Internationales

Repressionswelle in China

Vorwärts sprach mit Jacko vom CWI in Hong Kong über die zunehmende Repression

Vorwärts: Wie hat sich der Charakter des Regimes in letzter Zeit geändert?

 

Jacko: Das Diktaturmodell hat sich unter Xi Xinping weg von einer kollektiven, hin zu einer persönlichen Diktatur entwickelt. Er kontrolliert nun alles. Von der Außen- und Wirtschaftspolitik über Armee und Geheimpolizei bis zur Parteiorganisation. Unter dem Deckmantel einer "Anti-Korruptionskampagne" hat er sich seiner RivalInnen in der Partei entledigt.

 

Warum all diese Maßnahmen?

China befindet sich de facto in einer Rezession. Die Überkapazitäten erdrücken die Wirtschaft, die Unternehmen sind nicht mehr profitabel. Es werden viele Fabriken geschlossen, Löhne werden nicht gezahlt. Das führt zu Widerstand von ArbeiterInnen. Die Zahl der Streiks hat sich im letzten Jahr auf 2700 verdoppelt. Das Regime bereitet sich auf die unweigerlich wachsenden Klassenkämpfe vor.

 

Wen trifft die Repression und was ist notwendig, um sie zurückzuschlagen?

Viele ArbeiterInnen-AktivistInnen sind betroffen. Oft sind sie Teil sogenannter "Labour-NGOs", die ArbeiterInnen in Kämpfen beraten, aber keine politische Perspektive bieten können oder wollen. Sie wollen die Konfrontation mit dem Regime vermeiden, aber geraten trotzdem ins Visier, da sie als Gefahr gesehen werden. Es braucht aber mehr als Beratung. Als nächsten Schritt braucht es den Aufbau unabhängiger Gewerkschaften, die die Kämpfe organisieren und verbinden können.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Ausholen für den Klassenkampf

Christoph Glanninger

Zum 11.x fand im Jänner der Weltkongress des CWI (Komitee für eine ArbeiterInnen Internationale) statt, dessen österreichische Sektion die SLP ist. Über 130 SozialistInnen berichteten aus den Klassenkämpfen ihrer Länder und erarbeiteten Perspektiven für die Weltwirtschaft und -Politik.

Wir leben in extrem unruhigen Zeiten: Die Krise ist nicht vorbei und vor allem das Straucheln der chinesischen Wirtschaft könnte verheerende Auswirkungen haben. Schon jetzt werden vor allem Länder hart getroffen, die stark von Rohstoffexporten abhängig sind. Brasilien befindet sich in der schlimmsten Rezession seit Jahrzehnten und in Nigeria werden die Gehälter von öffentlich Bediensteten nicht mehr ausgezahlt.

So wird auch die politische Krise des Kapitalismus verstärkt: Sowohl linke bzw. sozialistische aber eben auch rechte Ideen haben Zulauf. Das US-Establishment steht z.B. vor einem großen Problem: die von ihm gewünschten KandidatInnen bei den Präsidentschafts-Vorwahlen schneiden schlecht ab, weil der Sozialist Sanders riesige Menschenmassen begeistert und bei den Republikanern der wirre Rassist Trump Erfolge feiert.

Die EU steckt in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Jedoch nicht „nur“ aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aufgrund der Flüchtlingskrise. AktivistInnen aus Griechenland, Schweden, Österreich und Deutschland berichteten über die beeindruckende Solidarität, die Zehntausende gegenüber Flüchtlingen gezeigt haben und zeigen. Aber auch die Methoden der Regierungen, um Flüchtlinge von ihren Ländern fernzuhalten werden brutaler und rechte Gruppen haben Zulauf, wo die Linke keine Antworten gibt.

Eine eigene Diskussion widmete sich dem Kampf für Frauenrechte. Hier kam die enorme Erfahrung von CWI-Sektionen wie z.B. Brasilien oder Irland zur Geltung. Teil der Diskussion waren auch die Hindernisse, die Frauen in vielen Ländern überwinden müssen, um überhaupt politisch aktiv zu sein. Die beschlossenen Dokumente sind auf slp.at zu finden. Sie haben die Aufgabe, die Sektionen des CWI auf ihre Rolle in den kommenden Klassenkämpfen vorzubereiten. Gut gerüstet mit Analysen und Programmen werden wir unser Bestes geben, um die kommenden Klassenkämpfe mit sozialistischen Ideen zu stärken!

 

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Internationale Notizen März

Britannien: Undercover-Cops

Die Socialist Party (CWI in England & Wales) wurde einmal mehr von einer Spezialeinheit der Polizei infiltriert. Wie auch bereits in den 80ern bei Militant und den 90ern in „Jugend gegen Rassismus“ versuchte das „Metropolitan Police’s Special Demonstration Squad“ – was genau heraus zu finden? Die Ortsgruppen des CWI sind öffentlich, in unseren Artikeln und Reden erläutern wir stets unsere Ziele.

Wir fordern eine unabhängige Untersuchung von GewerkschafterInnen und VertreterInnen der antifaschistischen Organisationen, welche selbst Opfer der Bespitzelung wurden. Eine derartige Kampagne muss sich auch mit der Rolle einer Polizei auseinandersetzen, welche demokratische, transparente, linke Organisationen ausspioniert, während die Rechten immer gefährlicher werden.

http://www.socialistparty.org.uk

 

Pakistan: Brutale Repression gegen streikende ArbeiterInnen

Seit Dezember 2015 protestieren und streiken die MitarbeiterInnen der „Pakistan International Airlines“ gegen die von der Regierung geplante Privatisierung der Fluggesellschaft. Die PIA-Beschäftigten haben eine kämpferische Tradition und sind der Regierung lästig. Es gelang ihnen, die Privatisierung vorerst um sechs Monate zu verschieben.

Doch die Regierung hetzte paramilitärische Einheiten und die Polizei auf die Streikenden. Diese töteten vier Arbeiter, verletzten acht weitere und vier GewerkschaftsführerInnen sind verschwunden. Doch anstatt den Willen der Gewerkschaften zu brechen, stärkte die Repression die Bewegung und vergrößerte sie sogar. Das Socialist Movement Pakistan (CWI in Pakistan), welches aktiver Teil des Streiks ist, ruft auf zu Einheit und Solidaritätsstreiks.

http://www.socialistpakistan.org

 

Irland: Gegen Schließung

In Ballymena kam es Anfang Februar zur ersten Demonstration gegen Jobverlust seit 30 Jahren. Bis zu 2.000 Stellen sollen der Schließung der Michelinfabrik und einer Zigarettenfabrik zum Opfer fallen. Die Gewerkschaft Unite organisierte den Protest, der erst der Anfang ist. Die Socialist Party (CWI in Nordirland) fordert u.a. die Verstaatlichung der Firmen, um die Jobs zu retten.

http://www.socialistpartyni.net

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Nach den Wahlen in Irland: Linke gestärkt

Interview mit der sozialistischen Abgeordneten Ruth Coppinger

Drei Mitglieder der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland) sind als KandidatInnen des Antikürzungsbündnisses „Anti-Austerity Alliance“ (AAA) ins irische Parlament gewählt worden. Bei den Parlamentswahlen vom 26. Februar sind die konservative Partei Fine Gael und die ehemals sozialdemokratische Labour Party, die zusammen die bisherige Regierungskoalition gestellt haben, vernichtend geschlagen worden. In der Regierung hatten sie seit 2011 rücksichtslos Austeritätsmaßnahmen durchgesetzt. Ruth Coppinger, die im Wahlkreis Dublin West wiedergewählt wurde, sprach mit „The Socialist“, der Wochenzeitung der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in England & Wales).

Was zeigen die Ergebnisse, vor allem mit Blick auf die bisherigen Regierungsparteien?

Insgesamt zeigen die Wahlergebnisse, dass das „Zweieinhalb-Parteien-System“, mit dem wir es in Irland schon seit mehreren Jahrzehnten zu tun haben, weithin abgelehnt wird. Die beiden großen Parteien des Kapitalismus, Fine Gael und Fianna Fail, kommen zusammen nicht einmal mehr auf fünfzig Prozent der abgegebenen Stimmen.

In der Vergangenheit lag Fianna Fail allein schon bei rund vierzig Prozent Stimmanteil. Jetzt kommt die Partei auf weniger als 25 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit Fine Gael. Es haben sogar einige ehemalige Minister der Partei in ihren Wahlkreisen verloren, weil niemand an die Slogans glaubte, mit der sie Wahlkampf machten: „Keep the recovery going“ (dt.: „Die wirtschaftliche Wiederbelebung in Gang halten“) oder die Gegenüberstellung „Stabilität oder Chaos“. Die Menschen haben einfach nicht in dem Maß von der viel gepriesenen „wirtschaftlichen Erholung“ profitiert, wie Fine Gael und Labour zu meinen glaubten.

Das ist auch der Grund, weshalb die Darstellung nicht gegriffen hat, wonach man die Wahl zwischen „Stabilität und Chaos“ habe. Das Chaos haben wir schon jetzt, zum Beispiel in Form einer umfassenden Krise auf dem städtischen Wohnungsmarkt. Dies gilt zuerst und vor allem für Dublin. Der Plan zur Einführung der Wassergebühren wird ebenso weiterverfolgt wie der einer neuen Grundsteuer und anderer Austeritätsmaßnahmen. Alles geht zurück auf die Zeit der Bankenrettungen.

Darüber hinaus haben wir es mit einer Auflösung unserer öffentlichen Daseinsversorgung zu tun. Betroffen sind der Bildungs- und der Gesundheitsbereich. So wurden seit Beginn der Bankenrettungen im Jahr 2008 im Gesundheitssektor rund vier Milliarden Euro gestrichen.

