Internationales

Wahlen in Nigeria

Lukas Kastner

Die Präsidentschaftswahlen vom 23.2. und die Gouverneurs- und Regionalwahlen am 9.3. haben die Unzufriedenheit mit Nigerias korrupter kapitalistischer Elite gezeigt. Zwar wurde Muhammadu Buhari vom All Progressives Congress (APC) wiedergewählt – jedoch nur, weil viele die 16 Jahre Korruption und Misswirtschaft der Peoples Democratic Party (PDP) noch im Gedächtnis haben. Nur 35,6% wählten überhaupt. Bei den Gouverneurswahlen konnten der APC seine Gebiete im Norden und die PDP ihre im Süden halten. Aufgrund der ungelösten sozialen Probleme und der ethnischen Zersplitterung auch des politischen Systems sind weitere Konflikte nicht ausgeschlossen.

Den nigerianischen Massen ist klar: Egal welche Vertreter*innen der Herrschenden sie wählen, die Last des kapitalistischen Elends und die Krisen der ölabhängigen Wirtschaft werden auch weiterhin auf sie abgewälzt. Auch die durch die ökonomische Misere angefeuerten Konflikte im Niger Delta, mit Boko Haram oder auch zwischen Hirten und Ackerbauern können von ihnen nicht beendet werden.

Um die Probleme zu lösen, wäre eine ganz andere Partei und eine ganz andere Politik nötig. Es braucht eine Massenpartei der Armen und Arbeiter*innen, die auf Basis eines sozialistischen Programms für die Verteilung des vorhandenen Reichtums des Landes auf alle kämpft. Um dies voranzutreiben, gründete unsere Schwesterorganisation Democratic Socialist Movement (DSM) mit Aktivist*innen u.a. aus Gewerkschaften bereits 2013 die Socialist Party of Nigeria (SPN). Nach jahrelangem Kampf gegen das undemokratische Wahlsystem wurde die Partei 2017 registriert und konnte nun endlich an den Wahlen teilnehmen. Eine der zentralen Forderungen ist die Vergesellschaftung der wichtigsten Sektoren der Wirtschaft. Dies ist notwendig, um zum einen den Reichtum aus dem Öl nicht für die korrupte Elite, sondern für Investitionen in Infrastruktur, Spitäler, Schulen und ordentliche Löhne zu verwenden, aber auch um die Abhängigkeit vom Öl zu durchbrechen. Für Mandate hat es diesmal nicht gereicht - doch gelang es, Unterstützung innerhalb der Gewerkschaften aufzubauen und über 200 neue Mitglieder zu gewinnen. Ein wichtiger Schritt, der nun ausgebaut wird durch die kommende Arbeit der SPN.

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Internationale Notizen

GB: Streiks in Birmingham

Die Beschäftigten der Müllabfuhr, die bereits 2017 gestreikt hatten, taten es am 19./20.2. wieder: Gegen Repression. Es war die Eskalation eines länger andauernden Kampfes - die Gemeinde hatte 2017 Streikende auf eine schwarze Liste gesetzt und Geheimzahlungen für Streikbruch getätigt. Damals ging es um Personalabbau. Ebenfalls gestreikt gegen Kürzungen und Privatisierung haben die Pflegekräfte in Birmingham. Sie hatten 2018 bereits 40 Streiktage gesammelt. Die Arbeitskämpfe wurden vom kämpferischen Betriebsrätenetzwerk NSSN und der Socialist Party (CWI in England und Wales) unterstützt, u.a. durch Solidaritätsaktionen und -veranstaltungen, um die Kämpfe zu verbinden. Die SP fordert, dass sämtliche Kürzungen gestoppt und die Repressionen zurückgenommen werden. 

http://www.socialistparty.org.uk

 

Quebec: Löhne&Inflation

Die Delegierten der Gesundheitsgewerkschaft FSSS fordern für die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen für die 90.000 Beschäftigten im Gesundheitssektor in Quebec/Kanada eine „gleitende Lohnskala“. Diese automatische Anpassung der Löhne und Gehälter an die Inflation (Verhandlungen nur für das darüber hinaus) gab es bis in die 1980er Jahre. Die jetzige Initiative wurde von SECHUM eingebracht, einer Gewerkschaft von Spitalsbeschäftigten in Montreal, wo Socialist Alternative (CWI in Quebec) seit mehreren Jahren aktiv ist. Die jahrelange Kampagne von SA für einen Mindestlohn von 15 Dollar und automatische Inflationsabdeckung erhielt 22.000 Unterschriften. Die Gewerkschaftsführung versucht, die Forderungen zu verhindern, doch diese werden nun unter den Beschäftigten diskutiert.

