BABE nach den Warnstreiks: Streiks ausweiten, keine faulen Kompromisse!

Sebastian Kugler, Mitglied der ISA, Aktivist bei DiE, ehemaliger BABE-Beschäftigter, jetzt Universitätsassistent und aktiv bei der Initiative Unterbau

Zum ersten Mal überhaupt streikten die Kolleg*innen aus dem 9.000 Beschäftigte umfassenden BABE-KV am 3. und 4. Mai im Kampf um den Kollektivvertragsabschluss. Im BABE sind die Beschäftigten privater Bildungseinrichtungen, vor allem der Erwachsenenbildung zusammengefasst - also Institutionen wie VHS und Berufsförderungsinstitut (bfi), aber auch profitorientierte Institute wie ibis acam oder update, die Kurse im Auftrag von AMS oder ÖIF ausführen und somit aus öffentlichen Geldern Profit schöpfen. Die Arbeitsbedingungen im BABE sind geprägt von Unterbezahlung, Überlastung und ständiger Jobunsicherheit. Kolleg*innen, die gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten, indem sie Deutsch als Zweit- und Fremdsprache lehren oder Menschen ohne höheren Bildungsabschluss einen zweiten Bildungsweg ermöglichen, müssen 30 Stunden und mehr in den Kursräumen stehen und haben dafür oft nicht mehr als 4 Stunden Vor- und Nachbereitungszeit. Lohnmäßig zählt der BABE zu den absoluten Dumping-KVs, während gleichzeitig maximal 5 Vordienstjahre bei einem Unternehmenswechsel angerechnet werden - und solche Wechsel stehen für viele fast jährlich an, wenn die ausgeschriebenen Projekte wieder an andere Firmen gehen. Gleichzeitig werden die Beschäftigten von AMS, ÖIF etc. als Kontrollorgane des Repressionsregimes gegen Arbeitslose und Migrant*innen missbraucht, indem sie mit administrativen Aufgaben zugemüllt werden, anstatt Ressourcen in Form von sozialer und psychologischer Unterstützung für die sozial wertvollen, aber oft auch enorm belastenden Aspekte der Arbeit zu erhalten. Die multiplen Krisen der letzten Jahre brachten nun bei vielen Kolleg*innen das Fass zum Überlaufen. Aufgrund des niedrigen Organisationsgrades blieb der Bereich lange Zeit von der Gewerkschaft größtenteils ignoriert, was die aktuellen Zustände erst ermöglicht hat. Die “Basisinitiative Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung (DiE)” setzt sich bereits seit Jahren für eine kämpferische und demokratische Betriebs- und Gewerkschaftspolitik in der Erwachsenenbildung ein. Vor allem nach den letzten katastrophalen KV-Abschlüssen während Corona und zu Beginn der Teuerungskrise organisierte DiE Veranstaltungen mit wütenden Kolleg*innen, Betriebsrät*innen und Verantwortlichen aus Verhandlungsteams und Gewerkschaft, um klar zu machen: So kann es nicht weitergehen. Ein zentrales Argument war dabei, dass wir Streiks brauchen, um unsere Forderungen nach dringend notwendigen Verbesserungen durchzusetzen.

Die Warnstreiks - eine Analyse

Dieser Druck, der von der Basis aufgebaut wurde, hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass es bei den aktuellen KV-Verhandlungen nach der rituellen öffentlichen Betriebsversammlung am Wiener Platz der Menschenrechte nicht - wie letztes Jahr - postwendend zu einem schlechten Abschluss gekommen ist, sondern seitens der GPA zu Warnstreiks aufgerufen wurde. Bereits bei der öffentlichen Betriebsversammlung im April hielten viele Kolleg*innen “#streikbereit”- Schilder in die Höhe, um ihre Kampfbereitschaft zu signalisieren. Und tatsächlich gilt es als erste Lehre der Warnstreiks festzuhalten: Die Kolleg*innen wollen und können streiken!

In allen Betrieben, von welchen für diesen Bericht Erfahrungen und Berichte gesammelt wurden (VHS, update, Interface, ibis acam, die Berater, abz…) zeigte sich ein ähnliches Bild: Trotz mangelnder Erfahrung, Organisation und Information beteiligten sich ein großer Teil der Kolleg*innen am Streik, übernahmen viele auch an kleineren Standorten die Streikleitung, bastelten Schilder, Plakate und Transparente, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen und zeigten sich bereit, weiter zu kämpfen.

Fehler der GPA

Der Einsatz der Kolleg*innen ist umso bewundernswerter, als die Streiks seitens der GPA mehr als unvorteilhaft organisiert wurden. In vielen Betrieben fühlten sich Kolleg*innen bis zuletzt unzureichend über rechtliche Fragen, Streikgeld etc. informiert. Schwer wog aber vor allem, dass “man” von oben herab (Berichten zufolge offenbar ohne eingehendere Diskussion) sich dafür entschied, nur an den einzelnen und vereinzelten Standorten zu streiken, und explizit gegen gemeinsame Aktionen im öffentlichen Raum. Das Argument der GPA, dass es gerade Kolleg*innen der schlechter organisierten profitorientierten Institute damit leichter gemacht werden sollte, sich am Streik zu beteiligen, ist völlig verkehrt - im Gegenteil führte in einem solchen Bereich mit generell niedrigem Organisationsgrad die Vereinzelung und Nicht-Koordinierung der Streiktage, -zeiten und -aktionen dazu, dass gerade kleinere Betriebe, in denen es teilweise nicht einmal Betriebsratsstrukturen gibt, es besonders schwer gemacht wurde, zu streiken. Gut vorbereitete und kommunizierte öffentliche Streikkundgebungen, zu denen man gemeinsam vom Standort aufbricht, um möglichst viele Kolleg*innen mitzunehmen - oder zumindest gemeinsame Streikposten, in denen besser organisierte Betriebe schwächere unterstützen - hätten die Streikbeteiligung, die Sichtbarkeit und dadurch auch die Wirksamkeit enorm befördert. Die Behauptung, dass es verboten sei, während des Streiks den Standort zu verlassen, ist falsch und auch durch die Praxis der letzten Jahre, etwa bei den SWÖ-Streikdemonstrationen, widerlegt.

