Betrieb und Gewerkschaft

Sozialkahlschlag oder Durchbruch - Die nächsten Wochen entscheiden!

Die Verhandlungen im SWÖ-KV sind in der Nacht erneut gescheitert. Das „Angebot“ der Arbeitgeber liegt weit unter der Teuerung. Für viele Kolleg:innen bedeutet das reale Einkommensverluste, für die unteren Gehaltsgruppen ein Abrutschen in Armut. Gleichzeitig stehen viele Träger wegen der Kürzungen der öffentlichen Hand selbst unter enormem Druck. Was hier passiert, ist politisch gewollt: Die Kosten der Krise sollen auf Beschäftigte und Betroffene abgewälzt werden. Der Kampf um den KV und der Kampf gegen die Budgetkürzungen sind also zwei Seiten der selben Medaille! Der Zeitplan der nächsten Wochen macht klar, wie viel auf dem Spiel steht:

– 2.-4.12.: Warnstreiks im Gesundheits- und Sozialbereich
– 11.12.: nächste Verhandlungsrunde im SWÖ-KV
– 16.12.: Großdemo gegen die Budgetkürzungen in Wien, organisiert vom Bündnis "Solidarischer Widerstand gegen Sozialkürzungen"

Michael Gehmacher, vorwärts-Aktivist, Betriebsrat beim Samariterbund-WSD und Mitglied des großen SWÖ-Verhandlungsteams, die aktuelle Lage zusammen: 

„Diese nächsten Wochen entscheiden über die Zukunft des gesamten Sozial- und Gesundheitssystems.
Entweder setzen sich Regierung und Bosse mit Lohnraub und Kürzungen durch – oder wir organisieren eine Bewegung, die nicht nur den KV verteidigt, sondern echte Verbesserungen erkämpft. Die Warnstreiks können nur der Anfang sein. Danach brauchen wir einen bundesweiten Streik- und Aktionstag, der alle Bereiche einbezieht: SWÖ, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, Neustart, FSW, Ordensspitäler, private Krankenanstalten – überall gärt es. Diese Kämpfe gehören zusammen!“

Der Sozial- und Gesundheitsbereich steht also an einem Kipppunkt: Regierung und Arbeitgeber wollen einen historischen Sozialkahlschlag durchsetzen. Gleichzeitig formiert sich starker Widerstand von Beschäftigten, Betroffenen und solidarischen Menschen - ein Widerstand, der das Potential hat, den Spieß umzudrehen und dringend notwendige Verbesserungen zu erkämpfen! Genau diese Dynamik sehen wir bereits: Am 26.11. gingen in Wien tausende Beschäftigte kämpferisch auf die Straße – organisiert von Betriebsrät*innen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, nicht von der Gewerkschaftsführung. Die Demo war größer und entschlossener als die anschließende zahme GPA-Kundgebung. Sie hat gezeigt, wie viel Wut, wie viel Kraft und wie viel Bereitschaft zum Kampf im Bereich steckt. Und sie steht nicht allein: In Salzburg demonstrierten nur zwei Tage zuvor 12.000 Menschen gegen Kürzungen in der Pflege. In nahezu allen Bundesländern gab es Proteste gegen die Angriffe auf das Gesundheitswesen. All dieses Potential muss jetzt in die entscheidenden Auseinandersetzungen getragen werden.

Damit dieser Kampf nicht von oben gebremst wird, braucht es Demokratie und Koordination von unten:
– Urabstimmung über jedes Verhandlungsergebnis
– eine bundesweite Betriebsrät:innen- & Aktivist:innenkonferenz
– gemeinsame Aktionen und Streiks aller Sektoren des Sozial- und Gesundheitsbereichs in einem bundesweiten Streiktag

Werde auch du mit uns dafür aktiv!

 

GPA-Bundesforum: Kürzungen, Kündigungen, Sozialabbau? Höchste Zeit für aktiven Widerstand!

vorwärts-Flugblatt am Bundesforum der GPA 2025

Dieses GPA-Bundesforum findet in radikalen Zeiten statt: Kriege breiten sich aus, Massaker werden in Echtzeit übertragen, Rüstungsprofite explodieren – und während internationale Unsicherheit wächst, erleben wir gleichzeitig tiefe strukturelle ökonomische und gesellschaftliche Krisen. Die kapitalistische Multikrise trifft auch Österreich längst mit voller Wucht. Die Teuerung hat Millionen Menschen immer noch fest im Griff. Für viele unserer Kolleg:innen ist jeder Monat ein Überlebenskampf geworden. Und jetzt kommen neue Angriffe dazu: Kürzungen, Kündigungen und massiver Personalabbau, besonders in jenen Bereichen, für die die GPA zuständig ist – im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich. In Wien stehen enorme Kürzungspakete bevor, in anderen Bundesländern werden sie bereits umgesetzt.

In dieser Situation kann das Bundesforum 2025 kein „business as usual“ sein. Es ist höchste Zeit, der Radikalität der Realität ins Auge zu sehen und die Konsequenzen zu ziehen. Dieses Bundesforum muss der Auftakt zu gewerkschaftlichem Widerstand werden.

Widerstand ist notwendig – und er hat bereits begonnen

Die Angriffe sind real, konkret und spürbar. Umso wichtiger ist: Es gibt bereits Widerstand. In den letzten Wochen haben in mehreren Bundesländern Hunderte und Tausende Kolleg:innen gegen Kürzungen im Gesundheitsbereich demonstriert. Es gab kämpferische öffentliche Betriebsversammlungen im Sozialbereich, z.B. bei der Sucht- und Drogenberatung und beim Samariterbund wegen der SWÖ-KV-Verhandlungen. In diesem Rahmen demonstrieren auch die Kolleg:innen von Bildung im Mittelpunkt (BiM) am 26.11. Auch der Streik an der Sigmund-Freud-Universität letzte Woche war ein deutliches Zeichen dafür, dass Kolleg:innen bereit sind, sich zu wehren – auch ohne großen Apparat, selbstorganisiert von unten.