http://www.alternativesocialiste.org

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Die EU, für Banken und Konzerne

Auch wenn es widersprüchlich scheint - je länger die EU besteht, desto mehr Nationalismus entsteht.
Georg Kumer

Wachsender Nationalismus liegt weniger an Flüchtlingspolitik oder Brüsseler Bürokratie, sondern hat v.a. wirtschaftliche bzw. soziale Gründe. Die EU ist als Ganzes so ausgelegt, dass v.a. große Konzerne profitieren. Sie ist keine „Sozialunion“, sondern setzt auf Kürzungspolitik – je schwächer die Wirtschaft, um so brutaler. Insbesondere der Euro ist ein Schönwetterprojekt, das mit der Krise die Gegensätze zwischen den Staaten deutlicher zeigt. Die stärksten Wirtschaftsnationen haben profitiert: Seit der Euroeinführung hat Deutschland 1,9 Billionen gewonnen, Frankreich 3,6 und Italien 4,3 Billionen verloren. Kein Wunder, wenn sich die Menschen in Italien, Griechenland oder Spanien fühlen, als ob sie Kolonien Deutschlands wären. Griechenland wurde zur Profitsicherung deutscher und französischer Banken geplündert, die Leute in Armut gestürzt. Das gibt nationalistischer Stimmung Auftrieb. Nicht vergleichbar aber sind der rassistische, prokapitalistische Nationalismus rechter und rechtsextremer Parteien wie Fidesz oder Vox mit jenem in Schottland oder Katalonien, der die Unabhängigkeit als Möglichkeit für sozialere Politik und nicht für mehr Abschottung sieht.

Die EU ist also nicht der Schutz vor Nationalismus oder Konflikten zwischen den Staaten, sondern Teil der Ursache. Sie ist kein Friedensprojekt, wie die Beteiligung an imperialistischen Kriegen zahlreicher EU Staaten zeigt. Der Aufbau einer EU-Armee dient dazu, besser die geostrategischen Interessen des europäischen Kapitals umzusetzen. Auch Menschenrechte werden mit Füßen getreten, wie die unzähligen Toten im Mittelmeer zeigen oder die Kooperation mit brutalen Diktaturen, wenn man sich Vorteile verspricht.

Die Alternative zur EU der Banken und Konzerne ist nicht die Rückkehr zum Nationalstaat auf kapitalistischer Grundlage, das würde nur zu weiteren Sparpaketen für die Wettbewerbsfähigkeit führen. Die Alternative ist ein sozialistisches Europa, nicht für den Profit der Konzerne, sondern die Bedürfnisse der Menschen.

 

EU-Freiheiten - für wen?

Der freie Kapitalverkehr ermöglicht das Verschieben beliebig großer Summen innerhalb der EU. Die Unternehmen können investieren, wo sie am meisten Profit machen, am wenigsten Steuern zahlen oder die Löhne am niedrigsten sind. Länder können gezwungen werden, Teile staatseigener Unternehmen zu verkaufen, da sonst das Recht, Kapital in diesem Bereich zu investieren, unterlaufen wird. 

Durch den freien Personenverkehr kann jede*r in dem EU Land arbeiten, in dem man möchte. Verkauft als Schritt zu einer freieren Gesellschaft, dient das oft zum Lohndumping oder der Unterwanderung von Arbeitsrechten, z.B. durch Subunternehmer auf Baustellen. Hier haben die Gewerkschaften versagt, für einen echten Mindestlohn und gute Arbeitsbedingungen für alle hier lebenden zu kämpfen.

Der freie Warenverkehr begünstigt neoliberale Politik wie Lohnkürzungen und längere Arbeitszeiten. Es setzt sich durch, wer am profitabelsten produziert, also am wenigsten zahlt für Löhne, Umweltschutz und Arbeitssicherheit. Höhere Auflagen in einem Land werden so ganz legal durch die EU unterwandert, das führt zu einer Anpassung nach unten zu Lasten von Beschäftigten und Umwelt.

