Internationales

USA: Bewegung gegen Trumps Politik aufbauen!

Ginger Jentzen, Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SLP in den USA)

Die mächtigste Herrschende Klasse der Welt ist in einer schweren Krise. Das muss die Linke nutzen.

Die Wahl von Trump schockte Millionen weltweit. Sie war der Gipfelpunkt eines Wahlzyklus, in dem sich einfache Menschen gegen das politische Establishment und seine neoliberaler Agenda auflehnten. Die Wahl hat Parallelen zum Brexit-Votum in Britannien und ist ein weiterer Indikator für die politische Krise der herrschenden Klassen in den USA und in Europa. Alle Institutionen des Kapitalismus stehen vor einer tiefen Legitimationskrise.

Trump trat mit einer der reaktionärsten Kampagnen der US-Geschichte an, die Rechtextremen im ganzen Land einen massiven Selbstvertrauensschub gab. Sie werden weiter versuchen, unzufriedene Schichten der weißen ArbeiterInnenklasse anzusprechen. Das ist eine gefährliche Entwicklung für die US-Gesellschaft. Socialist Alternative (SAlt) widerspricht aber der Behauptung, dass der Großteil der weißen ArbeiterInnenklasse Trumps Rassismus und Sexismus teilt. Die Wahl Trumps war in erster Linie Ausdruck eines Wunsches nach Veränderung, eine Protestwahl gegen die Clinton-Dynastie und den Status Quo. Trumps Sieg zeigt, dass das Zwei-Parteien-System bankrott ist.

Trump gewann in Staaten, in denen gleichzeitig bei Referenda Marihuana legalisiert und der Mindestlohn angehoben wurde. Diese Ergebnisse, gemeinsam mit der Black Lives Matter- Bewegung und der breiten Unterstützung für den 15 Dollar Mindestlohn zeigen, dass auch ein Linksruck im Bewusstsein von vielen stattgefunden hat, der nicht einfach rückgängig gemacht werden kann. Millionen junger Menschen unterstützten Bernie Sanders Anti-Establishment Kampagne für freien Zugang zu Hochschulbildung und einen bundesweiten 15 Dollar Mindestlohn. Seine Kampagne hatte 220 Milllionen Dollar durch Kleinspenden aufgestellt – und zwar ohne die Unterstützung der Konzerne. Die Demokraten fochten einen harten Kampf, um Bernie zu besiegen, weil er für die Interessen des Kapitals inakzeptabel war und die Erwartungen der ArbeiterInnenklasse zu hoch angehoben hätte. 

Schlussendlich blieben Millionen zuhause – sie hatten nur die Wahl zwischen den zwei unpopulärsten KandidatInnen in der US-Geschichte. 61% der WählerInnen misstrauten Trump, 54% dachten dasselbe über Clinton. Millionen benutzten die Wahl um den Demokraten und dem Establishment der Republikaner einen Denkzettel zu verpassen – in verzerrter Art und Weise. Aber Trump könnte seine Unterstützer enttäuschen. Eine Mauer zu bauen wird nicht die Millionen guter Jobs schaffen, die nötig sind, um jene wettzumachen, die durch Automatisierung und Handelsdeals verloren gehen. Die herrschende Klasse sieht eine Präsidentschaft Trumps als potentiell schädlich für die Interessen des US-Imperialismus in einer Zeit, in der der Einfluss der USA weltweit schwindet. Sie werden besonders im Nahen Osten von Russland und in Asien von China herausgefordert. Andererseits hat Trump bereits angekündigt, Wall Street Banken zu deregulieren und Steuererleichterungen für Superreiche umzusetzen. Ein Goldman Sachs Manager meinte, es ginge ein Scherz in Bankerkreisen herum, dass sie für Trump geworben hätten, wenn sie gewusst hätten, wie seine Politik aussieht. 

Nur einen Tag nach der Niederlage der Demokraten riefen diese, allen voran Obama und Clinton selbst, dazu auf, Trump eine Chance zu geben – und riefen damit zur Einheit mit einem Mann auf, der offen mit sexueller Gewalt angibt.

Socialist Alternative dagegen kämpft für den Aufbau einer massiven Widerstandsbewegung gegen Trumps gefährliche Agenda. Die Demokraten werden die ArbeiterInnenklasse nicht gegen seine Politik verteidigen. In den Tagen nach der Wahl hatte SAlt große Proteste im ganzen Land mitinitiiert, 5000 in Minneapolis, 10.000 in New York und Boston. Insgesamt brachten wir mehr als 40.000 Menschen gegen Trump auf die Straße.

Während die Demokraten für Einheit hinter ihrer kaputten Partei aufrufen, die für die Interessen des Kapitals angetreten war und verloren hatte, rufen wir für Einheit im Kampf aller sozialer Bewegungen auf – angefangen bei Black Lives Matter, über den Kampf für Rechte von MigrantInnen, die Frauenbewegung und die Gewerkschaftsbewegung. Trumps Sieg repräsentiert die „Peitsche der Konterrevolution“. Es wird Provokationen geben, die Millionen zur Verteidigung ihrer Rechte in Aktion zwingen werden. Jene, die in der vergangenen Periode radikalisiert worden sind, müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, eine wirkliche Massenbewegung aufzubauen, die unabhängig von der Kontrolle durch das Kapital ist. Für Trumps Inauguration am 21.1. ruft SAlt zu Massenprotesten auf. Es gibt Potential, um sozialistische Kräfte aufzubauen. Um dieser Bewegung eine Stimme zu geben und wirkliche Veränderung zu erkämpfen, brauchen wir eine neue, unabhängige Partei der 99%, die für eine sozialistische Gesellschaft kämpft, die jungen Menschen eine Zukunft ohne Rassismus und Sexismus bietet. 

www.socialistalternative.org

 

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Türkei: Repression geht weiter...

Ismail Okay (Sosyalist Alternatif - Schwesterorganisation der SLP in Türkei/Kurdistan)

… aber: Wir müssen die Möglichkeiten erkennen

Nach dem gescheiterten Putsch findet ein umfassender Gegenputsch in der Türkei statt – mit dramatisch zunehmenden Angriffen auf demokratische Rechte. Mit einer Welle von Verhaftungen und Schließungen von Fernsehsendern, Tageszeitungen und Vereinen innerhalb haben die Repressionen eine neue Stufe erreicht. Auf der anderen Seite wachsen unter der Oberfläche Wut und Hass gegen Erdo ˘gan und seine AKP.

Wie wir vorhergesehen haben, hat die AKP-Regierung die Repressionen ausgedehnt. In den ersten Monaten nach dem Putsch im Juli richteten sich diese hauptsächlich gegen die Gülen-Bewegung, die für den Putsch verantwortlich gemacht worden war. So wurden viele AkademikerInnen, JournalistInnen und politische AktivistInnen verhaftet und tausende Staatsbedienstete haben ihren Job verloren, die mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht worden waren.

Nun richten sich die Repressionen vor allem gegen die kurdischen und linken AktivistInnen. Im Oktober wurden zwölf Fernsehkanäle und elf Radiosender an einem Tag per Dekret dicht gemacht. Am 29. Oktober wurden zehn Zeitungen, zwei Nachrichtenagenturen und drei politische Magazine geschlossen. Und viele MitarbeiterInnen und Journalistinnen wurden verhaftet.

Auch die beiden Ko-Bürgermeister der kurdischen Stadt Diyarbakir sind verhaftet worden. In den letzten Monaten wurden immer wieder demokratisch gewählte, kurdische BürgermeisterInnen willkürlich abgesetzt. An ihre Stelle traten von oben eingesetzte Verwaltungsbeamte, welche im Sinne der Zentralregierung agieren. All das geschieht unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den „Terrorismus“.

