Internationales

Lateinamerika: Stärkung der Rechten und Massenwiderstand

Resolution des Internationalen Vorstands des Komitees für eine Arbeiterinternationale vom Dezember 2016

Nach einer Periode von relativer politischer Stabilität und wirtschaftlichem Wachstum im Zusammenhang mit dem Rohstoff-Boom, ist Lateinamerika zu einer neuen Phase tiefer wirtschaftlicher Krise und gewaltigen sozialen und politischen Turbulenzen zurückgekehrt. Die Basis dieser neuen Phase sind die Auswirkungen der internationalen kapitalistischen Krise auf den Subkontinent. Das hängt vor allem mit der Verlangsamung des Wachstums in China zusammen, aber spiegelt auch die strukturellen Grenzen des peripheren, abhängigen Modells des Kapitalismus in der Region wieder.

Gleichzeitig gibt es eine Krise der politischen Alternativen, die von der allgemeinen Opposition zum Imperialismus über die letzten eineinhalb Jahrzehnte profitierten. Die Erfahrung von sogenannten fortschrittlichen Regierungen, von mitte-links und sogar bolivarischen Varianten in verschiedenen Ländern haben ihre Grenzen erreicht. Obwohl sie sehr vielfältig und unterschiedlich waren, wie die Fälle des Lulaismus in Brasilien und des Chavismus in Venezuela, hat keine dieser Alternativen mit der Dominanz des Kapitals gebrochen. Sie waren deshalb nicht fähig, ihre eigenen Widersprüche anzugehen und das wirtschaftliche Model, das auf Rohstoffausbeutung basiert, zu überwinden, oder die tiefe internationale Krise zu konfrontieren.

Die Krise dieser Regierungen könnte den Weg bereiten für neue Alternativen auf der Linken, die  fähig sind, die Lektionen aus deren Fehlern, Begrenztheit und Verrat zu lernen. Das ist die Aufgabe des CWI und seiner lateinamerikanischen Sektionen. Allerdings ist dieser Prozess noch am Entstehen. Die Hauptcharakteristik ist im Moment in der Region das Anwachsen der rechten politischen Kräfte. In diesem Szenario müssen wir darum ringen, die Kräfte des revolutionären Sozialismus zu reorganisieren.

Krise der Mitte-Links-Regierungen und Rechtsruck

Das ist das Szenario in den Schlüsselländern der Region. Im November 2015 haben wir die Wahl von Marci zum Präsidenten von Argentinien gesehen. Ein paar Tage später (Dezember 2015) gewann die rechte Opposition in Venezuela eine große Mehrheit in der Nationalversammlung, was das Land in eine gewaltige politische Sackgasse brachte. 2016 stieg Temer, bewaffnet mit einem harten neoliberalen Programm, durch ein parlamentarisches Putschmanöver zum Präsidenten Brasiliens auf, was Dilma Rouseff und die PT nach dreizehn Jahren Regierung die Macht nahm. Die diesjährigen Regionalwahlen in Brasilien waren ebenfalls gekennzeichnet von einem Anwachsen der rechten Parteien und Verlusten für die PT (Arbeiterpartei).

Dieser Vormarsch der Rechten ging nicht nur auf Kosten der Regierungen, die als “fortschrittlich” gelten, sondern fand auch innerhalb der existierenden Regierungen statt, die fast unterschiedslos einen Rechtsschwenk in ihrer Politik machten oder vertieften. Diese Rechtsschwenks der „fortschrittlichen“ Regierungen vertieften ihre Krisen, verwirrten ihre soziale Basis öffneten Raum für die expliziteste und aggressivste Rechte.

Zum Beispiel symbolisierte der Kandidat, der in Argentinien von Cristina Kirchner unterstützt wurde, der Geschäftsmann und Ex-Gouverneur Daniel Scoli, den konservativen Schwenk des Kirchnerismus, was die Niederlage gegen den rechten Macri sogar noch demoralisierender machte.

Der Fall Brasiliens ist sogar noch sinnbildlicher. Dilma wurde 2014 wiedergewählt. Sie warnte vor den Risiken des harten Neoliberalismus ihres PSDB-Rivalen Aécio Neves, sollte er gewinnen. Nach ihr Wiederwahl nahm Dilma das neoliberale Programm ihres Gegners an, setzte budgetäre Austerität, Privatisierungen und Einschnitte bei ArbeiterInnen- und sozialen Rechten durch. Die darauf folgende allgemeine Diskreditierung von ihr und der PT öffnete den Weg für den Zusammenbruch der Regierung und das Putschmanöver der Rechten.

Die Abnutzung der “bolivarischen” Regierungen

In Bolivien hat dieser Prozess bereits zur ersten Wahlniederlage für Evo Morales geführt, seit er 2006 an die Macht kam. Er wurde beim Referendum im Februar, das ihm die Möglichkeit geben sollte, noch einmal zur Wiederwahl anzutreten, besiegt. Nach der extremen sozialen und politischen Polarisierung im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, mit den Wasser- und Gas“kriegen“ und der offenen Konfrontation mit der reaktionären Rechten in der östlichen „media luna“-Region, glaubte Morales er könnte die rechte Opposition durch Zugeständnisse und Aufnahme rechter Sektoren in seine Regierungspartei beruhigen.

Durch das Beschreiten dieses Weges wurde Morales mit starkem Widerstand der allgemeinen und indigenen Arbeiterklasse konfrontiert, zum Beispiel gegen den Anstieg der Treibstoffpreise (2010) oder den Versuch im Jahr 2011, eine Autobahn durch das indigene TIPNIS-Gebiet im Westen des landes zu bauen. 2013 war es die Arbeiterbewegung, die einen Kampf gegen das neue Rentengesetz führte, inklusve einem Generalstreik, zu dem der Gewerkschaftsdachverband COB aufrief.

Die Regierung schaffte es, die ArbeiterInnen zu besiegen und gleichzeitig das Projekt, über den COB eine Arbeiterpartei aufzubauen zu demontieren. Durch das Eliminieren potentieller Gegenbewegungen aus der Linken hat Morales erreicht, dass nur die Rechten von der Unzufriedenheit mit seiner Regierung profitieren konnten. Seine Niederlage beim Referendum sorgt für Unsicherheit im Bezug auf die Zukunft der bolivianischen MAS (Regierungspartei “Bewegung für den Sozialismus”). Für sie spricht, dass die Krise in Bolivien noch nicht solche Dimensionen wie in anderen Ländern erreicht hat und die Tatsache, dass die rechte Opposition noch immer schwach und zerplittert ist. Doch beide Faktoren können in der nächsten Periode umgekehrt werden.

Ein ähnlicher Prozess spielt sich in Ecuador ab. Präsident Rafael Correa, der nach einer gewaltigen Massenbewegung und dem Sturz von zwei Präsidenten an die Macht kam, verliert jetzt Unterstützung von Sektoren der organisierten Arbeiterklasse und der indigenen Bevölkerung. Die indigenen Bewegungen, die sich in der CONAIE organisieren, und auch andere soziale Bewegungen, sind vor einiger Zeit von der Regierung weggebrochen.

Vor kurzer Zeit hat die Entscheidung der Regierung, die nationale Vereinigung der EcuadorianerInnen zu attackiern und praktisch aufzulösen, indem sie illegalisiert wurde, bei Teilen der Gewerkschaftsbewegung sogar noch gewaltigere Ablehnung der Regierung provoziert. Correa erklärte, dass er zu den nächsten Wahlen im Februar 2017 nicht antreten werde. Seine Regierungsallianz ist jetzt nach zehn Jahren an der Macht in Gefahr.

Pseudo-Linke in Nicaragua und Peru

Als das Prestige des venezolanischen Chavismus wuchs, haben sich manche Sektoren auf der Suche nach einem Weg zu politischer Macht in ihrem Land in Richtung des “bolivarischen” Modells bewegt. In manchen Fällen entsanden diese politischen Kräfte auf eine deformierte Art und Weise und haben so den Weg zurück an die Macht für die Rechten geebnet, wie in Peru. In anderen haben sie sich scharf nach rechts entwickelt, wie in Nicaragua.

In Peru ist die reaktionäre, neoliberale Rechte 2016, nach der Erfahrung mit einer Regierung an die Macht zurückgekehrt, die eine Variante des Mitte-Links-Nationalismus repräsentierte. Der Ex-Armee-Offizier der nationalistischen Partei, Ollanta Humala, wurde 2011 mit der Erwartung, dass er ein peruanischer Hugo Chavez sein werde, zum Präsidenten gewählt. In der Regierung setzte er allerdings eine Politik um, die viel näher an Lula als an Chavez war und diente den Interessen der großen Bergbau-Konzerne und des großen Kapitals.

Das Resultat war, dass Humala weite Teile der Unterstützung verlor und den Weg für eine rechte Gegenoffensive bereitete. Am Ende unterstützte er keineN KandidatIn für seine Nachfolge. Der Kandidat, der mit der Linken verbunden wurde, erreichte nur den dritten Platz und in die zweite Runde der Wahlen im Juni gingen zwei KandidatInnen der neoliberalen Rechten: Die Tochter des Diktators Alberto Fujimori, Keiko Fujimoro, und der Ex-Banker und Big-Business-Kandidat Pedro Pablo Kuczynski. Zweiterer ging als Sieger hervor.

In Nicaragua sind die Sandinisten, die 2007 an die Macht zurückgekehrt sind, nur eine deformierte Karikatur der alten FSLN, die die Revolution von 1979 angeführt hatte. Daniel Ortega hat gerade, am 6. November, seine dritte Präsidentschaftswahl gewonnen. Es gab jedoch kaum Opposition gegen ihn bei dieser Wahl, weder von links, noch von rechts. Sein Sieg war gekennzeichnet vom autoritären Machtmissbrauch Ortegas.

Ortega hat nicht gezögert, autoritäre Methoden zu verwenden, um Opposition zu eliminieren. Aber das bedeutet nicht, dass dies genutzt wurde, um linke Maßnahmen gegen die lokale Bourgeoisie und den Imperialismus zu stärken. Eher im Gegenteil. Trotz seiner internationalen Annäherung an die „bolivarischen“ Regierungen und ständigen Scharmützeln mit den USA war Ortegas Administration eine konservative Allianz mit Großkonzernen und alten Oligarchien und steht für den verzicht auf jedes noch so minimale linke Programm.

Chile: Rückkehr der pinochetistischen Rechten?

Chile hatte mit Sebastián Pinera zwischen 2010 und 2014 bereits eine Erfahrung mit einer rechten Regierung pinochetistischen Ursprungs gemacht. Pinera wurde auf der Basis des Niedergangs der Michelle Bachelet-Regierung der Sozialistischen Partei und der “Concertacion”-Koalition, die Chile seit Pinochets Rücktritt mit neoliberalen Maßnahmen regiert hatte, gewählt.

Bachelet musste ein etwas linkeres Profil annehmen um die Wahlen 2014 wieder zu gewinnen, dieses Mal als Teil der “Neuen Mehrheit”, die  die Kommunistische Partei beinhaltete. Ihre Regierung setzte die “moderate” Linie fort: sie setzt nur kleine, kosmetische Veränderungen um, die nicht den Hauptforderungen der Bewegungen nach Verteidigung des öffentlichen Bildungswesens, sozialer Dienstleistungen etc. entsprechen.

Eines der Merkmale der derzeitigen Lage in Chile ist die Unzufriedenheit der Massen, die durch Massenaktionen und –kämpfe wiedergespiegelt werden. Dazu gehören die Mobilisierungen der No+AFP-Bewegung, an der sich die chilenische Sektion des CWI intensiv beteiligt, und Kämpfe der Jugend für das Recht auf öffentiche Bildung,.

Das hat Bachelet ein schlechtes Resultat bei den Regionalwahlen dieses Jahr beschert und führt zu unklaren Aussichten für die Präsidentschaftswahlen 2017. Eine Rückkehr der explizitesten Rechten an die Macht kann nicht ausgeschlossen werde.

Vorbilder für Institutionellen Putsch

Auch wenn das nur isolierte Prozesse in kleinen Ländern waren, so sind die Erfahrung der Putsche in Honduras und Paraguay immer noch wichtig, um zu verstehen, was die lokale herrschende Klasse und der Imperialismus versuchen können, um Regierungen sicherzustellen, die voll auf der Linie ihrer Interessen sind.

In Honduras führte 2009 während des Ausnahmezustands ein Manöver des Nationalen Kongresses und der Gerichte zu Absetzung des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya. Das sollte ein Referendum zur Frage, ob ähnlich wie in Venezuela, Bolivien und Ecuador eine konstituierende Versammlung einberufen werden solle, verhindern.

Zelayas Absetzung öffnete den Weg für mehr soziale Konflikte, während der härteste, rechte, neoliberale Flügel, in Allianz mit dem Imperialismus, seine Politik umsetzen konnte. Eine konservative Regierung, geführt von Porfirio Lobo, wurde nach Wahlen, die von der Mehrheit der internationalen Organisationen und Ländern in Lateinamerika und Europa nicht anerkannt wurde, gebildet, die sich später konsolidieren konnte.

Der andere Fall eines institutionellen Putsches ereignete 2012 in Paraguay, als Fernando Lugo, ein zum Mitte-Links-Lager zählender, ehemaliger katholischer Bischof, der trotz der Umsetzung eines moderaten Programms, durch ein völlig willkürliches Amtsenthebungsverfahren von seiner Position entfernt wurde. Der Prozess wurde vom Parlament initiiert und dauerte nur 48 Stunden. Die offizielle Rechtfertigung für seine Absetzung war die “schwache Umsetzung seiner Rolle” als Präsident

Sowohl in Honduras als auch in Paraguay haben diese institutionellen Putsche die Bahn frei gemacht für repressive Maßnahmen und mehr neoliberale Politik. Jedoch waren es auch Prozesse, in denen die Verantwortlichen versuchten, das Bild der demokratischen “Normalität” aufrecht zu erhalten. Diese Erfahrungen waren im Fall von Brasilien nützlich für die herrschende Klasse, die Rechten und den Imperialismus und könnten in anderen Ländern immer noch ihren Interessen dienen.

Das Ende des Lula/PT-Zyklus in Brasilien

Dilma Roussef wurde am 26. Mai 2016 vorübergehend des Amtes enthoben, nachdem der Senat dafür gestimmt hatte, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Dieselbe Abstimmung hatte es mit einer großen Mehrheit an Zustimmung schon am 17. April im Kongress gegeben. Die endgültige Absetzung Dilmas fand in einem Plenum des Senats am 31. August statt. Der Abstieg Dilmas markierte das Ende des Zyklus der PT-Regierungen, der unter Lula 2002 begann, und des Projektes der sozialen Pakte und Klassenzusammenarbeit.

Die Möglichkeit Rousseff abzusetzten wurde nicht sofort von der herrschenden Klasse und den Rechten unterstützt. Ihre bevorzugte Option war, die PT unter Druck zu setzen, damit diese sich für sie die Hände schmutzig macht, in dem sie unbeliebte Kürzungen umsetzt. Dann hätte die PT auf eine weniger tumultartige Art und Weise bei den Wahlen 2018 aus der Regierung entfernt werden sollen. Ein Jahr vor Dilmas Absetzung erklärte die wichtigste Arbeitgeberorganisation, die wichtigsten Medienkonzerne und der wichtigste Bankenverband öffentlich ihre Position gegen die Amtsenthebung. Die Verschärfung der Wirtschaftskrise führte sie dann zur Forderung nach extremeren Maßnahmen.

Dilma verwarf ihre “anti-neoliberale” Rhetorik sofort nach ihrer Wiederwahl 2014. Sie tat alles mögliche, um der herrschenden Klasse ihre Bereitschaft, Gegenreformen und harte Budget-Kürzungen umzusetzen, zu beweisen. Die PT-Regierung hat 2015 die Rezession vertieft, Gebühren erhöht, Ausgaben gekürzt, Privatisierungen intensiviert und dem Kongress eine Reihe von Vorschlägen von Gegenreformen in den Bereichen Arbeit, Steuern und Renten präsentiert. Sie hat auch einen PSDB-Vorschlag unterstützt und die Öffnung des Öl-Sektors für private Firmen verhandelt.

Das war jedoch nicht genug. Je mehr sie das Programm der rechten Opposition akzeptierte, desto mehr verlor sie von ihrer Unterstützerbasis, ohne dass die Unterstützung der herrschenden Klasse oder die Kooperation der Rechten garantiert gewesen wäre. Am Ende hatte  Dilma nicht die nötige Stärke, um den Sozialabbau durchzuboxen, den Banken und Großkonzerne unbedingt forderten. Die Stärke des Lula-Phänomens an der Macht basierte auf der Fähigkeit, Maßnahmen im Interesse der Großkonzerne umzusetzen und zur gleichen Zeit die ärmsten Schichten der Bevölkerung mit ein paar Zugeständnissen zu befrieden. Die Tiefe der Wirtschaftskrise verhinderte die Beibehaltung dieser Situation.

Die Korruptionsskandale, die Petrobas und die Finanzierung der Wahlkampagnen praktisch aller Parteien des Systems (inclusive der PMDB des Vizepräsidenten Michel Temer und der PSDB) umfassten, wurden fachmännisch  durch RichterInnen und ErmittlerInnen der sogenannten „Lava Jato“-Operation manipuliert, die die zentrale Rolle bei den Ermittlungen gegen die PT spielten.

Dilma abzusetzen wurde zum einzigen Weg, die Sozialkürzungen und Gegenreformen umzusetzen und ein neues politisches Klima zu erzeugen, das die Korruptionsermittlungen von “Lava Jato” und ihr Potential, die politische Situation, die Hauptparteien und das politische Regime zu destabilisieren, eindämmt. Der große Vorteil des Putsches und der Amtsenthebung war, dass die Bourgeoisie ihr Programm und die Versuche, die korrupten PolitikerInnen in den anderen Parteien zu retten, nicht bei Neuwahlen präsentieren musste.

Es gab organisierten Massenwiderstand gegen die Putschverschwörung von Temer und den Anführern des Kongresses, einschließlich Demonstrationen von Hunderttausenden. Der Mehrheit der DemonstrantInnen ging es nicht um eine Verteidigung der Regierung, sondern darum den Putsch anzuprangern. Allerdings war die Führung dieser Bewegung immer in der Hand der PT und ihrer Verbündeten, die völlig unfähig waren, die Bewegung zum Sieg zu führen. Manche bestanden auf der Verteidigung der Dilma-Regierung, an der es nichts zu verteidigen gab. Andere hatten bereits kapituliert und schielten auf die Wahlen 2018 und sahen die Rückkehr Lulas als Kandidaten als die einzige mögliche Lösung.