Ein wesentlicher Aspekt dieser Wahlen ist die weiter voranschreitende Dezimierung der Labour Party. Für ihre Rolle, die sie in der bisherigen Austeritätsregierung eingenommen hat, ist sie hart abgestraft worden. Der Grund dafür, dass eine derartige Wut auf Labour herrscht, ist in erster Linie auf die Wasser-Abgabe zurückzuführen. Denkt man an den Wahlkampf der Labour-Partei von vor fünf Jahren, so stellte sich die Partei damals noch gegen die Wassergebühren. Als man schließlich in die Regierung eintrat, führte man sie dann aber trotzdem ein.

Im Wahlkreis Dublin-West lag ich bei der Wahl vor Joan Burton, der Kandidatin der Labour Party (die auch stellv. Premierministerin war und den Vorsitz der irischen Sozialdemokratie innehat; Erg. d. Übers.). Sie lief Gefahr, ihren Sitz im Parlament zu verlieren, errang am Ende noch ganz knapp den letzten Sitz, den es in diesem Wahlkreis zu holen gab. Labour hat lediglich sieben Parlamentssitze erreicht.

Gleichzeitig hat der linke Block, den die „Anti-Austerity Alliance“ (AAA) anlässlich der Wahl mit einer anderen linken Gruppierung namens „People Before Profit“ (PBP) gebildet hat, sechs Sitze errungen. Wir konnten die Anzahl unserer Sitze verdoppeln und sind damit fast gleich stark wie die „Labour Party“ vertreten.

Wie sieht es bei Sinn Fein aus?

Sinn Fein war eigentlich ein viel besseres Ergebnis prophezeit worden als am Ende zu verzeichnen war. Das beste Umfrageergebnis hatte die Partei noch bei zwanzig Prozent gesehen. Nun liegt Sinn Fein bei unter vierzehn Prozent.

Den gesamten Wahlkampf über hat Sinn Fein einen „susteritätskritischen“ Standpunkt eingenommen. Viel von dem, was sie erzählt haben, hätte auch von uns stammen können. So wollten sie die Wasser-Abgabe und die Grundsteuer wieder zurücknehmen, in den öffentlichen Dienst investieren etc.

Die Vorschläge, die Sinn Fein während des Wahlkampfs gemacht hat, waren allerdings nicht besonders weitreichend. So forderten sie, den Mindestlohn um fünfzig Cent anzuheben, was wirklich nicht sehr viel ist. Eine ganze Reihe von Punkten, die sie anlässlich der Wohnungskrise vorbrachten, hätten das Problem nicht wirklich gelöst. Im Gegensatz dazu hatten wir als AAA das Motto „real change not spare change“ auf unseren Wahlplakaten stehen (dt.: „Echte Veränderung, nicht spärliche Veränderung“, wobei „spare change“ gleichzeitig „Kleingeld“ bedeutet).

Fine Gael, Fianna Fail, Labour“und leider auch Sinn Fein – sie alle haben die Haltung akzeptiert, dass man „den Finanzrahmen“ einhalten müsse. Es geht dabei um eine geringe Summe an Geld, die für den öffentlichen Dienst überhaupt zur Verfügung steht. Die Rede ist von acht bis zehn Milliarden Euro in den kommenden Jahren. Diese Position lehnen wir rundherum ab. Wir zeigen mit dem Finger auf den immensen Reichtum, der in der Gesellschaft vorhanden ist.

Fünf Gewerkschaften haben sich der Initiative „Right to Change“ (dt.: „Das Recht auf Veränderung“) angeschlossen, die aus der Kampagne „Right to Water“ (dt.: „Recht auf Wasser“) hervorgegangen ist. Mit den Grundsätzen, die sich diese Bewegung gegeben hat, haben wir zwar übereingestimmt. Und es stimmt, dass man die Bitte an uns herangetragen hat, uns im Vorfeld auf eine „progressive“ Regierung zusammen mit Sinn Fein und einer Reihe anderer Gruppen festzulegen.

Das wollten wir aber nicht. Demgegenüber haben wir Sinn Fein aufgefordert, gleich zu Beginn des Wahlkampfes die Möglichkeit auszuschließen, in irgendeine Koalition mit Parteien der politischen Rechten (z.B. Fianna Fail oder Labour) einzutreten. Darauf wollte sich wiederum Sinn Fein nicht vorab festlegen. Sie blieben bei der Position, im Falle, dass sie die stärkste Partei sein würden, auch offen für eine Koalition mit Fianna Fail oder Labour zu bleiben, dass sie diese nur nicht unterstützen würden (was nach irischem Wahlrecht durch einen Aufruf zur Zweitstimme für eine andere Partei möglich ist, A.d.Ü.)

Was ist nun am wahrscheinlichsten?

Nun ja, im Moment ist es noch zu früh für eine endgültige Aussage. Es gibt den Druck auf Fianna Fail und Fine Gael, eine Koalition zu bilden, was es noch nie gegeben hat. Damit wären die beiden Parteien des Kapitalismus gezwungen zusammenzugehen, was in Wirklichkeit ein Zeichen der Schwäche ist, weil das System und das Establishment es natürlich besser fänden, sozusagen mit zwei Mannschaften anzutreten.

Von daher ist man sehr zögerlich, eine solche „Große Koalition“ einzugehen. Man will einfach die Illusion aufrechterhalten, dass es irgendwelche größeren Unterschiede zwischen den beiden gibt. Abgesehen davon fürchtet man das Erstarken der Linken, sollte es zu einem solchen Szenario kommen.

Am Ende könnte es aber tatsächlich auf diese besondere irische Form einer „Großen Koalition“ hinauslaufen. Oder man kommt mit einer größeren Gruppe von parteilosen Abgeordneten bzw. mit der Labour Party zu einer Vereinbarung über eine Minderheitsregierung. All dies bleibt abzuwarten.

Wie hat die AAA landesweit abgeschnitten?

Insgesamt haben wir sehr gute Ergebnisse eingefahren. Die AAA ist mit dreizehn KandidatInnen angetreten, und PBP kam auf weitere achtzehn KandidatInnen. Zusammengenommen hatten wir also 31 KandidatInnen. In vielen Fällen hat es sich um Leute gehandelt, die zum ersten Mal in ihrem Leben bei Wahlen angetreten sind. Außerdem sind wir auch in Wahlkreisen angetreten, in denen wir zuvor nicht präsent waren. Dort haben wir vor allem Flagge zeigen und das Spektrum wählbarer Alternativen vergrößern wollen.

Neben der Tatsache, dass wir im Wahlkreis Dublin-West meinen und in Dublin-South West den Sitz von Paul Murphy verteidigen konnten, konnte die AAA zudem mit Mick Barry in Cork einen weiteren Sitz hinzugewinnen. Damit sind wir nun über die Landeshauptstadt hinaus vertreten, was große Bedeutung hat.

Ferner hat die AAA in Limerick mit Cian Prendiville einen exzellenten und sehr erfolgreichen Wahlkampf geführt. Am Ende sind wir dort bis auf wenige hundert Stimmen an Labour herangekommen. In nicht allzu ferner Zukunft werden wir auch dort definitiv einen Sitz bekommen. Ebenfalls sehr gut ist, dass wir in drei oder vier Wahlkreisen auf 2000 oder mehr Stimmen gekommen sind.

Das Verlangen nach Veränderung ist zwar groß. Es spiegelt sich aber noch nicht wirklich in den Wahlergebnissen wider. Wir brauchen eine neue Partei, eine echte linke Partei, die Labour ersetzt.

Es werden sich mehr Menschen am Prozess des Aufbaus einer solchen Partei beteiligen, weil immer mehr Menschen politisch aktiv werden. Das ist es, wovon wir die Leute überzeugen müssen: Es reicht nicht, von seinem passiven Stimmrecht Gebrauch zu machen. Wir müssen uns selbst an Kampagnen beteiligen.

Was waren für die AAA die Hauptthemen?

Das Thema, das die AAA am stärksten in den Fokus genommen hat, war das Problem der Wassergebühren. In der entsprechenden Bewegung haben wir eine führende Rolle gespielt und das Thema ins Parlament getragen. Besondere Bedeutung hatte, dass wir damit zwei Nachwahlen im letzten Jahr für uns entscheiden konnten (bei der einen hatte der Genosse Paul Murphy, bei der anderen hatte ich einen Parlamentssitz holen können). Das war als der Kampf gegen die Wassergebühren gerade angefangen hatte.

Möglicherweise kann jede Regierung, die am Ende dabei herauskommen wird, in die Richtung gedrängt werden, die Wassergebühren wieder zurücknehmen. Schließlich sind außer Fine Gael alle anderen Parteien gezwungen gewesen zu sagen, sie würden „Irish Water“ – das Unternehmen, das eigentlich die Wassergebühren einziehen und verwalten soll – wieder auflösen. Natürlich haben sie sich in dieser Frage alle sehr zurückgehalten und gesagt, man zöge in Erwägung, die Wasser-Abgabe auf Eis zu legen oder für ein Moratorium zu sorgen.

Egal, welche Regierungskonstellation am Ende herauskommen wird: Die Frage der Wassergebühren wird das wichtigste Thema bleiben. Für den Fall, dass eine neue Regierung die Abschaffung der Wassergebühren ablehnen sollte, könnte ich mir vorstellen, dass es zu neuen Protesten kommen und der Premier zu entsprechendem Handeln gezwungen wird.

Die landesweite Debatte zum Thema Wohnen haben wir nicht nur angestoßen, sondern auch beherrscht. In den vergangenen Jahren hat der irische Staat den Bau öffentlichen Wohnraums vollkommen zurückgefahren. Das Ergebnis ist, dass mittlerweile 130.000 Familien auf der Warteliste für eine Sozialwohnung stehen. Die Zahl der Obdachlosen in Dublin und einigen anderen Städten ist gestiegen. In Dublin-West war dies ein brennendes Thema. Vierzig Prozent der obdachlosen Bevölkerung von Dublin stammen aus diesem Wahlkreis. Man kann also sagen, dass die AAA prädestiniert ist, sich zu diesem Problem zu äußern.