Wenige Tage später, in der Nacht des dritten November, fanden Razzien der türkischen Polizei in den Wohnungen führender Mitglieder und MandatsträgerInnen der linken, prokurdischen Partei HDP statt. Die beiden Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yuksekdag, sowie mindestens neun Abgeordnete, wurden verhaftet und in Gewahrsam genommen.

Eine Woche nach diesen Verhaftungen verbreitete sich die Nachricht, dass das Innenministerium 370 oppositionelle Vereine „vorübergehend“ geschlossen hat.

De Facto nationale Front und Todesstrafe

Seit den Wahlen im Juni 2015, wo die AKP einen Rückschlag erlitten hatte, trägt die nationalistische Partei MHP bewusst das Wasser in die Mühle von Erdoğan. Sie bilden gemeinsam eine inoffizielle nationale Front. So hat der MHP-Chef den Vorschlag, ein Präsidialsystem, was Erdoğan lang gehegtes Ziel ist, wieder auf die Tagesordnung gerückt.

Als Hauptoppositionskraft des Landes hat sie die HDP sich nicht dem sogenannten „nationalen Konsens“ angeschlossen, welcher aus dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli entstanden war. Die HDP wird von Erdoğan als das politische Hindernis für seinen weiteren Weg gesehen, insbesondere weil sie auch anfing unter der türkischen Arbeiterklasse Unterstützung zu gewinnen.

Die Haltung der CHP ist für viele in der Arbeiterklasse verwirrend. Sie hatte sich als eine rein bürgerliche Partei diesem „nationalen Konsens“ angeschlossen. Auch bei der kurdischen Frage ist sie nicht weniger nationalistisch als AKP oder MHP. Auf der anderen Seite repräsentiert sie als eine kemalistische Partei einen anderen Flügel der türkischen herrschenden Klasse und der Staatsbürokratie. Sie betrachtet die Einführung eines Präsidialsystems als einen Wechsel zu einem islamisch-konservativen Regime.

Die Wirtschaft wackelt

Bei all diesen Entwicklungen geriet die soziale Frage oft in den Hintergrund. Aber sie wird den Ereignissen der kommenden Monate ihren Stempel aufdrücken. Das Wirtschaftswachstum im Land geht bergab. die Arbeitslosigkeit wächst und liegt nach jüngsten offiziellen Angaben bei 11,3 Prozent. Das ist der höchste Stand seit April 2010. Unter Jugendlichen liegt sie bei zwanzig Prozent. Parallel dazu wächst das Haushaltsdefizit. Die türkische Wirtschaft basiert hauptsächlich auf Fremdkapital und das hat die Tendenz, das Land zu verlassen. Seit die Ratingagentur Moody’s im Oktober die Türkei herabgestuft hat, hat die türkische Lira gegenüber dem US-Dollar zehn Prozent verloren, seit März 2015 sogar 25,5 Prozent. Das wird zu einem Inflationsanstieg führen, die gerade bei acht Prozent liegt. Das wiederum wird die Armut weiter anwachsen lassen. Der Mindestlohn liegt jetzt schon unter der Armutsgrenze.

Wir müssen die Möglichkeiten erkennen

Bei jedem Schlag der Mächtigen, herrscht anfangs eine große Demoralisierung und ein Pessimismus unter den Oppositionellen. Aber die Dauer dieses psychologischen Zustands wird nach jedem Schlag kürzer. Selbst die nationalistische Karte der AKP und Erdoğan zieht nur noch begrenzt, da unter Oberfläche Hass und Wut gegen sie größer werden.

Vor diesem Hintergrund müssen die Linke und die Arbeiterbewegung die existierenden Möglichkeiten erkennen. Das AKP-Regime als faschistisch zu bezeichnen, wie es häufig getan wird, ist nicht nur falsch, sondern führt auch dazu, dass der Pessimismus gestärkt wird und dass die bestehenden Möglichkeiten für die Linke nicht erkannt werden. Dass die Regierung nicht allmächtig ist, zeigt sich daran, dass sie einen umstrittenen Gesetzentwurf zurückziehen musste, der Straffreiheit bei Kindesmissbrauch vorsah, sollten die Täter die Opfer heiraten. Dazu gab es schnell mutige Proteste und entwickelte sich eine breite gesellschaftliche Ablehnung, die die Regierung zwang, den Gesetzesentwurf zurückzunehmen.

Mehr als je zuvor ist Einheit der arbeitenden Bevölkerung und Solidarität gegen Repression, Terror und Krieg nötig. Die Arbeiter- und Studierendenbewegung, sowie der Rest der Linken auf beiden Seiten der ethnischen Gräben müssen zusammenkommen, um eine schnelle Antwort auf den Ansturm des türkischen Staats zu formulieren. Massendemonstrationen und -streiks müssen im ganzen Land organisiert werden, um – in Verbindung mit internationalen Solidaritätsaktionen – nachhaltige Kämpfe aufzubauen, welche Erdoğans Politik herausfordern können. Die erfolgreiche Massendemonstration am 20. November in Istanbul unter dem Motto „Wir werden nicht kapitulieren“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass dies möglich ist. Das aber alleine reicht nicht. Es muss dabei nach einem Weg für die Bildung einer Massenkraft, die in der Lage sein wird eine sozialistische Alternative zum Erdoğan-Regime aufzuzeigen, gesucht werden.

 

Fidel Castro gestorben

Über Leben und Werk des maximo lider

Mit neunzig Jahren ist der wichtigste Führer der kubanischen Revolution von 1959, Fidel Castro, verstorben. Mit ihm geht die vielleicht letzte Persönlichkeit einer Generation von Revolutionsführern und Guerillakämpfern, die das Gesicht der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt haben. Castro hat sich nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes 1989-91 dem Weg der kapitalistischen Restauration widersetzt und verteidigte die sozialen Errungenschaften der kubanschen Revolution und wurde zu einer Stimme des Antiimperialismus. Die Öffnung Kubas für marktwirtschaftliche Veränderungen konnte und wollte er nicht gänzlich verhindern. Sein Tod wird aber zweifellos von denjenigen Kräften auf Kuba und international genutzt werden, um die vollständge Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse auf der Karibikinsel voran zu treiben. SozialistInnen international kommt auch die Aufgabe zu, dagegen Argumente zu liegfern und einen Beitrag zur Verteidigung der Errungenschaften der kubanischen Revolution zu leisten – durch den Aufbau unabhängiger Organisationen der Arbeiterklasse und der Jugend zum Kampf für wirkliche sozialistische Demokratie.

Unter folgendem Link findet sich eine ausführliche Besprechung von Fidel Castros Memoiren aus dem Jahr 2008: https://www.sozialismus.info/2009/01/12953/

 

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Solidarität nötig: Athener Busreinigungskräften wieder im Streik

Basierend auf Berichten von Xekinima (griechische Schwesterorganisation der SLP)

Proteste wegen nicht gezahlter Löhne und für Direktanstellung! 

Athens BusreinigerInnen befinden sich nun schon in der fünften Streikwoche und halten täglich Proteste ab. Sie sind bei einem privaten Dienstleistungsunternehmen angestellt, dass für die öffentliche Busgesellschaft OSY arbeitet. Seit sieben Monaten warten sie vergeblich auf ihre Löhne. Die Geschäftsführung von OSY hält sie hin. Sie verspricht den Reinigungskräften, dass diese ihr Geld lediglich mit etwas Verzögerung erhalten werden und per Direktvertrag von OSY angestellt würden, nachdem dem aktuellen Dienstleister gekündigt worden ist.

