Internationales

Sanders steigt aus Präsidentschaftswahlkampf aus – wir arbeitenden Menschen brauchen unsere eigene Partei

Kshama Sawant, sozialistische Stadträtin in Seattle und Mitglied von Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SLP und Sektion der ISA in den USA)

Am 8. April hat Bernie Sanders bekannt gegeben, dass er seine Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen aussetzen und sie im Endeffekt beenden wird. Zwar war sein Weg zur Nominierung äußerst schwierig und am Schluss lag er mit 300 Delegierten hinter Biden, dennoch hat der Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt Millionen seiner Anhänger*innen schwer enttäuscht. Wie wir von Socialist Alternative dargelegt haben, haben sie begriffen, dass diese Vorwahlen im Prinzip genau wie die von 2016 vom konzernfreundlichen Partei-Establishment der Demokraten übernommen worden sind.

Sanders hat sich zu einem Zeitpunkt für den Rückzug entschieden, an dem die arbeitenden Menschen einer beispiellosen Krise gegenüberstehen und so klar ist wie selten zuvor, dass wir einen sozialistischen Wandel brauchen. Die Corona-Pandemie hat die massive Ungleichheit, von der die amerikanische Gesellschaft durchzogen ist, und die katastrophalen Folgen der jahrzehntelangen Angriffe auf die von den arbeitenden Menschen hart erkämpften Errungenschaften in voller Gänze offenbart. Jetzt zeigt sich auf dramatische Weise, zu was die Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen geführt haben.

Über die verheerenden Folgen hinaus, die das Coronavirus in vielen Wohnquartieren arbeitender Menschen und besonders unter migrantischen Arbeiter*innen in New York City wie auch in den Arbeiter*innenvierteln der People Of Colour in vielen anderen Städten nach sich zieht, erleben wir eine neue Realität, was Massenerwerbslosigkeit angeht. Diese hat ein Ausmaß erreicht, das nur mit der Großen Depression der 1930er Jahre zu vergleichen ist. Bis Ende April werden 50 Millionen Menschen ihre Arbeitsplätze verloren haben, 35 Millionen werden ihre von Arbeitgeberseite bereitgestellte Gesundheitsleistungen eingebüßt haben und dutzende Millionen werden vor der Wahl stehen, ob sie ihre Miete bezahlen oder Lebensmittel für ihre Familien kaufen. Diese Krise zeigt auf nahezu beispiellose Art wie vollkommen bankrott das kapitalistische System ist.

Eine Katastrophe namens Joe Biden

Jetzt ist Joe Biden der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Seit vielen Jahrzehnten schon ist er ein treuer Diener der Wall Street, und er unterstützte die Kürzungen im Rentensystem und bei MedicAid (Gesundheitsfürsorgeprogramm für Menschen mit geringem Einkommen, Kinder, Ältere und Menschen mit Behinderungen, Anm. d. Übers). Biden war ein führender Vertreter der Politik der Massen-Verhaftungen. Er führte die Anklage im US-Senat gegen Anita Hill, die als Zeugin wegen sexueller Belästigung gegen Clarence Thomas ausgesagt hatte, der als Richter für den Supreme Court vorgesehen war. Den Irak-Krieg unterstützte Biden mit aller Energie. Abgesehen davon sind seine geistigen Fähigkeiten nicht mehr das, was sie einmal waren. In der Corona-Krise war er kaum wahrnehmbar. Das hat bereits zu Spekulationen darüber geführt, ob ihn das Establishment im Laufe des Jahres noch durch eine*n andere*n Kandidat*in austauschen könnte. Mit solchen Entscheidungen läuft man allerdings Gefahr, die Führung der Democratic Party noch mehr in Misskredit zu bringen, deren Mangel an Autorität ohnehin kaum noch zu unterbieten ist.

Es ist symptomatisch für die Verzweiflung des Establishments, dass es sich nach den Siegen, die Sanders bei den Vorwahlen in den ersten drei Bundesstaaten erringen konnte, hinter Biden gestellt hat, um Bernie Sanders aufzuhalten. Seine hilflose Schwäche als möglicher Kandidat haben sie voll und ganz erkannt und Monate damit verbracht, noch einen anderen Kandidaten ausfindig zu machen – ohne Erfolg. Obwohl sie es geschafft haben Sanders zu verhindern, haben sie die Abrechnung lediglich herausgezögert. Selbst wenn Biden es schaffen sollte, Trump zu schlagen, so muss er sich mit einer Krise auseinandersetzen, die mit der Großen Depression vergleichbar ist und die Unzulänglichkeiten der Führung der Demokraten offenlegen wird. Dadurch wird das Verlangen von Millionen von Menschen nach einer neuen Massenpartei der Arbeiter*innen neu entfacht.

Dabei war es gerade die Sorge vor einer zweiten Amtszeit von Trump, dem reaktionärsten Präsidenten seit Jahrzehnten, die dazu geführt hat, dass das Establishment sich einer Kampagne verschrieben hat, die nach den Vorwahlen von South Carolina durch massenhafte Manipulation gekennzeichnet ist. Die Ironie besteht darin, dass viele, die Biden aufgrund des Arguments unterstützt haben, Sanders sei „zu radikal“, um Trump schlagen zu können, auch das Wahlprogramm von Sanders in weiten Teilen befürwortet haben. In den ersten 20 Vorwahlen zeigten die Ergebnisse der Nach-Wahlumfragen, dass eine Mehrheit für Medicare for All ist.

Trotz alldem und trotz der Tatsache, dass eine Umfrage nach der anderen gezeigt hat, dass Sanders Trump schlagen würde, hat Bernie Sanders die Niederlage akzeptiert und klar gemacht, dass er Biden unterstützen würde. Das Wahlkampfteam von Sanders beschränkte sich auf die Hoffnung, verbale „Zugeständnisse“ von Biden für eine progressivere Agenda zu bekommen. Natürlich mag Biden ein paar Brotkrümmel hinwerfen, um zu versuchen, Millionen von progressiv Eingestellten (vor allem junge Leute) davon abzuhalten, diesen November zu Hause zu bleiben. Es wäre allerdings geradezu wahnsinnig, sich mit irgendeinem Lippenbekenntnis von Biden zufrieden zu geben, der – wie erst vor kurzem wieder unter Beweis gestellt – gesagt hat, er würde sein Veto gegen Medicare for All einlegen, sollte der Kongress wirklich dafür stimmen!

Wir verstehen, weshalb Millionen von Menschen derart verzweifelt darauf aus sind, Trump loszuwerden, dass sie beinahe jede*n Gegenkandidat*in unterstützen würden. Wir wissen aber auch, wer Joe Biden ist, und er ist nicht auf der Seite der arbeitenden Menschen, der Frauen, People Of Colour oder Migrant*innen. Wir werden ihn nicht unterstützen und Sanders sollte es auch nicht tun.

Warum wir zur Wahl von Bernie Sanders aufgerufen haben

Im November haben Socialist Alternative und ich eine Wahlempfehlung für Sanders abgegeben und haben alles daran gesetzt, diese Vorwahlen zu gewinnen. Die Position, die wir damit eingenommen haben, bereuen wir nicht. Schließlich haben wir sie auf die enorm positiven Kräfte der Bewegung gegründet, die Sanders mit aufgebaut hat. Im Jahr 2016 hat Sanders Millionen von Menschen mit seinem radikal arbeitnehmerfreundlichen Programm, seinem Aufruf zur „politischen Revolution gegen die Klasse der Milliardäre“ und seiner Reden vom „demokratischen Sozialismus“ elektrisiert. Diesmal ist Sanders noch weiter gegangen und hat gesagt, dass es Milliardär*innen „gar nicht geben“ sollte. Im selben Atemzug hat er von einer „Regierung der Arbeiterklasse“ gesprochen und erklärt, dass seine Rolle als Präsident darin bestünde, „Organizer in chief“ zu sein ( also ein Bewegungs-Organizer im Gegensatz zum „Oberbefehlshaber der Armee“, dem offiziellen Amtszusatz der US-Präsident*innen; Anm. d. Übers.). Er fordert einen „Green New Deal“ und rief sogar dazu auf, Teile der Stromunternehmen in öffentliches Eigentum zu überführen.

Doch der wichtigste Grund, wieso wir Bernie Sanders so energisch unterstützt haben, war derselbe, aus dem die herrschende Klasse ihn so fürchtet. Seine Kampagne von 2016 hat dazu beigetragen, soziale Kämpfe zu motivieren. Dazu zählt auch der Aufstand der Lehrkräfte 2018 und 2019 sowie die allmähliche Renaissance der Arbeiterbewegung in diesem Land. Hätte er alle Hürden überwinden und das Präsidentenamt 2020 tatsächlich erreichen können, dann wäre die herrschende Klasse in heller Aufregung gewesen angesichts eines enorm ansteigenden Selbstvertrauens der arbeitenden Menschen. Diese hätten viel höhere Erwartungen entwickelt und eine wahre Welle an sozialen Kämpfen losgetreten. Für die Konzerne und Vorstandsvorsitzenden, die den „Demokraten“ mit Wahlkampfspenden zur Seite stehen, steht außer Frage, dass sie lieber vier weitere Jahre mit Trump im Weißen Haus aushalten wollen als einen Präsidenten namens Sanders.