Ein weiterer Aspekt, den wir in die Debatte eingebracht haben, war die Kampagne zur Abschaffung des achten Verfassungszusatzes, der Abtreibung für illegal erklärt. Interessanterweise war dies definitiv ein bestimmendes Thema im Wahlkampf. Fakt ist, dass die Leute uns wirklich nach unserer Meinung dazu gefragt haben, möglicherweise zum ersten Mal. Die AAA hat sich verpflichtet, das Problem ins Parlament zu tragen. Wir werden dies mit der Idee verbinden, eine weitere Eingabe zu machen, um dazu ein entsprechendes Referendum zu erreichen.

Aus Sicht des Establishments war die Agenda während des gesamten Wahlkampfs extrem eng gesteckt. Alles drehte sich nur um die vier großen Parteien, wie sie am System herumdoktern anstatt sich einmal mit der Frage zu befassen, wie man es verändern kann.

Wir waren die einzige Kraft, die auf den Reichtum hingewiesen hat, der weltweit vorhanden ist, und wie dieser sich in Irland verteilt, wo das reichste eine Prozent seinen Reichtum während der Rezession enorm vergrößern konnte. So besitzen beispielsweise die reichsten 300 Personen zusammengenommen 84 Milliarden Euro.

Von Unternehmen wie Apple wird das Land gemeinhin als Steueroase genutzt. Am Anfang des Wahlkampfes kam heraus, dass Apple dem irischen Staat noch neunzehn Milliarden Euro an Steuerrückständen schuldig ist. Die AAA hat dieses Beispiel herausgegriffen, um zu zeigen, wo die Ressourcen sind, mit denen wir die Wohnungen bauen können, die wir brauchen, oder mit denen wir unser Gesundheitssystem wieder auf die Beine bringen oder die Kürzungen durch die Austerität wieder zurücknehmen können.

 

     

    USA: Wie weiter im Präsidentschaftswahlkampf?

    Sanders muss als unabhängiger Kandidat antreten!
    Von Calvin Priest, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SLP in den USA)

    Die massenhafte Unterstützung für die „politische Revolution“, die der linke Kandidat Bernie Sanders ausgerufen hat, hat die Vorwahlen der Demokraten zu einer regelrechten Kampfarena werden lassen, nicht – wie erwartet – zur problemlosen Krönungszeremonie für Hillary Clinton. Bei jeder Gelegenheit hat es Sanders vermocht, die Umfragen Lügen zu strafen und den Vorsprung von Clinton in den Schlüssel-Staaten wettzumachen. Manchmal hat er gewonnen und manchmal so knappe Ergebnisse eingefahren, dass sie für allerlei Aufregung gesorgt haben.

    Sanders Sieg in Michigan war ein beeindruckender Schlag gegen die arbeitnehmerfeindliche und umweltschädliche Wirtschaftspolitik von Clinton. Denn er hat die Vorwahlen in diesem Bundesstaat geradezu zu einem Referendum über die Handelsabkommen NAFTA und TPP werden lassen. Das Handelsabkommen NAFTA, das von der Administration unter Bill Clinton durchgesetzt worden ist, hat den Mittleren Westen vom „manufacturing belt“ („Produktionsgürtel“) zum „rust belt“ („Rostgürtel“) degradiert. Dazu war keine der beiden großen Parteien zuvor in der Lage gewesen.

    Bei den Vorwahlen vom 15. März hat sich erneut die Dynamik gezeigt, die Sanders ausgelöst hat. Hatte er anfangs noch einen Rückstand von uneinholbar scheinenden dreißig Prozentpunkten auf Clinton, so konnte er in den Bundesstaaten Missouri und Illinois fast noch gewinnen. In Chicago erhielt Sanders ein ganz bedeutendes Maß an Unterstützung von den „einfachen Leuten“, die von Rahm Emanuel, dem dortigen Bürgermeister des viel zitierten „einen Prozent der Bevölkerung“ und Freund von Clinton, die Nase voll haben. Dieser hat Polizeimorde zu vertuschen versucht und gleichzeitig Angriffe auf das öffentliche Bildungswesen und die Renten von ArbeiterInnen durchgeführt.

    Bedauerlicherweise hat das jedoch nicht ausgereicht, weshalb Sanders mit einem großen Rückstand an Delegierten aus dieser Wahlnacht hervorgegangen ist. Der Grund dafür sind ein deutlicher Misserfolg gegen Clinton in Florida (wo es eine große Anzahl an Delegierten zu holen gab) wie auch die zweistelligen Niederlagen in Ohio und North Carolina. Zwar stehen noch etliche Bundesstaaten aus, in denen Delegierte zu holen sind. Dennoch wird immer klarer, dass Sanders mit seinem links ausgerichteten Wahlkampf ziemlich sicher unterliegen wird, wenn er sich nicht aus dem eng gestrickten Rahmen der prokapitalistischen Demokratischen Partei befreien und anlässlich der Präsidentschaftswahlen einen unabhängigen Wahlkampf führen wird. Ein solcher Wahlkampf wäre ein enormer Schritt in Richtung des Aufbaus einer politischen Alternative für die arbeitenden Menschen und gegen die Demokraten wie auch die Republikaner, bei denen es sich um Parteien der großen Konzerne handelt.

    Die „politische Revolution“ fortführen

    Ab dem jetzigen Zeitpunkt ist klar, dass Sanders weiterkämpft um zu gewinnen. Seit dem „Super Tuesday“ hat er seine Attacken auf Clinton ausgeweitet. In den Bundesstaaten, in denen die Vorwahlen noch bevorstehen, warten Millionen von Menschen darauf, endlich auch Sanders unterstützen zu können, der gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre antritt. Schließlich identifizieren wir uns mit ganzem Herzen mit diesem Ziel.

    Es ist allerdings auch an der Zeit, die Lage einer nüchternen Betrachtung zu unterziehen und die richtigen Schlussfolgerungen aus den bisherigen Erfahrungen abzuleiten. Wir müssen den Weg ebnen, um mit der Demokratischen Partei zu brechen. Sanders sollte sich bereit erklären, die „politische Revolution“ – wenn nötig als unabhängiger Kandidat – bis zu den Präsidentschaftswahlen im November durchzuziehen. UnterstützerInnen von Sanders brauchen eine Debatte darüber, wie sichergestellt werden kann, dass sie nicht von den Beschränkungen der Wall Street, die die Demokratische Partei dominiert, eingeengt bleiben.

    Bevor Sanders letztes Jahr seinen Wahlkampf offiziell angekündigt hatte, haben wir von Socialist Alternative ihn dazu aufgefordert, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Während er der Meinung war, dass er über den Weg der Vorwahlen bei den Demokraten mehr bewirken könne, haben wir die These vertreten, dass es sich bei der Demokratischen Partei um feindliches Terrain handelt, wenn es um einen arbeitnehmerfreundlichen und konzernfeindlichen Wahlkampf gehen soll. Die inhärenten Hürden bestehen unter anderem aus den undemokratischen Methoden und Strukturen, die die Parteiführung der Demokraten dem ganzen Prozess der Vorwahlen auferlegt hat, aus der Macht des Geldes, das von der Wall Street kommt, den etablierten Medien wie auch aus dem eher konservativen Charakter der kleinen Minderheit von WählerInnen, die sich überhaupt an den Vorwahlen beteiligt. Das bedeutet, dass es wesentlich härter für Sanders ist, die Demokratische Partei einzunehmen als damit zu beginnen, eine neue politische Partei aufzubauen.

    Wenn er sich an den Vorwahlen der Demokraten beteiligt, so haben wir eingewendet, würde Sanders einen grundlegenden Fehler begehen. Damit würde er sich selbst von der großen Mehrheit der Menschen abschneiden, der sich am Prozess der Vorwahlen gar nicht erst beteiligt oder der politischen Debatte bis zu den eigentlichen Wahlen im November überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkt. Ferner würde er auf diese Weise nur Illusionen in die Demokratische Partei schüren, diese könne tatsächlich als Mittel für eine „politische Revolution“ dienen.

    Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten mit Sanders, die wir zu jedem Anlass offen vorgetragen haben, sind wir von Socialist Alternative nicht auf Distanz gegangen, sondern haben entschieden, zusammen mit Sanders und seinen AnhängerInnen die gewählte Strategie der Kandidatur bei den Vorwahlen der Demokraten auszutesten. Zusammen mit engagierten AnhängerInnen von Sanders sind wir daran gegangen, Unterstützung für seinen arbeitnehmerfreundlichen und konzernfeindlichen, links ausgerichteten Wahlkampf zu mobilisieren. Wir haben mit aller Energie mitgeholfen, Kundgebungen, Veranstaltungen und Protestmärsche zu organisieren, um für eine politische Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre zu werben.

    Was Sanders Versuch angeht, als „Demokrat“ ins Rennen zu gehen, ist es nun allerdings an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Es ist wahr, dass der Wahlkampf von Sanders Millionen Menschen in eine Diskussion darüber hineingezogen hat, was Sozialismus ist. Wenn Sanders aber die Ergebnisse der Vorwahlen akzeptiert und am Ende zur Wahl von Hillary Clinton aufruft, statt als unabhängiger Kandidat selbst anzutreten, dann wird sein Wahlkampf als Transmissionsriemen für Clinton und dieselbe alte konzernfreundliche Politik der Demokratischen Partei enden, die ja so viele der jetzigen AnhängerInnen von Sanders erst von den Demokraten hat entfremden lassen.

