Betrieb und Gewerkschaft

ÖGB-Teuerungskonferenz am 8.6.: Wieder eine Chance vertan!

Oliver Giel und Sonja Grusch

Am Mittwoch den 8. Juni lud der ÖGB zu einer Betriebsrät*innenkonferenz nach Wien in die Marx-Halle. Der Name war nicht Programm. Anlass für die erste Konferenz dieser Art seit Beginn der Pandemie ist die steigende Inflation - die zum größten Reallohnverlust seit Beginn der Aufzeichnungen 1955 führt. Für die 3.211 Teilnehmer*innen hatte der ÖGB extra 3.000 Stühle von einer Verleihfirma aus Deutschland liefern lassen. Während die starken Gewerkschaften wie die Metaller*innen gut vertreten waren, waren Vertreter*innen jener Gruppen, die in den letzten Monaten durch Kampfbereitschaft und Proteste aufgefallen waren - Beschäftigte der Kindergärten, Schulen und des Sozial- und Gesundheitswesens - kaum sichtbar. Was wohl daran liegen mag, dass es hier einfach weniger “Freigestellte” gibt, die während der Arbeitszeit kommen können. Oder auch, wie uns Kolleg*innen aus diesem Bereich vor der “Konferenz” sagten, sie keinen Sinn darin sehen, zu dem Event zu kommen, bei dem sie sich nichts erwartet haben. Bei genauerer Betrachtung der Teilnehmer*innen war auch auffallend, dass viele Hauptamtliche der Gewerkschaften selbst und viele Pensionist*innen anwesend waren - dagegen ist nichts einzuwenden, weil sie ja auch von der Teuerung betroffen sind, was aber dennoch kein Ersatz für Betriebsrät*innen ist.

Chance verpasst: Inhaltsleere Show staat vorwärtsgewandte Diskussion

Enttäuschend war dann auch die Konferenz selbst. Neben den Spitzen-Funktionär*innen von AK und Gewerkschaften gab es keine Redebeiträge aus Betrieben oder von der Basis. Ein Lehrling stellte die Frage, warum das Ganze überhaupt “Konferenz” genannt wurde, wenn doch nichts diskutiert und beschlossen worden war. Für ganze 2 Stunden war das Event angesetzt, das verspätet begann, weswegen dann viele Teilnehmer*innen bereits vor dem Ende wieder gingen. Dabei hätten Kolleg*innen, die selbst in den Betrieben stehen mit Sicherheit bessere Beiträge geliefert, hören sie doch tagtäglich wie es den Kolleg*innen geht. Vor allem hätten sie aber darüber diskutieren können, was nächste Schritte sein könnten. So aber erhielten die Teilnehmer*innen ausschweifende Erläuterungen darüber, wie teuer alles geworden ist, und dass die Regierung doch jetzt endlich mal was machen müsste. Man beschränkte sich auf die Argumentation “Preise runter” und feierte eine Petition ab, bei der “bereits” über 55.000 unterschrieben haben - allerdings gibt es in Österreich alleine rund 60.000 Betriebsrät*innen, von den Beschäftigten und ihren Familien ganz abgesehen. Die Vorschläge und Forderungen blieben dann auch mehr als zaghaft,  konkrete Forderungen wie nach Preissenkungen bei Öffis und Wohnen erhielten den Zusatz “vorübergehend” oder “bis 2023”.

Die andere Seite, nämlich jene der der Löhne, war weit weniger präsent. Dabei ist es doch genau jene, wo die Gewerkschaften konkret Verbesserungen erreichen können. Mitglieder der ISA (früher SLP) haben u.a. die automatische Anpassung der Löhne, Gehälter, Pensionen und Sozialleistungen an die Inflation gefordert sowie KV-Verhandlungen, die dann echte Reallohnerhöhungen bedeuten. Der Beschluss der Wiener Betriebsrät*innen im privaten Sozialbereich vor wenigen Wochen, die eine Erhöhung um 750 € Euro fordern zeigt, dass die Gewerkschaftsführung weit hinter dem zurückbleibt, was nötig ist.

Was tun?

Was völlig fehlte, war eine Idee, WIE selbst die mageren Forderungen die aufgestellt wurden erreicht werden könnten. ÖGB-Präsident Katzian, nach eigener Aussage „kein Streithansel, außer, wenn’s sein muss“, tat dann auch alles, um für Vertrauen in Verhandlungen der ÖGB-Führung mit den Vertreter*innen des Kapitals zu werben, die von der ÖGB-Spitze immer noch fälschlich als „Sozialpartner“ bezeichnet werden. Mit Online-Petitionen an die Herrschenden und Umfragen, wie es den Leuten in der Inflation geht, sollen Finanzminister und WKO überzeugt werden, dass die Inflation den meisten Menschen schadet. Enttäuschend, dass der einzige konkrete nächste Schritt aus diesem Treffen von über 3.200 Betriebsrät*innen eine Online-Umfrage ist um zu erheben “wo der Schuh drückt!”. 

Kolleg*innen, die sich mehr erwartet hatten, waren teilweise gar nicht erst gekommen, andere gingen wohl frustriert wieder. “Wir müssen aufhören, mit Wattebäuschen zu werfen” erklärte ein steirischer Betriebsrat im Vorfeld und viele meinten auf die Frage, was es denn bräuche “wir müssen endlich auf die Straße gehen” oder “wir sollten uns vor dem Parlament treffen, nicht hier”. 

Aktiv für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik

Mitglieder der ISA waren mit Infotisch, Zeitungen, Streik-Broschüren und einer Unterschriftenliste vor Ort. Hier unser Flyer: https://www.slp.at/artikel/es-reicht-wir-brauchen-kampfma%C3%9Fnahmen-gegen-teuerung-und-krise-10868 Wir schlugen vor, die Konferenz für Diskussion über Forderungen und Aktionen zu nutzen. In der Zeit der größten Reallohnverluste seit 70 Jahren muss die Gewerkschaft sich vom Dogma der „Sozialpartnerschaft“ lösen und kämpferische Strategien entwickeln. Die Großdemonstration gegen den 12-Stunden-Tag hat gezeigt, dass der ÖGB hunderttausende Kolleg*innen mobilisieren kann. Damals hätten 55% Streikmaßnahmen gegen den 12-Stundentag unterstützt. Man kann davon ausgehen, dass die Unterstützung für Streiks die wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Teuerung fordern, noch deutlich höher wäre. Die Proteste der Kindergarten-Beschäftigten, bei Pflege und Bildung, im Sozialbereich - sie alle zeigen: es mangelt nicht an der Kampfbereitschaft in den Betrieben. ISA-Mitglied Thomas Hauer hatte anlässlich der KV-Verhandlungen im Elektro-Bereich im Betrieb die Streikbereitschaft abgefragt: 290 von 337 befragten Kolleg*innen hatten “streikbereit” angekreuzt. Sogar die Morgenjournal-Redaktion fragt die Gewerkschaftsspitze nach Streiks - und erhielt eine äußerst zurückhaltende Antwort….

Dass es auch anders geht, zeigen die Streiks und Generalstreiks sowie die gewerkschaftlichen Massenproteste in z.B. Belgien und Britannien - überall gehen Beschäftigte gegen die Teuerung auf die Straße! Auch wir brauchen Großdemonstrationen in allen Landeshauptstädten im Sommer und die Vorbereitung einer Offensive um im Herbst mit einem eintägigen Aktions- und Streiktag einen echten heißen Herbst um echte Reallohnerhöhungen und andere Maßnahmen durchzusetzen. Es ist keine Frage von Bitten oder guten Argumenten, sondern des Kräfteverhältnisses und dass Unternehmen und Regierung auch wissen, dass die Gewerkschaft bereit ist, nicht nur ein bisschen mit dem Säbel zu rasseln, sondern auch echte Kampfmaßnahmen setzt. Dann kann nicht nur einen Inflationsausgleich – wie generös von Katzian versprochen – sondern eine deutliche Erhöhung des Reallohns wie auch dauerhafte Preissenkungen erreicht werden. Letztere könnte z.B. dauerhaft durch die Streichung von Konsumsteuern und deren Ersatz durch eine Vermögenssteuer erreicht werden. Die Kontrolle darüber dürfen wir allerdings nicht der Regierung überlassen, wie ein Kollege korrekterweise feststellte, sondern das müssen wir schon selbst erledigen. 

Es ist hohe Zeit, den ÖGB von einem „sozialeren“ Mitverwalter der Krise zu dem zu machen, wofür Gewerkschaften gedacht sind: demokratischen Kampforganisationen der Beschäftigten. Die Konferenz am 8.6. war dafür leider kein Auftakt. Es ist bezeichnend, dass der meiste Applaus aufkam, als Ex-Voest-Betriebsrat Schaller von einem Kollegen berichtete, der ihm mitgegeben hatte: “wir müssen kämpfen und auf die Straße gehen”. Auch hier: die Basis ist viel weiter, als die Führung! Kein Zufall also weit über 100 Kolleg*innen die Unterschriftenliste der ISA/SLP unterschrieben haben in der u.a. auch ein Aktions- und Streiktag im September gefordert wird. Darunter auch in den Gewerkschaften selbst beschäftigte, von denen einige allerdings zwar zustimmten, aber wollten „nix unterschreiben, was die mir dann später um die Ohren hauen“.