Gleichzeitig haben wir immer auch sehr offen Sanders Grenzen aufgezeigt, und dargelegt, wo unsere Unterschiede liegen. 2016 haben wir auf den widersprüchlichen Charakter seiner Kampagne hingewiesen: Einerseits deutete die Ablehnung jeglicher Konzern-Spenden auf das Potential einer Partei hin, doch im selben Moment wurden die Menschen auf die Demokraten hin orientiert. 2018 haben wir erlebt, wie weitere Vertreter*innen der Linken der Annahme folgten, die Democratic Party reformieren zu können. Die Wahl von Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) und anderen demokratischen Sozialist*innen trug das ihrige dazu bei. Auch wir unterstützten diese Entwicklung, da sie die Widersprüchlichkeiten innerhalb der Democratic Party verschärft hat. Auf dem Weg zu einer einflussreichen Linken in den Vereinigten Staaten ist diese Partei seit den 1930er Jahren das wesentliche Hindernis gewesen.

Abgesehen davon haben wir nie mit der Sanders Defintion des Sozialismus übereingestimmt, die eine Kombination aus Roosevelts „New Deal“ und der Politik sozialdemokratischer Regierungen in Europa zu sein scheint. Das sind Beispiele dafür, ein bankrottes Systems namens Kapitalismus über die Runden zu bringen, nicht dafür, es zu beseitigen. Dabei handelt es sich bei diesem System um ein gescheitertes Projekt, was auch die derzeitige Pandemie und die drohende Klimakatastrophe belegen.

Wir müssen noch einmal wiederholen, dass es die Vorstände der meisten Gewerkschaften gewesen sind, die eine nicht unwesentliche Rolle bei der Blockade gegen die arbeitnehmerfreundliche Kampagne von Sanders gespielt haben. Zwar gab es auch lobenswerte Ausnahmen, doch leider zeigt das Verhalten der Mehrheit von ihnen, dass sie den Klassenkampf mehr fürchten als die Angriffe der Arbeitgeberseite auf die Beschäftigten. Auch müssen wir auf die schreckliche Rolle zu sprechen kommen, die Elizabeth Warren gespielt hat, die sich wie die „anderen Progressiven“ im Laufe des Vorwahlkampfs auch dann nicht hinter Bernie Sanders gestellt hat, als sämtliche offenkundig konzernfreundlichen Kandidat*innen bereits mithalfen, das Steuer zugunsten von Biden herumzureißen.

Nach dem Coup vom „Super Tuesday“ und den wachsenden Herausforderungen, denen seine Kampagne ausgesetzt war, hielt Sanders an seinen mutigen Ansätzen fest, mit denen er der aufkommenden Doppel-Krise aus Covid-19 und wirtschaftlichem Niedergang begegnen wollte. Vor kurzem hat er gefordert, dass alle abhängig Beschäftigten für die Dauer der Krise ihre vollen Löhne ausbezahlt bekommen sollen. Doch obwohl er und AOC einige Kritik am Gesetz zur wirtschaftlichen Stimulation geäußert hatten, das ein atemberaubendes Rettungspaket für die US-Konzerne beinhaltet, haben beide am Ende fälschlicher Weise dafür gestimmt.

Dieses Verhalten deutet in Verbindung mit dem permanenten Verweis auf „meinen Freund Biden“ auf ein größeres Problem hin. Wie eine Reihe von Vertreter*innen der Linken eingewendet haben, hätte eine von Beginn an kämpferischere Haltung gegenüber Biden Sanders genutzt. Er hätte direkt klarmachen können, wer Biden wirklich ist. Darüber hinaus funktioniert der Ansatz der Zurückhaltung von Sanders in der neuen Situation, in der wir uns nun befinden, absolut nicht. Jetzt ist es an der Zeit, Widerstand gegen die falschen Aufrufe der herrschenden Klasse zu leisten, die sich mit Appellen zur „Einheit“ an uns wendet. Stattdessen müssen wir benennen, wer verantwortlich für die Katastrophe ist, und unbeirrt vom Geheule der konzernfreundlichen Medien ganz energischen Widerstand organisieren.

Was nun?

Millionen Menschen fragen sich jetzt: „Was nun?“ Sanders‘ Entscheidung, aus dem Vorwahlkampf auszusteigen und seine Kampagne zu beenden, stellt zweifellos einen echten Rückschritt für die Linke dar. Damit sollten aber auch jegliche Illusionen ein Ende finden, dass die Linke die Democratic Party reformieren kann. Es besteht die reale Gefahr der Demoralisierung. Millionen von Menschen halten ihre Augen aber auch weiterhin offen, was viele dazu bringt, sich – in einer Zeit, die von einer gewaltigen Krise geprägt ist – zu fragen, welche Art von Führung die Arbeiter*innenklasse braucht.

Als Sanders 2016 nach den manipulierten Vorwahlen und vor dem damals anstehenden Nominierungsparteitag der Demokraten ganz klar einer Niederlage entgegen ging, haben wir ihn dazu aufgefordert, als unabhängiger Kandidat weiter zu kandidieren. Mit dieser Forderung sind wir auf breite Zustimmung gestoßen und viele haben darin einen logischen nächsten Schritt gesehen. Möglicherweise hätte er sogar als dritter Kandidat gegen Clinton und Trump gewonnen. Ein ähnlicher Aufruf würde heute wahrscheinlich nicht dasselbe Maß an Unterstützung bekommen. Die Angst von Millionen von Menschen vor einer Wiederwahl Trumps ist einfach zu groß. Allerdings könnte Sanders unserer Meinung nach einen ganz wesentlichen Beitrag zur Fortentwicklung der Bewegung leisten, die er aufgebaut hat, indem er anerkennt, dass die Partei der Demokraten nicht zu reformieren ist. Stattdessen könnte er die Bemühungen zur Gründung einer neuen Partei unterstützen.

Unterdessen werden sich die besten Aktivist*innen angesichts der Blockade auf politischer Ebene wieder den Kämpfen der Massen zuwenden, die sich selbst angesichts der Ausgangsbeschränkungen entwickeln werden. Wir erleben bereits, wie die Beschäftigten der „kritischen Infrastruktur“ überall im Land Sicherheitsmaßnahmen und Gefahrenzulagen einfordern. Das ist auch schon mit Streikaktionen einhergegangen. Arbeiter*innen der anderen Branchen haben gefordert, dass ihre Betriebe zur Sicherheit geschlossen werden.

Mit Dutzenden von Millionen Menschen, die nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Miete zu zahlen, ist die Grundlage objektiv gegeben für einen bundesweiten Mieten-Streik am 1. Mai. Wir rufen dazu auf, diesen 1. Mai mit Aktionen in den Betrieben des Landes zu verbinden – auch wenn das sehr kurzfristig sein mag. In den Wohnvierteln der arbeitenden Menschen muss es zu Solidaritätsaktionen kommen, bei denen die Sicherheitsabstände unter den Teilnehmer*innen gewahrt bleiben. Durch diese Kämpfe am 1. Mai und in den folgenden Monaten kann die Solidarität unter den Beschäftigten und das Vertrauen in die eigene Kraft wieder hergestellt werden. Das wird helfen, um die Basis für eine unabhängige Formation der Arbeiter*innenklasse zu schaffen, die die Macht der Konzerne herausfordern kann und die so dringend nötig ist. Wir fordern auch diejenigen auf, die sich dem Kampf für revolutionären Wandel anschließen wollen, mit Socialist Alternative Kontakt aufzunehmen und sich uns anzuschließen.

 

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Internationales Problem – Internationaler Kampf

Corona hat die Welt im Würgegriff. Die folgende Wirtschaftskrise vertieft die sozialen Probleme: von Massenarbeitslosigkeit über den Zusammenbruch der Gesundheitssysteme bis zu Nahrungsmittelengpässen. International Socialist Alternative (ISA), die internationale Organisation der SLP, ist auf allen 5 Kontinenten aktiv. Wir organisieren Proteste in Betrieben, die trotz Corona die Beschäftigten zum Arbeiten zwingen wollen. Wir zeigen auf, wer die Profiteure der Krise sind und warum sie enteignet gehören. Wir fordern Schutz der Menschen, nicht der Profite und organisieren Solidarität. Wash your hands and organise!

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Italien: Die Bosse sabotieren den Kampf gegen Covid-19

Giuliano Brunetti, Massimo Amadori (Resistenze Internazionali — ISA in Italien)

Der italienische Arbeitgeberverband „Confindustria“ fordert weiterhin, dass Fabriken und Produktionsstätten geöffnet bleiben, was bedeutet, dass sie offen an der Verbreitung der Pandemie arbeiten. Das zeigt, dass sie objektiv für die Verschlimmerung der Situation verantwortlich sind.

