Internationales

Ein bürokratischer Putsch wird die Mehrheit des CWI nicht vom Aufbau einer starken revolutionär-sozialistischen Internationale aufhalten!

Eine Minderheit im CWI hat bürokratisch eine bedauernswerte und schädliche Spaltung in der größten und einflussreichsten revolutionär-sozialistischen Organisation der Welt, dem Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale, erzwungen.

Wer dem CWI in seinen Veröffentlichungen und Aktivitäten folgt, wird sich der wichtigen Debatten bewusst sein, die in den letzten sieben Monaten in unserer revolutionär-sozialistischen Internationale stattgefunden haben. Diese Debatten sind aus einer vielschichtigen Weltsituation entstanden, in der sich der Kapitalismus wirtschaftlich, sozial und ökologisch als parasitär entlarvt hat und seine Institutionen weitgehend diskreditiert sind, während gleichzeitig die meisten linken und Arbeiter*innen-Organisationen und ihre Anführer*innen international der Herausforderung nicht gewachsen sind. Infolgedessen konnte die Arbeiter*innenbewegung als Ganzes die Ereignisse noch nicht entscheidend prägen.

Mutige Impulse oder Konservatismus im Denken und Handeln

Andererseits haben die Bedingungen, unter denen eine große Zahl von Arbeiter*innen, Jugendlichen, Frauen, Migrant*innen und andere Schichten der Gesellschaft zu leiden haben, viele in Aktion gebracht. Im Falle von Massenbewegungen gegen bestimmte Formen der Unterdrückung waren diese oft von theoretischer Unklarheit und unterschiedlichen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Einflüssen geprägt. Die Mehrheit des CWI und seiner Mitglieder ist davon überzeugt, dass der beste Weg, um diese Unklarheit zu überwinden, darin besteht, als dynamischster und programmatisch klarster Teil in diesen Bewegungen teilzunehmen und den Unterschied zwischen den Methoden der arbeitenden Klasse und dem unserer Gegner*innen zu ziehen.

Die ehemalige, für die tagtägliche Arbeit des CWI zuständige Führung, die einen bürokratischen Putsch in der Organisation durchgeführt hat (die Mehrheit des Internationalen Sekretariats und die Minderheitenfraktion, die es um sich herum versammelt hat), zeigte mangelndes Vertrauen bezüglich der Intervention in diese Bewegungen. Sie betonten die Befürchtung, dass unsere Mitgliedschaft von der kleinbürgerlichen Identitätspolitik und anderen "fremden Ideen" in diesen Bewegungen verwirrt sein könnte, und zogen es nach ihren eigenen Worten vor, sich "einzugraben" und auf Ereignisse innerhalb der offiziellen Arbeiter*innenbewegung zu warten.

Sie griffen unsere Sektionen in Irland und den USA, die erfolgreich große Kämpfe von Arbeiter*innen, Frauen und Jugendlichen führten, in denen sie Siege erzielten und gleichzeitig das Banner des revolutionären Sozialismus prinzipientreu und flexibel hochhielten, für "Kapitulation vor kleinbürgerlicher Identitätspolitik" an. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass eine solche Haltung nicht dazu geeignet ist, die proletarischen Prinzipien des Sozialismus zu schützen sondern unsere Mitgliedschaft unvorbereitet lassen würde und die kleinbürgerlichen Einflüsse in einigen der wichtigsten Massenmobilisierungen unserer Epoche unangefochten lassen würde. Darüber hinaus waren diese Bewegungen oft auch durch eine starke Beteiligung der Arbeiter*innenklasse gekennzeichnet und äußern sich zunehmend in Streiks, z.B. durch Arbeitskampfmaßnahmen gegen den Sexismus auf der ganzen Welt von den USA bis Südafrika.

Da Massenbewegungen weltweit neue und neuartige Formen annehmen, oft, aber nicht immer, außerhalb der formalen Strukturen der offiziellen Arbeiter*innenbewegung, wurden Marxisten, die energisch in diese Bewegungen mit einer sozialistischen und Klassenperspektive eingreifen, von der CWI-Minderheitenfraktion um die IS-Mehrheit angeprangert, sie hätten sich "von den Gewerkschaften abgewandt". Im Gegenteil aber behalten die Kräfte der CWI-Mehrheit eine strategische, aber flexible Ausrichtung auf die Gewerkschaften bei, wo wir entscheidende Siege errungen haben, die sich manchmal in Führungspositionen in Gewerkschaften in vielen Ländern niederschlagen.

Demokratische Traditionen

Debatten auf demokratische Weise zu führen, war schon immer Teil der reichen Traditionen des CWI. In der Vergangenheit hatten wir wichtige Debatten über Europa und die Einführung des Euro, den Charakter einiger rechtspopulistischer Parteien, den Klassencharakter des chinesischen Regimes und zu vielen anderen Fragen. Wir glauben, dass diese Debatten und der Austausch das politische Verständnis aller Beteiligten gestärkt haben.

Basierend auf den Traditionen der revolutionären Arbeiter*innenbewegung und ihrer Organisationen hat das CWI in seinen Statuten und denen seiner Mitgliedsparteien eine Reihe von eingebauten Garantien, die seine Mitgliedschaft vor einem möglichen undemokratischen Verhalten seiner Führung schützen. Alle Führungspositionen werden gewählt und unterliegen der Rechenschaftspflicht, aus keiner gewählten Position wird ein materieller Vorteil gezogen und alle drei Jahre wählt ein Weltkongress, der sich aus gewählten Delegationen der nationalen Sektionen zusammensetzt, ein Internationales Exekutivkomitee (IEK). Das IEK leitet das CWI zwischen diesen Kongressen und wählt ein Internationales Sekretariat (IS), das als Leitung für die tagtägliche Arbeit fungiert. Keine nationale Sektion oder Kombination von wenigen Sektionen allein können in einem Ausmaß vertreten sein, um einen Weltkongress zu dominieren. Wenn ein Drittel der IEK-Mitglieder eine IEK-Sitzung verlangt, hat das IS die Verpflichtung dazu. Eine Finanzkontrolle wird auf dem Weltkongress gewählt, um die Finanzen zu überprüfen usw.

Aber so demokratisch die Regeln auch sein mögen, in einer marxistischen Organisation glauben wir, dass die wichtigste Garantie für eine gesunde Demokratie nicht die Regeln sind, sondern die Existenz einer kritisch denkenden Mitgliedschaft von Arbeiter*innen und Jugendlichen, die bereit sind, die Führung zur Rechenschaft zu ziehen, und mit einem politischen Verständnis und einer Ausbildung, die eine umfassende und sinnvolle Teilnahme an allen wichtigen Diskussionen ermöglicht.

Das CWI ist, wie jede andere Organisation auch, nicht immun gegen die in der Gesellschaft vorhandenen Phänomene, einschließlich des Wachstums konservativer Schichten und des Bürokratismus. In den 45 Jahren unseres Bestehens mussten wir dieses Phänomen auf verschiedenen Ebenen bekämpfen, und vor allem konnten wir es ohne allzu großen Schaden korrigieren. Manchmal hat sie jedoch die Intervention einer politisch bewussten Mitgliedschaft gegen eine degenerierte zentrale Leitung erforderlich gemacht, um das Programm des CWI zu sichern. Dies war der Fall, als die große Mehrheit des CWI 1992 gegen die Führung um Ted Grant aufstand, und dasselbe musste leider in diesem Jahr mit der Leitung um Peter Taaffe geschehen. Bürokratische Verstöße gegen unsere demokratischen Statuten haben nie ausgereicht, um die Mitgliedschaft des CWI daran zu hindern, seine Sektionen und seine internationale Organisation weiter aufzubauen.

Die CWI-Mehrheit, vereint und aktiv in 35 Ländern auf der ganzen Welt, wird weiterhin für eine sozialistische Welt kämpfen. Wir werden in naher Zukunft weitere Informationen und Analysen unserer internen Debatte und Krise zur Verfügung stellen, auch durch die Veröffentlichung der wichtigsten internen Dokumente des Disputs.

Ein bürokratischer Putsch

Etwa zur Hälfte der vereinbarten Zeit der demokratischen politischen Diskussion hat eine Minderheit, die sich auf die Mehrheit des Internationalen Sekretariats des CWI und die Leitung der Sozialistischen Partei (SP) in England und Wales stützt, in einem Artikel auf socialistworld.net (eine wertvolle Ressource, die der Mehrheit der CWI-Mitglieder gestohlen wurde) am 25. Juli erklärt, auf einer Konferenz die "Entscheidung getroffen zu haben, das Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale neu zu gründen" und "im Jahr 2020 einen Weltkongress von CWI-Sektionen und -Gruppen einzuberufen, die das Programm des CWI verteidigen".

Das bedeutet in Wirklichkeit, dass sie eine neue Organisation gründen, die nur für die Minderheit offen ist, die ihre Führung unterstützt. Es handelt sich um einen Schritt, der in keiner Weise auf die bestehenden demokratischen Strukturen des CWI Bezug nimmt. In Wirklichkeit handelt es sich um einen bürokratischen Schritt ohne politische oder organisatorische Legitimität.

Dabei hat sich diese Gruppierung auch unrechtmäßig die kollektiven materiellen, finanziellen und politischen Ressourcen des CWI (einschließlich seiner internationalen Website und der meisten seiner Accounts in den sozialen Netzwerken) gegen den klaren Willen der Mehrheit seiner Sektionen und Mitglieder angeeignet. Von den 45 Ländern, in denen das CWI in nationalen Organisationen organisiert ist, hat diese Gruppierung nur in sieben eine Mehrheit.

Der bürokratische Putsch, den ihre Aktionen darstellen, bedeutet einen klaren Bruch mit ganzen nationalen Sektionen des CWI in Österreich, Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, China, Zypern, Tschechien, Griechenland, Hongkong, Israel und Palästina, Irland, Italien, Elfenbeinküste, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Quebec, Rumänien, Russland, Spanien, Sudan, Schweden, Taiwan, Türkei, Tunesien und den USA sowie einer Mehrheit der Mitglieder in Deutschland und Südafrika, die ihre Pläne ablehnen.

Darüber hinaus wurden in England und Wales über 100 Mitglieder, die eine Mehrheit der Aktivist*innen in über einem Dutzend wichtiger Städte vertreten, aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen, weil sie die Mehrheit der CWI unterstützt haben, und waren gezwungen, mit dem Wiederaufbau der dortigen Kräfte des CWI zu beginnen. Ein SP-Sonderkongress verabschiedete am 21. Juli eine Resolution, in der es hieß, dass Anhänger des CWI außerhalb der Sozialistischen Partei handeln müssten, und von der Parteiführung wurde ihnen ein "Macht’s gut und auf nimmer wiedersehen“ von der Bühne zugerufen.

Eine beschleunigte bürokratische Degeneration

Im November 2018 startete die Mehrheit des Internationalen Sekretariats (IS - ein vom Internationalen Exekutivkomitee des CWI gewähltes Leitungsorgan), das sich in einer Minderheit in dem Gremium befindet, das es gewählt hat, einen fraktionellen Amoklauf. Ausgehend von einer Kampagne verzerrter und sektiererischer Anschuldigungen gegen die Socialist Party in Irland wurde ein politisches Narrativ aufgebaut, in der der großen Mehrheit der CWI vorgeworfen wurde, mit den Grundprinzipien des Sozialismus und des Marxismus gebrochen zu haben - insbesondere mit der Orientierung auf die Arbeiter*innenklasse als die Kraft, die dazu bestimmt ist, die Transformation der Gesellschaft zu anzuführen.

Auf einer Sitzung der IEK im November 2018, bei der die IS-Mehrheit die Abstimmung verlor, gründeten sie eine Minderheitenfraktion im CWI (genannt " In defense of a working class, Trotskyist CWI"). Unmittelbar danach begann die IS-Mehrheit die demokratische und politische Legitimität des Gremiums, das sie gewählt hatte, zu ignorieren. Die IEK hatte einstimmig beschlossen, eine einjährige politische Debatte über die grundlegenden politischen Fragen, die die Minderheitsfraktion aufgeworfen hatte, einzuleiten im Rahmen derer das IEK im August 2019 erneut zusammentreten würde und im Januar 2020 ein Weltkongress - das höchste Entscheidungsgremium des CWI bestehend aus Delegierten der nationalen Sektionen - organisiert würde.

Die IS-Mehrheit versuchte sofort, diesen Beschluss zu torpedieren, indem sie das Kongressorganisationskomitee boykottierte, das zur Organisation der Debatte gewählt wurde. Sie erklärten daraufhin, dass die demokratischen Strukturen des CWI aufgrund der "grundlegenden politischen Unterschiede" illegitim seien. Dies bedeutete die offene Ablehnung jeglicher Rechenschaftspflicht gegenüber denjenigen, die sie gewählt hatten.

Die demokratischen Verfahren einer Arbeiter*innenorganisation, die in Zeiten von Debatten und Meinungsverschiedenheiten besonders wichtig sind, wurden völlig abgeschafft. Die IS-Mehrheit erklärte ausdrücklich, dass sie nicht an einer Sitzung teilnehmen könne, bei der sie mit einer Abwahl (die sie "regime change" nannten) in einer demokratischen Abstimmung konfrontiert sein könnte. Die überwältigende Mehrheit des CWI, die das Grundprinzip der Arbeiter*innendemokratie verteidigte, wurde als "Statutenfetischist*innen" abgetan.

