Betrieb und Gewerkschaft

Ein 1. Mai im Zeichen des Aufbaus von Widerstand gegen Rechtsruck und Krise sowie Erfolgen und Chancen für die Linke

ISA-Redaktion

ROSA-Block in Wien

ISA und ROSA in Salzburg

ISA- und ROSA-Aktivist*innen in Linz

ROSA-Block in Linz

Solidarität mit Gaza am 1. Mai

ROSA-Aktivist*innen in Wien

ISA- und ROSA-Aktivist*innen haben gemeinsam diverse Demos am 1. Mai in Wien, Graz, Linz und Salzburg besucht. Wir haben diesen traditionellen Kampftag der Arbeiter*innenklasse genutzt um gegen jede Form der Ausbeutung und Unterdrückung aufzutreten. Unser Ziel ist klar: den Aufbau einer weltweiten Bewegung gegen das kapitalistische System mit all seinen furchtbaren Auswüchsen - wie Teuerungs- Klima- oder Care-Krise, unmenschliche Arbeitsbedingungen, der Krieg in Gaza und der Ukraine oder rassistische und sexistische Gewalt. Schließ dich dafür der ISA an!

Besonders auf den Demonstrationen der KPÖ haben wir unsere sozialistische Monatszeitung VORWÄRTS, die in ihrer aktuellen Ausgabe einen Schwerpunkt zu den nächsten Wahlen beinhaltet, angeboten. Dabei haben wir klar gemacht, dass wir dabei helfen wollen die KPÖ ins Parlament zu bringen aber auch betont, dass wir diese Situation nutzen müssen um Widerstand auch auf der Straße und in den Betrieben aufzubauen. Ihr könnt die Ausgabe hier bestellen und/oder den Artikel hier lesen.

Es ist zu befürchten, dass die Auseinandersetzungen vor den Wahlen von rassistischer, sexistischer und queerfeindlicher Hetze dominiert wird. Dem müssen wir offensiv entgegentreten! Auch im Hinblick welche Forderungen KPÖ und andere Linke im Wahlkampf präsentieren sollten, sagen wir: Die Linke muss jeden Angriff der Herrschenden auf die unterdrücktesten Teile der Arbeiter*innenklasse politisch und praktisch beantwortet! 

Der kämpferische Auftritt von ROSA - kämpferisch.sozialistisch.feministisch in verschiedenen Städten am 1. Mai tat genau das!
Wenn du Interesse hast, selbst aktiv zu werden, schreib uns und besuche unsere nächsten Treffen!

 

AUA-Streik gegen 40 % Gehaltsunterschied - gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

von Peter Hauer

Der Streik der Pilot*innen und Flugbegleiter*innen bei der AUA baut zur richtigen Zeit den nötigen Druck auf, um die Forderungen nach Reallohnerhöhungen durchsetzen zu können! Gerade in der Ferienzeit braucht es die aktive Solidarität der Passagier*innen und Bevölkerung, um dem AUA-Management die Erzählung davon, dass Kolleg*innen und Gewerkschaft “Schuld” an den Flugausfällen seien, nicht durchgehen zu lassen!

Die jüngsten “Angebote” des AUA-Managements (u.a. 18% auf zwei Jahre für Pilot*innen) - sind ein einziger Hohn, 18% aber nur beim Erreichen eines utopischen Gewinns und der Rest besteht zum Teil aus nicht nachhaltigen Einmalzahlungen. Kolleg*innen der AUA verdienen im Schnitt 40% weniger als Kolleg*innen der Lufthansa! Wir nehmen die Gewerkschaftsführung der vida beim Wort, wenn sie sagt, dass Ziel des Kampfes sein muss, diese Lücke endlich auszugleichen. 

Die Aussagen von CEO Annette Mann können nur als Drohungen und Erpressungsversuche verstanden werden! Ihre Behauptung, die AUA würde bei einer Durchsetzung der berechtigten Forderungen “in ihrer jetzigen Form keine Zukunft mehr haben” ist verlogen! Die Vorstandsvorsitzende erklärt in der ZIB1 ganz offen, dass die Rekordprofite des letzten Jahres nur deswegen möglich sind, weil die deutsche Lufthansa Leitung (zu der die AUA gehört) schlechte ausländische Löhne ausnutzt. Um diese schlechten Löhne zu gewährleisten, soll in Zukunft die AUA evtl. mit einer anderen Billig-Airline aus dem Mutterkonzern mit genauso schlechten Löhnen ersetzt werden. Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa Carsten Spohr hat einen Gehaltsdeckel von 11 Mio Euro im Jahr! Hunderte Millionen an Steuergeldern sind in den letzten Jahrzehnten bedingungslos in den Konzern geflossen. Wir haben für die Krise gezahlt - sie haben profitiert!

Aber nicht nur bei der AUA gibt es Arbeitskämpfe gegen die schlechten Löhne. In Deutschland hat das Bodenpersonal der Lufthansa eine tatsächliche Lohnerhöhung 18% über 2 Jahre erkämpft. Die höheren Löhne der Lufthansa werden jetzt gegen die Kolleg*innen der AUA ausgespielt. Der Kampf für höhere Löhne ist kein Kampf Standort gegen Standort, sondern ein gemeinsamer Kampf gegen die Chefetage, die versucht, Beschäftigte gegeneinander auszuspielen und zu spalten.

Die Antwort der Gewerkschaften muss sein, dass man den Kampf für höhere Löhne international, gemeinsam und gleichzeitig führt. Es braucht einen aktiven Zusammenschluss der Gewerkschaften die die Verhandlungen koordiniert und verhindert, dass Arbeiter*innen verschiedener Länder abgehängt werden. Die Gewerkschaft der Lokführer*innen in Deutschland hat eine Arbeitszeitverkürzung erkämpfen können. Wenn man die Streiks und Verhandlungen der verschiedenen Teile der Lufthansa koordiniert könnte man solche Verbesserungen schneller und leichter erreichen.

Neben der Internationalisierung der Streiks braucht es auch eine Demokratisierung des Kampfs. 1.200 Beschäftigte nahmen an der letzten Betriebsversammlung der AUA teil. Diese Betriebsversammlungen müssen dazu dienen die Forderungen gemeinsam zu diskutieren und über die Angebote der Chefs abzustimmen. Nach den Lohnverlusten der letzten Jahre braucht es eine echte Verbesserung und dafür braucht die Gewerkschaftsführung die gesamte Belegschaft hinter sich.

Auch wenn es paradox klingt, könnte die Klimabewegung eine weitere Unterstützung sein. In Deutschland und Österreich unterstützt Fridays for Future die Busfahrer*innen im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. Der Luftverkehr ist einer der größten Umweltverschmutzer, aber auch die Beschäftigten der Luftfahrt haben ein Recht auf eine intakte Umwelt und einen Arbeitsplatz. Gemeinsam mit den Klimaaktivist*innen kann man für eine ökologische Transformation der Branche - bei vollem Erhalt aller Arbeitsplätze und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen - kämpfen.

Es ist eine schwierige Ausgangssituation für die Beschäftigten der AUA, aber der perfekte Zeitpunkt für Streiks. Die Osterferien als Reisezeit sind genutzt worden, um den Druck gegen die Geschäftsführung zu erhöhen. Auch der Unfall am Samstag zeigt, dass es den Druck gegen die Geschäftsführung braucht. Immer wieder passieren Rangierunfälle, weil Bodenpersonal fehlt.

Profitlogik führt zu schlechten Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und Ausbeutung. Der (österreichische) Staat hat schon unzählige Male bedingungslos Unsummen an Steuergeldern und (indirekte) Subventionen in die AUA gepumpt, um die privaten Profite eines (deutschen) Konzerns zu sichern. Wir sagen: Es braucht endlich eine entschädigungslose Verstaatlichung der AUA. Doch um zu verhindern, dass nicht wieder nur Verlust(e)/-geschäfte verstaatlicht werden, braucht es dafür die demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten und Gesellschaft darüber, um sie im allgemeinen Interesse weiterzuführen - ökologisch zu transformieren - und gute Löhne und Arbeitsbedingungen zu garantieren.

 

 

Solidarität mit den Freizeitpädagog*innen! Gemeinsam kämpfen für gute Bildung für alle!

von ROSA - Internationale Sozialistische Aktivist*innen

Seit einem Jahr führen Freizeitpädagog*innen einen unermüdlichen Kampf gegen die Angriffe der Bundesregierung. Ihre beeindruckende Streik- und Protestbewegung hat deutlich gemacht: Wir lassen nicht zu, dass die Freizeitpädagogik de facto abgeschafft wird! Die Regierung hatte geplant, die Freizeitpädagogik zu zerschlagen und mit “Assistenzpädagog*innen” die Lücken im Bildungssystem “billig” zu füllen. Seitdem wurden wichtige Etappensiege errungen - doch das bedeutet nicht, dass die Gefahr der Angriffe vorbei ist! Die Kolleg*innen bereiten sich auf weitere Aktionen und Streiks vor, falls das Ministerium die Pläne doch umsetzen will - und sie brauchen dabei größtmögliche Solidarität!

Bildung brennt - und mit FPÖVP drohen weitere Angriffe!

Der Angriff auf die Freizeitpädagogik ist nur die Spitze des Eisbergs. An allen Ecken und Enden brennt es im Bildungsbereich - von der Elementarpädagogik bis zur Universität. Jeden Tag verlassen 1-2 Lehrer*innen in Wien den Job. Die Situation ist katastrophal - und jetzt werden Kinder und Jugendliche auch noch in Containerklassen gepfercht, anstatt die notwendigen Mittel für mehr Ressourcen, Räume und Personal zur Verfügung zu stellen. Seien es die rassistischen Deutschförderklassen oder der drastische Mangel an vielfältigem Personal (von Lehrpersonen bis hin zu Sozialarbeiter*innen) - der Bildungsbereich wird kaputtgespart. Weitere Angriffe stehen bevor: Die ÖVP spricht im „Österreichplan“ davon, Bildung weiter ins Private zu drängen. Die FPÖ will Deutschkenntnisse als Voraussetzung für den Schuleintritt. Entscheidungen werden über unsere Köpfe hinweg von Politiker*innen und Bildungsministerien getroffen - die keine Ahnung von der Realität haben. Ihre Bildungspolitik verfolgt rein wirtschaftliche Interessen.