Erstmals veröffentlicht am 23.03.20

Mit über 5476 Toten in knapp einem Monat und über 60.000 offiziell infizierten Menschen ist Italien das Land, das sich derzeit im Epizentrum der Coronavirus-Pandemie befindet. Am Samstag, 21. März, starben 793 Menschen am Coronavirus und am Sonntag, 22. März, weitere 651. Leider spiegeln die Zahlen der Infizierten die Situation nur teilweise wider. Echte Schätzungen sind schwer zu machen, aber es ist sicher, dass das Virus bereits Hunderttausende von Menschen in Italien infiziert hat. Die wirkliche Situation ist nicht klar, denn die Anwendung von Tests ist nicht flächendeckend. Es genügt zu sagen, dass das Krankenhauspersonal, das täglich mit Covid-19-Patienten in Kontakt kommt, nicht getestet wird, während Fußballspieler*innen, VIPs und Politiker*innen offenbar keine Schwierigkeiten haben, sich untersuchen zu lassen.

Das Fehlen von Abstrichen für die Tests in Verbindung mit dem irrationalen und chaotischen Umgang mit der Situation hat zu einem großen Konflikt zwischen der Regierung und den Gouverneuren von Regionen wie Venetien und der Toskana geführt, die umfassende Testungen wollen, wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Resistenze Internazionali hält es für wesentlich, dass sofort Massenuntersuchungen durchgeführt werden, angefangen bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen, den Beschäftigten im Einzelhandel und im Transportwesen sowie allen, die mit der Öffentlichkeit in Kontakt stehen, oder den Beschäftigten in der Industrie, die in engen Räumen arbeiten. Gleichzeitig sollte der Gesundheitszustand in Altersheimen und Gefängnissen unverzüglich überprüft werden, wo Hunderte von Menschen, die eng zusammenleben, gefährdet sind.

Flächendeckende Testung ist erforderlich, damit die gesamte infizierte Bevölkerung so schnell wie möglich erfasst werden kann, damit sie eingegrenzt, überwacht und mit der erforderlichen medizinischen Versorgung versorgt werden kann. In diesem Zusammenhang überrascht es nicht, dass die Nachricht, ein privates italienisches Unternehmen habe eine halbe Million Abstriche in die Vereinigten Staaten exportiert, große Verärgerung ausgelöst hat.

Angesichts der Entwicklung dieser schweren Pandemie bricht der Nationale Gesundheitsdienst nun zusammen. Hunderte von Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens, Pflegekräfte und Ärzt*innen sind bereits bei der Arbeit krank geworden. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass sich 8 % der Beschäftigten im Gesundheitswesen mit dem Virus infiziert haben könnten. In dieser Situation zeigen alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens großen Mut und Selbstaufopferung. Mehrere tausend Ärzt*innen haben auf den Aufruf der Regierung geantwortet, eine Einsatzgruppe von 300 Ärzt*innen zu bilden, die in die am stärksten betroffenen Gebiete geschickt werden sollen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass Tausende von Pflegekräften als „prekäre“ Arbeitskräfte leben, die in normalen Zeiten von einer Regierung gedemütigt werden, die sie als „Engel“ preist, während sie gezwungen werden, mit gefälschten Steuernummern zu arbeiten.

Die Gesundheitssituation ist besonders ernst in der Lombardei, wo 9 von 10 Personen an Covid-19 sterben bevor sie auf die Intensivstationen kommen. Viele Menschen sterben zu Hause, nachdem sie stundenlang auf einen Krankenwagen gewartet haben, viele andere sterben im Krankenhaus während sie auf ihre Aufnahme warten. Diese Situation, zusammen mit dem Fehlen von Lungenbeatmungsgeräten und geeigneten Geräten zur Behandlung der Krankheit, ist einer der Gründe, warum die Sterblichkeit in der Lombardei so hoch ist. Die Auswirkungen der jahrelangen Kürzungen im öffentlichen Gesundheitswesen sind jetzt zu spüren. 37 Milliarden Euro an Kürzungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in den letzten 10 Jahren haben zu dieser tragischen Situation geführt, 70.000 Betten wurden entfernt, Hunderte von Krankenhäusern und Stationen geschlossen, während Tausende von Ärzt*innen und Pflegekräften entlassen wurden. Das öffentliche Gesundheitswesen wurde im Laufe der Jahre von allen Regierungen, von Mitte-Rechts und Mitte-Links, von Lega und Forza Italia sowie von der Demokratischen Partei massakriert, und heute zahlen wir die Konsequenzen.

Die ernste Gesundheitssituation und die sehr hohe Zahl von Infektionen hat die Regierung veranlasst, einen Erlass des Ratspräsidenten vorzuschlagen, durch den alle nicht notwendigen Produktionstätigkeiten eingestellt werden sollen. Diese späte und völlig unzureichende Maßnahme hätte Anfang der Woche in Kraft treten müssen. Dennoch verzögert der Druck des Arbeitgeberverbandes ‚Confindustria‘, der mit aller Kraft darauf drängt, alle Fabriken offen zu halten, die Umsetzung des Dekrets, die bis Mittwoch verschoben werden könnte. Wichtige Arbeitnehmerdelegationen haben ihrerseits bereits erklärt, dass sie morgen früh einen Streik ausrufen werden, falls der Erlass nicht in Kraft tritt.

Um es klar zu sagen: Die Tatsache, dass die „Confindustria“ weiterhin fordert, dass die Fabriken und Produktionsstätten offen bleiben, bedeutet, dass sie sich offen an der Verbreitung der Pandemie arbeiten. Das zeigt, dass sie objektiv für die Verschlimmerung der Situation verantwortlich sind.

Die in den letzten Tagen von den Arbeiter*innen befolgten restriktiven und zwingenden Maßnahmen wurden durch den fortgesetzten Betrieb von Fabriken durchkreuzt, in denen Millionen von Arbeiter*innen weiterhin unter Bedingungen produzieren, die die Verbreitung des Virus begünstigen. Die Streikwelle im ganzen Land hat zur Schließung einer Reihe wichtiger Fabriken geführt, ohne jedoch einen vollständigen Produktionsstopp durchzusetzen.

Ohne den Druck, die Fabriken zu schließen, und ohne die wichtige Massenopposition von Hunderttausenden von Arbeiter*innen, die in diesen Tagen mutig, oft gegen den Willen ihrer Gewerkschaftsführer, gestreikt haben, um das unantastbare Recht auf Gesundheit und Schutz zu verteidigen, hätte die Regierung nicht einmal ihren letzten zaghaften Erlass vorgeschlagen. Wären die Unternehmen, deren Produkte während dieser Gesundheitskrise nicht notwendig sind, vor zwei Wochen geschlossen worden, hätten zweifellos Zehntausende Menschen eine Ansteckung vermieden, und Tausende Familien würden heute nicht um ihre Toten trauern. Sobald die Notsituation vorbei ist, wird es notwendig sein, die Eigentümer*innen dieser Fabriken und ihre Verbände für die Verletzung ihrer historischen Verantwortung zur Rechenschaft zu ziehen.

Diese große Gesundheitskrise, die ihrerseits eine katastrophale Wirtschaftskrise vorbereitet, bewirkt einen radikalen Bewusstseinswandel bei den Menschen. Während die Menschen eine Ansteckung befürchten, gibt es Wut gegen das derzeitige Krisenmanagement der Regierung.

Millionen von Arbeiter*innen sind verständlicherweise besorgt um ihre Arbeitsplätze und die wirtschaftlichen Bedingungen, wenn Millionen von Entlassungen angekündigt werden.

Eine wachsende Zahl von Arbeiter*innen fragt sich auch, was die Europäische Union tut, um Italien zu helfen, insbesondere wenn kubanische und chinesische Ärzt*innen und Gesundheitsfachkräfte in Italien eingetroffen sind, um der italienischen Bevölkerung und den Kranken zu helfen, und wenn Russland Hilfe nach Italien schickt, während Länder wie Deutschland und die Tschechische Republik die für unser Land bestimmten Masken beschlagnahmen.

Die Europäische Union wird, genau wie die ‚Confindustria‘, von einer Arbeiter*innenklasse auf die Anklagebank gesetzt, die heute als Fleisch zum Schlachten gilt und morgen die Rechnung für die Wirtschaftskrise des kapitalistischen Systems präsentiert bekommt.

Die Zeit der Abrechnung wird kommen, und dann werden wir uns an diejenigen erinnern, die den nationalen Gesundheitsdienst zerstört haben, an diejenigen, die auf die Privatisierung des Gesundheitswesens gedrängt haben, an diejenigen, die Sparmaßnahmen eingeführt haben, an diejenigen, die die Fabriken offen gehalten haben, um ihre Profite zu schützen.

Resistenze Internazionali fordert die Ergreifung von Notfallmaßnahmen zur sofortigen Beschlagnahmung von Privatkliniken und Krankenhäusern, die unter die Kontrolle der Beschäftigten des Sektors gestellt werden müssen, zur sofortigen Verstaatlichung der gesamten italienischen Pharmaindustrie, die die Produktion für die Profite ihrer Aktionäre einstellen muss, und zur Einrichtung eines Fonds, der allen Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder in den kommenden Monaten verlieren werden, allgemeine Entlassungszahlungen und Einkommensbeihilfen gewährt.