Diese Beispiele zeigen: Es liegt Bewegung in der Luft. Aber ohne eine kämpferische, solidarische, demokratische Gewerkschaftsbewegung werden diese Kämpfe isoliert bleiben. Darum muss es die Aufgabe dieses Bundesforums sein, diesen beginnenden Widerstand zu bündeln, zu unterstützen und zu verbreitern. Wir brauchen Vernetzung kämpferischer Betriebsrät:innen und Kolleg:innen in Basisinitiativen wie „Sozial, aber nicht blöd“ oder „Schule brennt“, koordinierte Aktionen, gemeinsame Kampagnen und den Aufbau von Bündnissen gegen jede Kürzung, gegen jede Kündigung, gegen jede Form rassistischer Sündenbockpolitik und gegen den antifeministischen Backlash, der international und national erstarkt.

Unterstütze die Anträge von vorwärts und GLB – und organisiere mit uns den Widerstand!

Als vorwärts und Teil der GLB-Delegation haben wir Anträge eingebracht, die genau das fordern: eine kämpferische Gewerkschaftspolitik, die Kürzungen sowie Angriffe auf Beschäftigte stoppt und am 8. März und darüber hinaus die Verbindung zu feministischen, sozialen und antirassistischen Bewegungen sucht. Die GPA-Führung empfiehlt die Ablehnung dieser Anträge. Aber wir sagen klar: Nicht unsere Anträge sind „radikal“, sondern die Realität. Die Anträge, die vorwärts und der GLB einbringen (Anträge 5, 6, 8, 12, 13, 14, 20) fordern schlicht die notwendigen Schritte, um den politischen und sozialen Angriffen etwas Wirksames entgegenzusetzen.

Gleichzeitig ist klar: Eine Abstimmung allein reicht nicht. Dieses Bundesforum muss der Beginn eines neuen gewerkschaftlichen Aufbruchs sein, der den Mut hat, sich gegen Kürzungen, gegen Aufrüstung, gegen rassistische und patriarchale Spaltung und gegen Kriegspolitik zu stellen. Widerstand passiert bereits. Jetzt liegt es an uns allen als Gewerkschaftsbewegung, ihn zu stärken, zu verbinden und zum Erfolg zu führen!

Mehr zum Thema: 

Bericht vom SFU-Streik: "Wir kämpfen gemeinsam!"

Enthusiastische Stimmung herrschte heute beim Streik der Beschäftigten der Sigmund-Freud-Uni. Den ganzen Tag trotzten sie Temperaturen um den Gefrierpunkt und einer dichte Nebelsuppe mit einer kämpferischen und erfolgreichen Kundgebung - und vorwärts war mittendrin.

Warum der Streik?

Wie die Kolleg:innen berichten, hat sich mit dem Führungswechsel an der Uni vor einem halben Jahr das Arbeitsklima massiv verschlechtert. Viele Kolleg:innen wurden gekündigt und an allen Ecken und Enden wird gekürzt. Dazu gehört auch die Aussetzung der Gehaltsregelungen und eine Weigerung der Geschäftsführung, bei den Gehälten wenigstens die Inflation abzugleichen – einen Kollektivvertrag, wie vom Betriebsrat gefordert – gibt es an Privatunis nicht einmal. Als wäre das noch nicht genug, gibt es nun auch noch massive Repression gegen den Betriebsrat: Carlos Watzka, Mitinitiator des Betriebsrats und sein ehemaliger Vorsitzender, wurde unter fadenscheinigen Gründen freigestellt und soll gekündigt werden. Bereits letzte Woche protestierten solidarische SFU-Beschäftigte beim Prozess-Auftakt gegen diesen Angriff (vorwärts berichtete). Es ist sonnenklar, dass Carlos für sein betriebliches Engagement bestraft werden soll, um ein Exempel zu statuieren: „Das passiert, wenn ihr euch für Verbesserungen am Arbeitsplatz einsetzt!“ Doch der Betriebsrat und die Kolleg:innen ließen sich nicht einschüchtern, im Gegenteil: Sie taten das einzig Richtige und gingen in die Offensive. Ein Streikkomittee wurde gewählt und für den 12.11. wurde zum Streik aufgerufen. Die Forderungen wurden klar formuliert:

  • Anhebung der Gehälter zum Inflationsausgleich für das Jahr 2024/205
  • Ende der Drohungen und Repressialien gegen Mitarbeiter:innen und Betriebsratsmitglieder
  • Ausreichende Personalkapazitäten in allen Fakultäten und Abteilungen
  • Aktualisierung der Gehaltsordnung
  • Faire und transpraente Regelung zur Abgeltung von Mehrleistungen von wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen
  • Anrechnung der Streikzeit als Arbeitszeit

Taktik der Geschäftsführung: Pizza, Krapfen – und Repression

Die Geschäftsführung reagierte auf diese mehr als gerechtfertigten Forderungen mit noch mehr Konfrontation und Repression: Kolleg:innen wurden Klagen wegen „geschäftsschädigendem Verhalten“ in Aussicht gestellt, die betriebsinterne Kommunikation wurde eingeschränkt. Man griff aber nicht nur zur Peitsche, sondern auch zum Zuckerbrot: Am Streiktag wurden Mitarbeiter:innen Pizza und Krapfen angeboten, wenn sich nicht den Streikenden anschlossen. Eine Kollegin brachte diese Taktik auf den Punkt: „Halten die uns für Affen?“ Als die Streikenden um die Mittagszeit in einen zuvor extra dafür reservierten Hörsaal umzogen, um sich aufzuwärmen, drohte die Leitung damit, Saalmiete in Rechnung zu stellen, wenn die Streikenden nicht sofort abziehen würden. All dies bestätigt die Kritik, welche Kolleg:innen bereits vor dem Streik am Verhalten der Geschäftsführung hatten – aber es zeigt auch, dass sie angesichts des Muts der Streikenden zu immer verzweifelteren Maßnahmen greifen muss. Pizza gabs dann auf der Streikkundgebung übrigens auch.

