Betrieb und Gewerkschaft

Wie die Gewerkschaft aus der Krise kommt

Sonja Grusch

Am Samstag, dem 17.9. nahmen rund 120.000 Menschen in Graz am "Aufsteirern" teil, einer Art ländlichem Volksfest. Am selben Tag nahmen in ganz Österreich an Demonstrationen der Gewerkschaft gegen die Teuerung rund 30.000 teil. Das zeigt tiefe - und gefährliche - Probleme in der Gewerkschaftsbewegung.

3 Ursachen

Die Gewerkschaftsführung redet es sich schön bzw. aufs (miese) Wetter aus. Tatsächlich hat 1) kaum Mobilisierung stattgefunden: Wir als ISA und Rosa haben wohl mehr Straßenaktionen für die Demo gemacht als der gesamte ÖGB. Das ist Ausdruck eines bürokratischen Apparates, für den die Mitglieder keine Mitstreiter*innen, sondern abrufbare Zahler*innen sind. 2) hat das Thema Löhne weitgehend gefehlt. Gerade beginnen die Herbstlohnrunden. Warum wurde die Demo nicht als Startpunkt für + 10% und mindestens 2.000.- netto genommen? Und 3) drückt sich hier die Entfremdung v.a. junger Beschäftigter mit einer Gewerkschaft aus, die sie - zu Recht - nicht als Kampforganisation wahrnehmen. Hier rächen sich Jahrzehnte der de-mobilisierenden “Sozialpartnerschaft” und des staatstragenden Agierens der Führung. 

2 Gefahren

Die Krise der Gewerkschaft ist hausgemacht, aber kein Grund für Freude. Eine starke Organisation der Arbeiter*innenklasse ist gerade in Zeiten der aufkommenden Wirtschaftskrise und Rekordteuerung eigentlich dringend nötig. Lässt die Gewerkschaft hier aus oder hofft auf ein Wunder in Form der SPÖ (das, wie das mit Wundern so ist, eben nicht kommen wird), dann füllen andere politische Kräfte das Vakuum. In diesem Fall versuchen FPÖ und andere am rechten Rand auf Teuerung mit rechtem Populismus zu antworten. Die zweite Gefahr ist, dass Regierung und Unternehmen klar ist: Vor so einer schwachen Gewerkschaft braucht man sich nicht zu fürchten. Sie werden daher mit vollem Selbstbewusstsein weiter Mieten und Preise erhöhen, den Arbeitsdruck erhöhen und sie fürchten sich bei den KV-Runden nicht vor diesem Papiertiger. Es kann gut sein, dass sie dabei auf unerwarteten Widerstand stoßen durch verzweifelte Kolleg*innen, deren Angst und Wut explodiert und zu spontanen Kämpfen führt. Dass die Gewerkschaftsführung diese positiv aufgreift und aktiv unterstützt ist - so zeigt es die Erfahrung - unwahrscheinlich.

1 Lösung

Was nicht getan werden darf, ist die Probleme leugnen, die Schuld auf die “faule” Mitgliedschaft zu schieben oder den ÖGB “rechts” liegen zu lassen. Nötig ist eine Schubumkehr mit Turbo. Die pro-ge Forderung von 10,6% ist unerwartet hoch (wenn sie wirklich umgesetzt wird). Eine Inszenierung wie sonst können wir uns nicht mehr leisten. Auf die Gewerkschaftsführung ist kein Verlass, dass sie die Lektion vom 17.9. verstanden hat. Organisierung in den Betrieben ist nötig, z.B. im Sozial- und Gesundheitsbereich (siehe Artikel S. 7) und eine Kampfstrategie für einen echten heißen Herbst (siehe S. 8). Dazu müssen wir - Achtung! böses Wort - die Gewerkschaftsführung von unten, durch die Mitglieder und Aktivist*innen ZWINGEN und letztlich auch durch kämpferischere Kolleg*innen ersetzen. Gewerkschaftlicher Orientierungspunkt dürfen nicht Regierung, Sachzwänge, Staatsinteresse oder Sozialpartnerschaft sein, sondern einzig was die Mitgliedschaft wirklich braucht. Wir müssen die ganze träge, brave Gewerkschaft umkrempeln und zu einer Kampforganisation machen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Bosse sollen schwitzen, nicht wir!

Jan Millonig

Die zentrale Aussage auf der Teuerungskonferenz des ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) im Juni war: „Jetzt muss die Regierung handeln!“ Als Maßnahmen gegen die Teuerung Preiskontrollen, Steuersenkungen und Unterstützungszahlungen von der Regierung zu fordern, ist nicht falsch, aber über Löhne und die kommende Herbstlohnrunde wurde wenig geredet. Die eigene Umfrage zeichnet ein anderes Bild: Gleich nach „Preisdeckel für Strom/Gas“ sehen 84 % der Befragten höhere Löhne als wirksamstes Mittel gegen die Teuerung, erst danach kommen Forderungen nach Steuersenkungen usw.

Das Traurige ist aber, dass der ÖGB weder für das eine, noch für das andere einen Plan hat, das durchzusetzen. Nach jeder unbefriedigenden Regierungsmaßnahme (Pflege-Reform, Anti-Teuerungspaket usw.) kommen zwar empörte Presseaussendungen, aber wirklich Druck für mehr wird nicht gemacht.

Uns Mitgliedern ist nicht bekannt, was in der Herbstlohnrunde von Seiten der Gewerkschaften geplant ist. Diskussionen über Lohnforderungen oder die Vorbereitung einer Kampfstrategie können wir nur vermuten; wenn, dann finden sie hinter verschlossenen Türen statt. Sogar die belgischen Gewerkschaften, die nicht unbedingt so viel kämpferischer sind als unsere, haben schon vor Wochen einen Generalstreik im Herbst angekündigt...

An Inflation und Krisen sind nicht wir schuld!

Denn was wir sicher wissen ist, dass im Herbst die Inflation auf einem Rekordhoch sein wird und wir uns vor einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise befinden. Corona hat uns alle überrascht, aber das, was hier auf uns zukommt, kündigt sich schreiend an. Schon jetzt steigt die Armut und uns allen fliegen die Stromrechnungen um die Ohren, wenn wir den Briefkasten aufmachen. Darauf brauchen die Menschen JETZT eine Antwort. Die Gewerkschaften müssen einen Aktionsplan präsentieren, wie sie dagegen kämpfen wollen.

Denn schenken werden uns weder Bosse noch Regierung was. Die Kapitalist*innen werden mit „Lohn-Preis-Spirale“ und anderen Märchen argumentieren und die Bundesregierung verziert ihre Untätigkeit mit Maßnahmen, die wir großteils selbst bezahlen.

Seit 1945 agieren die Gewerkschaften nach der Logik „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ (sprich: wenn das nicht so ist, sollen wir Opfer bringen) - das ist nach wie vor so. Darum fehlen ihnen jetzt auch Konzepte und Strategien, um gegen die Teuerung zu kämpfen.

Das drückt sich auch in der „Benya-Formel“ (benannt nach dem ehemaligen ÖGB-Vorsitzenden) aus - sinngemäß: „Wenn die Wirtschaftsleistung steigt, fordern wir mehr, in der Krise weniger.“

Das heißt aber, dass Gewerkschaften, die nicht mit der Logik des Kapitalismus brechen, gerade in Krisenzeiten als Mitverwalterinnen des Systems agieren. Sie versuchen, bestmöglich mit Staat und Unternehmen zusammenzuarbeiten, in der Hoffnung, dass dadurch ein paar Brotkrumen für sie und ihre Mitgliedschaft abfallen. Das ist die ganze Idee der “Sozialpartnerschaft”.

Tatsächlich bekommen aber so die Interessen des Kapitals immer Vorrang und die Beschäftigten werden vertröstet. Gleichzeitig ist diese Strategie eine Sackgasse, die nur zu immer weiteren Verschlechterungen führt. Denn an der Wirtschaftskrise sind nicht zu hohe Löhne schuld, sondern die inneren Widersprüche des kapitalistischen Systems, wie Überproduktion, Konkurrenz und der Zwang, die Profite immer weiter zu steigern.

Das Problem in der aktuellen Krise ist ja buchstäblich, dass zu viel Geld da ist. Es wurden ungeheure Summen an billigem Geld in die Wirtschaft gepumpt. Doch das löste das Problem der schwindenden profitablen Geschäftsmöglichkeiten nicht.

Viele Unternehmen machen gerade massive Gewinne, die die arbeitende Bevölkerung u.a. mit der Teuerung bezahlt. So erzeugt die Inflation eine massive Umverteilung von unten nach oben.

Wir brauchen höhere Löhne!

Es kann nicht sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung leidet, während ein paar Reiche immer reicher werden. Die Maßnahmen der Regierung reichen nicht. Die Leute haben einfach kein Geld mehr. Deshalb braucht es jetzt den Kampf um kräftige Lohnerhöhungen ohne Rücksichtnahme auf die Ausreden der Wirtschaft.