Die IS-Mehrheit, die technisch im Besitz von Hunderttausenden von Dollar an Geld der CWI-Mitglieder ist, behinderte auch den Zugang eines gewählten Mitglieds der Finanzkontrolle des CWI zu den Finanzunterlagen der Organisation, in offensichtlicher Vorbereitung auf die Flucht mit diesem Geld, was sie nun anscheinend getan haben.

Die orwellianische Entscheidung, eine Organisation gegen den Willen ihrer einzig existierenden demokratischen Strukturen "neu zu gründen", stellt einen bürokratischen Putsch dar. Die Beschlagnahme des kollektiven Vermögens einer Organisationauf dieser Grundlage ist besonders abstoßend. Während jede Gruppe von Mitgliedern das Recht hat, sich vom CWI zu trennen und eine eigene Gruppe zu gründen, wird jede Organisation, die auf der Grundlage solcher Methoden gegründet wurde, mit einem Schandmal in der Arbeiter*innenbewegung gekennzeichnet sein.

Dieses bürokratische Verfahren stellt einen völligen Bruch mit der demokratischen Diskussions- und Diskussionskultur dar, die es bisher im CWI gab, das unzählige interne und demokratische Debatten geführt hat, mit einer Führung, die zuversichtlich ist, ihre Ideen ohne bürokratische Maßnahmen zu vertreten.

Das CWI macht weiter

Diese bürokratisch-sektiererische Abspaltung vom CWI, die es geschafft hat, viele ehrliche Klassenkämpfer*innen zu desorientieren und zu verwirren, ist ein schwerer Rückschlag für das CWI. Aber wie das Sprichwort sagt: Nicht klagen, organisieren!

Neben den kriminellen Handlungen einer unverantwortlichen degenerierten bürokratischen Führung hat diese Krise für unsere Organisation auch das Gegenteil gezeigt: dass das CWI eine gesunde und lebendige Organisation ist, in der es einer Mehrheit gelungen ist, sich gegen die bürokratische Degeneration zu behaupten und die Einheit der überwiegenden Mehrheit unserer Internationale aufrechtzuerhalten, obwohl sie sich dabei gegen einige ihrer Gründer*innen mit größter Autorität behaupten muss.

Die CWI-Mehrheit ist vereint, intakt und verfügt über beträchtliche Kampfkraft in über 30 Ländern rund um den Globus! Wir sind entschlossen, zu diskutieren und zu debattieren, um alle Lehren aus der Krise zu ziehen, die wir durchgemacht haben, um eine junge, demokratische und mächtige Weltpartei aufzubauen, die sich dem Kampf für eine sozialistische Revolution widmet. In diesem Moment greifen wir in die explosiven Ereignisse in Puerto Rico, Hongkong, Sudan und anderswo ein.

In Kürze werden wir eine internationale Website und andere Publikationen veröffentlichen.

Wir rufen alle CWI-Mitglieder, Arbeiter*innen und Jugendliche aller Länder auf, mit uns zu diskutieren und sich uns anzuschließen!

Das provisorische Komitee der CWI IEK Mehrheit:

Stephen Boyd
Eric Byl
Danny Byrne
Tom Crean
Andre Ferrari
Cedric Gerome
Sonja Grusch
Vincent Kolo
Claire Laker-Mansfield
Andros Payiatsos

https://www.facebook.com/WorldSocialistAlternative/

Solidarität mit den Arbeiter*innen in Puerto Rico

 

Eine Spirale der Krise von Korruption, Schulden, Austerität und Kolonialismus

Flugblatt der Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SLP in den USA), das am Wochenende vom 20. bis 21. Juli in San Juan, der Hautstadt Puerto Ricos, verteilt wurde.

Ein politisches Erdbeben hat Puerto Rico heimgesucht, mit mehreren Tagen massiver Proteste, die den Rücktritt des korrupten, homophoben Gouverneurs Ricardo Rossello forderten. Dies kam nach der Veröffentlichung von Hunderten von belastenden SMS-Nachrichten, in denen Rossello und andere hochrangige Beamte über die Ermordung der Bürgermeisterin von San Juan Carmen Yúlin Cruz scherzten, zusätzlich zu homophoben „Witzen“ und solchen über die Leichen, die sich nach dem Hurrikan Maria vor zwei Jahren angesammelt hatten.

Die politische Krise hat in den herrschenden Kreisen der USA Anlass zur Sorge gegeben:  "Puerto Rico befindet sich im Chaos, und einige befürchten, dass die anhaltende Instabilität eine große Bedrohung darstellt", warnte die Washington Post am Freitag (19.7.2019). Die Revolte geht weiter, wobei Zehntausende in den letzten 10 Tagen auf der gesamten Insel auf die Straße gingen.

Die Insel befindet sich inmitten einer verheerenden 13-jährigen Rezession, bei der Hunderttausende Puerto Rico Richtung Festland verlassen haben. Die Regierung meldete 2017 den Konkurs an. Laut einer aktuellen Studie der Harvard University starben 5.000 Menschen an den Folgen des Hurrikans Maria, und Hunderttausende leiden nach wie vor unter dem Mangel an lebensnotwendigen Gütern, einschließlich Unterkünfte. Zum Vergleich: der Schaden durch den Hurrikan wird auf 90 bis 120 Milliarden Dollar geschätzt. Das nicht gewählte Fiscal Oversight Board (2016 eingerichtete Finanzaufsichtsbehörde) der US-Regierung hat die unerbittlichen Kürzungen, Privatisierungen von Energie, Schulen und Telekommunikation und Sparmaßnahmen fortgesetzt, die den Lebensstandard für Millionen von Menschen in den Abgrund treiben. Die Statistiken sind schockierend: Mehr als 44% der Arbeitnehmer und Jugendlichen leben in Armut.

Die so genannten Wiederaufbauhilfen sind ein kompletter Misserfolg. Trump behauptet, dass die US-Regierung "92 Milliarden Dollar" auf die Insel geschickt hat. In Wirklichkeit genehmigte Washington 42 Milliarden Dollar, und davon wurden nur 14 Milliarden Dollar überwiesen, wobei das meiste davon in den Taschen der korrupten Elite landete.

Vor dem jüngsten Skandal mit Rossellos Äußerungen war die Regierung von einem weiteren Korruptionsskandal betroffen, bei dem sechs hochrangige Beamte verhaftet wurden, die zwischen 2017 und 2019 15,5 Millionen Dollar an Bundesmitteln an politisch genehme Auftragnehmer vergeben haben. Dies war der Auslöser für den Aufstand auf den Straßen für Arbeiter und Jugendliche gegen Rossello und sein korruptes Regime.

Das puertoricanische Volk sollte das Recht haben, sein politisches und wirtschaftliches Schicksal zu kontrollieren, einschließlich des Rechts, sich zwischen echter Unabhängigkeit von und voller Bundesstaatlichkeit innerhalb der USA zu entscheiden, ohne die Manipulation und Einmischung durch Washington und die Wall Street. Mehr als 100 Jahre tief ausbeuterischer kolonialer Handelspolitik, Währungs- und Schuldenmanipulation und komplexer Steuervorschriften, die der US-Industrie zugutekommen sollten, und wohlhabende Investoren hatten Puerto Rico der Wall Street ausgeliefert und dem rassistischen, migrant*innen- und arbeiter*innenfeindlichen Regime von Donald Trump gleichgestellt.

Der Status von Puerto Rico als US-amerikanisches Territorium und Commonwealth macht seine rechtlichen Rahmenbedingungen einzigartig. Der Krisen- und Konkursfall wird vom US-Großkapital als Beispiel für andere Bundesstaaten und Städte verfolgt, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind und sich auf die Umsetzung der gleichen brutalen Sparpolitik vorbereiten wie in Puerto Rico und international.

Arbeiter erheben sich, um gegen die Wall Street zu kämpfen, und die reaktionären Ideen von Präsident Trump in den USA. Die sozialistischen Ideen werden bei Millionen von jungen Menschen beliebt, die nach einer Alternative zum Kapitalismus suchen. Millionen von Menschen in den USA haben familiäre Beziehungen und Wurzeln in Puerto Rico. Wir müssen uns gemeinsam organisieren, und wir brauchen eine Strategie, um zurückzuschlagen, um die Sparpolitik zu besiegen und eine sozialistische Alternative zu finden. Wir brauchen eine Strategie, die auf der Erkenntnis basiert, dass die Klasse der Milliardär*innen unsere Rechte, unseren Lebensstandard und den Planeten im Streben nach Profit mit Füßen treten wird. Nur die Stärke der arbeitenden Menschen in den USA, Puerto Rico und international, organisiert und vereint kann die Welt verändern und die Katastrophe des Kapitalismus besiegen:

 

  • Solidarität mit den Menschen in Puerto Rico!
  • Organisiert Massenproteste zur solidarischen Unterstützung der Bevölkerung von Puerto Rico in den Großstädten der USA! Für einen gemeinsamen Kampf.
  • Rossello und das korrupte Regime müssen verschwinden! Für Arbeits- und Nachbarschaftskomitees, um den Kampf voranzutreiben!
  • Für einen Generalstreik auf er ganzen Insel, um das Regime zu stürzen!
  • Für eine unabhängige Arbeiter*innenkommission zur Untersuchung von Korruption! Für Arbeiter*innenkandidaten bei den Kommunalwahlen.
  • Keine Privatisierungen! Keine Kürzungen! Für eine umfassende Soforthilfe zur Bewältigung der anhaltenden Krise in Puerto Rico.
  • Für einen Schuldenschnitt! Für ein Ende des Financial Oversight Board und die Finanzdiktatur der Wall Street!
  • Öffentliche Arbeitsplätze und Investitionen in die Infrastruktur! Für die Überführung der Banken und der Großunternehmen in öffentliches Eigentum!

 

 

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Mit Babyschritten zur Diktatur?

Demokratische Errungenschaften zu verteidigen bedeutet heute, für sozialistische Demokratie zu kämpfen.
Sonja Grusch

Dass die bürgerliche Demokratie sich in der tiefsten Krise seit langem befindet, pfeifen schon die Spatzen von den sprichwörtlichen Dächern. Die Wahlbeteiligungen sinken - auch bei der EU-Wahl gab es nur einen kleinen Ausreißer vom langjährigen Trend. Regierungsbildungen dauern oft lange, die Regierungen schaffen immer seltener die volle Amtszeit. Neue Parteien und Kandidat*innen tauchen auf und verschwinden auch oft rasch wieder – eine Reihe davon sind zumindest zu Beginn Satireprojekte wie „Die Partei“ in Deutschland oder der neue ukrainische Präsident. Vertrauen in Parteien und Regierungen erreichen neue Tiefpunkte. Dafür überschlagen sich die Berichte über Korruption und Freunderlwirtschaft.

In der politischen Landschaft stehen sich zwei Trends gegenüber: Rechte und Rechtsextreme, die wie Orban für eine „illiberale Demokratie“ eintreten und vermeintlich fortschrittlich Liberale, die die EU und die bürgerliche Demokratie verteidigen. Tatsächlich sind die Unterschiede jedoch oft weniger groß als gedacht -wenn man z.B. bedenkt, dass in Frankreich die Sozialdemokratie für einen jahrelangen Ausnahmezustand verantwortlich ist, welcher vom liberalen Macron nun zum rechtlichen Normalzustand umgewandelt wurde.

Der Hintergrund der Krise der bürgerlichen Demokratie ist die wirtschaftliche Krise des Systems. Staaten, Regierungen und staatliche Institutionen müssen zunehmend direkt und brutal benützt werden, um die für das Kapital nötigen Maßnahmen zu setzen. Dazu werden staatliche Repression, Polizei, Angriffe auf Versammlungsrechte und Streikrecht eingesetzt. Vor einigen Jahren geschah das noch unter dem Vorwand des „Krieges gegen den Terror“. Heute werden Maßnahmen wie der Kompetenzausbau der Geheimdienste ganz ungeniert und ohne entsprechende Erklärung umgesetzt. Kurz setzte nicht deshalb auf einen zunehmend autoritären Stil, weil er die Reinkarnation von Dollfuß ist, sondern weil die österreichische Wirtschaft die Angriffe auf die Rechte der Arbeiter*innen braucht, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Entsprechend wütend zeigten sich auch die Wirtschaftsbosse über den Zusammenbruch der blau-schwarzen Regierung. Der Aufstieg „Business Men“ wie Trump passt da gut ins Bild. Wer braucht schon die korrupten Politiker*innen, die ohnehin keine Ahnung vom echten Leben haben, wenn es doch erfolgreiche Unternehmer*innen gibt, die wissen, wie man einen Betrieb, und damit wohl auch einen Staat, zum Wohle des Profits lenkt. So lautet das immer häufigere Erzählmuster, das ganz bewusst an der berechtigten Ablehnung der etablierten Politik ansetzt – und in den Abbau demokratischer Grundrechte führt.