Die einzige Möglichkeit, die Anti-Putsch-Bewegung zum Erfolg zu führen, auf Basis einer klaren politischen Unabhängigkeit von der Regierung ein klares Programm gegen neoliberale Kürzungspolitik anzunehmen und Neuwahlen zu fordern. Es gab keine Basis für den Verbleib Dilmas an der Macht und die Wahl bestand zwischen der Farce der Amtsenthebung und der Einbeziehung der Volksmassen, die Hindernisse für die Umsetzung von Austerität und Gegenreformen schaffen würden. Diese Forderungen konnten von der PT und ihren Verbündeten nicht verteidigt werden und die neue, sich entwickelnde Linke (PSOL und kämpferische soziale Bewegungen) waren noch immer nicht in der Lage (und in vielerlei Hinsicht fehlte die politische Klarheit), diese Forderungen mit ausreichender Kraft in den Vordergrund  zu stellen.

Dasselbe gilt für den Kampf gegen die illegitime Regierung Temers. Abgesehen davon, dass die Regierung unbeliebt ist, gibt es eine enorme Diskreditierung des politischen Systems. Sogar der Slogan “Temer raus”, der die Unterstützung einer großen Mehrheit der Bevölkerung hat, kann nur der Slogan eines effektiven Kampfes werden, wenn er verbunden wird mit einem Kampf gegen die Angriffe der Regierung, die für ArbeiterInnen und Jugendliche sehr spürbar sein werden.

In diesem Kampf muss das CWI in Brasilien die breiteste mögliche Einheit in den Aktivitäten gegen die Angriffe der Regierung und der Staats- und Regionalregierungen verteidigen. Gleichzeitig ist es eine grundlegende Aufgabe, in diesem Prozess des Widerstands eine linke Alternative zur PT und ihren Verbündeten aufzubauen. Das Projekt der Klassenkollaboration der PT ist für die aktuellen Rückschläge der Arbeiterklasse verantwortlich und nur eine neue linke, sozialistische Massenpartei kann den Kampf zum Sieg führen und eine politische Alternative der Arbeiterklasse anbieten.

Venezuela am Scheideweg

Jahrelang gab es einen gewissen Gegensatz zwischen den Modellen Lulas in Brasilien und Chavez’ in Venezuela. Der Chavismus radikalisierte sich hauptsächlich wegen dem Widerstand, den der Imperialismus und die lokale Bourgeoisie organisierten, wie im Fall des Putsches 2002, der von den Massen besiegt wurde. Sogar ohne energisches sozialistisches Programm und Strategie inspirierte und motivierte er einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse und Armen. Im Falle von Lula war die Orientierung gegenteilig, in Richtung der Klassenkollaboration und Anpassung an das System.

Trotz der Unterschiede sind beide Modelle in eine tiefe Krise geraten, jedes auf seine eigene Art. Das setzt die Notwendigkeit einer revolutionären, sozialistischen Alternative auf die Tagesordnung.

Venezuela steckt in der tiefsten wirtschaftlichen Krise seiner Geschichte. 2016 wird das BIP das dritte Jahr in Folge schrumpfen, laut den Prognosen von CEPAL um acht Prozent. Der Mangel an Gütern und Dienstleistungen und die Inflation sind explodiert. Die Kosten der grundlegenden Güter sind zwischen September 2015 und 2016 um 457,5 Prozent gestiegen und etwa 24 Mindestlöhne wären nötig, um sie zu bezahlen. Der Lebensstandard verschlechtert sich und ist vergleichbar mit jenem in Kriegsgebieten. Die Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr ist auf 18,6 pro Tausend gestiegen, in Syrien sind es 15,4.

Ein grundlegender Faktor in dieser Situation ist die internationale Krise und das Ende des Rohstoff-Booms, vor allem der Ölpreis. Nach 17 Jahren an der Macht hat es der Chavismus in einer Zeit hoher Ölpreise geschafft, eine gerechtere Verteilung der Öleinnahmen zu erreichen, aber er war nicht fähig, den auf Rohstoffexport basierenden Charakter der venezolanischen Wirtschaft zu verändern. Die völlige Abhängigkeit vom Öl, selbst für den Import von Essen und grundlegenden Gütern, ist fundamental für die Krise und den Mangel und der generellen Unzufriedenheit in der Bevölkerung.

Außerdem gibt es die bewusste, klare Absicht der Bourgeoisie, politische Veränderung zu erzwingen und die eigenen Klasseninteressen zu fördern. Die Strategen des Imperialismus und der venezolanischen Bourgeoisie schwanken immer zwischen einer Position des offenen Putsches, wie sie 2002 dominierte, und der Strategie, Veränderungen durch die Institutionen zu erreichen, obwohl sie nie auf die offene Konfrontation als Möglichkeit, Druck zu machen, verzichteten.

Wie in Brasilien braucht auch die herrschende Klasse in Venezuela eine politische Veränderung, um eine Lösung für die Krise zu finden, die der Arbeiterklasse die gesamte Last auferlegt, in dem die sozialen Errungenschaften der letzten Jahre abgebaut werden sollen. Sie wird dafür alle möglichen institutionellen Mittel verwenden, aber sie wird, wie in der Vergangenheit, nicht auf die Möglichkeit verzichten, auf Gewalt und Bruch mit den Institutionen zurückzugreifen.

Anders als Dilma in Brasilien, ist die Maduro-Regierung angesichts des Vormarsches der Rechten bereit, zu Mitteln der direkten Konfrontation zu greifen, wie die Einstellung der Unterschriftensammlung, die die Rechten zur Durchsetzung eines Abwahlreferendums bewerben. Allerdings ist die Hauptpolitik der Regierung im Moment, wie bei Dilma, Zugeständnisse an die Bourgeoisie und die Rechten zu machen.

Die gerade stattfindenden Verhandlungen zwischen der Maduro-Regierung und der rechten MUD-Opposition, in denen der Papst vermittelt, können aus Sicht der Arbeiterklasse keine Aussicht auf eine Lösung bieten. Das Ergebnis kann nur für die Rechten und das Kapital positiv sein. Letztlich kann im Kapitalismus nur brutale Kürzungspolitik, die die Arbeiterklasse bestraft, einen Ausweg bieten.

Im Venezuela Manduros und der PSUV geht fast jeder Dollar, der ins Land kommt, direkt in die Bezahlung von Auslandsschulden. Nur ein paar Krümel, die übrig bleiben, werden in Nahrungsmittel und Medikamente investiert. Es gibt keinen Weg aus der Wirtschaftskrise ohne Konfrontation mit den Interessen des großen Kapitals. Die Beendigung der Schuldenzahlungen ist aus Sicht der Mehrheit, der Arbeiterklasse, der notwendige erste Schritt um das Land wieder aufzubauen. Die Verstaatlichung der Schlüsselsektoren der Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der ArbeiterInnen ist der unvermeidliche Weg zu einer antikapitalistischen und sozialistischen Lösung der Krise.

Maduro bewegt sich jedoch nicht in diese Richtung. Die Sackgasse der jetzigen Situation könnte die Voraussetzungen für einen rückschrittlichen, institutionellen Bruch schaffen. Die Rechten haben Putschverschwörungen in den Genen, aber selbst die aktuelle Regierung könnte dazu gedrängt werden, die Macht mit Gewalt zu verteidigen, ohne dass das eine Vertiefung des revolutionären Prozesses in eine antikapitalistische Richtung bedeuten würde. Tatsächlich könnte es in die andere Richtung gehen.

Die zentrale Aufgabe konsequenter RevolutionärInnen in Venezuela ist es, einen alternativen, linken Pol zur Bürokratie, die das Chavismus-Lager anführt, zu schaffen. Das kann nur durch den Kampf gegen die Rechten und einer klaren Position auf Seiten der ArbeiterInnen, wenn sie die Maduro-Regierung konfrontieren, gelingen.

Die Grenzen der “Neuen Rechten”

Trotz der Fortschritte für die Rechten hat sich keine der neuen Regierungen, nicht einmal die, die durch institutionelle Putsche an die Macht kamen, in Richtung Etablierung eines autoritären oder diktatorischen Regimes bewegt, wie es in den 60ern und 70ern der Fall war. Die sozialen und politischen Kräfteverhältnisse erlauben das nicht, wenn keine Situation großer Niederlagen der Arbeiterklasse existiert. Bis jetzt haben es diese Regierungen nicht geschafft, eine politische oder soziale Basis aufzubauen, die mit jener der neoliberalen Parteien im Lateinamerika der 90er Jahre vergleichbar wäre.

In den 90ern haben es Regierungen wie Cardoso (Brasilien), Menem (Argentinien), Fujimori (Peru), Gonzalo Sanchez de Lozada (Bolivien) und andere geschafft zu privatisieren, zu deregulieren, und tiefgreifende, neoliberale Gegenreformen umzusetzen. Um das zu erreichen haben sie Repression gegen die Arbeiterbewegung mit einer einigermaßen effektiven ideologischen Kampagne im Kontext der weltweiten ideologischen Offensive, die auf den Zusammenbruch der stalinistischen Regimes der Sowjetunion und Osteuropas folgte. Es war eine Epoche der Illusionen in den Markt und des Misstrauens gegenüber Alternativen zum Kapitalismus, repräsentiert durch den Stalinismus.

Auf dieser Basis haben manche dieser Regierungen Unterstützung für ihre Wirtschaftspolitik gewonnen, die die Hyper-Inflation beendete, die die Armen in vielen Ländern traf. Trotz ihres Charakters hatten der “Plan Real” in Brasilien oder der “Cavallo Plan” in Argentinien für eine Periode eine gewisse allgemeine Unterstützung, was auf eine Art und Weise eine soziale Basis für neoliberale Politik schuf.

Die tatsächliche Situation ist eine völlig andere. Die weltweite Situation ist nicht gekennzeichnet durch einen Triumph des Kapitalismus sondern vom exakten Gegenteil. Die Auswirkungen der Krise von 2008 wirken im realen Leben und Bewusstsein von Millionen ArbeiterInnen. Auf der einen Seite gab es tatsächlich eine Ablehnung der politischen Kräfte, die die Mitte-Links-Regierungen angeführt haben. Gleichzeitig bedeutet das keine nostalgische Unterstützung der früheren neoliberalen Regierungen. Es existiert keine soziale Basis oder allgemeine Unterstützung irgendwelcher rechten Regierungen, die offen Privatisierungen, Kürzungen, Abschaffung von Rechten und Gegenreformen fordern. Die Auswirkungen der Krise haben den Rechten nicht erlaubt, wirtschaftliche oder soziale Zugeständnisse entsprechend der Forderungen der Bevölkerung zu machen. Tatsächlich findet genau das Gegenteil statt.

In dieser Beziehung ist der Fall Brasiliens bezeichnend. Die Tatsache, dass der illegitime Präsident Michel Temer 2018 nicht kandidieren wird, bedeutet, dass es nicht seine Hautaufgabe ist, an Beliebtheit zu gewinnen, sondern umzusetzen, was das Großkapital fordert. Dies ist eine zutiefst unbeliebte Regierung und sie kümmert sich nicht darum, beliebt zu werden. Aus diesem Grund kann sie rasch brutale Angriffe gegen die Arbeiterklasse umsetzen, was sie auch bereits macht. Das ist der Vorteil, den die Regierung gegenüber Dilma Rouseff (die auf ihre soziale Basis Rücksicht nehmen musste) und anderen bürgerlichen Regierungsalternativen, die berücksichtigen müssten, dass sie Wahlen gewinnen müssen.

Das weist auf eine bonapartistische und repressive Komponente dieser und anderer Regierungen hin, die wir wahrscheinlich in der kommenden Periode sehen werden und schon jetzt gibt es klare Anzeichen dafür. In Brasilien wird ein neuer repressiver Apparat landesweit koordiniert. Diese Maßnahme basierte auf einer Notverordnung, die von der PT, gerechtfertigt mit der Weltmeisterschaft und den Olympischen Spiele, eingeführt wurde und Anti-Terror-Gesetze beinhaltete, die jetzt gegen soziale Bewegungen verwendet werden.

Gleichzeitig führen diese unpopulären Angriffe und repressiven Maßnahmen tendenziell zu immer mehr allgemeinen Reaktionen, Kämpfen und Widerstand. Trotz der bisherigen Attacken und trotz der Rückschläge  hat es keine große, historische Niederlage der Arbeiterklasse gegeben und die Kämpfe werden fortgesetzt.

Die regierenden politische Kräfte der Rechten können weiterhin behaupten, gegen Korruption zu kämpfen, um die Linke zu attackieren und die Idee zu verbreiten, dass alles, was mit „dem Staat“ verbunden ist, korrupt sei. Sie können eine Uterstützerbasis in der Mittelschicht und im Kleinbürgertum für solche Ideen gewinnen. Aber gleichzeitig können sie keine effektiven Maßnahmen ergreifen, um die Korruption zu bekämpfen, weil sie selbst genauso in die Korruption verstrickt sind wie ihre VorgängerInnen in den „Mitte-Links“-Regierungen.

Tatsächlich fürchtet die Rechte selbst, die Kontrolle über Ermittlungen zu Korruption zu verlieren und dass diese sich gegen sie selbst wenden. In Argentinien beispielsweise konnte, trotz aller Anschuldigungen schlimmster Korruption gegen Cristina Kirchner, Präsident Macri seine Verstrickung in betrügerische Manöver mit Off-Shore-Investitionen zur Steuervermeidung nicht erklären.

In Brasilien gibt es keine Garantie, dass die Operation “Lava Jato” nicht die Führung der Temer-Regierung im Nationalen Kongress umfassen könnte – alle Mitglieder davon sind in Korruption verwickelt. Aus diesem Grund haben sie dem Kongress eine neue Gesetzgebung gegen Korruption präsentiert, die jenen, gegen die wegen Korruption ermittelt wird eine Amnestie erteilt. Wenn das nicht gemacht wird, erwarten viele die extremste Perspektive: dass Temer zeitglich mit allgemeinen Revolten gegen seine Gegenreformen die Unterstützung des Parlaments wegen Verstrickung in Korruption verliert. Im Falle einer Absetzung Temers würde ein neuer Präsident indirekt über den Kongress gewählt, was der herrschenden Klasse die Möglichkeit geben würde, eine „technische“, „unpolitische“ Regierung einzusetzen. Viele PolitikerInnen der Rechten setzen sich jetzt die Maske der „technischen VerwalterInnen“ auf. Das ist bei Macri in Argentinien und beim kürzlich gewählten Bürgermeister der größten Stadt Brasiliens, Joa Doria Jr., der Fall.

Neoliberale Ideen und Konzepte können nach dem Versagen der angeblichen alternativen Modelle, die als „fortschrittliche Regierungen“ präsentiert wurden, eine gewisse Basis unter den Mittelschichten und anderen sozialen Schichten gewinnen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es eine neue, solide soziale Basis an Unterstützung für die geplanten Gegenreformen gibt. Es gibt großes Potenzial für breiten Widerstand, um diese Situation umzukehren. Offenbar verlässt sich die herrschende Klasse auf indirekte Kollaboration  der GewerkschaftsführerInnen und der politischen Führung der ArbeiterInnen.

Widerstand gegen die Attacken der Rechten

In ganz Lateinamerika gibt es Kämpfe gegen die Austeritätspolitik, die von den Regierungen als Reaktion auf die Vertiefung der internationalen Krise umgesetzt wird. Das erste Jahr von Macris Präsidentschaft in Argentinien war beispielsweise gekennzeichnet von einem Anstieg sozialer Kämpfe, die bis zu einem gewissen Punkt die Regierung davon abhielten, ihr Programm zur Gänze umzusetzen.

Es gab eine massive Mobilisierung von ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst, viele Streiks von verschiedenen Schichten von ArbeiterInnen und gewaltige, vereinte Gewerkschaftsmobilisierungen im April gegen Steuererhöhungen und Stellenabbau. Ein Generalstreik fand wegen der Kapitulation der GewerkschaftsführerInnen in Verhandlungen mit der Regierung nicht statt.

Michel Temer wurde in Brasilien vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an mit massiven Demonstrationen konfrontiert. Es gab viele Straßendemonstrationen, aber auch mehrere Wellen von Besetzungen öffentlicher Gebäude, wie dem Kulturministerium, im ganzen Land und auch Besetzungen von Schulen und Universitäten. Eine Serie von vereinigten Mobilisierungen wurden von den Gewerkschaftszentren einberufen. Zuletzt am 11. November, was zu einer Lahmlegung wichtiger Sektoren, der Blockade von Autobahnen und Straßendemonstrationen führte. Diese könnten dazu genutzt werden, das Ausrufen eines eintägigen Generalstreiks im ganzen Land vorzubereiten.

Allerdings haben die früher kämpferischeren Gewerkschaftszentren wie die CUT nach Jahren der Demobilisierung während der Regierungszeit der PT, heute Mobilisierungskraft verloren, sind extrem verbürokratisiert und von ihrer sozialen Basis entfremdet. Die wichtigsten und entschlossensten Bewegungen, die gegen Temer gekämpft haben, waren außerhalb der offiziellen Strukturen. Das war der Fall bei den Bewegungen und Besetzungen an Mittelschulen und Universitäten. Zum jetzigen Zeitpunkt sind über eintausend Schulen und Universitäten im ganzen Land besetzt.

Die Tiefe der Krise hat in manchen Regionen des Landes eine an Griechenland erinnernde Krise geschaffen. In Rio de Janeiro will die Regionalregierung eine Politik massiver Kürzungen durchsetzen, mit Lohnkürzungen bei Staatsangestellten und anderen drohenden Attacken. Die Reaktion der ArbeiterInnen war, dass sie sich in Richtung radikalerer Positionen bewegt haben. Kürzlichgab es Mobilisierungen von Teilen der Polizei und es gibt Fälle, bei denen sich die Einsatzpolizei geweigert hat, Befehle ihrer Vorgesetzten durchzuführen und Arbeiterdemonstrationen zu unterdrücken.