    Sanders sollte nicht zulassen, dass die politische Revolution bereits beim Wahlparteitag der Demokraten im Juli zu Grabe getragen wird. Millionen von Menschen haben seine Forderungen nach einem 15-Dollar-Mindestlohn, kostenloser Hochschulbildung und einer für alle geltenden Gesundheitsversorgung begeistert. Diese Energie muss genutzt werden, um bis November und darüber hinaus weiter eine Bewegung aufzubauen. Die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre wird nicht zu stellen sein, wenn man dafür nur die Zeit der Vorwahlen nutzt und wieder endet, sobald diese vorbei sind. Die aufkommende Bewegung für eine politische Revolution muss Sanders dazu drängen, als unabhängiger Kandidat bis zu den eigentlichen Wahlen im November weiterhin anzutreten oder einen Plan B zur Unterstützung der verbleibenden, stärksten linken Herausforderin, der konzernfeindlichen Jill Stein von der Grünen Partei, zu schmieden.

    Viele Leute konzentrieren sich sehr stark darauf, die Republikaner bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen zu schlagen und sind besorgt, dass ein unabhängiger Wahlkampf von Bernie Sanders die Wahl zu Gunsten von Donald Trump ausgehen lassen könnte. Fest steht hingegen, dass es 40 bis 45 Bundesstaaten gibt, in denen der Kandidat der Demokraten oder der der Republikaner eindeutig gewinnen wird. Es gibt dort also absolut keinen Grund, weshalb Sanders dort nicht auch bis in den November hinein Wahlkampf machen sollte. Bernie Sanders und seine AnhängerInnen könnten überlegen, ob er in der kleineren Anzahl an sogenannten „swing states“ (Bundesstaaten, die nicht eindeutig von einem der beiden Kandidaten gewonnen werden; Anm. d. Übers.) nicht auf dem Wahlzettel erscheinen soll, um diese Sorgen zu zerstreuen. Ein ermutigendes Ergebnis eines Wahlkampfes würde den Boden für viele weitere unabhängige und konzernfeindliche Kandidaturen in der näheren Zukunft bereiten.

    Eine Partei der „99 Prozent“

    Die arbeitenden Menschen müssen nicht nur eine Massenbewegung aufbauen, die für ihre eigenen Interessen eintritt. Sie müssen sich auch ein politisches Werkzeug schaffen, um es mit den Milliardären aufnehmen zu können. Wir brauchen unsere eigene politische Partei. Die Demokraten werden streng von oben nach unten von Politikern kontrolliert, die von den Großkonzernen finanziert werden und die ihnen verpflichtet sind. Arbeitende Menschen und junge Leute sind davon, dass Sanders es ablehnt, Wahlkampfspenden von Unternehmen anzunehmen, äußerst begeistert. Das zeigt ganz klar, dass sein Wahlkampf auf der Arbeit an der Basis gründet und dass er die Kontrolle ablehnt, die die Wall Street auf die Politik ausübt. Es reicht aber nicht aus, nur einen Kandidaten zu haben, der in einem Wahlkampf, der auf den Kräften an der Basis aufbaut, das Geld von den Konzernen ablehnt. Wir brauchen eine neue politische Partei der viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“, mit wirklich demokratischen Strukturen, die offen und umfassend jegliche Gelder von Unternehmen sowie deren Versuch der Einflussnahme zurückweist.

    Wir müssen es hinbekommen, dass die Revolte gegen die Wall Street, von einer Wahlkampagne eines Bernie Sanders zu einer organisierten Bewegung mit Millionen Beteiligten wird, die in jedem Bundesstaat und in jeder Stadt mit eigenen KandidatInnen antritt.

    Bernie Sanders sollte zu einer landesweiten Konferenz seiner AnhängerInnen und der linken Kräfte aufrufen, um einen Diskussionsprozess in Gang zu bringen und damit zu beginnen, von einer arbeitnehmerfreundlichen und konzernfeindlichen Plattform aus Pläne für unabhängige Kandidaturen zu schmieden. Diese Konferenz sollte den Prozess des Aufbaus einer Partei der 99 Prozent in den Vereinigten Staaten einleiten.

    Der Erfolg von Kshama Sawant, die in Seattle als Sozialistin in den neunköpfigen Stadtrat gewählt wurde, zeigt, dass es sich bei dem Wahlkampf von Bernie Sanders nicht um ein einmaliges Phänomen handelt. Das Interesse am Sozialismus ist riesig und nimmt weiter zu. Vor allem junge Leute suchen nach einer Alternative zum gescheiterten System des Kapitalismus. Sawant war in der Lage, trotz des erbitterten Widerstands des Establishments der Demokraten in der Stadt auch die Wiederwahl zu schaffen, weil sie organisierte Kräfte von Socialist Alternative an ihrer Seite hatte. Socialist Alternative war auch maßgeblich daran beteiligt, zusammen mit Kshama Sawant die Bewegung „15 Now!“ (für den 15-Dollar-Mindestlohn; Erg. d. Übers.) zu gründen und die Bewegung aufzubauen, die den Mindestlohn in Höhe von 15 Dollar in Seattle durchgesetzt hat. Dieser Sieg hat geholfen, ähnliche Erfolge auch in einer Reihe anderer wichtiger Städte auf den Weg zu bringen. Das alles ist Teil der Plattform, die Sanders im Wahlkampf um die US-amerikanische Präsidentschaft unterstützt.

    Der Kampf gegen die politische Rechte

    Der 15. März brachte auch starke Zugewinne für Donald Trump, dessen Nominierung durch die Republikaner immer wahrscheinlicher wird. Wenn Bernie Sanders nicht bis zum November kandidiert, dann wird das Feld für Trump offen sein, die massiv vorhandene Wut auf das Establishment zu nutzen. Dies kann nachhaltigen Schaden anrichten, da viele Menschen, die für Sanders hätten gewonnen werden können, von der Politik von Clinton, die ganz im Zeichen des Establishments steht, abgeschreckt werden. Sie könnten stattdessen zu Trump mit seinen rechten, ausländer- und arbeitnehmerfeindlichen Parolen überlaufen.

    Die konzernfreundliche Politik von Clinton und der Demokratischen Partei hat geholfen, den Boden zu bereiten, auf dem zuerst die „Tea Party“ und nun der Wahlkampf von Donald Trump stark werden konnten. Seit Einsetzen der Großen Rezession ist der durch und durch konzernfreundliche Charakter sowohl des Partei-Establishments der Demokraten wie auch der Republikaner vollkommen klar geworden. Das Ganze begann mit den Rettungspaketen für die Wall Street, die beide Parteien einvernehmlich geschnürt haben, und wurde mit den Angriffen auf das öffentliche Bildungswesen und den öffentlichen Dienst weiter fortgesetzt. Diese Politik hat verstärkt zu massiver ökonomischer Ungleichheit geführt. Es ist unerlässlich, dass die Menschen, die wütend auf das Establishment sind, im November die Möglichkeit haben, jemandem die Stimme geben zu können, der ihre Interessen und nicht die der Wall Street vertritt.

    Die kraftvollen Proteste anlässlich der Wahlkampfveranstaltungen von Trump wie etwa in Chicago, die unter anderen auch von AnhängerInnen von Bernie Sanders sowie AktivistInnen der Bewegung „Black Lives Matter“ durchgeführt worden sind, zeigen, wie stark die Stimmung in Richtung Kampf gegen die Rechte geht. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Energie in der Demoralisierung verpufft, zu der es bei vielen kommen wird, wenn Sanders seinen Wahlkampf beendet, indem er letztlich seine Unterstützung Hillary Clinton zuteil werden lässt.

    Zu künftigen Auftritten von Trump sollten massive, friedliche Proteste organisiert werden, die als Mittel zum Aufbau der Bewegung gegen die Klasse der Milliardäre genutzt werden müssen. Überaus begrüßenswert ist, dass die Gewerkschaftsvorsitzenden von der SEIU (öffentlicher Dienst), der NARAL (Pflegepersonal), Umweltgruppen und viele weitere zu derartigen Protesten aufrufen.

    Am 13. April organisieren #MillionStudentMarch und #Movement4Bernie einen landesweiten Aktionstag gegen die Gefahr von rechts. Damit werden wir die politische Revolution in Gang halten und die Basis für die Art von Massenbewegung bzw. politischen Initiativen legen, die die Dominanz der Milliardärsklasse und das kapitalistische System wirklich herauszufordern imstande sind.

     

    Terror in Brüssel: Gegen den Terrorismus und den Hass - Solidarität!

    Stellungnahme der LSP/PSL

    Wir dokumentieren die Stellungnahme der LSP/PSL, der belgischen Sektion des Committee for a Workers' International und Schwesterorganisation der SLP, zu den Attentaten in Brüssel.

    Dutzende Tote und Verletzte. Ein Land unter Schock. Das ist das Ergebnis der schrecklichen Attentate, die heute in Zaventem [Flughafen, Anm.] und in Brüssel begangen wurden. Wieder einmal sind es ganz normale Menschen die von vollkommen willkürlicher Gewalt getroffen wurden. Brüssel wurde zum Stillstand gebracht, Tausende von Menschen gefangen in der Hauptstadt, in Angst um ihre Kinder, Eltern, Freunde… Die schrecklichen Attacken sind ein Akt der Barbarei. Die Täter kommen wahrscheinlich aus dem Dunstkreis des Islamischen Staates, eine Organisation, die ein Regime repräsentiert, das besonders auf Hass und Terror basiert, sowohl gegen die Bevölkerung in den Gebieten, die der IS im Irak und Syrien kontrolliert, als auch gegen den Rest der Welt.

