Internationales

Protestwelle in Lateinamerika

Monika Jank

In den letzten Jahren wurden in Lateinamerika rechte, neoliberale und konservative Präsidenten wie Mauricio Macri, Jair Bolsonaro und Iván Duque gewählt – nicht zuletzt, weil viele von den vorhergehenden links-reformistischen Regierungen zu Recht enttäuscht waren. Doch trotz des Putschversuchs in Venezuela und des jüngsten Putsches in Bolivien geht die Tendenz nun in vielen Ländern in eine andere Richtung. Dies zeugt von einer Polarisierung. Auslöser der Proteste reichen von feministischen Fragen über Kürzungen bis zu Umweltkatastrophen wie der bewussten Brandrodung des Amazonas, die Teil der Politik Bolsonaros ist.

Obwohl Maßnahmen wie die Erhöhung der U-Bahnpreise oder die Besteuerung von Benzin nur kleine Teile der Politik sind, die den Lebensstandard der Bevölkerung verschlechtert, waren sie in Chile und Ecuador der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. In beiden Ländern gelang es, zumindest Teile der Regierung abzusetzen. Die indigene Bevölkerung war in Chile wie im mehrheitlich indigenen Ecuador zentraler Teil der Proteste und verband die sozialen Fragen mit dem Kampf gegen Rassismus und Umweltzerstörung.

Mit bisher zwei landesweiten Generalstreiks im November in Kolumbien richtete sich die Protestwelle gegen neue Maßnahmen von Präsident Duque. Eine Arbeitsmarkt- und Pensions“reform“ soll Steuererleichterungen für Konzerne finanzieren. Beantwortet wird auch hier der Protest von den Herrschenden mit massiver Repression. In verschiedenen Regionen Kolumbiens wurden, wie auch in Chile, Ausgangssperren verhängt. In beiden Ländern wurden bereits Demonstrant*innen ermordet. Doch das stoppt die Proteste ebensowenig wie die Zugeständnisse der Herrschenden.

Die aktuellen Proteste kommen nach einer Welle von feministische Bewegungen (gegen Frauenmorde, für die Legalisierung von Abtreibung etc). Auch die indigene Bewegung ist stark und kämpfte schon davor gegen Großgrundbesitzer und Unterdrückung. Diesen „Vorboten“ folgt nun die aktuelle Welle, die aus den vorherigen gelernt hat und die zahlreiche der bisherigen Forderungen vereint. Es ist eine neue Generation auf der Straße und sie gibt sich nicht mit Rücktritten oder der Rücknahme von Kürzungen zufrieden. Diese Entschlossenheit bereitet den Herrschenden Angst – zu Recht!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sozialist*innen schlagen Amazon!

Alles Geld der Welt kann die Macht der Solidarität von Arbeiter*innen nicht besiegen.
Nikolas Friedrich, Socialistalternative.org

Selten gab es eine solche Aufregung um eine Kommunalwahl in den USA wie diesen Herbst in Seattle. Dort kandidierte Kshama Sawant, die Stadträtin unserer amerikanischen Schwesterorganisation (Socialist Alternative), für die Wiederwahl. Das Ergebnis ist ein Erfolg für Sozialist*innen auf der ganzen Welt: Mit 51,8% der Stimmen setzten Kshama und Socialist Alternative sich gegen den von Konzernen wie Amazon gesponsorten Gegenkandidaten Egan Orion durch.

Vor 6 Jahren rüttelten wir die linke Politik in den USA auf: 2013 gewannen wir unabhängig von den beiden großen Parteien, Demokraten und Republikaner, und mit einem offen sozialistischen Programm ein Stadtrats-Mandat im Rathaus von Seattle. Mit diesem Mandat, aber vor allem mit einer starken Bewegung im Rücken, haben wir den ersten 15 Dollar Mindestlohn erkämpft. Das war ein Durchbruch für die Mindestlohnbewegung – seither verbreiten sich ähnliche Erfolge wie Lauffeuer.

2015 wurde Kshama – zum wachsenden Unmut der Reichen – wiedergewählt. Heuer schafften wir es noch einmal, obwohl das Kapital diesmal Vollgas gab: Ein Berg von Konzernspenden an „unternehmensfreundliche“ Kandidat*innen hätte uns besiegen sollen. Insbesondere Amazon-Boss Jeff Bezos griff in die Tasche: Er hat 1,5 Millionen Dollar gespendet, ein Drittel der insgesamt 4,1 Millionen Dollar, welche die Wirtschaftskammer Seattle (die Lobbyorganisation der Großunternehmen) in den Wahlkampf investierte.

Socialist Alternative war Bezos schon lange ein Dorn im Auge. Gegen die drückende Wohnungsnot bauten wir eine starke Mieter*innenbewegung auf, die u.a. eine Steuer auf Großkonzerne wie Amazon erkämpfte, um dadurch 50 Millionen Dollar pro Jahr für leistbaren Wohnbau aufzubringen. Natürlich nahm Bezos das nicht tatenlos hin und Amazon stellte eine Gegenkampagne auf die Beine. Obwohl die Steuer zunächst einstimmig angenommen worden war, hob die Mehrheit des Stadtrats sie aus Angst vor Amazon wieder auf. Nun wollte Bezos die Wahl 2019 nutzen, um unsere Bewegung auf Dauer aus dem Weg zu räumen. Obwohl die Bezos-Gelder in allen Wahlkreisen verwendet wurden, war Kshama Amazons größter Feind. Propaganda gegen Kshama wurde in allen Wahlkreisen verbreitet.

Doch all das Geld und all die Hetze stellten sich als Schuss ins Knie heraus: Falls manchen Wähler*innen noch immer nicht klar gewesen war, welche Unterschiede es zwischen uns und Orion gibt, hatte Bezos mit der Verwirrung aufgeräumt. Alle, die nicht wollten, dass Amazon diese Wahl kauft, wussten nun genau, dass sie Kshama wählen mussten. Auch Orion selbst trug zu seiner eigenen Niederlage bei: Er verbreitete bewusst das Logo von Socialist Alternative in seiner Kampagne – er dachte, es würde uns schaden, wenn er uns als landesweite sozialistische Organisation „enttarnen“ würde. Doch das trug nur dazu bei, dass unsere Wähler*innen sich umso bewusster politisch entschieden: Alle wussten, dass Kshama Sozialistin ist und sie wollten Socialist Alternative im Stadtrat.

