Betrieb und Gewerkschaft

Bildung am Limit - Abschaffung der Freizeitpädagogik - Wir sind Streikbereit!

Bundesweiter Bildungsaktionstag und Streik der Freizeitpädagogik am 15.6.
STREIK: 14:30 / Karlsplatz / Wien + Freiheitsplatz / Graz | BILDUNGSDEMO: 17:00 / Siegmund-Freud-Park (Schottentor) / Wien + Martin-Luther-Platz / Linz

Seit Jahren ist der Bildungsbereich am Limit. Nun plant die Regierung die Abschaffung der Freizeitpädagogik um Beschäftigte mit komplett neuen Aufgaben den Lehrer*innen zur "Assistenz" zu unterstellen. Bei ohnehin katastrophalen Bedingungen würde das eine weitere, massive Verschlechterung bedeuten. Gehaltseinbußen, schlechtere Arbeitsbedingungen und schlimmstenfalls Jobverlust und schlechtere Qualität für die Kinder.

Am 15.6. streiken die Freizeitpädagog*innen in Wien (manche auch länger) gleichzeitig mobilisieren zahlreiche Initiativen aus dem Bildungsbereich für den bundesweiten Aktionstag. Auch in der Erwachsenenbildung und den Unis demonstrieren und streiken Beschäftigte. Lehrer*innen organisieren sich in Basisgruppen. Schüler*innen sind wütend, Eltern auch. Lehrende, Gewerkschafter*innen, Freizeitpädagog*innen, Eltern, Schüler*innen, …. wir alle werden an diesem Tag gemeinsam gegen die Angriffe und für tatsächliche Verbesserungen im Bildungssystem kämpfen.

Wie viel Schule und Kindergarten jeden Tag leistet, ist v.a. Eltern in der Pandemie klar geworden. Die Zustände im Bildungssystem sind untragbar. Angemessene Bildung ist dank jahrzehntelanger Sparpolitik aller Parteien, immer weniger möglich. Die Arbeitsbedingungen treiben immer mehr aus dem Job, doch die Verschlechterungen gehen weiter. Am 1.6. protestierten 2.000 Freizeitpädagog*innen gegen die jüngsten Angriffe. Aber auch immer mehr Lehrer*innen, Eltern, Schüler*innen, Universitätsbeschäftigte und Erwachsenenbilder*innen akzeptieren die Zustände nicht länger und beginnen sich zu organisieren. Was es jetzt braucht, ist eine Bildungsbewegung in der Beschäftigte und Betroffene gemeinsam für die dringend nötigen Verbesserungen kämpfen. Der Streik der Freizeitpädagog*innen ist ein Vorbild.

Wir brauchen Bildungsstreiks!

Die Verantwortlichen haben gezeigt, dass sie weder die katastrophale Situation noch symbolische Proteste zum Handeln zwingen, während für Konzerne und Aufrüstung schnell Milliarden zur Verfügung stehen. Internationale Beispiele zeigen: Streiks sind das beste Mittel um Druck aufbauen - das müssen wir von den zuständigen Gewerkschaften fordern und uns dafür organisieren:

  • Diskutieren wir mit Kolleg*innen über die Situation und Möglichkeiten für Widerstand
  • Dienststellenversammlungen als ersten Schritt - nutzen wir die Konferenzen zur Diskussion der Missstände, von Forderungen und wie wir uns wehren können!
  • Organisieren wir uns in Basisinitiativen und kämpferischen Gewerkschaftsinitiativen und zwingen wir Gewerkschaft und Politik zum Handeln.
  • Bauen wir Solidarität auf und stärken die Bewegung durch Zusammenarbeit mit Elternvereinen, Schulsprecher*innen etc. um sie zu Aktionen bis hin zum Streik einzubinden.
  • Ein nächster Schritt kann eine gemeinsame Aktionskonferenz sowie nächste Kampfschritte im Herbst sein.
  • Für ein fundamental anderes Bildungssystem in einer fundamental anderen Welt.

Das Bildungssystem ist veraltet und soll disziplinieren. Durch Unterfinanzierung und strikte Trennung in Mittelschulen, Gymnasien und Privatschulen verstärkt das Schulsystem Ungleichheiten anstatt dem entgegen zu wirken. Kleinere Reförmchen reichen nicht - wir brauchen Ganztags- und Gesamtschule, Milliardeninvestitionen und die Gestaltung des Bildungswesens durch Lernende und Lehrende gemeinsam. Freie Bildung und Entfaltung von Menschen ist nur möglich wenn Bildung - und die gesamte Gesellschaft - frei von Konkurrenz und Profitinteressen demokratisch von den Betroffenen selbst organisiert wird.

ISA und ROSA im Bildungsbereich

Wir sind Beschäftigte und Betroffene im Bildungssystem, die bei der Internationalen Sozialistischen Alternative (ISA) und der sozialistisch-feministischen Initiative ROSA aktiv sind. Schon seit Jahren beteiligen wir uns aktiv am Aufbau von Protesten im Bildungssystem. Melde dich, wenn du mit uns für echte Verbesserungen aktiv werden willst!

Wir fordern:

  • Freizeitpädagogik muss bleiben!
  • Für alle Beschäftigten im Bildungssystem: deutliche Gehaltserhöhung, Arbeitszeitverkürzung und fixe Verträge
  • Bessere Lernbedingungen durch kleinere Gruppen UND mehr Pädagog*innen
  • Bestmögliche Förderung ALLER Lernenden! Weg mit dem Ressourcendeckel für sonderpädagogische Förderung. Bildung braucht echte Inklusion!
  • Mehr Lehrer*innen, Inklusionspädagog*innen und Unterstützungspersonal an jeder Bildungseinrichtung (Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Administrationskräfte, ...)
  • Für eine gemeinsame Bewegung von Beschäftigten im gesamten Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich für Milliardeninvestitionen in Menschen statt in Konzerne oder Aufrüstung!
  • Für fundamental anderes Bildungssystem in einer fundamental anderen Welt, das sich nicht an den Interessen der Wirtschaft orientiert, sondern kritische, selbstständige und glückliche Menschen zum Ziel hat.

Stoppen wir die Krise im Gesundheitswesen!

Jan Millonig (ehem. Krankenpfleger), für die Bundesleitung der ISA

Die Krise im Gesundheitswesen verschärft sich, die Beschäftigten sind zunehmend überarbeitet, unterbezahlt und ausgebrannt, und sowohl Patient*innen als auch Beschäftigte müssen den Preis dafür zahlen, dass die Regierung nicht bereit ist, die zur Rettung von Menschenleben erforderlichen Mittel zu investieren und eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sowie angemessene Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen zu schaffen.

Gewerkschaften müssen offensiv antworten!

Letztes Jahr fanden am Tag der Pflege (12. Mai) in vielen Bundesländern von Gewerkschaften und Betriebsrät*innen organisierte Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmer*innen statt. Am selben Tag präsentierte die Bundesregierung eine „Pflegereform“, die ihren Namen nicht verdient. Seitdem verbrachten die Gewerkschaften das ganze Jahr mit Presseaussendungen, dass sie immer noch auf die versprochenen Verbesserungen warten würden. Aber nützten die Zeit nicht, um die Beschäftigten zu aktivieren, zu mobilisieren oder Kämpfe zu führen. Abgesehen von teilweise eher symbolisch gestalteten Warnstreiks in den Wiener Ordenskrankenhäusern und später den Privatspitälern, ohne substanzielle Verbesserungen zu erreichen, ist es seitdem ziemlich ruhig im Gesundheitssektor. Andererseits stimmt es nicht, dass die Kolleg*innen Angebote, wenn sie gestellt werden, nicht wahrnehmen, wie es oft Gewerkschaftsfunktionär*innen behaupten. Die zahlreiche Beteiligung an den Kindergarten-Protesten oder “5 nach 12”-Aktionen vor den Krankenhäuser letztes Jahr beweisen das Gegenteil.

Inzwischen fliegen uns fast jeden Tag Schlagzeilen wie „Gesundheitssystem liegt im Wachkoma“, „Spitäler vor Kollaps“, „Personalmangel kostet bereits Menschenleben“ um die Ohren. Wo bleibt hier die Antwort der Gewerkschaften? Wir brauchen dringend einen Kampf für höhere Löhne, mehr Personal, Arbeitszeitverkürzung und strukturelle Verbesserungen! Die Regierung ignoriert uns seit Jahren. Deshalb müssen wir mit Streiks zeigen, dass wir nicht länger bereit sind die Zustände auszuhalten.

Organisierung an der Basis vorantreiben!

Wenn wir reale Durchbrüche erreichen wollen, müssen wir über symbolische Proteste hinaus gehen. Wirklich Druck erzeugen wir, wenn die Beschäftigten an der Basis eingebunden werden und sich beteiligen können. Aufgrund der Untätigkeit der Gewerkschaften, nehmen das immer mehr Betriebsrät*innen, Basisgruppen und Initiativen selbst in die Hand: So organisierten Linzer Betriebsräte zweier Spitälern eigenständig Betriebsversammlungen, Beschäftigte im FSW gründeten eine Basisgruppe, die Basisinitiative „sozial aber nicht blöd“ kämpft für radikale Forderungen für die KV-Verhandlungen im privaten Sozialbereich und selbst von psychischen Problemen betroffene Jugendliche gründeten die Initiative “Youth for Change” und organisieren eine Demo für den Ausbau der Versorgung für mentale Gesundheit. Wir unterstützen diese Initiativen, versuchen sie zu verbinden und gemeinsame Aktionen zu organisieren. Auch das kann die Gewerkschaftsführung unter Druck bringen, ihrerseits in die Gänge zu kommen, aber auch wichtige Anknüpfungspunkte für Beschäftigte (aus anderen Bereichen) und Betroffene schaffen, die selbst aktiv werden wollen und wo sie sich einbringen können.

Kundgebung am Internationalen Tag der Pflege - 12. Mai

Die Gewerkschaften planen am Tag der Pflege heuer nur “Medienaktionen” am Vormittag. Diese waren nicht mit einer Mobilisierung verbunden und es wird für Beschäftigte schwierig sein, daran teilzunehmen. Deshalb haben ISA und ROSA Kundgebungen in Wien und Linz am Nachmittag organisiert. Diese Aktionen können den Kampf der Beschäftigten nicht ersetzen, aber wir wollen damit auf die Notwendigkeit für diesen und die wichtigsten Forderungen aufmerksam machen. Wir nutzen die Aktion, um für verschiedene Initiativen (Demo für mentale Gesundheit von “Change for the Youth” am 3.6., Bildungsaktionstag am 15.6., Lohnverhandlungen im FSW und SWÖ u.a.) zu mobilisieren und luden diese ein auf der Kundgebung zu sprechen.

Forderungen nicht nur möglich, sondern dringend nötig! 

Wir werden den Personalmangel, der mittlerweile das größte Problem in den meisten Bereichen ist, effektiv nur lösen, wenn es zu echten und umfassenden Entlastungen kommt. Noch mehr aus dem “verbliebenen” Kolleg*innen herauszupressen (durch Überstunden, Einspringen usw.) wird diese nur auch noch ausbrennen lassen und das Problem weiter verschärfen. Die dringend notwendige Arbeitszeitverkürzung auf z.B. 30 Stunden bei vollem Lohn reduziert zwar scheinbar mal die vorhandenen Personalressourcen, aber kombiniert mit einer massiven Lohnerhöhung und anderen Entlastungsmaßnahmen (so einfachen Dingen wie die Einstellung von mehr administrativen Personal), wird Leute wieder in den Beruf bringen, reduziert Krankenstände und verhindert, dass noch mehr Kolleg*innen den Job verlassen.

Trotz “Pflegereform” sind die (finanziellen) Hürden die Ausbildung zu machen, noch immer groß. Es braucht frei zugängliche Stipendien für alle und alle Berufsgruppen.