    Alle sprechen über die Attentate. Alle machen sich sorgen und fühlen sich betroffen. Jeder und jede kennt jemanden, der die U-Bahn benützt um zur Arbeit zu fahren. Jeder und jede könnte sich in den Abflugshallen von Zaventem befinden. Die Nähe des Terrorismus und der Fakt, dass seine Opfer ganz gewöhnliche Menschen sind, machen die Aufregung noch größer. Das alles verursacht Wut, aber auch Solidarität. Die Reaktionen erinnern uns an die Attentate bei Charlie Hebdo oder jene im November des letzten Jahres in Paris. TaxifahrerInnen, die gratis fahren. Menschen, die ihre Wohnungen denen öffnen, die nicht nach Hause fahren können, weil die öffentlichen Verkehrsmittel still gelegt sind. Die Solidarität der Bevölkerung zeichnet ein Bild der Katastrophe. Es existiert eine Atmosphäre der Solidarität und Einheit. Doch diese Solidarität muss Grenzen haben, sie endet bei den WaffenhändlerInnen, den KriegstreiberInnen und bei den Verantwortlichen für die Kürzungsspolitik, die dem Sozialstaat den Kampf angesagt haben. Genauso ist es wichtig, die Solidarität und Einheit gegen diejenigen zu verteidigen, die die Tragödie für ihren spaltenden Rassismus verwenden wollen. Der Aufruf zur Sicherheit ist berechtigt und verdient eine konsequente Antwort. Wir haben die Terroranschläge gegen Charlie Hebdo gesehen, die Zerschlagung einer Terrorzelle in Verviers, die Angriffe des 13. November in Paris und jetzt das. Die Verhaftung von Salah Abdeslam, des meistgesuchten Terroristen Europas, hat der Bedrohung kein Ende gesetzt. Die Effektivität einer Politik lässt sich an ihren Resultaten messen. Die Sicherheitspolitik dieser Regierung - Brüssel lahmzulegen und Soldaten, die durch die Straßen patroullieren – hat keine neuen Attacken verhindern können.

     

    Wir müssen überall darüber reden können

    Der Schock über die Attentate von Brüssel wird überall zu spüren sein. Wir meinen, dass es wichtig ist, dass jede und jeder darüber reden kann. Es wäre lächerlich zu erwarten, dass alle wieder an die Arbeit gehen, als wäre nichts passiert. Organisieren wir Diskussionen am Arbeitsplatz, regulierte Arbeitsniederlegungen, damit alle kollektiv den neuen Informationen folgen und herausfinden können, ob alle FreundInnen und Familienangehörige gesund und sicher sind. Das macht es auch möglich, über die Folgen, einen neuen „Lockdown“ und anderen Einschnitten im Alltagsleben zu reden. Kollektive Diskussionen ermöglichen es, gemeinsam, unter KollegInnen, den Schock zu verarbeiten und  Fragen, Ängste und Wut zu äußern. In den nächsten Tagen wird es viele Momente solcher Diskussonen geben – in der Arbeit, der Schule und in der Nachbarschaft. Am Arbeitsplatz selbst gibt es spezielle Strukturen, um über Sicherheit, sowohl bei der Arbeit, als auch beim Hin- und Rückweg zu reden. Deshalb gibt es das „Komitee für Prävention und Schutz bei der Arbeit“ (CPPT). GewerkschaftsfunktionärInnen können eine zentrale Rolle dabei spielen, Diskussionen am Arbeitsplatz zu organisieren, auch um eine klare Antwort der ArbeiterInnenbewegung geben zu können.

     

    Überlassen wir die Sicherheit nicht der Regierung und den UnternehmerInnen

    Jeder Arbeiter und jede Arbeiterin weiß ganz genau, dass Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet werden kann, wenn es Investitionen in das Arbeitsumfeld und in die grundlegenden Arbeitsbedingungen gibt, um Stress und andere gesundheitliche Probleme zu verhindern. In unseren Vierteln ist es nicht anders. Sicherheit auf einem sozialen Friedhof ist eine Illusion. Vor kurzem hat sich die Soziologin Sarah Bracke in der flämischen Tageszeitung De Standaard (am 19/09) mit Ausgrenzung und systematischer Entmenschlichung von Bevölkerungsteilen in den Armenviertel des Landes, Viertel in denen besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, auseinandergesetzt: „Die Entmenschlichung trägt die Gewalt mit sich. In erster Linie symbolische Gewalt, die jedoch schnell zur physischen werden kann.“

     

    Können wir dieser Regierung unsere Sicherheit anvertrauen? Diese Regierung zerstört unsere soziale Sicherheit durch Einsparungen im Sozialstaat, bei der Beschäftigung und bei Einkommen. Die Regierung und ihre Kürzungspolitik sind für die zunehmende soziale Verwüstung verantwortlich. Dies wird nicht zu mehr Sicherheit führen, es wird die Widersprüche und sozialen Spannungen in der Gesellschaft weiter zuspitzen. Das ist der Nährboden für die Reaktion aller Ausprägungen – Rechtspopulismus, Salafismus, Rassismus… Sie wollen, genauso wie die Regierung, unsere kollektive politische und gewerkschaftliche Opposition erwürgen.

    Wenn der erste Schock vorüber ist, wird es zu mehr Diskussionen über Sicherheit, aber auch über den Kampf gegen den Terrorismus und den Hass kommen. Diskriminierung, die imperialistische und kriegstreiberische Außenpolitik, die ewig lange Unterstützung von Diktaturen, vor allem im Nahen Osten, und, näher bei uns, die antisoziale Kürzungspolitik drängt eine kleine Minderheit von Jugendlichen in die Arme von reaktionären Gruppen, die sich terroristischen Methoden bedienen. Wenn jeder und jede echte Perspektiven für die Zukunft, eine Chance auf eine anständige Arbeit, eine leistbare Wohnung und eine wirkliche Möglichkeit hat sich ein Leben aufzubauen, so ist das die beste Art, diesen reaktionären Gruppen und dem Terrorismus den Platz zu nehmen.

    Die belgische Außenpolitik erhöht das Risiko von terroristischen Angriffen. Vor dem Sommer könnte Belgien militärisch in Syrien intervenieren, so wie schon im Irak oder in Afghanistan. Auch diese Bombardements werden Opfer bringen. Das wird die Sicherheit hier nicht erhöhen, im Gegenteil. Es sind ihre Kriege, die Kriege derer, die nach Profit dursten, jene der lokalen und internationalen Kriegstreiber. Aber die Opfer stehen auf unserer Seite, der Seite der ArbeiterInnen, der Armen und der Jugend – egal ob hier oder im Nahen Osten. Wir rufen alle ArbeiterInnen und ihre Gewerkschaftsdelegationen dazu auf, am 24. April, an der Seite der Jugend, gegen den Kauf von Jagdflugzeugen für die belgische Armee und gegen deren Beteiligung am Krieg in Syrien zu demonstrieren.

    Das kapitalistische System ist in einer tiefen Krise. Es untergräbt jegliche Zukunftsperspektive einer immer größer werdenden Gruppe der Gesellschaft und führt zur Herausbildung von barbarischen Elementen wie dem Terrorismus und anderen Formen willkürlicher Gewalt. Unser Kampf für eine andere Gesellschaft ist auch ein Kampf für eine sichere Zukunft für alle. Für eine Welt, in der die vorhandenen Ressourcen (denken wir nur an das gigantische Vermögen in den Händen einer winzigen Minderheit) dafür bestimmt sind, die Bedürfnisse und Wünsche der sozialen Mehrheit zu befriedigen. Das verstehen wir unter Sozialismus. Nur so können wir Armut, Misere, Krieg, Hass und Terrorismus auf den Misthaufen der Geschichte werfen.

     

    Mehr zum Thema: 

    Griechenland: Generalstreik gegen Syriza-Kürzungen

    4. Februar: 24-stündiger Generalstreik in Griechenland - der erste größere gegen die Syriza Regierung.
    Eleni Mitsou, Xekinima

    Die Tsipras-Regierung hatte im Sommer gegenüber der Troika klein beigegeben und ist nun williger Erfüllungsgehilfe bei der Umsetzung von Kürzungen. Die soziale Situation ist bereits schlimm und die Kürzungen verschlimmern die Situation weiter. Ein Teil des von der Troika verordneten Sparprogramms sind scharfe Pensionskürzungen. Dagegen richtete sich der Generalstreik in erster Linie. Der Streik war von den Gewerkschaften des Privaten (GSEE) und Öffentlichen Sektors (Adedy) getragen. Fast alle Berufsgruppen beteiligten sich. Ministerien, Gerichte, Schulen, Krankenhäuser, Häfen und der Verkehr wurden bestreikt. Der Streik ist ein kräftiges Lebenszeichen der griechischen ArbeiterInnenklasse, die sich nun auch gegen Kürzungen einer angeblich linken Regierung wendet. Das ist umso beachtlicher, wenn man sich die Tragweite des Verrats durch Syriza bewusst macht, die noch vor einem Jahr so viele Hoffnungen auf sich vereint hatte. Begleitet wurde der Streik von Blockaden und Besetzungen durch die BäuerInnen, die auch unter den Angriffen, konkret höheren Sozialversicherungsbeiträgen, leiden.

    Xekinima, CWI in Griechenland, schreibt über den Generalstreik und die nötigen weiteren Schritte: "Zum ersten Mal seit dem Regierungsantritt von Syriza wendet sich ein breiter Teil der Bevölkerung gegen sie. Der Generalstreik am 4. Februar war erfolgreich, wenn auch nicht so groß wie die großen Generalstreiks 2010-12. Er reflektierte die Wut vieler Schichten der Gesellschaft - ArbeiterInnen, BäuerInnen, Arbeitslose, Jugendliche etc. – die von den neuen Kürzungsmaßnahmen von Troika und Syriza-Regierung getroffen werden.