Die Unterstützung aus der Arbeiter*innenklasse beschränkte sich auch nicht auf Stimmen am Wahltag: Über 1.000 Freiwillige halfen bei der Wahlkampagne mit und es wurden über 570.000 Dollar Spenden gesammelt – und diese kamen ausschließlich von Arbeiter*innen und Jugendlichen. Zusätzlich erhielt Socialist Alternative bundesweite Solidarität, etwa von Sara Nelson, der kämpferischen Präsidentin der Gewerkschaft für Bordpersonal, und von linken Politiker*innen wie Bernie Sanders.

All das machte diese Kommunalwahl zu einem landesweiten Thema: Von der West- bis zur Ostküste und sogar im Ausland berichteten Medien von Bezos‘ Niederlage gegen die sozialistischen Underdogs. Mit dem Sieg im Rücken werden wir die Konzernsteuer wieder in Angriff nehmen und uns auf zukünftige Kämpfe vorbereiten. Die Lehre ist klar: Alles Geld der Welt kann die Macht der Solidarität von Arbeiter*innen nicht besiegen. Wenn wir uns zusammenschließen, können wir alles schaffen. Auch in Österreich können wir von Seattle lernen: Anstatt immer das kleinere Übel zu wählen, können wir aktiv werden und eine eigene politische Alternative aufbauen, die sich den Sachzwängen dieses Systems nicht beugt: Eine Arbeiter*innenpartei mit sozialistischem Programm, die ihre eigenen Forderungen und Kampagnen aufstellt, und sich zutraut, ihren eigenen Weg zu gehen und es dabei mit den Reichen und Mächtigen aufnimmt. Wenn du dich dafür einsetzen willst, mach bei der SLP mit!

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Jugendproteste weltweit: Indonesien

Moritz Bauer

Weltweit finden immer mehr Massenproteste statt, junge Menschen spielen dabei oft eine wichtige Rolle, sei es in Hongkong, Chile, oder bei den Fridays for future-Demos. Auch in Indonesien brachen im Herbst Massenproteste gegen eine Strafrechtsreform aus. Diese soll unter anderem die Anti-Korruptionsbehörden einschränken und „Beleidigungen“ gegen Regierungsorganisationen oder den Präsidenten unter Strafe stellen. Geplant war auch, dass Frauen eine Begründung vorweisen sollten, um nach 22.00h aus dem Haus zu gehen, und dass Aufklärung sowie Sex vor der Ehe strafbar werden.

Die Demonstrierenden beschränkten sich rasch nicht mehr auf die Abwehr dieser Reform, sondern stellen Offensivforderungen. Darunter das Ende der Wald- und Torfbrände, die ganze Städte in giftige Gase hüllen, oder ein Ende der Militarisierung in Papua und West Papua. Im Zuge der Proteste wurden auch Gewerkschaften aktiv und riefen zu Demonstrationen und Streiks auf, allerdings ohne weitergehende Maßnahmen oder eine Kampfstrategie. In ganz Indonesien und speziell in West Papua reagierte der Staat mit massiven Fällen von Polizeigewalt. Es gab mehrere Todesfälle, teils aufgrund von Schusswaffeneinsatz durch Polizei, Militär und islamistische Milizen.

Die Proteste stehen in einer weltweiten Entwicklung hin zu Massenprotesten, die die herrschende Klasse unter massiven Zugzwang setzen und die diese mit autoritärerer Politik und Repression beantwortet. Immer wieder brechen Massenproteste in Ländern aus, wo gerade noch von einem „Rechtsruck“ die Rede war. Auch brechen die Proteste rund um scheinbare „Nebenthemen“ aus. In Chile gegen eine Erhöhung der Öffi-Preise, im Libanon gegen eine WhatsApp-Steuer. Doch diese „Nebenthemen“ sind nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Perspektive einer kommenden Krise schafft Angst, aber auch Wut. Die Propaganda eines guten Lebens für jene, die sich bemühen, passt nicht zur erlebten Realität. In die etablierten Parteien haben gerade Jugendliche oft kein Vertrauen. Sie wissen, dass ihr Lebensstandard niedriger sein wird als der ihrer Eltern. Aus diesem Grund sind Jugendliche auch oft die ersten, die aktiv werden und für ihre Zukunft zu kämpfen beginnen. Werde auch du mit uns aktiv.

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Kämpferin des Monats: Marta Chromova

Trotz massiver Repression organisierte die Schwesterorganisation der SLP in Russland „Sozialistische Alternative“ eine Kundgebung gegen Gewalt an Frauen. Über 1.000 kamen, dazu kamen Soli-Proteste in anderen Städten. Marta Chromova von der Sozialistischen Alternative organisierte und eröffnete den Protest mit einer kämpferischen Rede

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Die SLP am Klimastreik

20.000 Menschen gingen in Wien am 29.11. zum vierten internationalen Klimastreik auf die Straße. Die SLP war als Teil des „Workers for Future“-Blocks mit dabei.

Die Demo startete vor der OMV, um auf die Rolle des Konzerns bei der Klimazerstörung aufmerksam zu machen. Bei der Auftaktkundgebung betonte Nora, Mitglied der SLP, in ihrer Rede für Workers for Future, dass die Beschäftigten der OMV alternative grüne Arbeitsplätze brauchen: "Demokratische Energieerzeugung und Verwaltung, von und durch die Beschäftigten und nicht im Interesse einer kleinen Minderheit. Nur so stellen wir auch sicher, dass die Beschäftigten nicht auf die Straße gesetzt werden und, dass Klimaschutz nicht gegen Arbeitsplätze ausgespielt werden." Sie beendete ihre Rede mit dem Slogan „You deserve a green Job!”, den dann auch die Demonstration anstimmte.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Ermordung von Soleimani – Trump bringt die Region dem Krieg näher

Überschrift und Leitartikel in libanesischen Pro-Hezbollah-Zeitung „Al-Akhbar“ vom Freitag lauteten: „Das Märtyrertum von Soleimani: Es ist Krieg!“ Dies ist nur eine der ersten wütenden Reaktionen auf den über Nacht erfolgten US-Drohnenangriff auf den Konvoi am Flughafen von Bagdad, der den iranischen Top-General Qassem Soleimani und mindestens sechs weitere getötet hat, darunter mehrere Milizkommandeure, die in den Kampf gegen ISIS verwickelt waren. Die Schockwelle verbreitete sich schnell auf der ganzen Welt – der Ölpreis schnellte um 4% in die Höhe und der US-Aktienmarkt geriet unter Druck, da die Spekulanten „sichere Häfen“ für ihr Geld suchten. Die Begriffe „Dritter Weltkrieg“ und „Franz Ferdinand“ trendeten auf Twitter.

