bzw. präventiv in dieser Region zum Tragen bringt.“

    Was ist Imperialismus?

    Mit dem Begriff Imperialismus wird oft recht inflationär umgegangen. Viele verwenden ihn v.a. dann, wenn es um den militärischen Einfluss bzw. die militärische Intervention großer Staaten (USA, Deutschland etc.) geht. Doch das „höchste Stadium des Kapitalismus“ (Lenin) ist mehr. Es geht beim Imperialismus im wesentlichen um die Konzentration des Kapitals, die Monopolbildung und die Verschmelzung von Bank- und Industriekapital zum Finanzkapital. Und es geht um die territoriale Ausbreitung des Kapitalismus – nämlich über die ganze Welt als vorherrschende Wirtschaftsform. Eine vollständige Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Staaten – als Kolonien oder als Einflusssphären – ist abgeschlossen. Es gibt keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte, die sich ein imperialistisches Land unter den Nagel reißen kann. Doch Kapital muss expandieren sonst geht es unter, das heißt es muss auch territorial expandieren, seine Einflusssphäre ausbauen. Das bedeutet dann praktisch auch den Export von Kapital, und dieser Kapitalexport wird zunehmend wichtiger als der Warenexport.

    Österreich ist zwar klein, aber es ist dennoch ein imperialistisches Land. Und zwar sowohl historisch (auch wenn der österreichische Kapitalismus eine verspätete Entwicklung durchlaufen hat) als auch aktuell. Der österreichische Imperialismus tritt nicht primär militärische auf, sondern v.a. wirtschaftlich und politisch. So eben auch als treibende Kraft im Zerfallsprozess Jugoslawiens. Mock hatte 1991 auf die Anerkennung von Slowenien und Kroatien gedrängt. Die erste Einladung des neuen kroatischen Präsidenten Tudjman ins Ausland war nach Österreich. Es war zwar keine offizielle staatliche Einladung, aber de facto doch, da er quasi auf Einladung der Industriellenvereinigung kam. Und diese Industriellenvereinigung ist die Vertretung der offensivsten, modernsten und aggressivsten Teile des österreichischen Kapitals. Das österreichische Kapital hat seine Interessen immer auch militärisch vertreten: seit 1960 waren über 100.000 SoldatInnen in rund 100 Auslandsmissionen unterwegs. Für das österreichische Bundesheer ist der Balkan seit längerem „Schwerpunkt“. Der bei weitem größte Anteil der im Ausland stationierten österreichischen SoldatInnen sind auf dem Balkan, und zwar rund 900. In einigen Gebieten stellen die als „Friedenstruppen“ deklarierten österreichischen Interventionstruppen – trotz der Kleinheit des österreichischen Militärs – relativ und absolut die größten Kontingente. Und laut SPÖ-Verteidigungsminister Klug hat Österreich z.B. in Bosnien-Herzegowina (BIH) eine „besondere Verantwortung“. Das Ziel der Bundesregierung ist daher auch die Aufstockung der in den Balkan geschickten Truppen auf 1100.

    Balkan als Rettungsanker fürs österreichische Kapital

    Was war der wirtschaftliche Rahmen vor dem das österreichische Kapital intervenierte? Seit den 1980er Jahren war der Nachkriegsaufschwung vorbei. Die profitablen Investitionsfelder für das Kapital wurden rar. Es kam zu einer Überakkumulation – d.h. es war zu viel Geld da, um es profitabel zu investieren. Für das Kapital stellte sich die Frage: wo investieren? Hier war eines der neu zu erschließenden Felder in den jeweiligen Heimatstaaten – konkret wurden bisher staatliche Bereiche im Zuge der neoliberalen Wende privatisiert und so boten Gesundheit, Bildung etc. neue Anlagemöglichkeiten. Außerdem mussten auch außerhalb, in anderen Ländern, neue Märkte gefunden werden. Und so kam es zu einem Wettrennen darum, wer als erster in den neuen Märkten in Südost- und Osteuropa seine Marker setzen konnte. Dieses Wettrennen ist auch der Hintergrund für die unterschiedlichen Interessen von z.B. Österreich, Frankreich, Britannien, USA etc. am Balkan.