Von der Regierung kommt als einzige Antwort auf die aktuelle Krise, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Das wir nicht nur viel zu wenige Stellen besetzen, sondern ist auch ein Versuch an den Bedingungen nichts ändern zu müssen und somit die Lage weiter zu verschärfen. Gleichzeitig müssen wir gemeinsam mit diesen ausländischen Kolleg*innen gegen jede Schlechterstellung derselben kämpfen, damit sie nicht als Lohndrücker*innen eingesetzt werden und sie so als Bündnispartner*innen für den generellen Kampf für Verbesserung zu gewinnen.

Ein Kampf für Frauen- und LGBTQI+ Rechte!

Wir kämpfen für die Entlastung von Frauen als Mehrheit der Beschäftigten und als jene, die bei fehlender Versorgung, Pflege unbezahlt zu Hause übernehmen. Doch für mehr Ressourcen für das Gesundheitswesen zu kämpfen, heißt auch die Möglichkeiten für Schwangerschaftsabbrüche, andere Beratungsstellen, Gewaltschutz usw. bedarfsgerecht auszubauen. Dasselbe gilt für die psychologische und medizinische Versorgung von Trans-Personen. 

Deshalb müssen feministische Kämpfe und die LGBTQI+ Bewegung den Kampf im Gesundheitsbereich offensiv aufgreifen und unterstützen. Die ISA und die sozialistisch-feministische Initiative ROSA kämpft für eine lebendige Verbindung zu den Forderungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich an jedem 8. März, bei jeder Pride und darüber hinaus!

Kapitalismus ist das Problem!

Es wird immer klarer, dass Regierungen (weltweit) kein Interesse an einer wirklichen Lösung der Krise im Care-Sektor zeigen. Ihre Maßnahmen sind minimal oder verschlechtern die Situation sogar, während sie Milliarden für die Rettung von Banken und Konzernen ausgeben. Das liegt an der profitorientierung unseres Wirtschaftsystems. Gespart wird bei allem, was nicht profitabel ist (Gesundheit, Pflege, Bildung). Der Kapitalismus funktioniert nicht für die Menschen, sondern nur für eine kleine reiche Elite und damit gegen die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen. Selbst für kleine Verbesserungen gibt es angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise (weil die Staatsfinanzen durch Aufrüstung und Konzernhilfen überstrapaziert sind) keine Spielräume mehr ohne die Profite der Superreichen anzugreifen. Deshalb müssen wir den Kampf für Verbesserungen mit dem Kampf gegen die Profitlogik und Funktionsweise des Kapitalismus verbinden. Denn eine Verbesserung der Situation wird es mit diesem System nicht geben.

Internationale Kampagne der ISA am 12.5.: 

Unsere Gesundheit, ihre Krise - Kämpfen und gewinnen!

Die Internationale Sozialistische Alternative (ISA) ist eine Organisation mit über 30 Sektionen auf allen Kontinenten, die weltweit für eine sozialistische Alternative zum kapitalistischen System kämpft. So hat die ISA einen internationalen Aufruf für Proteste am 12.5. veröffentlicht, indem folgende Forderungen enthalten sind:

  • Ein kostenloser, qualitativ hochwertiger, öffentlicher Gesundheits- und Sozialbereich für alle;

  • Kein Profit im Gesundheits- und Sozialbereich! Nein zu Privatisierung und Profitgier des Großkapitals - Überführung aller Gesundheits-, Sozial- und Pharmaunternehmen in öffentliches Eigentum;

  • Geld für Gesundheit, nicht für Rüstung! Massive Investitionen in mehr Personal mit besserer Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen und weniger Arbeitsstunden, für sichere Personalausstattung und anständige Arbeitsbedingungen;

  • Gemeinsamer Kampf der Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich aller Berufe, Geschlechter und Nationalitäten;

  • Ein sozialistisches System, das sich um das körperliche und geistige Wohlergehen der großen Mehrheit - der Arbeiter*innenklasse und der Jugendichen - kümmert und nicht um die Profite einer kleinen Elite.

Für die Proteste am Tag der Pflege - 12. Mai - in Österreich haben wir Forderungen darüber hinaus aufgestellt, hier noch einmal zusammegfasst:

  • Nein zu Zweiklassenmedizin und Privatisierung und den Ausbau kostenloser, qualitativ hochwertiger, öffentlicher Gesundheits- und Sozialdienste für alle: Milliarden für Gesundheit, Bildung und Soziales statt für Rüstung und Konzerne!

  • Bedarfsgerechter Ausbau von Angeboten in den Bereichen psychische Gesundheit, Schwangerschaftsabbruch, Gewaltschutz und geschlechtsangleichenden Maßnahmen!

  • Personalmangel bekämpfen mit guten Ausbildungsbedingungen, bezahlten Praktika und 500 Euro mehr netto pro Monat für alle!

  • Verhinderung von Burnout und Entlassungen durch: Verkürzung der Arbeitszeit auf eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn.

  • Verbünden wir uns, um uns zu wehren! Ein gemeinsamer Kampf der Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen für bessere Bedingungen in allen Bereichen und massive Investitionen!

  • Die Qualität der Pflege geht uns alle an! - für eine breite gesellschaftliche Bewegung von Arbeitnehmer*innen und Jugendlichen für eine qualitativ hochwertige Pflege und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für alle!

  • Unsere Gesundheit, unsere Entscheidung! - für ein Gesundheitssystem, das von demokratisch von Beschäftigten und Gesellschaft geleitet und verwaltet wird, so dass Entscheidungen über Finanzierung und Ressourcen nach den vorhandenen Bedürfnissen und nicht nach Spar- oder Profitinteressen getroffen werden.

  • Niemand sollte von unserer Gesundheit profitieren! Enteignung der Pharmakonzerne und anderer Profiteure unter demokratische Kontrolle der Arbeitnehmer*innen - damit sie nach unseren Bedürfnissen und nicht nach dem Profit verwaltet und geplant werden.

  • Gegen das kapitalistische System, das von Profit und Gier auf Kosten unseres Lebens angetrieben wird. Für eine sozialistische Alternative, die ein gesundes, friedliches und wohlhabendes Leben für alle sichert!

 

BABE nach den Warnstreiks: Streiks ausweiten, keine faulen Kompromisse!

Sebastian Kugler, Mitglied der ISA, Aktivist bei DiE, ehemaliger BABE-Beschäftigter, jetzt Universitätsassistent und aktiv bei der Initiative Unterbau

Zum ersten Mal überhaupt streikten die Kolleg*innen aus dem 9.000 Beschäftigte umfassenden BABE-KV am 3. und 4. Mai im Kampf um den Kollektivvertragsabschluss. Im BABE sind die Beschäftigten privater Bildungseinrichtungen, vor allem der Erwachsenenbildung zusammengefasst - also Institutionen wie VHS und Berufsförderungsinstitut (bfi), aber auch profitorientierte Institute wie ibis acam oder update, die Kurse im Auftrag von AMS oder ÖIF ausführen und somit aus öffentlichen Geldern Profit schöpfen. Die Arbeitsbedingungen im BABE sind geprägt von Unterbezahlung, Überlastung und ständiger Jobunsicherheit. Kolleg*innen, die gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten, indem sie Deutsch als Zweit- und Fremdsprache lehren oder Menschen ohne höheren Bildungsabschluss einen zweiten Bildungsweg ermöglichen, müssen 30 Stunden und mehr in den Kursräumen stehen und haben dafür oft nicht mehr als 4 Stunden Vor- und Nachbereitungszeit. Lohnmäßig zählt der BABE zu den absoluten Dumping-KVs, während gleichzeitig maximal 5 Vordienstjahre bei einem Unternehmenswechsel angerechnet werden - und solche Wechsel stehen für viele fast jährlich an, wenn die ausgeschriebenen Projekte wieder an andere Firmen gehen. Gleichzeitig werden die Beschäftigten von AMS, ÖIF etc. als Kontrollorgane des Repressionsregimes gegen Arbeitslose und Migrant*innen missbraucht, indem sie mit administrativen Aufgaben zugemüllt werden, anstatt Ressourcen in Form von sozialer und psychologischer Unterstützung für die sozial wertvollen, aber oft auch enorm belastenden Aspekte der Arbeit zu erhalten. Die multiplen Krisen der letzten Jahre brachten nun bei vielen Kolleg*innen das Fass zum Überlaufen. Aufgrund des niedrigen Organisationsgrades blieb der Bereich lange Zeit von der Gewerkschaft größtenteils ignoriert, was die aktuellen Zustände erst ermöglicht hat. Die “Basisinitiative Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung (DiE)” setzt sich bereits seit Jahren für eine kämpferische und demokratische Betriebs- und Gewerkschaftspolitik in der Erwachsenenbildung ein. Vor allem nach den letzten katastrophalen KV-Abschlüssen während Corona und zu Beginn der Teuerungskrise organisierte DiE Veranstaltungen mit wütenden Kolleg*innen, Betriebsrät*innen und Verantwortlichen aus Verhandlungsteams und Gewerkschaft, um klar zu machen: So kann es nicht weitergehen. Ein zentrales Argument war dabei, dass wir Streiks brauchen, um unsere Forderungen nach dringend notwendigen Verbesserungen durchzusetzen.

Die Warnstreiks - eine Analyse

Dieser Druck, der von der Basis aufgebaut wurde, hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass es bei den aktuellen KV-Verhandlungen nach der rituellen öffentlichen Betriebsversammlung am Wiener Platz der Menschenrechte nicht - wie letztes Jahr - postwendend zu einem schlechten Abschluss gekommen ist, sondern seitens der GPA zu Warnstreiks aufgerufen wurde. Bereits bei der öffentlichen Betriebsversammlung im April hielten viele Kolleg*innen “#streikbereit”- Schilder in die Höhe, um ihre Kampfbereitschaft zu signalisieren. Und tatsächlich gilt es als erste Lehre der Warnstreiks festzuhalten: Die Kolleg*innen wollen und können streiken!

In allen Betrieben, von welchen für diesen Bericht Erfahrungen und Berichte gesammelt wurden (VHS, update, Interface, ibis acam, die Berater, abz…) zeigte sich ein ähnliches Bild: Trotz mangelnder Erfahrung, Organisation und Information beteiligten sich ein großer Teil der Kolleg*innen am Streik, übernahmen viele auch an kleineren Standorten die Streikleitung, bastelten Schilder, Plakate und Transparente, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen und zeigten sich bereit, weiter zu kämpfen.

Fehler der GPA

Der Einsatz der Kolleg*innen ist umso bewundernswerter, als die Streiks seitens der GPA mehr als unvorteilhaft organisiert wurden. In vielen Betrieben fühlten sich Kolleg*innen bis zuletzt unzureichend über rechtliche Fragen, Streikgeld etc. informiert. Schwer wog aber vor allem, dass “man” von oben herab (Berichten zufolge offenbar ohne eingehendere Diskussion) sich dafür entschied, nur an den einzelnen und vereinzelten Standorten zu streiken, und explizit gegen gemeinsame Aktionen im öffentlichen Raum. Das Argument der GPA, dass es gerade Kolleg*innen der schlechter organisierten profitorientierten Institute damit leichter gemacht werden sollte, sich am Streik zu beteiligen, ist völlig verkehrt - im Gegenteil führte in einem solchen Bereich mit generell niedrigem Organisationsgrad die Vereinzelung und Nicht-Koordinierung der Streiktage, -zeiten und -aktionen dazu, dass gerade kleinere Betriebe, in denen es teilweise nicht einmal Betriebsratsstrukturen gibt, es besonders schwer gemacht wurde, zu streiken. Gut vorbereitete und kommunizierte öffentliche Streikkundgebungen, zu denen man gemeinsam vom Standort aufbricht, um möglichst viele Kolleg*innen mitzunehmen - oder zumindest gemeinsame Streikposten, in denen besser organisierte Betriebe schwächere unterstützen - hätten die Streikbeteiligung, die Sichtbarkeit und dadurch auch die Wirksamkeit enorm befördert. Die Behauptung, dass es verboten sei, während des Streiks den Standort zu verlassen, ist falsch und auch durch die Praxis der letzten Jahre, etwa bei den SWÖ-Streikdemonstrationen, widerlegt.

