Internationales

… und ihre Antwort darauf

Die Alten klagen zwar entsetzlich über die Jugend […], lasst sie […] eigenen Wege gehen (Engels)
Peter Hauer

2019 war die Jugend weltweit auf der Straße. Corona hat zur Zwangspause geführt. Aber rasch wurden Protestformen an Corona angepasst. Beim Wahlkampfauftakt für Trump wurden 1 Millionen Tickets angefragt, aber nur 6.200 Menschen waren vor Ort. Jugendliche hatten sich auf TikTok abgesprochen und gemeinsam Trump sabotiert. BLM ist von Jugendlichen dominiert, fürs Klima waren sie über 1 Jahr lang auf den Straßen. Und trotz Corona haben sich Jugendliche auf der Pride gegen die Unterdrückung von LGBTQ+ Personen gestellt.

In all diesen Protesten beobachten die Jugendlichen sehr genau, was sich in anderen Ländern abspielt, fühlen sich solidarisch und übernehmen Slogans und Methoden. Dieser Internationalismus ist ein wichtiger Faktor. Nun muss das Kämpfen in der Praxis gelernt werden. Das politische Programm ist meistens noch vage, und dort wo konkret, nicht sehr weitgehend – aber es entwickelt sich auch im Kampf weiter. Ein Fortschritt ist, dass viele Teilnehmer*innen an einem Protest diesen mit anderen Themen verbinden und zu einer generelleren Systemkritik kommen. Der nächste Schritt muss von einem gemeinsamen Label zur Organisierung sein. Bisher gibt es keine fixen Strukturen, keine Programmdiskussionen, keinen organisierten Druck. Doch genau das braucht es, um die Bewegungen auf die nächste Stufe zu heben und so dem System den Kampf anzusagen.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Drohende Eskalation im Nahen Osten

Jegliche Annexion im Westjordanland wird eine politische, militärische und soziale Kettenreaktion auslösen
Maavak Sotzialisti (ISA in Israel-Palästina) socialism.org.il

Die Drohung der israelischen Regierung, mit Unterstützung des Trump-Regimes eine Annexion (erzwungene Eingliederung) von bis zu 30% des besetzten Westjordanlandes durchzuführen, stellt einen gefährlichen Wendepunkt im israelisch-palästinensischen Konflikt dar. Sie ist ein schwerer Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht von Millionen Palästinenser*innen. Dem Ganzen liegt ein Konzept im Geiste der Apartheid zugrunde. Die Auswirkungen auf die israelische Klassen-Gesellschaft sind ebenso schwerwiegend. Die Hoffnungen von Millionen israelisch-jüdischen Arbeiter*innen und Armen auf Frieden und Sicherheit werden weiter geschmälert.

Seit dem Krieg von 1967 gibt es immer wieder Morde an Palästinenser*innen im Westjordanland und in Ostjerusalem durch israelische Truppen und rechte Siedler*innen. Demgegenüber dienen die destruktiven Methoden der Hamas, darunter ihre Selbstmordattentate und das wahllose Abfeuern von Geschossen gegen israelische Zivilist*innen der israelischen Rechten als Vorwand, um Unterstützung für Staatsterrorismus und Militäroffensiven zu mobilisieren.

Der jetzigen Koalition ging eine beispiellose politische Krise mit drei Wahlen voraus. Die beiden Blöcke, die nun die Regierung bilden, sind über konkrete Schritte bisher noch uneins. Die herrschende Klasse ist in dieser Frage offen gespalten. Selbst Generäle und hochrangige Beamte stellen sich gegen den ihrer Ansicht nach abenteuerlichen Kurs Netanjahus und Trumps. In den USA fürchtet die Mehrheit der herrschenden Klasse und der Geheimdienste Destabilisierung und dadurch eine Schädigung der Interessen des US-Imperialismus. Allerdings erlaubt der Koalitionsdeal Netanjahu, die Frage der Annexion auf Regierungs- oder Parlamentsebene zu entscheiden. Jegliche Annexion wird den Prozess untergraben, der in den letzten Jahren zu einer Allianz zwischen den zentralen pro-US-arabisch-sunnitischen Regimes (v.a. Saudi-Arabien, Ägypten, VAE) und Israel gegen den Iran geführt hat. Die dortige Diktatur könnte wiederum versuchen, unter dem falschen Vorwand der 'Solidarität' militärisch einzugreifen.

Lediglich 4% der israelischen Bevölkerung betrachten den Annexionsplan als wichtigste Aufgabe der Regierung, während 68% die Wirtschaftskrise nannten. Es gab bereits Proteste auf beiden Seiten der nationalen Spaltung, von muslimischen Palästinenser*innen und jüdischen Israelis. Gleichzeitig wachsen die nationalistischen Spannungen. Das israelische Militär bereitet sich auf eine 'Kriegssituation' vor. Die beiden dominierenden palästinensischen Fraktionen, Hamas und Fatah, warnen vor einem neuen allgemeinen Aufstand ('Intifada'). Eine Aufhebung der Vereinbarungen mit Israel könnte zum Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) führen. Die soziale Situation ist bereits jetzt dramatisch. Durch Pandemie und Krise schätzt die Weltbank eine Verdoppelung der offiziellen Armutsquote in den Enklaven der PA. Mögliche Aufstände der palästinensischen und arabischen Massen würden einer Welle revolutionärer Bewegungen in Algerien, Sudan, Irak und Libanon folgen.