Die Gewerkschaften müssen bedingungslos nur für die Interessen der Arbeiter*innenklasse kämpfen. Dafür müssen sie aber unabhängig von Staat und Kapital werden.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wie hältst du´s mit der Gewerkschaft?

Special zu den SWÖ-Verhandlungen Teil 3
Theresa Reimer, Caritas-Beschäftigte

Im Rahmen der Verhandlungen beschäftigen wir uns in jeder Ausgabe mit Vorschlägen, um die Situation der 250.000 Kolleg*innen in privater Pflege und Sozialeinrichtungen zu verbessern.

 

Fast drei Jahre sind seit Beginn der Pandemie vergangen, die die Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich nochmal enorm verschlechtert haben.

Verbesserungen sind dringend nötig, trotzdem blieben die Abschlüsse der letzten Jahre oft deutlich hinter dem Nötigen und hinter besser organisierten Bereichen (z.B Metaller*innen) zurück - das liegt auch an der Rolle der Gewerkschaften. Die niedrigen Mitgliederzahlen bei der Gewerkschaft und schlechte Abschlüsse im Sozialbereich spiegeln jedoch keinesfalls die Kampfbereitschaft wider. Getragen von vielen weiblichen, migrantischen und jungen Kolleg*innen und kämpferischen Betriebsrät*innen haben die letzten Jahre rund um den SWÖ-KV die dynamischsten Klassenkämpfe in Österreich stattgefunden.

Die Spitze dieser Kämpfe war bei den KV-Verhandlungen 2019 rund um die Forderung für eine 35-Stunden-Woche. Nach intensiven Auseinandersetzungen mit Streiks und Organisierung an der Basis beschloss die Gewerkschaft einen faulen Deal mit den Arbeitgeber*innen. Ein 3-Jahresabschluss, der eine Arbeitszeitverkürzung um nur eine Stunde beinhaltete und eine lächerlich niedrige Lohnerhöhung vorsah. Im Zuge der beginnenden Pandemie versuchte die Gewerkschaft, dies als einen Erfolg zu verkaufen. Für uns Beschäftigte bedeutete dieser Abschluss blanken Hohn gegenüber dem, was notwendig gewesen wäre. Aber er zeigt den widersprüchlichen Charakter der Gewerkschaften: Einerseits Massenorganisationen für Beschäftigte, andererseits hat die Spitze vor allem ein Interesse an Stabilität und versucht, die Basis zu bremsen.

Ein Fuß drinnen, einer draußen

Trotzdem ist die Gewerkschaftsspitze von den Mitgliedern abhängig und kann von unten unter Druck gesetzt werden - aber der muss organisiert werden. Mit “Sozial aber nicht blöd” (SANB) sind wir als ISA-Mitglieder seit Jahren Teil einer Initiative, die selbstständig Kundgebungen und kämpferische Blöcke auf Demos organisiert, aber auch mit Petitionen, die Gewerkschaften zu einem entschlossenen Kampf auffordern. Gleichzeitig lassen wir uns von der Untätigkeit der Gewerkschaftsspitze nicht bremsen und versuchen wenn möglich und nötig, eigenständige Kämpfe zu organisieren - z.B. spielten SANB und andere eine wichtige Rolle beim wilden Streik (d.h. ohne Gewerkschaftsunterstützung) gegen die Schließung des Wohnungslosenquartiers “Gudi”.

Der beständige Druck und die Organisierung von Kolleg*innen haben die Gewerkschaft bereits zum Handeln gezwungen, den Einfluss der Basis erhöht und sind dadurch ein erster Schritt bei der Rückeroberung der Gewerkschaftsbewegung von unten. So fanden Demos schon vor dem Start der diesjährigen Verhandlungen statt und es ist bereits absehbar, dass auch bei diesen Verhandlungen gestreikt werden wird. Bei einer Wiener Betriebsrät*innenkonferenz wurden die Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche und 750 Euro mehr Gehalt pro Monat ab 2023 aufgestellt. Diese Forderungen zeigen die Bedürfnisse und die Kampfbereitschaft der Basis. Sie sind dringend notwendig, um einen Teufelskreis aus schlechteren Arbeitsbedingungen und Personalabwanderung zu durchbrechen. Aber dafür brauchen wir eine Ausweitung und Demokratisierung gewerkschaftlicher Tätigkeit inklusive des Arbeitskampfes, die wir innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften durchsetzen müssen. Teil davon muss auch eine Urabstimmung über das Ergebnis sein - denn es sind unsere Arbeitsbedingungen, unser Arbeitskampf und unsere Gewerkschaften.

Daten und Fakten

Innerhalb des SWÖ (Sozialwirtschaft Österreich) arbeiten 120 000 Beschäftigte im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich. Träger mit eigenen Kollektivverträgen (Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz) sind an den SWÖ angeschlossen. Die zuständigen Gewerkschaften sind GPA-djp und vida. 2018, 2019, 2020 gab es Streiks mit der zentralen Forderung für eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Der Abschluss blieb weit dahinter zurück.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Nach dem 17.9.: Reinen Tisch machen statt Schönreden!

Die Gewerkschaft ist zunehmend in einer Krise - nur wer die Ursachen ehrlich bilanziert kann eine Lösung finden
Sonja Grusch

Am Samstag, den 17.9. nahmen rund 120.000 Menschen in Graz am "Aufsteirern" teil, einer Art ländliches Volksfest. Am selben Tag nahmen in ganz Österreich an Demonstrationen der Gewerkschaft gegen die Teuerung laut ÖGB-Angaben rund 30.000 teil (die reale Teilnehmer*innenzahl dürfte, laut einigen Zählungen, deutlich darunter liegen). Bei der kurzfristig einberufenen Demonstration gegen den 12-Stunden-Tag 2018 waren es über 100.000. Im März demonstrierten in Wien allein 8.000 Elementarpädagog*innen, bei der Demonstration am 17.9. zog ein trauriger Zug von je nach Zählung 5-7.000 die Prinz-Eugen-Straße hinunter. Ohne die Mobilisierung diverser linker Organisationen sowie des SPÖ-Pensionist*innenverbandes wäre die Bilanz überall noch düsterer gewesen. Der Vergleich macht sicher: die Gewerkschaft hat ein massives Mobilisierungsproblem. Wer das schönredet, wie das die Gewerkschaft zumindest extern tut (“Ein toller Auftakt” fantasiert die offizielle ÖGB-Aussendung) oder die Probleme ignoriert und verschweigt verschließt die Augen. Zumindest intern aber gibt es hitzige Debatten über Ursachen und Auswege.

Die unmittelbaren Ursachen

Die Gewerkschaftsführung redet es sich schön bzw. aufs (miese) Wetter aus. Auch zu hören ist die altbekannte Mitgliederbeschimpfung “die wollen halt einfach nicht” oder die Ausrede “bei KV-Verhandlungen wird das anders sein”. Beides geht am Problem vorbei. Denn dass das Thema “Teuerung” ein absolut brennendes Thema ist, ist klar. Klar ist aber leider auch, dass die Gewerkschaft bzw. ihre aktuelle Methode nicht als Instrument gesehen wird, daran etwas zu ändern!

Die unmittelbaren Ursachen für die schwache Teilnahme sind relativ leicht auszumachen.

Da ist einmal die politische Schwäche der Demo: Der Aufruf war schwammig, die Forderungen begrenzt und das Thema Preise wurde bewusst vom Thema Löhne getrennt. Vor allem aber gab es keinerlei Vorstellung davon, was die nächsten Schritte sein könnten, um die Forderungen durchzusetzen. 3 Monate nach der “Teuerungskonferenz” die schon mehr als zahnlos war - 3 Monate in denen die Inflation weiter angezogen hat - 3 Monate in denen die Maßnahmen der Regierung viel zu wenig waren: und die Gewerkschaft schafft nicht mehr als “Preise runter” zu sagen: das hat keine mobilisierende Wirkung.

Die Planlosigkeit war auch bei der Demonstration offensichtlich, als der Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend sagte "Schritt 1 auf die Straße gehen und Schritt 2 merken für die nächste Wahl". Anstatt eine Kampfstrategie zu entwickeln, versucht die Führung der Gewerkschaft die Hoffnung auf eine Wahl der SPÖ umzumünzen. Einer SPÖ, die in Wien deutlich zeigt, dass sie genauso verantwortlich ist für die steigenden Lebenshaltungskosten (Stichwort: Wien Energie erhöht die Tarife um über 90%!) ist. Das Thema “Löhne rauf” wurde von der ÖGB-Führung weitgehend ausgespart. Und das obwohl gerade die Herbstlohnrunde beginnt. Zwar hat Katzian in seiner Rede auf die Forderung für einen Mindest-KV von 2.000 brutto hingewiesen, aber hat auch hier jede Idee WIE das zu erreichen sein soll vermissen lassen. 