Unterstützung für den Streik

Neben zahlreichen mutigen und kämpferischen Kolleg:innen nahmen auch solidarische Unterstützer:innen am Streik Teil und brachten Solidaritätsmeldungen: Studierende der SFU meldeten sich zu Wort, sowie Beschäftigte aus dem Bildungs- und dem Sozialbereich. Sebastian Kugler, aktiv bei vorwärts und bis vor kurzem Mittelbausprecher am Institut für Germanistik der Uni Wien, sprach über die ebenfalls prekäre Lage an öffentlichen Universitäten und den Kampf der Initiative Unterbau gegen befristete Arbeitsverhältnisse. Auch die öffentlichen Unis werden längst wie Privatunternehmen geführt. Aber die Anforderungen von wissenschaftlicher Forschung und Lehre, stellte er klar, stehen der kapitalistischen Logik kurzfristiger Profite komplett entgegen. Eine Kollegin vom Betriebsrat des Neunerhauses verwies auf die Bedeutung der SFU für den Gesundheits- und Sozialbereich und auf den Kampf, der dort gerade gegen Kürzungen und für bessere Bedingungen geführt wird – den Auftakt dazu stellt die morgige Kundgebung der Betriebsrät:innen der Wiener Suchthilfe dar (9:30, U3 Erdberg)! Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Samariterbund-WSD und ebenfalls vorwärts-Aktivist, brachte ebenfalls Solidarität aus dem Sozialbereich ein und machte gemeinsam mit einem Samariterbund-Kollegen, der ebenfalls an der SFU studiert, auf das Potential der Studierenden aufmerksam, diesen Kampf wirkungsvoll zu unterstützen. Beim nächsten Streik könnte z.B. ein „Student Corner“ oder ähnliches eingerichtet werden, um Studierende aktiv einzubinden. Dabei betonte Michael auch die Notwendigkeit, das gesamte Kürzungsbudget der Stadt Wien zu bekämpfen, welches übermorgen öffentlich gemacht wird – der Protest dagegen beginnt um 8:30 beim Rathauseingang! Anstatt den Gesundheits- und Sozialbereich zusammenzukürzen, hätte die Stadt Wien als Geldgeberin der SFU nämlich auch einen Hebel, die Geschäftsführung zur Vernunft zu bringen und die Erfüllung der Forderungen der Kolleg:innen sicherzustellen.

Solidarität ausbauen – Kämpfe verbinden!

Der heutige Streik war ein großer Erfolg – für den Betriebsrat, für das Streikkomittee, für alle Streikenden, aber auch darüber hinaus. Er hat gezeigt, dass es möglich ist, sich von unten zu organisieren, Kolleg:innen trotz Einschüchterungsversuchen von oben Mut zu machen und gemeinsam zu streiken. Es stimmt, dass der Ball jetzt erst einmal bei der Geschäftsführung liegt, ein akzeptables Angebot zu formulieren. Aber der heutige Streik kann auch Inspiration für andere Beschäftigte im Bildungs- Gesundheits- und Sozialbereich sein, nicht zuletzt für die Beschäftigten der FH Campus Wien, die ebenfalls gerade für einen Kollektivvertrag kämpfen. In einem nächsten Schritt sollten wir Initiativen starten, diese Kämpfe konkret zu verbinden – von Solidaritätsbesuchen bis zu gemeinsamen Mobilisierungen. Dabei ist es auch wichtig, die zuständigen Gewerkschaften in die Pflicht zu nehmen, deren Aufgabe dies eigentlich ist. Doch wir können uns auch nicht von ihnen bremsen lassen. Gerade diese Woche zeigt mit ihren verschiedenen Mobilisierungen, wie notwendig ein gemeinsamer Kampf gegen Kürzungen und für ausfinanzierte Bildungs- Gesundheits- und Sozialsysteme ist, und wieviel Potential er hat. Denn, wie der Namensgeber der SFU, Sigmund Freud, es schon 1927 formuliert hat: "Es braucht nicht gesagt zu werden, dass eine Kultur, welche eine so große Zahl von Teilnehmern unbefriedigt lässt und zur Auflehnung treibt, weder Aussicht hat, sich dauernd zu erhalten, noch es verdient."

Sozialbereich und Pflege: Gemeinsam für mehr Geld, mehr Personal und echte Arbeitszeitverkürzung!

Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Samariterbund Wohnen und Soziales Wien

Mit dem Herbst starten die Lohnrunden. Nach den Metaller:innen beginnt am 1.10. der private Sozial- und Pflegebereich zu verhandeln. Die Kollektivverträge (sie bestimmen die Bezahlung, Teile der Arbeitszeit und andere wichtige Arbeitsregelungen) von Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz bestimmen maßgeblich die Situation im Sozialbereich und in der privaten Pflege, wobei der SWÖ-KV viele wichtige Regelungen (etwa die Gehaltserhöhung) de facto vorgibt.

Noch immer verdienen die Kolleg:innen im Sozialbereich und der privaten Pflege unter dem österreichischen Durchschnitt. Seit 2019 hat sich die Lage vieler Kolleg:innen sogar verschlechtert. Den Anfang machte der 3-Jahresabschluss 2020. Dieser bedeutete, dass 2022 für Vollzeitkolleg:innen zwar die Arbeitszeit von 38 auf 37 Wochenstunden reduziert wurde, es aber keine Lohn- und Gehaltserhöhung gab. Bei Teilzeitverträgen blieb die Stundenanzahl gleich – das Gehalt wurde um den fiktiven Wert einer Stunde (2,7%) angehoben. Gleichzeitig setzte aber mit 2022 die Teuerungswelle voll ein. Dies bedeutete große finanzielle Verluste für die Kolleg:innen, die auch durch die Abschlüsse 2023 und 2024 nicht wettgemacht wurden. 2024 wurde mit 4% wieder abgeschlossen, als hätte es nie eine Teuerung gegeben, dabei lag im Juni 2025 die Teuerung bei Lebensmitteln immer noch bei über 4,4%. Es braucht heuer eine massive Steigerung beim Gehalt und einen gemeinsamen Kampf gegen Kürzungen und Stellenabbau.

Gleich nach dem großen privaten Sektor verhandelt der öffentliche Dienst, darunter zehntausende Pfleger:innen und Beschäftigte von Krankenhäusern und öffentlicher Sozialeinrichtungen. Bei ihnen stellt die Bundesregierung sogar den kargen 2-Jahresabschluss vom letzten Jahr in Frage. Dieser bedeutete für letztes Jahr eine Gehaltserhöhung von 3,5% und sieht für dieses Jahr nur 0,3% über der Inflation vor. Teile der Bundesregierung wollen dies nun aufkündigen und runterdrücken. Sie drohen damit, übernächstes Jahr fix unter der offiziellen Inflationsrate abzuschließen – ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten.