 

Wir stehen nicht am Rande eines dritten Weltkriegs als Folge dieser brutalen Aktion von Donald Trump. Aber seine Entscheidung, dieses Attentat zu genehmigen, hat die Situation in der Region zweifellos viel gefährlicher gemacht, die sich schnell zu einem ernsten Konflikt ausweiten könnte. Darauf deutet die Warnung der US-Regierung an die US-Bürger im Irak hin, das Land sofort zu verlassen, ohne sich der US-Botschaft zu nähern. Der Iran und seine Verbündeten wie die Hisbollah im Libanon werden versuchen, Ziele der USA und der US-Alliierten anzugreifen, möglicherweise einschließlich  Israel oder Saudi-Arabien, was zu weiteren Vergeltungsmaßnahmen dieser Regimes führen könnte. Die Opfer dieser Eskalation werden in erster Linie die einfachen Menschen in der Region sein.

Der Iran hat Anfang dieses Jahres gezeigt, dass er in der Lage ist, den Öltankerverkehr in der Straße von Hormuz zu blockieren und die saudische Ölförderung lahmzulegen. Der Ausbruch eines ernsteren Konflikts in der Region könnte schwerwiegende Folgen für die Weltwirtschaft haben, die sich bereits in einem starken Abschwung befindet. Eine weitere langfristige Folge für die einfachen Amerikaner*innen und andere unschuldige Menschen in der ganzen Welt ist die Gefahr weiterer Terroranschläge.

Die Ermordung von Soleimani ist die neueste Stufe einer Offensive der USA gegen den Iran, die mit dem Ausstieg von Trump aus dem unter Obama ausgehandelten Nuklearabkommen begann und mit vernichtenden Sanktionen fortgesetzt wurde. Sanktionen an sich sind ein kriegerischer Akt, und das iranische Regime hat versucht, zurückzuschlagen, indem sie eine US-Militärdrohne abgeschossen und ihre Stellvertreter im Irak eingesetzt haben, um Basen mit US-Kräften anzugreifen. Das Attentat spiegelt auch die Notwendigkeit des US-Imperialismus wieder, nach dem unglücklichen Deal mit Erdogan in Nordsyrien und verschiedenen Angriffen des iranischen Regimes und seiner Stellvertreter, darunter auch auf die US-Botschaft in Bagdad, „Stärke“ zu zeigen.

Die Art und Weise, in der Trump die Entscheidung für den Angriff getroffen hat, weist auf den Schurkencharakter seiner Herrschaft hin. Er ignorierte nicht nur den Kongress, der solche Aktionen genehmigen soll, es wird auch berichtet, dass er seine eigenen Berater nicht konsultierte. Statt die Ankündigung selbst zu machen, überließ er diese Ehre dem Pentagon und twitterte lediglich ein Bild der US-Flagge. Die US-Demokraten weisen zwar zu Recht darauf hin, dass Trump möglicherweise versucht, das Amtsenthebungsverfahren zu umgehen, aber sie täten gut daran, sich daran zu erinnern, dass Präsident Clinton 1998 einen eiligen Luftangriff auf den Irak startete, als gerade sein eigenes Amtsenthebungsverfahren in Gang kam.

Während wir gegen das selbst erklärte „Recht“ des US-Imperialismus sind, seine Gegner zu ermorden, werden Sozialist*innen keine Tränen für Qassem Soleimani vergießen. Er stand an der Spitze der notorisch brutalen „Al-Quds-Brigade“ – einer  Militäreinheit des iranischen Regimes, die zur Intervention im Ausland eingesetzt wird Diese verdeckt operierende Einheit hat angeblich eine große Rolle in den Konflikten im Irak, Syrien, Jemen, Gaza, Libanon und Afghanistan gespielt.

Soleimani  wird nachgesagt, eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung der Kräfte gegen ISIS gespielt zu haben. Er war kein Freund der einfachen Leute, sondern trug maßgeblich zur Unterstützung der reaktionären Regimes in der Region bei. Als Studierende 1999 an Massendemonstrationen in Teheran teilnahmen, schickte Soleimani einen Brief an Präsident Khatami und warnte ihn, dass wenn er nicht hart gegen die Studenten vorgeht, Soleimani dies selbst tun und gleichzeitig einen Militärputsch zum Sturz Khatamis organisieren würde. Die Teilnehmer der jüngsten Proteste im Irak, die das Ende der iranischen und aller ausländischen Interventionen forderten, sind der Meinung, dass Soleimani nicht nur die Regierung in Bagdad zu einer harten Linie gedrängt hat, sondern auch die Milizen beliefert und gedrängt hat, die Demonstrierenden anzugreifen. Hunderte wurden getötet und viele weitere verwundet.

Dies ist jedoch keine Rechtfertigung für die Ermordung des Generals und seines Gefolges. Wir sollten auch nicht in die Falle tappen, das zu wiederholen, was einige der Sprecher von Trump gesagt haben: Dass Soleimani für alle Probleme der Region verantwortlich sei. 

Die ganze Region ist das Opfer eines brutalen Kampfes um Macht und Kontrolle über die natürlichen Ressourcen zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächte, einschließlich der regionalen Mächte. Dabei gibt es keine anderen Prinzipien als die Ausbeutung des Reichtums der Region auf Kosten der einfachen Menschen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem Land zweckmäßige Bündnisse, z.B. im Kampf gegen den „IS“, werden in den Nachbarländern aufgegeben oder auf den Kopf gestellt. Amerli, die erste irakische Stadt, die sich 2014 gegen den IS gewehrt hat, wurde durch eine, wie die Los Angeles Times beschrieb, „ungewöhnliche Partnerschaft von irakischen und kurdischen Soldaten, von iranisch unterstützten schiitischen Milizen und US-Kampfflugzeugen“ verteidigt. Damals waren die USA recht glücklich, mit Soleimani zusammenzuarbeiten.