Wir werden die nächsten Tage und Wochen auf jeden Fall nutzen, um die Kolleg*innen zusammen zu bringen und von der Basis aus für die nötigen echten Kampfmaßnahmen und einen Kurswechsel der Gewerkschaften einzutreten. Vor allem die unterschiedlichen Lohnverhandlungen (Metallbereich, privater Sozial- und Gesundheitsbereich, Handel) im Herbst werden eine wichtige Chance sein. Hier muss es darum gehen, die Kämpfe zusammenzuführen, um gemeinsam Abschlüsse mindestens in Höhe der aktuellen Inflation durchzusetzen.

Auf der Pride Parade in Wien am Samstag den 11.6. sind die Gewerkschaften zwar präsent, aber ohne eigene Forderungen einzubringen. Mehrere junge Gewerkschafter*innen nahmen die Einladung von ROSA für einen Pflege-Block auf der Pride mit Begeisterung an. Ein Lehrling meinte gleich von sich aus, dass er es gut finden, wenn die Gewerkschaften mit den Themen der Konferenz auf die Pride gehen würden, um mehr Unterstützung zu gewinnen.

Schließe dich uns an!

Solidarität mit dem Warnstreik im Kepler-Uni-Klinikum Linz!

Mehr von euch ist besser für alle!
ISA Linz / OÖ

Der Betriebsrat des KUK am MedCampus 3 und 4 (ehem. AKH Linz und Landesfrauen- und Kinderklinik) ruft für den 21. Juni zu einem Warnstreik mit einer Betriebsversammlung um 13:00 im Design Center auf! Diese Auseinandersetzung geht uns alle etwas an, den wir alle sind potentiell von dem drohenden Pflegenotstand betroffen. Gleichzeitig ist der mutige Warnstreik ein Vorbild für den gesamten Gesundheits- und Sozialbereich. 

Warum jetzt Streik?

Das längst nötige Entlastungspaket ist nie gekommen. “Das hohe Berufsethos hat die KollegInnen lange Zeit zu Höchstleistungen getrieben. Jetzt ist die Erschöpfung überall spürbar. ‘Wir können nicht mehr’, sagen mir viele weinend. Kündigungen nehmen laufend zu.”, schildert der Betriebsrat im offenen Brief an die Landespolitik. 

Was fordern sie?

Neben Gehaltserhöhungen und mehr Unterstützungspersonal (Verwaltung, Reinigung usw.), fordern sie einen Zeitausgleich für die Belastungen der letzten Monate, mehr Fachpersonal und “mittel- bis langfristig” eine 30-Stunden-Woche (bei vollem Gehalt). Gerade für Frauen, die oft durch Betreuungspflichten doppelt belastet sind und die Mehrheit der Beschäftigten ausmachen wären dies wichtige Verbesserungen. Außerdem sind es vor allem Frauen, die einspringen müssen, wenn die Pflegeversorgung unzureichend ist.

ISA solidarisch mit den Kolleg*innen!

Wir unterstützen die Forderungen der Beschäftigten und beteiligten uns schon an vergangenen Protestaktionen. Als internationale Organisation versuchen wir die Erfahrungen von Krankenhausstreiks in anderen Ländern einzubringen, ob vom aktuellen Kampf in NRW in Deutschland, in Großbritannien, Belgien oder den USA.

Erfolgreicher Kampf braucht Aktionsplan!

Viele internationale Beispiele - vor allem die Streiks in der Berliner Charité - zeigt wie wichtig ein langfristiger Aktionsplan für eine erfolgreiche Auseinandersetzung ist. Bei der die Kolleg*innen einbezogen werden und es eine klare Strategie zur Durchsetzung der Forderungen gibt. An der Charité gab es z.B. Delegierte von allen Stationen, die den Arbeitskampf gemeinsam geplant und umgesetzt haben.

Andere Spitäler sollen sich anschließen!

Die Probleme sind überall dieselben. Betriebsversammlungen in anderen Linzer Krankenhäusern wären nicht nur ein Zeichen der Solidarität mit den Kolleg*innen des KUK, sondern würden den Kampf vereinen. Auch die Kolleg*innen im privaten Sozialbereich bereiten sich im Rahmen der KV-Verhandlungen auf Streiks vor. Gegenseitige Solidarität wäre sinnvoll! Denn gemeinsam sind wir stärker! 

Für eine Pflege-Demo durch Linz!

Tragen wir unsere Forderungen in die Öffentlichkeit. Eine Demonstration würde unseren Kampf nicht nur sichtbarer machen, sondern auch der Bevölkerung und anderen Beschäftigten die Möglichkeit geben sich solidarisch zu beteiligen. Die Gewerkschaften sollen jetzt beginnen dafür zu mobilisieren.

Dieses System hat nichts für uns übrig!

Die Herrschenden haben in drei Jahren Pandemie sehr deutlich gezeigt, dass sie weder ein Interesse an der Situation der Beschäftigten noch an der Lösung des Pflegenotstandes haben. Im Kapitalismus sind die Profite der Konzerne immer wichtiger. So bekamen Unternehmen während Corona 42 Mrd. Euro und die Pflege gerade mal eine Mrd. Wenn sie uns das Geld nicht geben, müssen wir es uns holen! Wir brauchen ein System in dem die Gesundheit und Versorgung von Menschen im Mittelpunkt steht und nicht Profit und Kostenoptimierung

Melde dich bei uns, wenn du den Krankenhausstreik unterstützen willst!

Wir organisieren Solidaritätsaktionen, sammeln Unterschriften, diskutieren über Forderungen im Gesundheits- und Sozialbereich und versuchen Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen herzustellen. Schreib uns, wenn du dich beteiligen willst!

 

Arbeiter*innenbewegung in die Offensive!

Die Teuerungskonferenz des ÖGB am 8. Juni muss der Auftakt für einen klassenkämpferischen Kurswechsel der Gewerkschaften werden.
ISA-Stellungnahme

Am 8. Juni organisiert der ÖGB eine Teuerungskonferenz um Vorschläge gegen die Preissteigerungen zu diskutieren. Seit dem Herbst, und noch stärker im Frühjahr ist die Inflation Thema, doch die Abschlüsse bleiben weit hinter dem Nötigen zurück. Gerade angesichts der kapitalistischen Dauerkrise - Corona, Teuerung, Klimakrise, Pflegenotstand,  - wird es höchste Zeit, dass die Gewerkschaftsbewegung ihren Kurs ändert um zu verhindern, dass wir weiter unter einer Politik im Interesse von Banken und Konzernen leiden. 

Zusätzlich wird der Ukrainekrieg drastische Auswirkungen in Österreich haben. Die Regierenden und Bosse in Österreich haben in den letzten Jahren darauf gesetzt durch Geschäfte, billiges Gas und Billiglöhne in Osteuropa fette Extraprofite einzustreichen und stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen. Dazu kommt die galoppierende Teuerung. Einem großen Teil der österreichischen Bevölkerung droht ein drastischer Abfall des Lebensstandards und das Abrutschen in die Armut. Außerdem bringt die Kriegstreiberei der Regierenden in Ost- und Westeuropa an den Rand noch größerer kriegerischer Auseinandersetzungen. 

Statt eines Kurswechsel phantasiert die Gewerkschaftsspitze immer noch von der “Sozialpartnerschaft” und hofft auf “faire” Verhandlungslösungen. Ihre gesamte politische Perspektive basiert auf der Illusion dieses chaotische System bestmöglich mitzuverwalten und ein bisschen was für Beschäftigte rauszuholen. Angesichts einer immer tieferen Krise des gesamten Systems führt das vor allem dazu, dass wir der Willkür von Bossen und Regierung widerstandslos ausgesetzt sind. Die Teuerungskonferenz muss zum Startpunkt werden diesen Kurs grundlegend zu ändern. In diesem Artikel wollen wir herausarbeiten welchen Kurswechsel es bräuchte und welche Ansatzpunkte es für kämpferische Betriebsrät*innen, aktive Beschäftigte, Basisinitiativen, Linke und Sozialist*innen dafür gibt. 

Lohnverhandlungen: verpasste Chancen und ein notwendiger Kurswechsel

Die letzten Lohnrunden zeigten deutlich das Versagen des aktuellen Kurses der Gewerkschaftsführung. Obwohl es einige Mobilisierungen (Papier, Elektro, Chemie, Erwachsenenbildung) gab und auch die Lohnabschlüsse am oberen Ende der sozialpartnerschaftlichen Erwartungen waren (zwischen ca. 3,5-5,9%) bleiben diese Abschlüsse immer stärker hinter dem was notwendig ist zurück und bedeuten bei einer offiziellen Inflationsrate von 7,2 % (bei vielen Gütern des täglichen Bedarfs weit höher) einen drastischen Reallohnverlust. Aber vor allem bedeuten sie eine verpasste Chance Kampfkraft und Widerstand aufzubauen. Die Gewerkschaftsspitze beendete alle Verhandlungen ohne Streiks oder andere weitergehende Kampfmaßnahmen zu organisieren. Für die Unternehmen zeigt das: sogar bei unglaublicher Teuerung verzichtet die Gewerkschaft auf das Kampfmittel Streik. Dieses deutliche Zeichen der Schwäche durch die Gewerkschaften wird aber nicht zu einem “freundlichen Entgegenkommen” durch die Firmen führen sondern im Gegenteil dazu, dass sie immer aggressiver ihre Profitinteressen durchsetzen werden, bei Löhne, Gehältern, Zulagen und Arbeitszeit.