Nach fünf Monaten ohne Lohnzahlung entschlossen sich die Reinigungskräfte sowie ihre Gewerkschaft SERKA, dass jetzt Schluss sein muss. Nach fünf Wochen täglicher Kämpfe, Streiks, Demonstrationen und Proteste vor den OSY-Büros und Ministerien ist es jetzt der siebte Monat ohne Lohnzahlung für die BusreinigerInnen.

Die OSY meint, sie könne bezüglich der Löhne nichts machen. Das Dienstleistungsunternehmen schuldet der Bank Millionen. Die ArbeiterInnen können ja vor Gericht ziehen, wenn sie ihr Geld haben wollen. Die OSY sagt zwar, dass sie die Reinigungskräfte direkt anstellen wird (= also keine externen Dienstleister mehr dafür bezahlen wird). Sie garantiert aber nicht alle Arbeitskräfte zu übernehmen. Sprich sie weigert sich die heutigen ArbeiterInnen anzustellen! Der Grund dafür liegt auf der Hand: Diese ArbeiterInnen haben sich nach jahrzehntelanger Ultraausbeutung gewehrt und werden wieder für ihre Rechte kämpfen, sollten diese verletzt werden! All das passiert unter der von Syriza ernannten, “linken” OSY-Geschäftsführung!

Die Reinigungskräfte kämpfen:

  • gegen die Dienstleister-Mafia, welche die öffentlichen Gelder plündert und ArbeiterInnen ausbeutet

  • gegen die von Syriza ernannte Geschäftsführung der OSY, welche vollkommen bewusst und zynisch dieses System gedeckt hat, indem jedes Mittel gegen die Reingungskräfte und ihren möglichen Sieg eingesetzt wurde

  • gegen die Banker, die dem Dienstleister Millionenkredite für die Sicherheit zukünftiger Löhne gewährten

  • gegen die durch Syriza geführte Regierung, welche seit Januar 2015 nicht in der Lage oder nicht willens ist, eine einfache Lösung für das Problem der Lohnzahlungen bzw. den Erhalt von nur 140 Arbeitsplätzen zu finden

Die Reinigungskräfte fordern:

  • rückwirkende Zahlung aller bisher nicht gezahlten Löhne

  • Direktanstellung durch die Athener Busgesellschaft OSY

Möglicher Protestbrief:

We the undersigned are shocked to be informed that the cleaning workers of the public Athens Bus Company, OSY, have not been paid their wages for the past seven months and that the OSY management told the workers that if they want their money they should take the contractor to the courts, as they have no way of pressurizing the contractor to pay.

We are aghast to learn that the contractor has secured loans through the Pireaus Bank in Greece, by using the future wages of the workers as a guarantee. Now the contractor claims to have no money and the bank refuses to pay the workers!

All this indicates to us a completely rotten system which it seems that the present government shows no interest to change. After two years in office, there is no excuse whatsoever for a government that calls itself “left” to allow for such treatment of the poorest and most oppressed section of the working class.

We demand:

The immediate payment of the wages of the Athens bus cleaners

The removal of the contractor and the direct employment of all the cleaners by OSY

Protestbriefe an:

OSY Geschäftsführung: ceo@ethel.gr

SYIZA Generalsekretär: grammateas@syriza.gr

Verkehrsministerium: gram-ypourgou@yme.gov.gr

Kopien an:

Gewerkschaft der Athener ReinigerInnen: serka.osy@gmail.com und slp@slp.at

 

Syrien: Schrecken ohne Ende

Angelika Teweleit (SAV - deutsche Schwesterorganisation der SLP)

IS auf dem Rückzug, aber Frieden rückt nicht näher

Seit fünf Jahren vergeht in Syrien kaum ein Tag ohne neue Todesopfer, darunter viele Kinder. Millionen Menschen haben sich auf die Flucht begeben, die meisten versuchen in den Massenlagern der Nachbarländer zu überleben. In den vom sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten – Kalifat genannten – Gebieten verbreiten die rechten Dschihadisten Angst und Schrecken. Nun befindet sich der IS militärisch auf dem Rückzug. Doch ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.

Die Zurückdrängung des IS, ein Frankenstein-Monster, das außer Kontrolle geraten ist, ist zwar ein reales Kriegsziel aller anderen beteiligten Kräfte. Aber das ist nur ein Teil der Lage. Die Interessen regionaler Mächte, wie Saudi-Arabien, Iran und der Türkei, aber auch Russlands, Chinas und der USA prallen in Syrien aufeinander. Das Land ist Schauplatz eines Stellvertreterkrieges zwischen regionalen und Weltmächten. Dabei geht es in erster Linie um die Sicherung von Einflussgebieten und den Zugang zu Rohstoffen. Der Krieg wird in den Medien propagandistisch fortgesetzt, indem vor allem von den Kriegsverbrechen von einer Seite berichtet wird. Doch zerstörte Städte und verwüstete Landstriche werden genauso von den Verbündeten der USA hinterlassen wie von Russland und den Truppen Assads.

Arbeiterorganisationen, die Linke und Sozialistinnen sollten in dieser Situation eine klare unabhängige Position einnehmen, um die gemeinsamen Interessen der notleidenden Bevölkerung, der Armen und der Arbeiterklasse zu verteidigen. Die Spaltungen entlang ethnischer, nationaler Herkunft oder Zugehörigkeit zu einer Religion müssen überwunden werden.

Bäumchen wechsel dich

Jede Kriegsmacht versucht, sich mit anderen zu verbünden, wobei dies reine Zweckbündnisse, oft vorübergehender Art, sind. Daran werden auch die Äußerungen von Donald Trump, sich mit Präsident Putin anfreunden zu wollen, nichts ändern.

Ein gutes Beispiel für das blutige Pokerspiel um mehr Einfluss bietet der türkische Präsident Erdogan. Ihm geht es vor allem um die Zurückdrängung kurdischer Kräfte, insbesondere der PKK-nahen PYD und ihren Kampfeinheiten YPG, deren soziale und demokratische Reformen in der von ihnen kontrollierten Region Rojava zumindest ein kleiner Lichtblick für viele sind. In seinem Bestreben, die Ausbreitung kurdischer Gebiete zu verhindern, trifft er sich sogar mit den Interessen des iranischen Regimes. Gleichzeitig stützen sich die USA momentan auch auf kurdische Kräfte, inklusive der YPG, um den IS zurückzudrängen – und brüskieren damit den NATO-Partner Türkei. Für die KurdInnen birgt aber ein solches Bündnis mit den USA riesige Gefahren, weil sie nur als Spielball missbraucht, ihre eigenen Interessen aber von den USA nicht wirklich unterstützt werden.

Instabilität

Die imperialistischen Mächte haben natürlich ein Interesse an einer Stabilisierung, um in Ruhe Geschäfte machen zu können. Dabei scheint in den USA die Bereitschaft zu wachsen, eine Einigung unter Einschluss Assads zu finden. Doch auch das wird kein Lösung der Probleme und Konflikte bedeuten. So lange die tiefer liegenden sozialen und ökonomischen Probleme nicht gelöst werden, wird jedes Abkommen die Gefahr neuer Konflikte und Kriege beinhalten. Und weiterhin werden auch sektiererische rechte Gruppen wie der IS und andere den Nährboden vorfinden, und verzweifelten Jugendlichen ihren Dschihad als vermeintlichen Kampf gegen den imperialistischen Westen anbieten.