Sozialist*innen in Israel/Palästina kämpfen gegen die Annexion und für eine sozialistische Zweistaaten-Lösung. Das bedeutet:

* Angesichts der tiefen Spaltung braucht es ein Programm, um dem gegenwärtigen Misstrauen entgegenzutreten: für zwei gleichberechtigte demokratische sozialistische Staaten in einer freiwilligen Konföderation mit zwei Hauptstädten in Jerusalem. Selbstbestimmungsrecht für alle & volle soziale und rechtliche Gleichstellung für alle jeweiligen Minderheiten, und zwar in nicht-segregierten Gemeinden.

* Mobilisierung von Arbeiter*innen und Jugendlichen, um den Plan zum Scheitern zu bringen und die israelische Regierung zu stoppen. Gemeinsame Proteste in Israel von Jüd*innen und Araber*innen, um an breitere Teile der Arbeiter*innenklasse zu appellieren und eine Mobilisierung gegen die allgemeine arbeiter*innenfeindliche Agenda der Regierung.

* Errichtung demokratischer Aktions- und Verteidigungsausschüsse in den besetzten Gebieten, um der täglichen Gefahr tödlicher Repression entgegenzuwirken.

* Zusammenarbeit im Kampf von Arbeiter*innen und Armen auf beiden Seiten der Spaltung. Nur das schafft Voraussetzungen für die Überwindung nationalistischer Vorurteile. Kampf gegen rechts-nationalistische sowie antisemitische Elemente, die in die Bewegung einzugreifen versuchen.

* Enteignung der besitzenden Klassen, die hinter der regionalen Militärmaschinerie stehen, um Armut und massive materielle Ungleichheit zu beenden.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Hungerkrise kommt

Hunger ist kein Schicksal – sondern das Ergebnis des kapitalistischen Nahrungsmittelmarktes
Sonja Grusch

Die UN warnt vor der schlimmsten Hungerkrise seit mindestens 35 Jahren. Die Zahl jener, die akuten Mangel an Nahrung haben, wird sich bis Jahresende verdoppeln. Auslöser sind Ernteausfälle durch den Corona-Lockdown und die Klimaveränderungen. Dazu kommen noch Heuschreckenschwärme, Biodieselproduktion etc. Vor allem in den neokolonialen Ländern müssen sich Menschen entscheiden, ob sie verhungern oder sich dem Risiko einer Corona-Infektion aussetzen. Aber auch in reichen Ländern führt die beginnende Wirtschaftskrise dazu, dass Menschen sich nicht ausreichend Ernährung leisten können.

Das liegt allerdings nicht daran, dass es „zu wenig“ Nahrung gäbe. Es ist eigentlich genug da. Kein Mensch auf der Welt müsste Hunger leiden. Doch im Kapitalismus wird Nahrung produziert, um verkauft zu werden – nicht um gegessen zu werden. 70% des Handels mit Getreide, Reis und Mais liegt bei den 4 Unternehmen der ABCD-Gruppe, eine Handvoll Supermarktketten kontrolliert den Weltmarkt: Solange Nahrung dem Profitwahnsinn des Marktes überlassen bleibt, produziert das Hunger trotz Überfluss! Während die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen, verzeichnet Nestlé das größte Wachstum seit 5 Jahren. Eine Milliarde Menschen arbeitet in diesem Bereich, wir alle brauchen Nahrung: Höchste Zeit, die Nahrungsmittelproduktion der Profitwirtschaft zu entziehen und nachhaltig im Sinne der menschlichen Bedürfnisse zu organisieren!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

International: Pfleger*innen im Kampf

Brettros

Der Ausbruch von Covid-19 hat allen deutlich gemacht, wie wichtig die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich sind. Trotzdem leiden sie weltweit unter schlechten Arbeitsbdingungen und niedrigen Löhnen. Gleichzeitig stehen die Beschäftigten in der letzten Zeit an der Spitze der Arbeitskämpfe – und das nicht nur in Österreich.

Im Mai versuchte die belgische Regierung, durch ein “königliches Dekret” Arbeitsplätze im Gesundheitssektor zu flexibilisieren und auszulagern sowie Pflegeaufgaben auf unausreichend ausgebildete Arbeitnehmer*innen abzuwälzen – ganz wie die geplante “Pflegelehre” in Österreich. Ihre Ausrede war, dass dies wegen COVID-19 notwendig sei. Tatsächlich war es ein Versuch, die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor zu verschlechtern, um Kosten zu sparen. Die Beschäftigten stellten sich dagegen. Als Premierministerin Wilmès am 16. Mai das St. Pierre-Krankenhaus in Brüssel besuchte, um zu zeigen, dass sie sich um die "Held*innen" im Kampf gegen die Pandemie “kümmert”, protestierten die Beschäftigten, indem sie ihr den Rücken zukehrten. Zwei Tage später wurde das “königliche Dekret” ausgesetzt.