Die Antwort auf diese rechte Gefahr ist aber nicht die Unterstützung der existierenden Institutionen wie z.B. der EU, oder gar das Beschönigen der Abgehobenheit und Korruption der politischen Elite. Die Antwort ist vielmehr eine wirkliche Alternative zu diesem politischen und wirtschaftlichen System.

Demokratische Grundrechte sind von der Arbeiter*innenbewegung in harten und oft blutigen Kämpfen erreicht worden. Nicht das Bürgertum, das sich beim Aufkommen von ernsthaften Widerständen 1848 rasch wieder zurückzog, hat Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Wahlrecht erkämpft. Es waren die revolutionären Proteste und Klassenkämpfe der Arbeiter*innenklasse, die diese bürgerlichen Freiheiten durchsetzten. Für uns als Sozialist*innen ist klar: All diese Rechte sind wichtig und müssen verteidigt werden. Und sind doch gleichzeitig viel zu wenig.

Gerade in Osteuropa gab und gibt es in den letzten Jahren eine Reihe von Massenprotesten gegen Korruption. Die „Demokratie“ hat nicht gehalten, was „der Westen“ versprochen hat. In ganz Europa gehen unzählige Jugendliche für ein „freies Internet“ auf die Straße. In Hongkong und dem Sudan geht es um soziale, aber v.a. auch um demokratische Rechte. Der Kampf um Mitbestimmung, um das Recht sich zu organisieren, die eigene Meinung vertreten und dafür kämpfen zu können – das hat Sprengkraft. Wissend, dass bürgerliche Demokratie beschränkt ist, gilt es dennoch ihre Errungenschaften zu verteidigen, um die Rahmenbedingungen des Kampfes der Arbeiter*innen und Unterdrückten so gut wie möglich zu gestalten.

Doch in diesem Kampf für demokratische Rechte wird auch rasch klar, wo die Grenzen liegen. Die G20 ließen sich auch von riesigen Fridays for Future Protesten nicht daran hindern, die Förderungen für die Kohleindustrie zu verdoppeln. Deswegen müssen diese Unternehmen nicht nur von der öffentlichen Hand übernommen werden, sondern v.a. muss die Produktion demokratisch kontrolliert und entsprechend verändert werden.

Echte Demokratie bedeutet, dass wir selbst entscheiden können. Über unsere Körper, unser Leben, unsere Umwelt, unsere Arbeitsbedingungen. Nicht allein und egoistisch, sondern gemeinsam und demokratisch. Wenn die Menschen, die in dieser Gesellschaft die Arbeit machen - die Krankenpfleger*innen und Kassierer*innen, die Techniker*innen und Frisör*innen, die Kindergärtner*innen und Schweisser*innen - gemeinsam und demokratisch entscheiden, was und wie produziert wird, dann ist das keine „liberale“ Demokratie, sondern eine sozialistische Demokratie. Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Hongkong: Wehrt euch gegen das schleichende "Kriegsrecht"!

Neues Flugblatt von "Socialist Action": "Welcher Weg führt nach Hongkong für den Massenkampf?"
Am Sonntag, den 21. Juli, wurde von der "Civil Human Rights Front" eine weitere große Demonstration als Teil des anhaltenden massenhaften Kampfes gegen die Regierung von Carrie Lam ausgerufen. "Socialist Action" (Schwesterorganisation der SLP in Hongkong)

 

Nein zu Demonstrationsverboten! Wehrt euch gegen das schleichende "Kriegsrecht"! Verschärft den Massenkampf und verbreitet ihn nach China! Besiegt die Diktatur der KPCh ("Kommunistische" Partei Chinas) und der Reichen!

Carrie Lams Regierung ist "toter" als ihr Auslieferungsgesetz. Aber die KPCh wird nicht zulassen, dass die Regierung fällt, weil sie befürchtet, dass dies als eine Niederlage für ihren Kaiser Xi Jinping angesehen wird und sich der Massenkampf nach China ausweiten kann. Die Wahl eines neuen "Chief Executive" (Regierungschef von Honkong) würde die Schleusen für massenhafte Forderungen der Bevölkerung nach echter Demokratie in Hongkong gegen das vom autoritären, von Milliardär*innen bestimmte System öffnen.

So haben sich die Grundlagen für unseren Massenkampf geändert. Es ist nicht nur ein Kampf mit dem "Gespenst" von Carrie Lam. Es handelt sich nun hauptsächlich um einen direkten Kampf gegen die KPCh-Diktatur - Vizepremier Han Zheng soll in Shenzhen sitzen und das tägliche Handeln der Hongkonger Exekutive leiten, die heute das wichtigste Instrument der KPCh-Politik in Hongkong ist.

Die Polizei und das Pekingtreue Establishment arbeiten daran, "Aufstände" als Vorwand für eine Razzia zu provozieren. Die irrwitzige und gefährliche Polizeigewalt im New Town Plaza (130 Hektar großer Shopping-Mall-Komplex -Anm. des Übersetzers) in Sha Tin (am Sonntag den 14. Juli mussten bei bei einem Einsatz 20 Menschen ins Krankenhaus gebracht werden und zwei sind in kritischem Zustand) zeigte die neue "Strategie" der Polizei, die darin besteht, die Jugendlichen in Kämpfe zu locken und zu provozieren. Diese Polizeistrategie ist so leichtsinnig, dass sie zu Toden führen könnte!

Sie wollen dies als Vorwand benutzen, um Protestmärsche zu verbieten. Die Regierung testet die Voraussetzungen für ein mögliches de-facto-Kriegsrecht in einigen Bezirken. Wenn dies gelingt werden sie versuchen, es auf ganz Hongkong auszudehnen. Unsere Bewegung muss sich weigern, Verbote anzunehmen - wenn die Polizei die Erlaubnis verweigert, marschieren wir trotzdem! Wir verteidigen unsere Versammlungsfreiheit als ein unantastbares Recht!

Um gegen diese Strategie der KPCh und der Hongkonger Polizei zu gewinnen, muss die Massenbewegung eskaliert werden. Diese IEskalation besteht aus drei Teilen, die alle für den Erfolg entscheidend sind.

  1. Wir müssen die Revolution auf China ausdehnen. Für den vereinten Massenkampf des Volkes von Hongkong und China gegen die Parteidiktatur. China und Hongkong sind beide mit autoritärer Herrschaft, Polizeirazzien, langjährigen und immer schwerwiegenderen Ungleichheiten, dem Mangel an erschwinglichen Wohnungen, den tödlichen Jobs junger Menschen und der Diktatur der Wirtschaftstycoons konfrontiert.
  2. Wir müssen den Kampf über die unmittelbaren "5 Forderungen "[1] hinausführen, um das Ende des autoritären kapitalistischen Systems in Hongkong zu fordern, für ein echtes allgemeines Wahlrecht für alle über 16 Jahre, für die Ersetzung des korrupten Legco (Legislative Council, Scheinparlament von Honkong - Anm. des Übersetzers) durch eine vollständig demokratische Volksversammlung und Ausweitung der demokratischen Kontrolle über die Wirtschaft, um schädlichen Zugriff der Tycoons auf den Immobiliensektor, die Banken und Großunternehmen zu zerschlagen, der die Ursache von Armut, übermäßigen Arbeitszeiten und der Wohnungskrise ist.
  3. Wir müssen ernsthaft einen eintägigen Generalstreik organisieren, um die Regierung zu Fall zu bringen - das bedeutet, dass wir jetzt mit dem Aufbau von Streikausschüssen und Gewerkschaftsorganisationen an allen Arbeitsplätzen und Schulen beginnen müssen.

Unsere Bewegung hat bereits die Diktatur Xis erschüttert und der KPCh ihre schwerste Krise seit dreißig Jahren beschert. Aber das bedeutet natürlich, dass sie sich ernsthaft darauf vorbereiten zurückzuschlagen. Der Massenkampf erfordert eine Massenorganisation - durch demokratische Basisausschüsse in allen Bereichen - um alle Ebenen zu vereinen, die Fragmentierung zu verhindern und demokratisch zu entscheiden, was als nächstes zu tun ist.

Die Ausbreitung des Massenkampfes auf China wird eine Frage um Leben und Tod sein - wenn wir allein in Hongkong eine Massenbewegung bleiben, dann kann das Regime wie 2014 abwarten und die Bewegung besiegen. Ein so weitreichender grenzüberschreitender Kampf, der viele Sektoren umfasst, kann nicht ohne eine echte Organisation und demokratische Strukturen geführt werden. Lose Netzwerke und "spontane" Aktionen reichen nicht aus! Deshalb steht "Socialist Action" für die Gründung einer neuen Arbeiter*innenpartei und für kämpferische Gewerkschaften. Das sind die Mittel für einen organisierten Kampf, der die Diktatur und die Kapitalist*innenklasse besiegen kann, deren Wirtschaftskraft sie schützt.

Wenn es Hongkong gelingt, einen echten eintägigen politischen Streik zu organisieren, wird dies direkt einen beispiellosen Druck auf die Regierung Hongkongs und die KPCh ausüben. Gleichzeitig wird sie massive Aufmerksamkeit erhalten und die Bedeutung unseres Kampfes in den Augen der Massen in China und weltweit erhöhen, wodurch das Vertrauen und der Kampfwille des Hongkonger*innen und des chinesischen Volkes gestärkt wird.

Forderungen von "Socialist Action"

  1. Nicht nur die fünf großen Forderungen - wir wollen unmittelbar volle Demokratie in Hongkong und in China!
  2. Organisiert einen eintägigen Generalstreik in Hongkong als nächste große Aktion der Massenbewegung; bildet Streikkomitees und baut starke kämpferische Gewerkschaften auf, um Unternehmer*innen daran zu hindern, streikende Arbeiter*innen zu verfolgen und zu entlassen.
  3. Besiegt die KPCh-Diktatur und die Diktatur der Reichen. Werft die kapitalistischen Tycoons raus!
  4. Baut eine neue Arbeiter*innenpartei auf, die den Kampf für eine echte Demokratie mit dem gegen die miserablen Lebensbedingungen der Arbeiter*innen verbindet. Wir sind gegen das derzeitige System, das von Kapitalist*innen kontrolliert wird, die sich darauf verlassen, dass die gewalttätige autoritäre Regierung ihre Milliarden schützt. Deshalb setzen wir uns für Sozialismus und die volle demokratische Kontrolle über die Regierung und die Wirtschaft ein!

 


[1] Die 5 Forderungen der Anti-Auslieferungsgesetz-Bewegung sind die formelle Rücknahme des Gesetzes, der Rücktritt von Carrie Lam als Chief Executive, die Rücknahme der Anklagen wegen "Aufstands" gegen verhaftete Demonstranten, die Freilassung aller verhafteten Demonstranten, eine unabhängige öffentliche Untersuchung der polizeilichen Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten.

EU-Rechtsruck erhöht Instabilität

Franz Neuhold, Sebastian Kugler

Salvini, Le Pen, Orban: Rechtspopulistische Kräfte haben bei den EU-Wahlen teilweise stark gewonnen. Das gleiche gilt für die massiv nach rechts gerückten konservativen Parteien.  Tatsächliche Einheit der Rechten wird es trotzdem nicht geben. Jetzt schon drängt Orbans Orientierung auf Salvini die FPÖ in die zweite Reihe. Eine stabile „Internationale der Nationalist*innen“ ist aber vor allem deswegen unmöglich, weil die „Stärkung des Nationalstaats“ diesen in erster Linie in eine bessere Position in der kapitalistischen Konkurrenz mit anderen Nationalstaaten bringen soll – Konflikte sind vorprogrammiert.

Die Verlagerung zu (Ultra-)Nationalismus, Kulturkampf und Abschottung wird vor dem Hintergrund der sich verschärfenden sozialen Krise zwar immer aggressiver ausfallen, jedoch Ratlosigkeit ausdrücken. Ohne die Unterschiede zwischen den diversen Flügeln der Herrschenden zu ignorieren, meinen wir, dass weder neoliberale noch reformistische New-Deal-Ansätze noch rechtsextremer Abschottung dem unausweichlichen Krisen-Einbruch etwas Wirkungsvolles entgegensetzen können. Unmittelbar bedeuten die Zuwächse von Rechtsextremen eine Fortsetzung der Angriffe auf soziale und demokratische Errungenschaften. Dabei können sich die Ultra-Rechten auch Werkzeuge bedienen, welche die EU im Interesse der Besitzenden geschaffen hat, inkl. Militarisierung.