Schlüssel für eine Lösung

Dieser Kreislauf kann nicht primär mit militärischen Mitteln durchbrochen werden, sondern es braucht eine politische Perspektive der Veränderung. Die Massenbewegungen in den arabischen Ländern 2011 haben deutlich gemacht, welches große Potenzial in der jungen Arbeiterklasse des Nahen Ostens für riesige Proteste und Bewegungen steckt. Selbst im vom Bürgerkrieg und Terror gegeißelten Irak haben wir dieses Jahr Massendemonstrationen gesehen. In Tunesien, Ägypten, der Türkei und Iran gibt es eine starke Arbeiterklasse. Was noch fehlt, sind Organisationen mit einem Programm, welches Antworten auf die sozialen Probleme gibt und die Arbeiterklasse über ethnische und religiöse Unterschiede hinweg vereinen kann, um alle Kriegsherren zu vertreiben. Ein solches Programm muss die Überwindung des Kapitalismus als Ursache für Spaltung, Kriege und Armut und die Errichtung einer freiwilligen sozialistischen Föderation des nahen und Mittleren Ostens zum Ziel erklären.

 

Das CWI und die neuen Formationen

Pablo Hörtner

AktivistInnen des CWI kämpfen weltweit für den Aufbau neuer Formationen und einen revolutionären Kurs.

Seit mehr als 20 Jahren Jahren kämpfen SLP und unsere internationale Organisation Committee for a Workers International (CWI) für den Aufbau neuer Parteien als politischer Interessensvertretung der ArbeiterInnenschaft in ihrem Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung. In den 1990ern gab es konkrete Schritte und Lehren, wie in Italien und Schottland. Zentrales Merkmal des CWI beim Aufbau linker Formationen ist unser flexibler und offener Zugang. Wir beteiligen uns an neuen Formationen, warten aber nicht einfach ab, bis diese von alleine entstehen. In Irland z.B. gründeten AktivistInnen der Anti-Household Tax Campaign und der Socialist Party 2014 die Anti-Austerity Alliance und konnten bei der Parlamentswahl auf Anhieb drei Mandate erringen. Ziel war es, die Boykottbewegung gegen die Kopfsteuer sowie die Proteste gegen die Sozialabbau- und Privatisierungspolitik der Regierung auf breitere Beine zu stellen. Mit einem kämpferischen Kurs und einem sozialistischen Programm erhielt die AAA 14 StadträtInnen in mehreren Städten. 2016 kandidierten wir trotz bedeutender politischer und methodischer Unterschiede mit der SWP (Linkswende)-geführten People Before Profit Alliance als AAA-PBP. Dieses antikapitalistische Bündnis stellt sechs Parlaments- und 28 regionale Abgeordnete, wodurch die irische Linke einen wichtigen Schritt weiter in Richtung ArbeiterInnenpartei ist. Der wichtigste Erfolg der AAA bisher ist jedoch der Rückzug der Regierung von den Wassergebühren dank des massiven Widerstandes.

In Griechenland beteiligten sich unsere GenossInnen von Xekinima bei den Wahlen 2014 trotz gewichtiger Differenzen an unterschiedlichen Projekten. Die größten Erfolge gibt es in Volos, wo neben Mandaten auf SYRIZA-Listen v.a. ein Linksruck der lokalen SYRIZA-Gruppe gegen die rechten "Realos" erreicht werden konnte. Und in Zografou (Region Athen), wo wir in einem Bündnis mit ANTARSYA kandidierten und nun eine sozialistische Stadträtin stellen. Zentral ist nicht der Posten in einem Regionalparlament, sondern die Unterstützung sozialer Bewegungen und die Propagierung eines revolutionären sozialistischen Programms. So verteilten die GenossInnen im Wahlkampf 250.000 Flugblätter, verkauften 1.200 Zeitungen und organisierten im ganzen Land über 20 Veranstaltungen. Wir zeigten die Fehler des resignativen Tsipras-Kurses auf und unterstützten im August 2015 die Gründung der SYRIZA-Abspaltung LAE trotz unserer Kritik an mangelnder Aktivität. Die Erfahrungen mit SYRIZA und LAE beweisen, dass der Neuformierungsprozess sozialistischer Parteien keineswegs reibungslos oder linear verläuft.

Die starke Orientierung mancher Gruppen auf Wahlen und parlamentarische Arbeit ist problematisch und das muss auch gesagt werden. Wir lehnen die Beteiligung an kapitalistischen (Regional-)Regierungen ab, deren Aufgabe letztlich in der Machterhaltung der KapitalistInnenklasse und in weiteren Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse besteht.

Dass eine konsequente politische Haltung überzeugt, zeigt sich u.a. in Deutschland: In Deutschland kritisierten die GenossInnen der SAV 2005 das Wahlbündnis von WASG & Linkspartei.PDS, was 2006 zur Wahl des SAV-Mitglieds Lucy Redler in den WASG-Bundesvorstand führte. 2007 argumentierten SAV-Mitglieder gegen die Fusion der WASG mit der früheren PDS, da diese sich weigerte, die Sozialabbau-Regierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen. Lucy bekam in Folge eine enorme Medienaufmerksamkeit, wodurch es gelang, unsere sozialistischen Ideen einem breiteren Publikum näher zu bringen. Dennoch beteiligt sich die SAV heute an der Partei die Linke, da sie noch immer Anlaufpunkt für AktivistInnen und soziale Kämpfe ist. Bei den jüngsten Berliner Abgeordnetenhauswahlen am 2. Oktober erreichte das SAV-Mitglied Sarah Moayeri in Neukölln für die Partei Die Linke mit der Absage an eine Koalition mit den Kürzungsparteien SPD und Grüne einen Stimmenzuwachs von über 170%. Weiters ist die SAV sehr aktiv im Jugendverband der Linken.

Auch außerhalb Europas kommt es zu Neuformierungen, an denen das CWI bedeutenden Anteil hat, so 2004 der PSOL in Brasilien. In Nigeria setzten die AktivistInnen des CWI die Initiative zur Gründung der Socialist Party Nigeria. Wir stellen unser Büro und unsere Infrastruktur zur Verfügung, öffnen unsere Zeitung und treten in eine solidarische Diskussion mit anderen Strömungen, die in Opposition zum Parlamentarismus und dem "langen Marsch durch die Institutionen" der Gemäßigten stehen. In Brasilien führte ein zweijähriger Diskussionsprozess 2009 zur Fusion von SR und CLS zur LSR, der aktuellen Sektion des CWI, was revolutionäre Positionen innerhalb von PSOL entscheidend stärkte (und weitere Debatten sind im Gange). Die Arbeit in neuen Formationen hilft also auch, revolutionäre Kräfte aufzubauen. Die Erfahrungen, die unsere Schwesterorganisationen auf der ganzen Welt gemacht haben, bringen SLP-AktivistInnen ein, wenn es darum geht, eine linke Alternative in Österreich aufzubauen.

 

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GB: Corbyn und die Bürokraten

Manuel Schwaiger

Die britische Labour-Partei kommt nicht zur Ruhe. 2015 konnte Jeremy Corbyn, ein linker Kandidat, die Wahlen zum Parteivorsitzenden gewinnen. Ermöglicht wurde dies durch hunderttausende ArbeiterInnen und Jugendliche, die in die Partei strömten, um Corbyn zu unterstützen. Damit war die Parteibürokratie, die in den Jahrzehnten zuvor einen rechten Kurs durchgesetzt hatte, nicht einverstanden und organisierte die Neuwahl des Parteivorsitzes. Wieder traten Hunderttausende in die Partei ein. Wieder gewann Corbyn deutlich.

Der Charakter von Labour hat sich seit 2015 massiv verändert. Die Anzahl der Mitglieder verdreifachte sich, die meisten der Beigetretenen unterstützen Corbyn. Gleichzeitig sitzen in der Parlamentsfraktion und in Parteigremien immer noch dieselben BürokratInnen.

Mit der Spaltung der konservativen Regierung angesichts von Brexit-Verhandlungen und schlechten Wirtschaftsaussichten hat Corbyn gute Chancen, die nächste Wahl zu gewinnen. Dies liegt jedoch nicht im Interesse der rechten Labour-Parlamentsfraktion. Mit hohen Gehältern und neoliberaler Ideologie steht sie sowohl sozial als auch politisch den Konservativen näher als ihrer Parteibasis. Sie werden weiterhin versuchen, Corbyn abzusetzen und seinen Wahlkampf torpedieren.