Trump’s Rechtfertigung für den Angriff ist, dass Soleimani nunmehr „eine unmittelbare Bedrohung für das Leben der Amerikaner darstellte“ und „plante, US-Bürger zu töten“. Dies folgt der Erklärung, die er Anfang dieser Woche abgegeben hat, nachdem schiitische Milizionäre, die weithin als von Soleimani gesteuert angesehen werden, in das Gelände der US-Botschaft in Bagdad eingedrungen sind und es besetzt haben, ohne dass es dabei zu Todesopfern kam. Trump warnte, dass „der Iran für verlorene Leben oder Schäden in unseren Einrichtungen voll verantwortlich gemacht werden wird. Sie werden einen sehr GROSSEN PREIS bezahlen! Dies ist keine Warnung, es ist eine Drohung. Frohes neues Jahr!“

Die Besetzung der Botschaft ist eine klare Warnung vor den Gefahren und Folgen der Intervention verschiedener imperialistischer Mächte in der Region. Seit Anfang Oktober ist der Irak geprägt von  heldenhaften Protesten gegen den Mangel an Arbeitsplätzen, Dienstleistungen, gegen massive Korruption und das religiöse Sektierertum, das seit dem Ende der formellen US-Besatzung im Regierungssystem verankert ist. (Siehe Artikel https://worldsocialist.net/?p=847).

Die Protestierenden haben ihre Ablehnung gegen die Präsenz der US-Kräfte und ihren Hass auf die von Iran unterstützten Milizen deutlich gemacht, die zur Unterstützung der gegenwärtigen iranisch geführten Regierung die Demonstrationen  angegriffen haben. Diese jüngsten Ereignisse werden die reaktionären schiitischen Milizen erzürnen und ihre gewalttätigen Kampagnen in der gesamten Region verstärken. m Irak hat Muqtada al-Sadr erklärt, dass er die Mahdi-Armee reaktivieren wird, welche die USA bekämpfte und während des irakischen Bürgerkriegs eine ganze Reihe von konfessionellen Morden begangen hat.

Auch im Iran ist in letzter Zeit die massenhafte Opposition gewachsen, ausgelöst durch den Anstieg der Treibstoffpreise in einer Wirtschaft, die unter massiver Korruption und den von den USA verhängten Sanktionen leidet. Ähnlich wie im Irak handelte das Regime brutal. Es beschuldigte die Opposition gleichzeitig, „Konterrevolutionäre und ausländische Feinde des Iran“ zu sein und schürte anti-amerikanische Stimmung. (Siehe Artikel https://worldsocialist.net/?p=743).

Die Ermordung Soleimanis ist zwar ein Schlag für das iranische Regime, wird es aber zugleich stärken, während es seiner größten internen Herausforderung durch die massenhafte Opposition seit der Revolution von 1979 gegenüber steht. Soleimani selbst wurde schnell durch den Brigadegeneral der Islamischen Revolutionsgarde, Esamil Ghaani, ersetzt, der Soleimanis blutige Arbeit im gesamten Nahen und Mittleren Osten nicht nur fortsetzen, sondern zweifellos noch verstärken wird. Das Attentat wird vom Teheraner Regime dazu benutzt, seine anti-amerikanische Propaganda zu verstärken, was die Protestbewegung  erschwert. Im Iran hat es bereits eine Welle von Protesten stattgefunden , die „Tod für Amerika“ riefen und Porträts von Soleimani mit sich führten (laut der iranischen Nachrichtenagentur in Teheran, Arak, Bojnourd, Hamedan, Hormozgan, Sanandaj, Semnan, Shiraz und Yazd).

Die Reaktion der anderen imperialistischen Mächte war besorgt und vorsichtig. China hat die USA aufgefordert, die irakische Souveränität zu respektieren. Der französische Präsident Macron rief sofort den russischen Präsidenten Putin an, wobei beide Länder die Notwendigkeit der Zurückhaltung zum Ausdruck brachten und den Iran aufforderten, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Israel unterstützt natürlich das Vorgehen der USA, musste aber im Gegenzug die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen.

Die Besorgnis der anderen Mächte hat nichts den Menschenrechten oder mit den politischen Rechten der in der Region lebenden Menschen zu tun, sondern spiegelt ihre Furcht, dass diese Aktion die Region in eine dramatische Eskalation des Konflikts stürzen könnte, sowie vor den potenziellen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die europäischen Mächte befürchten, dass sich die irakische Regierung, die den Angriff verurteilt hat, zu der Entscheidung durchringen wird, die verbleibenden 5000 US-Soldaten, die sich noch im Land befinden, rauszuwerfen. Dies, so befürchten sie, wird den Kampf gegen den IS schwächen. Das Pentagon ist sich der Gefahren bewusst und hat heute weitere 3500 Soldaten entsandt, die bereits auf dem Weg nach Kuwait sind, um im Irak, in Syrien oder anderswo eingesetzt zu werden.

Ein Kommentator beschrieb diesen Angriff als eine Abweichung von der üblichen „Stellvertreter“-Natur der Konflikte in diesem Teil der Welt in dem Sinn, dass dies ein direkter Schlag einer imperialistischen Großmacht gegen eine andere, wenn auch regionale Macht sei. Trotz der Versuche des Kongresses und sogar von Teilen des US-Militärs, Trump in Schach zu halten, sowie der Zurückhaltung anderer Mächte, seine aggressiven Aktionen zu unterstützen, ist es sicherlich so, dass es zu einer Verschärfung der Konflikte zwischen den verschiedenen Seiten kommen wird, obwohl ein offener Krieg zwischen den Mächten zum jetzigen Zeitpunkt nicht wahrscheinlich ist. Dennoch können sich diese Konflikte zu einer offenen Konfrontation zwischen den Streitkräften der verschiedenen Mächte entwickeln – nicht nur zwischen den USA und dem Iran. So hat Russland jetzt beispielsweise eine Militärbasis in Syrien eröffnet, die sich in der Nähe eines angeblich unter US-Schutz stehenden Gebietes befindet, während die Türkei Truppen nach Libyen schickt.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich dies auswirken kann. Entweder die verschiedenen Mächte und Kriegsherren behalten die Kontrolle und die Situation verschlechtert sich noch weiter, so dass die Region in wachsender Armut und anhaltenden interethnischen und interimperialistischen Konflikten stecken bleibt und die Welt noch mehr terroristischen Aktionen ausgesetzt ist.

Oder eine andere Kraft, die in den letzten Monaten in der Region ihre Muskeln spielen ließ – die Arbeiter*innenklasse – kann eingreifen, um dies zu verhindern. Die jüngsten Ereignisse im Irak, Iran, Libanon und anderswo haben gezeigt, welches Potenzial die Arbeiterklasse besitzt, wenn sie vereint und entschlossen handelt und sich weigert, sich von einer der imperialistischen Mächte – ob USA oder Iran – vereinnahmen zu lassen, um ihre eigene, unabhängige und internationalistische Position vertreten zu können.