Solidarität aufbauen - die Krise des Bildungssystems betrifft uns alle!

Die Kolleg*innen der Freizeitpädagogik haben über 18.000 Unterschriften für den Erhalt ihres Berufs gesammelt! Wir brauchen diese Solidarität. Ob als Beschäftigte, Schüler*innen oder Eltern - der Kampf um gute Bildung betrifft uns alle. Die Arbeitsbedingungen sind die Lernbedingungen. Dieselbe Regierung, die die Freizeitpädagogik angreift, hungert auch den gesamten Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich aus. Besonders betroffen davon sind Frauen und LGBTQIA+ Personen - als Mehrheit der Beschäftigten und als diejenigen, die auch noch zusätzlich unbezahlte Care-Arbeit Zuhause leisten. Schulen und Bildungseinrichtungen dürfen keine Aufbewahrungsstätten sein.

Der Kampf der Freizeitpädagog*innen betrifft auch die Frage, welches Bildungssystem wir brauchen. Es braucht spezialisiertes Personal und unterschiedliche Berufsgruppen, um auf alle Bedürfnisse eingehen zu können. Kleinere Gruppen- und Klassengrößen sind dafür dringend nötig. Die Zustände verschlimmern auch Diskriminierung. Diverse Formen von Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit - all das prägt den Alltag von Schüler*innen und Lehrenden. Fehlende demokratische Anlaufstellen und Strukturen im Kampf gegen Übergriffe und Diskriminierung führen dazu, dass viele in psychische Krisen verfallen und sich ohnmächtig fühlen. Egal auf welches Problem wir blicken: Der Mangel im Bildungsbereich betrifft eine Vielzahl von Menschen - wir müssen gemeinsam kämpfen. 

Streiks im Bildungsbereich organisieren!

Bei den künftigen Kämpfen brauchen die Freizeitpädagog*innen unsere Unterstützung: sei es durch Aufklärung über ihre Forderungen an unseren Schulen und in unseren Bildungseinrichtungen, unter Eltern, Nachbar*innen und in der Öffentlichkeit oder durch aktive Beteiligung an den Protestaktionen. Die Kolleg*innen haben gezeigt, dass es möglich ist, erfolgreich zu kämpfen. Und dass es dafür mehr braucht als Demos - bis hin zu Streiks, um den nötigen Druck - auch auf die zuständigen Gewerkschaften - aufzubauen. Gemeinsame Streiks von Lehrpersonen, Freizeitpädagog*innen und auch Schüler*innen könnten nicht nur den gesamten Schulbetrieb zum Stehen bringen, sondern das aktuelle Bildungssystem ganz grundlegend in Frage stellen.

Durch demokratische Versammlungen, Diskussionen und Vernetzung können wir uns darüber austauschen, wo die Probleme liegen und welches Bildungssystem wir eigentlich brauchen: eines, das von den wahren Expert*innen - Schüler*innen, Lehrenden sowie Eltern und der Gesellschaft - nach unseren Bedürfnissen und Fähigkeiten -  kontrolliert und gestaltet wird; ein Bildungssystem, das mit der die Logik des Kapitalismus bricht. 

Faulen Kompromiss verhindern - alle mobilisieren!

Auch bei der aktuellen Auseinandersetzung um die Freizeitpädagogik darf es keine Geheimverhandlungen oder Deals über die Köpfe der Beschäftigten hinweg geben. Sonst haben wir keine Chance einzugreifen und Verschlechterungen zu verhindern. Es braucht volle Transparenz über den Stand der Dinge, Vorschläge und Forderungen. Jedes Verhandlungsergebnis muss von allen betroffenen Beschäftigten abgestimmt werden, bevor es angenommen wird. Kampfmaßnahmen müssen demokratisch von unten organisiert werden. So wie es der BiM-Betriebsrat vorlebt, müssen wir das auch von der Gewerkschaftspitze verlangen. Denn nur diese Einbindung schafft das Vertrauen und die Bereitschaft bei den Kolleg*innen weiter zu kämpfen.

Auf zum gemeinsamen Bildungsaktionstag am 6. Juni!

Ein wichtiger nächster Schritt könnte der der Bildungsaktionstag am 6. Juni sein. Schon letztes Jahr haben Tausende aus den verschiedenen Bereichen der Bildung gemeinsam protestiert. Die Beteiligung der Freizeitpädagog*innen war dabei zentral. Wir müssen noch lauter und kämpferischer werden und diesen Tag nutzen, um uns zu organisieren. An unseren Schulen und Bildungseinrichtungen. Um für die Demonstration zu mobilisieren, aber auch um weitere Schritte für den Kampf um gute, ausfinanzierte, antirassistische, antisexistische und inklusive Bildung für alle zu planen.

Werde Teil von ROSA, wenn du diesen Kampf mit aufbauen willst! Schreib uns eine Nachricht und bring dich in kommende Aktionen und Mobilisierungen ein!

 

IT-KV: „Warnstreiks nicht nur beschließen, sondern auch umsetzen!“

Interview mit Christina Schilcher, beschäftigt im 3rd Level Software Support

Du arbeitest in der IT. Wie ist dieser Bereich zusammengesetzt? Welche Entwicklungen macht die Branche durch?

Die IT ist in einem andauernden Wandel und entwickelt sich ständig weiter - vor allem in Zeiten von AI, Cloud usw. Die IT-Branche lebt von Innovationen.

Die Branche ist männerdominiert, der Frauenanteil ist gering, erhöht sich jedoch. Was allerdings oft mit einer "Feminisierung" (= Erhöhung des Frauenanteils in einer Branche) einhergeht, ist ein Sinken des Durchschnittsgehalts. 

Der IT-KV hat im Februar die Lohnverhandlungen abgeschlossen. Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?

Ich und auch meine Kolleg*innen waren vom Abschluss sehr enttäuscht - so ein Ergebnis nach neun Verhandlungsrunden! Es wurde weit unter den ursprünglichen Forderungen abgeschlossen und nicht einmal die Inflation wird abgedeckt.

Zwar wurde mit dem 2-Jahres-Abschluss für nächstes Jahr ein Abschluss über der Inflation garantiert, allerdings gleicht das auch (wenn überhaupt) nur die Reallohnverluste aus, die wir dieses Jahr einstecken müssen, und es gibt keine Luft nach oben.

Außerdem muss die Erhöhung der IST-Gehälter weiterhin nicht an alle Mitarbeiter*innen weitergegeben werden - bis zu 10% der Beschäftigten eines Betriebes können von der IST-Erhöhung ausgenommen werden.

Aber vor allem muss endlich über eine Arbeitszeitverringerung bei vollem Lohnausgleich gesprochen werden. Arbeit wird immer produktiver, Arbeitnehmer*innen sollen immer mehr in kürzerer Zeit leisten, aber die Unternehmen schlagen nur Profit daraus, ohne etwas an uns weiterzugeben.

Vor dem Abschluss hat es eine große Demonstration in Wien und Versammlungen mit Warnstreikbeschlüssen in vielen Betrieben gegeben. Denkst du, haben diese Schritte geholfen?

Die Demonstration und die Warnstreikbeschlüsse haben definitiv die Kampfbereitschaft der Belegschaft in der IT gezeigt und auch in meinem Umfeld viele zuvor weniger kampfbereite Kolleg*innen motiviert. Allerdings waren diese Schritte nicht genug, um den Abschluss zu verbessern, Warnstreikbeschlüsse allein bringen uns nichts - man muss diese auch umsetzen und nutzen, um die eigenen Forderungen durchzusetzen. In vielen Betrieben gibt es keinen Betriebsrat und von der Gewerkschaft wird man über die Maßnahmen im Dunkeln gelassen. Auch hat die Gewerkschaft in den Verhandlungen zu früh unter den sturen Arbeitgeber*innen nachgegeben.

Es hat auch schon letztes Jahr Demos des IT-KVs in Wien und Linz gegeben. Baut sich hier eine Kampfbereitschaft auf? Woher kommt diese?

Die multiplen Krisen des Kapitalismus, Krieg, Inflation, Reallohnverluste, aber auch die Erhöhung des Frauenanteils in der Branche steigern die Kampfbereitschaft. Die IT wirft nach wie vor enorme Gewinne ab. Konzerne reden trotzdem von “Fachkräftemangel”, aber schließen unter der Inflation ab. Das sorgt nicht nur für Wut, sondern Arbeitnehmer*innen wird verstärkt bewusst, wer die ökonomische Macht hat. Vor allem Frauen und queere Personen sind durch die Rolle, die ihnen von der Gesellschaft auferlegt wird, oft kampfbereiter.

Haben dazu Diskussionen in deinem Betrieb stattgefunden? Wie war die Stimmung da?

Ich habe mich in meinem Betrieb mit einigen Kolleg*innen über die eventuell kommenden Warnstreiks unterhalten. Vor allem unter den weiblichen Kolleginnen war die Stimmung kämpferisch. Wir haben uns oft über die aktuellen Entwicklungen ausgetauscht, gemeinsam viel über das Thema Streiks gelernt und einige Kolleg*innen mobilisieren können, bei einem etwaigen Warnstreik mitzumachen!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Arbeitszeitverkürzung – nur durch Kämpfe erreichbar

von Anna Hiermann

Die letzte Verkürzung der Wochenarbeitszeit fand in Österreich 1975 statt. Außerdem wurde die Errungenschaft des 8-Stunden-Tages durch die Einführung des 12-Stunden-Tages unter der ÖVP-FPÖ Regierung 2018 bereits ausgehöhlt. Aufgrund des harten Berufsalltages vieler Menschen wird diese äußerst wichtige Debatte erneut aufgemacht und kontrovers geführt.