Öffentlich und demokratisch streiken - Interface zeigt es vor

Das bewiesen bei den Warnstreiks insbesondere die Kolleg*innen von Interface in Wien, die in absolut vorbildlicher Manier am 3.5. eine öffentliche Streikkundgebung am Mozartplatz organisierten. Bei Interface wurde bereits im Vorfeld demokratisch ein Streikkomittee gebildet und auch seitens des Betriebsrats Kolleg*innen einbezogen. Das Ergebnis war eine lebendige Aktion mit zahlreichen Redebeiträgen, Schildern und Transparenten. Die Kundgebung ermöglichte auch die Überbringung von Solidaritätsbotschaften aus anderen Bereichen des Bildungssystems, etwa von der Unibeschäftigten-Initiative Unterbau. Positiv war auch die Anwesenheit eines Kollegen von der GPA selbst, der unterstützende Worte sprach - allerdings durch eine Lautsprecheranlage, welche Aktivist*innen der ISA und DiE zur Verfügung stellen mussten, da die GPA sich im Vorhinein geweigert hatte, der Kundgebung die notwendige technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen! Das alles zeigt, wie berechtigt die Sorge der Kolleg*innen ist, die sich in Transparenten und Spruchbändern wie “GPA, wir sind da, knick nicht ein! HAU REIN!” und “500,- mehr, GPA fall nicht um! Wir stehen hinter dir” ausdrückte.

Nächster Verhandlungstermin 22.5. - Nicht einknicken, sondern Streiks ausweiten!

Dass die Streiks, so wie sie organisiert wurden, nicht demoralisierend und demobilisierend gewirkt haben, ist somit vor allem auf die hohe Kampfbereitschaft der Kolleg*innen an der Basis und die Initiative kämpferischer Betriebsrät*innen zurückzuführen. Daran gilt es jetzt anzuknüpfen. Denn bei der nächsten Verhandlungsrunde am 22.5. werden die Unternehmensseite kein substantiell besseres Angebot - und schon gar nicht die geforderten 15% - auf den Tisch legen. Im Gegenteil: Sie kennen den traditionellen gewerkschaftlichen Umgang mit KV-Verhandlungen (die Geschäftsführung des ÖGB-eigenen bfi wohl am besten) und wissen, dass die Eskalationsstrategie der Gewerkschaft für gewöhnlich maximal bis zu Warnstreiks reicht - warum sollten sie also jetzt nachgeben, nachdem aus der Sicht der Kolleg*innen in den ÖGB- und GPA-Zentralen das “Ende der Fahnenstange” erreicht ist?

Deswegen müssen wir die Streiks jetzt erst ausweiten und dabei die Lehren aus den Warnstreiks ziehen. Ein Tabu wurde gebrochen: Es wurde gezeigt, dass es möglich ist, zu streiken - und zwar aktiv, kämpferisch und demokratisch! Daran anzuknüpfen bedeutet, weitere Streiks zu organisieren, und zwar koordiniert, ganztägig, und mit gemeinsamen öffentlichen Aktionen, um die Unterstützung aus der Öffentlichkeit zu bekommen. Konkret sollten wir am 22.5. selbst durch eine lautstarke Demonstration den Verhandler*innen den Rücken stärken und zeigen, dass wir keinen faulen Kompromiss akzeptieren können. Darauf können wir hinarbeiten, indem durch weitere Betriebsversammlungen in den nächsten Wochen Streikkomitees gebildet bzw. neu gewählt werden, welche die nächsten Aktionen gemeinsam vorbereiten. Das bedeutet auch, Kursteilnehmer*innen etc. einzubinden - schließlich leiden auch sie massiv unter den schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und unter dem ganzen Repressionsapparat von AMS, ÖIF etc., der dafür verantwortlich ist! Gleichzeitig sollten wir unsere Hand in Richtung all der anderen Initiativen im Bildungsbereich ausstrecken, die für 15.6. einen gemeinsamen bundesweiten Aktionstag planen - machen wir den 22.5. zum gemeinsamen Auftakt für den 15.6.! Schließlich ist es auch gut möglich, dass die unmittelbare Auseinandersetzung um den KV zu diesem Zeitpunkt noch andauert. Denn wir müssen ebenso darum kämpfen, dass die Entscheidung über die Annahme eines Angebots letztlich nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden darf: Es braucht Urabstimmungen in allen Betrieben über einen eventuellen Abschluss, und solange kein Angebot auf dem Tisch liegt, das bei solchen Urabstimmungen akzeptiert wird, wird weiter gekämpft!

Deswegen:

  • Fordern, was nötig ist: 15% und Mindestbetrag von 500.-!

  • Keine faulen Kompromisse: Für Streik und Demonstration anlässlich der KV-Verhandlungen am 22.5.!

  • Streiks ausweiten: Jetzt ein Datum für einen bundesweiten, ganztägigen und koordinierten Streiktag mit öffentlichen Aktionen und Demonstrationen!

  • Demokratisch verhandeln: Für Urabstimmungen in den Betrieben über einen eventuellen Abschluss!

  • Kämpfe verbinden: Heraus zum bundesweiten Aktionstag von Initiativen im Bildungsbereich am 15.6.!

Unsere Gesundheit, ihre Krise - Kämpfen und gewinnen!

internationaler Aufruf der International Socialist Alternative (ISA) für den 12.5. - Tag der Pflege

Die Krise im Gesundheits- und Sozialbereich zeigt die Prioritäten in einer kapitalistischen Welt auf - Profit vor Menschen - und legt auch deren Widersprüche direkt offen. Der Kapitalismus und seine Krisen erhöhen die Nachfrage nach Gesundheits- und Sozialarbeit, da die Menschen aufgrund der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, des Krieges, der Armut und der Klimakrise immer häufiger krank werden.

Die Krise des Gesundheits- und Sozialbereichs ist Teil der allgemeinen Reproduktionskrise im Kapitalismus, die das Leben der Arbeiter*innenklasse bedroht. Sie trifft vor allem weibliche Beschäftigte, die schlecht oder gar nicht bezahlt sind und aufgrund der strukturellen Unterbesetzung in den Sektoren, in denen sie arbeiten, unter harten Arbeitsbedingungen leiden, die größtenteils auf kapitalistische Sparmaßnahmen und Privatisierung zurückzuführen sind.

Damit werden indirekt die Prioritäten in einer kapitalistischen Welt - Profit vor Menschen - und auch direkt die Widersprüche deutlich. Der Kapitalismus und seine Krisen erhöhen die Nachfrage nach Gesundheits- und Sozialarbeit, da die Menschen aufgrund der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, des Krieges, der Armut und der Klimakrise zunehmend krank werden. Sexismus, Rassismus, LGBTQ-Feindlichkeit und allgemeiner arbeitsbedingter Stress führen zu psychischen Gesundheitsproblemen und Gewalt. Gleichzeitig sind die Ressourcen für diesen Sektor durch steigende Arbeitsbelastung und Sparmaßnahmen begrenzt.

"Das Gesundheitswesen und die Beschäftigten des Gesundheitswesens stehen im Zentrum aller Krisen in unserer Gesellschaft - der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen. Eine echte Lösung für die Spitze des Eisbergs muss diese massiven Ungleichheiten an der Basis angehen. Deshalb bin ich Sozialistin und kämpfe für die Umgestaltung der Gesellschaft." - Marty, Krankenpflegerin aus Philadelphia/USA

Für ein kostenloses und hochwertiges öffentliches Sozial- und Gesundheitssystem für alle, bezahlt aus den Gewinnen der Großunternehmen

"Selbst an den (seltenen) Tagen, an denen wir in der Notaufnahme meines Krankenhauses die volle Anzahl an Pfleger*innen haben, reicht das nicht aus. Gestern warteten zu Beginn der Schicht sechs Patient*innen auf der Intensivstation auf ein Bett (und Pfleger*in) in der Abteilung. Dann kamen zwei Unfallpatient*innen vor 8 Uhr morgens. Am Tag zuvor trafen vier Leute mit Schussverletzungen zur gleichen Zeit ein - kurz nach einem anderen mit pädiatrischen Trauma. Wir haben keine Zeit, uns um all die anderen Patienten zu kümmern - geschweige denn, uns eine Minute Zeit zu nehmen, um unsere Gedanken zu sammeln und unsere eigenen Gefühle zu verarbeiten. Wie hat das Management die Krise bewältigt? Indem sie das Blatt für Pfleger*innen, die ihre Mittagspause nicht nutzen konnten, abgeschafft hat, um sich für diese unbezahlte halbe Stunde bezahlen zu lassen!" - Marty, Krankenpflegerin aus Philadelphia/USA

Die Krise des Gesundheits- und Sozialbereichs hat nicht mit Covid-19 begonnen. Während die meisten Menschen Gesundheit als ein Menschenrecht betrachten, ist dies in einem profitorientierten System eindeutig nicht der Fall. Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich müssen sowohl die physischen als auch die psychischen Wunden heilen, die das Leben im Kapitalismus verursacht hat. Sie kümmern sich um ältere Menschen und Kinder, helfen den Menschen der Arbeiter*innenklasse, sich von Pandemien, Verletzungen, Traumata usw. zu erholen, die uns das kapitalistische System zufügt.

Doch wie alles andere im Kapitalismus ist auch unsere Gesundheit eine Ware. In manchen Phasen der kapitalistischen Entwicklung wird sie als "lohnende" Investition angesehen, in anderen nicht. In der kapitalistischen Boomphase nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fehlte es zum Beispiel an ausreichenden Arbeitskräften. In vielen Ländern mussten die Kapitalist*innen unter dem Druck einer relativ starken und radikalen Arbeiter*innenbewegung und aus Angst vor der Existenz der stalinistischen Länder mit ihren Planwirtschaften, die trotz fehlender Demokratie und bürokratischer Misswirtschaft schneller wuchsen, den Forderungen der Arbeiter*innenklasse nachgeben und öffentliche Gesundheitssysteme und den Sozialstaat einführen. In der darauffolgenden Periode des Neoliberalismus wurde der ehemals öffentliche Gesundheitssektor jedoch für privates Kapital und Spekulationen geöffnet und die Profite über die Bedürfnisse gestellt. Anstatt eine öffentliche Dienstleistung zu erbringen, wurde das Gesundheitswesen zu einem Unternehmen, das mit schlanken Produktionsmethoden arbeitet.

Heute ist das Gesundheitswesen weltweit einer der größten und profitabelsten Sektoren. Etwa 10 % des weltweiten BIP sind mit dem Gesundheitswesen verbunden, und die damit verbundenen Branchen gehören zu den am schnellsten wachsenden und profitabelsten Unternehmen. Schätzungen zufolge werden die Einnahmen aus dem Gesundheitswesen im Jahr 2023 60,72 Milliarden US-Dollar erreichen, bei einer jährlichen Wachstumsrate von 10,95 %. Allein in den USA gibt es rund 800.000 private Gesundheitsunternehmen, von denen die McKesson Corporation mit einem Umsatz von 273,9 Milliarden Dollar im Jahr 2022 das weltweit größte ist.

Die Wirtschaftskrise von 2007/2008 hat die Situation noch beschleunigt. Krankenhäuser und andere Infrastrukturen wurden privatisiert, geschlossen oder starken Kürzungen unterworfen, um Geld für die Rettung der Banken und des Finanzsystems zu "sparen". Die Unterwerfung des Gesundheitswesens unter den Markt hat zu einem dramatischen Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte geführt, da Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen nur dann rentabel sind, wenn sie mit "optimierten" Arbeitskräften betrieben werden, unabhängig davon, ob sie formal privat oder staatlich betrieben werden.