In Chile haben wir die wichtige landesweite Mobilisierung gegen den Rentenfonds und für ein soziales und öffentliches Rentensystem gesehen. In Mexiko gibt es einen großen Zusammenszoß zwischen Teilen der ArbeiterInnen und der neoliberalen Regierung von Pena Nieto. Der Kampf der mexikansichen LehrerInnen hatte bereits mehr als ein dutzend Tote und eine Serie von Verschleppungen zur Folge.

Besondere Aufmerksamkeit sollte der lateinamerikanische “Feministische Herbst” bekommen. Frauen aus der Arbeiterklassse sind die ersten, die unter den Auswirkungen von Austerität und Gegenreformen leiden. Zusätzlich wird eine rechte, konservative Agenda als Teil der Gegenoffensive der Rechten in verschiedenen Ländern vorbereitet. Die Frauenbewegung hat eine spezielle Rolle in der ersten Reihe der Kämpfe in vielen Ländern angenommen.

In Brasilien war das im Kampf gegen Temer und die korrupten FührerInnen im Kongress, einschließlich des erzkonservativen Eduardo Cunha, Ex-Präsident der Abgeordnetenkammer und seiner konservativen Agenda zur Abschaffung von erkämpften Frauenrechten, klar erkennbar. Frauen gingen auf die Straße und spielten eine zentrale Rolle im Kampf gegen Cunha und bei den Schul- und Universitätsbesetzungen.

In Argentinien wurde eine massive Reaktion von Frauen gegen die Zunahme von Morden an Frauen  durch den Mord an einer 16 Jahre alten Frau ausgelöst. Das wurde in verschiedenen Ländern aufgegriffen. Die Bewegung „Nicht eine Frau weniger“ hat an Stärke gewonnen und an vielen Betrieben am 19. Oktober einen einstündigen Arbeitsstopp organisiert.

Kolumbien und das Friedensabkommen

In Kolumbien ist der Sieg des Nein-Lagers bei der Abstimmung über das Friedensabkommen zwischen der FARC und der Regierung von Juan Manual Santos Teil einer Reihe von Rückschläge in Lateinamerika. Das Ergebnis hat das politische Gewicht des ehemaligen rechten Präsidenten Alvaro Uribe gestärkt, welcher die Nein-Kampagne angeführt hat. Santos – zwar Hauptfigur des Ja-Lagers – repräsentiert dennoch keine wirkliche Alternative zu Uribe.

Stattdessen steht er für den moderaten Flügel, welcher die Interessen der herrschenden Klasse und des Imperialismus verteidigt. In ihm spiegeln sich die Interessen des großen Finanzkapitals wider, welches die politische Situation in Kolumbien stabil halten möchte, um so seine ökonomischen Interessen zu wahren. Uribe dagegen repräsentiert die streitsüchtigen Grundbesitzer und reaktionärsten Schichten der herrschenden Klasse.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung ein Friedensabkommen unterstützt, welches die jahrzehntelangen Konflikte mit tausenden Toten und Millionen Geflüchteten beendet. Die Kosten des Friedensprozesses wurden jedoch von der Bevölkerung getragen. Das hat sich in der geringen Wahlbeteiligung gezeigt. Lediglich 37 Prozent der WählerInnen stimmten im Referendum ab – eine der geringsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte Kolumbiens.

Die Santos-Regierung wird mit ihrer neoliberalen Politik weitermachen. Sie muss in Kämpfen auf der Straße und in den Betrieben zurückgeschlagen werden. Die Aufgabe der Linken in den sozialen Bewegungen Kolumbiens ist der Kampf für eine Alternative – sowohl zu Santos als auch zu Uribe.

Mexiko: Kampf und Repression

In Mexiko gibt es seit 2012 wieder eine PRI-Regierung. Die PRI war als die etablierte Partei schlechthin mehr als siebzig Jahre an der Macht und wurde nach einer kurzen Zwischenperiode wiedergewählt. In der Zwischenperiode stellte die rechte, neoliberale PAN, geführt durch Fox und Calderon, die Regierungen. Der jetzige Präsident, Pena Nieto, regiert heute in einem der instabilsten Länder in Lateinamerika.

Mexiko wurde in den ersten Jahren der internationalen Wirtschaftskrise hart getroffen, besonders schwerwiegend durch den Rückgang der US-Wirtschaft. Zurzeit verursacht der Rückgang in der chinesischen Wirtschaft das Ende des Rohstoffbooms. Mexiko ist jedoch mehr durch die ökonomischen Verbindungen zum Norden betroffen. Die desaströse ökonomische und soziale Situation spiegelt sich in den sozialen, gewerkschaftlichen und politischen Kämpfen, welche gerade stattfinden.

Der Krieg gegen die Drogenkartelle, losgetreten durch Calderon und durch seine Nachfolger fortgeführt, war in Wirklichkeit ein Krieg gegen die Armen und beförderte unzählige Menschenrechtsverletzungen. Mehr als 150.000 Menschen wurden in diesem Albtraum getötet.

Dessen ungeachtet war die Regierung unfähig, die Kartelle wirksam zu bekämpfen, welche selbst organisch mit dem mexikanischen Staat verwoben sind. Stattdessen unterdrückte sie das Aufkommen von Selbstverteidigungsmilizen der Bevölkerung, welche sich gegen die Kartelle und die korrupten Agenten des Staates organisierte. Dabei wurden viele führende Figuren der Selbstverteidigungsorganisationen als politische Gefangene verhaftet.

Das Ayotzinapa-Massaker (im Bundesstaat Guerrero) von 2014, sowie das damit zusammenhängende Verschwinden von 43 StudentInnen, welche eine Demonstration anführten, provozierte eine landesweite Gegenreaktion. Diese offenbarte schonungslos die repressive Natur des mexikanischen Staates, Hand in Hand mit der organisierten Kriminalität. Ein anderes Beispiel brutaler Repression ist das Vorgehen gegen LehrerInnen der Gewerkschaft CNTE, die einen wichtigen, monatelangen Streik gegen regressive Bildungsreformen organisierten. Der Staat muss für den Tod von mehr als elf DemonstrantInnen verantwortlich gemacht werden, nachdem diese an einem Protest der LehrerInnen im Juni 2016 in Nochixlan (Bundesstaat Oaxaca) teilnahmen. Viele weitere Menschen wurden verhaftet oder sind verschwunden.

Seit der Degeneration der PRD, einer alten Linksabspaltung der PRI, gründete ihr ehemaliger Parteichef und Präsidentschaftskandidat Lopes Obrador (damals nur durch offensichtlichen Wahlbetrug vom Machtantritt abgehalten) eine neue Partei: MORENA. Als einzige Partei mit einem linken Profil wurde sie zu einem landesweiten Bezugspunkt im Kampf gegen die neoliberalen Parteien und die Repräsentanten der Oligarchen. In den Parlamentswahlen 2015 verzeichnete sie ein bedeutendes Anwachsen. MORENA war allerdings mehr ein Wahlprojekt als eines der sozialen Kämpfe und der Arbeiterklasse. Somit spielte es in den wichtigsten Kämpfen im Land keine bedeutende Rolle.

Im Oktober diesen Jahres entschieden sich die EZLN und der nationale Kongress der indigenen Völker (CNI) für eine Basisbefragung. Diese behandelte die Kandidatur einer weiblichen, indigenen, zapatistischen Kandidatin in den Präsidentschaftswahlen 2018. Das markiert einen großen, fortschrittlichen Wendepunkt in der Politik der EZLN, welche im Allgemeinen eine abstentionistische Linie verfolgte und sich auf die Kontrolle ihrer Territorien in Chiapas konzentrierte. Aus diesem Prozess kann sich möglicherweise ein neuer politischer Orientierungspunkt für große Teile jener Menschen entwickeln, die von der mexikanischen Gesellschaft am meisten ausgeschlossen sind.

Kuba stellt Beziehungen zu USA wieder her

Es gibt keinen Zweifel, dass – neben dem Debakel des Chavismus – das Voranschreiten der kapitalistischen Restauration in Kuba einen großen, historischen Schritt rückwärts für die lateinamerikanische Linke bedeutet. Wir haben bereits festgestellt, dass sich dieser Prozess rasant vollzieht – jedoch ebenso mit vielen Widersprüchen, Einschränkungen und Zick-Zacks der Regierungspolitik unter Raul Castro.

Die Wiederherstellung der Beziehungen zu den USA ist Teil der Strategie des Imperialismus, obwohl sie in mancher Hinsicht Verbesserungen für die kubanische Bevölkerung bedeutet. Die Errungenschaften der Revolution sollen auf indirekte Art und Weise geschliffen, statt wie zuvor direkt attackiert werden.

Die ökonomischen Beziehungen wurden bisher nicht komplett wiederhergestellt, obwohl Obama zu einem Ende des Embargo tendiert, um so die kapitalistische Restauration in Kuba voranzutreiben. Gleichzeitig geraten die USA mit ihren chinesischen Rivalen aneinander, wenn es um ihren Einfluss auf der Insel sowie in anderen Gebieten Lateinamerikas geht.

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wird diesen Zusammenstoß bzgl. Kuba befördern. Trump wird sensibler als Obama mit den reaktionären Schichten der USA umgehen, die dessen Politik ablehnten. Das hat er am Ende seines Wahlkampfs verdeutlicht, als er zu seiner Anti-Castro-Wählerbasis in Miami sprach. Den Strategen des Imperialismus sind die ökonomischen und politischen Vorteile für die USA nichtsdestotrotz bewusst. Andererseits war Trump innerhalb der Republikanischen Partei der einzige Kandidat, der die Weiterführung von Obamas Politik nicht grundlegend ablehnte und den Abbruch der Beziehungen zu Kuba forderte. Er erklärte letztlich, dass er mittig zwischen Obamas Positionen einerseits und andererseits den Teilen seiner Partei steht, die Obamas Politik zurückweisen.

Vom Standpunkt des kubanischen Regimes unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich. Die vergangenen Militärmanöver und -trainings, angekündigt nach den US-Wahlen, sind unmissverständlich. Raul Castro war einer der ersten, der Trump zu seinem Sieg gratulierte. Das Regime wird weiter in den Öffnungsprozess und die Wiederherstellung der Beziehungen zu den USA investieren. In Kuba selbst wird das wahrscheinlich Ängste und offenere Kritik mit Blick auf die Folgen solch einer Entwicklung hervorrufen.

In diesem sehr widersprüchlichen Prozess wird die Wahl von Trump ein weiterer Schritt auf dem eingeschlagenen Weg sein, der in der vollständigen Restauration des Kapitalismus auf Kuba enden kann. Der einzige Weg, der dieses Szenario mit seinen furchtbaren sozialen Folgen umkehren kann, ist der Kampf der Arbeiterklasse zur Verteidigung der Errungenschaften der Revolution. Der Kampf der Arbeiterklasse gegen Neoliberalismus, Kapitalismus und Imperialismus in ganz Lateinamerika spielt dabei ebenfalls eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Zukunft von Kuba.

Wiederaufbau der lateinamerikanischen Linken

Aus der Krise des Lulaismus, Chavismus und seiner Schattierungen in Lateinamerika hat sich Raum für neue linke Alternativen zu diesen Modellen ergeben. Die Wahlergebnisse und das Wachstum der PSOL in Brasilien und der FIT (Front der Linken und der ArbeiterInnen) in Argentinien sind Beispiele dafür.

Es existieren zudem andere potenzielle Entwicklungen, die das Aufkommen neuer linker Alternativen befördern könnten. Die Möglichkeit einer indigenen, zapatistischen Kandidatin in Mexiko ist ein weiteres Beispiel.

Die Erfahrungen von Massenkämpfen könnten große politische Nachwirkungen entfalten, wie es das NO+AFP-Koordinierungskomitee in Chile bewiesen hat. Dessen Rolle war entscheidend im Wiederaufbau von Kämpfen der Bevölkerung und Gewerkschaften. Jetzt gibt es Raum für neue politische Alternativen in Chile, wie das kürzlich die Kommunalwahlergebnisse gezeigt haben.

Bei ihrem Wiederaufbau wird die sozialistische Linke in Ländern wie Bolivien, Venezuela, Ecuador oder Nicaragua bürokratische und autoritäre Methoden überwinden müssen; Methoden jener politischen Kräfte, die diese Länder regierten, und welche sie in Krisenzeiten genutzt haben, um die Entwicklung einer alternativen linken Kraft zu behindern.

Dieser Prozess des Wiederaufbaus der Linken und der sozialen Bewegungen könnte abermals befeuert werden, wenn Kämpfe und Widerstand gegen die bürgerliche, rechte Gegenoffensive entstehen.

In diesem Fall haben die Kräfte des CWI in Lateinamerika zwei zentrale Aufgaben. In erster Linie müssen wir den Widerstand gegen neue Attacken auf soziale, demokratische und Arbeiterrechte stärken, welche gerade losgetreten werden. Wir müssen stets versuchen, die beste Strategie und Taktik in diesen Kämpfen vorzuschlagen; jenen Kämpfen, die für Tausende von ArbeiterInnen, Jugendlichen, Frauen, Schwarzen, Eingeborenen und allen anderen Unterdrückten und Ausgebeuteten Kämpfe auf Leben und Tod sind.

Gleichzeitig ist es von zentraler Bedeutung, dass wir im Prozess dieser Kämpfe, am Wiederaufbau einer sozialistischen, linken Kraft arbeiten. Diese muss fähig sein, Lehren zu ziehen aus dem Verrat und den Beschränkungen der politischen Kräfte, die in vielen Länder des Kontinents regiert haben.

 

     

    Protest gegen häusliche Gewalt vor der russischen Botschaft

    Trotz Kälte und früher Uhrzeit haben wir am 28.1. vor der russischen Botschaft gegen häusliche Gewalt demonstriert um uns mit den Frauen in Russland zu zeigen. Alle 40 Minuten stirbt in Russland eine Frau an häuslicher Gewalt, das sind zwischen 12.000 – 14.000 im Jahr.

    Trotzdem beschließt die Regierung ein Gesetz, das genau diese Gewalt entkriminalisiert. Häusliche Gewalt soll nur noch strafbar sein, wenn das Opfer sichtbare Schäden erleidet oder mehr als einmal im Jahr verprügelt wird.

    Mit Reden auf Deutsch und Russisch haben wir auf unserer Kundgebung nicht nur klargemacht, dass dieses Gesetz Frauenleben bedroht, sondern auch, dass die jetzige Situation schon fruchtbare Bedingungen für Frauen erzeugt. Deshalb fordern wir genauso wie SozialistInnen in Russland z.B. massiven Ausbau von Frauenhäusern und einen gemeinsamen Kampf für bessere und gleiche Löhne, um Frauen auch aus der ökonomischen Abhängigkeit zu befreien.

    Hier ein ausführlicherer Artikel, von SozialistInnen in Russland:

    https://www.slp.at/artikel/russland-duma-entkriminalisiert-h%C3%A4uslich...

    Aber dieses Gesetz zeigt uns auch genau wie Trumps erste Handlungen als Präsident und diverse Aussagen verschiedenster PolitikerInnen in Österreich, dass wir Frauenrechte auch heute noch dringend international verteidigen und erkämpfen müssen.

    Die erste wichtige nächste Gelegenheit dazu haben wir am 8. März dem internationalen Frauenkampftag. Wenn du dabei mithelfen willst einen lauten und kämpferischen 8. März zu organisieren, komm zu unserem ersten Vorbereitungstreffen.

    https://www.facebook.com/events/1853095184948264/

     

    Imperialismus im Abgrund Aleppo

    Georg Maier

    Wie viele Menschen bisher in den Trümmern der ehemals größten Stadt Syriens den Tod gefunden haben, weiß niemand. Schätzungen reichen von 40-60.000. Alle Beteiligten haben massive Verbrechen an der Zivilbevölkerung zu verantworten. Während sich die Aufmerksamkeit westlicher Medien auf die Barbarei des „Islamischen Staates“ konzentriert, tobt rund um Aleppo ein Stellvertreterkrieg, der die Grausamkeit des syrischen Bürgerkriegs ebenso wie seine Unlösbarkeit im Rahmen der imperialistischen Ordnung verdeutlicht. Die Ausweglosigkeit liegt u.a. darin, dass keine der beteiligen Kräfte in der Lage ist, einen militärischen, geschweige denn politischen Sieg davonzutragen. Jedes Mal, wenn bisher der Sieg einer Seite möglich erschien, führte dies zu einer weiteren Eskalation (z.B. den sunnitischen Milizionären folgten schiitische, dem russischen Bombardement antworteten US-Bomber etc.). Dazu kommen die Interessen der lokalen Regimes in der Türkei, Saudi Arabien, Iran, Qatar etc. Für den Großteil der Bevölkerung vor Ort bietet keiner der Beteiligten irgendeine Option für Frieden und ein menschenwürdiges Leben. 

    Sowohl der US- als auch der russische Imperialismus haben profitable Interessen, die sie in Syrien verteidigen. Beide wissen, dass der Krieg nicht gewonnen werden kann und sehen das Land lieber komplett in Trümmern als der anderen Seite einen Vorteil zuzugestehen. Dabei sehen sich beide Seiten auch im Konflikt mit dem IS und Al-Qaida und bevorzugen die „Stabilität“ des unentschiedenen Bürgerkriegs als ein neues „Gleichgewicht des Schreckens“.  
    Die syrische Bevölkerung hat weder vom russischen noch vom amerikanischen Imperialismus etwas zu erwarten. Die einzige Chance, Frieden zu bringen und den Menschen in Aleppo und Syrien ein menschenwürdiges Leben zu schaffen, liegt bei der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Angefangen von lokalen nicht-sektiererischen Selbstverteidigungskomitees in der Region, bis hin zur Bewegung gegen Erdoğan, hin zu Protesten gegen die Kriegspolitik von Putin und Obama-Trump. Als SozialistInnen müssen wir den aufkommenden Protesten und Bewegungen in der Region eine sozialistische Perspektive geben. Der Bürgerkrieg ist international; das muss die Antwort auf ihn auch sein. 

     

    Mehr zum Thema: 
    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Internationale Notizen: Taiwan - Schweden - Britannien

    Taiwan: Historisches Gründungstreffen

    International Socialist Forward (CWI in Taiwan) hielt Mitte November ein Gründungstreffen mit 30 Teilnehmenden in Taipeh ab. Neben RednerInnen aus Taiwan waren bei dem historischen Treffen auch internationael RednerInnen, AktivistInnen aus Hongkong sowie VertreterInnen der Nanshan Gewerkschaft der Versicherungsangestellten. 