Geprägt ist das Vorfeld der Verhandlungen von drohenden Kürzungen und Kündigungen. Wir brauchen eine Gewerkschaftspolitik, die dieser Angstmache konsequent die Interessen der Kolleg:innen entgegensetzt. Egal ob privater oder öffentlicher Bereich: es braucht +500€ und echte Arbeitszeitverkürzung, begleitet von gewerkschaftlichem Kampf gegen die laufenden Kürzungen. Eine solche Politik muss von unten erkämpft werden. „Sozial, aber nicht blöd“ sieht sich als kämpferische Basisinitiative, die versucht, Angebot und Motor für Kämpfe in so einer Entwicklung zu sein. „Sozial, aber nicht blöd“ fordert unter anderem:         

  • Eine Lohn- und Gehaltserhöhung von mindestens 500 Euro. Es ist wichtig, die besonders schlecht bezahlten Gruppen zu stärken – deswegen ein Sockelbetag.
  • Konsequente Arbeitszeitverkürzung. Als ersten Schritt braucht es eine 35-Stundenwoche ab 1.1.2026, und zwar bei vollem Lohn und Personalausgleich. Eine Arbeitszeitverkürzung ohne gleichzeitige Lohnerhöhung würde bedeuten, dass wir die Arbeitszeitverkürzung selbst zahlen. Ohne Personalausgleich wiederum kann sie dazu führen, dass dieselbe Arbeit nun in noch weniger Zeit verrichtet werden muss. Viele Kolleg:innen fühlen sich wegen der extrem dichten Arbeit und mangelnden Dienstplansicherheit ohnehin schon ausgebrannt. Eine solche Arbeitszeitverkürzung, die real nur eine Arbeitsintensivierung bedeuten würde, würden sie zurecht als negativ empfinden.    
  • Mehr Personal. Nur so kann es eine echte Entlastung und ein Ende von Stress, Arbeit auf Abruf und anderen krankmachenden Arbeitsbedingungen geben. 
  • Demokratische Entscheidungen. Es ist unser Gehalt und unsere Verantwortung, wenn wir streiken. Daher muss ein KV-Abschluss einer Urabstimmung aller Gewerkschaftsmitglieder unterzogen werden.  

In den letzten Jahren gab es im privaten Sozialbereich und in der Pflege viele Basisbewegungen. Viele Kolleg:innen sind wütend und wollen etwas tun. Darin besteht eine Chance, für echte Verbesserungen zu kämpfen. Wir von vorwärts werden versuchen, diese Bewegung bestmöglich zu unterstützen.

Beschäftigte mit Behinderung: „Lohn statt Taschengeld!“

von Jan Millonig, ISA Linz

Bild: Österreichischer Behindertenrat

28.000 Menschen arbeiten zur Zeit in sogenannten „Behinderten-Werkstätten“, bekommen ein Taschengeld von 35-100 Euro, sind weder sozial- noch pensionsversichert und hauptsächlich von Sozialleistungen abhängig. Ein Artikel in einfacher Sprache auf der Website des Parlaments bringt’s auf den Punkt: „Die Menschen mit Behinderungen leben also auf ewig wie Kinder.“

Das alles, obwohl sie produktive Arbeit leisten. Deshalb lautet eine jahrzehntealte Forderung von Behindertenorganisationen, Gewerkschaften sowie auch der ISA gegen diese Ausbeutung: „Lohn statt Taschengeld!“ - nicht nur, um ein Einkommen zu schaffen, von dem man selbstbestimmt leben kann, sondern auch, um vom Arbeitsrecht geschützt zu werden. Wolfgang, ISA-Aktivist und Beschäftigter in einer „Werkstätte“ in OÖ berichtet z.B.: „Ja, es gibt einen Betriebsrat, aber von dem fühle ich mich nicht gut vertreten.“

Mitte des Jahres hat die schwarz-grüne Bundesregierung endlich einen Schritt in diese Richtung gemacht. Doch die Zahlen sind ernüchternd: die bereitgestellten 54 Mio. Euro reichen gerade mal für 1 Jahr, um nur 10 % der Beschäftigten ein halbwegs passables Gehalt zu zahlen.

Was bedeutet „Arbeit“ im Kapitalismus?

Der reguläre Arbeitsmarkt ist jetzt für Betroffene unter 25 freigegeben - bringt aber auch wenig, wenn dann das AMS auf Anfrage einer (der Redaktion bekannten) Unternehmensberaterin empfiehlt, Einstellung nicht vorzunehmen, weil “zu schwierig”. Alleine die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung dies zuvor wegen „Arbeitsunfähigkeit“ verwehrt war, wirft die Frage auf wie „Arbeit“ in unserem System definiert wird.

Arbeit bezeichnet im Kapitalismus die entlohnte Tätigkeit eines Menschen, die aus einem Produkt ein wertvolleres Produkt macht (Stahl -> Auto) oder durch seine Dienstleistung hilft dies zu verkaufen. Die Differenz zwischen Lohn und abgeworfenen Profit nennen Marxist*innen „Mehrwert“. 

Einige Beschäftigte mit Behinderung können aufgrund von Einschränkungen bzw. Barrieren diesen Mehrwert möglicherweise nur bedingt erarbeiten, was aber nicht heißt, dass sie nicht etwas produzieren / arbeiten können. Das heißt, Menschen mit Behinderung (und das gilt auch für Menschen mit chronischen Erkrankungen) sind nur unter kapitalistischen Verhältnissen „nicht arbeitsfähig“. Weil in diesem System nur gewinnbringende Arbeit genug Geld abwirft, um wirtschaftlich zu überleben. So sind sie auf Sozialhilfen bzw. Almosen angewiesen.

In einer Gesellschaft, wo Profite keine Rolle spielen würden, sondern nur das Ziel, einfach ausreichend zu produzieren, damit alle Menschen gut leben können, würde jede Arbeit, die in welcher Form auch immer dazu beiträgt, geschätzt werden und ihren Platz haben können. Das wäre schon mit aktuellem Stand der Technik und Produktivität leicht möglich.

Inklusion wäre also nicht der Versuch Menschen mit Behinderung irgendwie in ein System, das eine gewisse „Leistung“ abverlangt, zu pressen, sondern tatsächlich nach dem Motto „Jede*r nach seinen Fähigkeiten – Jede*r nach seinen Bedürfnissen” (Karl Marx) möglich. 

 

Wer arbeiten kann, kann auch demonstrieren!