Umso wichtiger ist ein sofortiger Kurswechsel. Vor allem im Rahmen der Herbstlohnrunde stehen wichtige Verhandlungen bevor. Der Metallbereich ist noch immer der Bereich mit der größten Kampfkraft und schon im letzten Jahr gab es Warnstreiks - die leider viel zu früh abgebrochen wurden. In diesem Jahr gäbe es das Potenzial durch einen offensiven Kurs die Grundlage für hohe Abschlüsse auch in allen anderen Bereichen zu legen - dieser scheitert nicht an den Kolleg*innen in den Betrieben! Kämpferische Betriebsrät*innen und Kolleg*innen in der Industrie sollten sich möglichst schnell organisieren und genau so einen Kurs bei den Verhandlungen einfordern und aktiv selbst vorbereiten und dabei nicht auf die Führung der Gewerkschaften warten. Auch die Kolleg*innen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ, Sozialwirtschaft Österreich) zählen zu den kämpferischten und streikerfahrensten Beschäftigten Österreichs. Gerade der drei-Jahres Abschluss unmittelbar vor der Pandemie (den die Gewerkschaftsspitze hinter dem Rücken vieler Kolleg*innen abgeschlossen hat und der zu Recht viel Unmut erzeugt hat) zeigt die Notwendigkeit eigenständiger Organisierung an der Basis. Ein Vorteil ist, dass es in der gesamten Branche bereits sehr viele kämpferische Betriebsrät*innen, aktive Beschäftigte und Basisinitiativen gibt: sie sind die Grundlage um dieses Mal die dringend notwendigen Verbesserungen durchzusetzen. Dazu müssen diese Kräfte sich vernetzen um zu verhindern, dass Strategie und Abschluss der Gewerkschaftsspitze wieder hinter den Notwendigkeiten der Beschäftigten zurückbleiben. 

Um die Kampfkraft zu stärken ist es auch notwendig die kommenden Lohnrunden zusammenzuführen und gemeinsame Forderungen aufzustellen. So können auch die besser organisierten und stärkeren Branchen schwächeren (wie dem Handel) zu guten Abschlüssen verhelfen. Die Teuerungskonferenz sollte der Startpunkt für die konkrete Organisierung solcher Schritte sein: wenn die Gewerkschaftsspitze nicht bereit ist, das zu tun müssen wir von unten Initiativen in diese Richtung setzen: gegenseitige Besuche bei Aktionen, Betriebsversammlungen und bis zur Abhaltung gemeinsamer Demonstrationen und Streiks. 

Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich

Durch jahrelanges Kaputtsparen und katastrophales Pandemiemanagement steht die Branche in Teilen vor dem Kollaps und es ist die Aufgabe der gesamten Arbeiter*innenbewegung das zu verhindern, denn wir alle brauchen sie! Die Regierungen haben keinerlei Interesse daran diese Situation durch Investitionen zu lösen - im Gegenteil durch die Kündigungen und die Krise der öffentlichen Versorgung werden Sparmaßnahmen und eine Verlagerung zu privater Versorgung durch die Hintertür durchgesetzt. Die Pflegereform ist hier keine Trendwende sondern lediglich ein Zugeständnis an den Druck der Kolleg*innen, das nichts an den realen Problemen ändert (vollständige Analyse: https://www.slp.at/artikel/pflegereform-ein-tropfen-auf-dem-hei%C3%9Fen-stein-10852). Deshalb ist die Strategie der Gewerkschaftsführung - die vor allem auf moralische Appelle und symbolische Aktionen setzt - auch so katastrophal gescheitert. Genau darin liegt auch die Schwäche und das Problem bei den Mobilisierungen rund um den Corona-Bonus, von Elementarpädagog*innen und aus der Pflege. Gerade weil die Regierung kein Interesse daran hat die Situation zu verbessern muss sie durch Druck von unten dazu gezwungen werden. Doch das ist dem bisherigen Kurs der Gewerkschaftsspitzen unmöglich. Dazu brauchen wir einen Aktionsplan der die Kolleg*innen aktiviert, einbezieht, zusammenbringt und der als Kampfmittel die Öffentlichkeit informiert und Streiks organisiert - zuerst kürzere und dann immer längere. Gerade aufgrund einer möglichen neuen Corona-Welle im Herbst ist es dringend notwendig diesen Aktionsplan noch vor dem Sommer einzuleiten. 

ÖGB-Teuerungskonferenz und eine Perspektive für einen verallgemeinerten Klassenkampf

Die Teuerungskonferenz des ÖGB am 8. Juni wäre ein idealer Anlass um einen gemeinsamen Aktionsplan für unterschiedliche dringende Herausforderungen für Beschäftigte in Österreich aufzustellen: einen politische Antwort auf Teuerung und sinkenden Lebensstandard, aber auch auf Pflegenotstand, Krieg und Klimakrise. 

Wir haben an anderer Stelle ein ausführlicheres Programm gegen Teuerung erstellt (https://www.slp.at/artikel/10-punkte-programm-gegen-inflation-teuerung-10833). Aber zentrale Forderung eines solchen Programms wären: der gemeinsame Kampf für eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation, die Abschaffung von unsozialen Massensteuern wie Umsatzsteuer und Ersetzung durch eine Besteuerung von Superreichen und Konzernen, Milliardeninvestitionen in Gesundheit, Bildung und Soziales und der Aufbau einer öffentlichen erneuerbaren Energieversorgung um die Abhängigkeit von russischem Gas und Profitgier österreichischer Energiekonzerne zu verhindern.

Es ist ein großer (aber leider erwartbarer) Fehler, dass auf der Teuerungskonferenz dieser Aktionsplan noch nicht vorliegt. Wenn die Gewerkschaftsspitzen ihre Arbeit nicht machen, dann müssen wir, Betriebsräte, Beschäftigte, Aktivist*innen, das selbst machen. Ein Zuwarten und weitere faule Kompromisse können wir uns schlicht nicht leisten. Dringend notwendig so einen Aktionsplan zu entwickeln und die Forderung “Geld für Soziales, Bildung und deutliche Lohnerhöhungen statt für Konzerne und Aufrüstung” muss in der gesamten Arbeiter*innenbewegung aufgestellt und durchgesetzt werden. 

Die Teuerungskonferenz muß zum Auftakt für regionale Betriebsrät*innen und Aktivist*innenkonferenzen in allen Bundesländern gefolgt von Betriebsversammlungen werden, bei denen ein Forderungskatalog und ein Aktionsplan zur Durchsetzung erarbeitet wird. Die nächsten Lohnverhandlungen können so mit einer allgemeinen Offensive der Arbeiter*innenbewegung kombiniert werden um eine Politik im Interesse der Vielen auf unterschiedlichsten Ebenen umzusetzen. 

Diesen Kurs müssen wir erkämpfen

Doch die sozialpartnerschaftliche Führung des ÖGB verhindert diesen entschlossenen Kampf für unsere Interessen. Für einen Kurswechsel braucht es eine kämpferische Strategie und Führung. Wir müssen die Teuerungskonferenz, sowie die bevorstehenden Lohnrunden und andere Proteste nützen um Schritte in diese Richtung zu gehen. Erfahrungen wie, die der Basisinitaitive “Sozial, aber nicht blöd” (vor allem im privaten Gesundheits- und Sozialbereich) oder “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” (vor allem in Krankenhäusern) zeigen, dass es so einer eigenständigen Organisierung an der Basis schnell gelingen kann Druck aufzubauen und dadurch den Kampf für Verbesserungen einzuleiten. Kämpferische Betriebsrät*innen und aktive Beschäftigte sollten die Teuerungskonferenz nützen um sich zu vernetzen und darüber zu diskutieren wie man einen kämpferischen Kurs durchsetzen kann. 

Ein Schritt in diese Richtung können auch Anträge in Betriebsratsgremien im Vorfeld der Teuerungskonferenz sein, entlang folgender Linien:

  • Der ÖGB und die Teilgewerkschaften müssen jetzt rund um ein Programm gegen Teuerung und sonstige Auswirkungen der verschiedenen Krisen in die Offensive kommen. Dazu gehören sowohl Forderungen an die Politik wie auch eine Offensive im Rahmen der Herbstlohnrunden. Die Teuerungskonferenz muss der erste Schritt zur Erarbeitung eines Aktionsplanes sein. 

  • Die Eckpunkte eines solchen Aktionsplanes müssen sein:

    • Noch im Juni eine bundesweite Betriebsrät*innenkonferenz zur Diskussion von Forderungen und Aktionen, gefolgt von Großdemonstrationen in allen Landeshauptstädten

    • Sollte die Regierung keine wirksamen Maßnahmen einleiten, wird der Sommer zur Vorbereitung einer Offensive im Herbst genutzt bei dem offensive und gemeinsame Forderungen im Rahmen der Lohnverhandlungen mit allgemeinen Forderungen an die Politik verbunden werden.