    Schweden: Antifaschistische Mobilisierung

    Am 12. November nahmen Mitglieder von Rättviseparteit Sosialisterna bei einer 6000 Menschen starken Anti-Nazi Demonstration in Stockholm teil. CWI-Mitglieder Elin Gauffin und Ntobuah Julius Mvenyi waren neben GewerkschafterInnen und anderen Linken unter den RednerInnen. Der Protest richtete sich gegen eine Demonstration von 600 Nazis - die bisher größte faschistische Demonstration in Stockholm. RS Mitglieder verkauften 150 Zeitungen. 

    Britannien: Socialism 2016
    Vom 12. Bis 13. November fand in London die Socialism 2016- Konferenz der Socialist Party (CWI in Britannien) statt. Über 1.000 Interessierte und AktivistInnen nahmen teil. Höhepunkt war der Samstag - am Podium sprachen u.a. Darletta Scruggs (Sozialistin aus den USA) darüber wie Trump gestoppt werden kann und Juan Ignacio Ramos (Generalsekretär von Izquierda Revolucionaria in Spanien) über die SchülerInnenstreiks in Spanien. Anna Palumbo, Wohnungs-Aktivistin in London sprach über den erfolgreichen Protest gegen Delogierungen. Am Sonntag debattierte u.a. SP Generalsekretär (und ehemaliger Militant Aktivist) Peter Taaffe mit Channel 4 Journalist Michael Crick über dessen Buch „Militant“- die Geschichte und Ideen der Organisation bekommen durch die Debatten um Corbyn breite Aufmerksamkeit.

     

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Proteste gegen Trump auch in Österreich

    Nikita Tarasov

    Wien

    Wien

    Wien

    Salzburg

    Gmunden

    Linz

    Graz

    Am 21. Jänner gingen in den USA fast drei Millionen Menschen gegen die Amtsübernahme von Donald Trump auf die Straße. Gleichzeitig fanden Solidaritätsproteste auf allen Kontinenten statt. Auch in Österreich beteiligten sich trotz eisiger Kälte tausende Menschen an Protesten. In Salzburg, Linz, Graz und Gmunden organisierte die SLP Aktionen (teilweise schon am Freitag den 20.1.). In den Fylern in Gmunden wurde über die Gefahren der Politik von Strache, Trump und Co informiert. Wir führten spannende Diskussionen mit PassantInnen, manche unterstützten uns auch mit einer Spende. Reges Interesse gab es auch am Material unserer us-amerikanischen Schwesterorganisation Socialist Alternative. Auch deren coole Plakate haben wir überall verwendet. Die gleichen Plakate tauchen auf den Protestfotos aus der ganzen Welt auf!

    In Wien fand die „Women´s March on Washington“-Demo statt. Die SLP beteiligte sich mit einem lauten, dynamischen Block, dem sich alle paar Minuten neue Menschen anschlossen und die Sprachchöre mitsangen. Bei „Jump, Jump, Jump to Dump Trump“ (Hüpfe um Trump los zu werden“) wurde uns rasch wieder warm. Betont wurde von uns auch wie notwendig es ist, auch Trumps Freunde hierzulande – u.a. die FPÖ – zu bekämpfen.

    Insgesamt nahmen ca. 2.500 Menschen an der Demo in Wien teil. Am Karlsplatz, bei der Auftaktkundgebung, hatten wir einen Infostand mit Material v.a. rund um das Thema „Kampf gegen Frauenunterdrückung“. Die bereits erwähnten US-Plakate wurden an die DemoteilnehmerInnen verteilt und kamen auch sehr gut an. Gleichzeitig nutzten wir die Gelegenheit und mobilisierten kommende Events. Vor allem die Kundgebung am 28. Jänner vor der Russischen Botschaft gegen die Gesetzesnovelle in Russland, die häusliche Gewalt verharmlost, fand großen Anklang. „Da werde ich auf jeden Fall hinkommen! Gerade jetzt ist es wichtig internationale Solidarität zu zeigen und sich gemeinsam gegen Unterdrückung zu wehren!“, reagierte eine junge Frau auf meine Einladung zu der Aktion. Anschließend an die Aktionen selbst organisierten wir in Wien eine Veranstaltung, bei der mit einem unserer Aktivisten aus den USA diskutiert wurde, wie der Widerstand gegen Trump und den Rechtsruck in den USA aufgebaut werden kann.

     

    Böses Erwachen mit Trump

    Nötig ist massenhafter Widerstand!
    von Philip Locker und Tom Crean, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SLP in den USA)

    Für Millionen fortschrittlicher ArbeitnehmerInnen, junger Leute, MigrantInnen, Frauen, Menschen mit dunkler Hautfarbe, Muslima und Moslems oder Angehörige der LGBTQ-Community überall in den USA war der Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen ein heftiger Schock. Unterdessen wird die Liste derer, die die Trump-Administration ins Visier nehmen wird, immer länger. Und seit den Wahlen nimmt im ganzen Land die durch Hass motivierte Kriminalität weiter zu. In vielen Gemeinden steigt die Angst und die Wut wird größer.

    Hinzu kommt, dass der rücksichtslose und undisziplinierte Charakter von Trump zu echten Spaltungen auch innerhalb der herrschenden Klasse geführt hat. Ein großer Teil von ihr ist in Sorge, dass er ihre innen- wie auch außenpolitischen Bestrebungen beschädigen wird. Diese Spaltungstendenz war gerade erst erkennbar, als Trump die Erklärung des CIA als haltlos abtat, wonach die russische Regierung hinter den Hackerangriffen auf den Parteivorstand der „Demokraten“ stehe. Das hat umgehend zu einem heftigen Rüffel von Seiten einiger bedeutender Vertreter der „Republikaner“ geführt.

    Viele warten ab, wie sich die Ereignisse entwickeln werden und geben die Hoffnung nicht auf, dass Trump doch noch zur Vernunft kommt und seine Positionen abmildert. Dabei handelt es sich bei den Plänen, drei Millionen Menschen abzuschieben, islamische MigrantInnen „extremen Sicherheitsüberprüfungen“ zu unterziehen, abweichende Meinungen zu kriminalisieren, einen obersten Richter an den „Supreme Court“ zu berufen, der das Abtreibungsrecht verschärfen will, und die Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften zu beschneiden absolut nicht um nur leere Drohungen.

    Landauf landab sind in den Wochen nach der Präsidentschaftswahl hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen. Viele dieser ersten Proteste, an denen sich in erster Linie junge Leute beteiligt haben, sind von „Socialist Alternative“ organisiert worden. Allmählich sehen wir aber, dass sich noch viel stärkere Kräfte auf sehr massive Proteste vorbereiten, zu denen es anlässlich der Amtseinführung von Trump kommen wird. Dies gilt vor allem für dem Frauen-Marsch auf Washington am 21. Januar. Wir und die „Socialist Students“ legen zudem einen Schwerpunkt auf die Vorbereitung von Studierendenprotesten, die im ganzen Land geplant sind. Sie stehen in Verbindung zu Aktionen auf der ganzen Welt, die am 20. Januar, dem eigentlich Tag des Amtseids, stattfinden werden. Es ist durchaus möglich, dass wir die größten koordinierten Aktionen von Studierenden seit dem Vietnamkrieg erleben werden (vgl.: Why We’re Walking Out Against Trump).

    Kein Mandat

    Die Wahrheit ist, dass Trumps rassistische und frauenfeindliche Agenda gar nicht die Mehrheit der Wählerstimmen bekommen hat. Obwohl er im „Kollegium der Wahlmänner“, das nicht demokratisch zusammengesetzt ist, die Mehrheit bekommen hat, erhielt Trump lediglich 46 Prozent der Wählerstimmen und damit 2,9 Millionen weniger als Hillary Clinton.

    Die enorme politische und gesellschaftliche Polarisierung in den USA bleibt bestehen. Weite Teile der Gesellschaft sind in den letzten Jahren nach links gerückt. Seinen Ausdruck fand dies in der „Occupy“-Bewegung, dem Kampf für einen Mindestlohn von 15 Dollar (Verdopplung der bisherigen gesetzl. Untergrenze!; Erg. d. Übers.), der neuen Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“, der massenhaften Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe und – erst vor kurzem – für den Kampf der indigenen Bevölkerungsgruppen gegen die Öl-Pipeline in Dakota.

    Dieser Trend spiegelte sich zweifelsfrei am tragischsten wider, als Millionen von Menschen den Wahlkampf von Bernie Sanders unterstützt haben. Auch hier sind vor allem junge Menschen aktiv geworden. Sie wurden von Sanders motiviert, der zur „politischen Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre“ aufgerufen hatte. Am Ende war der althergebrachte Wahlkampf von Clinton nicht in der Lage, die Menschen anzusprechen, die der herrschenden Elite ablehnend gegenüberstehen. Auch hat sie es trotz der Angst vor Trump nicht vermocht, die progressiven AmerikanerInnen in ausreichender Anzahl zu begeistern oder nur zu mobilisieren. Wie die Wahlbeteiligung von rund 54 Prozent gezeigt hat, haben viele Millionen AmerikanerInnen einfach keinen Unterschied zwischen den beiden unbeliebtesten Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte des Landes erkennen können.

    Dies hat zu einer Situation geführt, in der die politische Rechte in Washington nun das „Weiße Haus“ und beide Kammern des Kongresses beherrscht. Ferner stehen aktuell in 23 Bundesstaaten alle drei Ebenen der Regierung unter der Kontrolle der „Republikaner“. Das verschafft der Rechten eine enorme institutionelle Macht. There is also the real danger of an energized hard right sinking roots. Ferner besteht die reale Gefahr, dass eine übereifrige und kompromisslose Rechte ihre Wurzeln hinter sich lässt. Die Opposition gegen Trump hat allerdings großes Potential – vor allen Dingen dann, wenn die gesellschaftliche Macht der Arbeiterklasse ins Spiel kommt. Das Programm von Trump kann zurückgewiesen werden. Um dies zu erreichen, muss es aber zu den schlagkräftigsten sozialen Kämpfen kommen, die es seit der Bürgerrechts- und der Antikriegsbewegung in den 1960er und -70er Jahren gegeben hat.

    Trumps Ernennungen

    Trotz des Geredes von Trump, der den „heilsamen Abstand“ vom Wahlkampf beschwört, deuten sein politisches Programm, dass mehr und mehr an Kontur gewinnt, wie auch die von ihm ernannten Personen für das Regierungskabinett und als Berater im „Weißen Haus“ darauf hin, dass es zur reaktionärsten Administration zumindest seit Ronald Reagan kommen wird. Zu seinen engsten Beratern wird Steve Bannon von „Breitbart News“, einem rechtspopulistischen Internetportal, gehören. Diese Webseite hat rechtsextremen „weißen Nationalisten“ eine Plattform geboten. Trumps wichtigster Sicherheitsberater soll General Michael Kelly werden, bei dem es sich um einen Verrückten handelt, der glaubt, dass es sich beim Islam um eine „Krebsgeschwür“ handelt.

    Zur Bildungsministerin hat er eine erklärte Gegnerin der öffentlichen Bildung ernannt. Das Amt des Arbeitsministers soll ein Vorstandsvorsitzender aus der fast-food-Branche bekleiden, der gegen die Anhebung des Mindestlohns ist. Neuer Innenminister soll ein Todfeind von Emissionskontrollen bei Kohlekraftwerken werden.

    Trump selbst hatte bislang behauptet, er wolle „den Sumpf trockenlegen“, womit er das Washington der Polit-Insider und Konzern-Lobbyisten meinte. Dann hat er jedoch ein Vorstandsmitglied von als künftigen Finanzminister vorgeschlagen. Neben diesen zwielichtigen Gestalten werden weitere Milliardäre in seinem künftigen Kabinett Platz nehmen. Die Tageszeitung „The Daily Mail“ berichtet, dass sein Kabinett mehr Privatvermögen hat als das untere Drittel der US-amerikanischen Haushalte zusammen (12/16/16)! War es nicht Trump, der im Wahlkampf noch gesagt hat, er würde den „vergessenen Frauen und Männer“ der Arbeiterklasse wieder eine Stimme geben?

    Wir müssen uns im Klaren darüber sein, auf welchen verschiedenen Ebenen eine Trump-Administration für Minderheiten und arbeitende Menschen eine Gefahr darstellen wird.

    Umsetzen will er seine Ankündigung, drei Millionen MigrantInnen abzuschieben. Sollte er damit durchkommen, so wird Trump in wenigen Monaten das zunichte machen, wofür die Regierung unter Obama acht Jahre gebraucht hat. Unter Obama, der zwei Amtszeiten als Präsident regiert hat, sind 2,7 Millionen Menschen abgeschoben worden. Unter besonderer Beobachtung werden künftig die MigrantInnen mit islamischer Konfession stehen. Mit dem „Argument“, den Kampf gegen den IS zu führen, wird gegen alle Personen aus bestimmten islamischen Ländern das Mittel des „extreme vetting“ (dt.: „ausgiebiges Sonderprüfverfahren“) angewendet.

    Trump wird einen politisch rechts stehenden Richter an den Obersten Gerichtshof berufen, der sich für die Verschärfung des Abtreibungsrechts einsetzen wird. Möglicherweise wird er in den nächsten vier Jahren sogar in der Lage sein, noch einen weiteren Richterposten neu zu besetzen. Dies geschieht nach jahrelang fortgesetzten Attacken auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau, die von Regierungen der Bundesstaaten ausgegangen sind, die sich im Süden der USA befinden und in denen die „Republikaner“ die Mehrheit inne haben. Nun sollen diese Versuche, die Frauenrechte einzuschränken, auf das ganze Land ausgeweitet werden.

    Auch die Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte werden unter Beschuss geraten. Dies gilt vor allem für den Bereich des öffentlichen Dienstes. Der siegreiche Feldzug von Scott Walker, dem Gouverneur von Wisconsin, wird von Trump und seinem Team als Paradebeispiel betrachtet. Walker hat die Gewerkschaften, die die KollegInnen im öffentlichen Dienst organisieren, in die Bedeutungslosigkeit getrieben. Zuvor wird sich die Trump-Administration aber sicher die Gewerkschaften vornehmen, die die Bundesbeschäftigten, ihre Rechte und die für sie geltenden Unterstützungszahlungen verteidigen. Die Beschäftigten des Bundes werden zweifelsohne als „leichte Beute“ betrachtet, die aus der Bevölkerung nicht viel Zuspruch erwarten können. Sollte die neue Regierung damit erfolgreich sein, so wird ihnen das erlauben, den Feldzug gegen die Gewerkschaften auch in anderen Bereichen zu intensivieren.

    Unter dem Deckmantel, im Energiesektor und anderen Branchen Arbeitsplätze schaffen zu wollen, wird Trump die Umweltschutzbestimmungen herunterfahren. Die großen Ölkonzerne können sich schon jetzt auf „tolle Geschenke“ freuen. Trotz aller Wahlkampfrhetorik ist die Kohleindustrie aufgrund von marktwirtschaftlichen Faktoren in Wirklichkeit weiter eingebrochen. Vor allem die extrem niedrigen Preise für Öl und Erdgas sind in diesem Zusammenhang zu nennen, die keineswegs Folge einer „zu starken Regulierung“ sind. Trump wird versuchen, den Erfolg, den die Umweltbewegung gegen die Ölpipeline in Dakota erreichen konnte, wieder rückgängig zu machen.

    Er wird die Rücknahme des gesundheitspolitischen Modells namens „Obamacare“ vorantreiben, was dazu führen wird, dass Millionen von Menschen abermals ohne Gesundheitsversicherung dastehen. Dies gilt vor allem dann, wenn die „Republikaner“ damit Erfolg haben, die Ausweitung von „Medicaid“ (einem Bestandteil der Gesundheitspolitik; Erg. d. Übers.) zurückzudrehen. Es ist auch möglich, dass sie versuchen werden, „Medicare“ (ein weiterer Bestandteil der Gesundheitspolitik; Erg. d. Übers.) komplett zu privatisieren. Gegen all diese Attacken müssen wir Widerstand leisten und dabei gleichzeitig für ein staatlich finanziertes Gesundheitssystem kämpfen, das allen eine angemessene Gesundheitsversorgung bieten kann.

    Trump weiß, dass er auf massiven Widerstand stoßen wird. Und er wird versuchen, jede abweichende Meinung zu kriminalisieren. Das ist es, was hinter seinem bedrohlich wirkenden Gerede steckt, eine „law and order“-Offensive starten zu wollen. Vor allem wird er die neue Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ (BLM) ins Visier nehmen. Rudy Giuliani, der frühere Bürgermeister von New York und einflussreicher Trump-Verbündete, hat BLM bereits als „von Natur aus rassistisch“ und „unamerikanisch“ bezeichnet.

    Neben seiner reaktionären Agenda wird Trump aber auch für populistische Maßnahmen eintreten: z.B. für Investitionen in die Infrastruktur und bezahlte Elternzeit. Er wird Verhandlungen über weitere Freihandelsabkommen stoppen und eine protektionistische Wende einleiten. Wenn es dazu kommt, wird die „Trans Pacific Partnership“ (TPP), die eine ernste Gefahr für Arbeitnehmerrechte und die Umwelt darstellt, zu den Akten gelegt. Bei einem Teil der Arbeiterklasse und der Mittelschichten haben die Versprechungen von Trump, die Produktion im Land wieder aufzurichten und Arbeitsplätze schaffen zu wollen, echte Erwartungen geweckt. Sie werden schwer enttäuscht sein – wenn auch nicht unmittelbar.

    Die Lehren der Vergangenheit

    Es steht enorm viel auf dem Spiel. Trump wird versuchen, uns schwerwiegende und demoralisierende Niederlagen beizubringen. Dazu wird er sich ein Angriffsziel nach dem anderen vornehmen. Deshalb müssen sich die Kräfte von Anfang an zusammentun, die zu all den Teilen der Gesellschaft gehören, welche von Trump in Angriff genommen werden.