Sichtbar war, dass manche Fachgewerkschaften diese einseitige Orientierung auf Preise nicht mitgetragen haben. So hat die Vida extra Buttons und Taferln für die Demonstration produziert, die Preise runter UND Löhne rauf forderten. Und 2 Tage danach hat die Gewerkschaft pro-ge die Forderungen für die Metallindustrie übergeben: + 10,6%. Am selben Tag hat auch der private Sozialbereich (SWÖ) die Verhandlungen eingeleitet, demnächst folgt der Handel. und die Vida führt “Sonderverhandlungen” angesichts der Teuerung, also ein Vorziehen der jährlichen KV-Verhandlungen und fordert ein Plus von 500.-. Was aber fehlt, ist eine einheitliche Strategie, ein Zusammenführen der Forderungen, der Mobilisierung, der Planung und der Durchführung nicht nur der Verhandlungen, sondern auch von Arbeitskämpfen bis hin zu Streiks. Warum also wurden die Demonstrationen nicht als Startpunkt für + 10% für alle und mindestens 2.000.- netto genommen? 

Ein weiteres Problem waren die fehlende Mobilisierungen: die bürgerlichen Medien haben die Demo weitgehend totgeschwiegen oder versucht durch Hetzartikel zu schwächen - aber damit muss man rechnen. Was dramatisch ist, ist, dass es kaum eine Mobilisierungskampagne der Gewerkschaft gab. Als ISA und ROSA haben wir wahrscheinlich öfter auf der Straße für die Demo mobilisiert als der ÖGB mit 1,2 Millionen Mitgliedern, die AK mit noch mehr und beide mit tausenden Hauptamtlichen. Aber es gab auch keine Plakatkampagne oder eine Hilfestellung wie Betriebsrät*innen ihre Kolleg*innen davon überzeugen können, sich an der Demo zu beteiligen. Die Mitglieder wurden nicht per Brief eingeladen, es gab keinen Versuch, direkt zu mobilisieren. Ganz zu schweigen von der Einbindung von Betriebsräten und Aktivist*innen. Eine Mobilisierungsstrategie mit Betriebsversammlungen wo Forderungen diskutiert werden, mit öffentlichen Betriebsrät*innenkonferenzen und betrieblichen Mobilisierungsaktionen hätte zu einer machtvollen Demonstration geführt, nicht diesem “Rohrkrepierer”. Das all das gefehlt hat ist Ausdruck eines bürokratischen Apparates für den die Mitglieder keine Mitstreiter*innen sondern abrufbare Zahler*innen sind. Diese Abrufbarkeit aber wird immer geringer - sie sinkt mit der Verankerung der Gewerkschaft in der Arbeiter*innenklasse. Und diese nimmt ab - nicht weil Gewerkschaften nicht mehr wichtig wären (im Gegenteil!) sondern weil sie nicht als hilfreich zur Umsetzung von Rechten gesehen werden. Vor allem die kämpferischten Schichten der letzten Jahre (Pflege, Elementarpädagogik, Sozialbereich) konnten nicht wirklich zur Demo mobilisiert werden. Und das obwohl ihre Proteste in den letzten 2 Jahren zu den größten gewerkschaftlichen/betrieblichen Mobilisierungen gehörten. Das der Pensionist*innenverband mehr mobilisierte als die Gewerkschaftsjugend spricht Bände! Tatsächlich sind die Kolleg*innen absolut bereit, für ihre Rechte auf die Straße zu gehen oder sogar zu streiken: Die Pflegedemonstration zum 12.5. (trotz großer Schwächen) bzw. die Proteste der Elementarpädagog*innen waren mit 10.000 bzw. 8.000 Teilnehmer*innen in Wien größer als die Gewerkschaftsdemonstration vom 17.9. und deutlich stärker geprägt von Beschäftigten während bei letzterer neben Pensionist*innen die Funktionär*innen und Angestellten der Gewerkschaft die stärksten vertretenen Gruppen waren. Die zehntausenden junger Menschen - von denen ja viele ebenfalls berufstätig sind, als Lehrlinge, aber auch “nebenbei” als Studierende und Schüler*innen - die in den letzten Jahren gegen Rassismus, Klimakrise, Sexismus und Ungleichheit demonstriert haben, konnten überhaupt nicht erreicht werden. Bei Klimastreiks, BLM-Protesten oder dem 8. März gehen mehr Menschen auf die Straße - viele davon sind Berufstätig und alle von Teuerung betroffen. Es mangelt also nicht an der Bereitschaft, auf die Straße zu gehen. Die Entfremdung v.a. junger Beschäftigter mit einer Gewerkschaft, die sie - zu Recht - nicht als Kampforganisation wahrnehmen ist ein massives Problem der Gewerkschaftsbewegung die durch “fancy” Kampagnen und “hippes” Auftreten nicht gelöst werden wird. Die politische Schwäche in Kombination mit der organisatorischen Schwäche hatte fatale Folgen, weil bei vielen das Gefühl war: “Wozu soll ich mir das antun, das bringt eh nix.”

Die tieferliegende Ursache

Aber die Ursache dieses Zustandes liegt im Selbstverständnis und der Orientierung der österreichischen Gewerkschaftsbewegung. Sie wurde 1945 im Hinterzimmer und nicht aus Klassenkämpfen geboren und hat sich vom ersten Tag an als sozialpartnerschaftliche und staatstragend agierende Struktur verstanden. Nie hat sie sich ausschließlich als Klassenorganisation der Arbeiter*innenklasse (egal ob Angestellte, Arbeiter*innen, ob männlich oder weiblich, ob jung oder alt, ob hier oder woanders geboren) gesehen sondern stets als Bindeglied zwischen eben dieser Arbeiter*innenklasse und den Interessen des Kapitals, ausgedrückt im “Staatsinteresse”. Das begann mit der Niederschlagung des “Oktoberstreiks” 1950 als sich die Arbeiter*innen zu hunderttausenden dagegen stellten, dass die Löhne eingefroren werden sollten, um so die Inflation in den Griff zu bekommen und sie so mit sinkendem Lebensstandard für die Krise bezahlen mussten (Ideen, die es auch heute wieder gibt). Seit damals hat die Gewerkschaftsführung stets bestenfalls einen “Anteil” am Kuchen verlangt, aber immer wieder auf echte Lohnerhöhungen verzichtet, wenn  “Standortpolitik” und “Sachzwänge” dagegen sprachen. Auch unter dem angeblich “linken” Kreisky wurden die Löhne niedrig gehalten, um die Exportwirtschaft zu stützen. Immer wieder hat die Führung der Gewerkschaft als verlängerter Arm der SPÖ und von Kapitalinteressen Kämpfe nicht nur nicht geführt, sondern sogar aktiv verhindert. Die Privatisierungen und “Sparpakete” seit den 1980er Jahren wurden eher zahnlos bekämpft und der Abbau des Sozialstaates und das Absinken der “Lohnquote” (also des Anteils der Löhne und Gehälter am Gesamteinkommen) de facto hingenommen. 

Dieses Selbstverständnis drückt sich auch in besonders undemokratischen Strukturen in den Gewerkschaften aus. Eine Streikfreigabe gibt es nur vom Bundesvorstand des ÖGB, nicht von den Fachgewerkschaften! Basisstrukturen, in denen normale Mitglieder mitreden und mitentscheiden können, gibt es kaum. Die Forderungen mit denen man in Verhandlungen geht werden selten von Betriebsrät*innen und schon gar nicht von den Beschäftigten selbst erarbeitet. Ob gekämpft wird oder nicht, wird von der Führung entschieden, nicht von jenen, die es angeht. Und welche Verhandlungsergebnisse angenommen werden entscheidet nicht die Belegschaft, die damit leben muss sondern Hauptamtliche und Funktionär*innen, die meist ein weit höheres Einkommen haben. All das zusammen führt zu einer Gewerkschaft, die an den dynamischsten Schichten vorbei arbeitet und immer weniger als Kampforganisation wahrgenommen wird.

Diese Probleme werden auch in den Gewerkschaften wahrgenommen. Während der Dachverband ÖGB seinen Fokus mehr auf der SPÖ, der Regierung und der Einbindung in staatliche Strukturen und “Sozialpartnerschaft” hat, stehen die Fachgewerkschaften stärker unter Druck aus den Betrieben. Sie brauchen unmittelbar die Mitglieder und auch sehr profan, deren Beiträge. Hier sind Konflikte bereits zu merken und mehr wird kommen. Die großen Proteste der Kindergartenbeschäftigten in privaten Kindergärten haben sich weitgehend außerhalb der Gewerkschaft organisiert. Im Sozialbereich sehen wir eine ähnliche Entwicklung. Die Fachgewerkschaften verlieren zunehmend die Kontrolle, ihnen schwimmen “die Felle” davon. Darum auch der Versuch, hier etwas kämpferischer aufzutreten.