"Derzeit ist es das erklärte Ziel, die Abhängigkeit meines Arbeitsplatzes und aller anderen öffentlichen Krankenhäuser von Vertragsbediensteten verschiedener privater Personalvermittlungsagenturen zu verringern, um die Zahl der regulären Mitarbeiter*innen zu erhöhen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Maßnahme zur Kosteneinsparung, da die von privaten Agenturen eingestellten Mitarbeiter*innen ein wesentlich höheres Gehalt beziehen. Nach mehr als zwei Monaten des Personalabbaus sind die Warteschlangen vor den Operationen länger geworden, was bedeutet, dass die Patienten länger warten müssen, und das verbleibende Personal muss mehr Überstunden leisten, um den Anforderungen gerecht zu werden. Fast jeden Tag müssen OP-Pfleger*innen und Anästhesist*innen Doppelschichten schieben, damit dringende Operationen und Krebsoperationen nicht verschoben werden. Diese Situation kann eine Weile andauern, aber viele sehen der Sommersaison mit mehr als nur ein bisschen Stress und Angst entgegen. Dann werden fast jeden Tag Doppelschichten nötig sein, was über 14 Stunden lange Arbeitstage bedeutet. Die chirurgische Abteilung, in der wir arbeiten, ist neu und sieht sehr schön aus, aber aus Kostengründen wurde die Belüftung nicht nach dem Standard gebaut, was bedeutet, dass an heißen Sommertagen die Luftfeuchtigkeit in den Operationssälen sehr hoch ist, was die Sterilität beeinträchtigt und das Risiko einer bakteriellen Kontamination für die zu operierenden Patienten erhöht. Die einzige Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, besteht darin, die Temperaturen in den Operationssälen zu erhöhen, um die Luftfeuchtigkeit zu senken. Das bedeutet, dass mehrstündige Operationen bei 24 Grad Celsius in sterilen Kitteln durchgeführt werden müssen - eine Aussicht, auf die sich niemand freut. Obwohl alle politischen Parteien behaupten, dass sie bei der Notfall- und Krebsversorgung keine Abstriche machen wollen, sieht die Realität ganz anders aus als ihre schönen Worte." Johan, Anästhesiepfleger am Karolinska Universitätskrankenhaus in Huddinge, Schweden.

Mehr Personal und Ressourcen! Für sichere Personalquoten, bessere Bedingungen, höhere Löhne und weniger Arbeitsstunden ohne Lohneinbußen

Mary, eine Krankenpflegerin in Kentucky, USA, berichtet, wie das Personal noch weiter gekürzt wird, obwohl es bereits zu wenig ist, um die Patienten angemessen zu behandeln: "Vor kurzem hat eine Krankenhauskette in meinem Bundesstaat 150 Mitarbeiter*innen entlassen. Eine Krankenpflegerin, mit der ich früher gearbeitet habe, war eine von ihnen. Sie und andere Krankenpflegerinnen wurden in die Personalabteilung begleitet, wo man ihr die Nachricht überbrachte und sie aufforderte zu gehen. Sie erhielten nicht mehr als eine mickrige Abfindung und eine Broschüre über den Umgang mit Trauer.“

In einer Welt voller wirtschaftlicher Probleme sticht der Gesundheitssektor mit seinen wachsenden Einnahmen und Gewinnen hervor. ISA und Rosa in Brasilien erklären: "Im April 2021 gab das Forbes-Magazin die Rangliste der Milliardäre bekannt, in der neun brasilianische Unternehmer aus dem Gesundheitssektor auftauchten.... - und das in der Zeit der schlimmsten Gesundheits- und Krankenhauskrise der Geschichte... Das Gesamtvermögen dieser Milliardäre, das 30 Milliarden Dollar übersteigt, ist skandalöserweise höher als das, was im selben Jahr in das öffentliche Gesundheitswesen investiert wurde. Die Beteiligung privater Unternehmen an der Gesundheitsversorgung hat immer mehr zugenommen und ist heute größer als die öffentlichen Ausgaben."

Die Gewinne, die private Unternehmen mit unserer Gesundheit machen, gehen direkt und indirekt zu Lasten der Arbeiter*innenklasse. Mit den Steuereinnahmen werden sowohl private als auch öffentliche Gesundheitssysteme finanziert. In den USA, wo die Rechten das Fehlen eines öffentlichen Gesundheitssystems immer noch als ein Element der "Freiheit" darstellen, stammen zwei Drittel des Geldes der Gesundheitsindustrie aus Steuern. In Deutschland und vielen anderen Ländern folgen die Krankenhäuser dem DRG-System (Diagnosis Related Groups), um die Kosten für jede Diagnose und jeden Patienten zu definieren. Dazu gehören das Bett, die Reinigungs- und Heizkosten für das Zimmer, das Essen, das Wasser für die Toilette und so weiter. Wenn die Kosten aus irgendeinem Grund steigen, weil der Patient mehr Zeit zur Heilung braucht, bedeutet diese durch das "Lean Management" auferlegte Einschränkung, dass das Krankenhaus einen Verlust macht.

Das bedeutet, dass viele Patienten zu früh nach Hause entlassen werden und oft erst zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen müssen. Der Mangel an Ressourcen in den öffentlichen Gesundheitssystemen - wo es sie (noch) gibt - zwingt die Menschen auch oft dazu, sich an den privaten Sektor zu wenden, um Hilfe zu erhalten. Wenn Patienten im immer noch relativ guten öffentlichen Gesundheitssystem in Österreich über sechs Monate auf eine Krebsuntersuchung warten müssen, werden sie sich eher dafür entscheiden, für eine private Untersuchung zu bezahlen, die innerhalb einer Woche verfügbar ist.

Das spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass viele Kämpfe der Beschäftigten im Gesundheitswesen nicht nur um eine bessere Bezahlung, sondern oft auch um die Schaffung von Bedingungen gehen, die es ihnen ermöglichen, ihre Arbeit tatsächlich zu tun. Der Mangel an Ressourcen ist nicht nur eine Belastung für die Beschäftigten, sondern auch ein Sicherheitsrisiko für die Patienten. Das österreichische Gesundheitspersonal muss regelmäßig "Gefährdungsmeldungen" über den katastrophalen Personal- und Ressourcenmangel einreichen. In der Berliner Charité, einem der größten und wichtigsten Krankenhäuser Europas, haben die Beschäftigten des Gesundheitswesens einen Protest nach dem anderen organisiert, einen Streik nach dem anderen.

Ein Angriff auf eine*n ist ein Angriff auf alle! Für einen vereinten Kampf der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich aus allen Bereichen und allen Berufen

Weltweit sind rund 60 Millionen Menschen im Gesundheitssektor beschäftigt. 70 % davon sind Frauen und viele haben einen Migrationshintergrund. Milliarden von ihnen, vor allem Frauen, kümmern sich tagtäglich um Kinder, ältere Menschen, Behinderte und Kranke, und das ohne Bezahlung. Nach Angaben von Oxfam hatte diese unbezahlte Arbeit im Jahr 2022 einen Wert von 10,8 Billionen Dollar pro Jahr. Die reaktionäre Backlash, die auf internationaler Ebene stattfindet, hängt auch mit dem Pflegenotstand zusammen. Wenn Xi Jinping, Bolsonaro, Tate, Trump oder Putin Abtreibungsrechte und die Kämpfe von Frauen und queeren Menschen angreifen, dann geschieht dies, um "traditionelle" Geschlechterrollen wieder zu betonen. Die "traditionelle" Familie ist notwendig, um die Löhne im Pflegesektor niedrig zu halten und die "Reproduktionskosten" gering zu halten. In der kapitalistischen Gesellschaft ist die Arbeitskraft selbst eine Ware, die produziert und reproduziert werden muss. Dazu gehört das Gebären potenzieller Arbeitskräfte, das Erziehen, Putzen, Lehren, Heilen, Ernähren und Pflegen der jetzigen und künftigen Generation.

Wenn all diese Arbeit aus "Liebe" oder wegen des "Versprechens einer Zukunft im Himmel" getan wird, ist der Anteil, den die Kapitalisten behalten, noch größer. Der emotionale Druck auf Angehörige, insbesondere Frauen, ihre Zeit, Energie und Gesundheit zu opfern, um sich um andere zu kümmern, ist enorm. Die Burnout-Rate bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen ist besonders hoch und liegt bei den jüngsten Mitarbeitern in den USA bei 69 %. Neben Sexismus ist Rassismus eine der Hauptwaffen der herrschenden Klassen. Viele Beschäftigte im Gesundheitswesen haben einen Migrationshintergrund. Die westeuropäischen Arbeitgeber profitieren von gut ausgebildetem Personal aus Osteuropa, was in Rumänien und anderen Ländern zu Engpässen führt. Die Bedingungen für diese Arbeiter*innen sind oft noch schlechter, da sie weniger gesetzliche Rechte haben, während die Gewerkschaften in Bezug auf Sexismus und Rassismus oft einen blinden Fleck haben. Der Kampf für volle und gleiche Rechte für alle Arbeiter*innen muss ein zentrales Element der Arbeit aller Gewerkschaften sein, um alle verschiedenen Aspekte der Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeitnehmerschaft aufzugreifen.

Eine Mitarbeiterin des Child and Adolescent Mental Health Service (CAMHS) im NHS in Nordirland berichtet: "Das Schwierigste an meiner Arbeit ist das Wissen, dass buchstäblich Hunderte von Kindern auf einer immer länger werdenden Warteliste auf Hilfe für ihre psychische Gesundheit warten. In meiner Rolle als Expertin bin ich machtlos, aber als Sozialistin und Gewerkschafterin bin ich es nicht. An manchen Tagen ist das das einzige, was mich aufrecht hält.“

Aber Covid war der Tropfen, der das Fass für die Beschäftigten im Gesundheitswesen zum Überlaufen brachte. Lange Zeit hielt das Gefühl der Verantwortung die Beschäftigten davon ab, zu protestieren, jetzt ist es genau dieses Gefühl, das zu massiven Protesten führt. Die Beschäftigten des Gesundheitswesens sind "von der Front in die Streikpostenkette" gewechselt, wie Rosa in Nordirland es formuliert hat. Studien zeigen, dass es im Jahr 2020 in den meisten Ländern Proteste von Beschäftigten im Gesundheitswesen gab. Dies hat nicht aufgehört. Im Januar erlebte Spanien eine "ansteckende Rebellion der Beschäftigten im Gesundheitswesen" mit unbefristeten Streiks in 5 von 17 Regionen und zweitägigen Streiks in drei anderen. Im Dezember 2022 besetzten die Ärzte das Gesundheitsministerium. Im Jahr 2022 dauerte ein Krankenhausstreik in Nordrhein-Westfalen, Deutschland, 11 Wochen. Streiks und Proteste von Ärzten und Krankenschwestern haben Simbabwe und Kenia, China, Argentinien und verschiedene Krankenhäuser in den USA erschüttert. Krankenwagenfahrer*innen streikten in Neufundland, Gesundheitspersonal in Nordirland und Krankenpfleger*innen in Britannien. 10 000 Beschäftigte des Gesundheitswesens im indischen Bundesstaat Jharkhand streikten Anfang dieses Jahres, und selbst in der Ukraine protestierte das Krankenhauspersonal unter Kriegsbedingungen. Die Regierungen versuchen, diese Kämpfe mit Streikverboten wie in Südafrika und strengeren Gesetzen wie in Britannien zu unterbinden.

Diese Bewegungen haben begonnen, einen internationalen Charakter zu entwickeln. Ärzt*innen im Sudan solidarisieren sich mit dem NHS-Streik in Britannien, Pflegekräfte aus großen Pflegeunternehmen wie Orpea, Fresenius oder Helios schließen sich zu Treffen zusammen und unterstützen sich gegenseitig in ihren Kämpfen.