    Der alte Slogan der Arbeiterbewegung „an injury to one is an injury to all“ (dt.: „Ein Angriff auf eineN ist ein Angriff auf uns alle!“) hat nie besser gepasst als heute. Außerdem kommt der Arbeiterbewegung in dieser Situation eine Schlüsselrolle zu. Trotz der vielen Niederlagen haben die Gewerkschaften immer noch 16 Millionen Mitglieder und werden in einigen Branchen wieder stärker. Dies gilt vorzugsweise für den öffentlichen Dienst und in wichtigen Städten, die im Zentrum des Widerstands gegen Trump stehen werden.
    Der institutionellen Macht der politischen Rechten muss die gesellschaftliche Macht der arbeitenden Menschen entgegengestellt werden. Diese müssen sich zusammenschließen und eine Massenbewegung aufbauen. In dieser Hinsicht sind die Massenproteste, zu denen es anlässlich der Amtseinführung des neuen Präsidenten kommen wird, ein wichtiger erster Schritt. Wenn wir uns auf den Tag des 20. Januar vorbereiten, müssen wir aber auch die Lehren aus den Schlachten ziehen, die in der Vergangenheit gegen die Rechte geschlagen wurden.

    1981 streikte die Fluglotsengewerkschaft PATCO für bessere Arbeitsbedingungen. Präsident Ronald Reagan ließ diesen Konflikt zur Kraftprobe mit der gesamten Arbeiterbewegung anwachsen. Sämtliche Mitglieder der PATCO wurden entlassen – obwohl die Gewerkschaft 1980 eine Wahlempfehlung für ihn abgegeben hat!

    In der immer noch starken Arbeiterbewegung herrschte der starke Wille, zum Gegenschlag auszuholen. Am 1. Mai 1981 gingen 250.000 Beschäftigte in Washington auf die Straße. Die PATCO-Mitglieder liefen in der ersten Reihe. Doch die Gewerkschaftsführung lehnte es auf geradezu kriminelle Art und Weise ab, den Streik auszuweiten. Am Ende wurde die PATCO zerschlagen und die Arbeiterbewegung stark in die Defensive gedrängt. Was in Erinnerung bleibt, ist die Niederlage. Aber mindestens ebenso wichtig ist die Feststellung, dass Reagan hätte geschlagen werden können. Ein Erfolg der PATCO hätte die ganze Dynamik verändert und zur Entwicklung einer Massenbewegung animiert, mit der die gesamte neoliberale Agenda von Reagan auf dem Spiel gestanden hätte.

    2006 verabschiedete das Repräsentantenhaus mit der Mehrheit der „Republikaner“ die Gesetzesvorlage namens „Sensenbrenner Bill“, die die massenhafte Abschiebung von ArbeiterInnen ohne gültige Dokumente vorsah. Plötzlich war es eine kriminelle Handlung, wenn man Menschen aus diesem Personenkreis helfen wollte. Das führte zu den größten Massendemonstrationen in der Geschichte der USA. Auch der 1. Mai wurde in die Aktionen mit einbezogen und zum „Tag ohne MigrantInnen“ erklärt. Unter den Beschäftigten lateinamerikanischer Abstammung hatte dieser 1. Mai Züge eines Generalstreiks. Die Bewegung schaffte es, das oben genannte Gesetz wieder rückgängig zu machen und darüber hinaus ausländerfeindliche Haltungen eine Zeit lang zurückzudrängen. Obwohl viele mit der Haltung übereinstimmten, Millionen von MigrantInnen

    Obwohl es viele gab, die der Forderung von Millionen MigrantInnen nach Anerkennung der vollen Bürgerrechte und „gleichen Rechten für alle Beschäftigten“ zustimmten, stand die hiesige Arbeiterklasse insgesamt abseits der Bewegung. Das ermöglichte es der Bush-Administration, die Bewegung schließlich mit wüster Repression zu überziehen. Hauptsächlich traf es all jene MigrantInnen, die kurz davor waren, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

    2011 machten sich in Wisconsin der Gouverneur Scott Walker und die von den „Republikanern“ dominierte Regierung des Bundesstaats daran, wilde Kürzungen im Bildungsbereich vorzunehmen und die Gewerkschaften im Bereich des öffentlichen Dienstes kaputt zu machen. Man entzog ihnen einfach das Recht, Tarifverhandlungen über Themen zu führen, die über die Frage der Löhne hinausgehen. Das war der schwerste offene Schlag gegen die Arbeiterbewegung seit dem Streik der PATCO. Anfang 2011 zogen Woche für Woche Zehntausende nach Madison, die Hauptstadt von Wisconsin, und das Kapitol, der Sitz der Regierung, wurde ununterbrochen besetzt.

    Um Walker zu bezwingen, wäre eine Ausweitung der Bewegung nötig gewesen. „Socialist Alternative“ trat für einen eintägigen Generalstreik im öffentlichen Dienst ein, der als erster Schritt in Richtung Eskalation gemeint war. Von Seiten der KollegInnen gab es ein enorm positives Echo auf diesen Vorschlag. Aber der Bundesvorstand des Gewerkschaftsbundes AFL-CIO blockierte genau wie 30 Jahre zuvor, im Jahr 1981. Anstatt zu eskalieren, trug man zur Deeskalation bei und führte eine Kampagne zur Abwahl von Walker und zur Wahl einer/s „Demokraten“. Diese Strategie scheiterte auf ganzer Linie und bis heute ist Walker in Amt und Würden.

    Wie schon in den Jahren 1981, 2006 und 2011 ist es auch diesmal möglich, die Rechte zurückzudrängen. Das geht aber nur, wenn mit einer tragfähigen Strategie und einer zu allem entschlossenen Führung der Bewegung.

    Die Rechte kann geschlagen werden

    Es existieren mehrere Faktoren, die dazu beitragen können, dass die Bewegung gegen Trump erfolgreich ist. Zuallererst gilt, dass die rechte Ideologie heute in der Gesellschaft einen schwereren Stand hat als es in den 1980er Jahren der Fall war. Damals hatte der Neoliberalismus eine echte Basis an gesellschaftlicher Unterstützung. Sogar Teile der Arbeiterklasse und der Mittelschichten standen dieser Ideologie positiv gegenüber. Durch den Wahlsieg von Trump fühlt sich die extreme Rechte zwar ermutigt. Ihre gesellschaftliche Basis bleibt hingegen sehr schwach.

    Hinzu kommt, dass – wie an anderer Stelle bereits ausgeführt – die herrschende Klasse insgesamt zutiefst unglücklich mit der Machtübernahme von Trump ist. Sie betrachten ihn als potentielle große Gefahr für ihre globalen und innenpolitischen Interessen. Es ist wahr, dass die „Wall Street“ von seinen Vorschlägen begeistert ist, weitere Steuersenkungen bei den Super-Reichen vorzunehmen und die Regulierung der Finanzmärkte zurückzufahren. Demgegenüber besteht jedoch die realistische Möglichkeit, dass es in der nächsten Zeit in den USA und weltweit zu einer Rezession kommen wird. Das würde die Trump-Administration in eine tiefe Krise stürzen.

    Mit oder ohne Rezession könnte es dazu kommen, dass Teile der herrschenden Klasse damit beginnen, richtigen Druck gegenüber Trump aufzubauen. Gerade für den Fall, dass er über das Ziel hinausschießt und den effektiven Widerstand der Massen provoziert, könnte dies eintreten. Dieser Druck könnte aufgebaut werden, um die allgemeineren System-Interessen zu wahren und konkret, um einer möglichen Massenbewegung von unten entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang darf nicht zu gering bewertet werden, dass eine Reihe BürgermeisterInnen von größeren Städten, die den „Demokraten“ angehören, versprochen haben, sich Versuchen in den Weg stellen zu wollen, „Schutzstätten“ MigrantInnen verbieten zu wollen. Diese Zusage wurde gemacht, obwohl Trump damit droht, in diesem Fall die Bundesmittel entsprechend zu kürzen. Andrew Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaates New York, bei dem es sich um einen standfesten Verbündeten der „Wall Street“ handelt, hat sogar erklärt, dass er, der Urenkel von Einwanderern, zuerst abgeschoben werden sollte.

    Stellt sich nur die Frage, wo Cuomo war, als die Obama-Administration die Zahl der Abschiebungen auf Rekordniveau ausgeweitet hat? Auf die konzernfreundlichen „Demokraten“, deren arbeitnehmerfeindliche Politik so viele in die Arme der Rechten getrieben hat, dürfen wir uns nicht verlassen. Stattdessen muss eine Massenbewegung gegen Trump her, die sich auf die gesellschaftliche Macht der arbeitenden Menschen gründet. Diese ist mobilisierbar, um im Sinne der Interessen der eigenen gesellschaftlichen Klasse zu kämpfen.

    Mit der Einheit der Arbeiterklasse gegen die politische Rechte

    Die liberalen Medien haben in letzter Zeit viel über die „weiße Arbeiterklasse“ geschrieben. Entweder wurde diese als reaktionäre Masse diffamiert, die in Reih´ und Glied hinter Trump steht. Oder man hat so getan, als würde man ihre Sorgen „verstehen“. Beide Lesarten haben wir immer wieder zurückgewiesen. Wir sind nicht der Ansicht, dass die Unterstützung für Trump einfach nur auf rassistische und sexistische Motive zurückzuführen ist. Es stimmt allerdings, dass dies bei einem Teil seiner AnhängerInnen ein realer Faktor war. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Trump trotz seiner rechtsgerichteten und nationalistischen Aufrufe an der Wut anknüpfen konnte, die aufgrund der Folgen des Neoliberalismus und der Globalisierung besteht. Dies gilt vor allem, wenn man den massiven Abbau von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe in die Überlegungen mit einbezieht. Einen gewissen Anteil daran hatten Freihandelsabkommen wie etwa NAFTA. Angaben des „Economic Policy Institute“ zufolge sind von 2000 bis 2014 nicht weniger als fünf Millionen Arbeitsplätze im Bereich des produzierenden Gewerbes in den USA verloren gegangen.

    Wir verschließen aber auch nicht die Augen vor der Tatsache, dass der offene Rassismus, den Trump an den Tag legt, seine Fremdenfeindlichkeit und seine Frauenfeindlichkeit bei einem Teil seiner Anhängerschaft auf offene Zustimmung gestoßen sind. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass eine Anhäufung von Fehlern, die die Linke und die Führung der Arbeiterbewegung gemacht haben, der Gefahr rechter Ansätze den Weg bereitet hat. Diese Situation kann durch eine entschlossene Massenbewegung umgekehrt werden, die unmittelbar die gemeinsamen Interessen aller Teile der Arbeiterklasse aufgreift und sich dem Rassismus und dem Sexismus offen entgegenstellt.

    Die Wahrheit ist, dass das Establishment der „Democratic Party“ nicht mehr in der Lage ist, auch nur so zu tun, als würde es den Interessen der arbeitenden Menschen gerecht werden – egal, ob sie helle oder dunkle Hautfarbe haben oder als Latinos bezeichnet werden. Bemerkenswert bei diesen Präsidentschaftswahlen war, dass es nicht nur zu einer (wenn auch nur in begrenztem Maße festzustellenden, allerdings umso öfter übertrieben dargestellten) Hinwendung hellhäutiger ArbeitnehmerInnen zu den „Republikanern“ gekommen ist, sondern dass unter den jungen und dunkelhäutigen ArbeiterInnen nur geringe Zustimmung für die „Demokraten“ zu verzeichnen war. Überraschender Weise haben sogar 30 Prozent der WählerInnen, die zu den Latinos gehören, für Trump gestimmt.

    Während einige nun darauf aus sind, die AnhängerInnen von Trump als reaktionäre Masse abzutun, so ist doch klar, dass – wenn wir es mit dem Aufbau einer Bewegung, die die Rechte zurückweisen soll, ernst meinen – dies erforderlich macht, ein Programm zu vertreten, das den Bedürfnissen aller arbeitenden Menschen entspricht. Und indem wir für ein solches Programm kämpfen, können wir auch Teile der Basis für uns gewinnen, die bislang noch zum Trump-Lager zu zählen ist. Ist das wirklich möglich? Die Werte, die Bernie Sanders in den Umfragen gegenüber Trump verzeichnen konnte (und sie lagen wesentlich höher als bei Hillary Clinton) wie auch das enorme Echo, das er für sein arbeitnehmerfreundliches Programm bekommen hat, zeigen, dass es geht.

    Einen anderen Teil der Anhängerschaft von Trump werden wir nicht erreichen können. es ist aber dennoch möglich, die organisierten rechtsextremen Kräfte zu isolieren und in die Schranken zu weisen. Dazu zählt auch die „alt-right“ (loser Zusammenschluss von Rechtsextremisten in den USA; Erg. d. Übers.), die zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar entschlossen auftritt aber weiterhin klein und alles in allem ohne größeren Einfluss ist.

    Große Herausforderungen stehen bevor

    Die große Entschlossenheit Widerstand leisten zu wollen, hat sich bereits gezeigt, als hunderttausende junger Leute, Frauen, „people of color“ und Angehörige der LGBTQ-Community auf die Straße gegangen sind. Dies deutet auf das Potential hin, das im Sinne des Aufbaus der größten Massenbewegung in der Geschichte der USA tatsächlich vorhanden ist und das der Rechten einen entscheidenden Schlag versetzen kann.

    um damit erfolgreich sein zu können, müssen wir jedoch ohne wenn und aber begreifen, welche Aufgaben nun anstehen. In dieser Situation müssen wir ganz klar vor Augen haben, wer Freund, wer Feind ist. Wir brauchen eine klare Strategie, die sich auf die gesellschaftliche Macht der arbeitenden Menschen stützt. Einige mögen verzweifeln, was auf die konservativ eingestellte Führung der bestehenden Gewerkschaften zurückzuführen ist. Es gibt aber auch echte Anzeichen, die uns bestätigen. So war der Streik beim Telekommunikationsunternehmen „Verizon“, zu dem es 2016 kam, der größte Ausstand seit fast 20 Jahren.

    Unter dem Strich betrachtet, steht die Machtübernahme von Trump für die tiefe und zunehmende Krise des kapitalistischen Systems, dessen Institutionen bei weiten Teilen der Bevölkerung in der vergangenen historischen Periode in Verruf geraten sind. Durch den Präsidentschaftswahlkampf hat ihr Ansehen nur noch mehr gelitten. Obwohl er vielen, die zur Elite gehören, überhaupt nicht in den Kram passt, verkörpert Trump selbst nahezu perfekt den durch und durch korrupten wie auch räuberischen Charakter der bestehenden Gesellschaftsordnung.

    Die herrschende Klasse ist in sich gespalten. Sie ist sich nicht sicher, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Der wirtschaftliche Kollaps von 2008 und 2009 hat dazu geführt, dass Millionen von Arbeitsplätzen verloren gegangen und ähnlich viele Einfamilienhäuser zwangsgeräumt worden sind, während die Reichen im selben Zeitraum noch reicher wurden. Abgesehen von der drohenden Klimakatastrophe und der offenkundig zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit, unter der die ethnischen Minderheiten zu leiden haben, hat dies dazu geführt, dass dieses System von immer mehr Menschen in Frage gestellt wird.

    Die Präsidentschaft von Trump wird die Tendenz zur Radikalisierung bei Teilen der Bevölkerung weiter verschärfen. Eine Umfrage nach der anderen zeigt, dass immer mehr Menschen für den Sozialismus sind. Dies gilt in erster Linie für junge Leute. „Socialist Alternative“ arbeitet daran, zur Gründung einer neuen sozialistischen Partei zu kommen, die eine marxistische Politik vertritt. Die Bewegung, die wir aufbauen, wird eine klar antikapitalistisch ausgerichtete und sozialistische Kraft als festen Bestandteil ihrer selbst benötigen, die für einen Kampf gegen Trump und das gesamte System eintritt, der auf die Interessen der Arbeiterklasse ausgerichtet ist. Dieses System hat seinen Sinn komplett verwirkt. Wenn du uns zustimmst, dann werde am besten heute noch Mitglied!

    Dies ist eine aktualisierte Neufassung dieses Artikels, der zuerst in der Monatszeitung „Socialist Alternative“ (Ausgabe 29) in Form von drei eigenständigen Artikeln veröffentlicht worden ist.

    Foto: By Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America (Donald Trump) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

    Spanien: Krise in der Sozialdemokratie

    Die PSOE und der Klassenkampf
    Von Juan Ignacio Ramos, Generalsekretär der Izquierda Revolucionaria (Artikel vom 17. Oktober 2016)

    Die Spanische Sozialistische Partei (PSOE) geht durch ihre schlimmste Krise seit vielen Jahrzehnten. Der „Putsch“ durch Felipe González, Susana Díaz und die regionalen „Barone“ der Partei (regionale FührerInnen des rechten Parteiflügel mit einem enormen Gewicht in seinen Strukturen) gegen Pedro Sanchez, vormals Generalsekretär der Partei, war Teil einer geplanten Entscheidung. Diese genoss die volle Unterstützung und offenen Rückhalt seitens des Großkapitals und der Finanzoligarchie und wird große Auswirkungen haben.

    Dass sich Pedro Sanchez und ein Teil der Parteiführung weigerten, sich im Parlament der Stimme zu enthalten, um eine Regierungsbildung durch Mariano Rajoy (Führer der konservativen Partido Popular) zu erlauben, hat einen explosiven internen Machtkampf ausgelöst. Der Hintergrund all dessen ist jedoch die Krise der spanischen Sozialdemokratie, ähnlich wie im Rest Europas, als Ergebnis ihrer Unterstützung für Kürzungen und ihrer Verbindung mit der herrschenden Klasse.

    Die Krise hatte einen ihrer Höhepunkte am 1. Oktober, als Sanchez in einem chaotischen Treffen des PSOE-Parteivorstands gezwungen war, als Generalsekretär zurückzutreten. Vorab hatten Felipe Gonzales und die Barone den Rücktritt von 17 Mitgliedern aus dem Exekutivkomitee der Partei organisiert, die ihre Position unterstützten, um den Rücktritt von Sanchez zu erzwingen. Sanchez’ offene Weigerung, zurückzutreten und sich unter die PP unterzuordnen jedoch führten zu einer heftigen Konfrontation im Bundeskomitee.