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Zagreb, Kroatien. Zwei Katastrophen sind drei zu viel

Von Peter Narog, Saarbrücken

Am Morgen des 22. März 2020 wurde die kroatische Hauptstadt Zagreb von einem Erdbeben von 5,3 Grad auf der Richterskala getroffen, gefolgt von mehreren unterschiedlich starken Nachbeben. Das Beben mit seinem Epizentrum ca. 10 km vom Stadtzentrum entfernt verursachte Schäden an über 500 Gebäuden, Mauern und Dächer sind eingestürzt, Wasser sowie Strom und Gas in der Innenstadt sind ausgefallen, 17 Personen wurden verletzt und ein Kind erlag leider seien Verletzungen. Diese Katastrophe trifft ein Land, dessen arbeitende Bevölkerung schon genug unter den Herausforderungen der weltweiten Pandemie und den Verschlechterungen im Zuge der Wiederherstellung des Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten zu leiden hat.

Auch wenn das Gesundheitssystem in Jugoslawien dank bürokratischer Beschränkungen sicher auch nicht optimal war, gab es 1980 ca. 600 Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner*innen. Im kapitalistischen Kroatien des Jahres 2017 sind es nur noch rund 350, während wir uns in Deutschland mit ca. 600 Betten (beides laut Website von Eurostat) berechtigte Sorgen um unsere Gesundheitsversorgung bei einer noch bevorstehenden Pandemie-Welle machen.

Kroatien hatte ein Immunologisches Institut mit einer 150-jährigen Geschichte. Es war in der Lage hochwertige Blutprodukte, immunbiologische Medikamente, Schlangenbiss-Antitoxine sowie bakterielle und virale Impfstoffe herzustellen. Diese Herstellung wurde 2013 stark heruntergefahren als Teil der Umwandlung in ein Profit-Center in Unterordnung unter die Gesetze des Marktes. In Zeiten, in denen viele Wirkstoffe auf den Weltmärkten nicht mehr für alle lieferbar sind, kann sich diese Unterordnung schnell rächen.

Im Vergleich zu diesem kapitalistischen Kahlschlag wirkt die bebenbedingte Räumung zweier Krankenhäuser mit Verlegung einer Entbindungsstation in ein Zelt wie ein relativ kleiner Schaden, der aber natürlich die Ängste vor der bevorstehenden Pandemie-Welle verstärkt.

Corona – Pandemie der Profitoptimierung

Das Land mit 4,1 Millionen Einwohner*innn wurde auch nicht vom Corona-Virus verschont. Laut Johns Hopkins University vom 25.03.2020 wurden 418 Infizierte und ein Todesfall gemeldet, was ungefähr den Zahlen von Berlin acht Tage zuvor entspricht. Die ersten Infizierten hatten das Virus aus dem Ausland (z.B. Italien und Österreich) mitgebracht. Am stärksten betroffen ist die nördliche Region Istrien und verhängte als Erstes beträchtliche Einschränkungen des sozialen Lebens. Diese Maßnahmen gelten mittlerweile für das ganze Land. Es herrscht eine Einreisesperre für Nicht-Staatsbürger*innen, während rückkehrende Staatsbürger*innen in Quarantäne müssen. Für die Bevölkerung bleiben nur die Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Kioske und Tankstellen geöffnet. Die Bewohner*innen dürfen ihre Städte und Gemeinden nicht mehr ohne Erlaubnis verlassen. Allerdings erhalten Sie diese Erlaubnis zum Arbeiten.

So arbeitet beispielsweise die Firma Duro Daković mit Sitz in Slavonski Brod weiter und die Kolleg*nnen müssen unter anderem Panzer und Minenräumfahrzeuge bauen. Die Firma Končar mit über 2000 Beschäftigten lässt weiterhin elektrotechnische Komponenten produzieren. Auch in Kroatien zählen Infektionsketten nicht, wenn sie der weiteren Erwirtschaftung von Unternehmensprofiten dienen.

Als weitere Maßnahme soll nun eine Änderung wesentlicher Bestimmungen des kroatischen Arbeitsrechts erfolgen, die ausnahmslos die Beschränkung von Rechten der Beschäftigten beinhaltet. Die Arbeitgeberseite dürfte demnach beispielsweise Homeoffice anordnen, nicht aber die Beschäftigten dieses einfordern. Es soll eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich ermöglicht und medizinische Untersuchungen zum Arbeitsschutz ausgesetzt werden. Auch in Kroatien sollen Beschäftige die Folgen der Krise bezahlen.

Tourismus vor menschlichen Bedürfnissen?

Fast ein Fünftel des BIP Kroatiens stammt aus dem Tourismus und ca. die Hälfte der Fremdunterkünfte sind private Ferienwohnungen (Zahlen von der Website der Neuen Züricher Zeitung vom 24.11.2019). Es besteht jetzt also überhaupt kein Grund, dass Menschen auf der Straße leben müssen. Es muss allerdings der Kampf darum geführt werden, dass die kleinen Gewerbetreibenden und ihre Beschäftigten auf Kosten der Profite der europäischen Tourismuskonzerne angemessen entschädigt werden. Dieser Kampf ist ohne die Beteiligung der Arbeiter*innenbewegung und der Linken in Deutschland und anderen europäischen Ländern allerdings nur schwer vorstellbar.

Bei „den ausländischen Direktinvestitionen nimmt Deutschland nach den Niederlanden und Österreich den dritten Platz ein“, schreibt das Auswärtige Amt am 19.2.2020 auf seiner Website. Das heißt im Kapitalismus nichts anderes, als dass ein erheblicher Anteil des von kroatischen Beschäftigten erarbeiteten Mehrwerts als Profit an niederländische, österreichische und deutsche Banken und Konzerne fließt. Die Macht dieser Konzerne zu bekämpfen und schließlich zu brechen ist eine internationale Aufgabe. Daher müssen sich Sozialist*innen, Gewerkschafter*innen und letztendlich alle Kolleg*innen international vernetzen.

Profitlogik bekämpfen – Kapitalismus abschaffen

Wir werden weder Erdbeben noch Seuchen gänzlich verhindern können. Um ihre Folgen einzudämmen, muss mit der Profitlogik des kapitalistischen Systems gebrochen werden. Deshalb verfolgen wir als International Socialist Alternative (ISA) mit Interesse die Entwicklung von neuen linken und kämpferischen Gruppierungen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Wir bedanken uns insbesondere für die offene und solidarische Zusammenarbeit mit der Radnička Fronta („Arbeiter*innenfront“) in Kroatien und freuen uns auf den gemeinsamen Kampf für eine weltumspannende sozialistische Gesellschaft.

Ein besonderer Dank gilt der Genossin Dejn Djakovic der Radnička Fronta (RF) für die unterstützenden Recherchen und an den Genossen der RF in Zagreb, der das Foto gemacht und zur Verfügung gestellt hat.

 

Iranisches Regime verliert die Kontrolle über COVID-19

Nina Mo

Tasnim News Agency /

CC BY

(https://creativecommons.org/licenses/by/4.0)

Der Iran ist eines der Länder das am stärksten von der Corona-Krise getroffen wurde

Der Iran ist eines der am stärksten von COVID-19 betroffenen Ländern. Die Mortalitätsrate ist extrem hoch, das gilt auch für junge Menschen. Die wirkliche Zahl könnte aber noch fünf mal höher sein, denn es gibt Einschränkungen bei Tests. Für diese katastrophale Explusion gibt es zwei Hauptgründe: Die Weigerung und Unfähigkeit des Regimes, einen Umgang mit der Pandemie zu finden und die Auswirkungen der von den USA ausgehenden Sanktionen.

Zuerst erschienen am Mittwoch, 25. März, auf https://www.internationalsocialist.net/en/2020/03/coronavirus-iran

Viele westliche Korrespondent*innen erklären die Verbreitung des Coronavirus im Iran aus dem fehlenden Vertrauen in das Regime, weswegen die Menschen den Maßnahmen, die es vorschlägt nicht folgen. Manche Berichte erwähnen die tiefe Religiosität der Gesellschaft und den Unwillen, religiöse Rituale und Versammlungen zu beenden. Beides stimmt zum Teil, aber die Wirklichkeit ist komplexer. Natürlich ist der iranischen Arbeiter*innenklasse bewusst, dass COVID-19 existiert und dass es jeden Tag normale Menschen tötet. Aber wegen fehlender Versorgung, besonders in ländlichen Gegenden, sind die Leute verzweifelt und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.

Das Regime hat über Ausbruch des Coronavirus mehrere Wochen gelogen. Wissenschaftler nehmen jetzt an, dass sich das Virus im Jänner verbreitet hat. Damals mümmerte sich das Regime jedoch mehr darum, Großevents wie die Parlamentswahlen und die Festlichkeiten zur Feier der Islamischen Revoution durchzuführen, im Bewusstsein, dass sich in den Monaten davor die Wut gegen das Regime  intensiviert und Protest das Land erschüttert hatten. Außerdem nimmt die Bedeutung politischer und wirtschaftlicher Verbindungen des Regimes zu China und Qom zu. Als es nicht mehr möglich war, die Existenz des Virus zu verstecken, verbreitete das Regime Verschwörungstheorien die behaupteten, das Virus sein ein US-kontrollierte biologische Waffe.