Es wäre ein großer Fehler, hinsichtlich Verteidigung von Demokratie und Meinungsfreiheit auf die 'gemäßigten' bürgerlichen Eliten zu hoffen. Ihr neoliberales Kürzungsdiktat hat die Rechten erst so stark gemacht. Die grundlegenden Aufgaben sind nun umso mehr: Massenmobilisierungen bis hin zu Streiks gegen Angriffe, v.a. in der kommenden Krise, und Kampf um ein klar anti-kapitalistisches Programm als Schritt zur Wiederverankerung eines sozialistischen Bewusstseins. Noch stärker als zuvor muss dabei eine klare Ablehnung der EU als undemokratische, neoliberale und militaristische Institution formuliert werden. Nur ein sozialistisches Europa kann aus dem zynischen Teufelskreis aus Bürokratie und Nationalismus ausbrechen. Eine echte Alternative muss in den kommenden Jahren von unten, den Straßen und v.a. Betrieben Europas aus entstehen, sich international vernetzen und die extreme Rechte als Teil des Gesamtproblems matt setzen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen: Schweden * Nordirland * Hongkong

Nachrichten aus der Arbeit der internationalen Schwesterorganisationen der SLP
im Committee for a Workers' International (CWI)

Mieter*innengewerkschaft in Schweden

In Angered/Schweden fand 4/5. Mai eine Widerstandskonferenz der Mieter*innengewerkschaft statt. Unter Beteiligung von Mitgliedern von Rättvisepartiet Socialisterna (RS, CWI in Schweden) trafen sich 80 gewählte Vertreter*innen der 13.000 Mitglieder umfassenden Organisation. Es wurde die Grundlage für lokale Kämpfe gegen Privatisierungen, hohe Mieten sowie für die Verteidigung des Streikrechts und die Rechte von Beschäftigten gelegt. Es wurde besprochen, wie mehr Einfluss über die eigene Wohnung und Nachbarschaft durch lokale Organisierung und mutige Initiativen zu erreichen ist. RS-Mitglieder brachten Vorschläge ein, wie am besten die soziale Bewegung aufgebaut werden kann und betonten, dass es notwendig ist, auch politische Bildung in der Bewegung zu betreiben.

Mehr Infos auf der Website der Rättvisepartiet Socialisterna (CWI in Schweden): http://www.socialisterna.org

 

Nordirland: Wahlsieg

Bei Wahlen in Enniskillen/Nordirland wurde Donal O'Cofaigh von der Socialist Party (SP, CWI in Nordirland) zum Gemeinderat gewählt. Das war Ergebnis jahrelanger Arbeit der SP-Mitglieder vor Ort. O'Cofaigh selbst hat eine beeindruckende Bilanz als Kämpfer für öffentliche Versorgung und die Rechte von Menschen aus der Arbeiter*innenklasse. Als Gewerkschaftsaktivist war er maßgeblich an erfolgreichen Kampagnen gegen Hungerlöhne und zur Verteidigung von Gesundheits,- und Bildungseinrichtungen beteiligt. Nach der Wahl sagte O'Cofaigh: "Das ist kein persönlicher Sieg, sondern ein politischer, es ist ein Sieg für sozialistische Politik. Er spiegelt wachsende Opposition gegen das (religiöse, Anm.) Sektiertum, Kürzungen und den sozialen Kahlschlag der etablierten Parteien wider."

Mehr Infos auf der Website der Socialist Party (CWI in Northern Irland): http://www.socialistpartyni.org

 

Hongkong: Protest

Am 28. April demonstrierten 130.000 gegen neue Abschiebegesetze in Hongkong, die ermöglichen sollen, Personen vom Flughafen direkt nach China abzuschieben, wo ein Großteil der Urteile durch Folter und Zwang zustandekommt. Socialist Action (CWI Hongkong) bekam auf der Demo großen Zuspruch für die Forderung nach Besetzungen und Streiks, bis dieses undemokratische Gesetz zurückgenommen wird.

Mehr Infos auf der Website von Socialist Action (CWI in Hong Kong, China und Taiwan): https://chinaworker.info

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Ukraine: Präsident zum Lachen?

Fernseh-Präsident als Symbol der zerrütteten etablierten Politik
Philipp Chmel

Mit 73% wurde der Komiker und Schauspieler Selenski im April zum ukrainischen Präsidenten gewählt. Das Ergebnis bedeutet aber keine Wahl für Selenski und Demokratie, sondern gegen Poroschenko, den Oligarchen und ehemaligen Präsidenten, und gegen die etablierte ukrainische Politik. Die Maidan-Proteste 2014 zeigten den großen Willen für Veränderung – die Regierung wurde damals gestürzt. Die großen Hoffnungen wurden aber enttäuscht, denn es fehlte eine organisierte linke Kraft, und das politische Vakuum nutzten stattdessen die Rechten. Es folgten weitere soziale Verschlechterungen, der Krieg im Donbass und noch mehr ruchlose Korruption.

Selenski, obwohl durchaus bewusst als Anti-Establishment-Kandidat aufgebaut, ist aktiver Teil der herrschenden Klasse und profitiert(e) enorm von seinen Verbindungen zu dem Oligarchen Kolomoiskyi und dessen Medienmacht. Er wird den aktuellen neoliberalen Kurs beibehalten und strebt einen EU- und NATO-Beitritt an. Wie ein linker Journalist bemerkte: „Wenn du nicht froh über Poroschenko’s Niederlage bist hast du kein Herz; wenn du Selenski’s Versprechen glaubst hast du kein Hirn.“

Der Wunsch nach echter Veränderung zeigt sich in verwirrter Form in dieser Wahl. Nun gilt es, eine politische Kraft aufzubauen, die nicht den „EU gegen Russland Konflikt, sondern den Widerspruch „Arbeit gegen Kapital ins Zentrum rückt und die Arbeiter*innenklasse um ein sozialistisches Programm herum organisiert.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Keine Überraschungen bei den griechischen Parlamentswahlen

SYRIZA ist verantwortlich für die Rückkehr von ND
Leicht editierter redaktioneller Kommentar von Xekinima (griechische Schwesterorganisation der SLP) , veröffentlicht am 08.07.2019

Die Ergebnisse der Wahlen vom 7. Juli in Griechenland überraschten nicht, sie bestätigten die Trends, die bereits bei den Europawahlen im Mai zu beobachten waren: Die traditionelle griechische Rechtspartei Neue Demokratie (ND) war der Sieger, SYRIZAs Unterstützung fiel, als die Wähler sie für ihre Sparpolitik bestraften, die Linke blieb schwach, nachdem sie die Arbeiter nicht von ihren Positionen überzeugt hatte, und die neonazistische Golden Dawn (GD) verlor ihre Parlamentssitze, die nicht in der Lage waren, die Schwelle von 3% zu erreichen, die für die Wahl ins Parlament gefordert wurde. Es gab eine historisch hohe Enthaltsamkeitsrate von rund 45% (ähnlich wie bei allen Wahlen ab September 2015) - d.h. fast jede zweite Person hat sich nicht die Mühe gemacht zu wählen.

Wir treten nun in eine neue Phase des Zweiparteiensystems ein (Polarisierung zwischen zwei Hauptparteien, die sich in der Regierung gegenseitig ersetzen), die sich jedoch von derjenigen unterscheidet, die in der Vergangenheit zwischenND und der sozialdemokratischen PASOK bestand, in dem Sinne, dass sie weder die Tiefe noch die Stabilität des alten Zweiparteiensystems hat.
 

SYRIZA verantwortlich für die Rückkehr der Neuen Demokratie zur Regierung
 

Die ND gewann die Wahlen mit 39,8% und 2,2 Millionen Stimmen. Die Zunahme ihrer Stimmen mag groß erscheinen im Vergleich zu dem, was sie im September 2015 und den letzten Europawahlen erhalten hat, als sie etwa 1,5 Millionen Stimmen erhielt. Dieses Ergebnis ist jedoch vor dem Hintergrund der von SYRIZA neu geschaffenen Landschaft der "Normalität" zu beurteilen.
Die drei "Memoranden", die die Troika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) Griechenland 2010 auferlegt hatte, führten zum Zusammenbruch des "alten" Zweiparteiensystems in Griechenland, da die Wähler den verhassten politischen Kräften (ND und PASOK), die das Land ruiniert hatten, den Rücken kehrten und es in eine tiefe Wirtschaftskrise und extreme Strenge brachten. SYRIZA wuchs in diesem Zeitraum von 4% auf über 36%, um in die Regierung gewählt zu werden, weil es sich gegen diese Politik wendet. Aber seit dem Sommer 2015, als SYRIZA vor den Forderungen der Troika kapitulierte und die gleiche Sparpolitik umsetzte, die sie zuvor abgelehnt hatte, kehrte die Bi-Partei-Landschaft zurück, wobei ND auf der einen Seite und SYRIZA auf der anderen Seite die Rolle der PASOK übernahm.

Bei dieser Wahl erhielt die ND jedoch bei weitem nicht die Anzahl der Stimmen, die sie vor der Krise erhalten hatte. Obwohl es ihr gelungen ist, das Niveau der vorgezogenen Wahlen von 2009 (2,2 Millionen Stimmen) zu erreichen, als die Krise vor der Haustür Griechenlands lag und die ND-Regierung vor dem Ende ihrer Amtszeit fiel, ist dies weit entfernt von der Zahl der 2007 erzielten 3 Millionen Stimmen.
 

Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen, dass die ND in der Gesellschaft keine Begeisterung entwickelt hat und auch keine nennenswerte Anzahl von Stimmen von denen erhielt, die in den Jahren 2012 und 2015 SYRIZA gewählt haben. Die Zunahme der Wahlunterstützung ist im Wesentlichen auf den Zusammenbruch der Stimmen der kleineren nationalistischen Rechts- und Mitte-Rechts-Parteien wie der "Unabhängigen Griechen" (ANEL), "To Potami" (The River) und der "Union of the Center" zurückzuführen, die beide im Jahr 2015 500.000 Stimmen erhielten. Und natürlich nahm die ND an den 200.000 Stimmen teil, die durch "Golden Dawn" verloren gingen.

 

SYRIZA - die neue PASOK
 

SYRIZA verlor die Wahl, weil es die Arbeitnehmer nicht davon überzeugt hat, dass sich ihre Politik grundlegend von der Politik der ND unterscheidet und daher keine soziale Dynamik entwickeln konnte. Da jedoch ein großer Teil der griechischen Gesellschaft - und insbesondere die Arbeiterklasse und die Armen - immer noch Angst vor der harten neoliberalen Agenda von ND-Chef Kyriakos Mitsotakis hat, gelang es SYRIZA immer noch, eine signifikante Stimme zu behalten, die 31,5% und fast 1,8 Millionen Stimmen erhielt.

 

Aber schon aus Tsipra's Aussagen seit der Wahl ist klar, dass die SYRIZA-Führung keine schwerwiegenden Fehler in ihrer Politik erkennt. Stattdessen geht es weiter, um sich in das System zu integrieren, indem es den "Mitte-Links-Raum" mit der "Transformation von SYRIZA zu einer großen demokratischen Partei" (um den Ausdruck von Tsipras zu verwenden) besetzt, d.h. die Position der traditionellen sozialdemokratischen Partei PASOK einnimmt.
 

Nazis raus aus dem Parlament

Die positivste Entwicklung dieser Wahlen ist das Scheitern der GD, der neonazistischen Bande, im Parlament zu bleiben. Das Argument der Führung der GD, dass es sich um eine "große Partei" handelt, die von "fast 10% des griechischen Volkes" unterstützt wird, wird untergraben und politisch schwächt sie. Ihr Versäumnis, dem Parlament beizutreten, beraubt sie des Schutzes des parlamentarischen Status und der staatlichen Finanzierung sowie der Beschäftigung durch den Staat von Dutzenden seiner führenden Kader, um "parlamentarische Unterstützung" zu leisten. Die Neonazis verloren etwa 100.000 Stimmen, auch im Vergleich zu den Europawahlen vor gut einem Monat!

Diese Entwicklung ist offensichtlich auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, aber was wir hier hervorheben müssen, ist die Rolle der ständigen Mobilisierung der antifaschistischen Bewegung, die die wahre Natur dieser mörderischen Bande aufgedeckt hat, sowie der laufenden Prozess gegen die wichtigsten Führer der GD wegen Mordes und anderer Verbrechen.

Obwohl wir diese wichtige Entwicklung natürlich begrüßen müssen, müssen wir uns bewusst sein, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht mit diesem Schlag gegen die GD endet. Jetzt müssen wir unsere Bemühungen und unsere Kampagnen intensivieren, um nicht nur harte Überzeugungen (lebenslange Freiheitsstrafen) gegen die Führung vor Gericht zu erhalten, sondern auch ihre Unterstützung in jeder Nachbarschaft, in der sie präsent sind, zu zerschlagen.
 

Der "linke" König ist nackt.

Die Linke - hauptsächlich die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die antikapitalistische Linke ANTARSYA und die Volkseinheit (LAE) - erwiesen sich einmal mehr als unfähig, die Bedürfnisse der Arbeiterklasse und der Armen auszudrücken.