    • Auftakt dieser Offensive sollte ein eintägiger bundesweiter Aktions- und Streiktag Anfang September sein als erster Schritt sein

Sozialistische Perspektive für die Gewerkschaftsbewegung

Die letzten zwei Jahre Pandemie haben endgültig gezeigt, dass die sozialpartnerschaftliche Orientierung der Gewerkschaftsspitze eine Katastrophe für Beschäftigte bedeutet. Grundsätzlich liegt das an der einfachen Tatsache, dass ihre gesamte politische Orientierung innerhalb der Grenzen dieses Systems verbleibt und dementsprechend ein Mitverwalten dieses Systems die einzige Perspektive ist. Doch dieses kapitalistische System beruht darauf, dass viele Reichtum schaffen aber nur wenige davon profitieren. Um das zu verändern braucht die Gewerkschaftsbewegung dringend eine klassenkämpferische und systemverändernde Perspektive, die über die Grenzen des Kapitalismus hinausgeht - anders können wir die zunehmenden Krisen nicht bewältigen. Eine Politik, die über die Systemgrenzen hinausgeht bedeutet z.B. der Kampf für eine automatische Anpassung der Löhne und Arbeitszeiten an Inflation und Arbeitslosigkeit, für eine Gesundheitsversorgung ohne Kostendruck und für eine ökologische Transformation der Industrie durch Enteignung und öffentliche Kontrolle zur Rettung von Jobs und Umwelt. Eine kämpferische Arbeiter*innenbewegung ist auch die einzige Grundlage für den Aufbau einer politischen Alternative - den ganz egal wer die nächste Regierung führt an der Politik im Interesse von Banken und Konzernen wird sich auch unter einer SPÖ-Regierung nichts ändern (genauso wenig wie das bis 2017 der Fall war). Nur die unabhängige Organisierung der Arbeiter*innenklasse (im Interesse von Beschäftigten, Jugendlichen, Pensionist*innen und Arbeitslosen aber unabhängig von Firmen, Bossen und Superreichen) kann die Perspektive einer neuen Arbeiter*innenpartei und einer echten Alternative eröffnen. 

 

Demos am Tag der Pflege: Viel Lärm worum?

Demo in Wien

Graz

Graz

Bramherzige Brüder Linz

"Do It Yourself: Frauentag Linz"

 

Bundesweit organisierten die Gewerkschaften zum Tag der Pflege am 12.5. in verschiedenen Städten Demonstrationen - ein richtiger und wichtiger Schritt, und die erste Mobilisierung in diesem Bereich seit November letzten Jahres. Bis zu einem gewissen Grad ist es richtig, die plötzliche Veröffentlichung der jahrelang absichtlich verschleppten Pflegereform durch die Regierung mit den gewerkschaftlichen Mobilisierungen in Verbindung zu bringen: Offenbar reagierte die Regierung auf den wachsenden Unmut. Das zeigt, dass es Mobilisierungen und konkrete betriebliche Kämpfe sind, die tatsächliche Verbesserungen erreichen können. Doch diese Verbindung gilt auch in die andere Richtung: halbherzige Mobilisierungen erreichen allerhöchstens halbherzige und letztlich wirkungslose Reformen. Die Pflegereform der Regierung ist gerade mal ein Tropfen auf den heißen Stein - oder “ein Witz in einem Sackerl”, wie eine Kollegin auf der Demo in Wien meinte.

-> Unsere Ausführliche Analyse der Pflegereform könnt ihr hier nachlesen: https://www.slp.at/artikel/pflegereform-ein-tropfen-auf-dem-hei%C3%9Fen-...

Doch das hindert die Führungen der zuständigen Gewerkschaften GPA, vida, Younion und GÖD  jedoch nicht, die Pflegereform als ihren Erfolg zu verbuchen.Von nun an wollen sie sich darauf beschränken, sich die Umsetzung der Reform “ganz genau anzuschauen”, und, wenn es nötig sei, “die nächste Demo” zu machen. Und genau hier liegt das Problem, das schon am 12.5. spürbar war: Die Mobilisierungen, insbesondere in Wien, blieben hinter den Erwartungen zurück waren. Es waren zwar viele Kolleg*innen da, die ihre Wut über die aktuellen Zustände mitbrachten - doch viele berichteten auch, als einzige von ihrer Einrichtung/Station etc. gekommen zu sein. Auch hörten wir oft, dass es keine systematische Mobilisierung in Betrieben für die Demo gegeben hat - ein Plakat im Pausenraum ist halt keine Mobilisierung. Das konnten auch all die Lautsprecher auf den Partybussen und all die verteilten Trillerpfeifen nicht übertönen.

Aktionsplan nötig!

Das liegt keineswegs daran, dass die Kolleg*innen mit der Pflegereform zufrieden wären und deswegen keinen Sinn in Mobilisierungen sehen würden. Im Gegenteil: Viele sehen nur keinen Sinn darin, einfach immer wieder zur “nächsten Demo” zu gehen, ohne dass von den Gewerkschaften ein konkreter Aktionsplan vorliegt, der jede Mobilisierung für den nächsten, weiterreichenden Schritt nutzt - bis hin zu bundesweiten Streiks.

Wie ein Schritt innerhalb eines solchen Aktionsplans aussehen könnte, zeigte etwa der Betriebsratsvorsitzende des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz. Am 12.5. riefen die Kolleg*innen zur öffentlichen Betriebsversammlung und luden auch aktiv Kolleg*innen anderer Pflegeeinrichtungen dazu ein, sich an dem Protest zu beteiligen. So kam echte Solidarität von unten zustande, anstatt dass wie üblich die Gewerkschaftsbürokrat*innen sich gegenseitig auf Bühnen besuchen und leere Worthülsen austauschen, auf die keine konkrete Solidarität in Form gemeinsamer Kämpfe folgt.

So ein Aktionsplan könnte mit einer Umfrage unter allen Beschäftigten über die wichtigsten Forderungen starten, die dann als nächsten Schritt auf Betriebsrät*innenkonferenzen und Betriebsversammlungen im ganzen Land diskutiert werden. Das Ergebnis dieses Prozesses sollte nicht nur ein klarer Forderungskatalog, sondern auch ein Aktionsplan zur Durchsetzung - von den Kolleg*innen demokratisch erarbeitet sein. Ein Aktionsplan zur Durchsetzung tatsächlicher Verbesserungen wird nicht ohne Streiks auskommen. Durch eskalierende Streiks kombiniert mit öffentlichem Druck und Demonstrationen könnte man die Regierung wahrscheinlich schnell in die Knie zwingen. Zur Organisierung so einer Bewegung und Rückkoppelung an die Stationen, können an allen Stationen Vertrauenspersonen gewählt werden, die wiederum regionale und bundesweite Koordination wählen. Wenn Beschäftigte auf diese Art und Weise tatsächlich ihren Kampf demokratisch gestalten können und eine Perspektive auf einen Erfolg haben, ist man auch eher dazu bereit, seine wertvolle Freizeit zu opfern. Nur eine solche Eskalationsstragie, die mutig und offen in die Betriebe getragen wird, die bereits streikbereiten Kolleg*innen den Rücken stärkt und auf Zweifel oder Ängste anderer Kolleg*innen offen durch Streik-Workshops etc. zugeht, ist in der Lage, die notwendige Mobilisierungskraft aufzubauen, um die ebenso notwendigen Verbesserungen zu erkämpfen.

Eine wichtige kommende Auseinandersetzung in diesem Zusammenhang sind die Kollektivvertragsverhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (Sozialwirtschaft Österreich, SWÖ), ein Bereich indem es viele kämpferische Betriebsräte und aktive Kolleg*innen gibt.

Wir sind streikbereit!

Als Sozialist*innen sehen wir es als unsere Aufgabe, konkrete Vorschläge in Mobilisierungen hineinzutragen, wie weitere Schritte im Kampf für Verbesserungen aussehen können. Am 12.5. wäre es wichtig gewesen, dass Organisationen mit sozialistischem Anspruch wie die KPÖ in Graz nicht nur als Demoblock mitmarschieren, sondern ebenfalls aktiv ihre Ideen für einen Aktionsplan einbringen. Ohne diesen Anspruch geraten linke Organisationen in die Gefahr, als unkritische Zubringer für halbherzige Mobilisierungen der Gewerkschaftsbürokratie wahrgenommen zu werden.

Darum intervenierte die ISA in Linz, Graz und Wien am 12.5. nicht nur mit der Forderung nach Streiks in der Pflege, sondern auch mit Angeboten, wie auf solche Streiks hingearbeitet werden kann. Dass es eine Basis für einen solchen Aktionsplan gibt, zeigten nicht die Reaktionen der Kolleg*innen auf die Petition der Kampagne “#streikbereit”, die ISA-Aktivist*innen mit der Initiative “Sozial, aber nicht blöd” auf den Demos verbreiteten: “Ja, genau, streiken müssen wir! Alle raus aus dem Pflegeheim und unter der Woche eine Kreuzung blockieren - nur so hören die uns!”, meinte etwa eine Wiener Pflegerin. Wir sammelten zahlreiche Unterschriften für konkrete betriebliche Kampfmaßnahmen, auch das Streik-Handbuch der ISA stieß auf großes Interesse.