Dies ist eine Revolte von unten. Manchmal sind die Gewerkschaftsführungen gezwungen, auf den Druck von unten zu reagieren, in anderen Fällen versuchen sie, die Proteste zu blockieren oder zu schwächen. Aber eine Lawine kann nicht aufgehalten werden, wenn sie einmal ins Rollen gekommen ist. Es mag Pausen geben, es mag sein, dass einige Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlassen, aber die Wut wird bleiben, solange die Notwendigkeit eines gut finanzierten Gesundheitssektors besteht. In einigen Fällen befinden sich diese neuen Strukturen innerhalb oder im Umfeld der bestehenden Gewerkschaften. Sie sind ein Versuch, demokratische Strukturen aufzubauen und die Gewerkschaftsführungen zu drängen, die notwendigen Aktionen zu organisieren. In anderen Fällen werden separate neue Gewerkschaftsstrukturen gebildet. Diese Entwicklungen sind zwar von Land zu Land unterschiedlich und hängen von der Geschichte und den Strukturen der Gewerkschaften ab, aber sie spiegeln den wütenden Aufstand einer erschöpften Belegschaft mit wachsendem Selbstbewusstsein wider, die verstanden hat, dass wir uns demokratisch organisieren und kämpfen müssen!

Für eine Gesellschaft, die auf der Gesundheit der Vielen und nicht auf den Profite der Wenigen aufbaut - eine sozialistische Alternative zur kapitalistischen Krise!

"Seit vielen Jahren gibt es in Schweden eine Krise im Gesundheitswesen mit immer längeren Wartezeiten für einen Termin, Personalmangel, erhöhtem Stress, abgesagten Operationen usw. Man kann bis zu zwei Tage in der Notaufnahme warten, bevor man in eine richtige Station aufgenommen wird. Diejenigen von uns, die im Gesundheitswesen arbeiten, wissen, dass die Krise auf einen Mangel an Ressourcen zurückzuführen ist, aber auch auf die Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung nicht entsprechend den Bedürfnissen von Personal und Patienten geplant wird. Die Unternehmen können riesige Gewinne machen, obwohl der Gesundheitssektor durch Steuern finanziert wird". - Katja, eine Krankenschwester in Stockholm/Schweden

Die Wahrheit ist, dass die Krise im Gesundheits- und Sozialbereich nicht nur auf die Brutalität des Kapitalismus hinweist, sondern ein Problem für das kapitalistische System selbst darstellt. Sie ist ein Symptom für ein krisengeschütteltes kapitalistisches System, das auf der Suche nach Profit alles zerstört, was ihm im Wege steht. Das System macht die Menschen krank, aber wenn sie einmal krank sind, hilft es ihnen nicht weiter. Untersuchungen zeigen, dass bis zur Hälfte der Weltbevölkerung irgendwann in ihrem Leben von psychischen Problemen betroffen ist. Bei den 15- bis 24-Jährigen ist Selbstmord die zweithäufigste Todesursache weltweit. Kranke Beschäftigte verursachen zusätzliche Kosten für das bereits erschöpfte Gesundheitssystem und sind eine Belastung für die Weltwirtschaft. Die direkten und indirekten Kosten psychischer Erkrankungen werden auf über 4 % des weltweiten BIP geschätzt. Doch der Kapitalismus kann diesen Teufelskreis nicht lösen. Stattdessen verlagert er die Last von einem Teil der Arbeiter*innenklasse auf einen anderen, und zwar zunehmend auf weibliche, migrantische, junge, unausgebildete, unterbezahlte oder unbezahlte Arbeiter*innen. Diese strukturellen Probleme weisen gleichzeitig auf ihre Lösung hin: Wenn die neu selbstbewussten Beschäftigten im Gesundheitswesen für mehr Personal und bessere Bezahlung kämpfen, stoßen sie schnell an die Grenzen des Systems. Die Wut wächst, wenn Geld für Waffen oder zur Unterstützung von Zombie-Unternehmen ausgegeben wird, aber nichts für die Pflege übrig bleibt. Die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, für die Menschen zu sorgen, die es ausbeuten muss, ist offensichtlich. Das bedeutet, dass ein breiterer Kampf notwendig ist, für eine demokratische sozialistische Gesellschaft, in der die Ressourcen genutzt werden, um die Bedürfnisse der Vielen zu befriedigen!

12. Mai: International Day of the Nurse

Es gibt alle möglichen "internationalen Tage der" - unter anderem ist der 12. Mai der "International Day oft the Nurse". In den USA ist der 6. Mai der "National Nurses Day". Das hat natürlich nicht viel zu bedeuten. Das Jahr 2021 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum "Jahr der Gesundheits- und Pflegeberufe" erklärt. Dass viele Menschen das nicht einmal wissen, zeigt, dass dies leere Worte sind. In vielen Ländern wird der 12. Mai genutzt, um verbale Anerkennung zu zollen - aber Pfleger*innen und Ärzt*innene, Reinigungskräfte und Helfer*innen, Sozialarbeiter*innen und andere Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich können nicht mit leeren Versprechungen arbeiten und leben. Während die Energie- und Pharmaunternehmen Rekordgewinne einfahren, können viele Pfleger*innen ihre Rechnungen nicht bezahlen.

Das sind die Gründe, warum Pflegekräfte in so vielen Ländern, von Kenia bis zu den USA, von Indien bis zur Ukraine, von Deutschland bis Myanmar, von Großbritannien bis Kanada, für mehr Mittel für den Gesundheitssektor, für Frauenrechte und für demokratische Rechte protestieren. Die Internationale Sozialistische Alternative (ISA) ist zusammen mit Rosa - Sozialistische Feminist*innen auf der ganzen Welt Teil dieses Kampfes. Unsere Mitglieder und Aktivisten sind Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich, Gewerkschaftsorganisatoren und Vertrauensleute und arbeiten in Solidaritätskomitees und Kampagnen. Wenn du dich dem Kampf anschließen willst, nimm Kontakt auf!

Wir kämpfen für:

  • Einen kostenlosen, qualitativ hochwertigen, öffentlichen Gesundheits- und Sozialbereich für alle;
     
  • Kein Profit im Gesundheits- und Sozialbereich! Nein zu Privatisierung und Profitgier des Großkapitals - Überführung aller Gesundheits-, Sozialfürsorge- und Pharmaunternehmen in öffentliches Eigentum;
     
  • Geld für das Gesundheitswesen, nicht für die Rüstung! Massive Investitionen in mehr Personal mit besserer Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen und weniger Arbeitsstunden, um eine sichere Personalausstattung und anständige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten;
     
  • Gemeinsamer Kampf der Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich aller Berufe, Geschlechter und Nationalitäten;
     
  • Ein sozialistisches System, das sich um das körperliche und geistige Wohlergehen der großen Mehrheit - der Arbeiter*innenklasse und der Jugendichen - kümmert und nicht um die Profite einer kleinen Elite.

 

Aktionen in Österreich:

Wien:

Kundgebung der Gewerkschaften: Freitag, 12. Mai / 10:00 / Sozial- und Gesundheitsministerium (Stubenring)

Kundgebung von ROSA und ISA:

Freitag, 12. Mai / 16-17.30 Uhr / Mariahilfer Straße Ecke Theobaldgasse

Linz: 

Kundgebung der Initiative Fair-Sorgen Österreich und das oö. Netzwerk „Mehr für CARE-Arbeit“

Donnerstag, 11.05. / 11:05 / Arbeiterkammer OÖ (Volksgarten)

Kundgebung von "Do It Yourself: Frauentag Linz"

Freitag, 12. Mai / 15-17 Uhr / Taubenmarkt

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KV-Strategie braucht dringend Änderungen!

Gerhard Ziegler

Die Lohnquote (= Anteil der Löhne und Gehälter am gesamten Volkseinkommen) sinkt kontinuierlich trotz steigender Beschäftigung. Ein Grund sind die schlechten KV-Abschlüsse, die zu Reallohnverlusten führen, während die Unternehmensgewinne explodieren.

Um diesen Trend nach unten zu stoppen, ist eine radikale Neuorientierung der Gewerkschaften notwendig. Die Vertretungen der Unternehmen sind und waren nie „Sozialpartner“, denn es gibt einen grundlegenden Gegensatz zwischen Kapital (= Unternehmen) und Arbeit (= uns Beschäftigten). Denn höhere Löhne und Gehälter, bessere Arbeitsbedingen und kürzere Arbeitszeiten schmälern immer die Gewinne der Unternehmen.

Zur Verteidigung unseres Lebensstandards brauchen wir einen offensiv geführten Arbeitskampf mit Streiks und Demonstrationen. Ziel dieser Streiks ist nicht, eine bessere Verhandlungsbasis für einen schließlich faulen Kompromiss (= Abschluss irgendwo zwischen Gewerkschaftsforderung und Unternehmerangebot) zu schaffen. Ziel dieser Streiks ist vielmehr, diese so umfassend und kampfkräftig zu führen, dass die Kapitalseite gezwungen werden kann, auch wider ihres Willens, unsere Forderungen möglichst vollständig zu akzeptieren.

Das erfordert eine Mobilisierungskampagne, die ein, zwei Monate vor den eigentlichen Verhandlungen beginnt, um möglichst alle Beschäftigten an der Basis in den Betrieben einzubinden. Und um eine schlagkräftige Bewegung aufzubauen, ist ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen aller Gewerkschaften und Branchen notwendig.

Gemeinsam verhandeln statt verteilt und schwächer

Warum verhandeln Metaller*innen, Handel und SWÖ (privater Gesundheits- und Sozialbereich) im November, die Eisenbahner*innen im Dezember, und etwa Elektro-  und chemische Industrie überhaupt erst im April? Diese Aufsplitterung schwächt die Beschäftigten und hilft der zögerlichen Strategie der Gewerkschaftsführung. Alle gemeinsam an einem Strang sind wir doch viel stärker!

Im Rahmen einer Kampagne mit Betriebsversammlungen, Betriebsrät*innen-Konferenzen und gewerkschaftlichen Aktionen müssen die Beschäftigten auch in die Erstellung der Forderungen einbezogen werden. Betriebsgruppen können dabei eine organisierende Rolle spielen.

Doch ein Problem bleibt. Die Teuerung findet kontinuierlich Monat für Monat statt. Der Ausgleich über die jährlichen KV-Abschlüsse erfolgt aber erst im Nachhinein nach 1 Jahr. So frisst die Teuerung jeden Monat einen Teil unseres Einkommens auf. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, ist die automatische Anpassung der Löhne und Gehälter an die Inflationsrate (gibt es z.B. in Belgien). Ein Verhandlungsergebnis muss schließlich von den betroffenen Beschäftigten selbst in einer Urabstimmung bestätigt werden.

Was kannst DU tun?

-> Fordere Deinen Betriebsrat auf, eine Betriebsversammlung zur Information und Mobilisierung der Kolleg*innen einzuberufen, bau eine Betriebsgruppe auf; so könnt Ihr gegenüber dem Betriebsrat mehr Druck ausüben.

-> Als Betriebsrat informiere und mobilisiere Deine Kolleg*innen in einer Betriebsversammlung und kontaktiere Betriebsräte anderer Betriebe, um Dich mit ihnen zu vernetzen.