Auch der freie Dienstleistungsverkehr bietet den Unternehmen die Möglichkeit, Löhne, Arbeitsrechte und andere Vorgaben zum Schutz der Beschäftigten zu unterlaufen. Durch scheinselbständige Arbeitsverhältnisse müssen zB. in der Bau-, oder Logistikbranche in Europa zehntausende unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu einem Hungerlohn schuften – und das Ganze mit dem Segen der EU.

 

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Vor 30 Jahren

Ali Kropf

Fans des FC Liverpool sind am 15.4.89 beim FA Cup in Hillsborough/Sheffield. Die Polizei leitet sie im alten Stadion in einen völlig überfüllten Block. Massenpanik bricht aus. Erst als es einigen gelingt, sich aufs Spielfeld zu retten, wird das Spiel unterbrochen und die Tore geöffnet. 94 Menschen sind bereits tot. Rechte Presse und Tory Regierung unterstellen, dass helfende Polizisten angegriffen, auf Tote uriniert und sterbende Frauen vergewaltigt werden. Erst nach 23 Jahren zeigt ein Untersuchungsbericht die wirklich Schuldigen in Polizei und Politik. Auch heute „testet“ die Polizei Repressionsmaßnahmen an Fußball-Fans, wie im Kessel beim Wiener Derby im Dezember.

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5 Gründe warum die UNO kein Friedensprojekt ist

Stefan Brandl

Undemokratische Zusammensetzung. Die UNO besteht mittlerweile aus 193 Mitgliedern in der Generalversammlung. Mitspracherecht (und gegenseitiges Vetorecht) haben seit der Gründung 1945 aber nur die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA). Demokratische Entscheidungen gibt es nicht.

Kriegsmandate. Entgegen der Meinung, dass die UNO ein Friendensprojekt ist, sind schon seit den 1950er Jahren Mandate für militärische Einsätze (Koreakrieg, drei Golfkriege, Ex-Jugoslawien, …) erteilt worden. Diese Interventionen richten sich nach den Interessen (z.B. Öl) der Großmächte des Sicherheitsrates.

Auslöser von Ungleichheit. Institutionen wie der IWF oder die WTO sind eng mit der UNO verwoben und sorgen maßgeblich für wirtschaftliche Ungleichheit, Armut und Ausbeutung. Dabei werden Umweltfaktoren wie Tierschutz oder Reinhaltung der Luft als „Handelshemmnisse“ eingestuft.

Ablenkung und Illusionen. Nebenorgane der UNO wie das Kinderhilfswerk (UNICEF) oder UNO-Botschafter*innen kritisieren Armut, Frauenunterdrückung oder Umweltzerstörung – Missstände, an denen die UNO Mitschuld trägt. So wird ein kritisches Mäntelchen umgehängt, um Menschen vom wirklichen Kampf gegen die Ungerechtigkeit abzuhalten!

Institution des Kapitalismus. Die UNO ist eine Organisation, wo die Herrschenden versuchen, ihre Profit- und Machtinteressen international abzustimmen. Es wird versucht, eine Rechtfertigung zu schaffen und sich moralisch zu legitimieren. Kriege werden so nicht verhindert. Frieden kann so nie geschaffen werden.

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Deutschland: Mieter*innen im Widerstand

Das Gespenst von Enteignung und Sozialismus geht um!
Ursel Beck, Aktivistin in Mieter*inneninitiativen, SAV Stuttgart

In deutschen Städten fehlen derzeit eine Million Wohnungen. Gleichzeitig stehen zwei Millionen Wohnungen - davon viele aus spekulativen Gründen - leer. 600.000 baureife Bauplätze bleiben aus spekulativen Gründen unbebaut. Die Mieten explodieren. Hohe Mieten gelten in den Städten als Armutsrisiko Nummer Eins.In Deutschland formiert sich eine Mietenbewegung. Bei vielen Wohnungsgesellschaften gibt es Mieter*inneninitiativen, die angefangen haben, sich bundesweit zu vernetzen. Breite Bündnisse von Mieterinitiativen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden haben große Demonstrationen organisiert. Die größten Demonstrationen gegen den Mietenwahnsinn gab es 2018 in Berlin und München mit 25.000 bzw. 11.000 Beteiligten. Am 6. April 2019 gibt es in Berlin, Köln und Stuttgart erneut Demonstrationen. Am selben Tag startet in Berlin das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Es fordert die Enteignung aller privaten Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen. Nach einer repräsentativen Umfrage unterstützen in Berlin 54,8% der Bevölkerung die Enteignung von Großvermieter*innen. Immobilienhaie und bürgerliche Presse wittern die „Rückkehr des Sozialismus“.