In Wien organisierten ISA-Aktivist*innen gemeinsam mit “Sozial aber nicht blöd” einen kämpferischen Demoblock, der dem inhaltslosen Lärm seitens der Demo-Organisation Slogans wie “Mehr Personal in Pflege und Spital” und “Heute Demo, Morgen Streik”, entgegenstellte. Insbesondere Pflegeschüler*innen schlossen sich lautstark dem Block an. Für diese jungen Kolleg*innen lag auch die Verbindung des Kampfes für bessere Arbeitsbedingungen mit dem Kampf gegen Sexismus und Frauenunterdrückung auf der Hand - und entsprechend auch die Notwendigkeit eines sozialistischen Feminismus, wie ihn die von der ISA initiierte Plattform ROSA vertritt. Deswegen organisierten ROSA-und ISA-Aktivist*innen in Linz auch gemeinsam mit dem Bündnis “Do It Yourself: Frauentag Linz” am 12.5. auch eine eigene Kundgebung zum Tag der Pflege. Bei dieser drückten nicht nur zahlreiche Passant*innen ihre Unterstützung aus, sondern es ergaben sich auch einige Diskussionen mit Beschäftigte aus der Pflege über die aktuelle Situation.

Der 12.5. zeigte also sowohl das Potential, das in diesem Bereich weitere Kämpfe liegt, aber auch die Zögerlichkeit der Gewerkschaftsführung. Es besteht die reale Gefahr, dass die Kombination aus beschlossener Pflegereform seitens der Regierung und Planlosigkeit seitens der Gewerkschaftsführung eine demobilisierende Wirkung entfaltet. Das darf nicht passieren. Eine Kollegin aus Wien sprach wohl vielen aus der Seele, als sie nach der Demo öffentlich auf Facebook postete:

Ich bin hier nicht in Partystimmung, ich will Reformen die uns weiterbringen und kein Downgrade das hier bei der nichtssagenden Reform angekündigt worden ist!

Wir brauchen keinen Bonus auf Zeit!

Wir brauchen keine Pflegelehre!

Wir brauchen eine bessere Personalberechnung!

Eine Gehaltserhöhung und keinen Bonus!

Eine Gehaltsanpassung an den Erworbenen Kompetenzen!

Ich bin seit über 20 Jahren Gewerkschaftsmitglied, aber sowas von enttäuscht von dieser.”

Doch anstatt zu resignieren, schloss sie mit der richtigen Forderung:

“Wir müssen sie [die Gewerkschaft] von der Basis an reformieren, damit sie sich endlich ihrer Bestimmung wieder gesinnt!”

 

12. Mai - Tag der Pflege

Pflegestreik gegen Pflegenotstand!
Flugblatt der ISA

Beteiligt euch mit uns an den Protesten!

Demo in Wien: 15:00 - Wien Mitte / Landstraße

Demo in Graz: 15:30 - Tummelplatz

Aktionen in Linz:

- öffentliche Betriebsversammlung: 12:05 vor dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder

- Kundgebung von "Do It Yourself: Frauentag Linz": 16:00 am Schillerplatz

 

Geld für Gesundheit und Soziales statt für Aufrüstung und Konzerne

Schon vor der Pandemie haben Bundes- und Landesregierungen den Gesundheits- und Sozialbereich kaputtgespart. Die Pandemie hat die Situation nochmal verschärft und jetzt droht ein Teufelskreis: immer mehr Kolleg*innen sehen sich aufgrund der katastrophalen Arbeitsbedingungen gezwungen den Pflegeberuf zu verlassen, diese Personalabwanderung verschärft die Situation noch weiter und zwingt noch mehr Kolleg*innen dazu den Job zu verlassen und noch weniger werden sich dafür entscheiden eine Ausbildung zu beginnen.

Die Regierungspolitik: fahrlässige Tötung

Die Regierung nimmt diesen fortschreitenden Notstand bewusst in Kauf. Nach mehr als 2 Jahren Pandemie ist NICHTS passiert. Ganz anders wenn es um Aufrüstung und Geschenke für Konzerne geht, da stellt die Bundesregierung quasi über Nacht Milliarden zur Verfügung. Die Verteidigunsministerin behauptet sogar man habe zu viel für Soziale Sicherheit und zu wenig für militärische ausgegeben. Tatsächlich haben die Regierenden keinerlei Interesse daran mehr Geld in den öffentlichen Gesundheits- und Sozialbereich zu investieren - die Versorgung bringt keine Profite. Im Gegenteil: die massenhaften Kündigungen, die nicht nachbesetzt werden und die sich verschlechternde Versorgung sind schleichende Sparpolitik und Privatisierung durch die Hintertür. Das öffentliche Gesundheitssystem wird abgebaut und die es sich leisten können steigen auf Private um. Dementsprechend wenig sollten wir uns deshalb auch von der Pflegereform der Regierung erwarten - nur durch Druck von unten können wir diese Regierung zu Zugeständnissen zwingen.

Wir brauchen einen Aktionsplan und Streiks

Deshalb sind die symbolischen Mobilisierungen der Gewerkschaftsspitze leider auch so wirkungslos: die Regierung hat kein Problem damit wenn Pfleger*innen auf die einmal Straße gehen. Auch Kolleg*innen spüren, wenn hinter Mobilisierungsaktionen wenig weiterer Plan steckt und opfern ihre wertvolle Freizeit nicht dafür. Deshalb braucht es einen Aktionsplan mit einer Eskalationsstrategie und echte Streiks noch vor dem Sommer um den Druck Schritt für Schritt zu erhöhen. Beginnen könnte man mit Betriebsversammlungen in allen Spitälern während der Arbeitszeit wo nur ein Notdienst aufrecht bleibt. Dort können die Forderungen und nächste Schritte durch die Beschäftigten diskutiert und selbst beschlossen werden. Dem müssen Streiks folgen, zuerst einige Stunden, dann volle Tage: nur indem wir zeigen, was passiert wenn wir nicht mehr arbeiten können wir den Druck auf Politik und Management maximieren. So eine Streikbewegung könnte diese unpopuläre Regierung  sehr schnell in die Knie zwingen - auch weil die Solidarität aus der Bevölkerung enorm groß ist. Es gibt auch das Potenzial diesen Kampf mit anderen Bereichen zusammenzuschließen: in den letzten Monaten haben Elementarpädagog*innen mehrmals die Arbeit niedergelegt und im privaten Sozial- und Pflegebereich beginnen schon die Vorbereitungen für die kommende Lohnrunde. Und unsere Forderungen sind tatsächlich ähnlich: es braucht mehr Geld für Gesundheit, Bildung und Soziales statt für Aufrüstung und Konzerne. 

Nicht Streiks gefährden Patient*innen sondern der Normalzustand

Noch immer wird manchmal behauptet, dass Streiken im Krankenhaus nicht möglich ist. Aber weltweit unzählige Beispiele für erfolgreiche Streiks im Gesundheitsbereich. Erst im Herbst haben die Kolleg*innen an der Berliner Charité neuerlich in einem mehrwöchigen Streik mehr Personal erkämpfen können und aktuell entwickelte sich eine unbefristete Streikbewegung in Nordrhein-Westfalen. Und auch in Österreich wurde bei den Ordensspitälern und im privaten Sozial- und Pflegebereich in den letzten Jahren erfolgreich gestreikt. Streiks sind nichts anderes als Notwehr gegen eine Gesundheitspolitik die Menschenleben gefährdet. Aber tatsächlich ist es bei Streiks im Gesundheitsbereich umso wichtiger, dass sie demokratisch von unten organisiert werden. Die Kolleg*innen an den Stationen wissen nämlich am besten wo man am besten streiken kann ohne Patient*innen zu gefährden. 

Selbstständig organisieren

Leider haben die zuständigen Gewerkschaften bis jetzt vollständig darin versagt diesen Kampf zu organisieren. Die Spitzen der Gewerkschaften sind leider viel zu eng mit der Politik verbunden um auf Kampfmaßnahmen zu setzen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns selbstständig organisieren und Druck von unten aufbauen. Die Basisinitiative “Wir sind sozial aber nicht blöd” (SANB) hat deshalb eine Kampagne unter dem Motto “Wir sind streikbereit” gestartet um der Gewerkschaftsspitze dazu aufzufordern in die Offensive zu kommen und unsere Forderungen endlich durch einen Aktionsplan inklusive Streiks umzusetzen. In den nächsten Monaten wird SANB vor allem auch im Rahmen der Lohnverhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ, Sozialwirtschaft Österreich) aktiv sein. Melde dich einfach bei SANB, wenn du Infos haben willst, wenn du dich mit anderen Kolleg*innen zusammentun und austauschen und wenn du auf deiner Station “was tun” willst. 

Hier findest du "Wir sind sozial, aber nicht blöd!" auf Facebook und auf Instagram!

Gesundheit statt Profite - aktiv werden für eine Sozialistische Alternative

Das katastrophale Scheitern der Regierungspolitik im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich ist auch eine himmelschreiende Anklage gegen unser gesamtes System. Sogar in einem der reichsten Länder der Welt wird die Sicherung grundlegender menschlicher Bedürfnisse wie Kindererziehung, Krankenversorgung und Soziale Dienste langsam unmöglich. In diesem System werden die Profite einiger weniger großer Konzerne immer mehr zählen als unsere Leben. Deshalb kämpfen wir als Internationale Sozialistische Alternative (ISA) und als sozialistisch-feministische Initiative ROSA nicht nur für dringend notwendige Verbesserungen um den drohenden Notstand abzuwehren, sondern auch für ein System in dem der gesellschaftliche Reichtum den wir schaffen verwendet wird um die Gesundheit und freie Entwicklung von allen sicherzustellen und nicht damit sich einige wenige noch größere Häuser oder Yachten kaufen können. Wenn du richtig findest was in diesem Flyer steht und du die Situation auch nicht länger hinnehmen willst, melde dich bei uns und hilf uns gemeinsam den notwendigen Widerstand von unten zu organisieren.