    Krieg verzögert den Prozess

    Die ungelöste Nationale Frage, neu angeheizt auch durch den Imperialismus, führte in den 1990er Jahren zu den blutigen Balkankriegen. Österreich hatte den Zerfallsprozess beschleunigt und forciert und damit auch den Krieg provoziert bzw. in Kauf genommen. Neben den unzähligen Toten führte das auch zu einer Fluchtwelle, die teilweise, aufgrund der völligen Zerstörung mancher Regionen bzw. den ethnischen Säuberungen, bis heute anhält. 115.000 Flüchtlinge kamen damals nach Österreich und über 60.000 sind auch geblieben. Heute wird argumentiert, das Flüchtlinge vom Balkan kein Recht auf Asyl hätten, weil ja kein Krieg mehr herrschen würde. Dass es massive Diskriminierung von z.B. Roma, ethnisch gesäuberte Regionen, Arbeitslosenraten von bis zu 80-90% gibt, und dass daran der österreichische Imperialismus zumindest eine Mitschuld hat, wird von jenen verschwiegen, die z.B. Kinder, die in Österreich geboren wurden auf den Balkan „zurück“ abschieben (wollen).

    Diese Kriege waren – abgesehen von der Kriegsindustrie – natürlich nicht im direkten Interessen des Kapitals, auch weil der Privatisierungsprozess, der Restaurationsprozess des Kapitalismus insgesamt, dadurch verzögert wurde. Am dramatischsten zeigte sich das in Bosnien und Herzegowina (BIH). Der Privatisierungsprozess begann 1989 noch in Jugoslawien unter Ministerpräsident Ante Markovic. Unter seiner Regierung wurde 1989 das neue Unternehmensgesetz erlassen, dass die Abschaffung der „Grundstrukturen gemeinschaftlicher Arbeit“ vorsah und die Privatisierungen in den unterschiedlichen Teilen Jugoslawiens begann. Durch die Kriege, teilweise auch durch die folgende Isolation Serbiens, wurde dieser Prozess aber teilweise verzögert und z.B. in BIH erst nach der Jahrtausendwende wieder aufgenommen.

    Aber das Kapital, das österreichische wie das internationale, hatte von Anfang an Pläne für den Balkan.

    Re-Kolonialisierung des Balkan

    In schönen Reden und Hochglanzfaltern erklären die österreichischen Firmen und PolitikerInnen wie sehr ihnen daran liegt, am Balkan zu helfen. Geradezu selbstlos präsentieren sie sich dabei. Doch das ist alles nur Propaganda. Es geht ausschließlich um Geld und Einfluss. Und dabei ist das österreichische Kapital ebenso brutal wie jedes andere. Es geht noch nicht einmal darum, auf dem Balkan eine gleichberechtigten starken Kapitalismus aufzubauen, sondern der ganze Prozess hat starke Elemente einer Re-Kolonialisierung. Verstärkt wird dieser Prozess durch die Krise der Weltwirtschaft.

    Von Anfang an hatten die Organisationen des internationalen Kapitals ihre Finger im Spiel und konkrete Pläne für neoliberale „Reformen“, also die Umsetzung von für das internationale Kapital optimalen Rahmenbedingungen: Weltbank, UNO, OECD und EU. Die EU z.B. gründete 1991 die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Deren Ziel war es, den Übergang zur Marktwirtschaft, also zum Kapitalismus, zu „unterstützen“. Auch hier ging es nicht darum, den Lebensstandard der Menschen, die soziale Sicherheit bei Gesundheit, Job, Wohnen, Pensionen, Bildung etc. zu erhalten und auszubauen. Sondern es ging um die Interessen des ausländischen Kapitals. Österreichs Unternehmen gehören zu den größten Profiteuren der Tätigkeit dieser Bank und haben 2008-13 Aufträge über 348 Millionen Euro durch die EBRD lukriert.

    Auch beim EU-Beitritt (z.B. von Slowenien oder Kroatien) oder bei den Verhandlungen über einen EU-Beitritt der anderen geht es darum, diese Märkte und Investitionsfelder für die EU zu sichern.

    Hinzu kommen scharfe Kreditbedingungen (ähnlich wie in Griechenland) gegenüber den Balkanstaaten, wo das internationale Kapital über die Kreditebene seine Interessen durchdrückt. So muss z.B. Serbien aktuell mindestens 500 Firmen privatisieren (bzw. in die Insolvenz schicken) um weitere IWF-Kredite zu erhalten. Berater der konservativen Regierung in Serbien bei den Angriffen aufs Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystem in Serbien sind übrigens die „Sozialdemokraten“ Blair und Gusenbauer...