Erst als Regierungsminister positiv getestet wurden, entschied das Regime, Schulen und Universitäten zu schließen – eine Maßnahme die viel zu spät kam. Das Regime veröffentlichte Stellungnahmen, die die Menschen anwies, zu Hause zu bleiben und Reisen zu vermeiden. Aber für den Großteil der Arbeiter*innenklasse, der weiterarbeiten muss um Mieten zu zahlen und Nahrung zu kaufen, ist war das praktisch unmöglich.

Jetzt verlieren die Behörden mehr und mehr die Kontrolle. Sie haben zehntausende Häftlinge entlassen, weil sie wissen, dass die Hygienezustände in den Gefängnissen so desaströs sind, dass ein COVID-19-Ausbruch Tausende töten würde. Das Versagen des Regimes, mit der Situation umzugehen und die Tatsache, dass normale Menschen damit alleine gelassen wurden, zurecht zu kommen, hat zu gefährlichen Spekulationen über angeblich effektive Schutzmaßnahmen geführt. Zum Beispiel verbreitete sich Mitte März ein Gerücht, dass Alkohol vor COVID-19 schütze. Seither sind über drei Dutzend Menschen durch den Konsum von manipuliertem Methanol gestorben, das am Schwarzmarkt verkauft wird.

Sanktionen und Wirtschaftskrise

Vor dem Hintergrund von COVID-19 verschärft sich die Wirtschaftskrise im Iran. Öleinnahmen fallen weiter und die internationale Isolation nimmt zu. Armut und Arbeitslosigkeit werden in den nächsten Wochen und Monaten dramatisch ansteigen.

Die Trump-Administration hat am 19. März klargestellt, dass sie ihre Politik, maximalen Druck auf den Iran zu machen, weiterführen wird. Die Sanktionen haben jahrelang den Import medizinischer Güter immer schwieriger gemacht. Humanitäre Importe – einschließlich Medikamente – haben in de letzten Jahren abgenommen. Obwohl iranische Firmen etwa 70% der pharmazeutischen Bedürfnisse bereitstellen, haben Schwierigkeiten – verursacht durch Beschränkungen bei internationalen Finanztransaktionen – zu einem dramatischen Mangel bei manchen speziellen Medikamenten und jetzt bei Ausrüstung zur Bekämpfung von COVID-19. Im Moment sind nicht nur Test-Kits Mangelware. Medizinische Güter insgesamt sind schwer zu bekommen und die Preise sind explodiert. Es gibt einen dringenden Bedarf nach Millionen von Masken und Schutzhandschuhen. Laut manchen Berichten hat COVID-19 20 Menschen aus dem Gesundheitspersonal getötet, in weniger als 20 Tagen, nachdem die ersten Fälle bekannt wurden.

Es sind die Armen, die am meisten unter dem Ausbruch von COVID-19 leiden. Viele Familien müssen kleine Familien mit Eltern und Großeltern teilen. Arme Nachbarschaften sind dicht bewohnt. Die Schließung von kleinen lokalen Märkten wird zu Armut und Obdachlosigkeit führen, denn die Menschen können es sich nicht leisten, ihre kleinen Geschäfte zu schließen. Abgesehen von Knappheiten können sich normale Menschen angemessenen Medikamente gar nicht leisten. Die Wirtschaftskrise in Verbindung mit den Sanktionen hat die Kosten von lokal produzierten sowie importierten Gütern beeinflusst. Generell sind die Kosten für Gesundheitsversorgung für Familien im letzten Jahr um über 20% gestiegen.

Repression und Militärmacht

Das Regime nutzt die Situation um Repression und Militärmacht auszubauen. Journalist*innen, die über die Situation in den Spitälern und die steigenden Infektionszahlen berichtet haben, wurden verhaftet und bestraft. Das Gesundheitssystem ist großteils vom Militär kontrolliert. Am 13. März formte das Regime ein Komitee zum Kampf gegen COVID-19, bestehend aus Armee, Revolutionsgarden, Polizei und Geheimdienst. Diese haben jetzt die Befugnis, jede*n zu „registrieren“, über Internet, Telefon oder sogar Hasubesuche. Zugang zu allen persönlichen Daten zu bekommen bedeutet einen gefährlichen Machtzuwachs für Militär und Revolutionsgarden. Zusätzlich ist es wahrscheinlich, dass iranische Milizen COVID-19 bereits nach Syrien und in den Irak verbreitet haben.

Im Kampf gegen den Coronavirus kann sich die iranische Arbeiter*innenklasse nicht auf das Regime und sein Militär verlassen. Es ist klar, dass das Fehlverhalten des Regimes im Umgang mit dieser Krise bereits tausende Leben gekostet hat.

Solidarität in der der Arbeiter*innenklasse

Die Corona-Krise hat das Misstrauen und  die Wut unter Arbeiter*innen verstärkt. Sie sehen jetzt keine andere Möglichkeit, als sich selbst zu organisieren. Im ganzen Land sind freiwillige Hilfsgruppen entstanden, Menschen desinfizieren Straßen auf Eingeninitiative, verteilen Nahrung an ärmere oder kranke Familien und bieten Reinigungspersonal in Spitälern und Personal in Leichenhallen Entlastungsschichten an. Arbeiter*innen sammeln Geld unter Ihresgleichen um Händedesinfektionsmittel, Handschuhe und Masken zu kaufen für öffentlich Bedienstete, die die Straßen reinigen und andere, die sich diese Dinge nicht leisten zu können, zu kaufen. Diese Art von Arbeiter*innenklassse-Solidarität muss verbunden werden mit wütendem Widerstand gegen das Regime, wie wir ihn vor kurzem im Jahr 2019 gesehen haben. Die Sanktionen müssen sofort beendet werden und dieses korrupte und kriminelle Regime muss von der der Arbeiter*innenklasse gestürzt werden, um angemessene Gesunheitsversorgung bereit zu stellen und einen organisierten Kampf gegen das Coronavirus und seine Auswirkungen zu führen.

Sozialist*innen und die Covid-19 Pandemie

Was Sozialist*innen angesichts des Virus fordern sollten. Erklärung der Internationalen Exekutive der Internationalen Sozialistischen Alternative.
Internationale Exekutive der ISA

Covid-19 hat sich inzwischen auf alle Kontinente ausgebreitet. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Erklärung ist unklar, wie lange die Krise dauern wird, wie viele davon betroffen sein werden und wie viele sterben werden. Die Auswirkungen der Krise auf die Weltwirtschaft werden bereits jetzt deutlich, da die Aktienkurse fallen und Unternehmen Enlassungen vornehmen. Ein Klima der Panik macht sich breit und zwingt die Regierungen zum Handeln.

Eine echte Bedrohung

Covid-19 stellt eine echte Bedrohung dar. Es handelt sich um ein sehr aggressives Virus mit, wie es derzeit scheint, einer höheren Sterblichkeitsrate als bei einer "normalen Grippe", von der vor allem ältere und bereits geschwächte Patient*innen betroffen sind. Die Gesundheitssysteme in den entwickelten kapitalistischen Ländern sind nicht ausreichend darauf vorbereitet - aber in den Ländern, die dem Neokolonialismus unterworfen sind, könnte sich ein Ausbruch zu einem Albtraum entwickeln.

Die Menschen sterben in erster Linie an dem Virus, aber eine beträchtliche Anzahl derer, die sterben, tun dies aufgrund der Mängel im Gesundheitssystem. Selbst in den entwickelten kapitalistischen Ländern haben die Auswirkungen der jahrzehntelangen neoliberalen Kürzungen eine Situation geschaffen, in der es zu wenig Krankenhausbetten, überlastetes Personal, unzureichende Testeinrichtungen und einen Mangel an technischer und medizinischer Unterstützung für die Infizierten gibt. In den Entwicklungsländern haben ordentliche Gesundheitssysteme nie existiert.

Covid-19 ist de facto eine Pandemie, obwohl sie aufgrund moderner medizinischer Techniken wahrscheinlich nicht so schwerwiegend sein wird wie die Spanische Grippe, an der vor 100 Jahren bis zu 50 Millionen Menschen gestorben sind. Aber wenn sie sich weiter ausbreitet, wenn Millionen Menschen infiziert werden, wenn die Regierungen weiterhin nicht angemessen reagieren, dann hat sie das Potenzial, schwerwiegende Folgen zu haben. Nachdem die Weltwirtschaft seit einer ganzen Weile am Abgrund balanciert könnte Covid-19 nun der Auslöser sein, der sie in die nächste Rezession treibt.

Auch schwerwiegende politische Auswirkungen sind möglich und zu erwarten. Das kapitalistische System und mit ihm die bürgerliche Demokratie befindet sich in einer sich vertiefenden Krise, seit sich die herrschende Klasse nach 2007 als unfähig erwiesen hat, die Wirtschaftskrise zu lösen. Seitdem ist die politische Situation in allen Teilen der Welt durch Instabilität gekennzeichnet, mit schnell wechselnden Regierungen und dem Auftreten "neuer" Politiker*innen, die populistische Maßnahmen vorschlagen, um das tiefe Misstrauen zu überwinden, während sie versuchen, die Stabilität wiederherzustellen. 2019 war ein Jahr, in dem die herrschende Klasse auf dem ganzen Planeten von Aufständen, Massenprotesten, Revolten und revolutionären Bewegungen erschüttert wurde - Ausbrüche von Unzufriedenheit gegen das politische und wirtschaftliche System.