Neben Metaller*innen und Elementarpädagog*innen, gehören mittlerweile auch Menschen mit Behinderung zu jenen, die jährlich für ihre Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen: Selbstvertretungsnetzwerke rufen regelmäßig zu Protesten für „Lohn statt Taschengeld!“ auf. 

ISA-Aktivist Patrick Pinner hat 2015 einen Werkstättenrat in seiner Einrichtung erkämpft und betonte damals schon, dass ein gemeinsamer Kampf von “Klient*innen” und Betreuer*innen - auch für deren Löhne (siehe Seite 6 & 8) - wichtig ist.

 

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

"Sozialbereich, Pflege, Bildung... Kämpfe verbinden! Für einen gemeinsamen Care-Streik!"

Gemeinsames Statement der Basisinitiativen "schule brennt" und "sozial aber nicht blöd"

Nach der 2. Verhandlungsrunde für den SWÖ-Kollektivvertrag (privater Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich), organisieren GPA & vida Betriebsversammlungen und eine Demonstration in Wien am Montag, 18.11. um 14 Uhr, Sigmund-Freud-Park. Die ganze Woche gibt es österreichweit Aktionen. “Sozial aber nicht blöd” organisiert Kolleg*innen, um über die gewerkschaftlichen Forderungen hinauszugehen und fordert keinen Abschluss unter 350€ mehr für alle, eine Arbeitszeitverkürzung und eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis. Eine große Mehrheit der aktiven Wiener Betriebsrät*innen im SWÖ hat sich gegen einen Abschluss unter 350€ ausgesprochen. Für eine echte Entlastung braucht es eine radikale Arbeitszeitverkürzung, 20% mehr Personal UND mehr Geld. 70% der Kolleg*innen sind Frauen und 70% arbeiten in Teilzeit. Unterfinanzierung bedeuten Burnout und Stress, aber auch für Patient*innen und Klient*innen Unterversorgung.

All das ist auch im öffentlichen Dienst Thema. Schule, Spital, Kindergarten - der Personalmangel ist dramatisch. Die GÖD hat jetzt eine Demo in Wien am 26.11. und Dienststellenversammlungen bzw. Betriebsversammlungen kommende Woche beschlossen. Der Druck hat die Arbeitgeber an den Verhandlungstisch geholt (davor drohte eine Nulllohnrunde), aber wir müssen den Druck aufrechterhalten, bis es echte Verbesserungen gibt. Schule brennt - eine Basisvernetzung von Lehrpersonen, die für bessere Arbeitsbedingungen, multiprofessionelle Teams & gegen jede Diskriminierung an Schulen kämpft - wird besonders bei der Versammlung von Pflichtschullehrer*innen am Dienstag, 19.11. um 10 Uhr in der Metastadt aktiv sein. Gerade im öffentlichen Dienst ist es essentiell, nicht nur gegen eine Nulllohnrunde zu kämpfen. Dazu gehört auch der Kampf gegen Rassismus in unseren Branchen: Rassistische Hürden im Aufenthaltsrecht und bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt diskriminieren tausende Kolleg*innen. Rassismus in der Debatte über überlastete Lehrpersonen schadet unseren Schüler*innen und so weiter…

Da stellt sich die Frage: Warum nicht Kämpfe zusammenführen? Stellen wir uns einen Care-Streik vor: Sozialarbeiter*innen, Pädagog*innen, Betreuer*innen, Krankenpfleger*innen, Lehrer*innen und viele mehr würden gemeinsam zeigen, dass ohne uns in diesem Land nichts läuft. Das würde den Druck auf die privaten wie öffentlichen Arbeitgeber*innen massiv erhöhen. Es gibt genug Geld für eine Ausfinanzierung dieser Bereiche, für Lohn- und Gehaltserhöhungen weit über der Inflationsrate und für mehr Personal. Während die Reichen und Superreichen immer reicher werden, müssen wir in maroden Schulen unterrichten oder alleine über 20 Patient*innen versorgen. Gerade vor dem Hintergrund der Regierungsverhandlungen wäre so eine Bewegung enorm kräftig. So könnten wir den Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich ins Zentrum der Verhandlungen bringen. Wir fordern 10 Milliarden Euro zusätzliches Budget ab 1.Jänner, um Verbesserungen sofort anzugehen. Es ist die Aufgabe von GPA, VIDA, GÖD, Younion und des ÖGB die Bewegungen zusammenzuführen und das Geld bei der neuen Bundesregierung durchzusetzen. Wir schlagen z.B. einen gemeinsamen bundesweiten Protest-und Streiktag in der ersten Dezemberwoche vor. Ein möglichst flächendeckender Streik verbunden mit z.B. Demos würde großen Druck machen. Wir brauchen besonders im Care-Bereich kämpferische und demokratische Gewerkschaften, die nicht nur dann aktiv werden, wenn es ihnen im Personalvertretungs-Wahlkampf nutzt. Dafür müssen wir selbst in den Betrieben, Schulen, Spitälern aber auch in Basisinitiativen wie SCHULE BRENNT oder SOZIAL ABER NICHT BLÖD aktiv werden!

 

Nächstes Treffen von “sozial aber nicht blöd”:

Do, 28.11., 19:00, Cafe “Club Internationl” (Yppenplatz)

Vorbereitungstreffen für einen feministischen Streik am 8. März:

Do, 4.12., 18:30, Amerlinghaus (Stiftgasse 8)

Aktionsplanungstreffen von “schule brennt”:

Mo, 9.12., 18:30, Zentrum für Lehrer*innenbildung (Stiege 2, Seminarraum 5)

 

 

Kollektivverträge verhandeln, aber wie?

von Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Samariterbund Wien - Wohnen & Soziale Dienste, aktiv bei “sozial aber nicht blöd”

Im Oktober starten die Lohn- und Gehaltsverhandlungen im Sozialbereich. Den Auftakt macht der Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV). Dabei stellt sich die Frage: was sollte die Rolle der Verhandler*innen bei diesem Prozess sein? 

Gute Kollektivvertragsverhandlungen sind Lohnbewegungen. Sie sind ein politischer Hebel, um Verbesserungen zu erkämpfen. Verhandler*innen sollten hier eine treibende Kraft sein. Mit Betriebsversammlungen, Abstimmungen in den Betrieben usw. können viele Kolleg*innen schon beim Entwickeln und Aufstellen von Forderungen mitmachen. Betriebsrät*innen der ISA versuchen dies schon jetzt umzusetzen, so gab es z.B. beim Samariterbund eine Betriebsversammlung zum Auftakt der SWÖ-KV-Verhandlungen. 