    Das wichtigste Merkmal des Generalstreiks waren die Massendemonstrationen, die auf lokaler Ebene in vielen Städten stattfanden. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung waren diese regionalen Demonstrationen viel größer als jene in den großen Städten wie Athen und Thessaloniki. In manchen Fällen waren sie die größten Demonstrationen seit Jahrzehnten.

    Der 4. Februar darf nicht das Ende der Streikaktionen sein. Üblicherweise passiert genau das nach eintägigen Generalstreiks – die Gewerkschaftsführung mobilisiert nicht weiter. Diesmal muss es vielmehr der Beginn einer Massenmobilisierung sein.

    Wenn wir eine neue Niederlage vermeiden wollen, müssen alle Schichten der Gesellschaft ihren Kampf koordinieren. Das muss auf Basis eines Plans passieren, der folgendes beinhaltet:

    1) den Aufruf zu einem weiteren 24-stündigen Generalstreik innerhalb der nächsten Woche

    2) den Aufruf zu einem 48-stündigen Generalstreik innerhalb der nächsten 20 Tage

    3) Die Streiks müssen mit den Blockaden der BäuerInnen und der Besetzung der Betriebe im öffentlichen und privaten Sektor verbunden werden – begonnen werden muss damit überall dort, wo ArbeiterInnen gekündigt, über Monate nicht bezahlt wurden oder wo ihre Rechte angegriffen werden.

    Solch eine Bewegung wird die Jugendlichen mobilisieren, die in den vergangenen Streikbewegungen weniger involviert waren, und kann zu Besetzungen der Schulen und Universitäten führen.

    Die Streiks und Besetzungen müssen gut organisiert werden, es braucht eine Diskussion in den Betrieben. Die ArbeiterInnen müssen erkennen, dass es einen Plan gibt, sowie Entschlossenheit und Aussicht auf Erfolg. Es ist nötig, dass sie Aktionskomitees wählen, die für den Erfolg dieser Mobilisierungen kämpfen.

    Die Frage ist, wer die Initiative für einen solchen koordinierten Plan ergreifen kann. Die Stimmung unter den ArbeiterInnen, BäuerInnen und Armen ist mehr als bereit für ein koordiniertes Vorgehen. Aber die Führung der Bewegung hatte nicht vor, ihn zu entwickeln. Unter anderen Bedingungen wäre dieser Mobilisierungsaufruf an die Gesellschaft Aufgabe der Gewerkschaften. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese korrupte Gewerkschaftsführung irgendetwas für eine Koordinierung und Planung des Kampfes gegen die Politik der Troika und ihre Vollstrecker (PASOK, ND und nun Syriza) tun wird. Die Verantwortung für eine Koordinierung dieser Bewegungen bleibt der Linken, oder zumindest jenem Teil der Linken, der gegen die Sparpolitik und das verantwortliche System kämpfen will.“

    Xekinima steht für eine Zusammenarbeit genau dieser Linken, die allerdings zutiefst gespalten ist. Die Hauptverantwortung dafür liegt bei der KKE (KP in Griechenland), die sich weigert, mit irgendwelchen anderen Kräften zusammenzuarbeiten. LAE ("Volksfront"), die aus dem Widerstand gegen die Kapitulation Syrizas entstanden ist, ist es nicht gelungen, das Protestpotential aufzugreifen. Sie ist zwar gegen den Euro, aber erklärt nicht, was die Alternative sein muss: Ein radikaler Bruch mit dem kapitalistischen System, um eine echte sozialistische Alternative aufbauen zu können. Sonst wird wieder die ArbeiterInnenklasse bezahlen. Es ist nötig, eine Massenpartei aufzubauen, die den Protest auf Basis eines sozialistischen Programms bündeln kann, um den Kämpfen Richtung und Perspektive zu geben. 

     

    http://www.xekinima.org

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Jugendrevolte in Tunesien

    Vorwärts sprach mit Cedric Gerome, Aktivist des CWI und aktiv in Tunesien über die jüngsten Proteste in Tunesien.

    Vorwärts: Was ist der Hintergrund der Proteste?

    Cedric: Trotz des Sturzes des Regimes von Ben Ali ist die soziale Situation von Jugendlichen katastrophal, oft sogar schlimmer als vorher. Am 17.1. beging Ridha Yahyaoui, ein Jugendlicher der jahrelang einen Job gesucht hat, aus Verzweiflung Selbstmord. Darauf folgten spontane Proteste von Jugendlichen. Kasserine ist eine der ärmsten Gegenden Tunesien, die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie im Rest des Landes. Deswegen kommt es oft zu Selbstmorden, vor allem von Jugendlichen.

     

    Das erinnert an die Ereignisse von 2010...

    Genau. 2010 trat der Selbstmord eines jungen Mannes, Mohammed Bouazizi, die erste Revolution los. Schon damals war die Jugendarbeitslosigkeit ein brennendes Problem, und daran hat sich nichts geändert. Auch diesmal schickte die Regierung sofort die Armee, doch das fachte die Proteste nur an. Die Revolte breitete sich schnell in 18 von 26 Provinzen aus. Die Regierung schreckte zurück und feuerte den Provinzvorsteher, doch die Bewegung breitet sich unter der Parole "Jobs oder eine neue Revolution" aus.

     

    Seit der ersten Revolution hat das CWI AktivistInnen in Tunesien. Was schlagen sie vor, um die Bewegung zum Erfolg zu bringen?

    Das Wichtigste ist, dass die organisierte ArbeiterInnenbewegung den Kampf aufnimmt. Als ersten Schritt haben wir für einen regionalen Generalstreik in Kasserine argumentiert und diese Idee in Schulen und Fabriken verbreitet. Unser Statement wurde von Jugendlichen und GewerkschafterInnen aufgenommen und verbreitet. Auch die Jugendorganisation, deren Mitglied Ridha war, unterstützte unsere Erklärung. 70 MilliardärInnnen besitzen das 37-fache des gesamten Regierungsbudgets. Das Geld ist also da, doch es muss von den Jugendlichen und ArbeiterInnen erkämpft werden. Es braucht eine echte soziale Revolution.

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    USA: „Das ganze System funktioniert nicht“

    Interview mit Darletta Scruggs aus Chicago
    Darletta Scruggs ist Aktivistin in der Black Lives Matter Bewegung in Chicago und Mitglied der us-amerikanischen Schwesterorganisation der SLP, Socialist Alternative. Sie spricht zu Ostern bei denSozialismustagen in Berlin. Lucy Redler sprach mit ihr über

    Die Offenheit für Linke in den USA wächst. Letztes Jahr gab es die Wiederwahl von Kshama Sawant in Seattle und wir sehen die riesige Popularität von Bernie Sanders als Gegenkandidat von Hillary Clinton. Woher kommt dieser Bewusstseinswandel?

    Für die meisten Menschen funktioniert das jetzige System nicht. Löhne sinken und man arbeitet immer länger. Gut bezahlte, tarifliche Jobs sind verschwunden und die Gewerkschaften sind unter ständigem Beschuss. Wir sehen landesweit Polizeibrutalität, mit dem systematischen Rassismus und der Ermordnung von unbewaffneten Frauen und Männern. Wir sehen den ernsten Schaden an unserem Klima und die Vergiftung der Wasserversorgung, das Vertuschen des Polizeimords an einem Teenager, den Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und die fortgesetzte Gewalt gegen Frauen. Es gibt extreme Armut in vielen Gemeinden und die Demontage der sozialen Sicherungssysteme.

    Das System funktioniert nicht und die Politiker beider Parteien und ihre Medien versuchen die Leute zu überzeugen, dass ihr Instinkt falsch ist, der ihnen sagt, dass diese Gesellschaft nicht gerecht und fair ist.

    Deshalb gibt es Leute wie Kshama und Bernie, die arbeitenden Menschen sagen, ja das System ist nicht fair und die Reichen werden reicher, während eure Würde und Lebensqualität schwindet. Das erreicht Leute, die das tagtäglich erleben.

    Was schlägt Socialist Alternative Sanders und seinen Unterstützerinnen und Unterstützern vor?

    Wir glauben, dass es für arbeitende und unterdrückte Menschen das beste ist, wenn Hillary als Kandidatin der Unternehmer und des Establishments bloßgestellt wird und Bernie gewinnt. Deshalb haben wir die Kampagne #Movement4Bernie gestartet und greifen Bernies Forderung nach einer „politischen Revolution gegen die Milliardärsklasse“ auf. Sie erfordert Millionen von Menschen im Widerstand auf der Straße und eine Wiederbelebung von Occupy, aber diesmal mit klarer politischer Richtung und einem Engagement auch auf parlamentarischer Ebene.

    Es gibt einen riesigen Schwung von engagierten Leuten, die die Schnauze voll haben und zurückschlagen wollen. Aber es ist nicht nur zum ersten Mal seit langem, dass Leute so aufmerksam, extrem aufmerksam die Entwicklung verfolgen, sondern sie sehen auch wie abgekartet der ganze Prozess funktioniert und wie voreingenommen die Medien sind. Das ist gut für uns und unserer Forderung nach einer neuen Partei der 99 Prozent.

    Die Demokratische Partei schaufelt sich ihr eigenes Grab und wir müssen weiter mit den Leuten diskutieren, die sich durch Bernie aktivieren, Hillary bloß stellen und damit sie vor der Falle des kleineren Übels bewahren.