Wir sagen:

  • Nein zur imperialistischen Intervention im Nahen Osten, für den Abzug der US-amerikanischen, französischen, britischen, russischen und aller anderen ausländischen Truppen aus der Region und für die Nichteinmischung der nationalen Regierungen in die Angelegenheiten der Nachbarn;

  • Für die volle Unterstützung der Protestbewegungen im Irak, Iran, Libanon und anderswo in ihrem Kampf gegen Armut, Korruption und ethnische Spaltung;

  • Für den Aufbau einer massenhaften Antikriegsbewegung in den USA und international, die sich mit den Aufständen der Arbeiter*innen und der Jugend in der Region solidarisch zeigt;

  • Für die Einheit der Arbeiter*innen und Jugendlichen in der gesamten Region, um die prokapitalistischen Regierungen zu stürzen, die auf ethnischer Spaltung und Konflikten basieren und diese fördern, und ihre Ersetzung durch wirklich demokratische Regierungen der Arbeiter*innen mit einem sozialistischen Programm zur Beendigung von Armut, Korruption und autoritärer Herrschaft – für eine demokratische sozialistische Föderation des Nahen und Mittleren Ostens mit vollen demokratischen und nationalen Rechten für alle Völker und Minderheiten.

 

Sechs mal größer als die Brände im Amazonas

Interview mit einem australischem Aktivisten

Wir sprachen am 4. Januar mit JEREMY TROTT, aktiv in der Klimabewegung in Melbourne und Mitglied von Socialist Action, der Schwesterorganisation der SAV in Australien. 

Die Brände in Australien sind die schlimmsten seit Jahrzehnten. Viele haben das Bild des Kindes mit Gasmaske gesehen, das in einem Boot vor einem rot-schwarzen Himmel sitzt und auf seine Evakuierung wartet. Kannst Du die Dimension dieser Katastrophe beschreiben?

Die Dimension dieser Katastrophe ist kaum zu begreifen. Das verbrannte Gebiet ist bereits sechsmal größer als die Brände im Amazonasgebiet im letzten Jahr. Mehr als ein Dutzend Menschen sind gestorben. In Canberra ist mitten in der Stadt, weit weg von den Feuern, eine Frau an den Folgen einer Rauchvergiftung gestorben. Dies ist das erste Mal, dass die Brände in Australien alle Bundesstaaten gleichzeitig betreffen. Buschfeuer sind seit jeher ein Teil der australischen Ökologie und der Sommer ist traditionell Feuersaison, aber diesmal von einem bisher ungekannten Ausmaß. Der Klimawandel hat viel zur Intensität und Dauer der Feuersaison beigetragen. Die Feuer sind so groß, dass die Meteorologen nicht mehr vorhersagen können, aus welcher Richtung der Wind wehen wird, weil die Brände aufgrund der Dichte der in die Atmosphäre freigesetzten Stoffe ihr eigenes Wetter erzeugen. Du hast das Bild dieses Kindes mit Gesichtsmaske in Mallacoota erwähnt – wir erleben derzeit die größte Evakuierungswelle in der australischen Geschichte, noch nie zuvor mussten Menschen in so großem Umfang vor Buschbränden fliehen. 

Wie viele Menschen mussten evakuiert werden?

Dies ist eine humanitäre Krise. Die Evakuierungszone umfasst den Großteil der südlichen Küste von New South Wales und weite Teile des Ostens Victorias. Schnellstraßen sind von Autokolonnen blockiert. In vielen Orten gibt es kein Benzin oder andere grundlegende Güter mehr. In Mallacoota zieht sich die Evakuierung der vor dem Feuer an den Strand geflüchteten 4000 Bewohner*innen schon seit Silvester hin. Das Marineschiff, welches zuerst vor Ort sein konnte, hat für die Rettung der ersten 1000 Menschen drei Tage gebraucht. Die Feuer sind nun nach Tagen an Mallacoota vorbeigezogen und die Menschen beginnen mit der Schadenserfassung. Zehntausende warten in anderen Teilen von Victoria und New South Wales noch auf die Evakuierung. Viele können aus verschiedenen Gründen jedoch nicht gehen, zum Beispiel weil sie große Tierherden vor den Flammen zu verteidigen versuchen.

Neben den Menschen, die unmittelbar von den Feuern bedroht sind, sind auch einige der größten australischen Städte von starkem Rauch betroffen. Kommt es oft vor, dass Städte wie Sydney von den Buschbränden beeinträchtigt werden?

Diese Feuer sind einzigartig, weil sie unmöglich zu ignorieren sind. Es gab schon früher verheerende Buschfeuer in Australien, zum Beispiel vor zehn Jahren in Victoria, die Black Saturday Brände. An diesem Tag war Melbourne in Rauch gehüllt, wegen der starken Buschfeuer in der Region. Nach zwei oder drei Tagen entspannte sich die Situation und das Leben in der Innenstadt lief wieder normal. Dieses Mal sind Sydney und Canberra schon seit Wochen in Rauch gehüllt. Der Rauch ist so stark, dass er in der Innenstadt in Häusern Feueralarme ausgelöst. Hunderte von Büros mussten geräumt werden. Eine Situation, die hier viel durch die Medien ging, war der Moment, als der Premierminister Scott Morrison eine Pressekonferenz über von ihm angestrebten diskriminierenden Gesetze zu “Religionsfreiheit” hielt – das Thema Buschfeuer vermied er völlig – und die Pressekonferenz abgebrochen werden musste, weil von draußen Rauch in den Raum drang. 

In der Vergangenheit waren Buschfeuer etwas, worüber sich Menschen in ländlichen Gebieten Sorgen machen mussten. Jetzt sind die Großstädte direkt betroffen. Die Brände sind immer schwerer zu kontrollieren. Vor zwei Tagen gab es einen Brand in einem Stadtteil von Melbourne, rund vierzig Minuten Fahrzeit von der Innenstadt entfernt. Die Menschen, die in traditionell als sicher geltenden Gebieten leben, erkennen nun, dass sie nicht sicher sind, was eine neue und sehr beängstigende Entwicklung ist. Es wirft Fragen auf.  Wo können Menschen überhaupt noch sicher wohnen? Der erwähnte Brand konnte relativ schnell eingedämmt werden und es sind wenige Häuser zerstört worden, weil er so gut erreichbar war für für die Rettungskräfte. Andere haben weniger Glück.

Internationale Verbreitung fand ein Video, in dem Scott Morrison von Anwohnern einer Kleinstadt beschimpft wird, die sagten, dass sie nur vier Löschwagen haben, um ihren Ort gegen Bränden zu verteidigen. Hätten die Ausmaße dieser Katastrophe verhindert werden können und was ist die politische Dimension der Buschbrände?