Doch ein Problem ist hier auch das falsche Verständnis davon, wie Staat und Wirtschaft funktionieren: aktuell steuert der Kapitalismus auf eine nächste Wirtschaftskrise hin, die die Weiterführung und Vertiefung der letzten Krisen sein wird. Es fehlt auch eine Erklärung WAS Inflation ist und so wird diese als quasi unabwendbares “Naturereignisse” das “wir” halt stemmen müssen” hingenommen anstatt zu verstehen, dass der Kapitalismus Krisen produziert und das dessen Widersprüche u.a. Inflation erzeugen um die Kosten dieser Krisen auf die Arbeiter*innenklasse abzuwälzen. Hier auf “Fairness” zu pochen oder einzufordern “gerecht” behandelt zu werden ignoriert die kapitalistischen Mechanismen. Platt gesagt: wenn der Kuchen kleiner wird, wird der Kampf um die Verteilung der Stücke härter. D.h. die Gewerkschaft muss die Gangart verschärfen und kann sich nicht auf eine “bessere” Regierung verlassen, da jede Regierung im Rahmen der kapitalistischen Logik dafür sorgen muss, dass die Rahmenbedingungen für das nationale Kapital möglichst gut sind. Das bedeutet Subventionen für Unternehmen und - gerade in einem Exportland wie Österreich - eine Senkung der Produktionskosten. Solange die Gewerkschaft also in dieser Logik hängen bleibt, wird sie zwangsläufig zum Handlanger von Lohnkürzungen. Wahr ist, dass die Erwartungshaltungen aus Erfahrung ohnehin schon sehr niedrig sind, doch meist schafft es die Gewerkschaft sogar noch, diese zu unterbieten! Wenn nicht über den kapitalistischen Tellerrand hinaus geschaut wird, dann bedeutet das in “Zeiten wie diesen” zwangsläufig Verschlechterungen für die Beschäftigten. Leisten können wir uns das schon längst nicht mehr!

Was tun?

Die Krise der Gewerkschaft ist hausgemacht, aber kein Grund für Freude. Eine starke Organisation der Arbeiter*innenklasse ist gerade in Zeiten der aufkommenden Wirtschaftskrise und Rekordteuerung eigentlich dringend nötig. Lässt die Gewerkschaft hier aus oder hofft auf ein Wunder in Form der SPÖ (dass, wie das mit Wundern so ist, eben nicht kommen wird) dann füllen andere politische Kräfte das Vakuum. In diesem Fall versuchen FPÖ und andere am rechten Rand auf Teuerung mit rechtem Populismus zu antworten. In der tschechischen Republik und in Deutschland hat die extreme Rechte schon versucht, mit dem Teuerungsthema zu mobilisieren. Es ist nur eine Frage der Zeit bis sie das auch hierzulande versuchen werden - ohne echte Antworten natürlich, da sie ja genau die aggressivsten Kapitalinteressen, jene des ums Überleben kämpfenden Kleinbürgertums - vertreten.

Die zweite Gefahr ist, dass Regierung und Unternehmen klar ist: Vor so einer schwachen Gewerkschaft braucht man sich nicht zu fürchten. Sie werden daher mit vollem Selbstbewusstsein weiter Mieten und Preise erhöhen, den Arbeitsdruck erhöhen und sie fürchten sich bei den KV-Runden nicht vor diesem Papiertiger. Es kann aber gut sein, dass sie dabei auf unerwarteten Widerstand stossen durch verzweifelte Kolleg*innen, deren Angst und Wut explodiert und zu spontanen Kämpfen führt. Hier werden wir sehr unterschiedliches Agieren auf verschiedenen Ebenen der Gewerkschaft sehen (ÖGB vs Fachgewerkschaft, höhere vs niedrigere Strukturen). Teile sehen die Notwendigkeit, diese Kämpfe zu führen, andere werden versuchen, sie zu verhindern. 

Wir brauchen eine Schubumkehr mit Turbo und ein Ende der Symbolpolitik. All das beginnt in den Betrieben. Jahrelange Basisorganisierung im Sozialbereich hat eine große Aktivist*innenbasis aufgebaut, die bereit und in der Lage sind, Kämpfe vorzubereiten und durchzuführen. Kritische Kolleg*innen aus dem Babe sind nicht mehr bereit, miese Abschlüsse einfach hinzunehmen - auch das zeigt die aktive Mitgliedschaft, sogar wenn sie nicht von der Gewerkschaft dazu eingeladen wird. Führen wir diese kämpferischen Kolleg*innen zusammen und unterstützen wir den Aufbau von kämpferischen Strukturen in den Betrieben und Betriebsübergreifend. Demos sind gut um Öffentlichkeit zu erzeugen, Druck aber wird mit Betriebsrät*innen- und Aktivist*innenkonferenzen aufgebaut und mit Streiks umgesetzt. Verbinden wir die sozialen mit den gesellschaftlichen Themen, so muss z.B. der 8. März endlich ein Streiktag für Frauenrecht werden - hier hat ein Schulstreik von ROSA im letzten Jahr einen wichtigen Schritt gesetzt und auch schon Diskussionen über betriebliche Aktionen unter Beschäftigten gestartet! Hilf mit all das zu machen - und bleib dabei nicht stehen! Bauen wir eine betriebliche und gewerkschaftliche Opposition auf, organisieren wir Kolleg*innen und Kämpfe vor Ort, bauen wir eine Gewerkschaftsbewegung auf, die unabhängig von der SPÖ ist, um die Interessen der Beschäftigten wirklich zu vertreten und bleiben wir nicht bei der brutalen Logik des Kapitalismus stehen, sondern kämpfen wir für eine sozialistische Alternative.

Bericht von den Gewerkschaftsdemos gegen Teuerung am 17.9.

HEUTE DEMO - MORGEN STREIK!
Sofia

ISA und ROSA war in Wien, Linz und Salzburg dabei - für einen kämpferischen Kurs. Der ÖGB prangert die aktuelle Situation an, es mangelt aber an einem Aktionsplan.

Die Teilnahme blieb mit 32.000 (laut ÖGB, Vergleich Demo gegen den 12h Tag 100.000+) weit unter den Erwartungen. Das lässt sich aber, wie aus zahlreichen Gesprächen im Vorfeld und während der Demonstration hervorgeht, nicht auf fehlendes Interesse zurückführen, sondern ist die Folge der ausbleibenden Mobilisierung durch den ÖGB, der politischen Schwächen (Auslassen der Lohnverhandlungen) und dem sinkenden Vertrauen in den ÖGB.

Unsere Forderungen nach Streiks, automatischer Anpassung von Löhnen und Sozialleistungen an die Inflation, sowie branchenübergreifender Koordination von Lohnverhandlungen und Streiks, fanden vor allem bei Teilnehmer*innen außerhalb des Funktionärs- und Hauptamtlichenapparattes des ÖGBs großen Zuspruch. “streikbereit”-Buttons, - Petition und Broschürenwurden sehr positiv aufgenommen. Dies zeigt das Potenzial, welches bei flächendeckender Mobilisation und richtiger politischer Ausrichtung möglich wäre.

Die feministisch sozialistische Kampagne ROSA betonte die Notwendigkeit, bei den Lohnverhandlungen gemeinsam zu kämpfen damit nicht schlechter organisierte, weiblich dominierte und systemrelevante Branchen zurückbleiben. Dazu gehören die Verhandlungen im Sozial- und Gesundheitsbereich, die zu den kämpferischsten Branchen gehören. Deshalb bildeten wir als ISA und ROSA einen dynamischen Demoblock mit der Basisinitiative “Sozial aber nicht blöd” - bzw. in Linz auch mit dem “Do It Yourself: Frauentag Linz”-Bündnis.

Die Aussage „Erster Schritt auf die Straße gehen, zweiter Schritt merken für die nächste Wahl"...'', des Vorsitzenden der Gewerkschaftsjugend auf der Abschlusskundgebung in Wien macht deutlich: der ÖGB hat keinen Plan gegen die Teuerung.

Deshalb werden wir als ISA und ROSA im Zuge des Herbstes und der Lohnverhandlungen Druck von unten für branchenübergreifende Streiks und einen offensiven Aktionsplan aufbauen.

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Gewerkschaftsdemos gegen Teuerung am 17.9.: Heute Demo - Morgen Streik!

Flugblatt der ISA auf den Gewerkschaftsdemos gegen die Teuerung am 17.9.
Internationale Sozialistische Alternative (ISA - früher SLP)

Treffpunkte der ISA-Blocks:
jeweils um 13:00

Wien: U-Bahn Belvedere
(Ecke Wiedner Gürtel/Arsenalstr.)