    Die Demokratische Partei repräsentiert nicht die Bedürfnisse der Arbeiterklasse und der Armen, weshalb sie es so sehr versuchen Bernie und seine Forderungen rauszuhalten. Bernie Sanders nimmt keine Unternehmens- und Lobbyspenden an, trotzdem tritt er in einer Partei an, die durchdrungen ist von Konzerngeld. Hillary Clinton tritt in der gleichen Partei an und erhält riesige Spenden von Goldman Sachs, JP Morgan Chase und so weiter. Das ist ein großer Widerspruch und zeigt wie notwendig eine neue politische Partei ist, die unabhängig von Milliardärseinfluss ist und wo alle Kandidaten Großspenden ablehnen. Die Demokratische Partei ist die Partei der 1 Prozent und deshalb glauben wir auch, dass wichtige Forderungen aus Bernie Sanders Programm, wie die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung, niemals von der Demokratischen Partei unterstützt werden, die in den Taschen der Pharmakonzerne steckt.

    Obwohl wir große Meinungsverschiedenheiten mit Bernies außenpolitischen Forderungen haben, ist er der einzige Kandidat, der sich gegen die Wall Street und die Konzerne stellt. Das ist eine großartige Gelegenheit, die Demokratische Partei zu entlarven und zu erklären, warum ein Kandidat wie Bernie und sein Programm eine unabhängige Partei brauchen, die keine Großspenden nimmt und für die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung kämpft.

    Was sind deine Erfahrungen im Kampf gegen Rassismus und wie soll er bekämpft werden?

    Der Mord an Mike Brown in Ferguson brachte das Fass zum überlaufen. Die Leute hatten genug und die Schnauze voll! Die Polizei war bekannt für ihre Drohungen und die Belästigungen von schwarzen Vierteln. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Leute durch Waffengewalt umkommen, aber jetzt sehen die Menschen, dass das ganze System nicht funktioniert.

    Meine Erfahrung als arme schwarze Frau ist denen von anderen Schwarzen sehr ähnlich. Alleinerziehende Mutter, extreme Armut, unterfinanzierte Schulen und so weiter. Systematischer Rassismus ist stark verankert in unserer Kultur, unserem Wahlsystem, in der Justiz und es ist verbunden mit dem allgemeinen kapitalistischen System und seinem Drang nach maximalen Profiten zu Lasten der Verwundbarsten und Unterdrücktesten. Es muss eine Verbindung gezogen werden zwischen der rassistischen Polizeipraxis und den größeren Rahmenbedingungen, wo hochgerüstete, rassistische Polizeiabschnitte finanziert und erhalten werden. Wir müssen es auch mit der sozialen Frage verbinden. Haben die Viertel, die von der Polizei besetzt und terrorisiert werden, ordentliche Arbeitsplätze mit vernünftigen Löhnen? Ist der Öffentliche Dienst gut ausgestattet? Meistens ist die Antwort Nein und deshalb müssen wir uns weiter organisieren und die Frage der Polizei mit Themen wie ordentlichen Jobs mit mindestens 15 Dollar Stundenlohn verbinden. So sehen wir auch, wie alle Probleme miteinander zusammenhängen und wir das ganze System angreifen müssen, dass sie produziert und nicht nur ein paar „faule Äpfel“.

     

    Der vorhersehbare Schock

    Die Landtagswahlen vom 13. März sind ein Warnschuss – DIE LINKE braucht dringend einen Kurswechsel
    Von Sascha Stanicic, Bundessprecher der SAV (Schwesterorganisation der SLP in Deutschland)

    Selten haben Landtagswahlen so viel durcheinander gewirbelt, wie die Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März. Die Alternative für Deutschland schnitt noch stärker ab, als allgemein erwartet wurde. Von der existierenden Opposition gegen AfD und gegen Rechtspopulismus in weiten Teilen der Bevölkerung haben zumindest in den beiden westlichen Bundesländern vor allem SPD und Grüne profitiert. Merkels Position innerhalb von CDU/CSU wird paradoxerweise dadurch gestärkt, dass CDU-SpitzenkandidatInnen verlieren, die ihre Linie kritisierten. Die CDU verliert zwar, wird aber wahrscheinlich in mehr Ländern als bisher regieren können. Die FDP ist wieder da. Und DIE LINKE landet da wo ihre Führung zur Zeit Politik macht: zwischen allen Stühlen.

    Unisono wird behauptet, dass das Flüchtlingsthema das entscheidende Wahlthema gewesen sei. Diese These wird besonders gerne von LandespolitikerInnen bemüht, die damit die Behauptung verbinden, dass ihre tolle Landespolitik deshalb leider nicht zur Geltung kommen konnte. Keine Frage: die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und der offene Streit darum in der Koalition waren ein entscheidender Faktor für viele Wählerinnen und Wähler – nicht nur für die der AfD. Aber es würde zu kurz greifen, den Durchbruch der Rechtsnationalisten nur darauf zurückzuführen. Das ist auch ein Grund, weshalb leider davon ausgegangen werden muss, dass der parlamentarische Erfolg der AfD kein so kurzlebiges Phänomen sein wird, wie die Wahlerfolge von Republikanern, DVU, NPD, Schill-Partei und anderen in der Vergangenheit.

    Die AfD ist aber nicht nur Ausdruck von rassistischen Stimmungen in Teilen der Bevölkerung und nicht jedeR AfD-WählerIn ist RassistIn. Der AfD ist es gelungen aus den von vielen Kräften mitgeschürten irrationalen Ängsten vor der Zuwanderung Geflüchteter Kapital zu schlagen. Sie ist aber auch Ausdruck der Entfremdung weiter Teile der Bevölkerung von den etablierten Parteien und gesellschaftlichen Institutionen. Umfragen zeigen: sie wurde nicht aufgrund ihres Programms gewählt, sondern um den Etablierten einen Denkzettel zu verpassen. Das Thema Flüchtlinge war zwar für einen Großteil der AfD-WählerInnen das wichtigste Thema, es wurde aber gefolgt vom Thema soziale Gerechtigkeit. Das ist zwar absurd, weil die AfD als neoliberale Mittelstandspartei ein Programm für soziale Ungerechtigkeit vertritt, zeigt aber, dass viele ArbeiterInnen und Angestellte das gar nicht wahrgenommen haben, sondern die Gelegenheit ergriffen haben, ein Signal der Unzufriedenheit und des Protests auszusenden. Das zeigt sich auch an der gestiegenen Wahlbeteiligung und der Tatsache, dass die AfD überdurchschnittlich viele frühere NichtwählerInnen mobilisieren konnte.

    Auch wenn die AfD von einer besonderen Konstellation – offener Streit in der Koalition, Hysterie zum Flüchtlingsthema, geringes Niveau von Klassenkämpfen und anderen sozialen Auseinandersetzungen – profitieren konnte, ist ihr Erfolg nur möglich, weil ein gefährlicher rassistischer und nationalistischer Bodensatz in der Gesellschaft existiert. Die Verantwortung für dessen Existenz liegt wiederum nicht zuletzt bei den Parteien und staatlichen Institutionen, die Ungleichbehandlung von MigrantInnen (Rassismus) und eine Wir-Gruppe „Deutsche“ (Nationalismus) über Jahrzehnte propagiert haben.

    Es kommt jetzt darauf an, den Kampf gegen diesen Bodensatz zu führen und gleichzeitig denjenigen AfD-WählerInnen, die nicht dazu gehören, tatsächliche Alternativen gegen das kapitalistische Establishment anzubieten. Gleichzeitig könnten solche Alternativen auch diejenigen NichtwählerInnen mobilisieren, die das AfD-Angebot ausgeschlagen haben, aber sich auch in keiner anderen Partei – auch nicht der LINKEN – vertreten fühlen. Studien haben gezeigt, dass der Anteil von Menschen, die sich politisch links verorten, unter NichtwählerInnen überdurchschnittlich hoch ist. Dass sie diese nicht mobilisieren kann, muss der Partei DIE LINKE zu denken geben.

    Wie der Kampf gegen Rechts nicht geführt werden sollte, haben diese Wahlen auch gezeigt. Denn offensichtlich wirkt die moralische Stigmatisierung der AfD durch eine Front von CDU/CSU bis LINKE nicht überzeugend und konnte den Durchbruch der Schießbefehl-Partei nicht verhindern. Die AfD zu stoppen ist keine ausreichende Motivation für Menschen, die von der herrschenden Politik die Nase voll haben, zur Wahl zu gehen und Parteien zu wählen, die sie für die Zustände, die sie ablehnen, verantwortlich machen.

    DIE LINKE

    Für DIE LINKE ist das Wahlergebnis ein Desaster. Es sollte zu einer breiten Debatte über Politik, Strategie, Schwerpunkte und Auftreten der Partei führen und einen Kurswechsel einleiten.

    In Sachsen-Anhalt hat die Partei 7,4 Prozentpunkte verloren, 52.000 Wählerinnen und Wähler. Sie konnte keine früheren NichtwählerInnen mobilisieren, obwohl die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Stattdessen hat DIE LINKE 28.000 WählerInnen an die AfD verloren. Der Traum der Parteirechten vom zweiten linken Ministerpräsidenten nach Bodo Ramelow ist zum Scherbenhaufen zerbrochen. Wulf Gallerts staatsmännisch-angepasster Wahlkampf hat zur Niederlage geführt. 47 Prozent der Befragten sagten in einer Umfrage, DIE LINKE mache auch keine andere Politik als die anderen Parteien, wenn sie einmal in der Regierung ist – warum dann also LINKE wählen?