Die Eskalation der Buschfeuer ist in gewissem Maße eine unvermeidliche Folge der extremen Wetterbedingungen, die durch den Klimawandel entstanden sind, aber das Ausmaß der Katastrophe hätte durchaus begrenzt werden können. Die Reaktion der Regierung hat die Menschen maßlos enttäuscht und empört. Wissenschaftler*innen in Australien warnen schon seit langem davor, dass uns diese Zustände bald bevorstehen. Zum Beispiel veröffentlichte die Commonwealth Scientific Industrial Research Organisation 2009 einen Bericht, in dem sie davor warnte, dass die extreme Brandgefahr bis 2020 um 65% steigen könnte. Die Regierung hat diesen Bericht ignoriert. 

In Australien wird die Brandbekämpfung auf dem Land fast ausschließlich von Freiwilligen Feuerwehren durchgeführt, die massiv unterfinanziert sind und deren Budgets in den letzten Jahren teilweise noch gekürzt wurden. Sie teilen sich Hubschrauber zur Feuerbekämpfung zwischen Staaten und auch mit den USA. Die Löschflugzeuge werden zwischen den Feuer-Saisons hin und her gereicht. Nun wird durch den Klimawandel die Waldbrandsaison überall länger und während die Löschflugzeuge noch in Kalifornien eingesetzt wurden, begann es bereits vielerorts in Australien zu brennen. Tatsächlich wurde die Regierung auch davor gewarnt. Die Regierung hätte genügend Zeit gehabt, sich auf diese Situation vorzubereiten. Stattdessen gab sie Milliarden von Dollar für Dinge wie neue U-Boote für die Marine aus.

Die australische Regierung ist in der Hand der Kohleindustrie, diese erhält jährlich 29 Milliarden australische Dollar an Subventionen. Der konservative Premierminister Scott Morrison ist als Klimawandel-Leugner bekannt. Jetzt ist er mit breiter Kritik konfrontiert, wegen seines Umgangs mit der Feuerkrise. Wie äußert sich das? 

Ja, Scott Morrison ist seit Jahren ein Verfechter der Kohleindustrie. Australien ist der weltgrößte Exporteur von Kohle. Kohle macht 15% der australischen Exporte aus. Und die Kohleindustrie hat eine Menge Kontrolle über die beiden großen politischen Parteien und das gesamte politische Establishment. Heutzutage ist es für Scott Morrison nicht mehr so einfach, den Klimawandel vollständig zu leugnen, aber er leugnet stattdessen dessen Ausmaß. Der Klimawandel sei „nur ein Faktor“, der diese Buschfeuer beeinflusst. Was technisch gesehen wahr ist, aber viel über ihn und seine Regierung aussagt. Eine Sache die viele Menschen getroffen hat, war die Ignoranz der Regierung gegenüber wiederholten Aufrufen durch Rettungskräfte und öffentliche Personen, sich Diskussionen zu stellen, darüber wie der Klimawandel zu den Feuern beiträgt und was gegen die Brände unternommen werden muss. Das führte dazu, dass sich wichtige institutionelle Autoritäten offen gegen die Klimapolitik der Regierung ausgesprochen haben. Scott Morrison ist neben seiner Klimapolitik und seiner Einstellung zu Kohle auch wegen seines ignoranten Verhaltens in der gesamten Krise kritisiert worden. Das ist es, was die Menschen wirklich sauer macht. Die Regierung wurde aufgefordert, freiwillige Feuerwehrleute zu bezahlen, weil viele der Ehrenamtlichen (oft unbezahlten) Urlaub nehmen um in dieser Krise zu helfen. Arbeitslosen freiwilligen Feuerwehrleuten wurde das Arbeitslosengeld gestrichen, weil sie während ihrer Einsätze bei der Brandbekämpfung nicht ihren Auflagen nachkamen. Die offizielle Antwort der Regierung war: Freiwillige Feuerwehrleute sind doch gerne draußen bei Löscheinsätzen aktiv, und das war schon immer so, und sie hätten nicht vor, sie zu bezahlen. Unter Druck hat die Regierung nun sehr begrenzte Zahlungen zugesagt, aber immer noch völlig unzureichend.

Es gab im Dezember Proteste und kleinere Streiks in Sydney. Gibt es Potenzial für Gegenwehr? Werden Menschen durch diese Situation politisiert?

Ja unbedingt! Viele Leute, die ich persönlich kenne, die bisher unpolitisch waren, äußern sich in den sozialen Medien über diese Krise und den Klimawandel. Die Leute ziehen sehr direkte Schlüsse über die Verantwortung der Regierung für die Krise. Hier nur einige Indikatoren, die zeigen, welche Form dies annimmt: In Sydney marschierten im Dezember 40.000 Menschen in einer Protestaktion und forderten Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Finanzierung der Feuerwehr. Nationale Proteste sind nun für den 10. Januar geplant. Viele Millionen Dollar wurden für die Buschfeuerhilfe gespendet. Eine durch einen Prominenten organisierte Spendenaktion sammelte innerhalb 24 Stunden mehr als zehn Millionen Australische Dollar, die durchschnittliche Spende betrug 40 Dollar.

Das sagt viel aus über die Großzügigkeit der Menschen aus der Arbeiter*innenklasse. Das steht ganz im Gegensatz zu den Eigeninteressen der Regierung und der Unternehmen, die zu dieser Krise beigetragen haben. Das Potential für Gegenwehr ist enorm. Das Hauptproblem ist jedoch der Mangel an Führung, insbesondere von der organisierten Arbeiter*innenbewegung, von den Gewerkschaften. Es hat zwar in kleinem Umfang Arbeitsniederlegungen gegeben, aber sie waren wenig koordiniert. Das war Mitte Dezember, als die Luftqualität in Sydney schlechter war als in Neu-Dehli, der am stärksten verschmutzten Stadt der Welt. Gewerkschaften warnten, dass es unter diesen Bedingungen für die Arbeiter nicht sicher sei, im Freien zu arbeiten. Es gab eine Reihe von Arbeitsniederlegungen, vor allem von Hafenarbeiter*innen, Elektriker*innen und Bauarbeiter*innen. Einige gewerkschaftliche Basismitglieder hatten die Initiative ergriffen.