    Die neoliberalen Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse werden mit massiver Aggressivität vorangetrieben: aufgrund der hohen Abhängigkeit von westlichen „Partnern“ werden Bedingungen durchgedrückt und damit auch eine Dumpingspirale zwischen den verschiedenen Balkanstaaten angetrieben.

    Die Weltbank listet Mazedonien unter den Top 5 der weltweiten Reformstaaten. Es gibt die unternehmens- und reichenfreundliche Flat Tax, die z.B. bei der Körperschaftssteuer im Fall einer Reinvestition wegfällt. Auch haben diverse Balkanstaaten verschiedene Freihandelsabkommen abgeschlossen. Damit stellen sie auch ein Sprungbrett in andere Märkte dar. So haben z.B österreichische Unternehmen, die am Balkan aktiv sind, durch Freihandelsabkommen dieser Staaten leichteren Zugang zu einem Markt von bis zu 650 Millionen KonsumentInnen. Und zwar ohne lästige Beschränkungen, wie es sie in Österreich gibt. Firmengründungen sind laut Werbung in Mazedonien in gerade einmal vier Stunden möglich! Hier gibt es „mehr Chancen, größere Möglichkeiten und viel mehr Freiraum“ wird zum Anlocken von Unternehmen gepriesen. Freiraum z.B. in Bezug auf Arbeitsschutzbedingungen, aber auch in Bezug auf Umweltschutz.

    Der Konflikt EU-Russland (u.a. um die Ukraine) führt dazu, dass z.B. die Energiefrage zentraler wird: Der Balkan präsentiert sich als zunehmend wichtiger Energielieferant für Europa. Es werden neue Wasserkraftwerke errichtet, in Fracking investiert und in Öl- und Gasfelder in Albanien. Vorhaben, für die in Westeuropa die gesetzlichen Grundlagen fehlen würden. Auch hier ist Österreich führend, z.B. durch den „Hohen Repräsentanten“ in BiH – ein Österreicher, der de facto Stadthalter mit diktatorischen Rechten ist.

    Das österreichische Kapital ist dominant am Balkan

    Wie eingangs angeführt leidet das Kapital am Problem der Überakkumulation. Der Balkan bot hier einen (scheinbaren und bestenfalls vorübergehenden) Ausweg: 2003 lag die Rendite von Investitionen am Balkan bei knapp 10%, in Österreich bei knapp 4%. Österreich war und ist in vielen Bereichen der größte Investor: In Slowenien stammen 47,8% der Investitionen aus Österreich, im Gegenzug ist das Land der größter Abnehmer pro Kopf von österreichischen Produkten – insgesamt kommen 12% der slowenischen Importe aus Österreich. In Kroatien liegt der Investitionsanteil bei 34,3% und es sind ca. 750 österreichische Firmen involviert. In BiH stellt österreichisches Kapital 23,8% und in Serbien 17,4% der Investitionen, in zweiteren haben rund 470 Firmen ihre Finger im Spiel.

    Und es geht auch klassisch imperialistisch zu, denn es herrscht ein ungleicher Wirtschaftsaustausch: Während der Balkan ein extrem wichtiger Wirtschaftspartner fürs österreichische Kapital ist, dort investiert und Gewinne macht gehen nur 0,8% aller österreichischen Warenexporte auf den Balkan. Das liegt nicht nur an der Kleinheit des Marktes „Balkan“, sondern v.a. auch an der Form der Wirtschaftsbeziehungen. Es ist nämlich v.a. der österreichische Finanzsektor, der hier investiert.

    Österreich hält 85% des Finanzsektors in BiH (z.B. Raika 30%, Erste 8%). Das Beispiel Hypo zeigt wie hier überschüssiges Finanzkapital angelegt und mit welchen Mitteln. Dabei geht es nicht um Investitionen zum Aufbau der Wirtschaft. Das wäre aus Sicht des ausländischen Kapitals auch widersinnig: wozu auch Konkurrenz aufbauen, wo doch ohnehin schon Überproduktion herrscht! Die Finanzinvestionen hatten neben der Aufgabe, eine Anlagemöglichkeit für überschüssiges Kapital zu schaffen v.a. auch die Aufgabe, den Konsum vor Ort anzukurbeln. Die Vergabe von Konsumkrediten machte einen wichtigen Geschäftsbereich der Banken aus und wurde mit allen möglichen Mitteln betrieben. Die Hypo mag hier besonders korrupt vorgegangen sein (und zwar sowohl in Österreich als auch am Balkan). Doch Korruption gehört(e) zum Handwerkszeug aller involvierten Firmen.