Die KKE verzeichnete auch im Vergleich zu den Europawahlen im Mai einen weiteren leichten Stimmungsrückgang und blieb mit 5,3% im Wesentlichen stagnierend, trotz ihrer Bemühungen um einen sehr dynamischen Wahlkampf und trotz des Rückgangs der Unterstützung von SYRIZA. Die Volkseinheit hat ihren Weg zur eigenen Selbstvernichtung fortgesetzt und erhielt nur 16.000 Stimmen, nur 10% der Stimmen, die sie im September 2015 erhalten hat, und nur knapp die Hälfte der Stimmen, die sie bei den Europawahlen vor gut einem Monat erhalten hat. ANTARSYA erhielt schlechte 0,4% und 23.000 Stimmen, was wiederum eine Halbierung der Stimmen seit 2015 bedeutet und unter den 36.000 im Mai liegt. Die übrigen linken Listen erreichten weniger als 0,1%.
Die linken Führer denken nicht über die Ursachen dieser Wahlniederlage nach, sondern versuchen erneut, die Schuld den Menschen zuzuschieben. Dimitris Koutsoubas, Generalsekretär der KKE, sagte in seiner Erklärung nach den Wahlen, dass es "eine allgemeine konservative Tendenz" gebe. Ihm schloss sich die Popular Unity an, die ankündigte, dass "ein konservativer politischer Wandel zu verzeichnen ist". In früheren Artikeln haben wir erklärt, warum wir mit der Analyse nicht einverstanden sind, dass es nach den Europawahlen von fast allen linken Parteien einen "konservativen Wandel der Gesellschaft" gegeben hat.
 

Die Linke muss auch darüber nachdenken, dass "MeRA25", die vom ehemaligen SYRIZA-Finanzminister Yannis Varoufakis gegründete Partei, ihre Stimme erhöht und Sitze im Parlament gewonnen hat (3,5% und 9 Abgeordnete). "MeRA25" ist eine Partei, die zwischen der Linken und der Sozialdemokratie steht und nicht ausdrücklich zu sozialem Wandel und noch mehr zu Sozialismus aufruft, aber es ist ihr gelungen, einen Teil der Gesellschaft von ihren Positionen zu bestimmten Themen zu überzeugen, die andere linke Kräfte nicht konnten. Der Erfolg von "MeRA25" scheint Hoffnung und einen Ausweg aus der Sackgasse und Frustration vieler Linkshänder zu bieten, denn Varoufakis gilt als die einzige um Tsipras, die nach dem Referendum 2015 nicht verraten hat. Im Spektrum der Anti-Memorandumskräfte sind die Ergebnisse von "MeRA25" die einzige positive Entwicklung.

Die Nacktheit der Führer der linken Massen kann nicht mehr verborgen bleiben. Was wir brauchen, ist eine offene und eingehende Diskussion innerhalb der revolutionären Linken und mit der breiteren Bewegung, um die Fehler und Mängel zu diskutieren, um die dominante "Kultur" zu überwinden, in der sich die linken Organisationen weigern, miteinander zusammenzuarbeiten, um ein Übergangsprogramm mit radikalen Forderungen nach Systemsturz vorzuschlagen, nicht als abstrakte revolutionäre Aufrufe, sondern in direktem Zusammenhang mit der aktuellen Phase der Bewegung, ihren Bedürfnissen und ihrem Bewusstsein. Wir müssen endlich eine breite linke Front auf den oben genannten Linien schaffen, die den arbeitenden Massen Gehör verschaffen und den Weg nach vorne weisen kann.

In der kommenden Zeit werden die Angriffe auf die Rechte der Arbeitnehmer und Menschen zunehmen, zumal eine neue globale Rezession bevorsteht. Die gesunden Kräfte der Linken, kämpfenden Gewerkschaften, Aktivisten der Arbeiterklasse sowie lokale und andere Protestbewegungen müssen in den Kampf um den Wiederaufbau der Bewegung und der Linken einbezogen werden, um sich den Aufgaben der nächsten Periode stellen zu können.

Millionenprotest gegen das Auslieferungsgesetz in Hongkong

Dikang, Socialist Action (CWI in Hongkong)

Vorbemerkung:
Dieser Artikel wurde geschrieben, bevor die Regierung in Hong Kong den Beschluss des Ausliegerungs-Gesetzes gestern (am 15.6.) aufgeschoben hat. Die politische Analyse bleibt jedoch brandaktuell, nicht nur, weil das Gesetz noch nicht besiegt ist, sondern vor allem, weil die Bewegung sich weiter ausbreitet - heute waren bei einer Massendemonstration rund 2 Millionen Menschen - ein Viertel der Einwohner*innen Hong Kongs - auf der Straße.

Regierung hält am Auslieferungsgesetz fest - Proteste eskalieren

Eine Million Menschen demonstrierten am 9. Juni gegen den Gesetzesvorschlag der Hongkonger Regierung. Dies war die größte Demonstration in Hongkong seit der Übernahme der Herrschaft durch die Volksrepublik China, mit Ausnahme der Demonstration im Juni 1989 unmittelbar nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Hongkong ist für seine Protestkultur bekannt, aber mit der Teilnahme eines Siebtels der Bevölkerung hat sie ein neues Niveau erreicht.

Hongkong ist jetzt in eine einer Situation einer ausgewachsenen Regierungskrise, Massenunruhen und Protesten. Die grobe Dummheit und Verbohrtheit der Regierung hat eine Massenbewegung hervorgerufen, von der die meisten Beobachter weniger als fünf Jahre nach der „Umbrella-Revolution“ überzeugt waren, sie sei unmöglich. Regierungschefin Carrie Lams Zusätze zum Auslieferungsgesetz, womit die Verschleppung politischer Dissidenten durch das Regime der Volksrepublik legalisiert würde, selbst wenn sie nur am Flughafen umsteigen, werden als die schärfte Attacke auf die brüchigen und schwer beschädigten demokratischen Rechte in Hongkong angesehen, die durch Jahrzehnte von Aktivität und Druck von unten erkämpft worden sind. In Chinas Rechtssystem gibt es so etwas wie einen fairen Prozess nicht, und 99 % der Verurteilungen werden anstatt auf Beweisen auf Aussagen begründet.

Hauptsächlich waren die politischen Trends seit der Niederlage der Umbrella-Revolution 2014 Gegenrevolution und Ausbau des Autoritarismus. Der Grund dieser Niederlage war die Erschöpfung und das Fehlen einer Strategie, die Revolution weiter zu führen. Diese Bewegung hält allerdings immer noch den Weltrekord als längste Massenbesetzung öffentlicher Plätze in einer Großstadt (79 Tage).

Daher entsprach die Demonstration am 9. Juni einem Dammbruch, der eine Flutwelle von Wut und Erregung auslöste.  Die Stimmung der Demonstranten unterschied sich jedoch in einigen wichtigen Punkten von der früherer Massenprotesten. Die Geschichte wiederholt sich nicht und diese Bewegung beginnt nicht von vorne. Viele Demonstranten nahmen teil, obwohl sie glaubten, dass die Regierung ihre Meinung nicht ändern und das vorgeschlagene Gesetz nicht zurückziehen würde.

Das hat sich in aller Deutlichkeit bestätigt. In der Nacht der Demonstration, in der noch Tausende auf den Straßen waren, kündigte die Regierung die Fortsetzung ihrer Politik an. Die Regierung hat ihre Haltung seit der Demonstration weiter verhärtet, sie spielt mit ihrer waghalsigen Politik ein gefährliches Spiel. Ihre Glaubwürdigkeit ist bereits ruiniert, aber sie schöpft Trost aus der Tatsache, dass sie nicht abgewählt werden kann, da ihre Unterstützungsparteien über genügend Stimmen verfügen, um die Verabschiedung des Gesetzes zu beschließen (nachdem sechs Oppositionelle Abgeordnete 2016 und 2017 ausgeschlossen wurden), und hinter ihr steht die mächtigste Diktatur der Welt.

Natürlich wird es diesmal nicht zu einer einfachen Wiederholung des Jahres 2003 kommen, das oft als Parallele angeführt wird, als die legendäre Demonstration am 1. Juli mit einer halben Million Teilnehmer*innen den Plan der Regierung zur Einführung eines restriktiven Sicherheitsgesetzes („Artikel 23“) zunichtemachte.

Diese Bewegung beendete die Herrschaft von Tung Chee-hwa, des ersten Chief Executive (Regierungschef) Hongkongs. Carrie Lam wird sogar noch mehr gehasst als Tung, und die politischen Kämpfe der letzten sechzehn Jahre haben tiefe Narben hinterlassen, aber die Regierung Lams klammert sich an das Auslieferungsgesetz und befürchtet, dass ein Verzicht auf dieses Projekt jetzt die Regierung irreparabel schädigen würde, aber auch - was noch wichtiger ist - den Angstfaktor der chinesischen Diktatur stark untergraben würde. Angst und eine Aura der Unbesiegbarkeit sind entscheidende politische Zutaten für die weitere Herrschaft der KPCh (so genannte Kommunistische Partei Chinas) in China, von Hongkong ganz zu schweigen.

Während die Regierung nach der Demonstration vom 9. Juni zusätzliche, fast lächerlich kosmetische "Zugeständnisse" machte, erhöhte sie in Wirklichkeit ihre Anstrengungen und verschob die Abstimmung im Parlament (Legislative Council, Legco) um eine Woche auf den 20. Juni. Ein regierungsfreundlicher Abgeordneter sagte der Hongkonger South China Morning Post anonym, dass die Regierung die Massenbewegung "blenden" müsse, überzeugt, dass dies nun die am wenigsten schädliche Vorgehensweise sei. Das Peking-treue kapitalistische Establishment hat das Gefühl, dass sie einen kritischen Punkt überschritten hat. Der bereits angerichtete Schaden macht es notwendig, das Gesetz zu verabschieden, um deutlich zu machen, dass der Druck der Straße in Hongkong und ganz China machtlos ist.

Der Kampf gegen das Gesetz wurde auch mit dem Konflikt der KPCh mit den USA verstrickt, der sich schnell von der Frage von Handel und Technologie zu einem ausgewachsenen geostrategischen Kraftakt entwickelt. Peking kann es sich nicht leisten, in Hongkong Schwäche zu zeigen, wo auch ausländische Unternehmen Einwände gegen das Auslieferungsgesetz erhoben haben.

Wessen Idee war das?

Die Initiative für das Auslieferungsgesetz kam von der Regierung Lams, während Peking zunächst nur passiv zugesehen hat. Lam wollte ihrem Herren, dem chinesischen Diktator Xi Jinping, unbedingt gefallen, während sie gleichzeitig versuchte, sich gegen andere Pro-Peking-Fraktionen zu behaupten, um die Einführung des Artikel 23 abzuwenden oder zu verzögern. Sie verstand zu Recht, dass dieses Thema trotz der Rückschläge, die die Demokratiebewegung in den letzten fünf Jahren erlitten hatte, eine Massenbewegung wieder in Gang setzen würde.

Der Plan von Lam ist spektakulär nach hinten losgegangen, da das Auslieferungsgesetz zu ähnlichen Massenunruhen geführt hat, als ob sie sich für Artikel 23 entschieden hätte. Ihre Regierung hat damit einen neuen Standard von Unfähigkeit gesetzt, während Lam sich selbst eine zweite Amtszeit verunmöglichte. Peking muss anscheinend noch länger auf einen Regierungschef von Hongkong warten, der tatsächlich eine zweite Amtszeit absolvieren kann. (Und das, obwohl der Chief Executive weder direkt vom Volk noch vom Parlament, sondern von einem kleinen Ausschuss "gewählt" wird).

Diese Entwicklung führte zu einer wachsenden Spaltung innerhalb des Peking-treuen kapitalistischen Establishments der Stadt, was Peking keine andere Wahl ließ, als sich direkt einzumischen und Disziplin in seinem Lager durchzusetzen. Von diesem Zeitpunkt an waren Peking und Xi persönlich beteiligt und konnten sich nicht einfach zurückhalten und zulassen, dass das Gesetz mit Lam als Sündenbock scheitert.

Die Vor- und Nachteile der Despotie

Dieser Vorfall zeigt die Schwächen, Gegensätze und Widersprüche, die Teil des Gefüges des despotischen Systems Chinas sind. "Der Himmel ist hoch und der Kaiser weit weg", wie ein chinesisches Sprichwort sagt. Die Zentralregierung in Peking ist in einen ständigen Kampf mit den wirtschaftlich mächtigen Regionen Chinas verwickelt, viele größer sind als manche Staaten. Xi Jinpings persönliche Machtkonzentration, die von den meisten Kommentatoren als Zeichen der Stärke und Entschlossenheit angesehen wird, ist ebenso ein Eingeständnis der Tiefe eines zentrifugalen Drucks, den Xis führende Gruppe zu kontrollieren versucht.

So würde jede "Schwäche" in Hongkong oder jedes Nachgeben auf öffentlichen Druck sofort in den aktuellen Machtkampf auf dem chinesischen Festland einfließen. Später wollen wir uns die Auswirkungen ansehen, die dies auf die chinesische Bevölkerung haben könnte, wo die Unzufriedenheit heute wahrscheinlich sogar höher ist als 1989.

Es unterstreicht auch den Unterschied zwischen dem diktatorischen Kapitalismus Chinas und den bürgerlichen Demokratien in den westlichen Ländern. Seit mehr als einem Jahrzehnt fühlt sich das chinesische Regime in seiner Weigerung bestärkt, seinen repressiven Griff zu lockern - im Gegenteil, sein Griff hat sich deutlich verschärft -, weil die meisten "Demokratien" in Unordnung sind, mit unsicheren oder halbtoten Regierungen wie in Großbritannien, dem Aufstieg destabilisierender Populisten wie Trump und anderen ernsten Problemen. Im Gegensatz dazu hat Chinas technokratischer Autoritarismus viele Bewunderer unter den Kapitalisten im Westen gewonnen, die sagen, dass er "Ergebnisse bringt".