Ich denke, dass dies ein guter Anfang ist, aber es braucht koordinierte Mobilisierung durch die Gewerkschaften. Vielleicht ein stadtweiter, zentral organisierter Ausstand aller Beschäftigten, die im Freien arbeiten müssen. In Australien gibt es sehr restriktive Gewerkschaftsgesetze, und es ist illegal für Gewerkschaften außerhalb von Tarifverhandlungen (die nur alle drei bis fünf Jahre stattfinden) und abgesehen von sehr begrenzten Umständen zu Streikaktionen aufrufen. Darum geschahen diese Arbeitsniederlegungen im Rahmen des Arbeitsschutzes. Selbst dann wurden jedoch einige Hafenarbeiter*innen mit einer Geldstrafe belangt und ihr Arbeitgeber strich ihnen das Weihnachtsgeld dafür, dass sie an einem Tag, an dem die Stadt in Rauch eingehüllt war, aufgehört hatten zu arbeiten. Als Reaktion darauf hätten die Gewerkschaften Solidaritätsaktionen organisieren müssen. Aber soweit ich weiß, haben im neuen Jahr keinerlei Aktionen mehr stattgefunden.

Welche unmittelbaren Maßnahmen wären notwendig, um die Feuerkrise einzudämmen?

Das ist eine Frage, die teilweise schwer zu beantworten ist. Das Ausmaß der Feuer ist so enorm, dass einige von ihnen als unkontrollierbar eingestuft sind. Einige werden in unmittelbarer Zukunft nicht gelöscht werden können. Es geht also mehr um die Frage, wie möglichst viele Menschen sicher evakuiert werden können und darum möglichst viele bebaute Grundstücke zu schützen.

Ich denke, dringend notwendig ist es, Löschflugzeuge aus anderen Ländern her zu bringen. Die Regierung wurde außerdem dazu aufgefordert, die Kräfte, aber vor allem die logistischen Ressourcen der Armee für die Evakuierung einzusetzen. Viele Orte wurden auch von der Versorgung abgeschnitten. Versorgungszüge müssen eingesetzt werden, vor allem auch um Wasser in von Dürre betroffenen Orte zu bringen, die derzeit schon ihre Trinkwasservorräte zum Löschen verwenden. Die Feuerwehr muss ausgestattet und aufgebaut werden. Freiwillige Feuerwehrleute müssen bezahlt werden, damit mehr Leute es sich leisten können an den Einsätzen teilzunehmen. Mehr Feuerwehrleute müssen rekrutiert werden. Ich bin natürlich kein Experte, die Rettungsdienste können bestimmt noch mehr notwendige Maßnahmen nennen. Eines ist jedenfalls sicher, diese Feuer werden uns noch einige Monate, wahrscheinlich bis spät in den Herbst hinein beschäftigen. Auch wenn all die genannten Maßnahmen eingesetzt würden. Dennoch: Eine Regierung, die die Bekämpfung der Feuer als oberste Priorität ansehen würde, würde zum Beispiel sofort sämtlich Subventionen an die Kohl-Konzerne stoppen, ebenso sämtliche Rüstungsausgaben und das eingesparte Geld für Personal und Technik zur Bekämpfung der Brände und deren Folgen einsetzen.

Wie kann die Regierung dazu gebracht werden, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen?

Um ernsthafte Maßnahmen gegen die Buschfeuer zu erwirken muss immenser Druck auf die Regierung ausgeübt werden. Dies ist eine Regierung, die bereits gezeigt hat, dass sie sich nicht um die Menschen der Arbeiter*innenklasse schert. Sie kümmert sich nicht um die Folgen der Klimakrise und sie wird nicht handeln, bis sie durch eine massive landesweite Bewegung dazu gezwungen wird. Ich glaube, die Demonstration von 40.000 im Dezember in Sydney war ein sehr guter Anfang, auch die Arbeitsniederlegungen. Das ist etwas, das den Weg nach vorn weist und auf dem man aufbauen muss. Der Protest am 10. Januar wird hoffentlich sehr groß sein. Er sollte dann genutzt werden, um eine größere und besser organisierte Massenbewegung aufzubauen, welche die Schulstreikbewegung und Gewerkschaften zusammenbringt.

Was ich wirklich für notwendig halte, ist dass die kollektive Macht der Menschen aus der Arbeiter*innenklasse deutlich wird. Sie haben die Möglichkeit, die Wirtschaft stillzulegen. Ich denke, dass man so die Regierung dazu zwingen könnte, mehr Mittel bereitzustellen und zu beginnen, das Grundgerüst einer Nothilfe zu koordinieren, was schon vor Monaten hätte geschehen sollen. Aber letztendlich ist dies eine Krise, die nicht  innerhalb des Rahmens des Kapitalismus behoben werden kann. Wir wissen, dass der Klimawandel die Zustände nur verschlimmern wird. Wir werden wahrscheinlich in den nächsten Jahren, mit ähnlichen Bränden konfrontiert werden. Und diese Probleme werden eskalieren, wenn der Klimawandel zunimmt. Also müssen wir anfangen, nicht nur darüber zu reden, wie wir die Kohlendioxid-Emissionen Australiens reduzieren können.

Sozialistische Forderungen drängen sich hier auf: Wir müssen dafür kämpfen, die Kontrolle über die Kohle- und Ölindustrie zu erlangen. Das erfordert diesen Unternehmen in öffentliches Eigentum zu überführen, damit sie auf kürzestem Wege stillgelegt werden können, damit die Arbeiter umgeschult werden können, um in nachhaltigen Industrien arbeiten zu können, damit es einen schnellen Übergang zu erneuerbaren Energien geben kann, mit einem Energiesektor under Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung. Aber auch, damit wir mit der Transformation beginnen können, die für die Anpassung an den Klimawandel notwendig sein wird. Wir sind längst über den Punkt hinaus, über die vollständige Eindämmung des Klimawandels zu sprechen. Er findet gerade jetzt statt, und ich denke, es stellt sich die große Frage, welche Infrastruktur wir brauchen werden, um uns an die Herausforderungen, die der Klimawandel für uns schafft, anzupassen. Ich glaube, keine dieser Fragen ist einfach, und es wird eine große gesellschaftliche Debatte und eine demokratische Umstrukturierung der Wirtschaft erfordern, damit wir unsere Ressourcen so gut wie möglich einsetzen können, um uns so schnell wie es geht an diese massiven und beängstigenden Veränderungen anzupassen.

 

Hong Kong: Warum Xi zittert

Das Regime in China fürchtet, dass die Bewegung in Hong Kong auch Proteste am Festland befeuert.
Oliver Giel

Das chinesische Regime verbreitet das Märchen, die USA würde eine Revolution steuern, um China zu schwächen. Damit will es verhindern, dass die Bewegung in Hong Kong die sozialen Widersprüche in China selbst befeuert.