Geld für Gesundheit und Soziales statt für Aufrüstung und Konzerne

  • 20% mehr Personal als erster Schritt

  • 10% mehr Gehalt als erster Schritt

  • Bezahlte Ausbildung von der man leben kann

  • Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich

  • 250€ Corona-Bonus pro Monat der Pandemie

  • Die Gewerkschaften müssen endlich echte Kämpfe organisieren!

  • Planung des Gesundheitswesens, der Stationen und Abläufe durch die Kolleg*innen vor Ort und nicht angebliche “Expert*innen” deren Ziel die Kostensenkung ist.

 

Nächste Treffen:

 

=> 16.5. | 18:30 | ROSA-Treffen: Who cares? Pflege und Frauenunterdrückung
Restaurant Zypresse | Westbahnstraße 35A | Wien

Während der Pandemie haben Frauen dreifach gelitten: als Beschäftigte in systemrelevanten Branchen, unter Homeschoolung und mehr Hausarbeit und häuslicher Gewalt. Wir wollen darüber diskutieren wie das kaputtsparen des Sozial- und Gesundheitsbereich mit Frauenunterdrückung im Kapitalismus zusammenhängt und wie Feminist*innen den Kampf für Verbesserungen in diesen Branchen unterstützen können. 

 

=> 16.5. | 18:30 | ISA-Treffen: Pflege und Gesundheit im Kapitalismus
Restaurant Antebia | Magazingasse 11 | Linz

 

=> 23.5. | 18:30 | ROSA-Treffen in Linz
Restaurant Antebia | Magazingasse 11 | Linz

 

=> 19.5. | 19:00 | ISA-Treffen: Streiken aber wie?
ISA-Büro | Pappenheimgase 2/1 | Wien

Streiken ist das einzige Mittel wie sich Beschäftigte entschieden für ihre Interessen einsetzen können. Aber in Österreich gibt es noch immer weniger Streiks als in anderen Ländern und deshalb wenig wissen darüber wie wir streiken können. Wir wollen darüber diskutieren wie Streiks organisiert werden können und was wir in Bereichen beachten müssen wo Menschen von uns abhängen. 

 

Elektro-/Elektronikindustrie: Streiken als Investition in die Zukunft!

Lohnverhandlungen in der Elektro-/Elektronikindustrie stocken. Betriebsversammlungen stehen bevor
Christoph Glanninger

Am 26.4. wurde die letzte Verhandlungsrunde in der Elektro-/Elektronikindustrie abgebrochen. Die Bosse waren nicht bereit ihr Angebot auf mehr als 4 % zu erhöhen, angesichts von 6,8 % offizieller Inflationsrate (und bei Güter des tagtäglichen Bedarfs deutlich höher) ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten. Neben der Elektro-/Elektronikindustrie stocken auch die Lohnverhandlungen in anderen Branchen, auch in der Papier- und Chemieindustrie werden 6 % gefordert. Die Lohnverhandlungen in diesem Jahr sind kein “business as usual”, es ist der erste wichtige Kampf rund um die Frage wer die Kosten für die Krise tragen soll: Wir Beschäftigte oder die Bosse. 

Betriebsrät*innenkonferenz: wütend und unruhig

Schon am Tag vor dem Abbruch der Verhandlungen hatten sich ca. 500 Betriebsrät*innen aus der Elektro-/Elektronikindustrie in der Seestadt (Wien) versammelt um über den Verhandlungsstand zu beraten. Und auch diese Betriebsrät*innenkonferenz zeigte, dass es sich dieses Jahr um keine Verhandlungen wie üblich handelt. Es sind die dritten Verhandlungsrunden die mitten in einer Krise stattfinden, von unterschiedlicher Stelle wurde betont, dass man es sich nicht leisten kann einfach auf krisenfreie Zeiten abzuwarten - die wahrscheinlich nie wieder kommen werden. Dazu kommt, dass die Konzerne in der Elektro-/Elektronikindustrie auch während der Krisenjahre fette Profite gemacht haben. Trotzdem war die Unsicherheit ein prägendes Thema der Konferenz: Sowohl das Podium als auch die Teilnehmer*innen thematisierten den Krieg in der Ukraine und die Sorge um eine wirtschaftliche Krise. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass die Kolleg*innen dazu bereit waren für einen höheren Abschluss in diesem Jahr aufzustehen. 

Thomas Hauer, Arbeiter*innenbetriebsrat bei Gebauer und Griller (einem großen Kabelwerk in Niederösterreich) und Mitglied der ISA (früher SLP), betonte in seinem Beitrag, dass gerade die fortlaufenden Krisen ein wichtiger Grund sind um in diesen Lohnverhandlungen durch Arbeitskämpfe einen ordentlichen Abschluss zu erkämpfen. Auch um die Branche, in der seit Jahren keine Streiks stattgefunden haben, bereit für kommende Auseinandersetzungen zu machen. Er berichtete auch von der Stimmung im Betrieb selbst: Zur Vorbereitung der Konferenz wurden die Unterschriften von mehr als ca. der Hälfte der Arbeiter*innen im Betrieb gesammelt von denen sich 86% für Streiks zur Durchsetzung der Forderungen aussprachen. 

Hier könnt ihr die Rede von Thomas nachhören: https://fb.watch/cGjCZQroBu/

Die Konferenz endete mit dem Beschluss über Betriebsversammlungen, sollte kein Abschluss erzielt werden, die dann Beschlüsse zu Warnstreiks treffen sollten. Diese Betriebsversammlungen stehen rund um den 1. Mai bevor. 

Streiken zur Durchsetzung der Forderungen und als Investition in die Zukunft

Den meisten Kolleg*innen und Betriebsrät*innen ist klar, dass dieses Jahr kein normales ist, dementsprechend wäre ein “normaler” Kompromiss (z.B. bei 4,5 %) ein katastrophales Zeichen für Beschäftigte und würde die Enttäuschung in die Gewerkschaftsspitze weiter erhöhen. Eine Durchsetzung der 6 % Forderung durch einen Aktions- und Streikplan hingegen würde viel Vertrauen und Kampfkraft in den Belegschaften aufbauen. 

Die Bedingungen für Streiks sind nicht so schlecht. Die Auftragsbücher der meisten Konzerne sind voll, es herrscht ohnehin ein Fachkräftemangel und auch eine Verlagerung von Produktion wird durch die immer intensiver werdenden globalen Krisen eine immer schlechtere Option für Konzerne. Natürlich schwächen Lieferengpässe teilweise die Kampfkraft, weil die Produktion sowieso nicht voll laufen kann. Umso wichtiger ist eine gemeinsam entwickelte Streiks- und Aktionsstrategien, die die Streikwirkung maximieren. Aber vor allem dürfen wir nicht unterschätzen wie wichtig die politische und symbolische Wirkung von Streik in einer Branche sind in der seit mehr 10 Jahren keine Arbeitskämpfe mehr stattgefunden haben. 

In so einer Situation sind Streiks eine Investition in die Zukunft. Sie sind nicht nur notwendig um einen Abschluss durchzusetzen, der keinen Verlust im Lebensstandard bedeutet, sondern auch als Vorbereitung für die nächsten Jahre. Angesichts der unterschiedlichsten Krisen werden die Bosse immer schamloser versuchen die Kosten dafür auf die Beschäftigten abzuladen. Streikmaßnahmen und eine Erhöhung der Kampfbereitschaft sind auch eine langfristige Drohung und machen klar: wir können und werden uns wehren. 

Arbeitskampf von unten organisieren

Aber damit Arbeitskämpfe diese Wirkung haben müssen sie tatsächlich die Belegschaften mobilisieren und einbeziehen. Nach den Betriebsversammlungen müssen Streikschulungen für Betriebsrät*innen und interessierte Beschäftigte organisiert werden. Darüber hinaus wird es notwendig werden die Basis für die Kampfmaßnahmen in allen Betrieben zu verbreiten. Ein sinnvolles Mittel dafür sind Streikkomitees bzw. ein System aus “Vertrauensleuten” in Betrieben sein. Ein Streikkomitee wird von einer Betriebsversammlung zur Leitung des Streikes gewählt. Es besteht aus denjenigen, die dazu bereit und fähig sind den Streik im Betrieb zu organisieren, das können Betriebsrät*innen aber auch Beschäftigte sein. Vertrauensleute können dabei helfen die Basis von Kampfmaßnahmen noch weiter zu verbreiten, indem z.B. jede Halle eine bestimmte Anzahl an Personen bestimmt, die in engem Kontakt mit dem Streikkomitee sind und gemeinsam die wichtigsten Entscheidungen treffen. Die Vernetzung solcher Streikkomitees aus unterschiedlichen Betrieben z.B. auf regionaler Basis wäre eine Grundlage dafür den Streik in der ganzen Branche von unten nach oben auf möglichst breiter Basis zu organisieren. Darüber hinaus ist eine zentrale Frage von Streikdemokratie die Frage des Abschlusses. Die Kolleg*innen in den Betrieben sind die Basis der Gewerkschaften und auf ordentliche Lohnerhöhungen angewiesen. Deshalb braucht es Urabstimmungen über das Verhandlungsergebnis. 