Aber dem chinesischen System fehlt die Flexibilität der bürgerlichen Demokratie mit ihren vielen politischen Ventilen für politischen Druck. In einer Krise können die Kapitalisten im Westen oft eine Wahl nutzen, um diesen Druck zu entschärfen oder abzulenken, ein "neues Gesicht" einzuführen, das Zeit gewinnen kann (obwohl diese Atempausen immer kürzer werden, wenn sich die Sorgen des Kapitalismus ansammeln).

Chinas autoritäres System steckt zunehmend in einem Kreislauf, der nur eine Entwicklung in eine Richtung zulässt: hin zu mehr Unterdrückung und einer Herrschaft der harten Linie, von den gigantischen Gefangenenlagern der nordwestlichen Region Xinjiang bis hin zu der zunehmenden politischen Niederschlagung in Hongkong. Irgendwann kann dieser Prozess natürlich nur noch auf einem Weg enden - in einer sozialen Explosion. Genau das geschieht heute in Hongkong, mit enormer Unsicherheit in den nächsten Tagen und Wochen.

Die gleiche Dynamik zeigt sich auch in den Beziehungen Chinas zu Taiwan, das die KPCh als ihr Territorium bezeichnet, eine Idee, die von den meisten Taiwanesen stark abgelehnt wird. Auch hier sind die Herausforderungen sehr groß, da Taiwan zu einer entscheidenden politischen Schachfigur im Konflikt zwischen den USA und China geworden ist.

Die aktuelle politische Krise in Hongkong hat große Auswirkungen auf die Insel. Im Januar wird Taiwan Präsidentschaftswahlen abhalten, die die polarisiertsten seit dem Ende der Militärregierung vor dreißig Jahren sein dürften. Der Amtsinhaber, Tsai Ing-wen von der taiwanisch-nationalistischen Demokratischen Progressiven Partei, unterstützt aus populistischen Gründen die Massenproteste in Hongkong und greift mit dieser Angelegenheit das chinesische Regime und Taiwans wichtigste Opposition, die chinesisch-nationalistische Kuomintang, an.

Mit seiner hartnäckigen Haltung gegenüber Hongkong ist Xi für die Mehrheit der Taiwanesen zum reinen "Taiwanabwehrmittel" geworden. Anstatt die DPP von Tsai zu untergraben und Taiwan wirtschaftlich und politisch näher an China heranzuführen, hat sich die KPCh während dieser Ereignisse in den Augen des taiwanesischen Volkes weiter als Monster erwiesen. Die einzige Strategie, die Peking dann zur Verfügung steht, sind kriegerischere Reden und Drohungen, militärische Gewalt anzuwenden, was die taiwanesischen Bevölkerung erneut weiter vom chinesischen Festland entfremdet.

Streikaufruf als Wendepunkt

In Hongkong entwickelt sich die Situation mit hoher Geschwindigkeit. Am 4. Juni kamen 180.000 Menschen zum Gedenken an den 30. Jahrestag des Massakers von Peking. Fünf Tage später versammelte sich im selben Park eine Million Menschen, um gegen Lam und ihr Auslieferungsgesetz zu demonstrieren. Die Reaktion der Regierung, auf Zugeständnisse zu verzichten und noch energischer vorzugehen, mit stillschweigenden Drohungen, noch mehr Maßnahmen gegen das prodemokratische Lager zu ergreifen, macht dies zu einer "make or break"-Situation.

Weniger als 24 Stunden nach der Demonstration am 9. Juni veröffentlichten die ersten Gruppen - Kleinunternehmen, Künstler, Sozialarbeiter - Aufrufe zu Streiks in den sozialen Medien. Einen Tag später hatten 3.000 Lehrer eine Petition unterzeichnet, in der sie ihre Gewerkschaft, die PTU, zum Streik aufriefen. Busarbeiter verkündeten noch am selben Tag Dienst nach Vorschrift (Verminderung der Leistung ohne Verletzung der Arbeitspflicht), und auch die Beschäftigten der Fluggesellschaften begannen, Petitionen an ihre Gewerkschaft zu richten. Schüler und viele andere Gruppen haben begonnen, über Streikaktionen zu diskutieren.

Dies ist eine Entwicklung, die für Hongkong von historischer Bedeutung ist. Was vielleicht in Griechenland, Frankreich oder Südkorea weit weniger dramatisch wäre, ist für Hongkong ein revolutionärer Schritt, ein politisches Erwachen, auf der Suche nach einer Waffe, die noch nie zuvor im Kampf gegen die Autokratie eingesetzt wurde. Die Schwäche und das geringe Selbstvertrauen der Arbeiterbewegung in Hongkong waren eine Achillesferse der bisherigen Massenkämpfe.

Die Civic Rights Front, die Dachorganisation, die die Massenproteste gegen das Auslieferungsgesetz organisiert hat, hat nun den sehr begrüßenswerten und notwendigen Schritt unternommen, um am 17. Juni zu einem eintägigen Streik aufzurufen, "einem Arbeiterstreik, einem Studentenstreik und einem Marktstreik" (von Geschäften und kleinen Unternehmen). Wenn dieser Forderung entschlossen, mit echter Organisation und Vorbereitung nachgekommen wird, kann der Streik wichtige Reaktionen hervorrufen und ein Wendepunkt im Kampf sein.

Der HKCTU (pro-demokratischer Gewerkschaftsbund) hat die Möglichkeit, seine Rolle und seinen Einfluss bei diesen Ereignissen massiv zu verstärken, indem er eine entschlossene und organisierte Führung für den kommenden Streik zeigt und nicht nur diese Entwicklungen hinter sich lässt. Es mangelt an Organisation und Erfahrung, an Organisierungsgrad, aber die Stimmung, sich zu wehren, eröffnet viele Möglichkeiten für die Einrichtung neuer Betriebsräte, Arbeitskämpfe und gewerkschaftliche Organisationsmaßnahmen in unorganisierten Sektoren.

Einer der Gründe, warum die Umbrella-Bewegung es versäumte, der Regierung Zugeständnisse abzutrotzen, war, dass Streiks nie diskutiert wurden. Die Sozialistische Aktion (Schwesterorganisation der SLP in Hongkong) kämpft seit mehreren Monaten für einen politischen Streik in Hongkong, seit Beginn des Kampfes gegen das Auslieferungsgesetz, basierend auf einer Beurteilung, welche Art von Kampf erforderlich wäre, um ein Gesetz zu stoppen, das von dem Hongkonger und chinesischen Regime so stark propagiert wurde.

Wir waren die einzige Organisation, die einen Streik bei der Demonstration am 9. Juni forderte, in 10.000 Flugblättern, die wir verteilt hatten, in unseren Bannerparolen und Reden. Es ist ein sehr wichtiger Durchbruch, dass die Idee eines Streiks in breiten Schichten an Bedeutung gewinnt.

Sozialist*innen und der Kampf um die Demokratie

Für Sozialist*innenen und die Arbeiter*innenbewegung ist der Kampf gegen repressive Gesetze und die Verteidigung demokratischer Rechte in Hongkong von entscheidender Bedeutung. Sie ist mit dem Kampf auf dem chinesischen Festland zur Unterstützung der beginnenden Arbeiterbewegung und für eine politische Alternative zum autoritären Kapitalismus der KPCh verbunden.

Die Demokratiebewegung, die seit mehr als 30 Jahren in Hongkong mal schwächer, mal stärker existiert, ist ein klassisches Beispiel für eine "klassenübergreifende" Bewegung, in der die Massenproteste aus einfachen Arbeitern, Rentnern, Studenten und bürgerlichen Fachleuten bestehen, aber die Führung wird von bürgerlichen und kleinbürgerlichen bürgerlichen Liberalen, den Oppositionsparteien und einer Vielzahl gleichgesinnter NGOs dominiert. Diese Organisationen sind klein, geschlossen, haben keine wirklichen Mitgliederstrukturen und haben einen nicht-politischen Ansatz. Die Tatsache, dass die Demokratiebewegung in Hongkong ins Stocken geraten ist, ist weitgehend auf die Unfähigkeit dieser Gruppen zurückzuführen, eine echte politische Leitung anzubieten.

Die organisierte Präsenz der Arbeiterbewegung war minimal - mit sehr wenigen Gewerkschaftsbannern, zum Beispiel bei der millionenschweren Demonstration am 9. Juni. Ein wichtiger Grund ist, dass die Gewerkschaftsführer, wie im Falle der HKCTU, nur in die Fußstapfen der bürgerlichen Politiker des prodemokratischen Lagers treten und nicht für eine unabhängige Politik der Arbeiterklasse kämpfen.

Dies unterstreicht die Schlüsselrolle, die Sozialist*innen und Gewerkschaftsaktivist*innen in diesen Bewegungen spielen können, insbesondere mit den entscheidenden neuen Merkmalen des Kampfes, die sich heute abzeichnen, wenn die Streikwaffe zum ersten Mal in das Bewusstsein einer wachsenden Schicht kommt, ein Bewusstseinswandel, zu dem wir beigetragen haben.

Im Gegensatz zu einigen sektiererischen Gruppierungen, die sich weigern, sich der Demokratiebewegung zuzuwenden, ihn als unverbunden mit den Interessen der Beschäftigten ansehen, intervenieren Sozialist*innen und wollen eine herausragende Rolle in diesen Bewegungen spielen, sich mit den radikalsten Schichten verbinden und für unser Programm kämpfen, das den Kampf für demokratische Forderungen mit der Forderung nach einem Bruch mit dem Kapitalismus verbindet und sozialistische Veränderung als einzigen Weg zur Beendigung der sozialen Krise in Hongkong, der ungleichsten Gesellschaft in Asien, verfolgt.

Unter Carrie Lam hat sich die Vermögenslücke Hongkongs laut Oxfam auf das höchste Niveau seit 45 Jahren ausgeweitet. Weit davon entfernt, ihre Stimme für Forderungen nach mehr Demokratie zu erheben, sind die Kapitalisten in Hongkong vollständig in das System der autoritären Regierung integriert, die ihre Gewinne und extrem niedrigen Steuern vor dem „Übel des Wohlfahrtsstaates" schützt.

Socialist Action ist seit unserer Gründung vor neun Jahren eine aktive Kraft in allen Demokratiekämpfen. Mit konkreten Vorschlägen - wie z.B. Streikaktionen - und indem wir erklären, welche Art von Kampf notwendig ist, um nicht nur die Marionettenregierung Hongkongs, sondern auch die viel größere Diktatur, die dahinter steht, zu besiegen, kritisieren wir regelmäßig auch die politischen Schwächen und die mangelnde Kampfstrategie der Führer des pro-demokratischen Lagers.

Diese Politiker haben die explosive Stimmung gegen das Auslieferungsgesetz völlig unterschätzt und sind von der aktuellen Massenbewegung mehr oder weniger mitgerissen worden. Ihre Verbundenheit mit dem Kapitalismus, ohne zu sehen, dass er ein großes Hindernis für die Verwirklichung demokratischer Rechte unter den konkreten Bedingungen von Hongkong und China ist, bedeutet, dass sie immer zögern und Massenkämpfe fürchten, die radikalisiert werden und sich ihrer Kontrolle entziehen können. In der heutigen Situation unterstützen sie die Idee von Streiks gegen das Auslieferungsgesetz, aber sie führen oder handeln nicht, um dies zu organisieren, sondern geben Lippenbekenntnisse zu den Stimmungen ab, die sich in der Bevölkerung entwickeln.

Den Widerstand auf das Festland tragen

Das chinesische Regime und seine Marionettenregierung in Hongkong stolpern jetzt in mehrere Krisen, darunter viele selbst gemachte, wie in diesem Fall. Ihre Strategie gegen jede Kritik ist es, noch härter vorzugehen. In Hongkong und auf dem Festland entstehen daher explosive Spannungen.

Die heutigen Diskussionen über einen politischen Schlag gegen das antidemokratische Gesetz der Regierung von Hongkong stellen eine historisch neue Phase des Massenkampfes dar, mit enormen Folgen für die Zukunft. Der nächste wichtige Durchbruch ist, dass der Widerstand in Hongkong, der darauf abzielt, seinen selbst auferlegten Isolationismus (verschärft durch das Phänomen der Lokalfixierung in den letzten Jahren) aufzugeben, sich aktiv mit dem massenhaften unzufriedenen Rumoren unter den Fundamenten der Diktaturen der KPCh verbindet. Dies gilt insbesondere für die aufstrebende Arbeiterbewegung in China, die mit noch rücksichtsloserer Unterdrückung konfrontiert ist, aber unglaublichen Heldenmut und Stärke gezeigt hat. Wenn diese Kräfte vereint und um eine neue Arbeiter*innenpartei organisiert sind, mit einem klaren Programm, das revolutionäre demokratische Forderungen mit einem entscheidenden Bruch mit dem Kapitalismus verbindet, sind die Tage der Diktatur gezählt.