-> Und kontaktiere uns, denn kämpferische Gewerkschafter*innen müssen zusammen arbeiten – frei nach einem Arbeiter*innen-Lied: „Eine Hand hat 5 Finger, einzeln kann man sie brechen, zusammen aber bilden sie eine Faust!“

 

INFO:

Die sogenannte Lohnquote, das ist  der Anteil der Löhne und Gehälter an der gesamten Wertschöpfung, sank von 75 % im Jahr 1994 auf 68 % im Jahr 2019. Davon war vor allem das unterste Viertel der Einkommensverteilung betroffen. Dieses hatte 2017 netto 16 % weniger Einkommen als das unterste Viertel 20 Jahre davor. (Aus Wikipedia: „Einkommensverteilung in Österreich“ Pkt. 2 „Entwicklung der Lohnquote“)

 

 

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Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Angriffe auf Streikrecht nehmen zu

Sonja Grusch

Am Valentinstag gaben sich die Beschäftigten der Privatkrankenanstalten nicht mit Blumen oder Klatschen zufrieden, sondern traten in einen Warnstreik, um ihre Forderung nach besserer Bezahlung zu unterstreichen. In den Medien wurde darauf hingewiesen, dass “die Arbeitgeber sich ans Bundeseinigungsamt gewendet haben”. Klingt harmlos, nach Mediation oder Streitschlichtung. Ist aber gefährlich und muss im Zusammenhang mit diversen Angriffen auf Arbeitsrechte gesehen werden. Just in dem Moment, wo Streiks als Kampfmittel zurückkommen, versuchen Unternehmen den Staat zum Eindämmen derselben zu nutzen.

In vielen Ländern versuchen Regierungen, das Recht zu streiken per Gesetz oder Verordnung einzuschränken. Die Argumentation ist stets dieselbe: Es müsse das “Gemeinwohl” geschützt werden. In den USA wurde mit dem Argument der “kritischen Infrastruktur” ein Streik bei der Bahn für bezahlte Krankenstandstage durch Biden und Kongress verboten. Den Beschäftigten wurde vom Kongress ein neuer Vertrag aufgezwungen, weiter ohne bezahlten Krankenstand. In Britannien plant die Regierung ein “Minimum Service Gesetz”, damit „öffentliche Dienstleistungen Basisfunktionen aufrechterhalten können“. Im Klartext: Streiks bei der Bahn und im Gesundheitswesen sollen verboten werden. In Neufundland wollte die Regierung mit ähnlichen Argumenten den Streik von Ambulanzfahrer*innen aushebeln. Im Juli 22 verbot die norwegische Regierung einen Streik der Ölarbeiter*innen. Diesmal diente die “Energiekrise” als Vorwand. Die selben Regierungen, die die öffentlichen Dienstleistungen ausbluten, kriminalisieren Beschäftigte, die sich gegen die Folgen wehren. 

Das Bundeseinigungsamt gehört zum Arbeitsministerium, dort herrscht Martin Kocher von der ÖVP, bekannt für Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten. Wer glaubt, dass eine “Schlichtung” zu Gunsten der Beschäftigten ausginge oder auch nur “objektiv” wäre, irrt gewaltig. Der Vorstoß beim Streik in den Privatkrankenanstalten kann rasch zum Versuch der Unternehmen werden, das Streik- und auch das Kollektivvertragsrecht auszuhebeln. Zugunsten der Interessen von Unternehmen drängt der Staat die Rechte von Beschäftigten zurück. Es beginnt mit solchen Testballons, gehen die durch, kommt mehr.  

Rechte verteidigen und weiter gehen

Dass die Gewerkschaftsführung wenig beunruhigt ist, liegt auch daran, dass sie - trotz gegenteiliger Erfahrungen - an einen gerechten, neutralen Staat glaubt. Immer wieder hofft sie, dass Behörden, Ministerien, Gerichte und Regierung “fair” und “gerecht” agieren würden. Es stimmt, dass Arbeiterkammer und Gewerkschaft immer wieder Verfahren für Beschäftigte gewinnen. Doch am großen Ganzen ändert das nichts, nämlich dass die Rechte von Beschäftigten ständig angegriffen werden und verteidigt werden müssen: Die 60-h-Woche, Prekarisierung auch im Öffentlichen Dienst und eine Regierung, die zur “Mäßigung” bei Lohnrunden auffordert. In Britannien haben die Gewerkschaften die aktuelle Streikwelle nach den Drohungen der Regierung nicht eingestellt, sondern um die Verteidigung des Streikrechtes erweitert.

In Österreich ist das Streikrecht aktuell weiter gehend als in manch anderen Ländern, Schritte in Richtung “Schlichtung” würden es einschränken, aber auch der Gewerkschaftsführung die Ausrede geben, noch weiter zu bremsen.  

Doch es gibt keine “Schlichtung” und kein Ergebnis in einem Arbeitskampf, das für beide Seiten gut ist. Es mag platt klingen, aber Firmen wollen, dass wir immer mehr arbeiten für immer weniger Geld, Beschäftigte brauchen eine Arbeitszeitverkürzung und mehr Geld. Wer sich durchsetzt, ist eine Frage der Stärke, nicht der Gesetze. Insofern müssen wir jeden Angriff auf unsere Rechte bekämpfen, dürfen uns aber von rechtlichen Beschränkungen nicht davon abhalten lassen, für unsere Rechte zu kämpfen!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Big Tech im Umbruch: Der wichtigste Wachstumsmotor des Kapitalismus stottert

Keishia Taylor und Eddie McCabe, ISA Irland

Foto: Socialist Party

Der Technologiesektor ist in Aufruhr - er steht vor seiner schlimmsten Krise seit dem Platzen der Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre. Die Aktienkurse schwanken heftig, die Gewinne schrumpfen, und Hunderttausende verlieren ihren Job. Tech-Unternehmen in den USA haben 2022 um 649% mehr Menschen entlassen und weltweit 161.411 Arbeitsplätze gestrichen. Für 2023 sieht es sogar noch schlimmer aus: 155.462 Entlassungen in den ersten drei Monaten.

Für die meisten Schlagzeilen sorgte die prekäre Situation der Twitter-Beschäftigten nach der 44-Milliarden-Dollar-Übernahme durch Elon Musk im Oktober 2022. Musk beschloss, den finanziell schlechten Deal durch eine Halbierung der Belegschaft - 3.700 Beschäftigte - wettzumachen und verlangte von den verbleibenden Beschäftigten, dass sie sich zu einem "knallharten" Arbeitsumfeld verpflichten. Viele weitere lehnten dies ab und verließen das Unternehmen aus eigenem Antrieb, sodass nur noch 30 % der Belegschaft übrig blieben. Aber auch andere große, bekannte Unternehmen haben einen ähnlichen Sparkurs eingeschlagen: Seit November hat Amazon 27.000 Stellen gestrichen, Meta hat 21.000 Stellen abgebaut, die Google-Muttergesellschaft Alphabet 12.000 und Microsoft 10.000. Tausende kleinerer Tech-Firmen haben ebenfalls Jobs gestrichen, und viele Start-ups sind pleite gegangen.

Die Big-Tech-Krise ist symptomatisch für die sich verschärfende Krise der kapitalistischen Wirtschaft insgesamt. Diese ist durch die Serie von Zusammenbrüchen von Banken in jüngster Zeit sehr deutlich geworden, vor allem durch jenen der Silicon Valley Bank (SVB), die laut der Zeitung "The Guardian" "für fast die Hälfte aller risikofinanzierten Tech-Startups zur Hausbank geworden war". Sowohl die Krisen im Tech-Sektor wie auch in der Finanzbranche werden durch die Politik der Zentralbanken auf der ganzen Welt weiter befeuert, da diese die Zinssätze als Reaktion auf die Inflationsspirale erhöhen. Die Inflation wiederum ist Produkt zahlreicher anderer Probleme der kapitalistischen Wirtschaft - von den Auswirkungen der Covid-Pandemie, einschließlich der Unterbrechung der Versorgungsketten, über die Verschärfung der imperialistischen Spannungen, insbesondere durch den Krieg in der Ukraine, bis hin zum Klimawandel, zu anämischem Wachstum und sinkender Rentabilität über Jahre hinweg.

Die Wahrheit ist, dass der Boom im Technologiesektor, insbesondere in den letzten anderthalb Jahrzehnten, durch niedrige Zinsen und die dadurch geförderte Spekulation künstlich aufgebläht wurde. Das Wachstum und sogar die Existenz vieler Technologieunternehmen beruhte auf diesem Zugang zu billigen Krediten, ohne dass aber echte Rentabilität erzielt wurde. Fällt das aber weg werden diese Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Position zu halten oder in einigen Fällen zu überleben. Der aktuelle Stellenabbau ist eine erste Erkenntnis dieser Tatsache.

Der rasante Aufstieg von Big Tech

Zweifellos ist diese Krise von großer Bedeutung, nicht nur für den Technologiesektor, sondern für das kapitalistische System als Ganzes. Der Marktwert der Tech-Branche beläuft sich auf rund 5,2 Billionen Dollar, was 5 % des weltweiten BIP entspricht. Von den zehn größten Unternehmen der Welt nach Marktkapitalisierung entfielen 2022  sieben auf Tech-Unternehmen: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, NVIDIA, Taiwan Semiconductor Manufacturing Co und Meta. Daraus werden acht, wenn man Tesla mit einbezieht, das in vielen Aspekten den Tech-Unternehmen ähnelt, einschließlich seiner Geschichte exponentieller Anstieg in der Bewertung, obwohl die Firma jedes Jahr Verluste meldete (und zwar bis 2020 - und dann machte es mehr Geld durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten an andere Autohersteller als durch den Verkauf seiner eigenen Elektroautos). Vor 20 Jahren waren nur zwei Technologieunternehmen, Microsoft und IBM, auf dieser Liste.

Sie gehören also nicht nur zu den größten Unternehmen der Welt, sondern ihr Aufstieg und das Wachstum der gesamten Branche waren dramatisch. Man bedenke, dass Amazon 1995 und Google 1998 gegründet wurden, Facebook erst 2004, Uber 2009 und Zoom 2011. Diese Unternehmen beherrschen heute ihre jeweiligen Märkte fast als Monopole.

Außerdem sind einige ihrer Gründer und CEOs bekannte Persönlichkeiten geworden, die in den letzten zehn Jahren die Liste der reichsten Menschen der Welt angeführt haben. Die Anhäufung ihres persönlichen Reichtums ist ebenso obszön wie atemberaubend. Im Jahr 2010 beliefen sich beispielsweise die Vermögen von Mark Zuckerberg (Meta) und Jeff Bezos (Amazon) auf 6,9 Mrd. bzw. 12,6 Mrd. US-Dollar; Am Höhepunkt im Jahr 2021 hatten sie 140 bzw. 200 Mrd. US-Dollar erreicht. Elon Musk wurde 2012 zum Milliardär, und bis 2021 wurde sein Vermögen auf 340 Milliarden Dollar geschätzt! Seit diesem aberwitzigen Höchststand, der mit dem Höhepunkt der weltweiten Pandemie zusammenfiel, sind ihre persönlichen Vermögen wieder deutlich gesunken, wobei Musks Nettovermögen im Februar 2023 auf 187 Milliarden Dollar geschätzt wird - damit ist er immer noch der reichste Mensch auf dem Planeten.

Diese Summen sind atemberaubend und noch vor wenigen Jahren fast unvorstellbar, aber ihr Auf-und-Ab (das Vermögen, das Musk im Jahr 2022 verlor, entsprach dem Bruttoinlandsprodukt von Ungarn, einem Land mit einer Bevölkerung von fast 10 Millionen Menschen) spiegeln die Unsicherheiten wider, die ihren Unternehmen zugrunde liegt.

Auf Sand gebaut

Der Technologiesektor war in den letzten Jahrzehnten, seit das Zeitalter des Internets die Kommunikation und zunehmend auch viele andere Aspekte unseres täglichen Lebens verändert hat, der dynamischste Sektor der kapitalistischen Wirtschaft. Innovation und technologische Durchbrüche sind ein Teil davon, aber ein weiterer wichtiger Faktor für das Wachstum des Technologiesektors ist die Finanzspekulation, die zu einem kontinuierlichen Zufluss von Geld führt, der wiederum die Aktienkurse in die Höhe treibt und so zu mehr Investitionen führt - und zwar weit über das hinaus, was die tatsächlichen Innovationen rechtfertigen würden. Der rasante Aufstieg und Fall der Kryptowährungen ist ein besonders krasses Beispiel für dieses Phänomen.