Für mehr Infos zur Frage des Streiks empfehlen wir unsere Streikbroschüre: https://www.slp.at/broschueren/streik-kurz-b%C3%BCndig-4829

Gemeinsam kämpfen

Die Frühjahrslohnrunde haben eine politische Bedeutung weit über die betroffenen Branchen hinaus. Arbeitskämpfe in der Elektro-/Elektronikindustrie, der Chemieindustrie und der Papierindustrie können wichtiger erster Schritt sein, um Widerstand von unten aufzubauen. Dazu kommen zahlreiche Proteste von Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich in den kommenden Monaten. Innerhalb der Gewerkschaftsbewegung brauchen wir dringend eine Diskussion über einen gemeinsamen Aktionsplan um zu verhindern, dass die Arbeiter*innenklasse einmal mehr die Kosten für Krisen zahlt, die wir nicht verursacht haben.

 

 

 

 

 

BABE: Einknicken statt Streiken?!

Zum Ergebnis der BABE KV-Verhandlungen
Sebastian Kugler

Foto: Andrea Luegmeyer

Vom Kampf zur Niederlage innerhalb einer Woche

Genau eine Woche ist es her, als am 20.4. über 400 Kolleg*innen aus dem Bereich der privaten Bildungseinrichtungen (BABE) zu einer öffentlichen Betriebsversammlung am Platz der Menschenrechte in Wien kamen. Es war die mit Abstand größte betriebliche Mobilisierung in diesem Bereich seit langer Zeit, und die erste für zahlreiche Kolleg*innen – nicht zuletzt weil es aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen einen so hohen Durchlauf gibt. Anlass waren die Kollektivvertragsverhandlungen, die in den letzten Jahren kaum wahrgenommen worden waren. Das lag vor allem daran, dass die Kolleg*innen bereits daran gewöhnt waren, dass ihre Forderungen vom Verhandlungsteam nicht aufgegriffen werden; dass die Verhandlungen selbst undurchsichtig und ohne Einbindung der Belegschaften oder gar Kampfmaßnahmen vor sich gehen; und schließlich, dass ein Ergebnis rauskommt, das abseits einiger kosmetischer Verbesserungen und leerer Versprechungen für die Zukunft weder etwas an der systematischen Unterbezahlung des gesamten Bereichs ändert, noch an den zahlreichen anderen Missständen, insbesondere der mangelnden Vor- und Nachbereitungszeit.

Doch diesmal sollte es anders sein. Schließlich haben Pandemie und Inflation den ohnehin katastrophalen Normalzustand bei Arbeitsbedingungen und Löhnen aufs Unaushaltbare verschärft. Die Wut der Kolleg*innen schien auch die GPA zu spüren. Die Forderung nach 6% Gehaltserhöhung und die Bereitschaft, einen öffentlichen Protest zu organisieren, gab vielen Kolleg*innen Hoffnung, dass diesmal endlich gekämpft werden würde, und zwar für etwas, das sich nicht nur lohnt, sondern bitter nötig ist. Doch schon die Reden der meisten Verantwortlichen seitens der GPA am 20.4. ließen Schlimmes erahnen: Um das Wort „Streik“ wurde ein größtmöglicher Bogen gemacht, stattdessen wurde immer wieder auf einen möglichst baldigen Abschluss verwiesen. Im Gegensatz dazu wurden die Reden von Kolleg*innen, die offen für Kampfmaßnahmen eintraten und auch nicht davor zurückscheuten, die Gewerkschaftsführung zu kritisieren, von den Kolleg*innen mit Abstand am besten aufgenommen.

Und dann gestern, weniger als eine Woche nach dem Protest, sickert es aus dem Verhandlungsteam durch: Es gibt ein Ergebnis – je nach Verwendungsbereich schwankt die Erhöhung des KV rund um die 3,6%, IST-Gehälter steigen konstant um ca. 0,3% weniger. Zum Vergleich: Im März lag die Inflation im Vergleich zum letzten Jahr bei 6,8% - bedenkt man, dass zur Berechnung der Preissteigerung der nicht repräsentative große Warenkorb herangezogen wird, und nicht der Miniwarenkorb, der Produkte des täglichen Bedarfs abdeckt, wird klar, dass das tägliche Leben tatsächlich noch viel teurer wird, als in der offiziellen Statistik abzulesen. Der Miniwarenkorb zeigt nämlich eine Preissteigerung von 13,7% im Vergleich zum letzten Jahr an. Das Ergebnis der Verhandlungen deckt also, realistisch betrachtet, nicht weit weniger als die Hälfte, ja gerade mal ein Viertel der Preissteigerung ab. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Kolleg*innen, insbesondere aber der unteren Verwendungsbereiche inkl. des „Zwischenbereichs“ VB4a, der ohnehin schon nur zum Gehaltsdumping eingeführt wurde.

Auf der Ebene der Arbeitszeit, etwa bei der Forderung nach einer 35-Stundenwoche, aber auch bei der Frage der Vor- und Nachbereitungszeit scheint es keine Veränderung zu geben – obwohl dafür nach den letzten KV-Verhandlungen extra eine „Arbeitsgruppe“ eingerichtet worden war. Dafür soll es mehr Urlaub nach 7 bzw. 10 Jahren geben, anstatt nach 7 bzw. 12 Jahren – das ist kein schlechter Witz mehr, sondern schlicht eine Beleidigung. Nur die wenigsten Kolleg*innen halten es unter diesen Arbeitsbedingungen überhaupt mehr als 5 Jahre in dem Bereich aus. Und jene, die es schaffen, bekommen beim Wechsel des Arbeitgebers nur beschränkt Vordienstzeiten angerechnet. Wer es unter diesen Umständen 7 bzw. 10 Jahre (bzw. realistisch betrachtet entsprechend mehr, aufgrund nicht angerechneter Jahre) aushält, bräuchte nicht ein paar Urlaubstage mehr, sondern mindestens ein Jahr Reha. Die einzigen, die tatsächlich von solchen faulen Kompromissen profitieren, sind fest eingesessene Betriebsratsvorsitzende, die es sich ohnehin zwischen Chefetagen und Gewerkschaftsbürokratie bequem gemacht haben.

Verantwortung für schlechtes Ergebnis auf Kolleg*innen abgeschoben

Nach unseren Informationen haben im großen Verhandlungsteam u.a. Betriebsrät*innen von update, jobtransfair, dem bfi Wien und interface gegen den Ausverkauf der Kolleg*innen gestimmt. Aus dem kleinen Verhandlungsteam kam die Rechtfertigung, dass auf dem Verhandlungstisch nicht mehr zu erreichen gewesen wäre, und dass die Wahl nur noch zwischen Abschluss und Warnstreiks lag.

Was für ein Hohn! In welcher Welt leben jene Verhandler*innen, die denken, dass am Verhandlungstisch etwas gewonnen werden könnte, das nicht durch zumindest in Aussicht gestellte Kampfmaßnahmen abgesichert ist? Warum sollten denn die Arbeitgeber*innen sich von „Verhandlungsgeschick“ beeindrucken lassen, wenn sie ohnehin wissen, dass die Gewerkschaft das einzige tatsächliche Druckmittel, das wir haben, nicht bereit ist, einzusetzen?

Die Ausrede, dass Warnstreiks nicht möglich gewesen wären, weil die meisten Betriebe nicht mitgegangen wären, ist pure Ablenkung. Wo gab es im Vorfeld gewerkschaftlich organisierte Abstimmungen über Streikbereitschaft? Nirgends. Welche Belegschaften wurden systematisch über die Möglichkeiten und Risiken eines Streiks, etwa durch Streik-Workshops, aufgeklärt? Keine. Auf der anderen Seite wissen wir aus Gesprächen mit zahlreichen Kolleg*innen beim Protest am 20.4., aber auch beim gemeinsamen gestrigen Aktivist*innentreffen der Initiativen „Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung“ (DiE) und „Sozial, aber nicht blöd“, dass sie sehr wohl bereit gewesen wären, zu streiken. Das Vernetzungstreffen trug den Titel: „Streiken oder Einknicken?“ Die Verantwortlichen am Verhandlungstisch haben sich für Letzteres entschieden.

Was tun?

Es kann so nicht weitergehen. Die Zeiten, in denen bei KV-Verhandlungen Verbesserungen durch rein symbolische Proteste erreicht werden, hat es nie gegeben – und am wenigsten heute. Es braucht eine offene Debatte darüber, wie es von der vielversprechenden Mobilisierung letzter Woche zu diesem katastrophalen Ergebnis kommen konnte. Eine betriebsübergreifende Diskussionsveranstaltung, bei der die Verantwortlichen Rechenschaft für ihr Verhalten ablegen, wäre dafür ein erster Schritt.