Eine Pandemie könnte diese Bewegungen durchkreuzen, aber auch zu neuen Protestwellen führen, da die herrschende Elite einmal mehr beweist, dass sie die Probleme nicht lösen kann. Dies könnte sich sehr schnell entfalten, wie im Iran. Aber mit der Art dieser Krise - ein Virus, das von einer Person auf eine andere übertragen wird - besteht die Gefahr, dass Wut und Angst zu Isolation, Rassismus und Trennung führen könnten, bevor sich kollektiver Protest entwickelt. Umso wichtiger ist es, dass Sozialist*innen die Ursachen der Krise erklären und auch konkrete Vorschläge und Forderungen zum Umgang mit der Situation stellen.

Zu spätes Eingreifen und Rechtfertigung der Sperren

Ungeachtet dessen, was viele Vertreter*innen des Establishments sagen, war die Reaktion der chinesischen Behörden auf den frühen Ausbruch in Wuhan ein katastrophaler Fehlschlag. Die ersten Infektionen geschahen wohl Anfang Dezember letzten Jahres, und der neue Covid-19-Stamm des Coronavirus wurde am 7. Januar dieses Jahres identifiziert. Eine genetische Analyse zeigte, dass er dem Coronavirus SARS, das beim Ausbruch von 2003 eine erschütternde Sterblichkeitsrate von etwa 10% aufwies, bemerkenswert ähnlich war. Anstatt dies als Warnung zu verstehen und den Ausbruch einzudämmen, solange er noch räumlich beschränkt war, beschlossen die Behörden, ihn zu ignorieren und kritische Wissenschaftler*innen und Journalist*innen, die versuchten, die Öffentlichkeit zu warnen, zum Schweigen zu bringen - das Schicksal des verstorbenen Arztes Li Wenliang ist dafür das berüchtigtste Beispiel.

Zu diesem Zeitpunkt, dem Beginn des Ausbruchs, wäre es wahrscheinlich möglich gewesen, ihn zu stoppen, indem man die Infektionskette zurückverfolgt und die gefährdeten Personen isoliert, während man gleichzeitig die Öffentlichkeit informiert, Gesichtsmasken verteilt und an öffentlichen Plätzen anti-virale Desinfektionsmittel angebracht hätte. Aber es dauerte mehr als zwei Wochen, bis die chinesische Regierung erkannte, dass sie das Problem nicht länger verbergen konnte, und so verhängte sie am 23. Januar die Abriegelung von Hubei und beschränkte die grundlegenden Menschenrechte von 60 Millionen Menschen in diesem Gebiet.

Wir sind zwar nicht grundsätzlich gegen die Einschränkung des Reiserechts während eines gefährlichen Ausbruchs, aber wir kritisieren das Regime, weil es vor dieser drastischen Einschränkung keine Maßnahmen ergriffen hat, und wir kritisieren auch die Art und Weise, wie sie beschlossen und umgesetzt wurde. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass nach den Informationen die durchgesickert sind, die Bedingungen der Abriegelung für die Betroffenen entsetzlich sind: viele Arbeiter*innen sind unbezahlt beurlaubt, die Quarantäne-Einrichtungen bestehen aus Hunderten von Betten nebeneinander mit begrenzten sanitären Einrichtungen, Grundbedürfnisse wie Nahrung und Wasser sind nicht richtig gewährleistet, das Personal arbeitet unter unerträglichen Bedingungen.

In den entwickelten kapitalistischen Ländern sehen wir, wie Politiker*innen die Gefahren des Ausbruchs herunterspielen und gleichzeitig betonen, dass sie gut vorbereitet sind, was in den meisten Fällen nicht stimmt. Angesichts des bereits bestehenden Misstrauens gegenüber der herrschenden Elite haben viele Menschen das Gefühl, dass mit dieser Haltung etwas nicht stimmt, was Panikreaktionen wie Hamsterkäufe fördert. Das Fehlen einer angemessenen frühzeitigen Reaktion führt zu der Gefahr, dass später extremere Maßnahmen zur Bewältigung des Ausbruchs ergriffen werden, wie dies in Italien bereits bei den lokalen Ausgangssperren und Einschränkungen des Streikrechts der Fall ist.

Information und Demokratie

Wenn früher zynische Medienmagnaten behaupteten, dass "Sex Zeitungen verkauft", scheinen sie jetzt zu denken, dass sich "Panik verkauft". Im Moment gibt es zwei widersprüchliche Probleme: Während die Regime die Bevölkerung nicht richtig informieren, greifen die Medien die winzigsten Details auf, um Panik zu erzeugen. In China ist nun klar, dass ein in Wuhan arbeitender Arzt, Li Wenliang, vor dem Coronavirus gewarnt hatte, bevor es sich ausbreitete, aber vom Regime ignoriert und schikaniert wurde. Das Regime versuchte mit seinen üblichen Methoden der Zensur und Repression das Problem zu isolieren, aber dieser Plan ging nach hinten los. Später machte das Regime eine 180 Grad Wende und stellte Millionen von Menschen unter Quarantäne.

Diese drakonischen Maßnahmen des chinesischen Regimes wurden von Regierungen in der ganzen Welt befürwortet, es herrscht sogar das Gefühl, "in einer solchen Situation braucht man schon zumindest Elemente einer Diktatur, um die Situation zu bewältigen". Dies ist ein gefährlicher Trend, der sich mit der Einführung eines " Klima-Notstands" und "Anti-Terror-Gesetzen" abzeichnet, die zur Rechtfertigung der Einschränkung demokratischer Rechte benutzt werden. Es stimmt zwar, dass in einer Pandemie-Situation schnelle und manchmal restriktive Maßnahmen ergriffen werden müssen, aber das bedeutet nicht, dass dies auf undemokratische und diktatorische Weise geschehen sollte.

Diese Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass die herrschende Klasse ihre Macht behält, und es gibt keine Garantie dafür, dass diese Ad-hoc-Maßnahmen nicht noch lange nach dem Ende der Krise bestehen bleiben. Sie werden mit dem Argument gerechtfertigt, dass die normalen Menschen der Arbeiter*innenklasse nicht verstehen, was vor sich geht, und nicht in der Lage sind, Lösungen zu finden. Beides ist absolut falsch.

Im Irak haben Demonstrant*innen angesichts des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems Flugblätter verteilt und Vorträge über die Vorbeugung von Coronaviren gehalten, und die provisorischen Kliniken, die vor Monaten zur Behandlung der durch die Polizeirepression verletzten Demonstrant*innen errichtet wurden, verteilen jetzt kostenlos medizinische Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel. Freiwillige Helfer*innen in Sicherheitsanzügen messen die Temperatur der Demonstrant*innen, die sich in organisierten Schlangen aufstellen. Dies zeigt einen sehr kleinen Einblick in das, was in größerem Maßstab erreichbar wäre, wenn die Reaktion auf das Virus demokratisch von unten organisiert würde, auf der Grundlage der Solidarität der arbeitenden Menschen, statt durch den Profit, das Prestige und die Macht der kapitalistischen Eliten diktiert zu werden.

Wir sagen

  • Als ersten Schritt brauchen wir die umfassende Verbreitung von wissenschaftlich fundierten Informationen über alle Medienkanäle. Unabhängig von Unternehmen und politischen Eliten sollten echte medizinische und wissenschaftliche Expert*innen Ratschläge geben, wie die Risiken einer Ansteckung und Verbreitung so gering wie möglich gehalten werden können. Diese Informationen sollten kostenlos verteilt werden, auch durch die privaten Medien, ohne Bezahlung für Druckflächen oder Sendezeit und in allen notwendigen Sprachen, um alle Schichten der Gesellschaft zu erreichen. Alle Medien, die falsche Informationen, rassistische Verleumdungen, Verschwörungstheorien verbreiten oder Geld verlangen, sollten sofort von der Öffentlichkeit und den Mitarbeiter*innen übernommen werden. Dies zeigt die Notwendigkeit unabhängiger Medien der Arbeiter*innenklasse!
  • Informationen müssen an Arbeitsplätzen, Universitäten und Schulen während der bezahlten Arbeits- oder Studienzeit umfangreich verbreitet werden.
  • Die Entscheidungen über die notwendigen Maßnahmen und ihre Durchführung sollten von demokratischen Strukturen der Arbeiter*innenklasse, von Vertretern der Arbeiter*innenbewegung und der lokalen Bevölkerung getroffen werden, die sich an der Einschätzung medizinischer Expert*innen orientieren.

Prävention

Staatliche Maßnahmen wie Körpertemperaturmessungen an Flughäfen, die mehr oder weniger nutzlos sind, da man das Virus ohne Fieber oder andere Symptome in sich tragen kann, werden ergriffen, um zu zeigen, dass "etwas getan wird", und um das Versagen der Regierungen zu verschleiern, die notwendigen Investitionen in mehr medizinisches Personal und Ressourcen zu tätigen. Sie haben es meist versäumt, ein Programm für frühzeitige Tests einzuführen, um Infektionsketten zu verfolgen und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung zu implementieren. Sie nutzen die Bedrohung auch, um ihre politischen Interessen zu verfolgen, wie z.B. in Italien, wo Streiks unter Berufung auf Covid-19 als Argument für diese antidemokratische Maßnahme verboten wurden.

