BABE: Einknicken statt Streiken?!

Zum Ergebnis der BABE KV-Verhandlungen
Sebastian Kugler

Foto: Andrea Luegmeyer

Vom Kampf zur Niederlage innerhalb einer Woche

Genau eine Woche ist es her, als am 20.4. über 400 Kolleg*innen aus dem Bereich der privaten Bildungseinrichtungen (BABE) zu einer öffentlichen Betriebsversammlung am Platz der Menschenrechte in Wien kamen. Es war die mit Abstand größte betriebliche Mobilisierung in diesem Bereich seit langer Zeit, und die erste für zahlreiche Kolleg*innen – nicht zuletzt weil es aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen einen so hohen Durchlauf gibt. Anlass waren die Kollektivvertragsverhandlungen, die in den letzten Jahren kaum wahrgenommen worden waren. Das lag vor allem daran, dass die Kolleg*innen bereits daran gewöhnt waren, dass ihre Forderungen vom Verhandlungsteam nicht aufgegriffen werden; dass die Verhandlungen selbst undurchsichtig und ohne Einbindung der Belegschaften oder gar Kampfmaßnahmen vor sich gehen; und schließlich, dass ein Ergebnis rauskommt, das abseits einiger kosmetischer Verbesserungen und leerer Versprechungen für die Zukunft weder etwas an der systematischen Unterbezahlung des gesamten Bereichs ändert, noch an den zahlreichen anderen Missständen, insbesondere der mangelnden Vor- und Nachbereitungszeit.

Doch diesmal sollte es anders sein. Schließlich haben Pandemie und Inflation den ohnehin katastrophalen Normalzustand bei Arbeitsbedingungen und Löhnen aufs Unaushaltbare verschärft. Die Wut der Kolleg*innen schien auch die GPA zu spüren. Die Forderung nach 6% Gehaltserhöhung und die Bereitschaft, einen öffentlichen Protest zu organisieren, gab vielen Kolleg*innen Hoffnung, dass diesmal endlich gekämpft werden würde, und zwar für etwas, das sich nicht nur lohnt, sondern bitter nötig ist. Doch schon die Reden der meisten Verantwortlichen seitens der GPA am 20.4. ließen Schlimmes erahnen: Um das Wort „Streik“ wurde ein größtmöglicher Bogen gemacht, stattdessen wurde immer wieder auf einen möglichst baldigen Abschluss verwiesen. Im Gegensatz dazu wurden die Reden von Kolleg*innen, die offen für Kampfmaßnahmen eintraten und auch nicht davor zurückscheuten, die Gewerkschaftsführung zu kritisieren, von den Kolleg*innen mit Abstand am besten aufgenommen.

Und dann gestern, weniger als eine Woche nach dem Protest, sickert es aus dem Verhandlungsteam durch: Es gibt ein Ergebnis – je nach Verwendungsbereich schwankt die Erhöhung des KV rund um die 3,6%, IST-Gehälter steigen konstant um ca. 0,3% weniger. Zum Vergleich: Im März lag die Inflation im Vergleich zum letzten Jahr bei 6,8% - bedenkt man, dass zur Berechnung der Preissteigerung der nicht repräsentative große Warenkorb herangezogen wird, und nicht der Miniwarenkorb, der Produkte des täglichen Bedarfs abdeckt, wird klar, dass das tägliche Leben tatsächlich noch viel teurer wird, als in der offiziellen Statistik abzulesen. Der Miniwarenkorb zeigt nämlich eine Preissteigerung von 13,7% im Vergleich zum letzten Jahr an. Das Ergebnis der Verhandlungen deckt also, realistisch betrachtet, nicht weit weniger als die Hälfte, ja gerade mal ein Viertel der Preissteigerung ab. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Kolleg*innen, insbesondere aber der unteren Verwendungsbereiche inkl. des „Zwischenbereichs“ VB4a, der ohnehin schon nur zum Gehaltsdumping eingeführt wurde.

Auf der Ebene der Arbeitszeit, etwa bei der Forderung nach einer 35-Stundenwoche, aber auch bei der Frage der Vor- und Nachbereitungszeit scheint es keine Veränderung zu geben – obwohl dafür nach den letzten KV-Verhandlungen extra eine „Arbeitsgruppe“ eingerichtet worden war. Dafür soll es mehr Urlaub nach 7 bzw. 10 Jahren geben, anstatt nach 7 bzw. 12 Jahren – das ist kein schlechter Witz mehr, sondern schlicht eine Beleidigung. Nur die wenigsten Kolleg*innen halten es unter diesen Arbeitsbedingungen überhaupt mehr als 5 Jahre in dem Bereich aus. Und jene, die es schaffen, bekommen beim Wechsel des Arbeitgebers nur beschränkt Vordienstzeiten angerechnet. Wer es unter diesen Umständen 7 bzw. 10 Jahre (bzw. realistisch betrachtet entsprechend mehr, aufgrund nicht angerechneter Jahre) aushält, bräuchte nicht ein paar Urlaubstage mehr, sondern mindestens ein Jahr Reha. Die einzigen, die tatsächlich von solchen faulen Kompromissen profitieren, sind fest eingesessene Betriebsratsvorsitzende, die es sich ohnehin zwischen Chefetagen und Gewerkschaftsbürokratie bequem gemacht haben.