    Der Kapitalismus in Osteuropa und am Balkan ist ein „Mafiakapitalismus“, besonders korrupt, diktatorisch, inhuman. Die Ursache dafür liegt in einer schwachen Bourgeoise in Folge einer verspäteten kapitalistischen Entwicklung (mehr dazu bei Trotzki: Die permanente Revolution). Es ist nicht, wie gerne behauptet wird eine „Mentalitätsfrage“. Das zeigt sich schon daran, das ausländische Firmen, und dazu gehören in vorderster Front auch österreichische, nicht nur nicht mitmachen oder dagegen vorgehen, sondern im Gegenteil aktiver Teil dieses besonders mafiösen Kapitalismus sind. Z.B. zeigen Untersuchungen sehr deutlich, dass in den Firmen mit westlichen Besitzern oder ManagerInnen nicht etwa die (noch) höheren westlichen Standards (beim Umgang mit den Beschäftigten, Zahlungsmoral, Umweltschutz etc.) übernommen werden, sondern man sich an den niedrigeren Standards erfreut bzw. sie eingefordert.

    Die Friedrich-Ebert-Stiftung weißt z.B. darauf hin, dass in BiH in den meisten privatisierten bzw. ausländischen Betrieben gewerkschaftliche Rechte und grundlegende Rechte der Beschäftigten nicht respektiert werden.

    All das hat dramatische sozialen Folgen in der Region: In BiH leben rund 60% leben um oder unter der Armutsgrenze von mageren 250.- Euro, Viele verdienen sogar weniger als 50.- Euro/Monat. Nur 60% haben hier noch eine Krankenversicherung, Viele bekommen monatelang ihre Löhne nicht ausbezahlt bzw. kommen nach Jahren darauf, dass die Firma Sozialversicherungsbeiträge einfach nicht abgeführt hat.

    In Kroatien hat sich der Anteil von Kindern, die in Armut leben von 2008-12 fast verdoppelt auf 27,6%. In Serbien arbeiten 500.000 Menschen für den Mindestlohn von 1 Euro pro Stunde (liegt unter der Armutsgrenze). Die Beispiele der sozialen Notlage ließen sich fortsetzen, doch am dramatischsten ist die Lage für Minderheiten, insbesondere für Roma. Angesichts einer solchen Situation lapidar von „Wirtschaftsflüchtlingen“ zu reden ist mehr als zynisch.

    Durch den „Transformationsprozess“, also die Wiedereinführung des Kapitalismus mit all seinen Folgen hat der Balkan seit 1991 die unglaubliche Zahl von sieben Millionen Menschen weniger – durch Krieg, Flucht, Emigration und niedrigere Geburtenraten. Das alles ist die Folge der imperialistischen Politik und der noch weiteren Verschärfung der Ausbeutung als Folge der kapitalistischen Krise. Und das österreichische Kapital ist und war hier führend dabei.

    Diese Verantwortung von Firmen und Politik, von Staat und Wirtschaft aus Österreich aufzuzeigen ist zentral. Die Lösung der immer stärkeren Probleme am Balkan selbst aber auch in Österreich liegt nicht in einem „unsere Leute zuerst“ Nationalismus, sondern muss die gemeinsamen Interessen von österreichischen und KollegInnen vom aber auch auf dem Balkan hervor streichen. Könnte die österreichische ArbeiterInnenklasse nicht durch die aus den Menschen am Balkan heraus gepressten Extraprofite mehr Geld für die ArbeiterInnenklasse in Österreich haben? Eine kurzsichtige Betrachtung, da die Abwärtsspirale bei Löhnen, Arbeitsschutzbestimmungen und Umweltauflagen nicht vor der österreichischen Grenze halt macht. Wird jenseits der Grenze gedumpt steigt der Druck auch hierzulande billiger zu Arbeiten – um „Konkurrenzfähig“ zu bleiben. Gerade auch deshalb ist es oberste Aufgabe der Gewerkschaften sowohl KollegInnen mit Migrationshintergrund aktiv in die Gewerkschaften einzubinden sondern auch Kontakt zu den kämpferischsten Gewerkschaften und Bewegungen am Balkan aufzubauen und diese zu unterstützen. Nicht nur wegen der oft zitierten „Solidarität“ (u.a. Name der ÖGB-Zeitung) sondern auch aus schlichtem Eigennutz.