Eine neuerliche Auseinandersetzung mit der Parteibürokratie ist unumgänglich, doch die Führung der Corbyn-Bewegung drückt sich davor. Während ihr Einfluss durch bürokratische Manöver beschnitten wird, versucht sie die Parteirechte zur Versöhnung zu bewegen.

Wenn Corbyn siegen will, muss Labour radikal verändert werden: Zu einer föderalen Plattform, in der sich linke Parteien, Gewerkschaften, ArbeiterInnenorganisationen und soziale Bewegungen organisieren und diskutieren können, um soziale Verbesserungen und schließlich den Sturz des Kapitalismus zu erkämpfen. Die Socialist Party (CWI in England und Wales) unterstützt Corbyn und ist bereit, an so einem Bündnis teilzunehmen. Dabei macht sie klar, dass Corbyns Erfolg eine Folge der jahrzehntelangen Sparpolitik sind, die die ArbeiterInnenklasse nach Veränderung rufen lässt. Gerade auf Bezirksebene setzt die Labour-Bürokratie jedoch weiterhin Sparmaßnahmen durch. Sollten Corbyns Worten hier nicht Taten folgen, wird Labour nicht diese Veränderung sein.

 

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Der Terror wird den IS überleben

Tilman Ruster

Afghanistan, Irak & Pakistan: „Krieg gegen den Terror“ kostet mindestens eine Million Menschenleben

„Die letzte Schlacht des IS“ nennen einige bürgerliche Medien die Belagerung der größten durch den IS besetzten Stadt Mossul im Irak. Wer nach 15 Jahren „Krieg gegen den Terror“ immer noch an einen rein militärischen Sieg glaubt, belügt sich selbst. 2001 schätzte die CIA-FBI Arbeitsgruppe AlQuaida, die damals größte islamistische Terrororganisation, auf 500-1.000 Kämpfer. Allein der IS kommt Schätzungen zu Folge heute auf über 100.000. Fallen Mossul und später vielleicht auch die IS-Gebiete in Syrien, kann der IS auf eine neue Basis in Libyen oder Tunesien hoffen. Drohnenkrieg und Flächen-Bombardierungen bringen den Terroristen ständig neue Rekruten. Die wachsende Diskriminierung der europäischen MuslimInnen schafft dem IS Rückhalt in Europa.

Der IS oder seine Nachfolger sammeln den Widerstand gegen die Folgen des Imperialismus: Sektiererische Konflikte zwischen Konfessionen und Volksgruppen, die Diktaturen vor Ort und nicht zuletzt die Armut sind auch Teil des Erbes und der Gegenwart des Imperialismus aus West und Ost. Natürlich ist das Terror-Regime des IS dazu keine Alternative, aber eben genau die gilt es zu schaffen. Es braucht militärischen Widerstand gegen IS, Assad & Co, aber diese Übel zu besiegen, wird die darunter liegenden Probleme noch nicht lösen. Es fehlen kämpferische Gewerkschaften und Linke vor Ort, die einen tatsächlichen Weg aus dem Elend zeigen können: Selbstorganisation gegen Kapitalismus, sektiererische Gewalt und religiösen Fundamentalismus! 

 

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Bidlungs-Generalstreik in Spanien

Moritz Bauer

Am 26.10. waren in Spanien mehr als 200.000 SchülerInnen und Studierende auf den Straßen, um für den Erhalt der öffentlichen Bildung zu demonstrieren. „Sindicato de Estudiantes“ (SchülerInnen- und Studierendengewerkschaft, SE) rief zum Generalstreik im Bildungswesen auf. Dieser wurde auch von Elternverbänden und einigen LehrerInnengewerkschaften unterstützt. Auch das CWI (Committee for a Workers‘ International, dem die SLP angeschlossen ist) unterstützte den Streik und organisierte solidarische Unterstützung in über 20 Ländern weltweit.

Der Streik richtet sich gegen die Kürzungspolitik der rechten Regierung und den neuesten, bisher krassesten Angriff auf die Bildung: die Wiedereinführung der „Zweitprüfungen“. Diese gab es zuletzt unter Franco und sind eine Serie von Examen, die jeweils am Ende der Primarstufe (bis zum sechsten Schuljahr), der Sekundarstufe (siebtes bis zehntes Schuljahr) und der Post- Sekundarstufe (elftes und zwölftes Schuljahr) stattfinden. Diese Zweitprüfungen wurden eingeführt, um Jugendliche aus der ArbeiterInnenklasse daran zu hindern, die Universitäten zu erreichen und sollen nun erneut eingeführt werden. Wieso auch für Bildung bezahlen, wenn die jungen Menschen sowieso nur eine Zukunft voll prekärer Zustände und Ausbeutung erwartet? Für reichere Familien ist die Situation anders, da sie sich private Nachhilfe, Akademien, etc. leisten können

Der Streik war ein voller Erfolg und zeigte die Ablehnung der Jugendlichen gegenüber den reaktionären „Zweitprüfungen“ und gegenüber Bildungskürzungen insgesamt. Die SE fordert den Rücktritt des Bildungsministers, die Rücknahme des Spar- und antidemokratischen Bildungsgesetzes LOMCE und eine drastische Erhöhung des Bildungsbudgets.

In ihrem ersten Bericht stellt die SE klar, dass der Streik zwar ein riesiger Erfolg war, der Kampf aber noch nicht vorbei ist. Das Streik-Komitee für ganz Spanien traf sich bald nach dem Streik. Die Gewerkschaft kündigte weitere Streiks in den nächsten Wochen an, wenn die Attacken nicht bis zum 31.10. zurückgenommen werden. Außerdem betonte die SE, dass der Kampf auch gegen das System gehen muss, das diese soziale Ungerechtigkeit erzeugt: der Kapitalismus.

 

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Den Widerstand gegen Trump aufbauen

Aufbau einer neuen Partei für die 99 Prozent notwendig
Philip Locker und Tom Crean, CWI USA

In den USA und auf der ganzen Welt sind die Menschen am 9. November aufgewacht und haben sogleich einen Schock erlitten: Donald Trump ist zum neuen Präsidenten der USA gewählt worden.

Anmerkung der Redaktion von www.socialistworld.net: Im Folgenden veröffentlichen wir die aktuelle Analyse von „Socialist Alternative“ aus den USA, die nach dem Wahlsieg von Trump verfasst worden ist. Als erste Reaktion darauf hat „Socialist Alternative“ in der Nacht vom 9. November überall in den USA Massenproteste und -kundgebungen organisiert. Zehntausende haben sich daran beteiligt – nach sehr, sehr kurzer Mobilisierung. Das Flugblatt, dass „Socialist Alternative“ dabei eingesetzt hat, findet sich hier.

Es war der Endpunkt eines Wahlkampf-Marathons, in dessen Verlauf sich die „einfachen“ AmerikanerInnen gegen das politische Establishment und gegen die zerstörerischen Auswirkungen der Globalisierung und des Neoliberalismus aufgelehnt haben. Seinen Ausdruck fand dies sowohl auf der Linken, mit dem Wahlkampf von Bernie Sanders, der Millionen von Menschen für eine „politische Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre“ aktiviert hat. Aber auch auf Seiten der politischen Rechten drückte sich dieser Wille zur Auflehnung aus – wenn auch in entstellter Form und im Zuge der Wahlkampagne von Donald Trump.