Die Mietenproteste und die Forderung nach Enteignung sind die Reaktion darauf, dass Wohnungen im neoliberalen Kapitalismus zum Spekulationsobjekt verkommen sind und die Mieten explodieren. Der Finanzmarkt kontrolliert den Wohnungsmarkt. Mehr als eine Million Wohnungen in Deutschland befinden sich inzwischen unter der direkten Kontrolle von finanzmarktorientierten Fondsgesellschaften und Börsenkonzernen. Das ist das Ergebnis des Verkaufs von Wohnungen, die einst im Eigentum des Bundes, der Länder und der Kommunen oder als Werkswohnungen im Besitz von Unternehmen waren. Eine Folge davon war, dass sich die VONOVIA innerhalb von nur zwanzig Jahren aus dem Nichts zum größten deutschen Immobilienkonzern aufbauen konnte und inzwischen auf Einkaufstour ins europäische Ausland geht. Letztes Jahr hat sich die VONOVIA die österreichische, ehemals staatliche Wohnungsgesellschaft Buwog mit 49.000 Wohnungen für 5,2 Milliarden Euro unter den Nagel gerissen. Die Buwog-Mieterinnen werden nun ebenfalls zu Opfern der aggressiven renditeorientierten Geschäftspolitik der VONOVIA und sollten sich dagegen wehren und organisieren. 2018 hat die VONOVIA ihren Gewinn um 15,8% auf 1.07 Milliarden Euro gesteigert. Von jedem Euro Miete flossen 38 Cent an die Aktionär*innen.

Die zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Proteste und erst recht das Berliner Volksbegehren zur Enteignung haben die Themen Wohnungsnot, Mietenwahnsinn und Gentrifizierung zu einem zentralen öffentlichen Thema gemacht. Politik und Immobilienunternehmen sind unter Druck. Allerdings gab es bisher nur kosmetische Veränderungen und Absichtserklärungen. Die Mieten steigen weiter, Menschen werden weiter aus ihren Quartieren vertrieben. Häuser mit erhaltenswerter Bausubstanz und noch bezahlbaren Mieten werden zugunsten von Eigentums- oder teureren Mietwohnungen abgerissen. Modernisierungen bleiben für die Vermieter*innen Gelddruckmaschinen und, weil sie die Mieten erhöhen, Horror für die Mieter*innen. Der Widerstand muss deshalb noch größer, breiter, lauter und entschlossener werden. Nach lokalen und regionalen Demonstrationen wäre eine bundesweite Großdemonstration gegen den Mietenwahnsinn in Berlin ein wichtiger Schritt im weiteren Aufbau einer bundesweiten Mieter*innenbewegung. In Mieterinitiativen wird bereits über die kollektive Weigerung von Mieterhöhungszahlungen diskutiert.

Die Partei DIE LINKE hat das Thema Wohnen zu einem Kampagnenschwerpunkt gemacht. Im April 2018 hat der Parteivorstand DIE LINKE auf Antrag des Parteivorstandsmitglieds und SAV-Mitglieds Lucy Redler und weiteren Mitgliedern der Antikapitalistische Linken (linkes Bündnis in der LINKEN, Anm.) die Forderung nach „Überführung der VONOVIA in Gemeineigentum durch Enteignung“ beschlossen. Entschädigung soll es nach diesem Beschluss nur für Kleinaktionär*innen geben. Am 11. März 2019 war Lucy Redler als Vertreterin von DIE LINKE in die ARD-Talkshow „hart aber fair“ eingeladen und konnte vor einem Millionenpublikum für die Enteignung argumentieren.