Mehr zum Thema: 

Sudan: Die Konterrevolution zeigt ihre hässliche Fratze – heldenhafter Widerstand der Bevölkerung gegen den blutigen Schlag der Regime-Milizen.

Serge Jordan

Am Montag, den 3. Juni, vor Tagesanbruch, räumten das sudanesische Militärregime und seine Schläger brutal die Besetzung, die seit dem 6. April vor dem Militärhauptquartier in der sudanesischen Hauptstadt Khartum stattfand. Die Besetzung stellte das Zentrum des anhaltenden Aufstandes dar, der den langjährigen diktatorischen Präsidenten Omar al-Bashir stürzte.

Dieser konterrevolutionäre Schritt wurde von Sicherheitskräften und einer Reihe reaktionärer Milizen, insbesondere der sogenannten „Rapid Support Forces“ (RSF), durchgeführt. Diese gewalttätigen paramilitärischen Truppen wurden 2013 offiziell gegründet, um als Leibgarde von al-Bashir zu fungieren. Sie bilden die Nachfolge der Janjaweed-Miliz, die sich während des Krieges in Darfur vor mehr als einem Jahrzehnt durch Massenmorde, Vergewaltigungen, Plünderungen und unzählige andere Gräueltaten einen berüchtigten Ruf erworben hat.

Die RSF-Milizionäre übertrugen diese Methoden direkt in das Zentrum der Hauptstadt. Sie zogen in einem mörderischen Amoklauf durch die Stadt, zündeten die Zelte der Besetzung an, vergewaltigten Frauen, rasierten die Köpfe der Demonstrant*innen mit Rasiermessern und prügelten sie mit Peitschen. Sie verfolgten, prügelten und überfielen unbewaffnete Zivilist*innen auf den Straßen, schossen mit scharfer Munition auf Krankenstationen und plünderten Geschäfte. Ähnliche Gewalt, wenn auch in geringerem Ausmaß, wurde in Port Sudan, Sinar, Atbara und vielen anderen Orten eingesetzt. Videomaterial, das in den sozialen Medien verbreitet wurde, zeugt von der anhaltenden Gewalt, die vom RSF in Khartum und anderen Städten ausgeübt wird.

Das sudanesische Ärztekomitee schätzt die Zahl der vorläufigen Todesopfer auf über einhundert; hunderte weitere Personen wurden bislang verletzt. Die tatsächliche Zahl der Opfer der blutigen Razzia vom Montag dürfte allerdings deutlich höher sein. Eine vertrauenswürdige Nachrichtenquelle mit Verbindungen zum Sicherheitsapparat berichtete einem sudanesischen Journalisten, dass „einige Menschen zu Tode geprügelt und in den Nil geworfen wurden, auf einige wurde mehrmals geschossen und in den Nil geworfen – und andere wurden mit Macheten attackiert und ebenfalls in den Nil geworfen. Es war ein Massaker.“ Seither wurden etwa 40 Leichen von toten Demonstrant*innen aus dem Fluss geborgen.

Angst vor der Revolution

Mit barbarischer Unterdrückung versuchte die Militärjunta, die nach dem Sturz von al-Bashir die Macht an sich gerissen hatte, den Massen Angst einzujagen und dem revolutionären Kampf, der das Land seit Dezember 2018 erschüttert, einen schweren Schlag zu versetzen. So zielt der Einsatz von Vergewaltigungen beispielsweise darauf ab, den Geist des Widerstands der vielen sudanesischen Frauen zu brechen, die stets an der Spitze der revolutionären Mobilisierungen standen. Den Frauen kam eine Schlüsselrolle bei der Abwehr der Erniedrigungen zu, die das alte Regime ihnen entgegenbrachte.

Vor der Razzia am 3. Juni besuchten der Führer des sogenannten „Transitional Military Council“ (TMC), General Abdel Fattah al-Burhan, und sein Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo, Leiter des RSF, die Städte Kairo, Riad und Abu Dhabi. Mit diesen Besuchen, wollten sich die Milizführer grünes Licht für ihr Vorgehen, sowie die Unterstützung und den Rat al-Sisis, dem Schlächter der ägyptischen Revolution, und der reaktionären Monarchen im Golf – den wichtigsten regionalen Unterstützern der TMC – für den mörderischen Angriff am Montag geben lassen. Die Machthaber in Ägypten, im Iran und in Saudi-Arabien erhoffen sich davon, die gnadenlose Diktatur in Khartum wiederherzustellen. Eine solche Diktatur könnte die sudanesische Revolution in Blut ertränken, revolutionäre Bestrebungen, die sich in ihren eigenen Hinterhöfen entwickeln könnten, einschläfern und ihnen weiterhin Kanonenfutter für ihren Krieg im Jemen liefern.

Der Zeitpunkt dieser dramatischen Ereignisse ist kein Zufall. Der inspirierende revolutionäre Kampf der sudanesischen Massen erreichte letzte Woche mit einem starken zweitägigen Generalstreik, der das Land vollständig zum Erliegen brachte, eine neue Dimension. Der Erfolg dieses Streiks, der die enorme potenzielle Macht der Arbeiter*innenklasse zum Ausdruck brachte, erschreckte die Generäle und die besitzenden Klassen in der gesamten Region eindeutig. Unter anderem hat die Revolution der unabhängigen Arbeiter*innenklasse mit dem Wiederaufbau unabhängiger Gewerkschaften, die einst von al-Bashirs Regime zerstört worden waren, einen neuen Impuls gegeben. Die Arbeiter*innen haben gezeigt, dass sie eine ernstzunehmende gesellschaftliche Kraft sind mit der zu rechnen ist. Sie haben zudem gezeigt, dass sie das gesamte Gebäude bedrohen können, auf dem sich die politische und die wirtschaftliche Macht der Junta gründet.

Leider fehlt es an einer entschlossenen Führung, die einen Plan für das weitere Vorgehen nach dem zweitägigen Generalstreik, der der Macht der Generäle den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, vorgab. Unmittelbar nach Ende des Generalstreiks führten die Militärführer eine Gegenoffensive durch und beschlossen, den symbolträchtigsten und dynamischsten Ausdruck der Revolution anzugreifen. Die Führer des TMC erklärten, dass die Besetzung zu einer Bedrohung für die „Sicherheit des Landes“ geworden sei und beendet werden müsse. Die regimefreundlichen Medien gerieten in einen wahren Rausch und bezichtigten die friedliche Besetzung als Zentrum von Drogenschmuggler*innen, Ausschweifungen und Kleinkriminalität zu fungieren, um so seine Auflösung und das anschließende Massaker zu rechtfertigen.

Die Überreste des alten Regimes und ihre internationalen Geldgeber*innen planten ihren Operation akribisch. Das Büro von Al Jazeera in Khartum wurde am 31. Mai geschlossen – seinen Journalist*innen wurde jegliche Berichterstattung aus dem Sudan untersagt. Um weitere Berichterstattungen einzuschränken wurde das Internet am Montag bundesweit abgeschaltet und seitdem nicht wiederhergestellt. Reguläre Armeeeinheiten wurden in ihre Kasernen verfrachtet – vielen von ihnen wurde ihre Waffen abgenommen, damit sie das schmutzige Vorgehen der RSF-Söldner nicht behindern konnten. Später wurde von Szenen berichtet, in denen Soldaten hilflos schluchzten, während sich das Blutbad entfaltete.

Diese Tränen stehen den vergossenen Krokodilstränen der westlichen Regierungen und ihrer unfassbaren Heuchelei gegenüber. Die EU hat im Laufe der Jahre Millionen in den RSF gesteckt, um die Migration aus dem Sudan nach Europa einzudämmen. Das Weiße Haus und viele europäische Regierungen haben das saudische Regime unterstützt und mit jenen Waffen versorgt, die eingesetzt werden, um brutal gegen Demonstrant*innen und andere unschuldige Zivilist*innen auf den sudanesischen Straßen vorzugehen.

 

Keine weiteren Verhandlungen mit den blutrünstigen Generälen

Die politischen Lehren aus den Geschehnissen müssen vollständig gezogen werden, um sicherzustellen, dass das Blut der Märtyrer*innen vom 3. Juni und den folgenden Tagen nicht umsonst vergossen wurde. Bevor es zu diesen Ereignissen gekommen war, hatten das CWI und seine Sektion im Sudan immer wieder argumentiert, dass man keinen Kompromiss mit den alten Generälen des Regimes schließen dürfe, die die Macht gewaltsam erobert hatten, um die Ausbreitung der revolutionären Welle zu unterbrechen.

In einer Erklärung der „Socialist Alternative Sudan“ vom 23. Mai heißt es dazu: „Warum sollte eine Revolution, die al-Bashir durch den Schweiß, die Tränen und das Blut unseres Volkes losgeworden ist, am Ende eine Machtteilung mit jenem Teil des repressiven Apparats aushandeln, der seine Herrschaft so lange geschützt und von ihr profitiert hat? Die militärischen Machthaber haben keinesfalls die Absicht, die Macht abzugeben – und sie werden den Schauplatz nicht verlassen, es sei denn, sie werden durch die Kraft der revolutionären Massenaktion dazu gezwungen – die einzige Sprache, die sie verstehen.“

Bereits Anfang April war die erste Reaktion der Straße auf die Ankündigung der Gründung des TMC der Slogan „Die Revolution hat gerade erst begonnen“, um zu zeigen, dass viele Menschen nicht bereit waren, in die Falle der Täter*innen des Militärputsches zu tappen. Leider traf diese Haltung nicht auf die Führer*innen der Revolution zu, die vorgaben im Namen der Massen zu sprechen. Organisiert in den „Forces for the Declaration of Freedom and Change“ (FDFC) akzeptierten sie, mit den Generälen von al-Bashir zu verhandeln.

Das FDFC ist ein breites Oppositionsbündnis, dessen Kernstück die „Sudanese Professional Association“ (SPA, ein Netzwerk von Gewerkschaften, das bei Arbeiter*innen und Basisaktivist*innen für ihre organisatorische Rolle in der Bewegung große Autorität besitzt) ist, aber auch rechtsgerichtete Oppositionsparteien, die in die bürgerliche sudanesische Elite eingebettet sind, wie die National Umma Party und die Sudanesische Kongresspartei, umfasst.

Diese letztgenannten Parteien haben eine lange Tradition darin, Zugeständnisse an das Regime von al-Bashir zu machen. Sie haben der Massenbewegung nie vertraut, sondern wollten sie dominieren, um sich den Zugang zu lukrativen politischen Posten in einer zukünftigen kapitalistischen Regierung zu sichern. Die Führer*innen der Umma-Partei zeigten schließlich ihr wahres Gesicht und lehnten den Aufruf zum Generalstreik der vergangenen Woche offen ab. Jetzt haben sie sich für das jüngste politische Manöver des TMC, innerhalb von neun Monaten Wahlen abzuhalten, ausgesprochen. Unter den derzeitigen Bedingungen wären Wahlen, bei denen die Militär- und Sicherheitsclique die absolute Kontrolle hat, allerdings nichts anderes als eine autoritäre Maskerade.

Mit dem Versuch, die Einheit der Opposition unter der Führung des FDFC praktisch zu garantieren, haben die Führer*innen des SPA den Weg in eine Sackgasse eingeschlagen und versucht, die Forderungen der revolutionären Bewegung mit den zynischen Ambitionen der konterrevolutionären Militärherrscher in Einklang zu bringen. Alle SPA-Anhänger*innen sollten daher fordern, dass das SPA mit allen prokapitalistischen Kräften und Führer*innen bricht, die eine Bereitschaft zeigen, auf dem Rücken der revolutionären Bewegung einen Deal mit den militärischen Schlächtern auszuhandeln.

Die Verhandlungsführer*innen der FDFC glauben, die korrupte und brutale Junta besänftigen und sie davon überzeugen zu können, einen „vernünftigeren“ Standpunkt einzunehmen, indem sie sich die Macht in einem souveränen Organ teilen, das sich aus militärischen und zivilen Vertreter*innen zusammensetzt. Mehrere Wochen lang wurde Zeit mit sinnlosen Verhandlungen mit dem TMC verschwendet, was zu Verwirrung in der Bewegung führte und viele Aktivist*innen erzürnte. Vielen Demonstrant*innen war von Anfang an klar , dass die Generäle nicht am Verhandlungstisch saßen, um bereitwillig ihre Macht aufzugeben, sondern um Zeit zu gewinnen, die Opposition mit vagen Versprechungen zu täuschen und auf die richtige Gelegenheit zu warten, Gewalt gegen die Massen auf den Straßen auszuüben.