Linz: Volksgarten

Salzburg: Hbf

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Nach monatelanger Untätigkeit der Regierung gegen die Teuerung setzt der ÖGB ein Zeichen und fordert Maßnahmen gegen die Preisexplosion. Endlich - doch reichlich spät! Und im Aufruf zu den Demonstrationen kommt die Forderung nach höheren Löhnen nicht einmal vor.

Es weiß auch niemand, was der nächste Schritt nach dem 17.9. ist. Fix ist, eine weitere planlose Dampfablass-Aktion können wir uns nicht leisten! Dass die Zeit drängt, spüren wir alle längst im Geldbörserl. 

Der nächste Schritt müssen branchenübergreifende Konferenzen für Betriebsrät*innen und Aktivist*innen sein, um Forderungen und einen Aktionsplan zu diskutieren und zu beschließen!

Privater Sozialbereich, Verkehrs- und Dienstleistungssektor haben ihre KV-Verhandlungen vorverlegt  und starten zeitgleich mit den Metaller*innen (bald danach der Handel). Verhandeln und kämpfen wir nicht parallel, sondern gemeinsam! Dazu brauchen wir einen gemeinsamen branchenübergreifenden Aktionsplan mit Eskalationsschritten bis hin zum Streik.

Kein Abschluss unter der Teuerung und automatische Anpassung der Löhne und Sozialleistungen an die Inflation!

Nur mit koordiniertem und entschlossenem Kampf werden wir 2.000 Euro netto und Lohnerhöhungen über der aktuellen Inflation tatsächlich und für alle erreichen. 2.000 Euro brutto, wie jetzt vom ÖGB gefordert, sind zu wenig. Die Abdeckung der durchschnittlichen Inflation vom letzten Jahr (6-7 %) bringt uns bei einer Teuerung, die bald über 10 % (bei Wohnen noch höher) liegt, viel zu wenig!

Wir brauchen für alle Sozialleistungen, Löhne/Gehälter eine Indexanpassung. Eine solche automatische Anpassung der Löhne ist in Belgien seit Jahrzehnten durchgesetzt und würde die ständigen Reallohnverluste verhindern.

Mehrwertsteuer abschaffen! Reiche und Konzerne sollen zahlen!

OMV und Verbund steigerten ihre Gewinne alleine im ersten Halbjahr um 100% bzw. 150% im Vergleich zu 2021. Die fünf größten deutschen Unternehmen (Siemens, Allianz, Mercedes, BMW, VW) werden dieses Jahr voraussichtlich insgesamt 58,2 Mrd. Euro Gewinn machen. 

Während Preissteigerungen und Lieferengpässe den Reichen zu Rekordprofiten verhelfen, schaden sie der breiten Bevölkerung. Der wöchentliche Mini-Warenkorb war im Juli über 19 % teurer als 2021.

Statt zumindest erstmal diese Extraprofite endlich abzuschöpfen, versucht uns die Regierung mit lächerlichen Einmalzahlungen und Pseudo-Entlastungen abzuspeisen, die wir durch die Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer selbst bezahlen, während Unternehmen und Konzerne massive Steuergeschenke bekommen, die auch wir zahlen.

Schluss mit dem Verstecken hinter Bank- und Betriebsgeheimnis. Volle Informationen darüber, wo das Geld ist. Die Milliarden von Reichen und Konzernen müssen endlich für ordentliche Löhne, mehr Personal und für Gesundheit, Bildung und Soziales verwendet werden!

Krisenprofiteure enteignen! Wir können nur kontrollieren, was uns gehört! 

Um die Preistreiberei zu stoppen und für den Ausbau erneuerbarer Energien braucht es eine (Wieder-)Verstaatlichung aller Energiekonzerne. Weiters müssen als erster Schritt die Preise für Lebensnotwendiges (Lebensmittel, Wohnen, Medizin usw.) der Spekulation und dem Markt entzogen und kontrolliert werden. Alle Ideen der Regierung in diese Richtung scheitern an der kapitalistischen Logik.

Wenn Firmen sich an Profiten und nicht an Bedürfnissen der Menschen orientieren oder behaupten “das rechnet sich nicht”, müssen sie enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten und Gesellschaft gestellt werden. Das macht Planung möglich, z.B. darüber, wofür Energie eingesetzt wird, wenn sie knapp ist, und kann wirtschaftliches Chaos und Profitinteresse beenden.

Die Energiekrise lösen heißt für ökologische Wende kämpfen!

Der Kapitalismus macht Klimaschutz, Jobs und leistbare Energie zum Widerspruch, kann aber weder das eine noch das andere dauerhaft sicherstellen. Die Energiepreise schießen durch die Decke, weil die Energiekonzerne profitorientiert agieren. Die Regierung behauptet, es sei jetzt nicht möglich, erneuerbare Energien auszubauen und greift aufgrund der Gasknappheit auf Öl und Kohle zurück. In anderen Ländern wird wieder vermehrt Atomkraft eingesetzt.

Deshalb brauchen wir einen Schulterschluss von Gewerkschaften und Klimabewegung, um für die Übernahme und ökologische Umstellung der fossilen Industrie durch Beschäftigte und Gesellschaft bei Erhaltung (und Ausbau) aller Jobs zu kämpfen.

Kampf gegen Teuerung = Kampf gegen die Benachteiligung von Frauen

Vor allem Frauen, aber auch LGBTQI+Personen und Migrant*innen, sind durch niedrigere Löhne und steigende Preise am stärksten unter Druck. Umso stärker sind sie wirtschaftlich abhängig von Partner bzw. Eltern und haben noch weniger Möglichkeiten, sich aus (gewalttätigen) Beziehungen zu befreien. Wegen des Aushungerns des Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereiches müssen v.a. Frauen bei Pflege, Kinderbetreuung usw. einspringen.

Deshalb sind ISA und die sozialistisch-feministischen Initiative ROSA Teil der Proteste gegen die Teuerung, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen und verbinden das mit der Mobilisierung für den 25.11., den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.

Regierung und Unternehmen schenken uns nichts - Streiks nötig!

Die weitgehende Untätigkeit der Regierung zeigt, dass ihr das Leben von Beschäftigten, Jugendlichen und armen Menschen völlig egal ist. Eine ausgewachsene Wirtschaftskrise steht bevor und Unternehmen wie Regierung versuchen, die Kosten auf uns abzuwälzen. Mit der Erhöhung des Leitzinses und der Drosselung der Wirtschaft nehmen sie steigende Arbeitslosigkeit in Kauf, um die Inflation zu bekämpfen. Manche reden schon von einer “kontrollierten Rezession”. Von Gaspreisdeckel reden sie erst, seitdem die Firmen ächzen. Letztlich wird der Kapitalismus seine eigene Krise nicht abwenden können. Doch die Arbeiter*innenklasse soll es ausbaden.

So werden auch Demonstrationen alleine Regierung und Bosse nicht umstimmen. Jedes noch so kleine Zugeständnis werden wir nur durch die Erhöhung des Drucks von unten durchsetzen. Streiks würden sie dort treffen, wo es ihnen weh tut: bei den Profiten - aber auch klar machen, wer die Wirtschaft (und Gesellschaft) tatsächlich am laufen hält, nämlich wir Arbeiternehmer*innen!

Schluss mit der Sozialpartnerschaft! 

Solange sich die Gewerkschaftsführung an Sozialpartnerschaft, Staat, Wirtschaft und SPÖ bindet, wird es keinen kämpferischen Kurs geben. Nach dem Versagen, den 12-h-Tag abzuwenden oder substantielle Verbesserungen für die Pflege oder andere “Systemrelevante” während der Pandemie zu erreichen, ist die Gefahr für faule Kompromisse auch diesmal hoch.

Deshalb kämpfen wir für Urabstimmungen über alle Verhandlungsergebnisse!

Diesen Herbst muss mit jeder Routine und der Illusion der Sozialpartnerschaft endgültig Schluss sein! Regierung und Unternehmen werden alles dafür tun, um Profite auf dem Rücken von Beschäftigten zu retten. Die Gewerkschaften dürfen dieses Spiel nicht mitspielen sondern müssen endlich entschlossen für ihre Mitglieder und die breitere Arbeiter*innenklasse kämpfen.

Druck von unten organisieren!

Deshalb müssen wir die Demo nutzen, um den Gewerkschaften klarzumachen: Kein Abwarten mehr! Wir sind kampfbereit!

Organisieren wir uns an der Basis und in den Betrieben. Ein erster Schritt kann das selbstständige Einberufen von Betriebsversammlungen und Diskussionen sein. Initiativen von der Basis, wie Betriebsversammlungen, kleinere Proteste oder Streikbeschlüsse, können helfen, die Gewerkschaftsführung endlich dazu zu bringen, Kämpfe nicht nur anzukündigen, sondern auch zu führen. Gerade im Sozialbereich haben die Kolleg*innen immer wieder bewiesen, dass man auch selbst und unter schwierigen Bedingungen Kämpfe und Streiks organisieren kann.