In verschiedenen Städten sind SAV-Mitglieder in der Mietenbewegung aktiv. Wir setzen uns in DIE LINKE dafür ein, dass die Partei eine aktive Rolle dabei spielt, die Mietenbewegung weiter aufzubauen und dabei antikapitalistisches und sozialistisches Bewusstsein schafft. Im April erscheint die SAV-Broschüre mit dem Titel „Keine Profite in der Miete – sozialistisches Programm gegen Wohnungsnot und Mietenwahnsinn“, die ein Programm und eine Kampfstrategie vorschlägt.

http://www.sozialismus.info

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Sozialismus statt Illusion des „Grünen Kapitalismus“

Widerstand ist keine Ware, der Kampf um das Klima keine neoliberale Geschäftsidee.
Philipp Chmel

Die wissenschaftlichen Fakten zur Klimakrise sind seit Jahrzehnten bekannt. Die wirklich notwendigen Maßnahmen, um eine realistische Chance zu haben, das 1,5°C-Ziel von Paris halbwegs einzuhalten, auch: Wir müssen ab sofort alle zehn Jahre den globalen Ausstoß von Treibhausgasen mehr als halbieren und ab 2050 dürfen gar keine Treibhausgase emittiert werden.

Das steht in komplettem Widerspruch zu dem, was die Regierungen unternehmen, nämlich wenig bis nichts. Sie behaupten, dass Umweltschutz und „Wirtschaft“ Hand in Hand gehen könnten, beschwören einen „Grünen Kapitalismus“ und betonen, dass jede*r Einzelne etwas gegen die Klimakrise tun soll. Wenn wir alle Bio kaufen und auf Ökostrom umstellen, schaukeln wir das schon. Da wir natürlich weiter konsumieren sollen, sonst würde ja die Wirtschaft leiden, können wir den CO2-Ausstoß kompensieren, dafür werden z.B. ein paar Bäume in Südamerika gepflanzt (was häufig zu Lasten der lokalen Bevölkerung geht, die von ihrem Land vertrieben wird). Dieser Ablasshandel soll unser Gewissen beruhigen und schützt die großen Konzerne davor, ihre Produktion umzustellen.

Es ist zwar sinnvoll, den Fleischkonsum zu reduzieren (die Produktion von Rindfleisch verursacht 50-mal mehr Treibhausgase als die von Getreide) und wenn möglich Bahn, Öffis und Rad statt Flieger und Auto zu nehmen, aber das ist nicht die Lösung. Der Fokus auf individuelle Konsumentscheidungen lenkt vom wirklichen Problem ab.

Die Klimakrise kann nicht durch „Grünen Kapitalismus“ gelöst werden.Dieser ist der Versuch, die Ursachen eines Problems als dessen Lösung darzustellen. „Grüner Kapitalismus“ ist die Illusion, dass auf Basis der existierenden Marktmechanismen und Warenstruktur ernsthafter Umweltschutz möglich wäre. Es wird so getan, als wäre Umweltschutz ein Zusatzstoff, der jedem Produkt zugefügt werden könnte, ohne die Grundpfeiler, kapitalistisches Wachstum und Profitstreben sowie daraus sich ergebend Planlosigkeit und Überproduktion, zu verändern. In Kombination mit erbarmungsloser Konkurrenz führt das dazu, dass ernsthafter Umweltschutz nicht wettbewerbsfähig ist und damit nicht im nötigen Ausmaß wirksam sein kann. Umweltschutzauflagen werden von den Konzernen angegriffen und solange verwässert, bis sie marktkonform sind. Der Emissionshandel ist das beste Beispiel. Dieser hat u.a. in der EU und Australien großen umweltschädlichen Konzernen durch die Vergabe der CO2-Zertifikate Gewinne und gleichzeitig den Staaten Verluste beschert.

Laut der britischen Zeitung The Guardian sind 100 Konzerne für 71% der globalen Treibhausgasemissionen seit 1988 verantwortlich. Die Regierungen haben kaum Vorschriften und Verbote und keine effektive CO2-Steuer eingeführt. Sie schützen die Konzerne - Wachstum und Profit dürfen nicht in Frage gestellt werden. Das führt zur perversen Situation, dass Österreich und die EU klimaschädliche Industrien mit Milliarden fördern. Allein in Österreich belaufen sich die umweltschädlichen Subventionen auf 3,8-4,7 Mrd. € pro Jahr. Die EU zahlt jährlich Subventionen von 58 Mrd. € für Kohlekraftwerke und durch fehlende Kerosin-Steuern verliert sie Einnahmen von 30-40 Mrd. €. Indirekt bezahlen so wir alle für die Profite der Konzerne und bekommen im Austausch dafür die Klimakrise. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal konservativer-rechtsaußen Regierungen. In Bezug auf den Bau der 3. Piste am Flughafen Schwechat war Ex-Kanzler Kern der Meinung „es könne nicht sein, dass vage Begriffe wie Klimaschutz ein solches Projekt zu Fall bringen.“