Öffentlich und demokratisch streiken - Interface zeigt es vor

Das bewiesen bei den Warnstreiks insbesondere die Kolleg*innen von Interface in Wien, die in absolut vorbildlicher Manier am 3.5. eine öffentliche Streikkundgebung am Mozartplatz organisierten. Bei Interface wurde bereits im Vorfeld demokratisch ein Streikkomittee gebildet und auch seitens des Betriebsrats Kolleg*innen einbezogen. Das Ergebnis war eine lebendige Aktion mit zahlreichen Redebeiträgen, Schildern und Transparenten. Die Kundgebung ermöglichte auch die Überbringung von Solidaritätsbotschaften aus anderen Bereichen des Bildungssystems, etwa von der Unibeschäftigten-Initiative Unterbau. Positiv war auch die Anwesenheit eines Kollegen von der GPA selbst, der unterstützende Worte sprach - allerdings durch eine Lautsprecheranlage, welche Aktivist*innen der ISA und DiE zur Verfügung stellen mussten, da die GPA sich im Vorhinein geweigert hatte, der Kundgebung die notwendige technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen! Das alles zeigt, wie berechtigt die Sorge der Kolleg*innen ist, die sich in Transparenten und Spruchbändern wie “GPA, wir sind da, knick nicht ein! HAU REIN!” und “500,- mehr, GPA fall nicht um! Wir stehen hinter dir” ausdrückte.

Nächster Verhandlungstermin 22.5. - Nicht einknicken, sondern Streiks ausweiten!

Dass die Streiks, so wie sie organisiert wurden, nicht demoralisierend und demobilisierend gewirkt haben, ist somit vor allem auf die hohe Kampfbereitschaft der Kolleg*innen an der Basis und die Initiative kämpferischer Betriebsrät*innen zurückzuführen. Daran gilt es jetzt anzuknüpfen. Denn bei der nächsten Verhandlungsrunde am 22.5. werden die Unternehmensseite kein substantiell besseres Angebot - und schon gar nicht die geforderten 15% - auf den Tisch legen. Im Gegenteil: Sie kennen den traditionellen gewerkschaftlichen Umgang mit KV-Verhandlungen (die Geschäftsführung des ÖGB-eigenen bfi wohl am besten) und wissen, dass die Eskalationsstrategie der Gewerkschaft für gewöhnlich maximal bis zu Warnstreiks reicht - warum sollten sie also jetzt nachgeben, nachdem aus der Sicht der Kolleg*innen in den ÖGB- und GPA-Zentralen das “Ende der Fahnenstange” erreicht ist?

Deswegen müssen wir die Streiks jetzt erst ausweiten und dabei die Lehren aus den Warnstreiks ziehen. Ein Tabu wurde gebrochen: Es wurde gezeigt, dass es möglich ist, zu streiken - und zwar aktiv, kämpferisch und demokratisch! Daran anzuknüpfen bedeutet, weitere Streiks zu organisieren, und zwar koordiniert, ganztägig, und mit gemeinsamen öffentlichen Aktionen, um die Unterstützung aus der Öffentlichkeit zu bekommen. Konkret sollten wir am 22.5. selbst durch eine lautstarke Demonstration den Verhandler*innen den Rücken stärken und zeigen, dass wir keinen faulen Kompromiss akzeptieren können. Darauf können wir hinarbeiten, indem durch weitere Betriebsversammlungen in den nächsten Wochen Streikkomitees gebildet bzw. neu gewählt werden, welche die nächsten Aktionen gemeinsam vorbereiten. Das bedeutet auch, Kursteilnehmer*innen etc. einzubinden - schließlich leiden auch sie massiv unter den schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und unter dem ganzen Repressionsapparat von AMS, ÖIF etc., der dafür verantwortlich ist! Gleichzeitig sollten wir unsere Hand in Richtung all der anderen Initiativen im Bildungsbereich ausstrecken, die für 15.6. einen gemeinsamen bundesweiten Aktionstag planen - machen wir den 22.5. zum gemeinsamen Auftakt für den 15.6.! Schließlich ist es auch gut möglich, dass die unmittelbare Auseinandersetzung um den KV zu diesem Zeitpunkt noch andauert. Denn wir müssen ebenso darum kämpfen, dass die Entscheidung über die Annahme eines Angebots letztlich nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden darf: Es braucht Urabstimmungen in allen Betrieben über einen eventuellen Abschluss, und solange kein Angebot auf dem Tisch liegt, das bei solchen Urabstimmungen akzeptiert wird, wird weiter gekämpft!

Deswegen:

  • Fordern, was nötig ist: 15% und Mindestbetrag von 500.-!

  • Keine faulen Kompromisse: Für Streik und Demonstration anlässlich der KV-Verhandlungen am 22.5.!

  • Streiks ausweiten: Jetzt ein Datum für einen bundesweiten, ganztägigen und koordinierten Streiktag mit öffentlichen Aktionen und Demonstrationen!

  • Demokratisch verhandeln: Für Urabstimmungen in den Betrieben über einen eventuellen Abschluss!

  • Kämpfe verbinden: Heraus zum bundesweiten Aktionstag von Initiativen im Bildungsbereich am 15.6.!