In den USA spielt die Gewerkschaft National Nurses United (NNU) eine Schlüsselrolle im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal. Schon zu Beginn der Pandemie organisierten Pfleger*innen zahlreiche Proteste für notwendige Schutzausrüstung vor Spitälern, z.B. in New York. NNU hat auch das Thema Covid-19 mit der Black Lives Matter in Verbindung gebracht und erklärt, dass aufgrund der sozialen Ungleichheit Minderheiten einem besonders hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind – und oft in den gefährdetsten Berufen arbeiten. NNU fordert auch, die enormen Polizeibudgets zu kürzen und das Geld in die Finanzierung der Gesundheitsversorgung umzuleiten.

Bei jeder Lockerungsmaßnahme – aber auch bei notwendigen Schutzmaßnahmen im Angesicht einer zweiten Welle – müssen die Beschäftigten des Gesundheits- und Sozialberechs eine zentrale Rolle bei der Entscheidung darüber spielen, was wie geschehen soll. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere gesundheitlichen Interessen über die Interessen der Profite gestellt werden.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen - Hong Kong - Nigeria - Russland

Hong Kong vs. Xi

Das neue Gesetz des chinesischen Regimes verfolgt jegliche „Subversion“. Das heißt: Das Regime zu kritisieren ist verboten, Forderungen nach Selbstbestimmung auch, ebenso wie sogenannter „Terrorismus“ – was in den Augen des Regimes jegliche Form oppositioneller Aktivität sein kann. Auch „Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften“ ist untersagt. Strafmaß: lebenslange Haftstrafen oder sogar Todesstrafe. All das öffnet auch der Verfolgung von ISA-Aktivist*innen Tür und Tor.

Obwohl durchgängig aufgrund ihrer politischen Aktivität bedroht, sind die Genoss*innen von „Socialist Action“, mit Forderungen nach vollen demokratischen Rechten, Sozialismus und der Ausweitung der Proteste auf Festland-China aktiv.

https://www.socialism.hk/

 

ISA Nigeria

Movement for a Socialist Alternative (MSA) ist die neue Sektion der ISA in Nigeria.

Die Aufgabe, die MSA sich setzt: sozialistisches Bewusstsein in die Arbeiter*innenklasse und in die Nachbarschaften zu bringen. MSA kämpft für Frauenrechte und gegen sexuellen Missbrauch. Auch ein Protest vor der iranischen Botschaft gegen Exekutionen von Oppositionellen wurde organisiert.

https://socialistmovementng.org/

 

Njet!

In Russland organisierte Putin ein Pseudo-Referendum, mit dem er sich noch mehr Macht sicherte. Mit echter Demokratie hatte das Referendum nichts zu tun. Es wurden Millionen gefälschte Pro-Stimmen fabriziert und wer sich weigerte, für Putin zu stimmen, konnte seinen Job verlieren. Die liberale Opposition stellte sich zwar zunächst in Worten gegen die Scheinabstimmung, gab jedoch bald nach. Die „Sozialistische Alternative“ – ISA in Russland – war die einzige Organisation, die eine kompromisslose Kampagne gegen Putins Plan organisierte. Über 43.000 Personen teilten ihr erstes Statement in den sozialen Medien. Flyer und Plakate wurden in zahlreichen Städten reproduziert, verteilt und aufgehängt, trotz des Risikos und der Repression.

https://socialist.news/

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Trotzkismus ist revolutionäre Selbstorganisation

Lohnabhängige Menschen können sich nur selber befreien. Deshalb brauchen sie ihre eigene unabhängige, revolutionäre Organisation
Christian Bunke

Zwei Tage nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch die Cops riefen die Täter*innen bei der Betreibergesellschaft der dortigen öffentlichen Buslinien an. Die Polizei verlangte zwei Busse für ihre Truppen, um die Proteste niederzuschlagen. Doch die Busfahrer*innen weigerten sich und leisteten so einen effektiven Beitrag zum Widerstand gegen staatliche Repression. Den Anstoß dafür gab der Busfahrer Adam Burch – Mitglied unserer US-Schwesterorganisation Socialist Alternative.

 

Ein kleines Beispiel, und doch so wichtig. Denn hier zeigt sich praktisch ein zentraler Aspekt trotzkistischer Denkrichtung: Es sind die Lohnabhängigen, die alles am Laufen halten. Es sind die Lohnabhängigen, die das kapitalistische Getriebe stoppen können. Es sind deshalb auch die Lohnabhängigen, welche die zentrale Rolle in jeder revolutionären Bewegung unserer heutigen Zeit spielen müssen.

 

In den letzten Jahren sind verschiedene Formen linker Stellvertreter*innenpolitik groß geworden und gescheitert. Prominente Beispiele sind die Linkspolitiker Jeremy Corbyn in Großbritannien und Bernie Sanders in den USA. Sie versuchten, in den Parlamenten etwas „für“ die Menschen zu erreichen, wagten aber nicht, „mit“ den Menschen in Betrieben und auf der Straße die geforderten Veränderungen zu erkämpfen.