Aber Trump ist nicht nur als angeblicher Retter der „vergessenen Männer und Frauen“ aus den Arbeitervierteln angetreten. Er hat auch den fanatischsten und am meisten chauvinistisch ausgerichteten Wahlkampf geführt, den es von einem Kandidaten einer der großen Parteien je gegeben hat. Er hat „weißen“ Nationalisten Raum geschaffen genauso wie offenen Rassisten, die der Idee der „Überlegenheit der weißen Rasse“ anhängen. Sie trauten sich plötzlich aus ihren Löchern und haben versucht, entfremdete hellhäutige ArbeiterInnen und Jugendliche zu erreichen. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung.

Die Auffassung, wonach dieses Wahlergebnis zeigt, dass die Masse der hellhäutigen Menschen aus der Arbeiterklasse genauso rassistisch und fremdenfeindlich ist wie Trump, lehnen wir hingegen in vollem Umfang ab. Diese Sichtweise wird von liberalen KommentatorInnen permanent verbreitet. Fakt ist, dass Clinton sogar eine – wenn auch knappe – Mehrheit der Stimmen bekommen hat. Insgesamt ist Trump lediglich auf 47,5 Prozent der Stimmen gekommen. Und dutzende Millionen von Menschen, die zu den Ärmsten und am meisten benachteiligten AmerikanerInnen gehören, gehen gar nicht erst zur Wahl.

Die Stimmen für Trump waren zuallererst Stimmen, die gegen Clinton und das Establishment abgegeben worden sind. Es war eine Entscheidung für den „Träger des Wandels“ und gegen eine durch und durch für den Ist-Zustand und das Amerika der Konzerne stehende Hillary Clinton. Viele haben Trumps Attacken auf das „manipulierte System“ und die Konzerne gut gefunden, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben. Das Tragische war, dass eine eindeutige linke Stimme gefehlt hat, die zur Verführung des Rechtspopulismus eine Alternative hätte anbieten können.

„Socialist Alternative“ steht an der Seite der Millionen von Frauen, die aufgrund der Wahl eines offenen Frauenhassers angeekelt sind und diese Wahl richtiger Weise als Rückschritt betrachten. Wir stehen an der Seite der Latinos, die Angst davor haben, das ArbeiterInnen ohne gültige Papiere nun in nie dagewesener Zahl und massenhaft abgeschoben werden könnten. Wir stehen an der Seite der Muslima und Moslems und der AfroamerikanerInnen, die Angst haben, dass die Hasstiraden von Trump zu noch mehr Gewalt und zum Erstarken rechtsextremer Kräfte führen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses haben wir überall in den USA zu Protesten aufgerufen um klarzumachen, dass die arbeitenden Menschen und die Unterdrückten zusammenstehen und sich auf Widerstand gegen die Attacken der Rechten vorbereiten müssen. In den letzten 24 Stunden sind wir mit Anfragen überhäuft worden. Die Leute wollen Genaueres über unsere Organisation in Erfahrung bringen. Wir müssen heute damit beginnen, eine echte politische Alternative für die viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“ aufzubauen – sowohl gegen die Parteien, die von den Konzernen beherrscht werden, als auch gegen die politische Rechte. Das Ziel muss darin bestehen, 2020 nicht erneut eine derartige Katastrophe erleben zu müssen.

Ein Schock auch für die herrschende Klasse

Es muss betont werden, dass dieser Wahlausgang nicht nur ein Schock für mehrere Millionen fortschrittlicher ArbeiterInnen, Frauen, MigrantInnen, „Farbige“ und die Menschen aus der LGBTQ-Community ist, sondern auch – und zwar aus ganz unterschiedlichen Beweggründen – für die herrschende Elite der Vereinigten Staaten.

Die Mehrheit der herrschenden gesellschaftlichen Klasse betrachtet Trump als launenhaft und „unfähig zu regieren“. Es ist gewiss richtig, dass das einschüchternde Auftreten von Trump gegenüber Kontrahenten, die er in aller Öffentlichkeit demütigt, und seine ekelhaften Postings bei Twitter, die immer dann kommen, wenn er meint, eine Kränkung wahrnehmen zu können, eher an Verhaltensweisen grobschlächtiger Diktatoren in sogenannten „gescheiterten Staaten“ erinnern. Selbst ein Mensch wie George Bush war nicht so abgehoben ignorant wie Trump, was die internationalen Beziehungen angeht. Die herrschende Klasse geht davon aus, dass eine Präsidentschaft von Trump die Interessen des US-Imperialismus gerade jetzt, da die globale Machtstellung der USA ins Wanken gerät, schwer beschädigen kann. Dies gilt vor allem mit Blick auf den Nahen Osten und auf Asien, wo man sich durch Russland und vor allen Dingen durch den zunehmend durchsetzungsfähigeren chinesischen Imperialismus herausgefordert sieht.

Schwere Bedenken hegt man gegen Trumps tönende Ablehnung der Freihandelsabkommen und der vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftsdoktrin der letzten 40 Jahre. Die Wahrheit ist aber, dass die Globalisierung ins Stocken geraten ist. Der Handelsmotor hat den Rückwärtsgang eingelegt. Der Wahlerfolg von Trump weist einige Parallelen zum „ja“ für den „Brexit“ in Großbritannien auf, wo man sich auch in diesem Jahr schon für den Austritt aus der EU ausgesprochen hat. Diese Entscheidung stand ebenfalls für die massive Ablehnung der Globalisierung und des Neoliberalismus durch die britische Arbeiterklasse.

Die regierende Klasse sorgt sich aber auch darum, dass Trumps abscheulicher Rassismus und seine Frauen- und Fremdenfeindlichkeit in den USA soziale Unruhen auslösen können. Und damit liegen sie mit Sicherheit richtig.

Gehen wir eine Ebene tiefer, so besteht der wohl schockierendste Aspekt dieses Wahlausgangs für die herrschende Elite darin, dass die Art und Weise, wie sie die Politik in diesem Land mit ihrem Zwei-Parteien-System kontrolliert haben, nun in Frage gestellt ist. Das wird auch von den Konzern-Oberen, dem Polit-Establishment und den konzernfreundlichen Medien so gesehen, die den Eliten stets zu Diensten sind. Von Wahlgang zu Wahlgang sind die Vorwahlen dazu benutzt worden, um KandidatInnen auszuschalten, die für die Konzerninteressen nicht hinnehmbar gewesen wären. Am Ende wurde das Wahlvolk dann immer vor die Entscheidung gestellt, welchem der beiden „überprüften“ Kandidaten sie ihre Stimme geben wollen. Die Konzern-Eliten hätten dann vielleicht den einen bzw. den anderen der beiden Kandidaten lieber als Präsidenten gesehen; leben konnten sie aber immer mit beiden. Die „einfachen Leute“ standen am Ende nur noch vor der Entscheidung, wer das „kleinere Übel“ darstellt – oder der/dem KandidatIn von einer dritten Partei die Stimme zu geben, die/der nie eine Chance auf den Wahlsieg hatte.

Das alles hat sich 2016 geändert. Zuerst hat Bernie Sanders es geschafft, 220 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden zu bekommen, ohne dabei auch nur einen Cent von den Konzernen anzunehmen. Dann hat er es hinbekommen, in den manipulierten Vorwahlen der „Demokraten“ nur sehr knapp gegen Hillary Clinton zu unterliegen. Auch Trump ist von der „Spender-Kaste“ der „Republikaner“ im Großen und Ganzen gemieden worden. Sogar die letzten beiden Präsidenten der „Republikaner“ wie auch die meisten der letzten Präsidentschaftskandidaten der „Republikaner“ haben ihn in aller Öffentlichkeit zurückgewiesen.