Vernetzen wir uns überbetrieblich und branchenübergreifend, um einen Aktionsplan auszuarbeiten.

Werde mit uns aktiv! Für eine kämpferische Arbeiter*innenbewegung mit sozialistischem Programm!

Wir, Beschäftigte, Betriebsrät*innen, Aktive, sozialistische Femnist*innen, Lernende und Eltern sind Teil verschiedenster Proteste gegen Kürzungspolitik und für echte Verbesserungen. Wir kämpfen international und in verschiedenen Bewegungen für ein Ende des kapitalistischen Horrors und für ein grundlegend anderes, demokratisch organisiertes Wirtschaftssystem ohne Profitlogik. Schließ dich uns an und werde selbst aktiv!

 

Internationale Sozialistische Alternative

Die ISA (früher SLP) ist Mitglied der “International Socialist Alternative”, die in über 30 Ländern aktiv ist. Wir organisieren seit Jahren nicht nur Solidaritätsaktionen für Streiks, sondern auch Streiks direkt mit. Wir teilen diese Erfahrung gerne und helfen mit Tipps, Infos, persönlichen Gesprächen, Besuchen von Betriebsratssitzungen oder Betriebsversammlungen und organisieren Streik-Workshops! 

Web: www.slp.at / Facebook: Internationale Sozialistische Alternative ISA - früher SLP / Instagram: @isa_oesterreich / E-Mail: slp@slp.at

ROSA - kämpferisch.sozialistisch.feministisch

ROSA organisiert sich und kämpft gegen Frauenunterdrückung. Zentral für uns ist, dass man sich nicht mit symbolischen Maßnahmen der Regierenden abspeisen lässt. Eine Verbesserung für Frauen bedeutet v.a. mehr Geld für Gesundheit, Soziales, Wohnen und Gewaltschutz. Aktuell organisiert ROSA eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen und in Solidarität mit den Protesten im Sozialbereich. 

Facebook: ROSA - kämpferisch.sozialistisch.feministisch / Instagram/TikTok: @rosa_oesterreich / Telefon/WhatsApp: 0660 9543696 / E-Mail: info@nichtmitmir.at

“Wir sind sozial aber nicht blöd!”

Ist eine Basisinitiative aus Beschäftigten und Betriebsrät*innen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich. Die Kolleg*innen von “Sozial aber nicht blöd” waren bei den Streiks im Sozialbereich in den letzten Jahren an vorderster Front und haben Streikdemos und Aktionen bei Betrieben organisert. Aktuell setzen sie sich für einen kämpferischen Kurs und weitgehende Forderungen bei den bevorstehenden KV-Verhandlungen in der privaten Sozialwirtschaft (SWÖ) ein.

E-Mail: sozialabernichtbloed@gmx.at / Facebook: Wir sind sozial aber nicht blöd. / Instagram: @sozialabernichtbloed

Heißer Herbst nötig - aber geht das mit diesem ÖGB?

Peter Hauer und Jan Millonig

Drohende Wirtschaftskrise, vermeintliche Entlastungspakete, die weitere Kürzungen bringen werden und eine Gewerkschaft, die jammert, aber bestenfalls ratlos ist. Mit dieser Kombination steuern wir auf einen interessanten Herbst zu, der eigentlich umfassende Proteste braucht.

Doch die Gewerkschaftsspitze setzt immer noch auf “Sozialpartnerschaft”. Die sieht sie als Weg, das Gesamtsystem mitzuverwalten und hat dabei NICHT den Anspruch, nur die Interessen von Arbeiternehmer*innen durchzusetzen. Die einzige Perspektive ist die SPÖ in die Regierung. Dass diese längst kapitalistische Politik umsetzt, aktuell in Wien, wo die Strompreise um über 90% steigen, wird ignoriert.

Beschäftigte wütend über Regierung & Gewerkschaft

Auf der anderen Seite Verzweiflung und Wut bei vielen Beschäftigten. Diese richten sich - zu Recht - gegen Regierungen UND Gewerkschaftsspitze. Letztere versucht den Spagat zwischen dem Druck von unten, dem sie teilweise nachgeben muss, und ihrem Interesse, am Verhandlungstisch mit Staat und Bossen zu sitzen. 

Nach einem 3 Jahres KV im privaten Sozialbereich wurden auf der Wiener Betriebsrät*innenkonferenz Forderungen nach 750,- mehr Gehalt und der 35-h-Woche ab 2023 beschlossen. Die zuständige GPA ist mit der hohen Forderung sichtlich unglücklich. Bei einer Demonstration des Wiener Sozialbereichs am 23.6. hatten viele Kolleg*innen das Gefühl, die Gewerkschaft habe nicht viel beizusteuern - die Demonstration war nicht einmal auf der Gewerkschaftshomepage zu finden!

Bei Kepler Uni-Klinikum und Barmherzigen Brüdern in Linz fanden auf Initiative der Betriebsräte Betriebsversammlung bzw. Warnstreik statt. Hier zeigte sich, welchen Druck der Unmut der Beschäftigten auf Betriebsräte und dadurch letztlich auf die Gewerkschaftsführung ausübt.

Nach dem Abschluss im BABE-KV (Deutschtrainer*innen) mussten sich die Verhandler*innen in einer von Beschäftigten und Betriebsrät*innen organisierten Veranstaltung für den miesen Abschluss rechtfertigen - es mangelte nicht an wütender Kritik. Und selbst auf der zahmen Teuerungskonferenz des ÖGB bekam nur die Forderung “auf die Straße zu gehen” richtigen Applaus.

Wie geht nun heißer Herbst?

Tatsächlich schuldet uns die Gewerkschaft einen konkreten Plan wie (selbst ihre eigenen) Forderungen erreicht werden sollen. Der ist aber nicht zu erwarten. Ein heißer Herbst, der echte Verbesserungen bringt, braucht Forderungen, die Beschäftigte branchenübergreifend mobilisieren - wie z.B. die automatische Anpassung der Löhne/Gehälter an die Inflation. Das kann in Betriebsversammlungen und Betriebsräte- und Aktivist*innentreffen diskutiert und beschlossen werden. Es gibt aktuell Proteste, die zum Teil an der Gewerkschaft vorbeigehen. Sie sind Ansatz für Basisorganisierung, wo gemeinsam über Forderungen und Kampfmaßnahmen entschieden wird und vor allem auch darüber, welche Verhandlungsergebnisse zufriedenstellend sind. Ein heißer Herbst muss demokratisch und branchenübergreifend die Kämpfe verbinden - auch das Aufgabe der Gewerkschaft. Welche Rolle spielt denn ein Gewerkschaftsdachverband, wenn er die Gewerkschaften nicht verbindet? Am krassesten zeigt sich das im Gesundheits- und Sozialbereich: 4 Gewerkschaften mit unterschiedlichen Kollektivverträgen in gleichen Bereichen (Pflege, Kindergärten, privaten/öffentlich) und getrennten Protesten. Dort findet aber schon länger eine Organisierung an der Basis statt wie mit “Sozial, aber nicht blöd”. Es werden selbstständig Streiks organisiert und Betriebsrät*innen haben eigene Demos initiiert. Der heiße Herbst wäre die Verantwortung des ÖGB: Tut er nichts oder zuwenig, können wir uns davon aber nicht aufhalten lassen.

Kurzinfo: Streikbroschüre

Streiks sind in Österreich selten. Wie streiken ganz praktisch geht, beschreiben wir in unserer Broschüre “Streik - kurz & bündig”. Einfach per E-Mail bestellen: slp@slp.at

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Heißer Herbst heißt kämpfen auf betrieblicher und politischer Ebene

Die Großdemonstrationen des ÖGB am 17.9. müssen der erste Schritt für koordinierte Lohnverhandlungen und einen Kampf auf politischer Ebene sein.
Christoph Glanninger, ISA-Bundesleitung

Endlich … angesichts der immer weiter eskalierenden Teuerung und der Untätigkeit der Regierung hat der ÖGB für den 17.9. Großdemonstrationen in allen Landeshauptstädten unter dem Slogan “Preise runter” angekündigt. Diese Demonstrationen müssen zum Auftakt für eine breite Bewegung werden. Dafür braucht es den aktiven Einsatz von kämpferischen Betriebsrät*innen, aktiven Kolleg*innen und Basisinitiativen im Rahmen der Mobilisierung und Demonstration. Das ist umso wichtiger, weil es bist jetzt so ausschaut, als ob die Demo als relativ einmaliger Appell an die Bundesregierung geplant ist und nicht als Teil eines eskalierenden Aktionsplanes - nicht einmal eine Verbindung zu den Lohnverhandlungen wird hergestellt. Aber die Demo kann auch ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Frauenunterdrückung, Rassismus und Klimazerstörung sein – die Aktivität der Arbeiter*innenklasse (d.h. aller die auf Lohnarbeit angewissen sind) ist die beste Basis für einen Kampf gegen Unterdrückung und für Klimagerechtigkeit.