 

Ja, es gab in beiden Fällen Ansätze echter Massenorganisation. Diese waren in den Augen beider Politiker als Flugblattverteiler*innen und Kulisse von Großkundgebungen durchaus nützlich. Doch wenn aus diesen Initiativen Versuche gestartet wurden, bürgerliche Kräfte bei den US-Demokrat*innen oder der Labour-Partei zurückzudrängen, erhielten sie von Corbyn und Sanders kaum konkrete Unterstützung. Beide suchten stattdessen wiederholt den Kompromiss mit dem bürgerlichen Lager, bis zum bitteren Ende.

 

Trotzkist*innen sind für lebende, atmende und dynamische Arbeiter*innenorganisationen. Sie stellen deshalb immer die demokratische Entscheidungsfindung und Selbstaktivität der Lohnabhängigen in den Mittelpunkt. Die immer noch andauernde Corona-Pandemie war und ist ein großer Test für diese Methode. Egal ob in Belgien, Großbritannien oder Österreich: Überall fordern Trotzkist*innen, dass die Beschäftigten selber darüber entscheiden können müssen, ob ein Betrieb weitergeführt werden kann, ob er zeitweise geschlossen werden kann und welche Sicherheitsmaßnahmen nötig sind. Hier kann es kein Vertrauen in die Organe eines Staates geben, der letztendlich nur den Profiten einiger weniger Menschen verpflichtet ist.

 

Ein Beispiel solcher Selbstorganisation gab es vor kurzem in Seattle. Im Rahmen der Black Lives Matter Bewegung organisierte Socialist Alternative eine spontane Demonstration, welche in der kurzfristigen Besetzung des Rathauses mündete. Das funktionierte, weil Socialist Alternative-Mitglied Kshama Sawant als Stadträtin den nötigen Türschlüssel hat. Das war eine für sie als Trotzkistin selbstverständliche Hilfestellung für die Bewegung, die dort über Strukturen, Programm und den Weg zum Erfolg diskutieren konnte.

 

Ähnliches tat unsere englische Schwesterorganisation nach der katastrophalen Wahlniederlage von Labour im Dezember 2019. Auf demokratischen Konferenzen wurden Antirassist*innen, Gewerkschafter*innen, Leute aus der Klimabewegung sowie Menschen aus den Nachbarschaften zusammengebracht, um Forderungen und das weitere Vorgehen zu diskutieren.

 

Trotzkist*innen verbinden solche Forderungsdiskussionen immer mit der Notwendigkeit eines sozialistischen Programms zur Überwindung der kapitalistischen Profitwirtschaft. Solche Programme helfen ihrerseits bei der Organisation lohnabhängiger Menschen in eine kämpferische, systemüberwindende und sozialistische Organisation.

 

Über den Charakter einer solchen Organisation schreiben unsere englischen Genoss*innen: „Sie muss konsequent für Lohnerhöhungen, ein Ende prekärer Arbeitsverhältnisse und freie Bildung als Teil eines sozialistischen Programms kämpfen. Sie muss aktiver Teil der Klimastreiks und der Black Lives Matter Bewegungen sein. Sie muss streikende Arbeiter*innen nicht nur besuchen, sondern Teil der Mobilisierung für den Erfolg solcher Streiks sein. Sie muss eine Massenorganisation sein, welche sich der größtmöglichen Mobilisierung der Menschen in ihren Rängen verschrieben hat. Und zwar nicht nur im Wahlkampf, sondern Woche für Woche, in allen wichtigen Bewegungen.“

 

Das ist es, was wir meinen, wenn wir von revolutionären Parteien als aktive Selbstorganisation von lohnabhängigen Menschen zum Sturz des Kapitalismus sprechen. Das ganze Handeln und Denken Leo Trotzkis war dieser Idee gewidmet. Wir machen es heute als International Socialist Alternative genauso.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Aufstand in Belarus

von Dima Yansky, Köln

 

Am Abend des 10. August brachen die Proteste in Minsk, der Hauptstadt von Belarus, aus. Tausende Menschen errichteten Barrikaden und kämpften gegen schwer bewaffnete Polizeieinheiten. Der Straßenverkehr wurde blockiert. Die meisten Internetprovider beendeten ihre Arbeit. Das ruhige, normalerweise fast provinziell wirkende Minsk verwandelte sich in eine Arena von erbitterten Straßenkämpfen. Der Grund für die größten Ausschreitungen in der Geschichte des Landes ist die offensichtliche Fälschung der Wahlergebnisse, die am 09. August stattgefunden haben zu Gunsten des jetzigen Präsidenten Alexandr Lukaschenko endeten.

Der starke Mann Lukaschenko

Lukaschenko, der auch als letzter Diktator Europas bezeichnet wird, ist vor sechsundzwanzig Jahren als Populist und Ostalgiker an die Macht gekommen. Der ehemalige selbsternannte „prinzipientreue Kämpfer gegen die Korruption und Vertreter des kleinen Mannes“, das „Väterchen“ genannt, ist jedoch selbst rasch zu einem von mehreren bonapartistisch regierenden Autokraten im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion geworden. Die historische Aufgabe solcher Figuren war es, mit allen Mitteln den sozialen Frieden in der Zeit des Übergangs der ehemaligen Republiken in der zerfleischten Sowjetunion zu einer „neuen“ alten kapitalistischen Wirtschaftsform zu gewährleisten. Lukaschenko repräsentierte für die Bewohner der Republik einen starken Mann, der im Vergleich zu Russland oder Ukraine die Oligarchen, Kriminalität und die entgleiste Privatisierung im Schach hielt.