Verantwortung für schlechtes Ergebnis auf Kolleg*innen abgeschoben

Nach unseren Informationen haben im großen Verhandlungsteam u.a. Betriebsrät*innen von update, jobtransfair, dem bfi Wien und interface gegen den Ausverkauf der Kolleg*innen gestimmt. Aus dem kleinen Verhandlungsteam kam die Rechtfertigung, dass auf dem Verhandlungstisch nicht mehr zu erreichen gewesen wäre, und dass die Wahl nur noch zwischen Abschluss und Warnstreiks lag.

Was für ein Hohn! In welcher Welt leben jene Verhandler*innen, die denken, dass am Verhandlungstisch etwas gewonnen werden könnte, das nicht durch zumindest in Aussicht gestellte Kampfmaßnahmen abgesichert ist? Warum sollten denn die Arbeitgeber*innen sich von „Verhandlungsgeschick“ beeindrucken lassen, wenn sie ohnehin wissen, dass die Gewerkschaft das einzige tatsächliche Druckmittel, das wir haben, nicht bereit ist, einzusetzen?

Die Ausrede, dass Warnstreiks nicht möglich gewesen wären, weil die meisten Betriebe nicht mitgegangen wären, ist pure Ablenkung. Wo gab es im Vorfeld gewerkschaftlich organisierte Abstimmungen über Streikbereitschaft? Nirgends. Welche Belegschaften wurden systematisch über die Möglichkeiten und Risiken eines Streiks, etwa durch Streik-Workshops, aufgeklärt? Keine. Auf der anderen Seite wissen wir aus Gesprächen mit zahlreichen Kolleg*innen beim Protest am 20.4., aber auch beim gemeinsamen gestrigen Aktivist*innentreffen der Initiativen „Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung“ (DiE) und „Sozial, aber nicht blöd“, dass sie sehr wohl bereit gewesen wären, zu streiken. Das Vernetzungstreffen trug den Titel: „Streiken oder Einknicken?“ Die Verantwortlichen am Verhandlungstisch haben sich für Letzteres entschieden.

Was tun?

Es kann so nicht weitergehen. Die Zeiten, in denen bei KV-Verhandlungen Verbesserungen durch rein symbolische Proteste erreicht werden, hat es nie gegeben – und am wenigsten heute. Es braucht eine offene Debatte darüber, wie es von der vielversprechenden Mobilisierung letzter Woche zu diesem katastrophalen Ergebnis kommen konnte. Eine betriebsübergreifende Diskussionsveranstaltung, bei der die Verantwortlichen Rechenschaft für ihr Verhalten ablegen, wäre dafür ein erster Schritt.

Was es aber eigentlich braucht, sind Urabstimmungen in den Betrieben über das Ergebnis. Diese würden aufzeigen, wie zufrieden die Kolleg*innen tatsächlich damit sind. Wenn die Argumente aus dem kleinen Verhandlungsteam stimmen, dann dürften sie vor solchen Abstimmungen keine Angst haben, immerhin schieben sie das Ergebnis ja auf die angebliche Apathie in den Betrieben. Wir hingegen glauben, dass solche Abstimmungen vor allem die Unzufriedenheit und die Wut der Kolleg*innen sichtbar machen würden – und das wäre ein wichtiger Schritt, diese Wut zu bündeln, zu organisieren, und sich auf die nächsten Verhandlungen mit konkreten Schritten in Richtung von Kampfmaßnahmen vorzubereiten. Eine erste Möglichkeit, die Wut zu organisieren, bieten die Mobilisierungen zum internationalen Tag der Pflege am 12.5., an denen sich auch Berufsgruppen aus dem breiteren Spektrum des Gesundheits- und Sozialbereichs beteiligen. Organisieren wir einen BABE-Block auf der Demo in Wien! Wir müssen jetzt mit dem Organisieren beginnen, den es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die Rahmenbedingungen nächstes Jahr einfacher werden, ganz im Gegenteil. Die aktuelle allumfassende und immer schlimmer werdende Krise erfordert furchtlose, kämpferische und demokratische Gewerkschaftspolitik. Ein „weiter so“ können wir uns nicht leisten.