Demonstrationen als Chance für Widerstand

Die Demonstrationen am 17.9. und koordinierte Lohnverhandlungen können ein wichtiger Schritt sein, um endlich den Kampf gegen die katastrophalen Auswirkungen der angehäuften Krisen (Pandemie, Klima, Energie, Teuerung etc.) auf unsere Lebensbedingungen zu organisieren. Nach Jahren des Politikversagens und einer Pandemie- und Krisenbekämpfung auf dem Rücken von Beschäftigten und Jugendlichen müssen sie der Startpunkt für einen Kampf für eine politische Alternative sein. Die Demonstrationen bieten die Chance, die angestaute Wut und Frustration über die politische und wirtschaftliche Elite in einen Kampf um ein besseres Leben für alle zu verwandeln. Wenn dieser entschlossene Kampf ausbleibt, besteht die Gefahr, dass FPÖ und Co. von der Situation profitieren.

Welcher Kampf ist notwendig?

Die galoppierende Teuerung aber auch eine bevorstehende Energiekrise sind eine massive Bedrohung für die große Mehrheit der Arbeiter*innenklasse. Schon jetzt ist klar, dass die Regierung fest dazu entschlossen ist, die Kosten für diese Krise auf uns abzuladen und lediglich Alibimaßnahmen beschließt.

Tatsächlich wird es eine Vielzahl an politischen Maßnahmen seitens des Staates zur Abfederung der Teuerung brauchen wie eine Reduzierung oder Streichung der Mehrwertsteuer sowie Preiskontrollen auf Lebensmittel und Güter des täglichen Gebrauchs, (hier entwickeln wir diese Forderungen im Detail), aber auch Maßnahmen in Reaktion zu breiteren wirtschaftlichen Verwerfungen als mögliche Folge einer Energie- und Wirtschaftskrise wie Sondersteuern auf so genannte "Übergewinne" bis hin zur (Wieder-)Verstaatlichung von Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge (insbesondere bei Strom und Gas). Dazu gehören Fragen wie: Wer bekommt bei einer Knappheit Energie und wer entscheidet das, was passiert mit den Beschäftigten in Unternehmen, die wegen Energieknappheit schließen müssen.

Wir sind der Meinung, dass nur die vollständige Kontrolle durch die Arbeiter*innenbewegung (Gewerkschaften, Arbeiter*innenkammer, Betriebsräte) über die betroffenen Wirtschaftsbereiche sicherstellen kann, dass tatsächlich die Interessen der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen und nicht die Profite von Konzernen. Im Schwerpunkt der Septemberausgabe unserer Monatszeitung Vorwärts entwickeln wir einen sozialistischen Plan für die Energiekrise. Gleichzeitig wirft die Krise natürlich die Frage der Finanzierung und die Notwendigkeit einer Besteuerung von Superreichen und Konzernen auf. Alle diese Maßnahmen brechen auf die eine oder andere Art und Weise mit Profit- und Marktorientierung, aber dafür brauchen wir eine Gewerkschaftsbewegung, die über den kapitalistichen Tellerrand hinausschaut.

Gleichzeitig wird es bei den Lohnrunden im Herbst notwendig, durch entsprechende Lohnforderungen und Abschlüsse über der Inflationsrate die extreme Teuerung auszugleichen. Auch die Einführung einer gleitenden Lohnskala (das ist die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation ähnlich der automatischen Erhöhung der Mieten gemäß Verbraucherpreis-Index) wird in diesem Zusammenhang immer wichtiger. Die Durchsetzung solch „extremer“ Forderungen bleibt jedoch im Rahmen der traditionellen Sozialpartner-Rituale utopisch, obwohl sie zur Verteidigung des Lebensstandards unumgänglich sind. Denn sie würden unmittelbar die Profite der Unternehmer*innen und Konzernbosse angreifen. Solche Forderungen können daher nur im Kampf durchgesetzt werden. Das erfordert rechtzeitige und entschlossene Vorbereitung und Organisierung von Seiten der Gewerkschaften (über ihre Medien sowie entsprechende Stellungnahmen in der Öffentlichkeit, mobilisierende Betriebsversammlungen und Betriebsratskonferenzen etc.). Entsprechend katastrophal daher, dass der Aufruf der Gewerkschaften die bevorstehenden KV-Verhandlungen nicht einmal erwähnt und sich auf einen Appell an die Regierung bzw. Politik beschränkt. Aber genau diese Lohnverhandlungen und deutliche Lohnerhöhungen spielen eine zentrale Rolle beim Abfedern der Inflation.

Es braucht ein koordiniertes Vorgehen bei den Lohnverhandlungen kombiniert mit Forderungen auf politischer Ebene. Das könnte z.B. bedeuten die Kollektivvertragsverhandlungen sowohl terminlich als auch inhaltlich zu synchronisieren, d.h. überall die gleichen bzw. ähnliche Forderungen aufstellen und gemeinsame Streiks zur Durchsetzung aller KVs zu organisieren - und auch nur gemeinsam abzuschließen. Kombinieren könnte man das mit Forderungen an die Politik und den Abschluss von KV-Verhandlungen auch von politischen Maßnahmen abhängig machen. Ein wichtiger erster Schritt wäre ein branchenübergreifender bundesweiter Aktions- und Streiktag zur Einleitung der Herbstlohnrunde.

Insgesamt muss man sich im Herbst von jeder Routine und Sozialpartnerschaft lösen. Regierung und Unternehmen werden alles dafür tun, um Profite auf dem Rücken von Beschäftigten zu retten. Die Gewerkschaften dürfen dieses Spiel nicht mitspielen sondern müssen entschlossen für ihre Mitglieder und die breitere Arbeiter*innenklasse kämpfen.

Kampf statt Symbolik

Leider hat die Gewerkschaftsspitze in der Vergangenheit zu oft gezeigt, dass ihr im Endeffekt politische Stabilität und die Verhandlungsbasis mit den Unternehmen wichtiger ist als die Interessen ihrer Mitglieder. Ein gutes Beispiel dafür sind die Proteste gegen den 12-Stundentag von Schwarz-Blau: zum Höhepunkt demonstrierten mehr als 100.000 Menschen in Wien und in Umfragen gaben 55% an, Streiks gegen die Reform zu unterstützen. Aber anstatt dieses Potenzial zu nützen und die Reform zu Fall zu bringen, ließ die Gewerkschaftsspitze die Proteste - wahrscheinlich aus Angst vor den Auswirkungen von Streiks - auslaufen. Auch während der Pandemie verzichtete die Gewerkschaft auf jede Mobilisierung und akzeptierte mehrere katastrophale Gehaltsabschlüsse (z.B. im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich am Beginn der Pandemie).

Auch dieses Mal deuten mangelnder Aktionsplan und Verbindung zu den Lohnverhandlungen leider darauf hin, dass die Gewerkschaftsspitze keinen entschlossenen Kampf sondern lediglich symbolische Aktionen plant. Aber viele Mitglieder, Funktionäre, Betriebsrät*innen werden das anders sehen und wollen tatsächlich einen Kampf für die Interessen von Beschäftigten organisieren. Politische Linke und betriebliche Initiativen müssen in ihrer Mobilisierung für die Demonstration auch dabei helfen, genau diese Stimmung von unten zum Ausdruck zu bringen.

Organisierung von unten

Deshalb müssen wir alle diese Demonstration, aber auch die Lohnverhandlungen und die allgemeine politische Situation zum Anlass nehmen, um in unseren Betrieben zu mobilisieren und zu diskutieren, wie eine Antwort der Arbeiter*innenbewegung auf diese Krise ausschauen kann. Betriebsrät*innen sollten Betriebsversammlungen für diese Diskussionen einberufen und dort, wo Betriebsrät*innen sich weigern oder nicht dazu in der Lage sind solche abzuhalten, können informelle Treffen nach Arbeitsende eine ähnliche Rolle spielen. Kämpferische Betriebsrät*innen sollten sich mit anderen vernetzen, um über gemeinsame Forderungen und Aktionen zu beraten.

Aber auch die ökologische, feministische und antirassistische Bewegung müssen diese Proteste aufgreifen. Für Klima-Aktivist*innen kann die Demo eine wichtige Möglichkeit sein, den Schulterschluss zu Beschäftigten und Gewerkschaften zu finden und ihre Forderungen einzubringen. Inflation und Wirtschaftskrise treffen nicht nur Frauen noch härter, auch die kämpferischsten Teile der Arbeiter*innenklasse in den letzten Jahren waren überwiegend weiblich. Das gleiche gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Krisen treffen die Ärmsten nicht nur am härtesten; wir können auch sicher sein, dass die Rechte von dem Unmut profitieren wird, wenn Linke und Arbeiter*innenbewegung keine Antwort geben.