Aus Spaß wurde Ernst

Es ist immer noch unglaublich, dass die Menschen am Ende der Vorwahlen nur noch zwischen den unbeliebtesten jemals von beiden großen Parteien aufgestellten KandidatIn auswählen konnten. Die Wählerbefragung nach Verlassen der Wahllokale ergab, dass 61 Prozent der WählerInnen keine gute Meinung von Trump hatten. Im Falle von Clinton machten 54 Prozent der Befragten diese Aussage.

Im Zuge der Vorwahlen hat der Parteivorstand der „Demokraten“ alles mögliche in seiner Macht Stehende unternommen, um Hillary Clinton, der Kandidatin des Establishments, gegen Sanders einen unlauteren Vorteil zu verschaffen. Dabei zeigten die Umfragen doch permanent, dass Sanders gegen Trump wesentlich besser würde abschneiden können. Dies weist ohne Umschweife auf die Tatsache hin, dass ein bedeutender Teil der letztlichen WählerInnen von Trump offen war für eine echte linke Herangehensweise. Schließlich hat Sanders sich öffentlich gegen die Macht der Wall Street und die Agenda des Freihandels ausgesprochen und dabei einen Mindestlohn von 15 Dollar, kostenlose Bildung, eine staatliche Krankenversicherung sowie massive Investitionen in eine ökologische Infrastruktur gefordert. Die Wahrheit aber ist, dass die Führung der „Democratic Party“ die Präsidentschaftswahlen lieber verloren hätte als an ein politisches Programm gebunden zu sein, das tatsächlich den Interessen der arbeitenden und verarmten Menschen entsprochen hätte.

Beschämend ist, dass die meisten Gewerkschaftsvorstände im Laufe der Vorwahlen nicht nur ihre Unterstützung sondern auch Millionen von Dollar Clinton in den Rachen geworfen haben. Was das angeht, haben die führenden Figuren der Arbeitnehmerschaft mitgeholfen, die Kandidatin der Wall Street zu pushen – gegen einen Kandidaten, der die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertrat und eine Herausforderung für das Establishment und die Rechte gewesen wäre. Ergänzt werden muss, dass ein bedeutender Teil von Gewerkschaftsmitgliedern wie auch einige Einzelgewerkschaften sich dazu entschieden hatten, Sanders zu unterstützen.

Clinton taumelte nach den Vorwahlen als schwer beschädigte Kandidatin der Konzerne in den eigentlichen Präsidentschaftswahlkampf. In den Medien zog die Email-Affäre die größte Aufmerksamkeit auf sich, die auf Clintons Zeit als Außenministerin zurückgeht. Doch auch die anhaltenden Veröffentlichungen von „Wikileaks“ haben sehr detailliert das Bild bestätigt, das Sanders schon während der Vorwahlen gezeichnet hat: Dass Clinton als Erfüllungsgehilfin der Wall Street agiert, die in Reden vor Bankiers, von denen sie Millionen-Spenden erhält, etwas ganz anderes erzählt als gegenüber der Öffentlichkeit.

Liberale Apologeten des Kapitalismus werden jetzt versuchen, die hellhäutige Arbeiterklasse, die AnhängerInnen von Bernie Sanders oder wahlweise die WählerInnen von Jill Stein für den Sieg von Trump und die Niederlage von Clinton verantwortlich zu machen. Wie wir aber wiederholt hervorgehoben haben, war es die „Demokraten“, die vor langer Zeit schon damit aufgehört hat, die Interessen der arbeitenden Menschen auch nur im Geringsten zu verteidigen. Seit Jahrzehnten unterstützen oder implementieren die „Demokraten“ gar eine neoliberale Maßnahme nach der anderen: vom „Ende des Sozialstaats, wie wir ihn bisher kannten“ über die Ausweitung des Mittels der Massen-Verhaftungen, das Durchsetzen des Freihandelsabkommens NAFTA bis hin zur Aufhebung des „Glass Steagall“-Gesetzes unter Bill Clinton, das der Bankenregulierung dienen sollte. Letzteres machte den Weg frei, um unter Obama Rettungspakete für die Banken zu schnüren, während Millionen von Menschen gleichzeitig ihre Wohnungen und Eigenheime verloren haben.

Nach dem Crash von 2008 und 2009 hat die Linke Präsident Obama freie Hand gegeben. Die „Demokraten“ hatten die Mehrheit im Kongress und haben kaum etwas getan, um der Arbeiterklasse in der schlimmsten Krise seit den 1930er Jahren zu helfen. Dies öffnete der „Tea Party“ Tür und Tor, um Widerstand gegen die Rettungspakete zu mobilisieren, die an die Wall Street gingen, und den Wut auf die Politiker zu organisieren.

Unter dem Druck der 45 Prozent, die Sanders in den Vorwahlen unterstützt haben, haben sich die „Demokraten“ bei ihrem Wahlparteitag das linkeste Wahlprogramm seit 40 Jahren gegeben. Doch Clinton hat ihren Wahlkampf beständig auf die Aussage fokussiert, dass Trump eine existentielle Gefahr für die Republik darstellen würde und dass „Amerika schon jetzt großartig“ sei. Die Spender von Hillary Clinton wollten nicht, dass sie Themen wie den Mindestlohn oder ein Ende der Schulden hervorhebt, die auf die immensen Studiengebühren zurückzuführen sind. Sie wollten vermeiden, dass unter den in Fahrt gekommenen arbeitenden Menschen Erwartungen geweckt werden. Nun könnte man einwerfen, dass Hillary Clinton nicht für eine progressive Politik steht. Was also hätte sie tun sollen? Nun, was sie letztlich getan hat, ist, Tim Kaine, der für TPP und die Deregulierung des Bankwesens steht, zu ihrem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten zu machen. Stattdessen hätte sie sich für jemanden wie Elizabeth Warren entscheiden können. Sie hat darüber die Zusage abgelehnt, auf eine Reihe von „Goldman Sachs“-Angestellten in ihrer Administration zu verzichten. All dies hat die Millionen von Menschen, die den Wandel wollen, selbstverständlich nicht hinter dem Ofen hervorgelockt.

Von daher ist es keine Überraschung, dass Clinton nicht in der Lage gewesen ist, mehr WählerInnen für sich zu gewinnen. Weder Trump noch Clinton sind auf 50 Prozent der Stimmen gekommen. Und während Clinton in absoluten Zahlen zwar etwas mehr Stimmen bekommen hat als Trump, haben sich sechs Millionen WählerInnen weniger für sie entschieden als für Obama bei den Wahlen von 2012. Denkt man an die Wahl von 2008, so hat Clinton sogar zehn Millionen Stimmen weniger bekommen als damals Barack Obama. Parallel dazu hat Trump tatsächlich eine Million Stimmen weniger erhalten als der ehemalige Präsidentschaftskandidat der „Republikaner“, Mitt Romney!

Das linke US-amerikanische Magazin „Jacobin“ schrieb: „Clinton hat nur 65 Prozent der Stimmen von Latinos bekommen, verglichen mit Obama, der vor vier Jahren noch auf 71 Prozent gekommen ist. Sie schaffte dies auf jämmerliche Art und Weise gegen einen Kandidaten, der mit einem Programm angetreten ist, in dem der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko vorgesehen ist. Gegen einen Kandidaten, der seinen Wahlkampf damit begonnen hat, Mexikaner als Vergewaltiger zu bezeichnen. Clinton erhielt 34 Prozent der Stimmen von hellhäutigen Frauen ohne Hochschulabschluss. Und sie erreichte nur 54 Prozent der Stimmen von allen Frauen zusammen. Demgegenüber kam Obama 2012 auf 55 Prozent der Stimmen von Frauen. Aber auch dunkelhäutige junge WählerInnen haben sich von Clinton nicht angesprochen gefühlt, von denen viele gar nicht erst wählen gegangen sind. Und sie hat in den hellhäutigen Arbeitervierteln an Stimmen eingebüßt, wo Barack Obama im Vorbeigehen in beiden Wahlgängen, in denen er zum Präsidenten gewählt worden ist, gewonnen hat.