    14.12. Türkei/Kurdistan: Zwischen Massenprotesten, Bürgerkrieg und Regionalimperialismus

    Credit: Michael Bonvalot, fb./m.bonvalot

    Die Türkei ist mehr als nur Erdogans diktatorischer Griff nach der Macht, mehr als Aufrüstung und IS-Unterstützung. Gleichzeitig gibt es eine lebendige und aktive ArbeiterInnenbewegung und Linke und mit der HDP auch eine erfolgreiche linke Partei. Ein Veranstaltung mit

    Coşku Mıhcı, türkischer Sozialist von Sosyalist Alternatif -CWI (Schwesterorganisation der SLP in der Türkei)

    Michael Bonvalot, Journalist (Michael Bonvalot - Zwischenrufe), und Wahlbeobachter für die HDP bei den Wahlen am 1.11.2015

    https://www.slp.at/termine/t%C3%BCrkeikurdistan-zwischen-massenprotesten-b%C3%BCrgerkrieg-und-regionalimperialist

     

    Mehr zum Thema: 

    Südafrikas Studierende rebellieren!

    Die ANC-Regierung hat die legale Apartheid lediglich durch eine soziale ersetzt
    Christoph Glanninger

    Auch 20 Jahre nach Ende der Apartheid ist die soziale Ungleichheit enorm. Die aktuellen Proteste der Studierenden richten sich auch dagegen. Allein die zwei reichsten Kapitalisten besitzen soviel wie die unteren 50 %. Sogar die Times beschreibt Südafrikas Herrschende als “die korrupteste Unternehmerklasse der Welt“.

    Die neoliberale ANC-Politik hat die Ausgaben für höhere Bildung auf 0,7% des BIPs gekürzt, weniger als in Ghana und Senegal. Die Hälfte der schwarzen Studierenden die es trotz aller Widrigkeiten auf die Unis schaffen, muss ihr Studium abbrechen, weil sie z.B. die Gebühren nicht zahlen können.

    Die jüngste Erhöhung der Gebühren hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Seit Wochen demonstrieren Tausende selbstorganisiert unter dem Motto #FeesMustFall. Die Proteste radikalisieren sich immer weiter. Mittlerweile wird nicht nur der Stopp der Gebührenerhöhungen gefordert, sondern ein freies hochwertiges Bildungssystem für alle und der Rücktritt der Regierung.

    Die „Workers and Socialist Party“ (CWI Südafrika) und ihre Jugendorganisation schlagen ein landesweites Treffen zentraler AktivistInnen der Bewegung vor. So kann eine neue demokratische, breite Studierendenorganisation entstehen, die für ein gerechtes Bildungssystem eintritt.

    Um die Proteste auf die nächste Stufe zu heben, müssen sie auf ArbeiterInnen und Gewerkschaften ausgeweitet werden. So können die Studierendenproteste Teil des Entstehungsprozesses einer neuen ArbeiterInnenpartei sein.

     

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Nazi-Gewalt in Schweden

    Stefan Gredler

    Ende Oktober wurde die schwedische Schwesterorganisation der SLP „Rättvisepartiet Socialisterna“ (RS) Ziel rechtsextremer Brandanschläge. Im Göteborger Stadtteil Hammarkullen, der als Hochburg der „RS“ gilt, wurden drei Wohnungen von AktivistInnen, sowie das Parteibüro angegriffen. Über Briefkästen und Müllcontainer wurde Feuer gelegt. Feuerwehrleute waren mehrere Stunden im Einsatz. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden.