    Knapper Sieg der Putschisten

    Der Sieg der Putschisten bei diesem Treffen war mit 133 Stimmen zu 107 weit entfernt davon, sie euphorisch und voller Selbstvertrauen zurück zu lassen, und hat nur zu größerer Unsicherheit geführt. Keine der aufgeworfenen Fragen in diesem Disput sind beantwortet worden. Die interne Spaltung in der Partei hat sich vertieft. Das ist ein weiterer Schlag für das krisengeschüttelte kapitalistische spanische Regime. Dieser schwache Sieg für die Putschisten spiegelt die Veränderung wider, die im Kräfteverhältnis der Klassen stattgefunden hat. Die Mehrheit der sozialistischen WählerInnen und Basismitglieder lehnt die Stimmenthaltung, um die Bildung einer Rajoy-Regierung zu ermöglichen, ab.

    Am wichtigsten ist, dass der offen bürgerliche Teil der PSOE in eine schwierige Position gebracht wurde. Sanchez so brutal abzusetzen, hat deutlich gemacht, dass sie auf Seite der PP stehen. All die Demagogie der Barone ist deutlich geworden. Wenn sie davon sprechen, „Spanien selbst“ über die eigene Partei zu stellen, meinen sie damit, nicht über die Millionen von Erwerbslosen zu sprechen, die Tausenden von zwangsgeräumten Familien, oder die Jugendlichen, die zur Emigration gezwungen sind. Sie scheren sich nicht um die Millionen von Haushalten ohne Einkommen, oder die ArbeiterInnen, denen ihre Rechte geraubt werden, oder das öffentliche Bildungssystem, was abgebaut und privatisiert wird. Diese PolitikerInnen stehen im Dienst der Herrschenden und wollen politische Stabilität und Kürzungspolitik durchsetzen.

    Wenn der geschäftsführende Vorstand der PSOE eine Position durchsetzt, die es Rajoy erlaubt, an die Macht zu kommen und damit der Mitgliedschaft das Entscheidungsrecht vorenthält, wird sich die Krise nur weiter vertiefen. Wenn dies der Weg ist, den sie einschlagen, können wir nicht ausschließen, dass ein Teil der PSOE-Abgeordneten mit der Parteidisziplin brechen und gegen Rajoy stimmen werden. Ungeachtet dessen wird eine Regierung Rajoy, die auf dieser Basis entsteht, mit Illegitimität und Betrug gebrandmarkt sein, was kaum zu der politischen Stabilität beitragen wird, welche die Bourgeoisie braucht, um ihre Pläne durchzuziehen.

    Diese Option würde natürlich eine drittes Runde Nationalwahlen verhindern. Das würde jedoch jedoch zu einer noch schwächeren Regierung führen und früher oder später Massenproteste hervorrufen würde. Die herrschende Klasse würde auch für immer das verlieren, was ein fundamentaler Faktor für die Stabilität des spanischen Kapitalismus seit 40 Jahren ist: Eine vereinte PSOE, die in der Lage ist, die Arbeiterbewegung zu kontrollieren und zu bremsen.

    Unklare Perspektive

    Zur Zeit ist es schwierig, eine klare Perspektive aufzustellen. Um erneute Wahlen zu verhindern, braucht es mehr als nur die Enthaltung einiger Abgeordneter. Die PP hat bereits angezeigt, dass sie eine für eine garantierte Stabilität der Regierung eine Verpflichtung seitens der PSEO braucht, dass die von der EU so dringend geforderten Kürzungen das Parlament passieren können. Darum ist es nicht nur eine Frage der Stimmenthaltung, sondern der Unterstützung einer reaktionären Agenda der Rechten, die in der Praxis eine indirekte Form der Großen Koalition wäre, so wie in Deutschland und Griechenland.

    Unter diesen Bedingungen können wir auch Neuwahlen im Dezember nicht ausschließen. Natürlich fürchten die spanischen Kapitalisten und die Europäische Kommission diese Option, die viele wichtige Entscheidungen aufschieben würde. Auch wenn Timing in der Politik wichtig ist, sind das wichtigste für die Kapitalisten dennoch ihre strategischen Interessen. Deswegen rufen viele nach Neuwahlen am 18. Dezember, um zu versuchen, eine klarere rechte Mehrheit zu gewinnen, mit mehr Sitzen für de PP und einer Katastrophe für die PSOE, welche das größte Debakel ihrer Geschichte erleben würde. Diese Option würde „Brot für heute und Hunger für morgen“ bedeuten.

    Was immer passiert, der PSOE droht eine Perspektive der beschleunigten Pasokisierung – wie der komplette Zusammenbruch der Pasok, der ehemals sozialdemokratischen Massenpartei in Griechenland – und interne Spannungen, die zu einer Spaltung der Partei führen können. Dies würde Unidos Podemos (der Wahlallianz von Podemos, Izquierda Unida und anderen linken Formationen in Katalonien, Valencia und Galizien) die bestmöglichen Bedingungen schaffen, die PSOE endgültig zu überholen.

    Sozialdemokratie in der Krise, ein globales Phänomen

    Wie wir bereits ausgeführt haben, ist der eigentliche Grund, um die Krise der spanischen Sozialdemokratie, wie im Rest Europas, zu erklären, ihre Verbindung mit der herrschenden Klasse und ihre Akzeptanz der Austeritätspolitik, welche die PSOE an der Regierung mit größtem Enthusiasmus umgesetzt hat. Die Wahlniederlagen, welche die PSOE seit 2011 erlitten hat, beginnend unter der Führung von José Luis Zapateros und weiter unter Alfredo Rubalcaba, hängen direkt mit der Unterstützung der Partei für Kürzungen und Verfassungsreformen im Interesse der Banken zusammen, ihrer Unterstützung des Spanischen Nationalismus, und das Verfechten kapitalistischer „Regierungsfähigkeit“.

    Diese politische Strategie hat die PSOE klar auf die Seite der Rechten gebracht. Der Ausbruch von Podemos, die die Hälfte der Wählerbasis der PSOE gewonnen hat, ist ein weiterer klarer Indikator der fundamentalen Krisentendenzen. Es gibt einen Schwenk nach links unter der Arbeiterklasse und der Jugend, der sich in einem außergewöhnlichen Niveau sozialer Mobilisierung ausdrückte, welche zuletzt in den Massenkämpfen gegen den Franquismus in den 1970ern zu sehen war. In der Bewegung des „15. Mai“, der Bewegung der „indignados“, Generalstreiks, dem massiven „Marsch für Würde“ 2014, und den Massenbewegungen zur Verteidigung der öffentlichen Bildung und Gesundheit, den Studentenmassenbewegungen, und Protesten für das Recht auf Selbstbestimmung in Katalonien, haben Millionen von ArbeiterInnen der PSOE den Rücken gekehrt.

    Das ist der Einfluss des Klassenkampfes auf die Natur und Brutalität der derzeitigen Krise innerhalb der PSOE. Sie steht vor einem kritischen Dilemma: Den Weg der Pasok in Griechenland zu gehen, um ein unbedeutender Hilfstrupp für die Rechte zu werden, oder mit ihrer Unterordnung unter die Bourgeoisie zu brechen und als eine kämpferische linke Kraft erneuert zu werden.

    Wie die Lage zeigt, ist die Möglichkeit der letzteren Option alles andere als leicht. Die Verbindung des PSOE-Apparates – sowohl seiner bundesweite Führung als auch seiner regionalen Strukturen – mit den Interessen der Oligarchie ist sehr weit gegangen. Die großen Fehler, die nach den Wahlen am 20. Dezember 2015 gemacht wurden, haben ebenfalls dazu beigetragen. Pedro Sanchez` Versuch, mit Unterstützung der Ciudadanos (eine neue rechte, populistische Partei) Premierminister zu werden – auf der Grundlage eines Paktes für Kürzungen und Austerität – war ein elender Fehlschlag. Hat dieser Deal mit den Ciudadanos, der „PP 2.0“, irgendetwas mit einer wirklichen Regierung der Veränderung zu tun? Sanchez’ Strategie ist als totaler Betrug entlarvt worden, der zu einer neuen und intensiveren Phase der Krise in der PSOE geführt hat.

    Der Klassenkampf

    Die Unmöglichkeit, nach den Wahlen eine Regierung zu bilden, spiegelt die Tiefe der Krise des spanischen Kapitalismus wider. Jahrzehnte des Hin und Her zwischen PSOE und PP an der Macht sind zu Ende gegangen und chronische Instabilität im parlamentarischen Leben ist zur Norm geworden. Dieser stinkende Sumpf von Scharlatanen wo Karrieristen, die straflos tun und lassen konnten, was sie wollten, hat großes Schaden am parlamentarischen System angerichtet.

    Wie wir in anderen Materialien erklärt haben, war das Fehlen massenhafter und nachhaltiger Mobilisierungen gegen die Rechte, vor allem aufgrund der Politik von Podemos und den wichtigsten GewerkschaftsführerInnen (CCOO und UGT), entscheidend für den kleinen Rechtsruck bei den Wahlen. Dies hat sich bei den letzten Wahlen im Baskenland und Galizien wiederholt. Dieser „Ruck“ ist jedoch sehr fragil und spiegelt vor allem die Wahlenthaltung der ArbeiterInnen und Jugend wider, die von den Schwankungen und Zweideutigkeiten der FührerInnen von Podemos demoralisiert sind. Der Frust mit den Podemos-Regierungen in den größten Städten, die keine erneuten sozialen Proteste mobilisieren wollen, ist auch ein Faktor.

    Nach dem 26. Juni sah es so aus, als würde sich eine Regierung bilden, und es wurde als sicher erachtet, dass sich die PSOE enthalten würde, wenn es an der Zeit sei. All der Druck zielte von Beginn auf Pedro Sanchez, um ihn zum Handeln zu zwingen. In den Medien erschien ein Leitartikel nach dem anderen, um jede Chance einer „Nein“-Stimme im Parlament zu zerstören. Die Bourgeoisie war erfreut über die Haltung der UGT- und CCOO-Führer, die besorgter als jeder andere darum zu sein schienen, diese Situation politischer Instabilität zu beenden. Darüber hinaus wusste das Großkapital, dass es auf die PSOE und ihre unterwürfigen Führer zählen konnte, „für das Wohl Spaniens und der Partei“ die schmutzige Arbeit zu verrichten.

    Die Führung der PSOE

    Mehr als jeder andere symbolisiert Felipe Gonzalez die Verschmelzung der Mehrheit der PSOE- Führung mit den Interessen der Bourgeoisie. In Kollaboration mit den Medien und den PSOE-Baronen gab er das Signal für den brutalen öffentlichen Angriff auf Sanchez. Es gab keine Gnade für Sanchez, der zum „Staatsfeind Nummer Eins“ erklärt wurde, welcher der „Regierbarkeit Spaniens“ im Weg stünde. In den Worten von El País sei Sanchez „töricht und schamlos“, und solle zum Wohle aller ausgelöscht werden.

    Angesichts dieser Kampagne gegen Sanchez, der noch vor kurzem von denselben Zeitungen als “ein großer, moderater und sensibler Führer” beschrieben worden war, ist es keine Überraschung, dass seine Position viel Sympathie erhielt. Diese ist jedoch keine Frage von Gefühlen, sondern Politik. Wir müssen versuchen, Antworten auf die Fragen zu geben: Warum hat Sanchez diesen Weg eingeschlagen? Warum forderte er Gonzalez und die Barone heraus? Wie weit könnte dieser Konflikt gehen?

    Sanchez’ Widerstand hat zweifellos die bürokratische Motivation, als Parteiführer zu überleben. Sanchez hat reichlich Erfahrung in der Unterstützung neoliberaler Politik und hat immer die „Ehre“ von Gonzalez verteidigt, der es ihm mit einem Dolchstoß in den Rücken dankte. Aber diese bürokratische Motivation ist nicht die einzige.

    Diese Konfrontation stellt auch den Druck gegnerischer Klassen dar, wenn auch in einer verzerrten Art und Weise: Die der Bourgeoisie, die all ihre Ressourcen mobilisiert sowohl inner- als auch außerhalb der Partei mobilisiert hat, und die weiter Teile der Mitgliedschaft und der Wählerbasis, die wiederum die Gedanken von Millionen von ArbeiterInnen und Jugendlichen widerspiegeln. Letztere wollen von der PSOE, dass sie der PP ihre Unterstützung verweigert, sich nach links wendet und zu dem sozialistische Programm zurückfindet, dass sie vor Jahrzehnten verloren hat. The Solidaritätsversammlungen hunderter PSOE-Mitglieder vor den Parteibüros für Sanchez, und die tausenden von Solidaritätsbekundungen in den sozialen Medien, sind mehr als ein Symptom dafür.

    Es bleibt abzuwarten, wie weit diese Schlacht gehen wird, und wieweit Sanchez bereit ist, zu gehen. Sein Appell an die Mitgliedschaft, zu entscheiden, ob sich die Partei für Rajoy enthalten soll, oder seine Position eines „Nein“ zu übernehmen, hat die Sympathie vieler hervorgerufen. Wenn er allerdings die Schlacht wirklich gewinnen und die PSOE wieder zu einer wirklich linken Kraft machen will, gibt es nur einen möglichen Weg: die sozialistische soziale Basis mobilisieren: Auf der Grundlage eines linken Programms, gegen Kürzungen und Austerität, für ein Bündnis mit Unidos Podemos, und das Recht auf Selbstbestimmung für Spaniens unterdrückte Nationalitäten.

    Die Dynamik der Konfrontation ist sehr schwierig vorherzusagen. Könnte sie mit einer Spaltung enden, so wie mit Oskar Lafontaine, der die SPD verlassen hatte, um 2005 der Partei Die Linke in Deutschland beizutreten, oder Jean-Luc Melenchon, der die Parti Socialiste verließ, um 2008 die Parti de Gauche in Frankreich zu gründen? Könnte es einen Flucht von PSOE- FührerInnen zu Podemos geben, so wie bei den Pasok-Kadern, die Syriza in Griechenland beigetreten waren? Könnte es ein Corbyn-artiges Phänomen geben? Könnte Sanchez seine Position aufgeben und zu einer Übereinkunft mit seinen Gegnern kommen?

    All diese Möglichkeiten sind offen, aber vor dem Hintergrund der Entscheidung des Parteivorstands und des Verhaltens des geschäftsführenden Vorstands der PSOE, ist klar, dass der Konflikt eskalieren wird. Gleichzeitig hat Sanchez auch bereits Zeichen der Schwäche gezeigt und gegenüber dem geschäftsführenden Vorstand seine „Loyalität“ erklärt und sich geweigert, sich den Manövern der Rechten in der Parlamentsfraktion zu stellen.

    Wenn sich diese Spaltung vertieft, wird sie einen politischen Ausdruck finden, wie sie es bereits im Ansatz getan hat. Es ist kein Zufall, dass die Krise der PSOE zu einer Zeit der Krise in der Führung von Podemos stattfindet, der Konfrontation zwischen Pablo Iglesias und den Anhängern des zweiten Vorsitzenden Iñigo Errejóns. Diese Differenzen reflektieren auch den Druck verschiedener Klassen, mit Errejón auf der Rechten und Iglesias auf dem Weg nach links im Versuch, die kämpferische Sprache der Ursprünge von Podemos zurück zu gewinnen.

    Natürlich wäre die Entwicklung einer linken Strömung innerhalb der PSOE eine bedeutende Neuigkeit. Aber es ist noch viel zu früh, dies mit Sicherheit vorhersagen zu können. Wie das auch immer weitergehen wird, zeigen doch all diese Entwicklungen die Notwendigkeit von Organisation, Kampf und den Aufbau einer Massenorganisation, die mit den Ideen des revolutionären Marxismus bewaffnet ist, gegründet auf der Mobilisierung der Arbeiterklasse und Jugend, um die Gesellschaft zu verändern und der Diktatur des Kapitals ein Ende zu setzen. Dies ist die Aufgabe, die vor uns liegt, und die Aufgabe, die sich Izquierda Revolucionaria stellt.

     

    Revolution und Konterrevolution im Nahen Osten

    Resolution des Internationalen Vorstands des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI), Dezember 2016

    Der Nahe Osten bietet ein konzentriertes Bild von den Übeln der Krise des Weltkapitalismus. Sektiererische Gewalt, Kriege, Diktaturen, massenhafte Vertreibung der Bevölkerung und der Zusammenbruch ganzer Staaten sind an der Tagesordnung. Manche bürgerliche Kommentatoren nutzen das, um vor Revolutionen zu warnen. Wir nehmen den gegensätzlichen Standpunkt ein. Die Formen der Barbarei, die im Verlauf der letzten Jahre entfesselt wurden, sind ein konterrevolutionärer Gegenschlag der unvollendeten Revolutionen von 2011.

    Irak und in Syrien stehen momentan im Mittelpunkt der Krise, die den Nahen Osten erfasst hat. Die vom Imperialismus installierte Ordnung zerfällt nun auf brutale Art und Weise. Das ist eine Folge der Machtkämpfe zwischen verschiedenen reaktionären Kräften und Regimes.

    Die korrupten herrschenden Eliten und ihre imperialistischen Verbündeten sind selbst in den scheinbar stabilen Ländern der Region verhasst. Ein Beispiel dafür sind die Massenproteste, die kürzlich in Marokko ausgebrochen sind. Die aufgestaute Wut bei großen Teilen von ArbeiterInnen, Jugendlichen und in der erniedrigten Mittelschicht wird zwangsläufig auch in Zukunft wieder zum Ausbruch kommen. Der einzig mögliche Weg aus dem endlosen Elend im Kapitalismus ist, diese Schichten im Kampf für eine sozialistische Alternative zu organisieren.

    Wirtschaftliche Krise

    Im Nahen Osten und Nordafrika haben die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts seit 2011 abgenommen. Die Wirtschaftsleistung von Ländern, die sich im Krieg befinden, ist zusammengebrochen und die Infrastruktur wurde verwüstet. Gleichzeitig ist der Tourismus an einem Tiefpunkt und die fallenden Ölpreise haben eine neue Abwärtsspirale ausgelöst, die die ölexportierenden Länder in den Grundfesten erschüttert hat. Das hat die herrschenden Eliten der Golfstaaten ihres Fettpolsters beraubt, das sie bisher nutzten, um ihre Herrschaft zu retten und sich sozialen Frieden zu erkaufen. Die vereinzelten Streiks in Saudi Arabien und Kuwait in den letzten Monaten sind beispielhaft dafür, was sich zukünftig in viel größerem Maßstab entwickeln könnte. Auf beiden Seiten des Atlantiks wächst Feindschaft und Kritik gegenüber der Unterstützung der saudischen Theokratie durch den westlichen Imperialismus spürbar. Die Beziehungen zwischen der US-Administration und den saudischen Herrschern sind zunehmend angespannt.