    Nun hat auch der anders – linker und oppositioneller – ausgerichtete Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kein besseres Ergebnis gebracht. Aber das kann man nicht gleich setzen. Denn natürlich ist es ungleich schwerer Wahlerfolge zu erzielen, wenn eine Partei eine schwächere Ausgangsposition hat – nicht im Parlament vertreten ist, weniger Mitglieder und organisatorische und finanzielle Möglichkeiten hat. So sehr das stimmt, wäre es aber eine zu kurz gegriffene Erklärung dafür, dass hier wieder der Einzug in die Landesparlamente verfehlt wurde. Es ist der LINKEN weder gelungen, die Stimmung gegen AfD und Rassismus – die es auch gibt – zum Ausdruck zu bringen und in Wählerstimmen zu verwandeln und es ist ihr nicht gelungen, die auch im Westen vorhandene Unzufriedenheit mit dem Establishment zu nutzen. Warum? In der Flüchtlingspolitik hat DIE LINKE zwar grundlegend andere Positionen vertreten, als CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne (und AfD sowieso) und gegen die Asylrechtsverschärfungen gestimmt. Sie hat aber auch allzu oft den Eindruck erweckt, Merkels Haltung zur Flüchtlingsfrage gar nicht so schlecht zu finden. Gleichzeitig sendet ihr Spitzenpersonal aber widersprüchliche Signale aus (Ramelow lässt in Thüringen abschieben, Lafontaine spricht sich für Obergrenzen aus, Wagenknecht redet von „Gastrecht“ für Geflüchtete). Vor allem aber gelingt es der LINKEN nicht, die Frage von Flüchtlingen und Rassismus überzeugend mit der sozialen Frage zu verknüpfen, deutlich zu machen, dass Rassismus nur den Mächtigen dient, weil er spaltet und überzeugend für einen gemeinsamen Kampf für soziale Verbesserungen für alle Betroffenen zu werben. Hinzu kommt, dass ihr ganzes Auftreten ausstrahlt, dass sie von den anderen Parteien endlich akzeptiert und von SPD und Grünen (und im Denken Wulf Gallerts kurzzeitig auch von der CDU) als möglicher Koalitionspartner betrachtet werden will, anstatt diesen mal den Varoufakis-Finger zu zeigen und einen Ton anzuschlagen, der unmissverständlich deutlich macht, dass man nicht darauf setzt mit den Agenda-Parteien zu kooperieren, sondern diese konsequent zu bekämpfen. Wer nach dem Durchbruch der AfD als selbsternannter „einziger Oppositionskraft“ immer noch behauptet, eine klare Absage an Regierungsbeteiligung würde Wählerstimmen kosten, lebt auf dem Mond oder will sich eben doch nicht den Weg auf die Regierungsbank versperren.

    Dass es auch anders geht zeigten eine Woche zuvor die Ergebnisse der LINKEN in vielen hessischen Kommunen, wie Kassel, Marburg oder Gießen. Dort legte die Partei deutlich zu. Basis hiervon ist ein bewegungsorientierter Landesverband, der sich nicht als Regierungspartei im Wartestand, sondern als linke Opposition präsentiert und Kreisverbände, die Kampagnen gegen Privatisierung von Krankenhäusern und Fahrpreiserhöhungen geführt haben und sich als bündnisfähig mit anderen linken Kräften und sozialen Bewegungen bewiesen haben.

    Katja Kipping sagt zum Wahlausgang: “Uns war bewusst, dass ein klarer Kurs für Weltoffenheit und Solidarität uns Stimmen kosten würde.” Das würde im Umkehrschluss ja heißen, dass 97 Prozent der WählerInnen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, dass alle die nicht DIE LINKE gewählt haben, gegen „Weltoffenheit und Solidarität“ eingestellt wären. Dem ist natürlich nicht so. Das Problem ist, dass so viele nicht daran glauben, dass die Wahl der LINKEN einen Unterschied macht.

    Weil DIE LINKE nicht als wirkliche linke Alternative überzeugt, hat die Polarisierung in der Flüchtlingsfrage vor allem denjenigen Kräften genutzt, die dachten, dass man in der Auseinandersetzung Merkel gegen Seehofer und AfD die Kanzlerin unterstützen müsse– was paradoxerweise in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nicht zur Wahl der CDU, sondern zur Wahl von Malu Dreyer und Winfried Kretschmann führte – und DIE LINKE landete zwischen den Stühlen.

    Sahra Wagenknecht hat in ihrer Stellungnahme zu den Wahlen richtige Fragen aufgeworfen: „Aber wäre es nicht wichtig gewesen, sich stärker von der sozial verantwortungslosen Ausgestaltung der Flüchtlingspolitik der Großen Koalition abzugrenzen, statt den Medien zu ermöglichen, uns als scheinbare Unterstützer der Merkelschen Flüchtlingspolitik mitzuverhaften? Wo haben wir den Kontakt zu den sozialen Interessen unserer eigenen Wähler verloren? Weshalb sind wir in den Augen so vieler offenbar zum Teil des etablierten Parteienkartells geworden und werden nicht mehr hinreichend als profilierte Gegenkraft wahrgenommen? Haben wir die soziale Frage vielleicht nicht mehr genug in den Mittelpunkt gestellt?“

    Das passt nur wenig zu ihrem Interview im Berliner Kurier vom Vorwahltag, in dem sie mit der Aussage „Eskönnen nicht alle Flüchtlinge kommen“ und einer Warnung vor „Parallelwelten“ durch fehlschlagende Integrationspolitik gerade selbst den Eindruck erweckte, dass sie in der Flüchtlingspolitik gar nicht so weit weg von den etablierten Parteien steht.

    Rechtsruck?

    Die Wahlergebnisse markieren auf der parlamentarischen Ebene eine deutliche Rechtsverschiebung. Es wäre aber falsch, dies mit einem gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck gleichzusetzen. Jüngste Umfragen zeigten, dass die größte Sorge in der Bevölkerung gerade das Anwachsen rechtsradikaler Kräfte ist und es keine verallgemeinerte rassistische Stimmung gegen Flüchtlinge gibt. Die Rechten sind lauter, selbstbewusster und gefährlicher geworden. Das Potenzial für eine Gegenbewegung besteht aber, auch wenn das in den Wahlergebnissen nicht zum Ausdruck kommt.

    Welche Folgen wird der AfD-Erfolg für die weiteren politischen Entwicklungen haben? Alle drei Landesregierungen sind abgewählt worden, wenn auch die SPD in Rheinland-Pfalz und die Grünen in Baden-Württemberg zulegen konnten. In der Konsequenz stärkt das jedoch die Position der CDU, die nun möglicherweise wieder in diese beiden Landesregierungen einziehen kann. In jedem Fall werden neue Koalitionen ausgetestet werden müssen. In Sachsen-Anhalt gibt es nur eine Mehrheit für CDU, SPD und Grüne. Kommt diese nicht zustande müsste es wohl zu Neuwahlen kommen. In Baden-Württemberg müssen Grüne und SPD entweder die FDP ins Boot holen oder aber es kommt nach Hessen zur zweiten Koalition zwischen CDU und Grünen – diesmal aber unter Führung der Grünen. Ob es dazu kommt ist offen. Die Option einer erstmaligen „Deutschland-Koalition“ aus CDU, SPD und FDP scheint aber aufgrund der Ablehnung durch die SPD schon wieder vom Tisch zu sein. Und in Rheinland-Pfalz könnte nur eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine CDU-Regierungsbeteiligung verhindern. Diese Schwierigkeiten bei der Koalitionsbildung mögen unmittelbar ein Problem für die Herrschenden darstellen und die politische Situation instabiler werden lassen, in Bezug auf die 2017 anstehenden Bundestagswahlen können sie aber auch – notgedrungen – willkommene Testläufe für neue Koalitionsoptionen der etablierten, prokapitalistischen Parteien bedeuten.

    Die SPD versucht mit dem Abfeiern des Wahlerfolgs in Rheinland-Pfalz von dem eigentlichen Trend abzulenken. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ist sue nur noch viertstärkste Kraft. In bundesweiten Umfragen krebst sie irgendwo zwischen 22 und 25 Prozent herum. Die „stärkste der Parteien“ ist zur Mehrheitsbeschafferin für die CDU geworden und es wenden sich immer größere Teile der Lohnabhängigen von ihr ab. Gabriels Vorschlag für ein „Sozialprogramm“ war nationalistisch begründet und als Wahlkampfmanöver durchschaut worden. Eine wahrnehmbare innerparteiliche Linke gibt es nicht und keinen Grund anzunehmen, dass sich der bestehende Trend in absehbarer Zukunft umkehren wird.

    Merkel wird über diese Landtagswahlen nicht scheitern. Ob sie in den nächsten Wochen und Monaten gestärkt oder geschwächt wird, hängt vor allem vom Ausgang des nächsten EU-Gipfels und der Frage ab, ob die Schließung der EU-Außengrenzen gelingt und die Geflüchteten erfolgreich an die Türkei verkauft werden können. Sollte die Zahl der nach Deutschland kommenden Geflüchteten weiter sinken, wird sie das als Erfolg ihrer Politik verkaufen können – auf dem Rücken der Frauen, Männer und Kinder, die dann in türkischen Flüchtlingslagern zusammen gepfercht und einer lebenswerten Zukunftsperspektive gänzlich beraubt werden.

    Klar ist aber auch: Merkel profitiert noch von einer wirtschaftlichen Situation, die sich angesichts der sich verstärkenden Krisenprozesse in der Weltwirtschaft schnell zum Schlechteren verändern kann. Dann werden auch soziale Auseinandersetzungen und Klassenkämpfe wieder zunehmen und die soziale Frage größeres gesellschaftliches Gewicht erlangen.

    Für Linke muss gelten: der Kampf gegen Rassismus und Nationalismus – nicht nur, aber auch in Form der AfD – muss mit größter Entschlossenheit fortgesetzt werden. Das aber nicht durch ein Verwischen der Abgrenzung zu Merkels Flüchtlingspolitik und zu SPD und Grünen, sondern durch eine Kampagne, die sich den Rechten in den Weg stellt, über die sozialen Inhalte der AfD-Politik aufklärt und den Kampf gegen Rassismus mit dem Kampf für soziale Verbesserungen verbindet. Ein Beispiel, wie das möglich ist, ist dasBündnis „Soziales Berlin gegen Rassismus“.

     

       

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