Stoppen wir die Krise im Gesundheitswesen!

Jan Millonig (ehem. Krankenpfleger), für die Bundesleitung der ISA

Die Krise im Gesundheitswesen verschärft sich, die Beschäftigten sind zunehmend überarbeitet, unterbezahlt und ausgebrannt, und sowohl Patient*innen als auch Beschäftigte müssen den Preis dafür zahlen, dass die Regierung nicht bereit ist, die zur Rettung von Menschenleben erforderlichen Mittel zu investieren und eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sowie angemessene Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen zu schaffen.

Gewerkschaften müssen offensiv antworten!

Letztes Jahr fanden am Tag der Pflege (12. Mai) in vielen Bundesländern von Gewerkschaften und Betriebsrät*innen organisierte Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmer*innen statt. Am selben Tag präsentierte die Bundesregierung eine „Pflegereform“, die ihren Namen nicht verdient. Seitdem verbrachten die Gewerkschaften das ganze Jahr mit Presseaussendungen, dass sie immer noch auf die versprochenen Verbesserungen warten würden. Aber nützten die Zeit nicht, um die Beschäftigten zu aktivieren, zu mobilisieren oder Kämpfe zu führen. Abgesehen von teilweise eher symbolisch gestalteten Warnstreiks in den Wiener Ordenskrankenhäusern und später den Privatspitälern, ohne substanzielle Verbesserungen zu erreichen, ist es seitdem ziemlich ruhig im Gesundheitssektor. Andererseits stimmt es nicht, dass die Kolleg*innen Angebote, wenn sie gestellt werden, nicht wahrnehmen, wie es oft Gewerkschaftsfunktionär*innen behaupten. Die zahlreiche Beteiligung an den Kindergarten-Protesten oder “5 nach 12”-Aktionen vor den Krankenhäuser letztes Jahr beweisen das Gegenteil.

Inzwischen fliegen uns fast jeden Tag Schlagzeilen wie „Gesundheitssystem liegt im Wachkoma“, „Spitäler vor Kollaps“, „Personalmangel kostet bereits Menschenleben“ um die Ohren. Wo bleibt hier die Antwort der Gewerkschaften? Wir brauchen dringend einen Kampf für höhere Löhne, mehr Personal, Arbeitszeitverkürzung und strukturelle Verbesserungen! Die Regierung ignoriert uns seit Jahren. Deshalb müssen wir mit Streiks zeigen, dass wir nicht länger bereit sind die Zustände auszuhalten.

Organisierung an der Basis vorantreiben!

Wenn wir reale Durchbrüche erreichen wollen, müssen wir über symbolische Proteste hinaus gehen. Wirklich Druck erzeugen wir, wenn die Beschäftigten an der Basis eingebunden werden und sich beteiligen können. Aufgrund der Untätigkeit der Gewerkschaften, nehmen das immer mehr Betriebsrät*innen, Basisgruppen und Initiativen selbst in die Hand: So organisierten Linzer Betriebsräte zweier Spitälern eigenständig Betriebsversammlungen, Beschäftigte im FSW gründeten eine Basisgruppe, die Basisinitiative „sozial aber nicht blöd“ kämpft für radikale Forderungen für die KV-Verhandlungen im privaten Sozialbereich und selbst von psychischen Problemen betroffene Jugendliche gründeten die Initiative “Youth for Change” und organisieren eine Demo für den Ausbau der Versorgung für mentale Gesundheit. Wir unterstützen diese Initiativen, versuchen sie zu verbinden und gemeinsame Aktionen zu organisieren. Auch das kann die Gewerkschaftsführung unter Druck bringen, ihrerseits in die Gänge zu kommen, aber auch wichtige Anknüpfungspunkte für Beschäftigte (aus anderen Bereichen) und Betroffene schaffen, die selbst aktiv werden wollen und wo sie sich einbringen können.