    Insgesamt nehmen rassistische Anschläge zu. Zwei Tage zuvor wurden an einer Schule zwei Menschen ermordet. Anton Lundin Pettersson, als eine Art Ritter mit Wehrmachtshelm verkleidet, erstach mit einem Schwert einen Lehramtstudenten und den 15-jährigen Schüler Ahmed Hassan. Dieser rassistische Mord orientierte sich an den Gräueltaten Andres Breiviks und den zwei „Lasermanmördern“ aus den 90er und späten Nuller Jahren. Auch Brandanschläge und Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte häufen sich. Allein Ende Oktober wurden in Schweden fünf solche Gebäude angezündet.

    Die Kombination aus Kürzungen und Sparpolitik auf der einen Seite und Flüchtlingen auf der anderen ist der Boden führt zu Angst und einer Polarisierung, die von den rechten „Schwedendemokraten“ (SD) aufgegriffen und instrumentalisiert wird. Ähnlich wie die FPÖ hetzen sie, sind aber die ersten wenn es darum geht, Kürzungen zu beschließen. Die Hetze der rechten „Schwedendemokraten“ steht in engem Zusammenhang mit den mörderischen Anschlägen.

    Beidem stellt sich „Rättvisepartiet Socialisterna“ kämpferisch entgegen, denn auch in Schweden wäre genügend Reichtum für alle da, wenn er nur richtig verteilt wäre. Die Einschüchterungsversuche wirkten nicht. Unmittelbar nach den Brandanschlägen wurde ein Treffen der „RS“ einberufen und weitere Schritte organisiert. Die Nachbarschaft wurde mobilisiert, selbstorganisierte Nachtwachen und Rufbereitschaften aufgestellt. Kundgebungen wurden organisiert, um das Wohngebiet über die Attacken zu informieren. Eine lokale Demonstration gemeinsam mit anderen linken Organisationen, der lokalen Mietervereinigung etc. fand statt. Besonders die Nachbarschaft zeigte ihre Solidarität, denn „RS ist all die Jahre für uns aufgestanden, nun ist es an der Zeit, dass wir für euch aufstehen“.

     

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Internationale Notizen November

    USA: Sozialistische Stadträtin wiedergewählt

    2013 war es die Sensation: In Seattle wurde Kshama Sawant, Aktivistin von Socialist Alternative (CWI USA), in den Stadtrat gewählt. Seither kämpfte sie kompromisslos für höhere Löhne, niedrigere Mieten und gegen Rassismus. Nun wurde wieder gewählt. Die Demokraten stellten eine links-blinkende Gegenkandidatin auf. Doch diese wurde vom Big Business und sogar den Republikanern unterstützt – alles war dem Establishment recht, um die Sozialistin loszuwerden. Geklappt hat es nicht: Die Sawant-Kampagne, die sich nur aus Spenden kleiner Leute finanzierte, siegte gegen die millionenschwere Schmutzkübelkampagne des Big Business. Unterstützt wurde Kshama von über 30 Gewerkschaftsgruppen, dutzenden fortschrittlichen Organisationen und über 600 Freiwilligen.

    www.socialistalternative.net

    China/Hong Kong: Sozialistischer Kongress

    Von 10.-11.10. fanden sich SozialistInnen acht süd- und ostasiatischer Nationalitäten in Hong Kong zusammen. Der Kongress von Socialist Action (CWI HK) war ein voller Erfolg. Diskutiert wurden u.a. die krisenhafte Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die Auswirkungen auf den südostasiatischen Raum. Nationalistische Spannungen und Kriegsrhetorik machen sich breit. Doch es gibt auch Widerstand: In China stehen Streiks und Umweltproteste auf der Tagesordnung, und auch in Hong Kong zeigte die „Regenschirmrevolution“, welches Potential da ist. Überall sind die CWI-Sektionen an vorderster Front dabei. Die Wahlkampagne von Socialist Action in Hong Kong, wo Sally Tang Mei-ching in den Wahlen am 22.11. für den Stadtrat kandidiert, bekommt, als einzige linke Opposition, großen Zuspruch.

    www.chinaworker.info

     

    Irland: Pro Choice

    Nicht nur führt die Socialist Party (CWI Irland) den Widerstand gegen die Wassersteuern an: Nun organisierten AktivistInnen von ROSA, der antisexistischen Kampagne der SP, einen „Abortion Pill Train“. In Irland wird Frauen nach wie vor das Recht über ihren Körper verweigert. Daher brachten die AktivistInnen öffentlich illegale Abtreibungspillen ins Land und nahmen sie ein.

    www.rosa.ie, www.socialistparty.ie

     

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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