Gleichzeitig leben wir in einer Gesellschaft wo Menschen unter Druck gesetzt werden, auch dann zur Arbeit zu gehen, wenn sie sich krank fühlen, aus Angst, ihren Lohn oder sogar ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Kürzlich ging ein Arbeiter im deutschen VW-Werk in Wolfsburg in die Arbeit, obwohl er sich krank fühlte, und verstarb am Arbeitsplatz. Die Unternehmensleitung zwang seine Kolleg*innen, neben der Leiche weiter zu arbeiten, um eine Unterbrechung der Produkt zu verhindern. Einige Unternehmen, wie z.B. Fluggesellschaften, versuchen, das Virus zur Lösung wirtschaftlicher Probleme zu nutzen die schon vorher bestanden, indem sie die Belegschaft bezahlen lassen - durch Entlassungen, Kurzarbeit, unbezahlten Urlaub und Lohnkürzungen.

Bei ihren Versuchen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, setzen Regierungen Maßnahmen ein, welche die Öffentlichkeit betreffen, aber die Konsequenzen den Individuen überlassen, die zahlen müssen und es sich oft nicht leisten können. Wir fordern einen anderen Zugang - die Gesundheit aller ist eine öffentliche Verantwortung und muss daher von der gesamten Gesellschaft organisiert und finanziert werden.

Wir sagen

  • Einrichtungen zum ordnungsgemäßen Waschen und Desinfizieren der Hände und was immer notwendig und nützlich ist, sollten, wo immer es notwendig ist, zur Verfügung gestellt und Materialien kostenlos verteilt werden. Es zeigt die absolute Perversion des kapitalistischen Systems, dass die Unternehmen versuchen, vom Bedürfnis der Menschen nach Gesundheitsschutz zu profitieren, deshalb sollten diese Unternehmen von der Gesellschaft übernommen werden und für die Bedürfnisse der Gesellschaft laufen. Dadurch könnte die Produktion von Unternehmen, die ähnliche Produkte herstellen, umgestellt oder erhöht werden. Die Arbeiter*innen selbst wissen genau, wie die Produktion organisiert ist, welche Produkte nützlich und notwendig sind und leicht ersetzt werden können und wie die Produktion verändert werden kann, um dringend notwendige Notfallversorgung zu gewährleisten. Dazu muss die Produktion von demokratisch gewählten Organen der Arbeiter*innen selbst geleitet und kontrolliert werden.
  • Masken und andere Gegenstände, die für den Schutz insbesondere des medizinischen Personals benötigt werden, sollten kostenlos und in der erforderlichen Menge zur Verfügung gestellt werden. Einige Unternehmen argumentieren bereits, dass die Lagerbestände gering sind, nur um sie zu höheren Preisen zu verkaufen. Dies unterstreicht, warum die Industrie von gewählten Vertreter*innen der Öffentlichkeit, den Beschäftigten des Unternehmens selbst und der breiteren Arbeiter*innenbewegung kontrolliert werden sollte.
  • Der schizophrene Charakter der bürgerlichen Regierungen zeigt sich, wenn sie große Veranstaltungen wie den Karneval von Venedig und Sportveranstaltungen absagen. Medizinische Expert*innen kommentieren, dass dies nur bedeutet, dass die Menschen mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbringen, wie z.B. in Bars, wo die Übertragung noch einfacher ist. Gleichzeitig wird von den Menschen immer noch erwartet, dass sie jeden Tag zur Arbeit fahren, oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um die Wirtschaft am Laufen zu halten und die Profite fließen zu lassen. Wenn es notwendig ist, das Risiko einer weiteren Ausbreitung zu verringern, dann sollte die erste Maßnahme darin bestehen, die Arbeitsleistung auf die wirklich notwendigen Arbeitsplätze zu reduzieren und, wenn möglich, Heimarbeit zu ermöglichen. Diese Maßnahmen sollten so umgesetzt werden, dass alle Arbeiter*innen, ob sie arbeiten oder nicht, den vollen Lohn erhalten. Besondere Maßnahmen zur Bereitstellung zusätzlicher Hilfe für die Niedrigverdiener*innen sind erforderlich, da sie keine Reserven für zusätzliche Ausgaben haben.
  • Wenn Schulen und Kindergärten geschlossen werden müssen, dann müssen die Eltern bei voller Bezahlung von der Arbeit freigestellt werden – das ist wichtig, nicht nur um die Rechte der Arbeiter*innen zu schützen, sondern auch, um die Bildung informeller Gruppen von Kindern zu verhindern, die sonst organisiert werden weil die Eltern nicht zu Hause bleiben können. Die Einhaltung der notwendigen Hygienemaßnahmen bei Gruppen von Kleinkindern ist praktisch unmöglich. Wenn Unternehmen argumentieren, dass sie sich die Lohnfortzahlung nicht leisten können, sollten als erste Maßnahme ihre Geschäftsbücher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um zu überprüfen, ob dies zutrifft, und diejenigen, die nicht zahlen können, sollten von der Öffentlichkeit übernommen und unter der Kontrolle und Leitung der Beschäftigten selbst geführt werden.
  • Wenn Reisebeschränkungen eingeführt werden, dürfen sie nicht auf Kosten der Arbeiter*innenklasse gehen: Wenn die Menschen gebuchte Reisen stornieren oder ändern müssen, sollten sie für Verluste oder zusätzliche Kosten voll entschädigt werden. Diskussionen und Entscheidungen über notwendige Quarantänen, die Fortsetzung der Produktion und die Maßnahmen zur Verringerung der Verbreitung des Virus sollten von demokratisch organisierten und geführten Ausschüssen aus Gesundheitsexpert*innen und der Bevölkerung und Arbeiter*innen vor Ort getroffen werden. Sie dürfen nicht in den Händen der bürgerlichen Regierung liegen, welche die Interessen der Kapitalist*innenklasse vertritt.
  • In den Regionen, in denen eine Quarantäne notwendig ist, muss die Verteilung von Lebensmitteln und anderen notwendigen Gütern durch demokratisch gewählte Ausschüsse öffentlich organisiert werden, um zu verhindern, dass diejenigen mit mehr Geld besser "bedient" werden als andere.

Pflege

Die Mortalität von Covid-19 ist stark mit der Qualität des Gesundheitswesens verbunden. In Ländern mit einem schwachen Gesundheitswesen oder ohne öffentlichen Gesundheitswesen werden mehr Menschen sterben. Im Iran, dem Land mit den meisten Todesfällen außerhalb Chinas, wurde die Reaktion auf die Epidemie durch die Untätigkeit, die Lügen und die Korruption des Regimes behindert - aber auch durch die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen, die den Zugang zu medizinischer Grundversorgung und die Einfuhr von Coronavirus-Diagnosekits eingeschränkt haben.

Aber auch in den entwickelten kapitalistischen Ländern wird es aufgrund fehlender Ressourcen enorme Probleme geben. Bei einem älteren Patienten in Österreich wurde eine Infektion mit Covid-19 erst nach einem 10-tägigen Krankenhausaufenthalt festgestellt wo er wegen einer „Grippe“ behandelt wurde. In Italien zeigt die Situation, wie ernst, gefährlich und schwerwiegend der von den wichtigsten politischen Kräften des Landes in den letzten Jahren durchgeführte Prozess der Demontage des öffentlichen Gesundheitswesens war. Unterstützt von neoliberalen Angriffen und föderalistischem Regionalismus wurde das öffentliche Gesundheitswesen in den letzten zwanzig Jahren zerschlagen, es wurde seiner Ressourcen beraubt, in Stücke gerissen, zerstört und in zahlreiche autonome regionale Gesundheitsdienste zersplittert, ohne die Befugnisse und den Einfluss, die ein einheitlicher nationaler Gesundheitsdienst (NHS) eines modernen Staates haben sollte.

Die Verbesserung der medizinischen Wissenschaft und Technologie hat den Bedarf an langwierigen Behandlungen in den Krankenhäusern verringert. Aber überall wurde dieses Argument benutzt, um die Ausgaben für das Gesundheitswesen in dieser Richtung zu stark zu senken. Sogenannte Expert*innen haben die Reduzierung von Krankenhausbetten und -personal gefordert, um diese effizienter zu machen, oder, wie in vielen Fällen, die Privatisierung von Schlüsselbereichen des Gesundheitswesens im Interesse des Profits durchzuführen. Dies hat zu erschöpfenden Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und zu einem Mangel an Ressourcen für eine menschenwürdige Behandlung geführt - selbst in "normalen" Zeiten. Nun droht die Pandemie extreme Bedingungen zu schaffen, und das gesamte Gesundheitssystem ist bis zum Zerreißen angespannt.