Diese Organisierung von unten ist nicht nur im Zuge der Lohnverhandlungen zentral, sondern ist auch die einzige Basis für einen Kampf um unsere Rechte in der Zukunft und für den Aufbau neuer Massenorganisationen und Parteien, die den Kampf für die Interessen von Beschäftigten, Jugendlichen, Frauen, Migrant*innen und die Umwelt organisieren und eine echte politische Alternative erkämpfen.

Aktiv einbringen mit der ISA / SLP

Wir als Internationale Sozialistische Alternative werden uns in den nächsten Wochen und Monaten auf unterschiedliche Art und Weise in die Demonstration, die Lohnverhandlungen und die allgemeinen Proteste gegen Teuerung einbringen und versuchen, dabei zu helfen, einen Durchbruch der Bewegung zu erzielen. Dafür haben wir fünf zentrale Ansatzpunkte:

  • Lohnverhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich als Leuchturm: Schon in den Jahren vor der Pandemie zählte diese Branche zu den kämpferischsten. Nach einem 3-Jahresabschluss stehen dieses Jahr erstmals wieder Lohnverhandlungen an, die mit Pandemie, Teuerung und Pflegenotstand besonders wichtig werden. Gleichzeitig gibt es in diesem Bereich viele kämpferische Betriebsrät*innen und aktive Kolleg*innen, die Streikerfahrung haben und sich nicht mehr von der Gewerkschaftsspitze bremsen lassen. Außerdem hat die Branche eine unglaubliche gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Dadurch hat auch der Arbeitskampf das Potential, zu einem Vorbild zu werden und auch andere Branchen in den Kampf zu ziehen. Als ISA untersützen wir die Basisinitiative "Sozial aber nicht blöd", die sich für eine kämpferischen Kurs in den KV-Verhandlungen einsetzt.
  • ROSA und sozialistisch-feministischer Protest gegen Teuerung: Frauen werden mit am härtesten durch die Teuerung getroffen: niedrigere Gehälter, unsichere Jobs, oft die Verantwortung für den Familieneinkauf, Alleinerzieher*innen. Außerdem wissen wir, dass jede Krise häusliche Gewalt verstärkt. Gleichzeitig waren weibliche Beschäftigte und junge Frauen an der Spitze von vielen Arbeitskämpfen und Protesten und auch historisch haben Frauen oft eine zentrale Rolle beim Aufstand gegen Teuerung, Knappheit und Krise gespielt (Bespiele dafür ziehen sich von der französischen und der russischen Revolution bis zu den Massenaufständen im Sudan). Die sozialistisch-feministische Initiative ROSA plant die Proteste gegen die Teuerung, den Kampf gegen Gewalt an Frauen und die bevorstehenden Lohnverhandlungen zu verbinden.
  • Mobilisierung und Koordination in den Betrieben: unsere Mitglieder werden in den nächsten Monaten versuchen, an ihren Arbeitsplätzen Diskussionen zu führen und für die Demo zu mobilisieren, aber auch weitergehende Forderungen einbringen. Vor allem Mitglieder unserer Organisation in Betriebsratsgremien werden nicht nur versuchen, ihre Betriebe zu mobilisieren, sondern sich auch mit anderen Betrieben zu vernetzen und zu koordinieren.
  • Aktionen und Mobilisierung auf der Straße: zusätzlich wollen wir in den nächsten Wochen bei Infotischen auf der Straße und vor Betrieben für die Demonstration mobilisieren und dabei helfen Menschen zu organisieren.
  • Für eine internationale sozialistische Alternative: die aktuellen Krisen zeigen auf eine dramatische Art und Weise, dass uns der Kapitalismus in den Abgrund führt. Um die Krise aufzuhalten braucht es Maßnahmen die mit der Profitlogik brechen (Kontrolle und Verstaatlichung großer Energie- aber auch Lebensmittel- und Industriekonzernen, massive staatliche Investitionen in erneuerbare Energie usw) - also sozialistische Maßnahmen. Nur eine Arbeiter*innenbewegung die mit so einem sozialistischen Programm ausgestattet ist kann eine Antwort auf die Krise liefern. Genau die wollen wir als ISA aufbauen.

Nur durch den aktiven Einsatz von unten können wir sicherstellen, dass wir die Chance dieser Demonstrationen nützen können. Melde dich bei uns, wenn du mitmachen willst!

Unsere Forderungen: 

-> Für eine Koordination der Lohnverhandlungen mit den politischen Protesten gegen die Teuerung

-> Es braucht sofort eine Abschaffung der Mehrwertsteuer, Preiskontrollen, eine Anpassung der Sozialleistungen an die Inflation und massive Investitionen in erneuerbare Energien

-> Bei den Lohnverhandlungen braucht es einen koordinierten Kampf aller Branchen um keinen Abschluss unter der Inflation zuzulassen. Wir brauchen eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation!

-> Verhandlungen reichen nicht - wir brauchen einen Aktionsplan mit branchenübergreifenden Demonstrationen und Streiks.

-> Zur demokratischen Organisation des Arbeitskampfes brauchen wir Betriebsrät*innen und Aktivenkonferenzen auf regionaler und bundesweiter Ebene und Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse!

-> Kontrolle und Verwaltung von Energieverteilung und Industrie durch die Gewerkschaften, Betriebsräte und Beschäftigte als Antwort auf Energie- und Wirtschaftskrise. 

-> Für eine Arbeiter*innenbewegung mit einem sozialistischen Programm, die für ein Ende des kapitalistischen Horrors und für ein grundlegend anderes, demokratisch organisiertes Wirtschaftssystem ohne Profitlogik kämpft.

 

ÖGB-Konferenz: Chance verpasst

Oliver Giel

Am 8.6. luden ÖGB und AK zur „Preise-Runter“-Betriebsrät*innenkonferenz. Die 3.211 Teilnehmer*innen durften allerdings nur zuhören. Dabei hätten sie wohl bessere Beiträge geliefert, denn neben ausschweifenden Erläuterungen, wie teuer alles geworden ist, und dass die Regierung endlich was machen müsste, war von den Redner*innen wenig zu hören. Es wurden beschränkte Maßnahmen zur Preissenkung gefordert, Lohnerhöhungen waren ein Randthema und das WIE Erreichen fehlte gänzlich. Der konkreteste Output ist eine Online-Umfrage, wie es den Leuten mit der Inflation geht.

Mitglieder der ISA schlugen vor, Diskussionen über Forderungen und Aktionen gegen die größten Reallohnverluste seit 1955 einzufordern. Großdemonstrationen in allen Landeshauptstädten im Sommer und die Vorbereitung einer Offensive im Herbst wären geeignete Maßnahmen, um nicht nur einen Inflationsausgleich, sondern eine deutliche Erhöhung der Reallöhne und den Ersatz von Konsum- durch Vermögenssteuern zu erkämpfen. Über hundert Teilnehmer*innen unterzeichneten eine entsprechende ISA-Petition an die ÖGB-Spitze.

Es ist bezeichnend, dass der meiste Applaus aufkam, als Ex-Voest-Betriebsrat Schaller von einem Kollegen berichtete, der ihm mitgegeben hatte: “Wir müssen kämpfen und auf die Straße gehen”. Auch hier: Die Basis ist viel weiter als die Führung!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

BABE: Sauer auf die Gewerkschaft

3,6% Lohnerhöhung, keine Verbesserungen bei Arbeitszeit und -bedingungen – das Ergebnis der KV-Verhandlungen im privaten Bildungsbereich (BABE) war für die 9.000 Beschäftigten,von denen viele am 26.4. Kampfbereitschaft erklärt hatten, ein Schlag ins Gesicht. Am 18.5. passierte jedoch, was auch in anderen Bereichen nötig ist: Die Basisinitiative Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung (DiE) organisierte eine Veranstaltung, bei der Vertreter*innen des kleinen Verhandlungsteams sowie der Gewerkschaft GPA Rechenschaft ablegen sollten – dass sie kamen, zeigt, dass sie den Druck der Basis spüren. Anwesend waren auch Kolleg*innen des großen Verhandlungsteams, die gegen den Deal gestimmt hatten, sowie kämpferische Beschäftigte aus mehreren Betrieben. Moderiert und mitorganisiert wurde das Ganze vom ISA-ler Sebastian Kugler. Zentral war die Debatte, wie heute – mit ständig neuen Krisen – Verbesserungen bei KV-Verhandlungen erreicht werden können. Dass sich die Unternehmen von guten Argumenten nicht überzeugen ließen, ließen die Kolleg*innen nicht gelten – bei KV-Verhandlungen gehts letztlich um Stärke. Und die muss man aufbauen. Am Ende stimmten sogar die Vertreter*innen von kleinem Verhandlungsteam und Gewerkschaft zu, dass man sich streikbereit für die nächsten Verhandlungen machen müsse - damit diesen Worten auch Taten folgen, wird es noch mehr Druck von unten brauchen.

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