Am Mittwoch hielt General Burhan eine Fernsehansprache, in der er sagte, der TMC sei bereit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Er verkündete dies während seine Handlanger auf den Straßen schossen, schlugen und töteten – und Stunden bevor die Sicherheitskräfte einen prominenten Oppositionspolitiker, Yasir Arman, Führer der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung Nord (SPLMN), verhafteten. Die Sprecher der FDFC haben zurecht erklärt, dass sie alle politischen Kontakte zum Militärrat einstellen und die Verhandlungen aussetzen werden, da sie der Ansicht sind, dass „die Junta nicht länger berechtigt ist, Verhandlungen mit dem sudanesischen Volk zu führen“. Doch das war sie nie! Von Anfang an, unter dem enormen Druck der Massenbewegung, war der TMC nichts anderes als das Herzstück der Konterrevolution, die sich aus berüchtigten korrupten Kriegsverbrechern und alten Regimefans zusammensetzte. Diese versuchten, eine Revolution zu kontrollieren, die eine direkte Bedrohung für ihre brutale Herrschaft und ihr Ausbeutungssystem darstellte. Aus ihrer Sicht geschah die Absetzung von al-Bashir und anderen Spitzenbeamt*innen nur, um die wesentlichen Grundlagen der alten Staatsmaschine zu erhalten und ihre eigenen Positionen zu sichern, aus denen sie wichtige Privilegien und wirtschaftlichen Reichtum ableiten.

Heroischer Widerstand

Trotz des Ausmaßes der Gewalt des Regimes demonstrierten die am Montag vor dem Verteidigungsministerium vertriebenen Protestierenden heroischen Widerstand. Sie demonstrierten weiter und errichteten Barrikaden in den Straßen von Khartum und der Nachbarstadt Omdurman. In der Umgebung der gesamten Hauptstadt strömten Menschen auf die Straßen, um gegen die Aktionen der Junta zu protestieren, verbarrikadierten Straßen mit Ziegeln, zündeten Reifen an und blockierten Brücken. Am Dienstag wurden in den sozialen Medien Videos verbreitet, die zeigen, wie Anwohner*innen sogar ihre "Eid al-Fitr" Gebete zum Fastenbrechen am Ende des Ramadan hinter den Barrikaden verrichteten.

Laut einem in Khartum lebenden CWI-Aktivisten hatten Demonstrant*innen am Mittwoch, den 5. Juni, die meisten Straßen in der Stadt gesperrt, obwohl einige der Barrikaden zwischenzeitlich wieder gewaltsam entfernt wurden. In heftigen Straßenschlachten stellten sich wütende Jugendliche regelmäßig den RSF-Patrouillen entgegen, die herumstreiften und Menschen terrorisierten. Es sind weiterhin Schüsse zu hören und es finden weiterhin Morde statt. Am Dienstagabend versuchten die Sicherheitskräfte, den Sitz von Port Sudan vor der 101. Infanteriedivision zu zerstören. Dies misslang allerdings, weil die Arbeiter*innen die Streiks und den zivilen Ungehorsam fortsetzten. Demonstrant*innen sperrten zudem die meisten Hauptstraßen und eine Reihe von Stadtvierteln mit Barrikaden und brennenden Reifen ab.

Als das Ausmaß des Massakers in Khartum deutlich wurde, brachen am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in verschiedenen Teilen des Landes wütende Märsche, Massendemonstrationen und Straßenblockaden aus. Am Mittwoch kam es in Zalingei im Zentrum von Darfur, in El Geneina im Westen von Darfur und in Nyala im Süden von Darfur zu Massendemonstrationen, die dem eingesetzten Tränengas und der scharfen Munition mit Parolen trotzten, die den Sturz der Militärjunta forderten.

Teile der Arbeiter*innenklasse haben aus Protest gegen die Aktionen der Militärjunta ihre Werkzeuge niedergelegt, ebenso wie die Ölfeldarbeiter*innen in West Kordofan. Am Montag wurden nationale und internationale Flüge auf dem Flughafen Khartum gestrichen. Zeitgleich erklärte die sudanesische Pilot*innenvereinigung, uneingeschränkten zivilen Ungehorsam bei allen Flügen zu leisten. Als Reaktion darauf zwangen die Regime-Milizen die streikenden Arbeiter*innen, unter Lebensgefahr weiterzuarbeiten. Streikende Flughafenarbeiter*innen wurden in ihren Wohnungen aufgesucht und mit vorgehaltener Waffe gezwungen, zur Arbeit zu gehen. Ein Mann, der sich weigerte, wurde vor den Augen seiner Familie erschossen.

Die Bedrohung durch eine solche brutale Konterrevolution muss mit organisierten kollektiven Massenaktionen und Selbstverteidigung durch die revolutionären Massen beantwortet werden. Nachdem die Milizen mit Terror, Vergewaltigung und Morden gegen die Demonstrant*innen vorgehen, ist die Organisation der physischen Verteidigung der Revolution zu einer Frage von Leben und Tod geworden. An allen Arbeitsplätzen, in allen Gemeinden und Nachbarschaften müssen Verteidigungskomitees gegründet werden, die sich untereinander vernetzen, ihr Handeln koordinieren und alle verfügbaren Waffen, einschließlich der Behelfswaffen, zentral erfassen.

Auch die Klassenunterschiede innerhalb der Streitkräfte und die revolutionären Sympathien, die noch immer bei vielen einfachen Soldaten vorhanden sind, sollten unverzüglich adressiert werden. Schließlich war die drohende Meuterei in den unteren Reihen der Armee einer der Hauptgründe für die Eile der Junta, Omar al-Bashir loszuwerden. Die SPA und die Revolutionskomitees sollten öffentliche Aufrufe an die ranghöchsten Soldaten und Nachwuchsoffiziere richten, alle Befehle des Militärrates abzulehnen, gegen ihre Kommandeure zu rebellieren und ihre eigenen Komitees demokratisch zu wählen. Sie müssen sich mit den revolutionären Massen verbinden, um ihnen zu helfen, alle Milizen davonzujagen und zu entwaffnen, sowie alle Mörder, Vergewaltiger und Folterer zu verhaften und zu verurteilen.

Die Forderungen der SPA nach einem „vollständigen zivilen Ungehorsam, der Schließung aller Hauptstraßen, Brücken und Häfen und einem offenen politischen Streik an allen Arbeitsplätzen und Einrichtungen im öffentlichen und privaten Sektor“ gehen in die richtige Richtung. Während die Forderung für einen „umfassenden Streik“ beginnend am Sonntag erhoben wurde, gibt es bereits jetzt Anzeichen für seine Entwicklung – obwohl es vor dem Hintergrund der Feiertage zum Ende des Ramadan schwierig ist, sein wirkliches Ausmaß zu beurteilen. Die Massen können sich den Luxus des Wartens jedenfalls nichts leisten! Sofortiges und entschlossenes Handeln ist erforderlich, um den aktuellen Amoklauf der Konterrevolution zu überwinden. Barrikaden auf den Straßen, Streikaktionen mit Arbeiter*innenverteidigungsgruppen zum Schutz der Arbeitsplätze, Besetzungen strategischer Standorte und der Infrastruktur sind der richtige Weg, um die aktuelle Offensive der reaktionären Junta, ihrer Milizen und Sicherheitskräfte zu lähmen und eine entschlossene revolutionäre Gegenoffensive zu starten.

Nieder mit dem TMC – Alle Macht den Arbeiter*innen und dem revolutionären Volk!

Im Verlauf des revolutionären Kampfes nahm ein weitreichender Prozess der Basisorganisation in den Gemeinschaften und an den Arbeitsplätzen, in den lokalen Gebieten und bei den Sit-in-Protesten Gestalt an, wodurch eine Situation der „doppelten Macht“ entstand: Die Herausforderung der alten Staatsmaschinerie zu bewältigen, wie von den Generälen und Überresten des alten Regimes betrieben, schuf den Embryo einer neuen Gesellschaft in Gestalt verschiedener lokaler Revolutionskomitees. Mit diesen lokalen Komitees als Gründungseinheit könnte eine neue revolutionäre Staatsmacht aufgebaut werden, die die Militärclique im TMC und seine verschiedenen Anhänger*innen herausfordern könnte. Nachbar*innenschafts-, Streik- und Betriebskomitees könnten, wenn sie verallgemeinert werden, Vertreter*innen in lokale, regionale und landesweite Räte wählen und im Namen der Revolution um die politische Macht kämpfen.

Um einen solchen Kampf zur Mobilisierung der breitesten Kräfte und Unterstützung zu führen, muss die Bewegung nicht nur die Forderungen nach einer echten Demokratie im Sudan aufgreifen, sondern auch die brennenden sozialen und wirtschaftlichen Fragen angehen, die die Massen tagtäglichem Leid aussetzen: der Kampf um Brot, Arbeitsplätze, angemessene Löhne, Wohnen, Land, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, Verkehr und Sozialleistungen. Wenn ein solches Programm konsequent argumentiert wird, könnte es sogar dazu beitragen, die Reihen einiger der am meisten unterdrückten und unterrepräsentierten Jugendlichen zu durchbrechen, die in die Milizen des Regimes eingeschrieben und derzeit zur Unterdrückung der Bewegung mit Waffen ausgerüstet sind.

Doch letztendlich können diese Forderungen nur erfüllt werden, wenn die Schlüsselsektoren der Wirtschaft der korrupten militärischen Elite und der in- und ausländischen Kapitalist*innenklasse entzogen werden, die sie zur eigenen Bereicherung anzapfen. Wie „The Economist“ am 27. April kommentierte: „Die Junta hat viel zu verlieren. Schätzungsweise 65 %–70 % der Staatsausgaben fließen in die Sicherheit, verglichen mit nur 5 % für öffentliche Gesundheit und Bildung. Familien, die mit dem Militär- und Sicherheitsdienst verbunden sind, leiten jene Unternehmen, die die sudanesische Wirtschaft dominieren.“ Diese Unternehmen müssen in öffentliches Eigentum überführt werden, das von den Arbeiter*innen und den revolutionären Massen demokratisch geplant und verwaltet wird.

Eine Regierung aus Arbeiter*innen und armen Bauern und Bäuerinnen, die eine sozialistische Politik umsetzt, würde der Plünderung der Wirtschaft und der Fülle des Elends, die diese mit sich bringt, ein Ende setzen und die Konterrevolution politisch und militärisch entwaffnen. Eine solche Regierung, die an die Arbeiter*innen, die armen und unterdrückten Völker Afrikas und des Nahen Ostens appelliert, sich dem Kampf gegen Kapitalismus und Diktatur anzuschließen, wäre eine große Inspirationsquelle für die Millionen von Menschen, die mit Angst den sich entfaltenden Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution im Sudan verfolgen.

Die Zukunft der sudanesischen Revolution ist nach wie vor ungewiss. Das politische Vakuum, das sich aus der Abwesenheit einer Massenpartei, die Arbeiter*innen und das revolutionäre Volk hinter einem klaren Programm vereinen und einen entscheidenden Weg nach vorne weisen könnte, ergibt, belastet die Bewegung schwer. Berichte über Spannungen und Zusammenstöße zwischen den sudanesischen Streitkräften und der RSF deuten darauf hin, dass die Situation sehr unübersichtlich werden könnte, wobei Elemente eines Bürger*innenkrieges Gestalt annehmen könnten und sogar die Möglichkeit eines „Putsches innerhalb des Putsches“ besteht. Ebenfalls denkbar sind auch schwerwiegendere Zusammenstöße zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen und Milizen, die jeweils um die Kontrolle kämpfen. Das letzte Wort der revolutionären Bewegung ist allerdings noch nicht gesprochen, und es ist die Pflicht aller Sozialist*innen, Gewerkschafter*innen und linken Aktivist*innen auf der ganzen Welt, diesen Kampf nach Kräften zu unterstützen, und zu helfen, ihn zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen.

 

Forderungen der „Socialist Alternative Sudan“:

 

  • Sofortige Mobilisierung zur Verteidigung der sudanesischen Revolution – für einen umfassenden, landesweiten Generalstreik gegen den Militärrat!
  • Für massenhafte und demokratisch organisierte Selbstverteidigung der Revolution: Aufbau von Streikaktionen und Verteidigungskomitees an allen Arbeitsplätzen, auf allen Straßen und in allen Stadtteilen. Auflösung und Entwaffnung der Rapid Support Forces (RSF) und aller Milizen des Regimes.
  • Verteidigung aller demokratischen Rechte, Freilassung aller politischen Gefangenen und der in den letzten Tagen verhafteten Personen.
  • Sturz des Militärregimes, Verhaftung der TMC-Führer – für eine Regierung der Arbeiter*innen und Armen auf der Basis von Volkskomitees.
  • Für das Recht des sudanesischen Volkes, seine eigene Zukunft zu bestimmen. Nein zur Einmischung und Intervention in die Angelegenheiten des Sudans durch internationale und regionale Mächte.
  • Entsorgung des Militär- und Sicherheitsbudgets – für ein Programm massiver öffentlicher Investitionen in Infrastruktur, Gesundheit, Arbeitsplätze und Bildung.
  • Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle aller Unternehmen und Vermögenswerte, die alten Regimeangehörigen, Militär- und Sicherheitsbeamt*innen gehören.
  • Solidarität der internationalen Arbeiter*innenklasse mit der sudanesischen Revolution – kein Vertrauen in die Afrikanische Union, die Europäische Union und andere imperialistische Institutionen und Regierungen.
  • Nieder mit Kapitalismus, Ausbeutung und Krieg! Sofortige Rückführung aller sudanesischen Truppen aus dem Jemen!
  • Für einen freien, demokratischen und sozialistischen Sudan, in Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung für alle unterdrückten Nationalitäten und ethnischen Gruppen.

 

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