Panik der Herrschenden

Die Interessensvertretung der Unternehmer*innen, die Wirtschaftskammer, reagierte auf die Forderung der Arbeitszeitverkürzung von Seiten der SPÖ bzw. Andreas Bablers äußerst panisch und startet eine breite Propagandakampagne gegen die 32-Stunden-Woche. Unter dem Motto „Mehr arbeiten muss sich mehr auszahlen“ wird vor den angeblich verheerenden Folgen einer geringeren Wochenstundenanzahl gewarnt, beispielsweise vor einem enormen Wohlstandsverlust und einem noch weiter zugespitzten Arbeitskräftemangel im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich.  Die Tatsache, dass gewisse Branchen aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen gemieden werden, wird unter den Tisch gekehrt. Ideen, wie diese Bedingungen verbessert werden können, kommen keine. Stattdessen wird u.a. auf die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland gesetzt. Natürlich nicht um den sog. „Arbeitskräftemangel“ zu beseitigen, sondern um Migrant*innen als Lohndrücker*innen zu missbrauchen.

Obwohl der Wahlkampf für die Parlamentswahlen bald starten wird, ist es um die Forderung der 32-Stunden-Woche relativ ruhig geworden. Dabei wäre das eine Möglichkeit für Andreas Babler, den unsozialen Charakter der FPÖ aufzudecken. Dieser Kampf wird aber aktuell von der SPÖ nicht geführt. Das liegt daran, dass Babler den offenen Konflikt mit Institutionen wie der Wirtschaftskammer meidet - und auch mit deren Freunden in der SPÖ. Dabei wäre eine offensive Kampagne für Arbeitszeitverkürzung eine Chance, die FPÖ bei den Wahlen zurückzudrängen: Es würde sie zwingen, ihre soziale Rhetorik abzulegen und sich als Unternehmerpartei zu enttarnen.

Arbeitskämpfe

Eine Verkürzung der Arbeitszeit wird uns nicht einfach geschenkt werden. Die Kampagne der WKO und die Einführung des 12-Stunden-Tages 2018, zeigen, dass die Unternehmen eine Erhöhung der momentanen Wochenarbeitszeit anstreben. Die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer hingegen sind zu zögerlich in der Umsetzung einer Arbeitszeitverkürzung. Im SWÖ Vertrag beispielsweise ist die Normalarbeitszeit auf 37 Stunden pro Woche festgelegt. Diese geringfügige Verringerung bedeutet jedoch nicht, dass die Arbeitsbelastung geringer wird – im Gegenteil. In der Praxis führt dies zu einer Arbeitszeitverdichtung und somit zu einer noch höheren Arbeitsbelastung. Deshalb muss die Arbeitszeit in einem Zug verkürzt werden, anstatt schrittweise. Parallel dazu müssen zusätzliche Mitarbeiter*innen eingestellt werden, um eine Arbeitsverdichtung zu verhindern. Natürlich darf es auch keine Abstriche beim Lohn geben. Erkämpfen werden wir uns diese Forderungen jedoch nur mit flächendeckenden und branchenübergreifenden Streiks. Der Gegenwind seitens der Herrschenden wird nämlich groß sein.

Info:

Für die Gleichstellung der Geschlechter und eine gerechte Aufteilung der Care-Arbeit ist eine Verkürzung der Arbeitszeit unumgänglich. Zahlreiche Frauen arbeiten Teilzeit, oftmals aufgrund von Kindererziehung. Arbeiten beide Partner, z. B. 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich, sind Frauen nicht mehr von ihren Partnern finanziell abhängig.  Außerdem wird es so für Familien insgesamt einfacher, sich ihren Kindern zu widmen. 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Öffistreik = Klimastreik

von Jan Millonig

 „Wir sind stolz auf euch, dass ihr eure Arbeitsbedingungen vertretet und stehen bleibt! Auch wir sind froh, dass wir jetzt endlich die Klimabewegung auf unserer Seite haben.”, so grüßt eine Postbus-Betriebsrätin von der Initiative #wirfahrengemeinsam.at die deutsche Vorbildkampagne #wirfahrenzusammen. Das Bündnis zwischen „Fridays for Future“ und der deutsche Gewerkschaft ver.di anlässlich der Tarifverhandlungen [Kollektivverträge] im Nahverkehr ist tatsächlich eine erfreuliche und längst überfällige Entwicklung.

Zu Redaktionsschluss stand der gemeinsame Klimastreik am 1. März noch vor uns. Doch bereits Anfang Februar fanden erste Aktionen dieser Art in Deutschland statt. Der Bereich umfasst rund 90.000 Beschäftigte, doch bräuchte bis 2030 doppelt so viele, um die (ohnehin zu niedrigen) Klimaziele zu erreichen. „Fridays for Future“ hat erkannt, dass das nur mit besseren Arbeitsbedingungen geht. Denn auch dieser Bereich leidet unter massivem Personalmangel. Sie verlangen 100 Milliarden Euro für den öffentlichen Verkehr und fordern damit die Ampel-Regierung heraus. 

Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!

Die Kampagne zeigt aber auch etwas Grundlegendes auf: Wir müssen als Arbeiter*innen selbst für Veränderung kämpfen und haben mit echten Streiks, also Arbeitsniederlegungen, ein wirksames Druckmittel dafür. So ist es auch kein Zufall, dass dieser Schulterschluss in Deutschland seinen Ursprung genommen hat, wo wir in den letzten Jahren mehrere große Streikwellen in der Pflege, bei Erzieher*innen und im öffentlichen Verkehr sahen. Bei Treffen der Initiative sprechen deshalb auch Aktivist*innen von ebendiesen Kämpfen, um ihre Erfahrungen zu teilen.

Dabei werden „instinktiv" die Kämpfe zur Rettung des Planeten, gegen den Rechtsruck und für Soziales verbunden. So heißt es in einem Video z.B.: „Wir brauchen eine Klimabewegung, die die Sorgen am Ende des Monats mit den Sorgen um das Ende der Welt verbindet.“

Wenn Klimaaktivist*innen, Busfahrer*innen, Pfleger*innen und Antifaschist*innen gemeinsam „Wir halten zusammen!“ in die Kamera rufen, dann ist das nichts anderes als ein grundlegendes Klassenbewusstsein, also die Erkenntnis, dass wir – die arbeitende Mehrheit – ein gemeinsames Interesse an guten Lebensbedingungen haben und dieses gemeinsam gegen die Herrschenden durchsetzen müssen.

Die Forderungen bleiben jedoch immer noch recht vage. So könnte z.B. eine klare Forderung nach “gratis Öffis für alle” die Logik des Profitsystems herausfordern. Denn was der Klimabewegung noch fehlt, ist eine klare Ansage was der „System Change“ bedeuten würde und müsste. Denn Profitinteressen, “freier Markt” und Expansionsdruck - kurz Kapitalismus - stehen grundsätzlich im Widerspruch zur notwendigen Planung der Ressourcen und des Verkehrs zum Wohle aller.

KlimaSTREIKS auch in Österreich organisieren!

Auch in Österreich haben sich die Gewerkschaft vida, “System Change Not Climate Change” und „Fridays for Future“ im Bündnis #wirfahrengemeinsam.at zusammengefunden. Doch aufgrund der zersplitterten Kollektivverträge in Österreich – eine Situation, die sich die Gewerkschaften leider selbst eingebrockt haben – hat diese einen weniger umfassenden Charakter und beschränkt sich zurzeit auf private Busunternehmen; obwohl dieselbe Gewerkschaft auch für die Eisenbahner*innen zuständig ist, wo es bereits beim Bahnstreik 2022 Solidaritätsaktionen von „Fridays for Future“ gegeben hat. Doch genau in diese Richtung sollten wir auch in Österreich hin zu den nächsten KV-Verhandlungen im Herbst arbeiten. Damit auch hierzulande bald Tausende streikende Beschäftigte die Klimademos mit roten Fahnen schmücken.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Bilanz Herbstlohnrunde 2023: Ende der sozialpartnerschaftlichen Routine?

von Martina Gergits (Beschäftigte in der Automobilindustrie) und der VORWÄRTS-Redaktion

Es war eine turbulente Herbstlohnrunde. Vor dem Hintergrund einer beginnenden Rezession und den massiv gestiegenen Lebenserhaltungskosten krachte es zwischen Beschäftigten und der Profitgier der Bosse. Während Miete, Energiekosten und Lebensmittelpreise mit der Inflation stiegen, blieben Löhne und Gehälter auf der Strecke. Dies gepaart mit dem Trend der Arbeitsverdichtung und Personalnot in praktisch allen Bereichen ließ den Kragen der Beschäftigten platzen und suchte sich sein Ventil auf der betrieblichen Ebene. 

Im Gegensatz zu den Vorjahren war eine zentrale Frage weniger, ob gestreikt wird, sondern wie. Eingeleitet wurde dieser Herbst von einem fristlosen Streik bei dem Tiefkühlproduzenten Ardo. Darauf folgten Streiks der Kindergarten- und Freizeitpädagog*innen und weitere Streiks während der KV-Verhandlungen der Metall-Industrie, dem Handel und bei A1-Telekom. Gerade in der Privatwirtschaft sah man, dass die Bosse absolut nicht bereit waren, auch nur einem Inflationsausgleich nachzukommen, geschweige denn einen Anteil der massiven Rekordgewinne aus dem Vorjahr an die Beschäftigten weiter zu geben. Dies zeigte sich bspw. in dem frechen Einstiegsangebot im Metall-Industrie KV von 2,5%, ähnlich niedrig waren die Einstiegsangebote im Handel, der IT-Branche und der Telekom. 