Das alles zeigt, dass wir den Regierungen nicht vertrauen können. Sie vertreten nicht unsere Interessen. Diese Einsicht ist besonders wichtig angesichts der aktuellen Klimastreik-Bewegung. Slogans wie „wir streiken bis ihr handelt“ und „Systemwandel statt Klimawandel“ sind griffig und zeigen die zum Teil radikale Haltung der Bewegung. Gleichzeitig gibt es aber auch bei vielen die Hoffnung, dass dieser Systemwandel mit den jetzigen Parteien möglich wäre. Das ist eine Illusion. Der Staat ist nicht neutral, sondern indirekter Ausdruck und Verteidiger der kapitalistischen Verhältnisse.

Die Einhaltung des 1,5°C-Zieles erfordert derart fundamentale Veränderungen von Industrie, Infrastruktur und Landwirtschaft, dass diese bei weitem den Rahmen dessen sprengen, was in diesem System möglich ist. Wir müssen u.a. den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern, die Energieversorgung von fossilen Brennstoffen auf 100% erneuerbare Energien umstellen und die Wirtschaft planen, um Produkte langlebiger und Produktion nachhaltiger zu machen. Um die Klimakrise wirklich zu bekämpfen, brauchen wir ein grundlegend anderes System: Eines, das sich an den Bedürfnissen von Mensch und Natur orientiert und auf allen Ebenen demokratisch organisiert ist. Als erstes müssen die 100 größten Treibhausgas-Emittenten vergesellschaftet und unter demokratische Kontrolle jener gestellt werden, die nicht von Profiten, sondern ganz normaler Arbeit leben. Denn über das, was uns als Gemeinschaft gehört, können und müssen wir auch als Gemeinschaft entscheiden. Nur dann können wir die oben beschriebenen Maßnahmen auch umsetzen.

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Internationale Notizen - Irland - Belgien - USA

Irland: Pflegestreik

 

Rund 40.000 Pflegekräfte und Hebammen streiken in Irland. Seit 2008 wird Personal abgebaut, die Löhne sind niedrig. Die Regierung droht den Streikenden mit Strafen - erfolglos. Die Socialist Party (CWI Irland) und ihre drei Parlamentsabgeordneten verlangen u.a., dass der Gewerkschaftsverband die Solidarität anderer Branchen organisiert sowie eine Ausweitung des Streiks auf den öffentlichen Sektor. Gefordert wird u.a.: Ein Lohn der fürs Leben reicht, Schluss mit Outsourcing, für die Überführung privater Gesundheitseinrichtungen in die Öffentliche Hand sowie für ein öffentliches Gesundheitssystem nach den Bedürfnissen der Menschen, demokratisch geplant durch Beschäftigte und Betroffene, für eine sozialistische, demokratisch geplante Wirtschaft, die das garantieren kann.

http://www.socialistparty.ie


 

Belgien: Generalstreik

Beim Generalstreik am 13. Februar standen Flug-, Bahn- und Busverkehr still. Die meisten Industriebetriebe wurden bestreikt. Es ging um die Kollektivvertragsverhandlungen - die Unternehmen wollen nicht mehr als 0,8% Erhöhung gewähren, und das, nachdem die Regierung massiv die Pensionen angegriffen hatte. Es war der größte Streik seit 2014. Mitglieder von LSP/PSL (CWI in Belgien) waren bei unzähligen Streikposten im ganzen Land mit Zeitungen und Flugblättern präsent. In Gent kam es auch zu Austausch und Vernetzung zwischen Generalstreik und den Klimaprotesten von Schüler*innen und Studierenden. Die Vorschläge von LSP/PSL nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich und v.a. für einen Aktionsplan zur Durchsetzung der nächsten Schritte wurden eifrig diskutiert.