Die nächste Wirtschaftskrise kündigt sich an und die Lebensmittelpreise steigen. Entsprechend regt sich auch auf dem Festland Widerstand. Hier wird die nationalistische Propaganda einer ausländischen Verschwörung noch absurder - sind es doch maoistische Studierende, die die Parteilinie eines „Sozialismus chinesischer Prägung“ kritisieren, während die „Kommunistische“ Partei die Verschmelzung des chinesischen Kapitals mit multinationalen Konzernen vorantreibt.

In Xinjiang wehrt sich die uighurische Volksgruppe gegen kulturelle Unterdrückung, etwa die Zerstörung jahrhundertealter Friedhöfe, und wird dafür tausendfach in Arbeitslager gesperrt. Ein Erfolg der Bewegung in Hong Kong würde der arbeitenden Klasse auf dem Festland vor Augen führen, dass die Machtclique um Präsident Xi nicht so unbesiegbar ist, wie sie es behauptet.

Da wundert es nicht, dass regimetreue Schlägerbanden Jagd auf ihre Gegner*innen machen Das Büro der „Sozialistischen Aktion" (Hongkonger Schwesterorganisation der SLP) wurde am 17. 10. zum wiederholten Male überfallen, 20.000 Hongkong-Dollar (etwa 2300 €) sowie sechs Computer und anderes Equipment wurden gestohlen.

Hier werden Spenden gesammelt: http://gofundme.com/f/hong-kong-robbery-at-socialist-actions-office

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen - Griechenland - Belgien - Irland

Never Again!

Vor 6 Jahren wurde in Athen der Antifaschist Pavlos Fyssas von den faschistischen „Goldenen Morgenröten“ (GM) ermordet. Der Prozess gegen die Mörder geht dem Ende zu. Unsere Schwesterorganisation Xekinima kämpft dafür, dass GM nicht nur vor Gericht, sondern auch auf den Straßen besiegt wird. Sie organisierte mit linken Organisationen eine Demo, welche Pavlos‘ Mutter anführte.

http://net.xekinima.org

14€ Mindestlohn

Kürzungen im Sozial- & Bildungsbereich führen dazu, dass die Frauen verstärkt die Pflege und Erziehung übernehmen müssen. Auch werden gezielt Frauen in die Teilzeitarbeit gedrängt. Deswegen formiert sich gerade in Belgien ein Protest unter dem internationalen Banner der sozialistisch-feministischen Kampagne ROSA. Die Aktivist*innen betonen, dass der Kampf gegen Sexismus auch ein Kampf gegen finanzielle Abhängigkeit ist. Deswegen lauten die Forderungen: 14€ Mindestlohn, Erhöhung des Arbeitslosengeldes über die Armutsgrenze und eine Mindestpension von 1.500€. Um das zu erreichen, braucht es eine gewerkschaftliche Front, die Betriebsversammlungen und Streiks organisiert. Es ist notwendig, möglichst viele Arbeiter*innen in den Kampf einzubinden und den Kampf gegen Kürzungen zu verallgemeinern.

http://socialisme.be

My Union! My Choice!

In Irland steht das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung unter Beschuss. Die Verwaltung des irischen Gesundheitsbereichs versucht, den Beschäftigten der Krankentransporte die gewerkschaftliche Organisierung zu erschweren, indem sie die von ihnen gewählte Gewerkschaft (NASRA) nicht anerkennt. Die Beschäftigten und die Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP) wehren sich gegen diese Angriffe. Sie organisieren eine Kampagne, die mithilfe von Kundgebungen und Unterschriftenlisten auf den Kampf der Beschäftigten aufmerksam macht. Die Arbeiter*innen haben seit Jänner bereits mehrere 10-Stunden-Streiks und einen 24-Stunden-Streik hinter sich. Am 23.10 fand ein internationaler Aktionstag statt. In über 10 Ländern, darunter auch in Österreich, fanden Solidaritätsaktionen statt.

http://nasra.ie

http://socialistparty.ie

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Chile despertó

Philipp K.

„Chile ist erwacht" steht auf den Schildern vieler Menschen, die auf die Straßen des lateinamerikanischen Landes strömen. Und tatsächlich: An einer Fahrpreiserhöhung der U-Bahn in der Hauptstadt Santiago entzündete sich der Unmut großer Teile der Bevölkerung.

Mittlerweile hat das Militär mehrere Menschen ermordet, der Ausnahmezustand mit nächtlichen Ausgangssperren wurde verhängt und der Präsident spricht gar von „Krieg". Die Soldaten auf den Straßen wecken bei vielen böse Erinnerungen an die Zeit unter dem Diktator Pinochet.

Dabei galt das Land bei finanzstarken Investor*innen bisher als „Musterschüler" – also als Garant für fette Profite. Die Regierung des Millionärs Piñera setzt auch in seiner zweiten Amtszeit alle Hebel in Bewegung, es den internationalen Geldgeber*innen im Land gemütlich zu machen. Das Wohl der „kleinen Leute“ bleibt dabei zwangsweise auf der Strecke. So wundert es nicht, dass Chile trotz des höchsten durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der Region von extremer Ungleichheit geprägt ist. Das Wirtschaftswachstum wurde in diesem Jahr auf stolze 2,5 % geschätzt, die aber nur bei einer kleinen Elite ankommen. Die große Mehrheit der Chilen*innen kämpft dagegen täglich ums Überleben. Der Mindestlohn liegt bei mageren 370€ und über 50 % der Beschäftigten hat weniger als umgerechnet 500€ monatlich zur Verfügung – und das bei sehr hohen Lebenshaltungskosten, die auf mitteleuropäischem Niveau liegen. Gerade junge Menschen ächzen unter dem finanziellen Druck, denn ohne teure private Bildung ist im späteren Berufsleben mit keinem halbwegs anständig bezahlten Job zu rechnen. Die Meisten schaffen das nur über Kredite und werden schwer verschuldet ins Arbeitsleben entlassen. Ein menschenwürdiges Leben ist so nicht möglich.

Die Proteste und Aufrufe zum Generalstreik sind daher ein erster, wichtiger Schritt und Teil von Bewegungen und Erhebungen in ganz Lateinamerika. Die Arbeiter*innenklasse braucht jetzt eine revolutionäre Kraft, in der sie ihre Macht kanalisieren kann. Bei der Bewegung gegen Pinochet gab es internationale Solidarität der Arbeiter*innenbewegung – daran müssen wir heute anknüpfen. Der Kapitalismus muss überwunden werden, denn in diesem Wirtschaftssystem kann es kein gutes Auskommen für alle geben!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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