Streiks im Handel und Metallbereich

Die Verhandlungsteams, genauso wie die Gewerkschaftsspitze mussten erkennen, dass es in einigen Kollektivverträgen nicht zur jährlichen Verhandlungsharmonie kommen würde. Sie waren zum Handeln gezwungen. Sie spielten ihre Routine ab: Betriebsrät*innenkonferenz, Betriebsversammlungen, Warnstreiks - alles half nichts. Die Bosse blieben bei einem schlechten Angebot mit minimalen Anpassungen. So kam es das erste Mal seit über 10 Jahren in der Metallindustrie zu längeren und das erste Mal seit 40 Jahren im Handel überhaupt zu Streiks. Teile der Metallindustrie-Beschäftigten konnten hier bereits auf Erfahrungen bei Warnstreiks zurückgreifen, für andere war es das erste gemeinsame Organisieren. Die Beschäftigten bewiesen ihre Kampfbereitschaft. Es kam zu Streikaktionen in über 150 Betrieben, Demos bspw. bei Knorr-Bremse oder bei Bosch in Hallein und einem “Super Streiktag” mehrerer Betriebe in Niederösterreich. Dennoch zeigte sich eine gewisse Routine in den Streiks, angeleitet von der Gewerkschaft. 

Für die Beschäftigten im Handel waren es die ersten Streikerfahrungen. Hier war im Vergleich zu dem Metallbereich zwar eine ähnliche Strategie der Gewerkschaft zu sehen, aber die mangelnde Streikerfahrung und Vorbereitung durch die Gewerkschaftsführung machte sich deutlich bemerkbar. Die Beschäftigten bewiesen ihren Mut und streikten in über 300 Betrieben. Diese kämpferischen Aktionen wurden aber sowohl im Handel als auch der Metallindustrie durch die Strategie der Gewerkschaftsbürokratie ausgebremst. So fanden keine einheitlichen Streiktage statt, sondern die Streiks wurden über mehrere Tage gestreckt. Wenn beispielsweise bei Spar am Montag und bei Thalia am Dienstag gestreikt wird, anstatt gleichzeitig, so mindert es den Effekt der Arbeitsniederlegung und ihre Sichtbarkeit. Gerade in einem Bereich wie dem Handel, wo viele Kolleg*innen ihre ersten Streikerfahrungen sammeln, wäre es also umso wichtiger gewesen, so geschlossen wie möglich aufzutreten - im besten Fall mit den Metaller*innen gemeinsam. Gemeinsame Streikaktionen wären eine Möglichkeit gewesen, durch Vernetzung zwischen den Betrieben stärkeren Druck aufzubauen, und hätten die Möglichkeit gehabt, weitere Kolleg*innen aktiv einzubinden und zu überzeugen, aktiv zu werden. Doch sowohl im Metallbereich als auch im Handel fanden die Streiks weitgehend isoliert statt. Dies öffnete auch Tür und Tor für stärkere Repression auf einzelne Beschäftigte und Betriebsrät*innen, die durch die Arbeitgeber*innen unter Druck gerieten, rausgeekelt oder gekündigt wurden. So wollte auch bspw. ZKW, Zulieferbetrieb der Automobilindustrie, Streiks gerichtlich untersagen.

Gerade die Streiks im Handel - die in vielen Bereichen kaum Streikwirkung erzielen konnten - machen deutlich, dass angesichts der Offensive der Bosse die bisherige Routine nicht ausreicht. Im Handel wäre es notwendig gewesen, noch vor Weihnachten durch harte und längere Erzwingungsstreiks, die auch wirtschaftlichen Schaden anrichten, die Bosse zum Einlenken zu zwingen. Die Kampfkraft dafür war nicht vorhanden. Um das zu verändern und fürs nächstes Jahr zu lernen braucht es im Handel spätestens mit dem Herbstbeginn eine lang angelegte Organizing-Kampagne um mehr Beschäftigte in die Auseinandersetzung einzubeziehen, lokale Strukturen zu schaffen, Streikschulungen abzuhalten, Gewerkschaftsmitglieder zu gewinnen und so wirkmächtige Streiks zu ermöglichen. Ansonsten bleibt man der Willkür der Bosse ausgeliefert.  

Die Gewerkschaftsstrategie, die Art und Weise des Streiks von oben vorzugeben, erwies sich als kein guter Mobilisierungsfaktor. Vor allem im Metallbereich erweckte es den anschein, dass Streiks auf Knopfdruck ablaufen sollen, andererseits wurden die Kolleg*innen mit der Ansage “macht was an Tag X”, bspw. im Handel oft alleine gelassen. Man wollte wohl die Kontrolle der Streiks nicht in die Hände der Beschäftigten legen, sondern suchte einen Weg, den eigenen Rängen eine Plattform zu bieten, um die Kontrolle zu behalten. Während Katzian und Co. Reden schwangen, kamen keine Beschäftigten selbst zu Wort. 

Trotz Kampfmaßnahmen ging die Arbeitgeber*innenseite sogar noch weiter und stellte Kollektivverträge als Ganzes in Frage. So erklärte der Präsident des Handelsverbands:  „Das sind historisch gewachsene, bürokratische Prozesse, die per se einmal ihre Funktionen erfüllt haben. Wer sagt denn, dass wir jedes Jahr den KV neu verhandeln müssen?“. Das wurde im September zwar noch abgelehnt, aber katastrophalerweise gab die Gewerkschaftsführung diesem Druck schließlich nach und stimmte einem zwei Jahresabschluss zu. Ein gefährlicher Trend, dem man immer mehr anheimfällt: Abschlüsse über mehrere Jahre wie bei der Bahn 2022, dem privaten Sozialbereich 2020 oder den Metaller*innen dieses Jahr verhindern, dass die Beschäftigten gemeinsame Aktionen setzen, und andererseits führt das zu einem “Abreißen” von kämpferischen Dynamiken in diesen Branchen. Der private Sozialbereich hat immer noch nicht die kämpferische Dynamik wiedererlangt, die er vor dem Drei-Jahresabschluss 2020 hatte, als es jährlich zu Streiks kam. Die Gewerkschaftsspitze, die sich offensichtlich prinzipiell vor Auseinandersetzungen fürchtet, verschafft sich somit “Pausen”, also Jahre ohne größere Kämpfe, die sonst unweigerlich entstehen würden. Dies wiegt umso schwerer bei dem bevorstehenden Wahljahr und den Nationalratswahlen im Herbst. Doch auch sonst zahlen die Beschäftigten der betroffenen Sektoren einen hohen Preis: die Abschlüsse sind meist in der Summe niedriger als wenn jährlich neu verhandelt wird und man nimmt sich die Möglichkeit, in wirtschaftlichen unsicheren Zeiten (Stichwort Inflation) auf Veränderungen mit Lohnanpassungen zu reagieren.

Gleichzeitig setzten die Arbeitgeber*innen in der Metallindustrie eine Öffnungsklausel durch, die es ihnen ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen die Löhne unter dem KV-Abschluss zu erhöhen. Dies höhlt den branchenweiten Kollektivvertrag natürlich aus, es ist eine eingebaute Hintertür. Bereits 150 Unternehmen wollen diese Klausel anwenden. Zu Beginn der KV-Verhandlungen lehnte die Gewerkschaft solche Klauseln noch ab: „Öffnungsklauseln würden genau das löchrig machen, was in Österreich die flächendeckend gute Situation der Beschäftigten ausmacht: branchenweit gültige Kollektivverträge.” Nachdem es in Österreich keinen gesetzlichem Mindestlohn gibt, sind Kollektivverträge eines der wichtigsten Mittel, das einen kollektiven Kampf für höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen ermöglicht. Die Chefverhandler*innen knickten ein und akzeptierten schlechtere Abschlüsse angesichts der Drohungen der Arbeitgeber, die nur als direkter Angriff auf Kollektivverträge und damit auch auf die Gewerkschaft selbst zu verstehen sind.

Während die Bosse die sozialpartnerschaftliche Routine herausforderten und zum offeneren Angriff auf Beschäftigte übergingen, hielt die Gewerkschaftsspitze daran fest. 

Sozialpartnerschaftlicher Kompromiss setzt sich im krisengebeutelten Gesundheits- und Sozialbereich durch

Ähnliches war auch im Sozialbereich und privaten Gesundheitsbereich (SWÖ, Caritas, Diakonie) zu sehen, die Arbeitgeber waren aber im Vergleich zu Metall und Handel wesentlich schneller bereit, ihr Angebot anzupassen. Dennoch blieben die Angebote weit hinter den ursprünglichen Forderungen von 15% bzw. mind. 400€ zurück. Trotz kämpferischer Basis, die die Kolleg*innen bereits mehrfach bewiesen hatten, schloss das Chefverhandler*innen-Team mit 9,2% ab, zwei Tage vor geplanten Streiks. Wie schon im letzten Jahr begnügt sich die Gewerkschaftsspitze mit einem Kompromiss, der weit weg von den Notwendigkeiten der Kolleg*innen bleibt. Die Wut der Beschäftigten ist groß, die Löhne und Gehälter liegen ohnehin bereits 22% unter dem Schnitt. Gerade der Abschluss so kurz vor dem Streik und ohne angemessene Erhöhung macht viele Beschäftigte und Betriebsrät*innen wütend, weil nicht einmal versucht wurde, die Höhe des Abschlusses durch Kampfmaßnahmen zu beeinflussen. Erneut gab es keine demokratischen Möglichkeiten für die Basis, über einen Abschluss in Form einer Urabstimmung abzustimmen. Einzelne kämpferische Betriebe streikten dennoch und fordern eine Urabstimmung zum KV-Ergebnis. Aktuell laufen in 20 Sozialbetrieben symbolische Urabstimmungen, durchgeführt von Beschäftigten für Beschäftigte, um Druck auf die Spitzen von GPA und VIDA zu machen. Der private Sozialbereich ist auch ein Beispiel dafür, dass man einen kämpferischen Kurs konstant durchsetzen muss. In den letzten zwei Jahren sind nicht zufriedenstellende Abschlüsse ohne Kampf durchgesetzt worden - wohl auch weil die Gewerkschaftsspitze eine Dynamik wie 2020 vermeiden will. Basisorganisationen, aktiven Beschäftigten und kämpferischen Betriebsrät*innen ist es noch nicht gelungen, diese Blockade-Dynamik zu durchbrechen. Dafür wird es in den nächsten Jahren notwendig sein, dass kämpferische Akteur*innen im Bereich einen eigenen Eskalationsplan mit Streiks vor den letzten Verhandlungsrunden entwickeln. 