Was es aber eigentlich braucht, sind Urabstimmungen in den Betrieben über das Ergebnis. Diese würden aufzeigen, wie zufrieden die Kolleg*innen tatsächlich damit sind. Wenn die Argumente aus dem kleinen Verhandlungsteam stimmen, dann dürften sie vor solchen Abstimmungen keine Angst haben, immerhin schieben sie das Ergebnis ja auf die angebliche Apathie in den Betrieben. Wir hingegen glauben, dass solche Abstimmungen vor allem die Unzufriedenheit und die Wut der Kolleg*innen sichtbar machen würden – und das wäre ein wichtiger Schritt, diese Wut zu bündeln, zu organisieren, und sich auf die nächsten Verhandlungen mit konkreten Schritten in Richtung von Kampfmaßnahmen vorzubereiten. Eine erste Möglichkeit, die Wut zu organisieren, bieten die Mobilisierungen zum internationalen Tag der Pflege am 12.5., an denen sich auch Berufsgruppen aus dem breiteren Spektrum des Gesundheits- und Sozialbereichs beteiligen. Organisieren wir einen BABE-Block auf der Demo in Wien! Wir müssen jetzt mit dem Organisieren beginnen, den es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die Rahmenbedingungen nächstes Jahr einfacher werden, ganz im Gegenteil. Die aktuelle allumfassende und immer schlimmer werdende Krise erfordert furchtlose, kämpferische und demokratische Gewerkschaftspolitik. Ein „weiter so“ können wir uns nicht leisten.

 

Streiken lernen geht auch im Theater

Am 6.3. luden Kosmos Theater, Schauspielhaus Wien und „Sozial, aber nicht blöd“ zu einer einzigartigen Veranstaltung: Aktivist*innen der Berliner Krankenhausbewegung trafen auf Beschäftigte des Gesundheitswesens aus Wien und Umgebung. Die Kolleg*innen von Vivantes berichteten wie ein Streik konkret organisiert werden kann. Die SLP war mit mehreren Betriebsrät*innen und Beschäftigten aus dem Pflege- und Sozialbereich dabei – und mit unserer Streikbroschüre, die auf reges Interesse stieß sowie der Einladung zum Schulstreik am 8.3.. Ella, Krankenpflegerin und SLP-Mitglied sagt zur Veranstaltung: "Ich fand sehr cool, dass die Kolleg*innen aus Berlin klar gemacht haben, dass es eine gemeinsame Bewegung in Krankenhäusern braucht, wo alle Berufsgruppen beim Streik selbst und der Organisation davon beteiligt sind."

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kindergarten im Widerstand

Younion-Demo der Kindergärten und Horte: Führung schreit nach Liebe, Basis ist streikbereit
Oliver Giel

Am 21. März rief die Gewerkschaft younion unter #wirbelmachen österreichweit zu Kundgebungen auf – es ging um die unerträglichen Arbeitsbedingungen in Kleinkindergruppen, Kindergärten und Horten. SLP-Aktivist*innen nahmen an den Kundgebungen in Wien, Linz und Salzburg teil. Alle Protesten waren kleiner als im Herbst 2021, in Linz und Salzburg sehr klein, in Wien spürte man die Enttäuschung darüber, dass schon wieder getrennt von den Kolleg*innen in den privaten Kindergärten protestiert wurde.

In den Reden wurden zwar die allen Teilnehmenden bekannten Probleme aufgezählt, auch dass man „den Druck erhöhen“ werde, aber die Strategie beschränkt sich dabei auf weitere Kundgebungen dieser Art. „Streik“ als einer der nächsten Schritte wurde nicht einmal angedeutet.

Im Gegensatz dazu reagierten viele Teilnehmer*innen positiv auf die Schlagzeile der VORWÄRTS „Wir sind streikbereit“, nahmen die Forderung nach einem Streik auf bzw. sprachen sie offensiv selbst an. So gut wie alle reagierten positiv auf die Forderung nach einem gemeinsamen Streik der Elementarpädagogik. Und die bisherige Strategie von Gewerkschaftsführung und FSG-dominierten Personalvertretungen kam ihnen mehr als nicht angemessen vor. Dutzende Unterschriften, die die Gewerkschaft zu einem gemeinsamen Streiktag der Beschäftigten im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich aufrufen, sind Ausdruck davon – und stehen im Widerspruch zur bremsenden Haltung der Gewerkschaftsführung.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

6% sind schon ein Kompromis! Lohnverhandlungen im Elektro-Kollektivvertrag

Wir dokumentieren hier den Flyer der "Demokratisch Sozialen Offensive" zu den Lohnverhandlungen in der Elektro-/Elektronikindustrie 2022

Lohnverhandlungen 2022:

Weniger als 6% können wir uns nicht leisten – wenn nötig muss dafür gestreikt werden

Aktuell finden die Lohnverhandlungen für die Elektroindustrie statt. Von der Gewerkschaft wird unter anderem eine Lohnerhöhung von 6% als Ausgleich für die Inflation gefordert. Bundeskanzler Nehammer warnt die Sozialpartner vor zu hohen Lohnabschlüssen. Hintergrund ist das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale, die aussagt, dass die Preise steigen, wenn die Löhne wachsen.

 Gas +65% +++ Sprit +31% +++ Strom +15% +++Lebensmittel +5,6% +++ Wohnen +6-16%

Welche Löhne sind in den letzten Wochen derart gestiegen, dass solche Steigerungen zu rechtfertigen sind??? Die Lohn-Preis-Spirale ist eine Lüge! Die wahren Preistreiber sind aktuell Spekulant*innen und Konzerne, die die Situation rund um Corona und jetzt den Ukrainekrieg ausnutzen, um ihre Gewinne aufzubessern. Wenn wir eine ordentliche Lohnerhöhung verlangen, dann treiben wir nicht die Preise, sondern versuchen in der Preistreiberei und der dafür verantwortlichen Gier nach immer höheren Profite nicht unterzugehen. 6% ist eine Forderung, die das Fallen unseres Lebensstandards nur etwas abbremst, also eigentlich sogar zu niedrig. Die letzten Jahre mussten viele von uns von ihrem Erspartem zehren, während Banken und Konzerne Gewinne machen und staatliche Förderungen bekommen. Zusätzlich sollen wir dann wohl auch noch den staatlicher Schuldenberg schultern! 6% gleicht ca. die aktuelle Teuerungen aus, nicht die künftige. Dabei berücksichtigt sie noch gar nicht den ständig steigenden Arbeitsdruck, der überall wächst. Nicht nur bei uns. Gleichzeitig mit uns verhandeln die Chemie- und Papierindustrie, und auch dort wurde die Forderung nach 6% aufgestellt. Wenn wir als Beschäftigte dieser Branchen gemeinsam auftreten, haben wir die Chance eine wichtige Verbesserung für eine große Anzahl an Beschäftigten durchzusetzen.

Zur Durchsetzung braucht es Streiks!

Die Betriebsrätekonferenz am 25.4. darf nicht nur ein starkes Zeichen sein, sondern muss genutzt werden um uns auf einen Kampf für diese 6% vorzubereiten. Jeder weitere Kompromiss würde uns noch mehr Lebensstandard kosten. In Belgien werden die Löhne laufend automatisch an die Teuerungen angepasst. Das sollte überall Standard sein. Es ist längst notwendig, sich für eine Wirtschaft stark zu machen die der Gesellschaft dient und nicht Profiten. Damit können wir bei dieser KV-Verhandlung beginnen. Die notwendigen Erfolge werden wir nicht allein am Verhandlungstisch erreichen können. Die Kampfkraft in den Betrieben ist das entscheidende. Da diese Kampfkraft in der Praxis aber fast keine Anwendung findet nehmen uns die Bosse immer weniger ernst und es folgen miese Kompromisse. Während der Lohnverhandlungen im Metallbereich waren die Bosse ursprünglich auch zu kaum einer Lohnerhöhung bereit. Nach nur einem Streiktag wurde das Angebot stark nachgebessert. Bei einer Fortsetzung des Arbeitskampfes wäre noch mehr drinnen gewesen. Dafür müssen auch wir in unserer Branche bereit sein, wenn die Forderungen nicht erfüllt werden. Dafür brauchen wir demokratische Strukturen bei Verhandlungen und in der Gewerkschaft: Beschäftigte müssen in Kämpfen eine aktive Rolle spielen und die Verhandlungsergebnisse sollten in Urabstimmungen von den Beschäftigten selbst beschlossen oder eben auch abgelehnt werden.

Leider hat die Gewerkschaftsspitze in letzter Zeit viel zu oft die Lohnverhandlungen mit einem schlechten Kompromiss beendet. Aber gerade angesichts der Inflation können wir uns sowas nicht leisten. Wir müssen auch den Gewerkschaftsspitzen klar machen, dass wir in diesem Jahr tatsächlich einen Kampf um die volle Durchsetzung unserer Forderungen brauchen. Dafür sammeln wir aktuell auch Unterschriften und wollen auch die  Betriebsrätekonferenz am 25.4. nutzen. Auch normale Beschäftigte können teilnehmen. Kommt mit zur Konferenz und machen wir gemeinsam klar, dass wir uns einen Abschluss unter 6% nicht leisten können und auch dafür bereit sind für einen höheren Abschluss zu streiken! Wenn ihr mitfahren wollt meldet euch bei uns!

 

 

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