Kundgebung am Internationalen Tag der Pflege - 12. Mai

Die Gewerkschaften planen am Tag der Pflege heuer nur “Medienaktionen” am Vormittag. Diese waren nicht mit einer Mobilisierung verbunden und es wird für Beschäftigte schwierig sein, daran teilzunehmen. Deshalb haben ISA und ROSA Kundgebungen in Wien und Linz am Nachmittag organisiert. Diese Aktionen können den Kampf der Beschäftigten nicht ersetzen, aber wir wollen damit auf die Notwendigkeit für diesen und die wichtigsten Forderungen aufmerksam machen. Wir nutzen die Aktion, um für verschiedene Initiativen (Demo für mentale Gesundheit von “Change for the Youth” am 3.6., Bildungsaktionstag am 15.6., Lohnverhandlungen im FSW und SWÖ u.a.) zu mobilisieren und luden diese ein auf der Kundgebung zu sprechen.

Forderungen nicht nur möglich, sondern dringend nötig! 

Wir werden den Personalmangel, der mittlerweile das größte Problem in den meisten Bereichen ist, effektiv nur lösen, wenn es zu echten und umfassenden Entlastungen kommt. Noch mehr aus dem “verbliebenen” Kolleg*innen herauszupressen (durch Überstunden, Einspringen usw.) wird diese nur auch noch ausbrennen lassen und das Problem weiter verschärfen. Die dringend notwendige Arbeitszeitverkürzung auf z.B. 30 Stunden bei vollem Lohn reduziert zwar scheinbar mal die vorhandenen Personalressourcen, aber kombiniert mit einer massiven Lohnerhöhung und anderen Entlastungsmaßnahmen (so einfachen Dingen wie die Einstellung von mehr administrativen Personal), wird Leute wieder in den Beruf bringen, reduziert Krankenstände und verhindert, dass noch mehr Kolleg*innen den Job verlassen.

Trotz “Pflegereform” sind die (finanziellen) Hürden die Ausbildung zu machen, noch immer groß. Es braucht frei zugängliche Stipendien für alle und alle Berufsgruppen.

Von der Regierung kommt als einzige Antwort auf die aktuelle Krise, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Das wir nicht nur viel zu wenige Stellen besetzen, sondern ist auch ein Versuch an den Bedingungen nichts ändern zu müssen und somit die Lage weiter zu verschärfen. Gleichzeitig müssen wir gemeinsam mit diesen ausländischen Kolleg*innen gegen jede Schlechterstellung derselben kämpfen, damit sie nicht als Lohndrücker*innen eingesetzt werden und sie so als Bündnispartner*innen für den generellen Kampf für Verbesserung zu gewinnen.

Ein Kampf für Frauen- und LGBTQI+ Rechte!

Wir kämpfen für die Entlastung von Frauen als Mehrheit der Beschäftigten und als jene, die bei fehlender Versorgung, Pflege unbezahlt zu Hause übernehmen. Doch für mehr Ressourcen für das Gesundheitswesen zu kämpfen, heißt auch die Möglichkeiten für Schwangerschaftsabbrüche, andere Beratungsstellen, Gewaltschutz usw. bedarfsgerecht auszubauen. Dasselbe gilt für die psychologische und medizinische Versorgung von Trans-Personen. 

Deshalb müssen feministische Kämpfe und die LGBTQI+ Bewegung den Kampf im Gesundheitsbereich offensiv aufgreifen und unterstützen. Die ISA und die sozialistisch-feministische Initiative ROSA kämpft für eine lebendige Verbindung zu den Forderungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich an jedem 8. März, bei jeder Pride und darüber hinaus!

Kapitalismus ist das Problem!

Es wird immer klarer, dass Regierungen (weltweit) kein Interesse an einer wirklichen Lösung der Krise im Care-Sektor zeigen. Ihre Maßnahmen sind minimal oder verschlechtern die Situation sogar, während sie Milliarden für die Rettung von Banken und Konzernen ausgeben. Das liegt an der profitorientierung unseres Wirtschaftsystems. Gespart wird bei allem, was nicht profitabel ist (Gesundheit, Pflege, Bildung). Der Kapitalismus funktioniert nicht für die Menschen, sondern nur für eine kleine reiche Elite und damit gegen die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen. Selbst für kleine Verbesserungen gibt es angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise (weil die Staatsfinanzen durch Aufrüstung und Konzernhilfen überstrapaziert sind) keine Spielräume mehr ohne die Profite der Superreichen anzugreifen. Deshalb müssen wir den Kampf für Verbesserungen mit dem Kampf gegen die Profitlogik und Funktionsweise des Kapitalismus verbinden. Denn eine Verbesserung der Situation wird es mit diesem System nicht geben.