Auch im öffentlichen Dienst (der auch Lehrer*innen, Pflege und teilweise Kindergärten beinhaltet) war eine Demonstration der “Sozialpartnerschaft” durch die Gewerkschaft sichtbar. Darunter fallen auch die öffentlichen Krankenhäuser. Während die Ärztekammer eine Streikdemonstration ankündigte, weil das Gesundheitssystem am Limit ist, gingen die Gewerkschaften Younion und GÖD ohne konkrete Forderungen in die erste Verhandlungsrunde. Laut Presseaussendung konnte "nach harten, aber konstruktiven Verhandlungen" eine Einigung erzielt werden. Diese “konstruktiven Verhandlungen” betonten aber weder den massiven Arbeitsdruck, die Unterbesetzung, gesperrte Stationen, noch die Arbeitszeit selbst - und das, obwohl die Gewerkschaft Younion noch im Oktober die "stufenweise Senkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden" forderte. 

Gerade im SWÖ und öffentlichen Dienst wirken diese Abschlüsse noch schwerer: Pflege, Bildung und Sozialbereich sind allesamt in der Krise. Wir beobachten seit Corona einen Teufelskreis aus schlechter werdenden Arbeitsbedingungen und Personalabwanderung. Der KV-Abschluss hätte diesen Teufelskreis durchbrechen müssen, indem er durch eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen Kolleg*innen das Vertrauen gibt, im Bereich zu bleiben oder zu ihm zurückzukehren. Die realen Abschlüsse erhalten de facto nicht einmal die existierenden Bedingungen. 

Gescheiterte Routine

Diesen Herbst sahen wir eine Fortsetzung der routinierten ÖGB-Strategie der letzten Jahre. Die Arbeitgeber*innen haben in diesem Herbst auf Angriff geschaltet, während die Gewerkschaftsspitze an ihrer einzigen Strategie "zurück an den Verhandlungstisch" festhielt. 

Es ist eine verpasste Chance, die Veränderungen in der Gewerkschaftsbewegung einzuleiten, die angesichts eines offensiveren Kurses der Bosse immer notwendiger werden wird. 

Die Gewerkschaftsspitze argumentiert, dass durch die Aufteilung in unterschiedliche KVs, Verhandlungsteams und Teilgewerkschaften ein Zusammenführen der Streiks nicht möglich wäre, frei nach dem Motto “zu viele Köche verderben den Brei”. Dabei ist klar, dass, obwohl es berufsspezifische Aspekte zu bedenken gibt, allgemeine Forderungen wie höhere Löhne und Gehälter und Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich über alle Branchen hinweg zu erkämpfen sind. Besonders absurd zeigt sich die Aufspaltung, wenn nicht einmal Arbeiter*innen und Angestellte in einem Bereich wie bspw. Handel oder Metallgewerbe gemeinsam verhandelt werden. Diese Spaltung der Belegschaft hilft nicht, und es braucht aktive Schritte, um Kollektivverträge, Verhandlungen und Beschäftigte zusammenzuführen. Schlimmer noch ist das Argument “die Leute streiken eh nicht” oder “wir können in diesem Bereich nicht streiken, weil zu wenig Beschäftigte in der Gewerkschaft Mitglied sind”. Beides entlarvt aber vor allem den falschen Zugang zur aktiven Organisierung der Mitglieder. Mitglieder in einer Gewerkschaft sind kein passives Element, das, wenn Katzian ruft, auch folgt. Am eigenen Arbeitsplatz aktiv zu werden bedeutet auch, selbst ein Mitbestimmungsrecht zu haben, wann, wo und wie gestreikt wird. Nicht der ÖGB macht für uns, sondern wir machen Politik. Dazu braucht es auch eine aktive Organisierungskampagne, in der Mitglieder aktiv eingebunden sind und mitbestimmen dürfen. Gerade im Handel wäre das entscheidend gewesen.

Widerstand und Organisierung von unten!

Es wäre wichtig gewesen, die einzelnen Streiks überbetrieblich zu vernetzen, anstatt sie isoliert zu behandeln. Man hätte auch noch einen Schritt weiter gehen müssen und sich auch branchenübergreifend koordinieren sollen. Es wäre ein historischer Moment im November gewesen, die KV-Verhandlungen für 750.000 Beschäftigte unter den Branchen Metallindustrie, Handel, Sozialbereich und privater Gesundheitsbereich gleichzeitig zu führen und durch gemeinsame Aktionen Stärke zu zeigen. Die Gewerkschaft GPA war beispielsweise in allen drei KV Verhandlungen vertreten. In Tirol war zwar eine gemeinsame Aktion geplant, die nach dem SWÖ-Abschluss aber im letzten Moment abgesagt worden ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Gewerkschaft aus “Ressourcenmangel” bei drei KV-Verhandlungen einen schnellen Abschluss herbeiführen wollte. Sie nahm lieber schlechtere Ergebnisse für die Beschäftigten in Kauf, als die Kräfte in gemeinsamen Aktionen zu bündeln, aus Angst, die Kontrolle über die Streikenden zu verlieren. 

In diesem Herbst bewies eine wachsende Schicht an Beschäftigten, dass sie nicht mehr bereit ist, Verschlechterungen hinzunehmen und wurde aktiv. Was wir brauchen, sind kämpferische und demokratisch organisierte Gewerkschaften, die die Organisierung der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt, anstatt den Verhandlungstisch im Hinterzimmer mit den Bossen. Umso wichtiger ist es, dass kämpferische Kolleg*innen sich selbst vernetzen und organisieren. Die Frage, die wir also stellen müssen, ist: wie tragen wir Beschäftigte unsere Interessen in die Gewerkschaft? Die Erfahrung im Sozialbereich mit Initiativen wie “Sozial aber nicht blöd“ und in anderen Branchen zeigt, dass es wichtig ist, dass sich kämpferische Kolleg*innen eigenständig organisieren. Viele Arbeitskämpfe bei der Herbstlohnrunde hätten mit mehr und branchenübergreifenden Streiks gewonnen werden können. Daher brauchen kämpferische Beschäftigte Basisstrukturen, mit denen, wenn es sein muss, auch unabhängig von der Gewerkschaftsspitze Streiks organisiert werden können. ISA-Aktivist*innen sind schon in solchen Strukturen im Bildungsbereich, im Sozialbereich und den Universitäten aktiv und haben sich fürs neue Jahr fest vorgenommen, einen Beitrag zu Aufbau solcher Strukturen zu leisten.

Viele sammelten dieses Jahr ihre ersten Streikerfahrungen, viele standen mutig auf der Straße, nahmen Teil an Streikaktionen. Diese Erfahrungen werden bleiben und in kommenden Kämpfen eingebracht und erweitert werden. Diese kämpferischen Schichten gilt es zu unterstützen, zu ermutigen, auch aktiv zu bleiben. Stellen wir uns eine gemeinsame Demonstration im Herbst 2024 vor, mit kämpferischen Blocks von den Kindergartenpädagog*innen, über die Beschäftigten bei Ardo, den Freizeitpädagog*innen, den Metaller*innen und Handel, bis zum Sozialbereich und privaten Gesundheitsbereich mit den kämpferischen Forderungen aus diesen Bereichen. Was für eine starke Kampfansage an jede kommende Regierung, vor allem mit einer drohenden schwarz-blauen Regierung. 

Der ÖGB argumentierte bei der Menschenkette “Preise runter - Löhne rauf” zu Beginn der KV-Verhandlungen, dass es aufgrund des Versagens der Regierung zu einer solchen Inflation, mit ihren Auswirkungen auf uns alle, kam. Das ist nicht falsch, aber ignoriert die Rolle der Gewerkschaft in dieser Situation. Anstatt mit kämpferischen Streiks und einer Mobilisierung der Basis während der KV-Verhandlung und auch danach, wartet der ÖGB auf eine neue Regierung und wünscht sich dafür die SPÖ. Aber auch ein Andreas Babler als Bundeskanzler wird nicht eigenhändig alle Löhne und Gehälter erhöhen und die Arbeitszeit reduzieren. In Zeiten der Krise ist im Kapitalismus kein Platz für Verbesserungen der Lebensbedingungen der Vielen: Arbeitnehmer*innenrechte werden von allen Seiten angegriffen, unser Ass im Ärmel ist der geeinte Kampf, um uns gegen Angriffe von Rechts zu wehren und für Verbesserungen zu kämpfen.

Die Gewerkschaften könnten hier eine wichtige Rolle einnehmen. Dazu ist aber ein Brechen mit der Routine notwendig. Dazu muss man auch über die KV-Verhandlungen hinausblicken, und sich auch mit aktuellen Bewegungen verbinden, wie beispielsweise der Klimabewegung und der feministischen Bewegung. In den Bewegungen der letzten Jahre sahen wir Frauen, queere Personen, Migrant*innen an vorderster Front stehen. Es ist kein Zufall, dass die stärksten betrieblichen Kämpfe gerade in weiblich und migrantisch dominierten Branchen stattfinden. Auch deshalb ist es umso wichtiger, dass die Gewerkschaften die besonderen Interessen dieser Schichten berücksichtigen und den Kampf gegen Diskriminierung und Benachteiligung mit denden Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen zu verbinden. 