Kommunismus?

Jedoch ist Belarus trotz aller Behauptungen der bürgerlichen Kommentatoren keine Planwirtschaft und kein Überbleibsel der Sowjetunion. Die Mehrheit aller Beschäftigten arbeitet in der privaten Wirtschaft. Lediglich 39,7% aller Arbeiter*Innen sind in staatlich geführten Betrieben tätig. Auch wenn ein großes Teil der weißrussischen Industriewerke noch in staatlicher Hand ist, arbeiten alle diese Betriebe nach den gängigen Gesetzen des Marktes und sind keineswegs „geplant“. Zudem sind schon hunderte Großbetriebe in Aktiengesellschaften überführt und privatisiert worden, darunter die Öl Raffinerie Naftan, der Fahrzeug- und Rüstungsproduzent Minsker Auto Werk, die Minsker Traktorenwerke und viele andere. Auch deutsche Unternehmer wie Carl Zeiss, Fresenius, MAN die gewiss keine Sozialisten sind, investieren gerne in die hoch industrialisierte weißrussische Wirtschaft. Die größten ausländischen Investoren, die das Kapital nach Weißrussland exportieren sind Russland und Großbritannien – definitiv keine kommunistischen Länder. Auch die sechs weißrussischen Milliardäre sowie zehntausend Millionäre würden sehr überrascht sein, wenn sie entdeckt hätten, dass sie noch im „Sozialismus“ leben.

Der Meister der Balance

Jahrzehnte lang ist es Präsidenten Lukaschenko gelungen eine Balance zwischen den größten Imperialistenblocks NATO, China und Russland zu halten, ohne in eine endgültige Abhängigkeit von einer dieser Mächte zu rutschen. Lukaschenko ist trotz offizieller Bündnisverträge mit Russland genauso wenig ein Mann Putins, wie von Merkel. Lukaschenko unterstützte keine der imperialistischen Annexionen Russlands. Um die Einflusskräfte auszugleichen, schloss er Milliardenverträge mit China. Genauso ist es ihm, dank profitablen Verträgen mit Russland, gelungen die Tore nach Osten für die weißrussische Industrie und Landwirtschaft offen zu halten und im Gegenzug günstige Rohstoffe für die lokale Industrie zu bekommen. Dadurch konnte ein hoher Lebensstandard ermöglicht werden. Die vollen Kassen gaben dem Präsident Lukaschenko die Möglichkeit die Stimmen der Rentner, der Arbeiter*innen der großen öffentlichen Betriebe, sowie Landwirtschaftsarbeiter*innen zu bekommen. Die neuen Reichen wurden durch den Druck des Staatsapparats unter Kontrolle gehalten. Lukaschenko „schwebte“ über den Klassen und genoss in der Tat das Vertrauen der Millionen.

Allerdings sind die „fetten Jahre“ seit langem vorbei. Eine Reihe von kapitalistischen Krisen in letzten zwölf Jahren bewirkte eine Schwächung des wichtigsten Absatzmarkts Weißrusslands, der Russischen Föderation, und zur langjährigen Stagnierung der Wirtschaft. Vor allem die Jugendlichen und die Beschäftigten der großen Industriebetriebe wurden zu den ersten Opfern der Kapitalismusturbulenzen. Die Arbeiter*innen leiden durch fehlende Auftragszahlen. Die Jugendlichen landen auf der Arbeitslosenbank. Die schrumpfende Wirtschaft, der korrupte Staatsapparat und Vetternwirtschaft haben für die meisten Jugendlichen faktisch alle Möglichkeiten für einen sozialen Aufstieg blockiert. Auch das Kleinbürgertum, der untere Mittelstand, waren von der Krise stark betroffen. Außerdem äußerte auch die kleine Schicht der Millionäre immer mehr Unzufriedenheit über die stagnierende Privatisierung und die starke Kontrolle des Staates. Plötzlich wurde es leer um den Bonaparte. Die immer wieder aufflammenden Protestaktionen wurden von dem herrschenden Regime brutal zerschlagen, Aktivist*Innen gnadenlos verfolgt, ins Gefängnis geworfen oder in die Emigration gezwungen.

Die Zeit des sozialen Friedens ist seit 2014 endgültig vorbei. Und wie gewöhnlich für bonapartistische Staaten trägt der Bonaparte Lukaschenko in den Augen der Bevölkerung höchst persönlich die Verantwortung für das Scheitern der Wirtschaft. Die mangelhafte Bekämpfung der Covid-19 Pandemie und der schlechte Zustand des Gesundheitssystems führte zu einem weiteren massiven Absturz der Popularität des Väterchens. Auf Basis vieler Umfragen hatte er keine Chance gehabt die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.