Die Verhandler*innen sind in ein kleines und ein großes Team geteilt. Das „kleine Team“ verhandelt direkt mit den Arbeitgebervertreter*innen. Aufgabe der Verhandler*innen im „großen Team“ ist es, möglichst genau Berichte einzufordern, Berichte, Forderungen und Untergrenzen zu debattieren und verbindlich zu beschließen. Jede Form der Geheimhaltung ist hier falsch. Je offener die Verhandlungen, desto größer der Schutz vor „Hinterzimmerdeals“ und schlechten Abschlüssen. Das Beste wäre es, diese Verhandlungen per Video zu übertragen.

Demokratische Entscheidungen ermöglichen

Aufgabe von Verhandler*innen ist es auch, an die jeweilige Situation angepasste Entscheidungen und Entscheidungswege vorzuschlagen. Wenn die Verhandlungen schwierig werden, ist es z.B. besser sich Zeit für eine bundeweite Betriebsrät*innenkonferenz zu nehmen und dort offen über die nächsten Schritte zu reden und abzustimmen. Am Ende des vorläufigen Verhandlungsprozesses sollten die zuständigen Gewerkschaften Urabstimmungen organisieren.  

Verhandler*innen brauchen einen kämpferischen Plan

 „Streik ist das allerletzte Mittel“ - so oder so ähnlich heißt es oft von älteren Gewerkschafter*innen. Diese Ansicht geht vom Bild aus, bei Verhandlungen würden sich zwei gleichstarke Parteien gegenüber sitzen und gleichberechtigt verhandeln. Dieses Bild war und ist falsch. Gerade im Sozialbereich und in der Pflege sitzt die öffentliche Hand als unsichtbarer Verhandlungspartner auf der Arbeitgeberseite. Mit dem Druck des Sparzwangs und den Sparpaketen, die für die Zeit nach der Nationalratswahl angekündigt wurden, entsteht ein großer Druck. Vor allem Betriebsrät*innen werden mit der Angst vor Arbeitsplatzabbau und Konkurs „weichgekocht“. Dazu kommt der Vergleich mit Arbeitnehmer*innen aus dem öffentlichen Dienst - die in „Sparzeiten“ oft wenig bekommen. In den Gremien häufen sich dann die scheinbar realistischen Wortmeldungen: „Sollen wir die Forderung X aufstellen? Sollen wir uns nicht lieber auf Y konzentrieren?“, oder „Wir können ja froh sein, wenn wir überhaupt Z erreichen“. Hier geht es darum, sich der eigenen Stärke bewusst zu werden, mit Kolleg*innen zu reden, sie einzubinden usw. Es braucht eine Organisierung von unten und möglichst flächendeckende Streiks. Sehr viele Menschen stehen hinter den Arbeitnehmer*innen in Pflege und Sozialbereich, diese Solidarität braucht auch Möglichkeiten sich auszudrücken, z.B. mit Solidaritätsdemos. Runtergebrochen auf die SWÖ-Verhandlungen heißt das: Wir dürfen nicht bis zur letzten offiziellen Verhandlungsrunde am 25. November warten. Sollten sich die Arbeitgeber nicht schon im Oktober auf uns zubewegen, muss rund um die zweite Verhandlungsrunde gestreikt werden. 

 

Sag's dem Michi!

Beim SWÖ-KV verhandelt der Bundesausschuss des GPA-Wirtschaftsbereichs (WB17) und ein Verhandlungsteam der Gewerkschaft VIDA. Letztes Jahr hat der “Gewerkschaftliche Linksblock” (GLB) den ISA-Aktivisten Michael Gehmacher in dieses Gremium entsandt. Wenn Du ein Anliegen für Sozialbereich und Pflege hast, schreib ihm!

E-Mail an: michael.gehmacher@gmx.at

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Solidarität mit den streikenden Fahrradbot*innen! Foodora & Lieferando zur Kassa!

ISA-Redaktion

Wir haben am 17. Juni das Streiklokal der Fahrradbot*innen in Wien besucht. Das untragbare "Angebot" der Arbeitgeber ist ein Hohn für die Beschäftigten! Sie brauchen jetzt jede Unterstützung, mindestens zur Durchsetzung der geforderten 8,7%, wenn sie jetzt während der Österreich EM Spiele streiken. Seit 2019 haben die Kolleg*innen keine Lohnerhöhung bekommen - das heißt eigentlich bräuchten sie ein Plus von 25%! Und das während diese Unternehmen offenbar genug Geld für Sponsoring der EM haben. Shame on them!

Ein Betriebsrat von Lieferando Wien berichtet:

"Wir kriegen nicht einmal eine Abdeckung der Inflation. Der monatliche Nettolohn liegt unter der Armutsgrenze. Es geht um fundamentale Menschenrechte. Die Arbeitgeber bieten 5,8% und sie wollen sogar einige Bonusleistungen für uns abschaffen! Es ist auch nicht akzeptabel, dass beispielsweise unser Heimweg nicht abgedeckt wird.

Wir sind auch Teil dieser Gesellschaft. Viele von uns sind Migrant*innen. Wir brauchen Solidarität, weil viele von uns Angst haben den Job zu verlieren. Mit Blick auf den Streik der Freizeitpädagog*innen diese Woche müssen die Gewerkschaften einen Zahn zulegen. Sie müssen einen gemeinsamen großen massenhaften Protest organisieren.

Kund*innen können uns unterstützen indem sie kein Essen bestellen und beim Streik vorbeischauen. Schickt Solidaritätsbotschaften an das riders collective.

Letztlich geht es auch gegen das ungerechte kapitalistische System."

 

 

Auf zum gemeinsamen Bildungsstreik!

Für eine Bildungsrevolution!
Flugblatt der ISA für den Bildungsaktionstag am 6.6.2024

ISA-Treffen und Diskussion:
“Wie weiter nach dem Bildungsaktionstag?”