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Rückgänge bei der Rentabilität haben Investor*innen stark auf die Technologiebranche als einen Bereich gesetzt, von dem erwartet wurde, dass er weiterhin wachsen würde. In der Zeit nach dem Finanzcrash von 2008, als die Zentralbanken eine Politik der quantitativen Lockerung ("Quantitative Easing", d.h. die Erhöhung des Geldangebots) und der niedrigen Zinsen ("Low Credit", d.h. billige Kredite in großem Umfang) verfolgten, gingen Investoren*innen und Unternehmen auf Einkaufstour. Dazu gehörte auch die Verlagerung von Investitionen in Innovation und Produktion in dubiose Geschäftsfelder, um schnell reich zu werden. So hat beispielsweise Cisco, einst das weltweit führende Unternehmen im Bereich der digitalen Kommunikation, in den letzten zwei Jahrzehnten 152,3 Milliarden Dollar - 95 % seines Einkommens in diesem Zeitraum - für Aktienrückkäufe (buchstäblich den Kauf eigener Aktien) ausgegeben, um seinen Aktienkurs zu stützen. Es überrascht nicht, dass das Unternehmen dadurch hinter seine Konkurrenten zurückgefallen ist, insbesondere hinter chinesische 5G-Unternehmen, die tatsächlich in Forschung und Entwicklung investiert haben.

Weltweit hat praktisch jedes andere große Unternehmen, vor allem aber in der Technologiebranche, ähnliche Praktiken angewandt. Ein Ergebnis davon ist die breite Existenz von "Zombie-Unternehmen", deren Gewinne oder sogar Einnahmen ihre Schulden über einen längeren Zeitraum nicht decken können - d.h. sie müssten eigentlich in Konkurs gehen. Doch das Angebot an billigen Krediten hat diese Unternehmen über Wasser gehalten. Um es deutlich zu machen: 1990 galten 1,5 % der börsennotierten Unternehmen in den größten Volkswirtschaften der Welt als "Zombies", im Jahr 2020 waren es bereits 7 %.

Angesichts des Kurswechsels, den verschiedene Zentralbanken in der Geldpolitik vollzogen haben, die nun die Zinssätze erhöhen, sind diese Unternehmen nun offensichtlich massiv gefährdet. Das gilt auch für den gesamten Technologiesektor, der ja durch die Geldspritzen in Folge der Verfügbarkeit von billigem Geld - das nun nicht mehr verfügbar ist - massiv angekurbelt wurde. Die Auswirkungen sind bereits sichtbar, aber wie schlimm es wird, wenn es zu einer weltweiten Rezession kommt (und das wird es - ein Teil der Motivation hinter den Zinserhöhungen ist der Versuch, eine Rezession zu provozieren, um die Forderungen der Arbeiter*innen nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen zur Bekämpfung der Inflation zu unterlaufen) bleibt abzuwarten.

Die Arbeiter*innen, nicht die Bosse, sind die Leidtragenden

Wie bei jeder kapitalistischen Krise, unabhängig von ihren Ursachen, werden die Arbeiter*innen die Leidtragenden sein - wenn nicht durch Arbeitsplatzverluste, dann durch schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen, um die Rentabilität der Firmen zu erhöhen. Dabei spielt es keine Rolle, dass diese Unternehmen insgesamt Hunderte von Milliarden pro Jahr mit der Arbeit ihrer Arbeiter*innen verdienen, ohne die all die Finanzspritzen und billigen Kredite nicht viel bewirken würden. Wenn jedoch etwas schief läuft, wird die Rücksichtslosigkeit, die diese Unternehmen nach außen hin gegenüber ihren Konkurrenten an den Tag legen, nach innen gekehrt.

Ein Artikel in der Zeitung "New York Times" von Nadia Rawlinson, einer ehemaligen Personalchefin bei Slack, brachte es auf den Punkt: "Die Entlassungen sind Teil eines neuen Zeitalters des Bossismus, der Vorstellung, dass das Management zu viel Kontrolle abgegeben hat und diese von den Beschäftigten zurückerobern muss. Nach zwei Jahrzehnten des Kampfes um Talente nutzen die Chefs die aktuelle Periode, um sich für jahrelange Nachsicht des Managements zu revanchieren, die ihnen eine Generation von Beschäftigten beschert hat, die Ansprüche erheben."

Obwohl technische Berufe wie Softwareentwicklung und -design im Allgemeinen gut bezahlt und begehrt sind, werden sie dennoch wie alle anderen Arbeiter*innen ausgebeutet (sie tragen mehr zum Wert "ihrer" Unternehmen bei, als sie an Lohn oder Sozialleistungen erhalten). Schon vor dieser Krise war ein wichtiger Trend innerhalb von Tech-Unternehmen die Ersetzung direkt angestellter durch Leiharbeiter*innen mit weit weniger Rechten und schlechteren Bedingungen. Seit 2018 gibt es beispielsweise bei Google mehr Leiharbeiter*innen als direkt Beschäftigte.

Darüber hinaus ist ihre Arbeit oft mit hohem Druck und hohen Anforderungen verbunden, und viele berichten von Burnout und Erschöpfung, auch weil ihnen klar ist, dass ihre Arbeit nicht so sinnvoll ist, wie man ihnen weismachen will. Anstatt die Technologie zum Wohle der Gesellschaft einzusetzen, arbeiten sie in der Regel daran, andere Beschäftigte noch leichter ausbeuten zu können oder daran, Wege zu finden damit noch mehr Menschen mit Werbung überflutet werden und das ganze mit Praktiken der Datenerfassung, die an Massenüberwachung grenzen.

Wir müssen die Technologie aus dem System der Profitmacherei befreien

Während sich diese Tech-Unternehmen große Mühe geben, ein freundliches Image zu pflegen, könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. Im Jahr 2018 entfernte Google im Stillen sein berühmtes Motto "Don't Be Evil" aus seinem Verhaltenskodex, nachdem Tausende seiner Beschäftigten öffentlich die Entwicklung von Technologie für US-Militärprojekte durch Google verurteilt hatten. Große Tech-Unternehmen behaupten, führend bei der Umstellung auf grüne Energie zu sein, Emissionen zu reduzieren und neue Technologien zu entwickeln. Tatsächlich arbeiten Amazon, Google und Microsoft für Unternehmen wie Shell, BP, Chevron und ExxonMobil, um ihnen zu helfen, fossile Brennstoffe schneller, effizienter und profitabler zu entdecken und zu fördern - und das mit Milliarden von Dollar. Mit nur einem einzigen Vertrag mit ExxonMobil ermöglicht Microsoft den Ausstoß von zusätzlichen 3,4 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr - und macht damit sein "CO2-negativ" Ziel zunichte.

Eines der heimtückischsten Beispiele für die Auswirkungen von Big Tech findet sich in den sozialen Medien. Diese Plattformen bieten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Verbindung, der Kommunikation und um sich auszudrücken. Aber sie wurden entwickelt, um den Profit zu maximieren, insbesondere durch Werbung, und zwar ohne jede Rücksicht auf die menschlichen Kosten. Bei jeder Suche, bei jedem Klick und sogar bei jeder Pause beim Scrollen werden wir mit gezielter Werbung bombardiert, die in geradezu unheimlicher Art unsere Unsicherheiten ausnutzt und Bedürfnisse erzeugt, um unnötige Produkte zu verkaufen. Um die Werbeumsätze zu maximieren, sind diese Apps so konzipiert, dass die Nutzer*innen so lange wie möglich scrollen und sich die Werbung ansehen - das ganze funktioniert, indem sie unsere Dopamin-Belohnung Reaktion ausnutzen.

Die negativen Auswirkungen der sozialen Medien auf die psychische Gesundheit, insbesondere bei Jugendlichen, werden immer besser dokumentiert, ebenso wie die Algorithmen, die bewusst Essstörungen bei Jugendlichen fördern. Ebenso haben Algorithmen in den sozialen Medien nachweislich eine größere Reichweite für rechte und rechtsextreme Inhalte geschaffen.

All diese Werbe- und Überwachungsdaten haben den Bedarf an Speicher- und Verarbeitungseinrichtungen exponentiell ansteigen lassen. Das hat zum Ausbau von Rechenzentren geführt hat, von denen es weltweit Millionen gibt - wobei jede Einrichtung Tausende oder Zehntausende von Servern enthält und mehr Umweltressourcen verbraucht als ganze Länder. Rechenzentren sind inzwischen für fast 1 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Zum Vergleich: In der Luftfahrtindustrie sind es 2 %. Selbst nach erheblichen Effizienzverbesserungen sind Rechenzentren allein für etwa 1 % des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich (ohne Kryptowährungs-Mining) und könnten bis 2030 bis zu 30 % des irischen Energiebedarfs verbrauchen, was die einheimische Versorgung gefährden würde.

Die neuen Technologien bieten der Menschheit ein enormes Potenzial in Bezug auf Kommunikation, Organisation, Bildung und Kreativität, aber in einem kapitalistischen System, das auf Profit ausgerichtet ist, sind sie absolut zerstörerisch. Die gesamte Industrie könnte umgestaltet werden, wenn sie dem Griff des privaten Profits entrissen, in öffentliches Eigentum überführt und demokratisch von Arbeiter*innen und Nutzer*innen betrieben würde, wobei ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen in vollem Umfang berücksichtigt würden. Auf diese Weise könnte die Tech-Industrie frei von Werbung, der Verschwendung von Rechenzentren, den verheerenden Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und den Absprachen mit der ruinösen Industrie für fossile Brennstoffe gemacht werden. Sichere Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen wären gewährleistet. Das Internet und die sozialen Medien könnten wirklich freie und offene Ressourcen für alle sein, die demokratisch verwaltet werden, um die Menschheit zu fördern und den Planeten zu retten und nicht endlos zu schädigen.

Teuerung: Wo bleibt der Widerstand?

Martina Gergits

Ein Einkauf im Supermarkt und die Inflation ist stark spürbar, Preisexplosionen, kleinere Verpackungseinheiten, und das Geld am Konto schrumpft immer weiter. Der einmalige Anti- Teuerungsbonus der Regierung ist maximal ein Tropfen auf dem heißen Stein, und als beinahe einzige Maßnahme der Regierung unzureichend. Auch der angekündigte „Energiekostenausgleich“ versucht niedrig anzusetzen, kommt allerdings spät und lässt vor allem die „Übergewinne“ der Energiekonzerne unberührt. Im Gegenteil - man schüttet in selber Form auch einen Energiekostenausgleich im Gießkannenformat an Firmen aus, unabhängig von Profiten und ohne Auflagen; die Kosten tragen die Steuerzahler*innen. Viel effektiver, um vor allem Produkte des täglichen Bedarfs noch leistbar zu gestalten wäre eine Abschaffung der Mehrwertsteuer. In Spanien und Polen wurde diese zumindest teilweise ausgesetzt. Die Berichte über explodierende Miet”anpassungen”, mit Steigerungen bis zu 26%, häufen sich - hier wird indexiert, bei Löhnen und Gehältern aber nicht! Schottland, Frankreich und Spanien haben Mietzinsobergrenzen eingeführt (obwohl auch das viel zu kurz greift). Die SPÖ schlägt eine ähnliche Maßnahme vor, bleibt dabei aber unglaubwürdig, nachdem in Wien bereits die Mieten in Gemeindebauten erhört wurden.

Aber obwohl das Thema für die Bevölkerung brennend ist (in einer IFES Umfrage geben 86% an, dass ihnen das Thema Sorgen macht), bleiben die Proteste noch beschränkt. An groß angekündigten Demonstrationen der Gewerkschaften im September beteiligten sich weniger als 20.000 Menschen und an Mobilisierungen der außerparlamentarischen Linken gerade einmal wenige hunderte. Beide haben es nicht geschafft, glaubwürdig Vorschläge zu machen, WIE tatsächlich etwas gegen die Teuerung gemacht werden kann. Symbolik, Appelle und Phrasen reichen einfach nicht. Der stärkste Widerstand gegen die Teuerung waren die Kollektivvertragsverhandlungen. Aber die Gewerkschaftsführung hat die Wut nicht zu Widerstand gemacht, hat gebremst und verhindert, dass gemeinsam gekämpft wird und die vereinzelten Verhandlungen tatsächlich zu einer breiten Bewegung gegen die Teuerung werden. Umso wichtiger ist es, hier für einen Kurswechsel zu kämpfen.