    Trotz dieser Spannungen nehmen die Waffenverkäufe der USA an Saudi Arabien und die Golfstaaten zu. Ägypten, Irak, Israel und die Türkei haben ihre militärischen Kapazitäten aufgerüstet. Dieses zunehmende Wettrüsten ist symptomatisch für ein Klima von scharfer Konkurrenz zwischen den verschiedenen Mächten, was die Gefahr des Entstehens neuer Konfliktherde in sich birgt.

    Wachsende Spannungen

    Besonders die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran haben zugenommen. Beide Regimes feuern die sektiererischen Konflikte weiter an. Die revolutionären Aufstände von 2011 haben die eigentlich Schwäche dieser Staaten hinter den vermeintlich starken Fassaden enthüllt. Sektiererische Konflikte voranzutreiben ist ein Teil der Überlebensstrategien dieser Staaten. Jedoch werden ihre außenpolitischen Abenteuer nicht aufrecht zu erhalten sein, wenn die Öl- und Gaspreise weiterhin niedrig bleiben. Der Krieg im Jemen war ein absolutes Fiasko für die saudische Elite, hat aber vor allem Millionen JemenitInnen ins Elend gestürzt. Millionen sind vom Verhungern bedroht. Dieser Konflikt stellt auch die widerliche Doppelmoral der westlich-imperialistischen Mächte bloß, die einerseits ihren Propagandakrieg gegen die russischen Bombardements in Syrien verschärfen, während sie die Zerstörung des Jemens durch das saudische Regime vertuschen.

    Syrien

    Bezüglich Syrien sind manche internationale linke Strömungen fälschlicherweise mit einer einseitigen Herangehensweise vorgegangen. Einige reden die – überwiegend dschihadistischen – bewaffneten Rebellen, die gegen Assad kämpfen, schön. Andere verteidigen Assad kritiklos. Dank vor allem der ausländischen Unterstützer, allen voran der russischen Luftstreitkräfte seit September 2015, ist das Assad-Regime wieder im Aufschwung und hat mit einer großen Gegenoffensive begonnen, um verlorene Territorien wieder einzunehmen. Der Fall des belagerten Osten Aleppos würde das Ende einer der letzten städtischen Festungen der Opposition bedeuten. Das militärische Kräfteverhältnis könnte wieder umschlagen, sollten sich sunnitische Kräfte außerhalb Syriens dazu entscheiden, Assads Gegnern noch mehr Unterstützung zukommen zu lassen. Assad ist jedoch gegenwärtig erstarkt und wird zu diesem Zeitpunkt nicht gestürzt werden. Jeder Waffenstillstand, der der belagerten und bombardierten Bevölkerung eine Atempause verschafft, kann uns nur willkommen sein. Jede Feuerpause ist jedoch bestenfalls vorübergehend. Auch wenn die US-Administration mit einem Ausgang unzufrieden ist, bei dem Assad an der Macht bleibt, hat sie sich mittlerweile mit dieser Möglichkeit abgefunden. Obwohl zwischen dem US-amerikanischen und dem russischen Imperialismus ein Wettrennen über die Zukunft Syriens stattfindet, haben die einflussreichsten Strategen der USA eine breit angelegte Militärintervention mit dem Ziel eines Regimewechsels nie als ernsthafte Möglichkeit in Erwägung gezogen. Die Überlegungen, eine Flugverbotszone einzurichten, die die Westmächte in einen direkten Krieg mit Russland stürzen würden, sind leere Drohungen. Selbst Hillary Clinton hat das zugegeben.

    Desaster in Libyen

    In der herrschenden Klasse hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Militärintervention in Libyen ein völliges Desaster war. Das Land wurde seitdem zu einer Spielwiese für Milizen, Warlords und Stammesfehden. Mindestens drei konkurrierenden Regierungen beanspruchen die Macht und Kontrolle über die wichtigsten Institutionen für sich. Letztes Jahr haben wir die Möglichkeit gesehen, dass sich vor dem Hintergrund der prekären Sicherheitslage und der Ermüdung der Menschen in Folge der Gewalt extremistischer Milizen im Osten des Landes eine Militärherrschaft herausbilden könnte. Diese Entwicklung ist teilweise eingetreten, mit dem Stabschef der libyschen Armee, der im Juni zum Militärgouverneur im Osten ernannt wurde, und der Ersetzung vieler lokaler Gemeinderäte durch vom Militär ernannte Gouverneure.

    Massenflucht aus der Region

    Als Folge des Deals zwischen der Türkei und der EU, der Flüchtlinge daran hindern sollte, nach Europa zu kommen, wurde Libyen wieder zu einer der wichtigsten Routen für Flüchtlinge, die eine solche Reise antreten. Aber es ist Wunschdenken von Seiten der herrschenden Klasse in den USA und Europa, dass eine stabile libysche Regierung und ein zusammenhängender Staat aufgebaut werden könnten. Über fünfzehn Millionen Menschen wurden durch die letzten Kriegen im Nahen Osten vertrieben. Die große Mehrheit dieser Flüchtlinge flohen in Nachbarländer, wie dem Libanon, Jordanien, der Türkei und Tunesien, was zu weiteren Lohnsenkungen und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen beigetragen hat.

    Der Islamische Staat

    In den letzten zwei Jahre hat der Aufstieg des Islamischen Staates (IS) und der rechte islamistische Terrors eine zentrale Rolle gespielt. Von einem ausschließlich militärischen Standpunkt gesehen hat die Kampagne gegen den IS einen gewissen Erfolg gehabt. In den Strukturen des IS wird eine zunehmende Unzufriedenheit als Folge des militärischen Drucks spürbar. Dazu kommt die Entfremdung der einfachen Bevölkerung im so genannten Kalifat als Folge der grausamen Gewalt. Der IS, der vor allem aus deklassierten Elementen besteht, war in der Lage zeitweise von bestimmten religiösen und Stammesstrukturen Unterstützung zu erhalten und wurde von Teilen der sunnitischen Bevölkerung als Schutzschild gegen sektiererische Angriffe gesehen. Aber wie wir es erwartet haben, war er nicht in der Lage seine Macht in größeren Stadtzentren zu konsolidieren. Aber alle Erfahrungen zeigen, dass die sozialen Kräfte und politischen Motive hinter den dschihadistischen Gruppen nicht einfach durch die “Überzeugungskraft imperialistischer Bombardements” verschwinden. So lange keine radikale Veränderung der Lebensbedingungen, die Kapitalismus und Imperialismus hervorrufen, aufgezeigt werden, bestehen solche reaktionären Gruppen im Nahen Osten und weltweit weiter. Vergleichbare Erscheinungen können neu entstehen. Der Aufbau neuer Operationsbasen nach der geographischen Verdrängung von Dschihadisten, und neue terroristische Anschläge, auf die sich auch der IS verstärkt konzentrieren könnte, werden weiter stattfinden.

    Krieg im Irak

    Im Irak wurden die sogenannten “Volksmobilisierungs-Einheiten” -vom Iran unterstützte schiitische Milizen, die in der Vergangenheit sunnitische Zivilisten missbraucht und ermordet haben – als Rammbock im Kampf gegen den IS gebraucht, um die Schwächen der demoralisierten und korrupten irakischen Armee auszugleichen. Der Kampf darum, das hauptsächlich sunnitische Stadtzentrum Mossuls, der zweitgrößten Stadt des Landes, zurückzuerobern, schafft die Voraussetzungen für eine weitgreifende humanitäre Katastrophe. Die türkische Armee hat militärischen Druck aufgebaut, vom Norden aus in den Kampf um Mossul einzugreifen, indem sie sich als Verteidiger verfolgter Sunniten darstellen. Dahinter steht auch das Interesse, einen Außenposten gegen die Stützpunkte der PKK im irakischen Kurdistan aufzubauen. Das könnte das türkische Regime in einen Konflikt mit den schiitischen Kräften im Irak und der irakischen Armee stürzen und so das Risiko sektiererischer Auseinandersetzungen erhöhen.

    Keine Rückkehr zur Vorkriegssituation

    Gespräche über die “Souveränität” und “territoriale Integrität” Syriens und des Iraks klingen immer mehr wie leere Rhetorik. Tatsächlich werden beide Staaten zunehmend in sektierische “Mini-Staaten” zerteilt. Eine Rückkehr zur Grenzziehung vor dem Krieg ist extrem unwahrscheinlich. Dieser Prozess wird nicht nur linear in eine Richtung verlaufen. Die zentrifugalen reaktionären Kräfte, die diese Länder auseinanderreißen, können durch das Verlangen nach Einheit im Zaum gehalten werden, das immer noch unter einer Schicht von ArbeiterInnen und Armen vorherrscht. Der Prozess sektiererischer Spaltung ist in ein fortgeschrittenes Stadium getreten, aber das Potenzial für einen gemeinsamen Kampf von unten, der das Fortschreiten des sektiererischen Konfliktes eindämmt, hat sich immer wieder gezeigt.

    Letzten Mai haben tausende Protestierende, vor allem verarmte Schiiten unter dem Einfluss von Moqtada al-Sadhr, die von den USA installierte und bewachte “Grüne Zone” im Herzen Bagdads durchbrochen und das irakische Parlament gestürmt, worüber die New York Times als “Szenen, die eine Revolution andeuteten” berichtete. Dieses Beispiel unterstreicht, dass aufkommende Kämpfe und der Wiederaufbau linker Kräfte im Nahen Osten in ihren Anfängen keine “reine”, sozialistische Form annehmen werden und in manchen Fällen auch einen religiösen Anstrich annehmen könnten. Der Wiederaufbau marxistischer Kräfte setzt die Fähigkeit voraus, mit den fortschrittlichen Teilen solcher Bewegungen zusammenzuarbeiten und ein Programm zu entwickeln, mit dem Einheit zwischen allen ArbeiterInnen und Unterdrückten hergestellt werden kann. Eine solche Einheit kann nur erreicht werden, wenn die Rechte aller Minderheiten und unterdrückten Gruppen kompromisslos verteidigt werden, das Recht auf Selbstbestimmung eingeschlossen.

    Situation in Kurdistan

    In den nördlichen Regionen des Iraks scheint der Krieg kurdisch-nationalistische Ansprüche hervorgebracht zu haben. Zur gleichen Zeit, zu der sich in der Region eine tiefgreifende Finanzkrise entwickelt, hat der Klan des Präsidenten Barzani die nationale Frage als Antwort auf die wachsende Unzufriedenheit unter ArbeiterInnen aufgeworfen. Vor allem Angestellte des öffentlichen Dienstes haben eine Reihe von Protesten gegen die Lohnkürzungen organisiert, die durch die kurdische Regionalregierung im Nordirak durchgesetzt wurden. Das ökonomische Desaster, das sich für die kurdische Regierung im Nordirak entwickelt, dient als weiteres Beispiel dafür, warum wirkliche Selbstbestimmung im Kapitalismus nicht erreicht werden kann.

    Dies ist eine Warnung für die Situation in Rojava, den selbstverwalteten Enklaven im syrischen Kurdistan. Der Versuch, eine alternative Gesellschaftsform in Rojava aufzubauen, hat vor allem unter den KurdInnen, denen über Jahre grundlegende demokratische Rechte verwehrt wurden, Sympathien hervorgerufen. Frauen in Rojava haben bessere Lebensbedingungen erlangt als irgendwo sonst in der Region. Trotzdem schützt die “Deklaration von Rojava” das Recht auf Privateigentum, eine Maßnahme, die die Privilegien derer beschützt, die Land besitzen. Die Zusammenarbeit der Führung der PYD mit imperialistischen Kräften hat sich als selbstzerstörerische Strategie herausgestellt. Die kritische Herangehensweise des CWI, die sich darauf konzentriert, wirklich demokratische Strukturen von unten aufzubauen und und eine vom Imperialismus unabhängige Politik zu verfolgen, die die Unterstützung von ArbeiterInnen international sichern kann, behält ihre volle Gültigkeit. Im August leitete die türkische Armee eine erste direkte militärische Intervention in Syrien ein. Ihr übergeordnetes Interesse war es, die syrischen Kurden an der Überquerung des Euphrat nach Westen zu hindern. Erdogans Ziel, dem kurdischen Einfluss in Nordsyrien Einhalt zu gebieten, hat nun vor seinem Ziel, Assad, dessen Luftwaffe im Sommer ebenfalls kurdische Stützpunkte im Norden bombardierte, zu stürzen, den Vorrang eingenommen.

    Rolle der Türkei in der Region

    Eine weitere Verlagerung der türkischen Außenpolitik deutet sich in der Verbesserung des Klimas zwischen Putin und Erdogan an. Außerdem findet eine Annäherung zwischen der Türkei und dem Iran statt. Obwohl beide Länder im syrischen Krieg auf verschiedenen Seiten kämpfen, sind beide nicht glücklich über die Gebietsgewinne der Kurden in Syrien und den Folgen, die das für ihre eigenen kurdischen Bevölkerungsteile haben kann. Das bedeutet nicht, dass solche Verschiebungen diplomatischer Allianzen sich auf tragfähigem Boden bewegen, und auch nicht, dass die Türkei aufhören wird sunnitische Kämpfer im syrischen Krieg auszurüsten. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen regionalen Mächten zeichnen sich vor allem durch einen hohen Grad an Unbeständigkeit aus, und neue Verschiebungen und Richtungswechsel sind sehr wahrscheinlich. Eine Ursache dafür ist die Schwächung des US-Imperialismus, die ihn davon abhält, die “Polizei der Region” zu spielen, auch wenn er weiterhin die vorherrschende Macht auf dem Planeten darstellt. Diese Situation hat Spielraum für regionale Kräfte geschaffen, ihre eigenen Interessen und Agendas offener und unabhängiger zu vertreten. Das Wiedererstarken des russischen Einflusses in Syrien ist Teil dieser Entwicklung.

    Die abwartende Zurückhaltung der meisten westlichen Führungsfiguren während dem versuchten Militärputsch in der Türkei zeigen eine zunehmende Verschlechterung ihrer Beziehungen zu Erdogans Regime, die sie in der Vergangenheit für gewöhnlich hoch hielten. Doch macht, zumindest für den gegenwärtigen Zeitpunkt, das Fehlen einer praktikablen Alternative Erdogan zu einem notwendigen Übel, mit dem sich die Zentren des westlichen Imperialismus arrangieren müssen. Der misslungene Coup gegen Erdogans Herrschaft am 15. Juli hat es ihm erlaubt, in Eigenregie einen Coup durchzuführen, mit massenhaften Säuberungsaktionen auf allen Ebenen staatlicher Institutionen, und zwischenzeitlich der verbleibenden sozialen Basis der AKP neue Geltung zu verschaffen. Mehr noch als ein politischer Gegenschlag war es ein ökonomischer: eine große Anzahl von Geschäften und Unternehmen verschiedener Sektoren, die verdächtigt wurden unter dem Einfluss der Gülen-Bewegung zu stehen, wurden von der Regierung beschlagnahmt, um an Menschen im nahen Umfeld der herrschenden Partei verkauft zu werden.

    Die linksgerichtete “Demokratische Partei der Völker” (HDP) ist gestärkt aus den Wahlen im Juni letzten Jahres hervorgegangen, in denen sie sechs Millionen Stimmen gewann, darunter auch einen Teil der türkischen Wahlberechtigten, was das Potenzial verdeutlicht, eine politische Kraft aller ArbeiterInnen, der marginalisierten Kurden und aller Unterdrückten aufzubauen. Dennoch hat das nationalistische Trommelfeuer des Regimes in seinem erneuten Krieg gegen die kurdische Bevölkerung im Südosten die Unterstützung der Partei durch nicht-kurdische WählerInnen geschwächt. Diese Entwicklung wurde unglücklicherweise durch individuelle Terroranschläge verstärkt, die von einigen Teilen der kurdischen Bewegung verübt wurden. Der direkte Effekt des Coups mag Erdogans Regime genutzt haben, doch die grundlegenden Probleme, mit denen das Regime schon zuvor konfrontiert war, sind nicht verschwunden. Das Regime wird nicht in der Lage sein, seine Militärpräsenz in Syrien, dem Nordirak und dem Südosten der Türkei mit einer geschwächten Armee aufrechtzuerhalten, ohne ernstzunehmende Gegenschläge zu provozieren oder sogar einen neuen Putsch. Darüber hinaus stehen der türkischen Wirtschaft schwierige Zeiten bevor.

    In der breiteren Bevölkerung ist Angst momentan das dominierende Gefühl, was eine Folge der verstärkten staatlichen Repression und daraus resultierender Unsicherheit ist. Doch unter wichtigen Teilen der Arbeiterklasse und Jugend herrscht eine latente Wut. Dass sich diese Wut im Aufbau einer vereinten Arbeiterbewegung entlädt, die auch die Kämpfe um das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes einschließt, ist die einzige Strategie, die die Türkei davor bewahren kann, noch tiefer ins Chaos zu stürzen.

    Rolle der Arbeiterklasse entscheidend

    Viele Länder der Region verfügen noch immer über eine starke und kämpferische Arbeiterklasse, und diese Länder werden der Schlüssel dafür sein, die Zukunft der Region zu gestalten. Verschiedene Schichten der iranischen Arbeiterklasse haben sich der gewaltsamen Repression widersetzt und eine Reihe von Protesten organisiert. Im September und Oktober gab es eine Welle von Studierendenprotesten gegen die schlechten Bedingungen an Universitäten. Die junge Bevölkerung des Iran sehnt sich nach sozialer Veränderung, vor dem Hintergrund tiefer Spaltungen im Regime im Vorfeld der Wahlen 2017. Die Massen werden auch die Illusionen, die es in den sogenannten reformistischen Flügel der Mullahs gibt, durch reale Erfahrungen überprüfen können.

    Ein Beispiel für das Durchsetzungsvermögens der Arbeiterbewegung sieht man im Fall Tunesiens, das über eine reiche Tradition gewerkschaftlicher Kämpfe verfügt. Tunesien wird von bürgerlichen Kommentatoren weiter als einziger Erfolg des “Arabischen Frühlings” bezeichnet. Aber das ist nicht die Wahrnehmung in der Bevölkerung. Einem Land, das gerade eine Revolution durchgemacht hat, neoliberale Reformen aufzuzwingen ist wie einen wütenden Stier zu reiten. Im August ist die siebte Regierung in fünf Jahren ins Amt getreten. Die Sparmaßnahmen, die im Haushalt von 2017 enthalten sind, führen die Regierung und die UGTT auf einen Kollisionskurs, und das trotz der wiederholten Versuche der Gewerkschaftsbürokratie, auf ernstzunehmende Arbeitskämpfe zu verzichten.