Mi, 19. Juni * 18:00 * Amerlinghaus

 

Die Missstände im Bildungssystem sind nichts Neues, doch spitzten sich in den letzten Jahren massiv zu. Alle Bereiche - vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung - stehen kurz vor dem Kollaps. “Pro Arbeitstag kündigen drei Lehrkräfte”, meinte Pflichtschul-Gewerkschafter Krebs schon letzten Sommer. Es stehen nicht mal genug Materialien zur Verfügung und Kolleg*innen müssen viele Dinge selbst kaufen. Die Regierung schiebt ihre Verantwortung für die katastrophalen Arbeitsbedingungen ab und tut so, als wäre es ein Naturgesetz, dass sie zu wenig Personal finden oder geben Migration und Geflüchteten die Schuld. Doch tatsächlich haben gerade rechte Regierungen, aber auch die SPÖ, das völlig veraltete Bildungssystem jahrzehntelang verfallen lassen. Und die konservative Lehrer*innengewerkschaft hat nichts getan, um die drohende Katastrophe aufzuhalten. 

Jetzt wird versucht, die Löcher - vor allem beim Personal - mit kostengünstigeren Aushilfskräften zu stopfen. Das Quereinsteiger*innnen-Programm, die Veränderung des Lehramtsstudiums und die versuchte Reform der Freizeitpädagogik hatten genau das zum Ziel. Doch Geld für echte Verbesserungen wäre genug da, aber woanders: bei den Unternehmen, deren Profite man durch Steuergeschenke und Subventionen sichert.

Wir müssen klar machen, dass wir uns diese Umverteilung von unten nach oben - auf Kosten des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem nicht mehr länger gefallen lassen. Wir sehen jeden Tag, wie Kinder zu wenig Aufmerksamkeit, Förderung, Trost oder Betreuung bekommen, weil es “den Oberen” egal ist. Das können wir nur ändern, wenn wir uns selbst organisieren und genug Druck von unten machen. In einem System, das seine Prioritäten so offensichtlich woanders hat, wird man Verbesserungen für die Bevölkerung nur erzwingen können. Der Bildungsaktionstag ist eine großartige Möglichkeit, Kolleg*innen und unterschiedliche Bereiche zu mobilisieren. Als nächstes muss uns ein Streiktag gelingen, um zu zeigen, dass wir es ernst meinen. Denn sobald der Laden steht, können sie uns nicht mehr ignorieren.

Tatsächlich geht es um mehr: das Bildungssystem ist in seiner jetzigen Struktur auf soziale Selektion ausgelegt. Arme, migrantisierte, queere Kinder/Jugendliche und Kinder/Jugendliche mit Behinderung oder psychischen Problemen fall durch den Rost. Besondere Bedürfnisse haben keinen Platz! Eine mögliche nächste blau-schwarze Regierung wird die Situation noch schlimmer machen: da drohen weitere Kürzungen, mehr Spaltung und rassistische Benachteiligung und letztlich noch mehr Belastung. Auch die politische Repression wird sich erhöhen. Schon jetzt wird Jugendlichen und Kolleg*innen verboten, ihre Solidarität mit den Opfern des Krieges in Gaza auszudrücken. Dagegen müssen wir Widerstand aufbauen!

Doch wir brauchen nicht nur Milliarden-Investitionen sondern ein grundlegend anderes Bildungssystem - eine Gesamtschule - gestaltet und verwaltet nach unseren Bedürfnissen - demokratisch und gemeinsam von Schüler*innen, Lehrer*innen, Betreuer*innen und der Gesellschaft. Ein Beispiel: Wir alle fordern kleinere Klassen. Wir müssen fordern, dass es einen angemessenen Betreuungsschlüssel und entsprechend eine gesetzlich festgelegte Maximal-Klassengröße gibt. Doch wer kontrolliert dann, ob das auch eingehalten wird? Wir müssen das Bildungssystem unter unsere Kontrolle und Verwaltung bringen! So ein Modell, eine radikale Demokratisierung von Schule, widerspricht der Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft, die auf Ausbeutung, Konkurrenz und Unterdrückung aufgebaut ist. Deshalb kämpfen wir für eine inklusive, demokratische Bildung und Gesellschaft für alle, frei von Kostenoptimierung, Benachteiligung und Diskriminierung!

Bauen wir eine Bewegung auf!

  • Gründen wir Aktionsgruppen - Schüler*innen und Lehrer*innen gemeinsam - um den Kampf für ausreichend Mittel zu organisieren, gegen weitere Kürzungen und gegen jeden rechten, queerfeindlichen, sexistischen und rassistischen Angriff auf unsere Rechte zu kämpfen! 

  • Organisieren wir Streiks, um genug Druck zu machen! Ein erster Schritt können Dienststellenversammlungen (DV) an den Schulen sein - wo Forderungen diskutiert und nächste Schritte im Kampf besprochen werden können. Wenn die Personalvertretung diese nicht einberufen will, können das die Dienstnehmer*innen selbst einfordern, wenn mehr als ein Drittel dafür sind (in AHS/BHS je einzelner Schule, bei VS/MS/BS je Schulsprengel). DVs können auch als öffentliche Demonstrationen abgehalten werden. Unterschriftenlisten dafür findest du unter www.aktion-bildung.at 

  • Vernetzen wir uns mit anderen Bereichen und kämpfen dort, wie den Protesten bei den Kindergärten/Horten und der Streikbewegung der Freizeitpädagogik! Gerade bei Letzterem konnten Lehrer*innen als Streikbrecher*innen eingesetzt werden, wenn nur die Freizeitpädagogik*innen streikten und umgekehrt wäre es das Gleiche. Unterstützen wir uns gegenseitig bei Protesten und organisieren gemeinsame Aktionen. Denn unsere Jobs und Probleme hängen zusammen und gemeinsam sind wir stärker!

  • Wir müssen die konservative Gewerkschaftsspitze vor uns her treiben. Das neue “Entlastungspaket” - verhandelt zwischen Gewerkschaft und Polaschek - bringt nicht viel, aber zeigt, dass sie auf Druck von unten reagieren müssen. Doch wir können nicht länger warten. Werden wir selbst aktiv! In Initiativen wie “Aktion Bildung”, “Bessere Schule Jetzt”, “sozial aber nicht blöd” oder “ROSA - sozialistisch-feministisch” können wir uns organisieren und die Bewegung gemeinsam langfristig aufbauen. Wir brauchen regelmäßige Mobilisierungen und eine Eskalationsstrategie, um den Druck weiter aufrechtzuerhalten und zu steigern. 