Die KV-Runde zeigt, dass der Zugang der Bosse offensiver wird und wie notwendig ein Kurswechsel der Gewerkschaftsbewegung ist. Umso wichtiger wird das weil eine FPÖ, ÖVP Koalition und damit Frontalangriffe auf Frauen, Migrant*innen, queere Personen und vor allem auch Beschäftigte eine reale Möglichkeit nach den nächsten Nationalratswahlen ist. Aber auch unabhängig von der FPÖ zeigt z.B. der Österreichplan von Nehammer ein raueres Klima für Beschäftigte. Es wird dringend notwendig, dass die Gewerkschaftsbewegung sich darauf vorbereitet und einen Kurswechsel einleitet. ISA-Aktivist*innen setzen sich in der Gewerkschaft, Basisinitiativen und Betrieben dafür ein. Wenn du dich daran beteiligen willst, melde dich bei uns!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

AK-Wahl nicht links liegen lassen!

Stellungnahme der ISA
von Michael Gehmacher, ISA-Aktivist, Betriebsrat beim Samariterbund Wien (Wohnen und Soziale Dienste) und für den GLB im großen Verhandlungsteam des SWÖ-KV

Die Wahlen zu den Arbeiterkammern haben begonnen. Gerade angesichts der Teuerung, steigendem Arbeitsdruck, Personalmangel und dem Notstand im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich wäre eine offensiver Kampf für Arbeiter*innenrechte dringend notwendig. Im vorliegenden Artikel wollen wir uns mit der AK, ihrer derzeitigen Rolle und der AK-Wahl auseinandersetzen und uns die Frage stellen, welche Rolle der AK-Wahlkampf und die AK insgesamt im Aufbau von klassenkämpferischer Opposition in der Gewerkschafts- und Arbeiter*innenbewegung spielen kann. 

Woher kommt eigentlich die AK?

Die Geschichte der Arbeiterkammern geht auf die österreichische Monarchie zurück. Die gescheiterte bürgerliche Revolution 1848 war auch für die junge Arbeiter*innenklasse der Monarchie eine herbe Niederlage. Viele Arbeiter*innen kämpften für demokratische Grundrechte und wurden nach der Niederschlagung brutal verfolgt. Die klügeren Teile der herrschenden Klasse erkannten aber die soziale Sprengkraft und die Gefahr, die von wütenden Arbeiter*innen ausging. Um ein gewisses Ausmaß an Mitbestimmung, Gerichtsbarkeit in Arbeitsangelegenheiten und sozialer Fürsorge zu geben, entstand die Idee der Arbeiterkammern. Eine liberale Idee, die von gemäßigteren Teilen der aufkommenden Arbeiter*innenbewegung aufgegriffen wurde. Die Idee der Kammer als Standesvertretung, ähnlich den Handelskammern, in einer sonst absolutistisch geführten Monarchie, setzte sich aber kaum durch.

In der revolutionären Welle nach dem ersten Weltkrieg griff die herrschende Klasse die Idee der Arbeiterkammern wieder auf, gemeinsam mit der Spitze der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung. So sollten die sich ausbreitenden Arbeiter*innenräte ausgebremst werden. Denn diese stellten durch ihre Verknüpfung von wirtschaftlicher und politischer Demokratie die organisatorische Grundlage für eine mögliche sozialistische Demokratie dar. Die Revolution wurde jedoch abgewürgt und die Räte durch Kammern ersetzt. Die heutigen Arbeiterkammern wurden also nicht zuletzt auch gegründet, um der Arbeiter*innenklasse den revolutionären Wind aus den Segeln zu nehmen. Somit ist es auch kein Zufall, dass die Arbeiterkammern im Austrofaschismus nicht verboten waren. Sie wurden von Sozialdemokrat*innen und anderen Linken gesäubert, und ständestaatlich umgemodelt.

Fazit: Bestehen und Funktionieren der AK sind zwar eine soziale Errungenschaft, viel mehr aber ein eingesetztes Kontrollinstrument der jeweils herrschenden politischen Elite.

Die AK heute: Dominanz der SPÖ- und ÖVP-Fraktionen

Bestimmend in der AK sind seit 1945 die strukturell starken Fraktionen im ÖGB, konkret die SPÖ-nahe FSG und die ÖVP-nahe FCG/ÖAAB. In Tirol und Vorarlberg bestimmen die AK FCG/ÖAAB, im Rest von Österreich die FSG. In Wien verfügt die FSG über 113 der 180 AK Mandate. Ähnlich ist das Bild in Niederösterreich.

Die neun Länderkammern bilden die Bundes-Arbeiterkammer. Die Präsidentin der Wiener Arbeiterkammer, Renate Anderl, ist auch Präsidentin der Bundesarbeiterkammer. Über die großen Länderkammern von Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark wird die absolute SPÖ-Dominanz gesichert. Die Möglichkeit einer blau-schwarzen Machtübernahme wird zwar immer wieder als Schreckgespenst in den Raum gestellt, ist aber von der Realität meilenweit entfernt. Tatsächlich geht es bei der AK-Wahl eher darum, ob die SPÖ ihre Dominanz weiter ausbauen kann oder nicht. 

Die Arbeiterkammern sind eine zentrale Stütze der österreichischen Sozialpartnerschaft

In den letzten Jahren gab es eine gewaltige Offensive der österreichischen Unternehmer*innen gegen Löhne und Arbeitnehmer*innenrechte, gleichzeitig befinden sich viele soziale Errungenschaften im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich in einer massiven Krise. Mangels ausreichendem Widerstand der Gewerkschaften und der AK hat sich die Lebenssituation vieler Arbeitnehmer*innen deutlich verschlechtert. Nicht zuletzt die letzten Lohnrunden bei Handel und Metall haben das verdeutlicht.

Der Arbeiterkammerbeitrag, den fast alle Arbeitnehmer*innen über den Sozialversicherungsbeitrag zahlen, bringt den Arbeiterkammern sehr viel Geld. Es wäre dringend notwendig, dass die Arbeiterkammern ihre vorhandenen Ressourcen dafür nutzen, Widerstand gegen diesen Klassenkampf von oben aufzubauen - unverständlich, warum dann, auch bei der kommenden AK-Wahl, die AK so massiv als Stütze der Sozialpartnerschaft gepriesen wird. Obwohl sich weite Teile der Arbeiter*innen und Angestellten auf einer rasanten sozialen Talfahrt nach unten befinden, wird die Sozialpartnerschaft von der AK hochgelobt. Für die aktuelle AK-Wahl wird im Internet offen für die angeblichen (und real nicht mehr existenten) Vorzüge der Sozialpartnerschaft geworben und die niedrige Streikrate in Österreich gelobt - absurd, wenn man bedenkt, dass immer mehr Gewerkschafter*innen (auch in der SPÖ) erkennen, dass es nur mit mehr Streiks eine Möglichkeit gibt, einen Ausweg aus der sozialen Misere zu erkämpfen.

Die Propaganda macht deutlich, dass es bei der AK auch darum geht, das falsche Konzept der Sozialpartnerschaft in den Hirnen und Herzen von Millionen Arbeitnehmer*innen zu verankern. Insofern wird die AK hier auch ihrer Rolle als Herrschaftsinstrument gerecht. Anstatt Arbeitnehmer*innen zu Widerstand und Streiks zu ermutigen, werden Streiks schlecht geredet.

Die AK versteht sich als „Think-Thank“ der österreichischen Arbeiter*innenbewegung. Dank der großen finanziellen Mittel kann ein großer Apparat mit vielen Expert*innen und einer großen PR-Maschine erhalten werden. Tatsächlich arbeiten eine Vielzahl hervorragender Expert*innen in der AK. Für Arbeitnehmer*innen und speziell für Betriebsrät*innen gibt es eine Reihe wichtiger Hilfestellungen. Rechtsberatungen und andere Unterstützungen sind wichtig, nicht umsonst wird die AK von vielen Arbeitnehmer*innen vor allem mit eher geringem Einkommen geschätzt und genutzt. Aber gerade in der Krise reicht eben Beratung und rechtliche Unterstützung nicht aus, um den Angriffen auf unseren Lebensstandard etwas entgegenzusetzen.

Aber obwohl die AK bei vielen Arbeiter*innen durch Beratung und Co. ein gutes Image hat, gelingt es der Spitze von ÖGB und AK kaum, dies als Unterstützung für die AK als Institution zu mobilisieren. 2019 gingen im Bundesländer-Schnitt nur 38,6% der wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen zur AK–Wahl - obwohl die Wahlmöglichkeiten massiv verbessert wurden, die Bewerbung ausgebaut wurde und eine große Gruppe von Betriebsrät*innen, Gewerkschaftssekrät*innen und Aktivist*innen den Ablauf der AK-Wahl aktiv unterstützten.

Offensichtlich spüren viele Menschen den realen Bedeutungsverlust. Die wachsende Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch die große Mehrheit der österreichischen Unternehmer*innen führt zu einer realen Schwächung der Arbeiterkammern, trotz Fachwissen und Öffentlichkeitsarbeit. Viele Arbeitnehmer*innen spüren offensichtlich, dass mit dem Festhalten an der Sozialpartnerschaft die AK ein totes Pferd reitet. Stattdessen wäre es dringend notwendig, die Stärke und Verankerung durch wichtige Beratungsleistung zu nutzen, um auch breiteren gesellschaftlichen Widerstand gegen Teuerung, Pflegenotstand und Arbeitsdruck aufzubauen. Z.B. könnte Mietrechts- oder Sozialberatung mit Angeboten für Selbstaktivität und gewerkschaftlicher Mobilisierung verbunden werden. 

Sozialpolitische Unterstützung für Arbeiter*innen einerseits – Sozialpartnerschaft unterstützen andererseits, Wie sollen Marxist*innen und kämpferische Gewerkschafter*innen mit diesem Widerspruch umgehen?