Allerdings war die alte „prowestliche“ liberale Opposition demoralisiert und nicht bereit Lukaschenko die Stirn zu bieten. Sie haben lediglich zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Die neuen Figuren, wie der Bankmanager Babariko, ein ehemaliger Mitkämpfer von Lukaschenko, und der hochrangige Staatsbeamte Zepkalo, traten offen gegen Lukaschenko auf, was deutlich auf die Spaltung und Desorientierung der herrschenden Klasse vor dem Hintergrund einer massiven Wirtschaftskrise hinwies. Zur populärsten Figur wurde der berühmte Videoblogger Tichanowski, der weder superreich noch ein Berufspolitiker war. Die Belarus*innen waren bereit jeden zu wählen, der nicht mit dem korrupten Regime verbunden war.

Für Lukaschenko und seinen Anhängern ist es politisch sehr eng geworden. So eng, dass er die meisten seiner Wahlopponenten bereits verhaftet lies. Im Falle einer Niederlage landet er unausweichlich im Gefängnis. Deswegen mobilisierte er alle Kräfte des bürgerlichen Staates, um die Proteste im Keim zu ersticken. Vergeblich. Trotz massiver Einschüchterung und Arrest seines Gegenkandidaten Tichanowski fand bereits am 30.07 in Minsk die größte politische Demonstration in der Geschichte Weißrusslands mit 63 000 Teilnehmer*Innen statt. Der erschrockene Lukaschenko bedrohte die Massen mit der Armee, Polizei und hat sogar angedeutet, dass die Geschichte ihm ein eventuelles Blutbad in Namen des sozialen Friedens vergeben wird. Jedoch kehrten die Wähler ihm den Rücken – die Ehefrau des verhafteten Bloggers, Tichanowskaja, bekam nach allen Umfragen mehr Stimmen als das korrupte Väterchen Lukaschenko.

Als das staatliche Fernsehen am Sonntag den Sieg von Lukaschenko verkündete, entflammten in allen großen Städten der Republik spontane Proteste. Zehntausende Menschen versuchten unter dem Motto „Hau ab“ die Stadträte und wichtigsten Straßen zu blockieren. Tausende wütende Jugendlichen traten in direkte Auseinandersetzungen mit den Polizeihundertschaften. Innerhalb von zwei Tagen versuchten Demonstrant*innen acht Mal Polizeiblockaden mit Autos zu durchbrechen. Dutzende wurde durch Gas- und Blendgranaten sowie Gummigeschosse verletzt. In den ersten 48 Stunden der Proteste wurden 5000 Menschen verhaftet.

Die Proteste, die eine gewisse Ähnlichkeit zu Mai-Aufstand in der Ukraine haben, unterscheiden sich jedoch wesentlich durch das direkte Auftreten der Arbeiter*innenklasse und die Passivität der Oligarchen. Bereits am zweiten Tag der Proteste traten die Arbeiter*innen des Minsker Metallwerk in den Streik. Dem Werk folgten bereits zehn Großbetriebe (u.a. das Minsker Elektrotechnikwerk, der Minsker Straßenverkehrbetrieb, das Minsker Traktorenwerk). Die Proteste nehmen den Charakter eines politischen Streiks an.

Der Aufstand in Belarus befindet sich gerade in der Entwicklung. Die Arbeiter*Innenklasse lernt gerade sich zu organisieren, mit Streiks die politischen Reformen durchzusetzen und den gehassten Diktator zu verjagen. Die herrschende Macht bleibt immer mehr sozial isoliert, was zur Verbitterung und Kompromisslosigkeit der Kämpfe führt. Unsere Genoss*innen im Nachbarland Russland unterstützen solidarisch die Kämpfer*Innen in Belarus mit Materialien in beiden Sprachen und Protesten bei der weißrussischen Botschaft in Moskau. Wir appellieren an die linken Organisationen in Belarus mit der Notwendigkeit des Aufbaus unabhängiger Organisationen der Arbeiter*Innenklasse und Jugendlichen und der Entwicklung eines eigenen politischen Programms. Der Weg zur Befreiung ist die politische Demokratie und eine sozialistische Wirtschaft, eine Wirtschaft die sich nicht in den Händen von ein paar Milliardären oder selbsternannte Nationsvätern befindet, sondern den 99 %, der arbeitenden Bevölkerung dient.

 

Labour nach Corbyn

Brettros

2015 wurde Jeremy Corbyn zum Vorsitzenden der Labour Partei in Großbritannien gewählt. Seine linken Forderungen, wie die nach der Verstaatlichung der Bahn und der öffentlichen Versorgungsbetriebe sowie nach dem Ende der Kürzungspolitik trafen bei Arbeiter*innen und Jugendlichen einen Nerv. Tausende „Corbynistas“ traten in die Partei ein und drückten sie nach links. Das warf die Frage auf, ob Labour ein Sprachrohr für die Interessen der Arbeiter*innenklasse und Jugend werden könnte.

 

Doch bei den Wahlen 2019 erlitt Labour eine massive Niederlage. In den Medien wurde Corbyn vorgeworfen „zu weit links“ gewesen zu sein. Doch war er „zu links“? Warum hat Labour die Wahlen wirklich verloren?