  • Wir brauchen die Solidarität der ganzen Gesellschaft und von Beschäftigten anderer Bereiche! Rufen wir also z.B. Eltern auf, bei Streiks wegen Dienstverhinderung zu Hause zu bleiben, um den Effekt in der Gesellschaft zu verbreitern und versuchen wir unser Anliegen noch mehr in die Wohnvierteln zu tragen.

  • Mobilisieren wir auch für starke “Bildungsblocks” auf der Pride/Regenbogenparade (8.6.), #BlackLivesMatter-Demo (22.6.), dem nächsten Klimastreik usw. Denn die Zustände im Bildungssystem gehen alle was an! Darüber hinaus profitieren z.B. queere und migrantisierte Jugendliche oder Schüler*innen, die für das Klima kämpfen, von mehr Ressourcen und einem inklusiven Bildungssystem am meisten.

  • Letztlich geht es darum, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Stehen Milliarden für Gesundheit und Bildung zur Verfügung oder zur Rettung von Banken und Konzernen? Hat der Ausbau von Unterstützung für mentalen Gesundheit und Gewaltschutz Priorität oder nicht? Bekommen Menschen, die das System am Laufen halten, die Wertschätzung, die sie verdienen, während Unternehmen Megagewinne auf unsere Kosten machen? Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die rund um die Bedürfnisse von Arbeiter*innen, Armen und Jugendlichen und nicht Profitinteressen organisiert ist. Wir sind der Meinung, alle essentiellen Dinge im Leben - von Bildung über Infrastruktur bis zu Lebensmittel - sollten nicht in den Händen von Konzernen, sondern der demokratischen Verwaltung der Gesellschaft liegen. Wir wollen eine Bewegung, die für diese alternative, sozialistische Perspektive kämpft, aufbauen! 

 

 

Widerstand im Bildungsbereich

von Sarah Moayeri, Mittelschullehrerin

Es rumort und kracht im Bildungssystem – nicht nur aus Überlastung, sondern auch Proteste dagegen brechen immer öfter durch: So führen die Freizeitpädagog*innen seit einem Jahr eine beeindruckende Streik- und Protestbewegung gegen die Angriffe der Bundesregierung. Diese versucht, Lücken im Bildungssystem mit “billigeren“ Assistenzkräften zu füllen. Dabei haben die Kolleg*innen bereits Etappensiege errungen - doch das bedeutet nicht, dass das neue Gesetz schon erledigt ist! Für eventuelle nächste Proteste brauchen sie unsere größtmögliche Solidarität! Mehr Infos unter: www.betriebsrat-bim.at

Doch der ganze Bildungsbereich brennt - von der Elementarpädagogik bis zur Universität. Jeden Tag verlassen 1-2 Lehrer*innen in Wien den Job. Die Situation ist katastrophal - und jetzt werden Kinder und Jugendliche auch noch in Containerklassen gepfercht, anstatt die notwendigen Mittel für mehr Ressourcen, Räume und Personal zur Verfügung zu stellen. Seien es die rassistischen Deutschförderklassen oder der drastische Mangel an vielfältigem Personal (von Lehrpersonen bis hin zu Sozialarbeiter*innen) - der Bildungsbereich wird kaputtgespart und weitere Angriffe stehen bevor:

Die ÖVP spricht im „Österreichplan“ davon, Bildung weiter ins Private zu drängen. Die FPÖ will Deutschkenntnisse als Voraussetzung für den Schuleintritt. Entscheidungen werden über unsere Köpfe hinweg von Politiker*innen und Bildungsministerien getroffen - die keine Ahnung von der Realität haben. Ihre Bildungspolitik verfolgt rein wirtschaftliche Interessen.

Ob als Beschäftigte, Schüler*innen oder Eltern - der Kampf um gute Bildung betrifft uns alle! Besonders betroffen sind Frauen und LGBTQIA+ Personen - als Mehrheit der Beschäftigten und als diejenigen, die auch noch zusätzlich unbezahlte Care-Arbeit zu Hause leisten. 

Bildungseinrichtungen dürfen aber keine Aufbewahrungsstätten sein. Es braucht spezialisiertes Personal und unterschiedliche Berufsgruppen, um auf alle Bedürfnisse eingehen zu können; kleinere Gruppen- und Klassengrößen und demokratische Anlaufstellen im Kampf gegen Übergriffe und Diskriminierung.

In Diskussionen, die alle einbeziehen, in demokratisch aufgebauten Strukturen könnten wir uns darüber austauschen, wo die Probleme liegen und welches Bildungssystem wir eigentlich brauchen: eines, das von den wahren Expert*innen - Schüler*innen, Lehrenden sowie Eltern und der Gesellschaft - nach unseren Bedürfnissen und Fähigkeiten -  kontrolliert und gestaltet wird.

Gemeinsamer Bildungsaktionstag am 6. Juni!

Die Kolleg*innen der Freizeitpädagogik haben gezeigt, dass es möglich ist, erfolgreich zu kämpfen. Doch dafür braucht es mehr als Demos - bis hin zu Streiks, um den nötigen Druck aufzubauen. Gemeinsame Streiks von Lehrpersonen, Freizeitpädagog*innen und auch Schüler*innen könnten nicht nur den gesamten Schulbetrieb zum Stehen bringen, sondern das aktuelle Bildungssystem ganz grundlegend in Frage stellen.

Lehrer*innen und solidarische Eltern mobilisieren gerade für einen Bildungsaktionstag am 6. Juni. Dafür haben sie auch eine Petition gestartet, die die zuständige Gewerkschaft im öffentlichen Dienst dazu auffordert, Dienststellenversammlungen einzuberufen! Mehr Infos unter: www.aktion-bildung.at

Schon letztes Jahr haben bundesweit Tausende aus den verschiedenen Bereichen der Bildung gemeinsam bei so einem Aktionstag protestiert. Wir müssen dieses Jahr noch lauter und kämpferischer werden und diesen Tag nutzen, um uns zu organisieren. An unseren Schulen und Bildungseinrichtungen - um für die Demonstration zu mobilisieren, aber auch um weitere Schritte für den Kampf um gute, ausfinanzierte, antirassistische, antisexistische und inklusive Bildung für alle zu planen.

 

Schreib uns, wenn du dich dabei beteiligen willst! slp@slp.at

 

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