http://www.socialisme.be


USA: Streik

Nach einer Streikwelle von Lehrer*innen 2018 fand im Jänner der bisher größte Streik von Lehrkräften in Los Angeles gegen die Privatisierung von Schulen statt. Nach sechs Tagen Streik errangen sie einen Teilsieg. Socialist Alternative (CWI USA) tritt für eine Ausweitung des Kampfes ein und macht deutlich, dass die Demokraten keine Bündnispartner sind, da sie genauso kürzen.

http://www.socialistalternative.org

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Das Sterben im Mittelmeer

Christine Franz

Seenotrettung wird von der EU systematisch kriminalisiert. 2018 sind offiziell knapp 3000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Starben 2015 im Juni 0,2 % der Menschen auf der Überfahrt, so waren es 2018 bereits 5 %. Dieser Anstieg ist in der Abschottungspolitik der EU begründet. Seenotrettungsschiffe verlieren ihre Flagge oder müssen wochenlang vor der Küste Europas warten, bis sie mit geretteten Flüchtlingen anlegen dürfen. Zuletzt erst war kein einziges Seenotrettungsschiff mehr aktiv.

Die EU arbeitet auch mit der libyschen Küstenwache zusammen, die dabei zusieht, wie neben ihren Schiffen Flüchtlinge ertrinken. In Libyen angekommen erwartet die Flüchtlinge dann Versklavung, Vergewaltigung und Organhandel. Die EU, die immer wieder als ein „antinationales Projekt“ dargestellt wird, hat kein Problem damit, dass Flüchtlinge vor ihren Grenzen sterben. Auch Kurz, welcher der libyschen Küstenwache seine Unterstützung zugesichert hat, liegt mit seinem Anti-Flüchtlings-Kurs voll auf EU-Linie. 

Es sind genau die imperialistischen EU-Staaten, die die Herkunftsländer der Flüchtlinge systematisch ausbeuten und somit für die aktuelle Situation hauptverantwortlich sind. Der zynische Gipfel des Eisberges ist es, wenn nun die Vertreter*innen der herrschenden Klasse durch rassistische Politik Flüchtlinge zum Sündenbock machen. Sie wollen von den sozialen Problemen innerhalb der EU ablenken, für die ihre eigene Politik verantwortlich ist. Die Abschottung der Herrschenden funktioniert ohnehin nicht. Menschen, die in ihrem Land nur Krieg und Terror erleben, werden sich auch weiterhin auf den Weg machen.

Als jemand, der selbst seit drei Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, weiß ich, wie wichtig es ist, diese individuelle Hilfe mit dem politischen Kampf zu verbinden. Als einzelne/r kommt man gegen das System nicht an, man scheitert an den Behörden und muss zusehen, wie die eigenen Freund*innen abgeschoben werden. Außerdem braucht es gemeinsame Kämpfe für bessere Lebensbedingungen in den Herkunftsländern. Die kapitalistische Ausbeutung des afrikanischen Kontinents durch Großkonzerne und herrschende Diktaturen werden zu immer mehr Fluchtbewegungen führen. 

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15.3.: Schulstreik gegen Klimawandel

Weder „bessere Politiker*innen“ noch „bewusster Leben“, sondern nur ein Systemwechsel kann das Klima retten!
Phillip Chmel

Am 15.3 haben in über 40 Ländern hunderttausende Jugendliche für radikalen Klimaschutz gestreikt. Von Lehrenden erfährt die Bewegung viel Solidarität. Nun müssen wir den Kampf um Klimagerechtigkeit mit sozialen Kämpfen verbinden. Es gibt auch Solidarität von Gewerkschaften. In Australien hat die National Union of Workers ihre Teilnahme an den Klimastreiks angekündigt und in Belgien ruft die Lehrer*innengewerkschaft zur Unterstützung auf.

Die Klimakrise ist kein isoliertes Problem, dass durch „Grünen Kapitalismus“ zu lösen ist. Grüner Kapitalismus ist der Versuch, die Ursachen des Problems als dessen Lösung darzustellen. Stattdessen brauchen wir ein grundlegend anderes System, das sich an den Bedürfnissen von Mensch und Natur orientiert und demokratisch organisiert ist.

Um das zu erreichen, brauchen wir Streiks die die Wirtschaft treffen, eine breite soziale Bewegung, Forderungen die den Rahmen des Kapitalismus sprengen und eine neue Partei die den Kampf mit uns führt. Du willst mitstreiken? Auf Seite 6 steht, wie‘s geht!

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