 

Während des Wahlkampfes führten die Medien eine  Hetzkampagne gegen Corbyn und diffamierten ihn als Antisemiten. Gleichzeitig taten die „Blairites“, der rechte Flügel von Labour, alles, um Corbyn zu sabotieren. Jüngste Berichte über interne Gespräche der Parteiführung zwischen 2015 und 2018 zeigen eine koordinierte Kampagne, um Corbyn bei jedem seiner Schritte Steine in den Weg zu legen.

 

Das war der Hauptfehler von Corbyn und der Bewegung um ihn herum: Es wäre notwendig gewesen, genauso entschlossen gegen die neoliberalen Blairites zu kämpfen wie gegen die Tories. Zugeständnisse an den rechten Flügel von Labour zu machen, hat nur die Unterstützung für Corbyns Programm geschmälert.

 

Unter der aktuellen Führung von Keir Starmer ist Labour zurückgekehrt zu einer völlig unkritischen Position gegenüber den Tories. Starmer ist selbst Millionär. Anstatt Boris Johnson und seine arbeiter*innenfeindliche Agenda zu bekämpfen, unterstützt Labour nun die Politik der Tories – obwohl die katastrophale, profitorientierte Politik der Regierung zigtausende Leben in der Coronakrise kostete. Nicht einmal wahltaktisch nützte Labour diese Anbiederung: Im Mai lagen die Tories bei allen Umfragen bei über 50%, während Labour bei ca. 30% dahindümpelt – weniger, als Corbyn bei der letzten Wahl erreichte.

 

Corbyn hätte eine Bewegung aufbauen müssen, die sich der Logik des Kapitalismus widersetzt, eine Bewegung, die nicht nur gegen Kürzungen kämpft, sondern auch gegen ein System, das im Interesse der reichsten 1% geführt wird.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen - UK - Polen - Belgien

UK: Linke gekündigt

Nadia Whittome ist eine linke Labour-Abgeordnete im britischen Parlament. Im Gegensatz zu anderen Parlamentarier*innen behält sie nur einen Durchschnittslohn und spendet den Rest ihres Gehalts. Zu Beginn der Corona-Krise kehrte sie zu ihrem vorherigen Job als Altenpflegerin bei der NGO ExtraCare zurück. Dort kritisierte sie den Mangel an Schutzausrüstung für Mitarbeiter*innen auf. Ihr Boss kündigte sie daraufhin. Während die Labour-Führung sie hängen lässt, kämpft Socialist Alternative (ISA in Britannien) für ihre Wiedereinstellung, sowie für ausreichende Schutzausrüstung und bessere Arbeitsbedingungen für alle, die in diesem Sektor arbeiten, und für die Verstaatlichung des kompletten Gesundheitsbereichs.

http://socialistalternative.net


Polen: Poststreik

Als die Regierung trotz Corona Präsidentschaftswahlen per Briefwahl ankündigte, gründeten Postmitarbeiter*innen ein Streikkomitee, an dem Alternatywa Socjalistyczna (ISA Polen) beteiligt ist. Das Komitee fordert die Verschiebung der Wahlen auf einen sicheren Termin, eine Lohnerhöhung für alle Mitarbeiter*innen und die temporäre Schließung der Filialen während Corona.

http://socjalizmxxi.nazwa.pl


Belgien: Demo für Gesundheit

Gemeinsam mit 17 anderen Initiativen, darunter Gewerkschaften, Klimagruppen und der Pfleger*innen-Organisation „La Santé en Lutte“ („Gesundheit im Kampf“) mobilisiert die LSP/PSL (ISA in Belgien) für eine Großdemo im September, sobald die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben sind. Auch ROSA, die sozialistisch-feministische Kampagne der PSL/LSP, ist Teil des Bündnisses. Die Demo richtet sich gegen die Kürzungspolitik der Regierung im Gesundheitsbereich und fordert mehr Personal und höhere Löhne. Tausende haben sich bereits angekündigt. Bereits im Mai protestierten Pflegekräfte gegen den Besuch der Premierministerin in einem Krankenhaus. Dem geplanten PR-Gag der Regierung machten die Beschäftigten einen Strich durch die Rechnung, indem sie ihr kollektiv den Rücken zuwandten.

https://socialisme.be

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Can’t Pay, Won’t Pay: Mietstreiks in den USA

Dana White und Nikolas Friedrich

In den USA gärt es seit längerem: Nun kann die Mietenfrage zu Protesten und Massenkampagnen führen.

Die Coronakrise ist beispiellos. Überall sieht die Lage schlimm aus, aber in den USA ist die Situation mehrfach verschärft. Ohne ordentliche Sozialhilfe und mit Millionen nicht- oder unterversicherten Menschen ist es eindeutig, warum das Land etwa ein Drittel der Infektionen weltweit hat und eine Arbeitslosigkeitsrate von (aktuell) fast 15%. 

In der Hoffnung, eine Krise vom Ausmaße der Großen Depression der 1920er Jahre zu vermeiden, stützte die Regierung mit einem zwei Billionen Dollar Rettungspaket das bröckelnde System. Gleichzeitig steigt der Druck, eine „Eröffnung“ des Landes möglichst schnell durchzuführen, obwohl die Infektionsrate sich nicht verlangsamt.