    Ägypten

    Ägypten befindet sich am Vorabend eines ökonomischen Sturms. Der Deal über einen Kredit von 12 Milliarden US-Dollar, der im August mit dem IWF abgeschlossen wurde, ist eines der größten Darlehen in der Geschichte der Organisation. DAs wird unweigerlich zu weitgreifender Austerität führen – Kürzungen von Subventionen und einen weiteren Wertverlust des ägyptischen Pfunds eingeschlossen – während die Inflation sich schon jetzt am höchsten Punkt der letzten sieben Jahre befindet. Schon dieses Jahr fanden mehr als 500 Proteste von ArbeiterInnen statt. Wenn auch noch in beschränktem Ausmaß, durchbricht eine Schicht der Bevölkerung die “Mauer der Angst” und geht wieder für kollektive Aktionen auf die Straße. Die neuen wirtschaftlichen Maßnahmen, die das Al-Sisi-Regime vorantreibt, werden auch die Mittelschichten hart treffen, auf deren Unterstützung die Regierung normalerweise zurückgreift.

    Der Einbruch der Ölpreise hat es außerdem für die Golfstaaten erschwert, ihre finanzielle Unterstützung für Ägypten aufrechtzuerhalten. Noch dazu hat das saudische Regime einige Investitionsprojekte in Ägypten eingefroren. Die saudische Ölgesellschaft hat ihre Öllieferungen in das Land eingefroren, da beide Länder in Syrien die Gegenseiten unterstützen. Das zeigt auch, dass die Spannungslinien zwischen den regionalen Mächten nicht immer klar nach den sektiererischen Konfliktlinien verlaufen. Gleichzeitig ist im Juli eine Delegation von Saudi Arabien nach Israel gereist, über die berichtet wurde, dass es sich unter der Hand um ein gemeinsames Interesse am Kampf gegen den Iran handelte. Die von Netanjahu geführte israelische Regierung hat bisher eng mit al-Sisi in Ägypten zusammengearbeitet.

    Israel und Palästina

    Die Blockade des Gazastreifens wurde vom israelischen und ägyptischen Regime verstärkt, während die Bevölkerung weiter die tiefgreifende Zerstörung ertragen muss, die der Krieg 2014 hinterlassen hat. Die regelmäßigen Proteste von palästinensischen Jugendlichen an der Grenze zu Israel wurden von der israelischen Armee mit tödlichem Beschuss beantwortet. Der wirtschaftliche Würgegriff der israelischen Regierung bedeutet in den besetzten Gebieten weiterhin Massenarmut, begleitet von brutaler Repression und kolonialer jüdischer Besiedlung. Dutzende palästinensische Protestierende wurden seit dem Ausbruch einer Welle von Auseinandersetzungen im Oktober 2015 getötet. Da die beiden wichtigsten palästinensischen Parteien, die sich in der Krise befinden, keinen Weg nach vorne aufzeigen, und nur wenig Aussicht auf irgendwelche ernsthaften Zugeständnisse des israelischen Regimes bestehen, hat sich eine ausweglose Situation ergeben. Ein Ausdruck davon war der monatelange Ausbruch wiederkehrender individueller Angriffe in Ost-Jerusalem und anderswo. Die bittere Aussicht auf weitere Runden von Blutvergießen, darunter ein weiterer Krieg gegen Gaza, bleibt bestehen, bis dieser Teufelskreis durch den Aufbau von Massenbewegungen, die dem gegenwärtigen Regime den Kampf ansagen, durchbrochen werden kann. Nichtsdestotrotz hat sich in der beeindruckenden Mobilisierung um den Massenstreik palästinensischer LehrerInnen und den Protesten für soziale Absicherung im Westjordanland Anfang des Jahres das Potenzial für eine positive Wendung der Ereignisse abgezeichnet. Es sind auf beiden Seiten nur noch knappe Mehrheiten, die eine Zwei-Staaten-Lösung befürworten, während die meisten daran zweifeln, ob diese realisierbar wäre, während weit weniger Menschen eine Ein-Staaten-Lösung für möglich halten. Das bekräftigt zunehmend die Haltung des CWI, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, die nationale Frage im Nahen Osten zu lösen. Nur eine sozialistische Transformation kann die grundlegenden Rechte und Interessen der Palästinenser durchsetzen, genauso die israelischer Jüdinnen und Juden.

    Die Konterrevolution in der Region, die gegenwärtige Schwäche linker Kräfte und Israels beschränktes wirtschaftliches Wachstum hatten eine lebensverlängernde Wirkung für die rechte Regierung Netanjahus. Grundsätzlich bleibt sie aber eine sehr schwache Koalitionsregierung. Ihr Umgang mit dem nationalen Konflikt wird von einigen Repräsentanten der herrschenden Klasse, von Armeegeneralen bis zu Politikern, angegriffen.  Während ein weit verbreiteter nationaler Chauvinismus die gegenwärtige Periode in Israel auszeichnet, bleiben die Wut und der Widerstand von Seiten der Israelis aus der Arbeiterklasse und der Mittelschicht gegen den sogenannten “schweinischen Kapitalismus” bedeutend. Manche Schichten drücken auch ihren Protest gegen die nationalistische und religiöse Reaktion aus.

    Die Mainstream-Medien berichten kaum von den lokalen Kämpfen von ArbeiterInnen, Armen und jungen Menschen, die im Nahen Osten und Nordafrika regelmäßig ausbrechen. Die bedrohlichen Entwicklungen barbarischer Reaktion überschatten die Region. Aber die objektiven Bedingungen, die vor fünf Jahren Millionen dazu brachten, sich gegen Tyrannei und Ausbeutung zu erheben, sind wieder aktueller denn je und bereiten den Boden für massenhafte soziale Aufstände und für neue Möglichkeiten, in der kommenden Periode die Kräfte des revolutionären Marxismus weiter aufzubauen. Was wir gerade erleben, ist nur eine Phase eines langwierigen Prozesses von Revolution und Konterrevolution, dessen Zukunft noch geschrieben werden muss und auf die wir uns vorbereiten müssen, indem wir die Sektionen des CWI in dieser entscheidenden Region stärken.

     

    Aufruf: Globale Protesttage gegen Trump

    Proteste auf der ganzen Welt gegen Trumps Amtseinführung am 20. und 21. Januar
    Dieser Artikel erschien zuerst am 19. Dezember auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net

    Wir veröffentlichen hier einen gemeinsamen Aktionsaufruf der „Socialist Alternative“ aus den USA, dem „Committee for a Workers‘ International“ (Komitee für eine ArbeiterInneninternationale), der „Socialist Students“ aus den USA und Großbritannien, den „Sindicato de Estudiantes“ (SchülerInnen- & StudentInnengewerkschaft) aus Spanien und der „CEDEP“ (Kampagne zur Verteidigung des öffentlichen Bildungssystems) aus Mexico. Wir fordern alle Sektionen, Mitglieder und SympathisantInnen des CWI auf, diesen Aufruf in die Tat umzusetzen. Wir werden regelmäßige Updates zu dieser Kampagne veröffentlichen. (Redaktion socialistworld.net)

    Die Wahl Donald Trumps in das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten stellt eine beispiellose Gefahr für ArbeiterInnen, Jugendliche und die Unterdrückten da, nicht nur in den USA, sondern rund um die Welt. Trump, selbst ein skrupelloser Milliardär, verspricht rassistische und sexistische sozialpolitische Angriffe, die auf Frauen, schwarze Menschen, MigrantInnen und Muslime/Muslima zielen. Trump bereitet die Steigerung von Umweltzerstörung und von Angriffen auf Gewerkschaften und ArbeiterInnenrechte sowie wichtige soziale Dienste wie das öffentliche Bildungssystem, vor.

    Seine unberechenbare und nationalistische “Amerika zuerst” Außenpolitik wird die globale Politik weiter destabilisieren. Sie riskiert mehr blutige Katastrophen zu provozieren und ermutigt rechtsextreme Kräfte rund um die Welt. Internationale Solidarität und koordinierte, weltweite Aktionen von ArbeiterInnen und Jugendlichen werden ein entscheidendes Mittel sein, um Trumps Rassismus und Nationalismus zu bekämpfen. Wir müssen vom ersten Tag an globalen Massenwiderstand demonstrieren, beginnend mit Trumps Amtseinführung.

    Am 20. und 21. Januar schließen wir uns mit anderen zusammen, um Millionen in den USA und weltweit dazu aufzurufen, mit Massendemonstrationen und SchülerInnen- und StudentInnenstreiks auf die Straßen zu gehen und mit dem Aufbau einer starken Widerstandsbewegung zu beginnen. Die Proteste an Trumps Amtseinführungstag könnten die größten Demonstrationen gegen die Amtseinführung eines US-Präsidenten werden und die SchülerInnen- und Studierendenstreiks die größten seit dem Vietnamkrieg.

    Während der Großteil des Widerstands von ArbeiterInnen, Frauen, MigrantInnen und Jugendlichen in den USA kommen wird, ist Trumps Bedrohung global. Seine Wahl ist eine Ermutigung für rechte Demagogen international. Seine Angriffe auf Muslime/Muslima und Geflüchtete zum Beispiel aus Kriegsgebieten wie Syrien werden auf der ganzen Welt Nachahmer finden. Trumps Versprechen weiter zu deregulieren und die ArbeiterInnen anzugreifen sind Teil einer internationalen Kampagne der herrschende Klasse für weitere Kürzungen. Aber wenn es gelingt Trump in den USA eine Niederlage zu bereiten, wird das ArbeiterInnen weltweit motivieren, auch zurückzuschlagen.

    Socialist Alternative in den USA, das Committee for a Workers International weltweit, Socialist Students in den USA und Großbritannien, Sindicato de Estudiantes in Spanien und CEDEP in Mexico schließen sich zusammen, um zu weltweiten Aktionstagen zum Widerstand gegen Trump (#ResistTrump) am 21. und 22. Januar in Städten rund um den Globus aufzurufen. Weltweite Demonstrationen sind ein wichtiger Faktor im Widerstand gegen Trump in den USA, aber zeigen auch die Notwendigkeit internationaler Solidarität von ArbeiterInnen und Jugendlichen auf der ganzen Welt, um Kürzungspolitik und Angriffe der weltweiten Eliten zurückzuschlagen. Bitte versuch, dich einer Demonstration in deiner Stadt anzuschließen!

     

    Wien:

    "Women´s March on Washington - Vienna" stattfinden, 21.1. 12:00 Karlsplatz, 1040 Wien

    Hier der Link zum Facebook-Event: https://www.facebook.com/events/1187352584653327/

    Gmunden: Globaler Protesttag gegen Trump

    20.1. 15:00, Esplanade, 4810 Gmunden, Österreich

    https://www.facebook.com/events/200218657111206/

    Linz: Globaler Protesttag gegen Trump

    21.1. 15:00, Taubenmarkt 1, 4020 Linz

    https://www.facebook.com/pg/slp.cwi/events/?ref=page_internal

    Zur Tragödie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt

    Stellungnahme der Sozialistischen Alternative (Schwesterorganisation der SLP in Deutschland, https://www.sozialismus.info/)
    von Michael Koschitzki, Berlin

    Mitgefühl mit den Opfern darf nicht rassistisch instrumentalisiert werden

    Am 19. Dezember fuhr ein LKW mit voller Fahrt auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz am Zoologischen Garten in Berlin. Mindestens zwölf Menschen starben, 48 sind teils schwer verletzt. Obwohl die Hintergründe der Tat noch vollkommen unklar sind, begannen rechte Kräfte unmittelbar mobil zu machen und Politiker wie Seehofer forderten eine Änderung der Zuwanderungspolitik.

    Unser Mitgefühl und volle Anteilnahme gilt den Opfern des gestrigen Tages, ihren Angehörigen und Freunden. Sie waren unschuldige BesucherInnen und Beschäftigte des Weihnachtsmarktes sowie ein polnischer LKW Fahrer. Millionen Menschen besuchen in diesen Tagen öffentliche Plätze und Weihnachtsmärkte. Der Schock und das Gefühl, dass es jedeN hätte treffen können, geht in der Stadt um und erfasst Menschen bundesweit.

    Reaktion von rechts

    Noch bevor irgendwelche Fakten klar waren, äußerten sich bereits führende Figuren der AfD und versuchten den Schock, die Furcht und Anteilnahme für ihre Zwecke auszunutzen. Der NRW-Landesvorsitzende und EU-Abgeordnete der AfD Marcus Pretzell twitterte: „Es sind Merkels Tote!“ und impliziert damit, dass die Zuwanderung durch Geflüchtete ursächlich für den Anschlag sei. Eine Kampagne der NPD kündigt für morgen 18 Uhr eine Demonstration am Bahnhof Zoo an unter dem Titel „Grenzen dicht machen – an Merkels Händen klebt Blut“. Die sozialen Medien sind voll von antimuslimischem Rassismus. Dem gilt es, entschlossen entgegenzutreten, egal wer für das Attentat verantwortlich ist. Denn sollte sich herausstellen, dass das Bekennerschreiben des Islamischen Staates authentisch ist, bedeutet das nicht, dass „der Islam“ oder „die Muslime“ verantwortlich sind, sondern eine rechte, reaktionäre und eine Diktatur anstrebende politische Bewegung deren Opfer vor allem Muslime und Muslimas im Nahen und Mittleren Osten sind.

    Die Rechten wollen uns entlang von Herkunft, Religion und Sexualität spalten, um ihr unsoziales Programm durchzudrücken und haben gleichzeitig keine Lösungen gegen Terror anzubieten. Terrororganisationen haben es gar nicht nötig, für die Einreise auf Flüchtlingsrouten oder Asylrecht zurückzugreifen. Bei zwei Attentätern der Anschläge in Paris wird davon ausgegangen, dass sie sich als Flüchtlinge haben registrieren lassen, um Asylsuchende bewusst zu diskreditieren. Denn eine rassistische Reaktion nützt den reaktionären Gruppen des rechten politischen Islam. Krieg und rassistische Diskriminierung sind für sie gewichtige Argumente bei der Rekrutierung im In- und Ausland.

    Zurecht herrscht eine große Empörung über die ersten Reaktionen von rechts. Viele Menschen teilten auf Facebook Kommentare oder Bilder mit der Aussage: „Terroristen und Rechten dürfen und werden nicht gewinnen!“

    Kriegszustand?

    Auch Köpfe der etablierten Parteien waren schnell damit, Schlussfolgerungen zu ziehen. CSU-Chef Horst Seehofer forderte eine Änderung der Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik. Dies sei man den Opfern schuldig. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz sprach davon, dass man sich im „Kriegszustand“ befände. Gegen wen ließ er offen. In einer Zeit wo die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan trotz großer Proteste durchführen ließ und Einsätze der Bundeswehr von Vielen abgelehnt werden, sind einige führende Politiker schnell damit die Trauer und den Schock auszunutzen, um ihre Forderungen nach staatlicher Aufrüstung und schärferen Asylgesetzen auf die Agenda zu bringen.

    Es geht um eine furchtbare Tat. Eine Tat, die jeder rücksichtslose Attentäter hätte verüben können, fast überall.

    Solange nicht die Ursachen beseitigt werden, die terroristischen Kräften eine soziale Basis unter Unterdrückten und Ausgebeuteten verschaffen, besteht die große Gefahr, dass sich ähnlich Schreckliches wiederholt.

    Es herrscht eine große Wut über die Rechten, MigrantInnen haben Angst, dass es Racheakte gegen sie geben könnte. Immer wieder werden MigrantInnen, vor allem aus der arabischen Welt für etwas schuldig gemacht, dass die übergroße Mehrheit von Ihnen ablehnt.

    Es gibt richtigerweise eine starke Stimmung, den Terroristen nicht nachzugeben, nicht in Panik zu verfallen, die Rechten nicht zu stärken und eine politische Instrumentalisierung der Tat nicht zuzulassen. Das ist richtig, reicht aber nicht. Gewerkschaften und Linke müssen die staatlichen Maßnahmen genau beobachten und ggf. kritisieren. Rassistische Vorverurteilung und rechte Mobilisierungen müssen bekämpft werden. Sollten Nazis demonstrieren, sollten sie massenhaft gestoppt werden.

    Unabhängig davon, wer für den Anschlag von Berlin verantwortlich, hat sich in den letzten Jahren eine Spirale von Krieg und Terror entwickelt, die immer mehr Menschen zutiefst beängstigt. Es muss deshalb auch darum gehen, einen Ausweg aus dem weltweit herrschenden kapitalistischen System aufzuzeigen, welches für diese Spirale verantwortlich ist und keine Lösung dafür anzubieten hat.

    Wenn die Hintergründe der Tat bekannt sind, muss es eine grundlegende Aufarbeitung geben und die Diskussion über Ursachen von Krieg und Terror geführt werden. Dazu werden wir noch weitere Artikel veröffentlichen. Um der aktuellen Debatte zu begegnen, empfehlen wir noch folgende Artikel zum Thema Terrorismus und politischem Islam:

    Nach der Gewalt in Süddeutschland im Sommer 2016: https://www.sozialismus.info/2016/07/keine-sicherheit-im-kapitalismus/
    Terror in Brüssel: https://www.sozialismus.info/2016/03/terror-in-bruessel-gegen-den-terrorismus-und-den-hass-solidaritaet/
    Zu den Angstkampagnen nach Anschlägen: https://www.sozialismus.info/2015/11/wie-terror-und-die-not-der-gefluechteten-fuer-eine-rechte-agenda-missbraucht-werden/
    Terror in Frankreich: https://www.sozialismus.info/2015/11/nach-paris/
    Rechter Terror in Norwegen: https://www.sozialismus.info/2011/07/14365/
    Warum Marxismus Terrorismus ablehnt: https://www.sozialismus.info/2002/09/10132/
    Geschichte des IS https://www.sozialismus.info/2015/12/wie-krieg-und-ausbeutung-den-terror-in-die-welt-brachten/

     

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