Internationale Kampagne der ISA am 12.5.: 

Unsere Gesundheit, ihre Krise - Kämpfen und gewinnen!

Die Internationale Sozialistische Alternative (ISA) ist eine Organisation mit über 30 Sektionen auf allen Kontinenten, die weltweit für eine sozialistische Alternative zum kapitalistischen System kämpft. So hat die ISA einen internationalen Aufruf für Proteste am 12.5. veröffentlicht, indem folgende Forderungen enthalten sind:

  • Ein kostenloser, qualitativ hochwertiger, öffentlicher Gesundheits- und Sozialbereich für alle;

  • Kein Profit im Gesundheits- und Sozialbereich! Nein zu Privatisierung und Profitgier des Großkapitals - Überführung aller Gesundheits-, Sozial- und Pharmaunternehmen in öffentliches Eigentum;

  • Geld für Gesundheit, nicht für Rüstung! Massive Investitionen in mehr Personal mit besserer Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen und weniger Arbeitsstunden, für sichere Personalausstattung und anständige Arbeitsbedingungen;

  • Gemeinsamer Kampf der Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich aller Berufe, Geschlechter und Nationalitäten;

  • Ein sozialistisches System, das sich um das körperliche und geistige Wohlergehen der großen Mehrheit - der Arbeiter*innenklasse und der Jugendichen - kümmert und nicht um die Profite einer kleinen Elite.

Für die Proteste am Tag der Pflege - 12. Mai - in Österreich haben wir Forderungen darüber hinaus aufgestellt, hier noch einmal zusammegfasst:

  • Nein zu Zweiklassenmedizin und Privatisierung und den Ausbau kostenloser, qualitativ hochwertiger, öffentlicher Gesundheits- und Sozialdienste für alle: Milliarden für Gesundheit, Bildung und Soziales statt für Rüstung und Konzerne!

  • Bedarfsgerechter Ausbau von Angeboten in den Bereichen psychische Gesundheit, Schwangerschaftsabbruch, Gewaltschutz und geschlechtsangleichenden Maßnahmen!

  • Personalmangel bekämpfen mit guten Ausbildungsbedingungen, bezahlten Praktika und 500 Euro mehr netto pro Monat für alle!

  • Verhinderung von Burnout und Entlassungen durch: Verkürzung der Arbeitszeit auf eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn.

  • Verbünden wir uns, um uns zu wehren! Ein gemeinsamer Kampf der Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen für bessere Bedingungen in allen Bereichen und massive Investitionen!

  • Die Qualität der Pflege geht uns alle an! - für eine breite gesellschaftliche Bewegung von Arbeitnehmer*innen und Jugendlichen für eine qualitativ hochwertige Pflege und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für alle!

  • Unsere Gesundheit, unsere Entscheidung! - für ein Gesundheitssystem, das von demokratisch von Beschäftigten und Gesellschaft geleitet und verwaltet wird, so dass Entscheidungen über Finanzierung und Ressourcen nach den vorhandenen Bedürfnissen und nicht nach Spar- oder Profitinteressen getroffen werden.

  • Niemand sollte von unserer Gesundheit profitieren! Enteignung der Pharmakonzerne und anderer Profiteure unter demokratische Kontrolle der Arbeitnehmer*innen - damit sie nach unseren Bedürfnissen und nicht nach dem Profit verwaltet und geplant werden.

  • Gegen das kapitalistische System, das von Profit und Gier auf Kosten unseres Lebens angetrieben wird. Für eine sozialistische Alternative, die ein gesundes, friedliches und wohlhabendes Leben für alle sichert!