Viele Arbeitnehmer*innen nutzen die Arbeiterkammern um Ansprüche als Arbeitnehmer*innen zu sichern. Oft geht’s um Bezahlung unter Kollektivvertrag, ausstehende Löhne, menschenwürdige Unterkünfte, extrem krankmachende Arbeit usw. Vor dem Hintergrund der kapitalistischen Krise und ihrer Auswirkungen auf unterschiedlicher Ebene (Covid, mehr unsicherer schlecht bezahlte Jobs, Pleiten wie bei Benko und Martin Ho) brauchen immer mehr Arbeiter*innen konkrete Unterstützung, Unterstützung die ihnen oft von der AK geboten wird. Wer, z.B als Betriebsrat, immer wieder Kolleg*innen zur Beratung in die Arbeiterkammern begleitet, wird bemerken, wie viele vor allem körperlich arbeitende Menschen Beratung bei der AK suchen. Aber gleichzeitig vergrößert die kapitalistische Krise auch die Notwendigkeit für einen echten Kampf um Verbesserung jenseits sozialpartnerschaftlichen Verhandelns. 

Mit den AK-Wahlen wird eine Politisierung in einigen Betrieben und unter manchen Arbeitnehmer*innen verbunden zu sein. Hier müssen Marxist*innen einen Weg aufzeigen, wie die AK viel besser für die Anliegen dieser Kolleg*innen kämpfen kann. Es sind alle Arbeitnehmer*innen wahlberechtigt - auch migrantische Kolleg*innen. Viele von ihnen nehmen diese Wahlen - als eine der wenigen Mitbestimmungsmöglichkeiten - sehr ernst. Hier sollten Linke mit dabei sein und sich mit Argumenten einbringen.

Mehr Druck von links unten

Die Spitzen von AK und ÖGB beteuern immer wieder, dass die Arbeiterkammer eine selbstverwaltete Körperschaft sei. Am Papier ist das richtig, in der Realpolitik verkommt sie zur Stütze der herrschenden Verhältnisse. Wir sehen es als Aufgabe von Marxist*innen und kämpferischen Gewerkschafter*innen, alle Strukturen wie AK-Vollversammlungen, Veranstaltungen, Fachausschüsse von Betriebsrät*innen und AK-Expert*innen, das Recht vieler AK-Mitglieder, gemeinsam Anträge zu stellen (Petitionsrecht) usw., zu nutzen um AK-Strukturen, AK-Medien und Geld für die Anliegen der Arbeitnehmer*innen und sozialer Bewegungen zu sein. Marxist*innen müssen die Stimme der „Vielen“ in der AK sein.

Hier ist es wichtig vor allem mit möglichst viel Druck aus den Betrieben auf einen Bruch mit der herrschenden Politik hin zu arbeiten - etwa in Wien hinsichtlich des Sozialbereichs, der Pflege, Kindergärten, Schulen usw. Angesichts des Personalmangels, der Burn-Outs und der Unterbezahlung in diesen Bereichen, müsste die AK-Wien eine massive Kampagne zur Ausfinanzierung dieser Bereiche fahren. Das passiert aber nicht, weil die Spitze der AK weder bereit ist sich mit der SPÖ noch mit einer Landes- oder Bundesregierung anzulegen.

Die AK-Vollversammlungen sind öffentliche Versammlungen von Gewerkschaftsekretär*innen und Betriebsrät*innen. Linke AK-Mandatarinnen und kämpferische Gewerkschafter*innen müssen die AK-Vollversammlungen besser nutzen. Es gibt die Möglichkeit, aus Betrieben, Streiks und anderen sozialen Bewegungen (etwa im Bildungsbereich oder gegen Rassismus) Vorschläge einzubringen, sich kritisch mit der Rolle der Gewerkschaftsspitzen auseinanderzusetzen und Fehler öffentlich aufzuzeigen. Wenn eine Gewerkschaft nichts oder zu wenig tut, um eine Berufsgruppe oder den Arbeitskampf dieser Berufsgruppe zu unterstützen, dann bietet die AK- Vollversammlungen die Möglichkeit, führende Gewerkschafter*innen aus diesen Gewerkschaften hier zu konfrontieren und Druck aufzubauen - am besten mit möglichst vielen betroffenen Kolleg*innen am Zuschauerbalkon und eigenen sozialen Medien. Es ist auch eine Möglichkeit, wichtige Themen einzubringen, die von den Gewerkschaften und AK sonst ignoriert werden. So haben ISA-Aktivist*innen gemeinsam mit anderen eine Resolution in Solidarität mit der “Frau, Leben, Freiheit”-Bewegung im Iran eingebracht. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Bühne der AK-Vollversammlung zu nutzen, statt sie links liegen zu lassen. Dies wollen wir in Zukunft verstärkt versuchen.

Gerade vor dem Hintergrund einer möglichen FPÖ-Regierungsbeteiligung und einer weiteren Offensive gegenüber Arbeiter*innenrechten - wie in Nehammers Österreichplan angekündigt - wird es umso wichtiger sein, jede Chance auf die Stärkung von betrieblichem Widerstand zu nutzen. 

Wen wählen? Bundesweit GLB, in Wien GLB oder Komintern, in Niederösterreich Komintern.

Eine Schwächung der klassenkämpferischen Kräfte in der AK birgt auch die Gefahr die Gewerkschaftsbürokratie mit ihren „roten“ und schwarzen Spitzenvertreter*innen zu stärken. Das Wahlergebnis kann also kämpferischen Gewerkschafter*innen nicht egal sein.

Bei dieser Wahl treten unterschiedliche Listen links der FSG an (GLB, Komintern, LINKS). Obwohl die unterschiedlichen Listen verschiedene Stärken und Schwächen haben und es viele Gründe für ein getrenntes Antreten gibt, denken wir auch, dass hier eine Möglichkeit verpasst worden ist. Gerade angesichts der historischen Verschlechterungen und Angriffe für und auf Arbeiter*innen, wären die Wahlen zur Arbeiterkammer auch eine Chance gewesen, breite Opposition zum sozialpartnerschaftlichen Kurs der Arbeiter*innenbewegung aufzubauen. Z.B. durch einen offenen Aufruf, eine Konferenz und eine langfristige Kampagne für eine gemeinsame Kandidatur aller klassenkämpferischen Kräfte - die auch Betriebsrät*innen und Gewerkschaftsaktivist*innen miteinbezieht, die sich keiner der bestehenden Listen zugehörig fühlen. Dadurch hätte auch eine breite Intervention in die Herbst- und Frühjahrslohnrunden stattfinden können.

Trotzdem rufen rufen wir dazu auf, klassenkämpferische Kandidat*innen zu unterstützen. Konkret heißt das für uns: GLB wählen, in Niederösterreich Komintern wählen und in Wien GLB oder Komintern wählen. Der GLB ist in den letzten Jahren personell stärker, klassenkämpferischer und aktiver geworden. In Wien kandidiert neben dem GLB auch die Liste „Komintern“ (-kommunistische Gewerkschaftsinitiative international). Mit der Betriebsratsvorsitzenden von Bildung im Mittelpunkt –BIM, Selma Schacht, gibt es hier eine klassenkämpferische Betriebsrätin, die mit ihrem AK-Mandat Arbeitskämpfe und Initiativen unterstützt hat. Vor allem nützt Komintern ihr Mandat, neben gewerkschaftlichen Themen auch stärker allgemeine gesellschaftliche Auseinandersetzungen in die AK zu tragen.

Neben Komintern und GLB kandidiert auch noch LINKS bei den Wiener AK-Wahlen. LINKS ist- in einer Listenkombination mit der KPÖ - in Wien mit 17 Bezirksrät*innen in unterschiedlichen Bezirken vertreten. Die Kandidatur von LINKS wird zur Debatte und Politisierung in einigen Betrieben beitragen. Positiv an der AK-Kandidatur von LINKS ist die Tatsache, dass hier Kolleg*innen kandidieren, die in unterschiedlichen Bewegungen eine wichtige Rolle gespielt haben oder immer noch spielen, etwa im Sozialbereich oder in der Flüchtlingsbewegung. Dass Kolleg*innen, die selbst als Geflüchtete gekommen sind, sich in Bewegungen engagieren, und jetzt mit der AK-Kandidatur auch in die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit einsteigen, ist etwas absolut Positives. Manche dieser Kolleg*innen arbeiten in sehr prekären, schlecht bezahlten Bereichen. Es wäre falsch, wenn z.B. GLB oder Komintern diesen guten Schritt übersehen würden. Gleichzeitig stellt sich die Frage der gewerkschaftspolitischen Positionierung von LINKS: z.B. befinden sich auf der Liste sowohl Personen, die den SWÖ-Abschluss (privater Gesundheits- und Sozialbereich) entschlossen kritisiert haben und gemeinsam mit kämpferischen Betriebsrät*innen, aktiven Beschäftigten, der Basisinitiative “Wir sind sozial aber nicht blöd und Aktivist*innen der ISA für Urabstimmungen über das Verhandlungsergebnis gekämpft haben - aber auch Architekten des miserablen Abschlusses. Auch Fragen wie die Positionierung zur Sozialpartnerschaft werden leider nicht klar herausgearbeitet. Trotzdem freuen wir uns, dass viele kämpferische Kolleg*innen die Wahlen nutzen, um politische Diskussionen in ihren Betrieben zu führen und hoffen auch, dass das zu einer klareren gewerkschaftspolitischen Positionierung z..B. zur Sozialpartnerschaft führt. Die ISA wird versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten, Schritte zu setzen, wie wir diese Kolleg*innen mit anderen kämpferischen Kolleg*innen zusammenbringen und bestmöglich unterstützen können.

Durch die geringe Wahlbeteiligung und die geringe Verankerung in den Betrieben ist auch die Gefahr des gegenseitigen „Stimmen-Wegnehmens" nicht so groß. Wenn sich LINKS, GLB und Komintern auf ihr Umfeld, neue Leute und Aktionen in und vor Betrieben konzentrieren, anstatt innerhalb der Linken nach Stimmen zu fischen, ist es sogar möglich, mehr linke AK-Mandate zu erreichen und mehr Kolleg*innen für linke Ideen anzusprechen. Viele Arbeitnehmer*innen gehen nicht wählen, oder lassen sich erst gar nicht in die Wählerevidenz eintragen - da gibt es genug Potential für alle linken Kandidaturen.