Lohnverhandlungen als wichtiges Kampffeld

Die Lohnverhandlungen 2022 waren wahrscheinlich die konfliktreichsten seit 2003 - sogar Boulevardzeitungen titelten mit den Streiks. Die Kampfbereitschaft an der Basis trifft allerdings auf eine unwillige Gewerkschaftsführung, die sich verzweifelt an eine längst tote Sozialpartnerschaft klammert und Auseinandersetzungen unbedingt vermeiden will. Gute Beispiele dafür sind der private Sozialbereich und der Metallbereich: Die Basis war streikbereit, hat das in den letzten Jahren auch gezeigt. Diesmal wurde auf Streiks verzichtet und der Abschluss lag weit hinter dem Nötigen.

Außerdem fanden die Streiks bei Brauereien, Telekom, Ordensspitälern und der eindrucksvolle 24-Stunden-Bahnstreik unabhängig voneinander statt. Welche Kampfkraft hätten wir, wenn diese Kämpfe branchenübergreifend zusammengeführt werden, z.B. durch eine gemeinsame Forderung von 15% für alle. Wenn beispielsweise der Metallbereich nicht abgeschlossen hätte, ohne dass die Forderungen auch im Handel umgesetzt werden. Ein gemeinsamer Streik hätte die Kräfte gebündelt und gezeigt, wer die Gesellschaft wirklich am Laufen hält. Im Frühjahr stehen wieder Lohnverhandlungen (Elektro, Chemie, FSW) bevor. Und wo schon abgeschlossen wurde, stellt sich die Frage, wie der Kampf für bessere Löhne abseits der regulären Verhandlungen fortgesetzt werden kann. Die zentrale Lehre aus dem Herbst ‘22 muss sein: Wenn die Gewerkschaft nicht dazu bereit ist, gemeinsam zu kämpfen, müssen sich aktive Beschäftigte und kämpferische Betriebsrät*innen an der Basis vernetzen und Ansatzpunkte dafür schaffen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Bildungswesen am (aus)brennen

Lena G., Lehrerin

Die Zustände im Pflichtschulbereich sind verheerend. Mehrstufenklassen werden zerstört, Sonderpädagog*innen abgezogen und als Volksschullehrer*innen zwangsversetzt. Der Lehrkräftemangel muss aussuppliert werden, so dass viele Kolleg*innen weit über ihre Lehrverpflichtung unterrichten müssen. Hinzukommen viele nicht-pädagogische Arbeiten, die ebenso gut von einer Bürokraft übernommen werden könnten. (Jung)Lehrer*innen werden, angeblich aufgrund eines Administrationsengpasses, monatelang nicht bezahlt. Diese Zustände schaden, abgesehen von Lehrenden, der Entwicklung und Gesundheit der Schüler*innen.

In den Herbstferien entlud sich die Wut und Verzweiflung in einer Facebookgruppe für Lehrkräfte. Aus dieser Wut und mit der Initiative von wenigen Personen entwickelte sich politische Schlagkraft. So formte sich in Wien die Plattform “Schule brennt”. Seit den Herbstferien finden fast wöchentlich Treffen statt. Das klare Ziel aller: Ein Bildungsstreik. Zunächst nahmen noch Personalvertretungen an den Treffen teil - eigentlich ein gutes Zeichen. Doch bald wiederholten sie die Argumente der konservativen Gewerkschaftsführung von der "Illegalität" und “fehlender Streikbereitschaft” der Lehrenden. Das bestätigte die Erfahrung aller Anwesenden, dass auf die bestehenden Strukturen kein Verlass ist.

Neben “Erste Hilfe”-Maßnahmen werden bei “Schule brennt” auch systematische Fragen und Forderungen aufgeworfen und diskutiert. Zustimmung findet, dass innerhalb des kapitalistischen Systems kaum eine systematische Veränderung erzielt werden kann.

Vor circa einem Jahr entwickelte sich auch in Wien die Eltern-Initiative “Bessere Schule Jetzt”. Schon kurze Zeit nach Gründung von “Schule brennt” begannen die Grenzen zu “Bessere Schule Jetzt” zu verschwimmen. Ebenfalls komplett unabhängig entstand “Unterbau”- eine Initiative von prekären Uniangestellten. Es herrscht instinktive Solidarität zwischen den Initiativen - denn allen ist klar, dass das gesamte Bildungswesen umgewälzt werden muss, um die dringend notwendigen Verbesserungen zu erreichen. Jetzt gilt es, durch gemeinsame Aktionen und einen gemeinsamen Bildungsstreik bundesweit in die Offensive zu gehen.

Bildung streikt

Der Ruf nach einem Streik im Bildungsbereich ist laut. Angriffe von Regierung und Bremsen der Gewerkschaftsführung sind absehbar und können nur mit umfassender Vorbereitung abgewehrt werden.

Ein großer Angriffspunkt ist die Bildungs- sowie Aufsichtspflicht. Beides wird nicht durch Streik, sondern im Normalzustand verunmöglicht. Hier ist Unterstützung und Einbeziehung der Erziehungsberechtigten wichtig, um die Schlagkraft zu erhöhen: Erziehungsberechtigte, die ihren Betreuungspflichten nachkommen, können nicht zur Arbeit, wodurch auch ein Bildungsstreik wirtschaftliche Schlagkraft erlangt. Gefahr: Die Medien werden die Wut gegen den Bildungsbereich richten. Deshalb sind eine informierte, einbezogene und unterstützende Elternschaft sowie gemeinsame, demokratische Streikkomitees unumgänglich. Es droht der Vorwurf der Instrumentalisierung von Minderjährigen (beim Klimastreik war das kein Problem, der tut aber auch der Wirtschaft nichts) - dies kann nur abgewehrt werden, wenn Schüler*innen gleichberechtigter Teil des Kampfes sind und ihre Forderungen einbringen - letztlich geht es ja um ihre Bildung.

Nächste Gefahr: Die Gewerkschaftsführung. Sie sieht ihre Aufgabe in der Vermittlung zwischen Regierenden und Beschäftigten. Ein Streik ohne ihre offizielle Unterstützung ist möglich, aber schwierig. Die Bewegung braucht die Gewerkschaft, darf sich aber auch nicht von ihr bremsen lassen. Deswegen muss schon im Vorfeld permanent Druck auf sie ausgeübt werden. Basisstrukturen und Streikkomitees sind auch ein Ansatz, um die Gewerkschaft als Vertretung und Kampforganisation zurückzugewinnen.

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wer nicht richtig kämpft, hat schon verloren

Gerhard Ziegler

Die offizielle Teuerung betrug im Oktober in Österreich 11 % nach 10,6 % im September. Die bisherigen Lohnabschlüsse liegen klar darunter: Das bedeutet Reallohnverlust, auch wenn die Gewerkschaftsbürokratie die Abschlüsse als Erfolg verkaufen will. Die mageren Ergebnisse sind aber nicht auf mangelnde Kampfbereitschaft der Beschäftigten zurückzuführen. Dort, wo sich die Gewerkschaften gezwungen sahen zu mobilisieren (bei Betriebsversammlungen und Betriebsrätekonferenzen), gab es breite Teilnahme.

  • Beim Warnstreik am 23.11. in den Wiener Ordensspitälern beteiligten sich die Beschäftigten – großteils Frauen – zu fast 100 %! 
  • Die Gewerkschaften younion und GPA luden die Beschäftigten der öffentlichen und privaten Kindergärten und Horte in Oberösterreich zum gemeinsamen Streik-Workshop. Sie erwarteten 300 Teilnehmer*innen. Gekommen sind fast 600!
  • Der Bahnstreik am 28.11. war der längste seit 1965, solide und österreichweit.

Das Problem: keine bzw. defensive Strategie

Für die Gewerkschaftsführung sind Streiks kein Mittel, um einen Arbeitskampf zu  gewinnen, sondern „das äußerst letzte Mittel“, um die Gegenseite an den Verhandlungstisch zu bringen. Um einen Arbeitskampf, den sie wie der Teufel das Weihwasser fürchten, zu vermeiden, sind sie immer wieder bereit, die Forderungen runterzuschrauben, Streiks hinauszuschieben und faule Kompromisse zu schließen.

Wir haben schon im September (“Heißer Herbst heißt kämpfen auf betrieblicher und politischer Ebene“) festgestellt, dass die massive Teuerung endlich ein Ende der traditionellen Sozialpartner-Rituale nötig macht. Eine kämpferische Ausrichtung auf Streiks müsste über Einbindung und Mobilisierung der Basis in den Betrieben rechtzeitig vorbereitet werden. Warum wurde nicht für das Forderungsprogramm der Wiener SWÖ-Betriebsrätekonferenz gekämpft? Warum haben Metaller*innen und Beschäftigte im Sozialbereich nicht gemeinsam gekämpft, sondern jeder für sich alleine? Warum hat die Vida den Bahnstreik nicht mit Massendemonstrationen verbunden? Die Bündelung der Kräfte und gemeinsames Vorgehen (auch bei den Forderungen und beim Verhandeln) würde das Kräfteverhältnis zu Gunsten der Kämpfenden verändern und deren Selbstbewusstsein heben. Eine solche umfassende Streikbewegung würde die  Möglichkeit bieten, „utopisch“ anmutende Forderungen, die jedoch für die Verteidigung und Verbesserung des Lebensstandards der Arbeitenden notwendig sind, gegen den Willen der Unternehmer*innenklasse durchzusetzen. Zu guter Letzt sollte jedes Verhandlungsergebnis den Streikenden zur Urabstimmung vorgelegt werden. Sie müssen entscheiden, ob sie mit dem Ergebnis leben können oder weiterkämpfen.

Aktive Basis = Bessere Abschlüsse

Auffällig ist, dass bisher im SWÖ (obwohl trotzdem ungenügend) höher als im Metallbereich abgeschlossen  wurde. Dort ist es rund um linke Betriebsräte und die Basisinitiative „Sozial aber nicht blöd“ (SANB), die von Aktivist*innen der ISA zusammen mit anderen aufgebaut wurde, gelungen, Druck von unten zu erzeugen (Intervention auf der Betriebsrät*innen-Konferenz, Abhaltung öffentlicher Betriebsversammlungen und eine Demonstration im November mit mehr als 3.000 Teilnehmer*innen). Leider blieben diese Mobilisierungen auf Wien beschränkt. Offensichtlich sind durch Corona und die lange Ruhe in diesem Bereich (die letzten KV-Verhandlungen liegen 3 Jahre zurück) die kämpferischen Strukturen in den Bundesländern eingeschlafen und der desaströse Abschluss vor 3 Jahren hat viele demoralisiert. Vor diesem Hintergrund konnte die Gewerkschaftsbürokratie dem Druck der Basis vor allem aus Wien standhalten und neuerlich einen faulen Kompromiss schließen. Aber die Unzufriedenheit mit dem Abschluss ist groß. 13 Mitglieder im Verhandlungskomitee stimmten gegen dessen Annahme.

Zu Redaktionsschluss stehen noch in anderen Bereichen (Warn-)Streiks an. Trotz Streikbereitschaft der Beschäftigten werden wir auch hier Abschlüsse unter der laufenden Inflation durch die Gewerkschaftsführer sehen. Viele werden darüber zu Recht wütend sein. Wir laden alle, der/die mit uns für eine andere Gewerkschaft, eine demokratische und kämpferische, kämpfen wollen dazu ein, mit uns Kontakt aufzunehmen. 

 

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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