Zahlreiche Menschen müssen sich zwischen Arbeit und Gesundheit entscheiden – oder dazu zu kämpfen. Darum initiierte die US-amerikanische Schwesterorganisation der SLP, die Socialist Alternative, die Kampagne „Rent Strike 2020“.

Es fing mit einer einfachen Petition an. Joshua Collins, Kongresskandidat und Mitglied der Democratic Socialists of America, startete im Februar in Zusammenarbeit mit Socialist Alternative eine Petition für die komplette Aussetzung aller Hypothekenraten und Mietzahlungen während der Dauer der Krise. Sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer und hatte rasch 3 Millionen Unterschriften. Weil viele nicht nur unterschreiben wollten, sondern auch bereit waren, zu kämpfen, startete Socialist Alternative mit Vorschlägen und Angeboten zur Organisierung von Mieter*innen.

Auf Grund der Corona-Gefahr muss die Arbeit fast ausschließlich Online stattfinden. Stadtbezogene Online-Petitionen, Facebook-Gruppen, Zoom-Treffen: Das sind die Grundlagen des Organisierens in der Pandemie. Alle Methoden dienen dazu, Mitmieter*innen in Städten wie Boston, Chicago, und Oakland, Kalifornien kennenzulernen. Umfragen in den Facebook-Gruppen werden erstellt, um Leute mit denselben Vermieter*innen miteinander zu vernetzen. Allgemeine Richtlinien zur Organisierung innerhalb eines Wohnhauses werden vorgeschlagen, und Mitglieder von Socialist Alternative unterstützen neue Aktivist*innen.

Die Online-Treffen spielen eine besondere Rolle. Einmal im Monat treffen sich lokale Rentstrike-Gruppen. Sie tauschen sich nicht nur über Taktiken und Erfolge ihrer Verhandlungen und Aktionen aus, sondern es wird auch über grundlegende Problem des Wohnens diskutiert.

In einem Treffen der Bostoner Gruppe teilte eine Mieterin mit, dass sie, wie Andere auch, bei einer großen Wohnungsfirma mietet. Sie fragte, welche Forderungen sie und ihre Mitbewohner*innen aufwerfen könnten. Eine andere Beteiligte, die bei derselben Firma mietet, antwortete, dass sie und ihre Mitbewohner*innen sich einfach gefragt haben „Was kann uns am meisten helfen?“ Durch diese Diskussion entdeckten sie, dass manche sich die Miete gar nicht leisten können, und ein paar waren sogar die Miete von mehreren Monaten schuldig. Darum forderten sie eine Mietminderung von 70%, Erlassung aller Mietschulden, und kostenlose Benutzung der Waschküchen – und sie haben sämtliche Forderungen gewonnen!

Die landesweiten Forderungen der Kampagne sind weitgehend: Aussetzung aller Miet- und Hypothekenzahlungen sowie aller Schuldenzahlungen, Massentestungen sowie Gesundheitsvorsorge für Alle, bis hin zu einer demokratisch geplanten Wirtschaft. Als erster Schritt  geht es darum, eine Mietminderung für Wohnungen zu erreichen, doch es geht auch darum, eine breite, flächendeckende Kampagne zur Nichtbezahlung aufzubauen, um die notwendigen Maßnahmen zu erkämpfen.

Rund ein Drittel konnte im April die Miete nicht mehr zahlen. Durch das beschlossene zusätzliche Arbeitslosengeld wird im Mai der Anteil an Nichtzahlungen voraussichtlich auf ein Fünftel sinken. Aber es ist bestenfalls eine Verschnaufpause. Viele der Millionen abgebauter Jobs werden nicht so bald „zurückkommen“. Massenarbeitslosigkeit, und zwar ohne soziale Absicherung, ist die Perspektive für Millionen. Und dann werden Unzählige aufhören müssen, ihre Miete und ihre Hypotheken zu bezahlen, einfach weil sie keine andere Option haben. Die Verbindungen und Netzwerke, die Socialist Alternative in dieser Anfangsphase, quasi in der Zeit der Ruhe vor dem Sturm, aufgebaut hat, können dann diese Massennichtzahlungen organisieren und politisieren.

Socialist Alternative zeigt sehr konkret, dass ganz „normale Menschen“, sei es im Wohnhaus, in der Schule oder am Arbeitsplatz, sich schnell organisieren können, um konkrete Forderungen zu gewinnen. Wichtiger noch ist  eine demokratische und zentrale Organisation, um diese lokale Kämpfe auf nationale Ebene zu vereinigen und zu koordinieren.

Viele sind schockiert von dem Tempo und der Tiefe der Krise und leben nun in Angst. Doch die tiefen Folgen der Krise, die alle, und insbesondere die Arbeiter*innenklasse und die Armen betrifft, wird dazu führen, dass Menschen sich wehren wollen und auch müssen. Socialist Alternative bereitet sich für diese kommenden Bewegungen und Kämpfe vor, um den Kampf gegen Horrormieten im Speziellen und den Kapitalismus als Ganzes zu führen.  


www.socialistalternative.org

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Seiten