Trotzdem war es richtig, dass Komintern und GLB sich abgesprochen haben - so kandidiert in Niederösterreich nur die Komintern (mit GLB-Kolleg*innen auf der Liste) und in Tirol der GLB mit Komintern Kolleg*innen auf der Liste. In Niederösterreich ist eine Stimme für die Komintern ein klassenkämpferisches Signal und der Einzug einer linken Kraft wäre ein echter Fortschritt. Der Zulauf des GLBs im Sozialbereich, die Betriebsratswahl bei Magna, wo der GLB wieder 5 von 24 Mandaten in einem Werk mit über 4000 Arbeiter*innen erreichen konnte, zeigen die steigende Verankerung. Der Ausbau der GLB-Mandate, (z.B. durch den Einzug in die AK-Vorarlberg oder AK-Tirol, und/oder den Ausbau bestehender Mandate), während es gleichzeitig die Komintern den Einzug in Niederösterreich schafft und in Wien das Mandat hält, würde die Möglichkeit, eine klassenkämpferische Politik in die Gewerkschaften zu bringen, massiv verbessern.  

Wichtig wird es im Wahlkampf sein, nicht nur um Stimmen zu werben, sondern die Kampagne zum Aufbau einer Gewerkschaftsopposition und für die Unterstützung von Protesten und Arbeitskämpfen zu nutzen - eine Chance dafür sind z.B. betriebliche Aktionen am 8. März. Das wollen wir auch als ISA im Rahmen unserer betrieblichen Arbeit machen.

 

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Alleingelassen: Streik im Handel

von Bianca Szabó

Ende Oktober 2023 begannen die Verhandlungen für den größten Kollektivvertrag im Handel für rund 430.000 Beschäftigte und 15.000 Lehrlinge. Die Gewerkschaft GPA forderte anfangs 11% Lohnerhöhung und eine Arbeitszeitverkürzung, die die Wirtschaftskammer als utopisch verhöhnte. Die GPA rief zu Demonstrationen, dann zu vereinzelten Warnstreiks auf, tat dann aber zu wenig, um in den Betrieben selbst Mitarbeiter*innen zu mobilisieren. Es bleibt unklar, wieso kein einheitlicher Streiktag für alle ausgerufen wurde. Dass an verschiedenen Standorten zu unterschiedlichen Tagen und Zeiten gestreikt wurde, führte eher zur Schwächung als zur weiteren Mobilisierung. Nach 7 Wochen Verhandlungen ließ sich die GPA auf eine Lohnerhöhung zwischen 8,3 und 9,2% (bei einer rollierenden Inflation von 9,2%!) ein. 

Im Herbst haben viele zum ersten Mal gestreikt und mit ihren Betriebsrät*innen versucht, sich zu organisieren, aber die Gewerkschaft hat sie nicht auf die Streiks vorbereitet, geschweige denn genügend unterstützt. Hier sind wir auch als ISA eingesprungen: Obwohl die GPA selbst eine Demobilisierung der kampfbereiten Beschäftigten in Gang setzte, unterstützten wir die Beschäftigten der Thalia-Filialen in der SCS Vösendorf und auf der Mariahilferstraße in Wien bei ihrem Streik und nahmen an verschiedenen öffentlichen Protesten und Demos in Wien, Linz, beim Gewerbepark Stadlau und im Europark in Salzburg teil.

Aus vielen Gesprächen mit Beschäftigten stellte sich heraus, dass unter enormem Druck von Seiten der Geschäftsleitungen gestreikt wurde: Beschäftigten wurde mitgeteilt, sie würden gekündigt, wenn sie an Streikaktionen teilnähmen. Die Streiks hätten ein großer Hoffnungsschimmer werden können. Was nach vereinzelten Streiks bleibt, ist das Warten auf die nächsten Verhandlungen. Wir möchten dabei unterstützen, eine starke, konkrete Basis an Beschäftigten aufzubauen, die sich in ihrer Arbeit für bessere Bedingungen, höhere Löhne und einen Weg aus der Armutsfalle organisieren.

 

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Handel: Höchste Zeit für Streik! Echte Verbesserungen jetzt!

Volle Solidarität mit dem Arbeitskampf im Handel, nach Jahren mit Corona-Pandemie und Rekordteuerung haben sich die Kolleg*innen mehr verdient!
ROSA-Flugblatt vom 1. Dezember 2023

Während Corona bekamen Handelsunternehmen Milliardenhilfen, gleichzeitig waren die Handelsangestellten einer der ersten, die ihren Job verloren. Und jetzt - nach den fetten Einnahmen als Nachfolge der Corona-Pandemie und den Extraprofiten durch die Teuerung - wollen sie uns einreden, dass sie keinen Spielraum für ordentliche Lohnerhöhungen haben!? Wo sind diese ganzen Staatshilfen und Profite hin? Offensichtlich in die Taschen der Privateigentümer*innen und Aktionär*innen.

Mit einem Einstiegsgehalt von 1.535 Euro netto zählt die Branche zum Niedriglohnsektor, mehr als 60 % arbeiten Teilzeit. Und es ist auch kein Zufall, dass die Löhne in einer Branche mit 71 % Frauen-anteil (im Einzelhandel) und einem Drittel der Beschäftigten mit Migrationshintergrund so niedrig sind. Ein “gutes” Beispiel wie das profitorientierte System von der besonderen Ausbeutung von Frauen und Migrant*innen profitiert. Aufgrund von Kindern, unsicheren Aufenthaltsstatus oder schlechten Jobaussichten sind die Kolleg*innen viel eher gezwungen miese Gehälter und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.

Darüber hinaus sind sie immer wieder sexistischen und rassistischen Übergriffen ausgesetzt. Auch damit muss Schluss sein! Wer Gleichberechtigung will, muss anfangen, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen im Handel zu kämpfen!

Es kann nicht sein, dass jene Beschäftigte, die so essentiell für die Gesellschaft sind, immer und immer wieder durch die Finger schauen! So zeigen die Kolleg*innen jetzt mit ihrem Streik, dass sie nicht mehr wie “nasse Fetzen” behandelt werden wollen!

Tatsächlich würde alles unter der ursprünglichen Forderung nach 11 Prozent diese katastrophalen Zustände einzementieren. Im Handel zu arbeiten darf nicht länger eine Armutsfalle sein!

Wir sollten die aktuellen Streiks auch nutzen, um einen längerfristigen Kampf für Verbesserungen aufzubauen.

Es braucht auch:

- eine Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden pro Woche bei vollem Lohn, was Teilzeitbeschäftigten eine massive Lohnerhöhung bringen würde!

- mehr Personal und ein Ende der Doppelbelastung in den Schichten!

- wirksame Maßnahmen gegen sexistische, rassistische und anderweitige Übergriffe, erarbeitet durch Betriebsrät*innen und Beschäftigte und bindend für die Unternehmensleitung!

Für lautstarke Proteste in der Öffentlichkeit!

Jede*r zehnte Erwerbstätige in Österreich ist im Handel beschäftigt, fast eine halbe Million. Eine extrem wichtige Branche, mit der wir alle tagtäglich Kontakt haben. Deshalb ist jede Solidarität mit dem Kampf der Kolleg*innen wichtig! Wir wissen, dass viele Menschen Streiks für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen im Handel unterstützen. Große Aktionen und Demos in der Öffentlichkeit, organisiert durch die Gewerkschaft, könnte diese Solidarität sichtbar auf die Straße bringen. Und gerade in der Vorweihnachtszeit können Streiks - z.B. am 8. Dezember - enorm viel Druck aufbauen.

Für flächendeckende Streiks!

Um einen möglichst kraftvollen Streik durchzuführen und uns gegen Einschüchterungen zu wehren, müssen wir uns organisieren!

Die Gewerkschaft muss jetzt ihre Verantwortung wahrnehmen: Die Kolleg*innen riskieren viel, wenn sie dem Streikaufruf der Gewerkschaft folgen. Druck und Repression von Geschäftsführungen sind teilweise enorm. Betriebsrät*innen werden unter Druck gesetzt und bedroht. 

Gleichzeitig tun sich Standorte ohne Betriebsrät*innen oder Kontakt zur Gewerkschaft schwer selbst Streiks zu organisieren. Vielerorts fehlt das Wissen und die Erfahrung wie man sowas macht.

Jetzt brauchen wir eine aktive Gewerkschaft, die durch die Standorte geht, aufklärt, Ängste nimmt, die Beschäftigten unterstützt und hilft die Streiks zu organisieren.

Klar muss sein: Niemand darf negative Konsequenzen wegen ihrer*seiner Beteiligung am Streik haben! Jede*r Kolleg*in wird gegen eventuelle Schikanen verteidigt, bis diese zurückgenommen werden!

Für mehr Druck branchenübergreifend streiken!

Die Gewerkschaft ist im Handel, auch aufgrund seiner Zersplitterung, schlechter organisiert als z.B. bei den Metaller*innen. Auch deshalb brauchen wir die Gewerkschaften: um die “Schwächeren” nicht alleine zu lassen, sondern gemeinsam zu kämpfen, zum Wohle aller! Gemeinsame zeitgleiche Streiks könnten viel mehr Druck erzeugen. Es ist eine verpasste Chance, dass der private Sozialbereich und die Metallindustrie vor dem Handel abgeschlossen haben und kein gemeinsamer Kampf organisiert wurde. 

Für einen zweiten Streik - besser und länger vorbereitet! 

Diese ad-hoc-Streiks direkt nach gescheiterten Verhandlungen - wie auch in anderen Branchen - machen jede Vorbereitung schwieriger. Genauso wenig Sinn macht es, nur einen Vorgeschmack zu mobilisieren und dann ohne weiteren Kampf einem schlechten Kompromiss zuzustimmen. Ein nächster fix geplanter Streik - z.B. am 8. Dezember - kann unsere ganze Kraft zeigen!

 

 

 

Seiten