Das Establishment der „Demokraten“ hat bei diesen Wahlen ein gefährliches Spiel gespielt – und verloren. Und es werden die arbeitenden Menschen sein, die dunkelhäutigen Communities und die Frauen, die nach diesem Versagen nun das meiste abbekommen werden.

Sanders hätte auf dem Wahlzettel stehen müssen

In den letzten Jahren haben wir gesehen, wie es in den USA zu einer schwerwiegenden politischen Polarisierung gekommen ist. Immer mehr junge Menschen unterstützen die Idee des Sozialismu und die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nehmen hingegen nur unter einer Minderheit der Bevölkerung zu. Doch der allgemeine Trend in der US-amerikanischen Gesellschaft geht nach links. Ein Beleg dafür ist die Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe, für die Anhebung des Mindestlohns und Steuererhöhungen für Reiche. Diese Wahl nun wird an der Realität nichts ändern. Was sich aber ändert, ist, dass die politische Rechte nun an den Hebeln der Macht sitzt. Sie hat nun die Gewalt über die Präsidentschaft, sowohl über den Senat als auch das Repräsentantenhaus. Hinzu kommen Mehrheiten in einer ganzen Reihe von Parlamenten der Bundesstaaten.

Ein großer Teil der Menschen, die zur hellhäutigen Arbeiterklasse und der hellhäutigen Mittelschicht zu zählen sind, hat diese Wahlen ganz offenkundig genutzt, um zu zeigen, wie stark ihre Ablehnung gegenüber der „Demokraten“ und gegenüber dem Partei-Establishment der „Republikaner“ ist. Auf verworrene Art und Weise haben viele Millionen Menschen versucht, ihre Abneigung gegen die Konzern-Eliten zum Ausdruck zu bringen. Wir dürfen zwar nicht die Augen davor verschließen, dass eine Minderheit in zunehmendem Maß die extreme Rechte unterstützt. Es zeigt sich aber, dass die Wählerbefragung nach Verlassen der Wahllokale auf Folgendes hindeutet: 70 Prozent haben geäußert, dass Migranten ohne gültige Papiere „einen legalen Status bekommen sollten“. „Nur“ 25 Prozent waren der Ansicht, dass man sie abschieben solle.

Deshalb ist es auch so tragisch, dass der Name Bernie Sanders am 8. November nicht auf dem Wahlzettel stand. Wir haben ihn dazu gedrängt, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Das war schon im September 2014, als er gerade erst überlegte hatte, eine Präsidentschaftskandidatur überhaupt in Erwägung zu ziehen. Als er sich dann dazu entschied, den Weg über die Vorwahlen bei den „Demokraten“ zu gehen, haben wir dies abgelehnt. Wir stimmten nicht darin überein, dass man sich in diesen Rahmen der Vorwahlen zwingen lassen muss. Dennoch haben wir weiter mit seinen AnhängerInnen zusammengearbeitet und mit ihnen die Diskussion darüber geführt, wie man sein Programm verwirklichen kann. Es ging dabei immer auch um die Notwendigkeit, eine neue Partei gründen zu müssen.

Unsere Warnungen vor den Folgen, die es haben würde, wenn er am Ende Hillary Clinton unterstützt, haben sich tragischer Weise bestätigt. Wenn Sanders seine Kandidatur bis zum Wahltag am 8. November aufrechterhalten hätte (wie wir und viele, viele andere von ihm gefordert haben), dann hätte sein Name auf dem Wahlschein und sein fortgeführter Wahlkampf den Charakter dieser Präsidentschaftswahlen radikal verändert. Es wäre fast sicher gewesen, dass auch er an den TV-Duellen hätte teilnehmen können, und wir könnten jetzt unmittelbar über die Frage sprechen, wie wir eine neue Partei der 99 Prozent gründen, die sich unter oben genannten Voraussetzungen nun auf viele Millionen Stimmen hätte stützen können. Denn die hätte er bekommen. Stattdessen ist eine riesige Chance vertan worden.

„Socialist Alternative“ hat Jill Stein von der „Green Party“ unterstützt, die auf etwas mehr als eine Million Stimmen gekommen ist. Wir haben zu ihrer Wahl aufgerufen, weil sie ebenfalls ein Programm hatte, das ganz wesentlich den Interessen der arbeitenden Menschen entspricht. Steins Wahlkampf war in vielerlei Hinsicht begrenzt. Und dennoch deutet ihr Stimmanteil – wenn auch in abgespeckter Weise – auf das massive Potential hin, das für die Entwicklung einer linken Alternative Masse existiert.

Eine Präsidentschaft, die von Chaos und Konflikten gekennzeichnet sein wird

Die Wahl von Donald Trump ist eine Katastrophe, die viele negative Folgen nach sich ziehen wird. Trotz allem wird es sich dabei auch um eine Phase im fortlaufenden Prozess politischer und gesellschaftlicher Erhebungen in den USA handeln. Der Kapitalismus und seine Institutionen sind in Verruf geraten – so stark wie nie zuvor. Es geht um einen Prozess, der sich – selbst mit einem FBI, das sich ebenfalls in die politische Auseinandersetzung eingeschaltete – gerade auch im Präsidentschaftswahlkampf fortgesetzt hat. Trump hat seinerseits ständig vom „manipulierten“ politischen System gesprochen.

Bei größeren Teilen der politischen Linken wird sich nun unweigerlich auch das Gefühl der Verzweiflung breit machen. Viele werden denken, dass alle Versuche, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern, zwecklos sind. Es ist absolut zentral, dass wir uns dieser Stimmung widersetzen. Denn wie Bernie Sanders gesagt hat, kann echter Wandel nur von unten kommen. Nur Massenbewegungen, die bis in die Betriebe reichen und auf der Straße präsent sind, sind in der Lage, für echten Wandel zu sorgen.

Trumps Wahlsieg ist wie die „Peitsche der Konterrevolution“. Es wird zu Chaos und Provokationen kommen, die Millionen von Menschen zu Abwehrkämpfen zwingen werden. Aus diesem Grund müssen diejenigen, die in der letzten Zeit radikaler geworden sind, ihre Anstrengungen nun verdoppeln, um eine echte Massenbewegung aufzubauen, die für den Wandel kämpft. Geschehen muss dies unabhängig von der Kontrolle durch die Konzerne. Die sozialen Bewegungen der letzten Jahre und vor allem die Bewegung „Black Lives Matter“ deuten auf das Potential hin, das in dieser Hinsicht vorhanden ist.

Es ist aber auch entscheidend mitzuverfolgen, wie Trump seine AnhängerInnen unweigerlich enttäuschen wird. Der „Bau der Mauer“ wird nicht dazu führen, dass Millionen neue und akzeptable Jobs geschaffen werden, mit denen die Arbeitsplätze ersetzt werden können, die durch Automatisierung und Handelsabkommen verloren gegangen sind. Und obwohl er davon spricht, in die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts investieren zu wollen, so steht er gleichzeitig für immense Steuergeschenke an die Milliardäre, von denen er ja selbst einer ist. Eine Massenbewegung gegen Trump wird sich unmittelbar an den hellhäutigen Teil der Arbeiterklasse richten und erklären müssen, wie wir eine Zukunft schaffen können, in der alle jungen Leute eine angemessene Zukunft haben können – anstatt zu versuchen, den „American dream“ mit noch stärkerer rassistischer Spaltung wiederzubeleben. Eine solche Zukunft kann nur erreicht werden, wenn wir eine sozialistische Politik verfolgen.

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