Wir sagen

  • In einem ersten Schritt sollte das gesamte Personal im Gesundheitssektor von Arbeiten befreit werden, die nicht direkt mit der Pflege zusammenhängen - wie Verwaltung und unnötige Dokumentation. Dies würde sofort 20-30% zusätzliche Ressourcen freisetzen.
  • Es sollte mehr Gesundheitspersonal mit maximalen Sicherheitsmaßnahmen und angemessener Bezahlung eingestellt werden - und nach der Epidemie sollte mehr Personal beibehalten bleiben, um die Arbeitszeit im Gesundheitssektor dauerhaft zu reduzieren. Es besteht zwar ein Bedarf für mehr Personal, aber wir lehnen Zwangsarbeit ab und verteidigen das Recht auf Arbeitsverweigerung. Die Geschichte hat gezeigt, wie selbstlose Menschen bereit sind, in Zeiten von Krieg, Katastrophen oder Krankheit sogar ihr eigenes Leben in Gefahr zu bringen.
  • In Zeiten von Krankheit und eigentlich zu keinem Zeitpunkt gilt: es gibt es keinen Platz für Wettbewerb im Gesundheitssektor. Wo es Krankenhäuser oder Kliniken gibt, müssen sie zum Wohle der Gesellschaft zusammenarbeiten. Alle privaten Kliniken und Gesundheitseinrichtungen müssen die Behandlung des Covid-19-Virus für alle, die darum bitten, kostenlos zur Verfügung stellen.
  • Der Zugang zu medizinischer Behandlung sollte nirgendwo eingeschränkt werden. Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt können sich keine Krankenversicherung leisten. Selbst im reichsten Land der Erde - den USA - gibt es kein allgemeines Gesundheitssystem. Alle notwendigen Medikamente und Behandlungen, die zur Behandlung von Covid-19 notwendig sind, sollten vom Staat bereitgestellt und bezahlt werden.
  • Alle Wirtschaftssanktionen gegen den Iran und andere Länder sollten sofort beendet werden, ebenso wie alle Maßnahmen, die die Verbreitung von medizinischer Ausrüstung in die betroffenen Gebieten einschränken. In einer Pandemie-Situation ist es offensichtlich, dass Sanktionen nicht nur unmenschlich sind, sondern eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft darstellen, da infizierte, aber unbehandelte Menschen das Virus nur weiter verbreiten werden.
  • Gesundheit ist ein Menschenrecht und darf niemals an einen profitorientierten Markt ausgeliefert werden. Privatisierte und private Gesundheitseinrichtungen sollten unverzüglich (wieder-)verstaatlicht werden. In einem verstaatlichten und demokratisch organisierten Gesundheitssystem werden alle Informationen geteilt, das benötigte Material auf die effektivste Weise verteilt und die Patienten angemessen und effektiv behandelt.

Pharmazeutische Forschung und Industrie

Wie alles andere im Kapitalismus ist Gesundheit und Forschung eine Ware. Aber es sind nicht nur ein paar zwielichtige Unternehmen, die mit Masken und anderen medizinischen Hilfsmitteln zusätzliche Gewinne erzielen - es ist die gesamte pharmazeutische Industrie. Im Jahr 2019 konnten die 10 größten Pharmaunternehmen ihre Gewinne um 7% auf insgesamt 138 Milliarden Dollar steigern. Das Unternehmen, das als erstes einen Impfstoff oder ein Medikament gegen Covid-19 herstellt, wird ein Vermögen verdienen. Während also Teams aus Wissenschaftler*innen an Medikamenten arbeiten, teilen die Unternehmen keine Informationen und Forschungsergebnisse werden geheim gehalten. Das gilt auch für andere schwere Krankheiten! Der Gewinn für die wenigen ist wichtiger als das Leben der vielen.

Der Ausbruch von Covid-19 zeigt deutlich die Probleme der zentralisierten Produktion von Medikamenten, um die Gewinne zu steigern. Da die meisten Medikamente in China und Indien hergestellt werden, wird der Mangel an wichtigen Medikamenten in einer Reihe von Ländern immer dringlicher. Mit der zunehmenden Knappheit ist die Gesundheit der nicht infizierten Menschen gefährdet.

Wir sagen

  • Die Pharmaindustrie muss in öffentlichen Besitz überführt und im Interesse aller betrieben werden.
  • Patente müssen abgeschafft werden, da sie Informationen monopolisieren - alle verfügbaren Informationen müssen geteilt und veröffentlicht werden. Es muss mehr in die Forschung investiert werden, um schnellere Ergebnisse zu erzielen - die Gewinne der Pharmaunternehmen können dies leicht bezahlen. Gewählte Ausschüsse aus Expert*innen, Beschäftigten, Patient*innen und medizinischem Personal sollten alle wichtigen Entscheidungen treffen, die Ergebnisse bewerten und über notwendige Veränderungen entscheiden.
  • Die Wiederherstellung dezentralisierter Strukturen zur Herstellung von Medikamenten, um Engpässe bei Ausbrüchen, Naturkatastrophen usw. zu verhindern.
  • Kein Horten von Medikamenten für den Profit - für die demokratische Verwaltung der Medikamentenverteilung.

Migration

Das kapitalistische System mit seinen Kriegen, der Ausbeutung und Zerstörung der Natur zwingt Millionen von Menschen auf dem Planeten zur Flucht. Die rechtsextremen, aber auch "gewöhnlichen" bürgerlichen Regierungen versuchen, die Schuld für die Auswirkungen ihrer Politik - den Verlust von Arbeitsplätzen, den Mangel an Wohnraum usw. - den Migrant*innen und Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben. Die rassistische Propaganda, die die Gesellschaft seit Jahrzehnten vergiftet, hat bereits zu rassistischen Angriffen gegen Chinesen oder andere "asiatisch" aussehende Menschen in Deutschland, Italien, Großbritannien, Russland, den USA und anderen Ländern geführt.

Angesichts der Zunahme von Infektionen in Afrika und im Nahen Osten, die zu Epidemien in den riesigen Flüchtlingslagern zu führen drohen, wo Menschen unter schrecklichen Bedingungen ohne sanitäre und medizinische Hilfe zusammengepfercht sind, und angesichts der "Öffnung" der Grenze zur Europäischen Union durch Erdogan brauchen Sozialist*innen und die Arbeiter*innenbewegung ein Programm für Flüchtlinge.

Die extreme Rechte greift bereits Migrant*innen und Flüchtlinge unter dem Vorwand von Covid-19 an. Bald werden ihnen zweifellos verschiedene bürgerliche Parteien folgen, darunter auch scheinbar "progressive" sozialdemokratische und grüne Parteien. Sie werden versuchen, noch mehr rassistische Einwanderungsregeln durchzusetzen, Mauern zu errichten und die Festung Europa zu stärken, mit dem Argument, dass dies zum "Schutz" vor dem Virus notwendig sei. In Zypern wurden vier der neun Übergänge entlang der Pufferzone zwischen dem Norden und dem Süden geschlossen, was die Regierung als Maßnahme zur Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus darstellt - trotz des Fehlens bestätigter Fälle auf beiden Seiten der Grenze.

Wenn keine anderen wirksamen Maßnahmen ergriffen werden, kann dies zu einer Situation führen, in der selbst Linke und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse das Gefühl haben, dass sie solche Aktionen zwar nicht mögen, aber keine andere Wahl haben, als sie zu akzeptieren. Aber Covid-19 ist demokratisch und antirassistisch: Es fragt nicht nach Geschlecht, Religion oder Nationalität. Daher ist jede Maßnahme, die auf solchen Merkmalen beruht, bestenfalls nutzlos. Aber diejenigen, die das Virus zur Schaffung von Spaltungen einsetzen, hindern uns daran, zusammenzuarbeiten, um die weitere Ausbreitung zu stoppen und die Krise zu lösen.

Keine Grenzkontrolle kann alle Flüchtlinge fernhalten - ganz zu schweigen von einem Virus. "Man kann ein Virus nicht aussperren", erklärt Larry Gostin, Professor für globales Gesundheitsrecht an der Georgetown University in Washington - wir würden hinzufügen: "Man kann ein Virus nicht einsperren". Der Grund, warum die Menschen Angst vor Migrant*innen und Flüchtlingen haben, ist die Fehlinformation, die über Covid-19 verbreitet wurde, und die langfristige Erfahrung vieler, dass die herrschenden Klassen die Arbeiter*innenklasse für die noch ärmeren Flüchtlinge bezahlen ließen, die 2015 nach Europa kamen oder die aus Lateinamerika in die USA flohen. Aber weder die Flüchtlinge noch die Menschen der Arbeiter*innenklasse in den entwickelten kapitalistischen Ländern sind für Krieg, Klimawandel und Armut verantwortlich - die häufigsten Gründe, warum die Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen.

Wir sagen

  • In einem ersten Schritt sollten die Gelder, die zur Subventionierung von Großunternehmen wie den Fluggesellschaften verwendet werden, sofort zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den großen Flüchtlingslagern eingesetzt werden, um dort einen Ausbruch von Covid-19 zu verhindern. Abschiebungen sollten gestoppt und das Recht der Flüchtlinge auf Asyl verteidigt werden.
  • Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zu zwingen, die Waffenindustrie, das Großkapital, die Öl- und Bergbauunternehmen und die militärischen Vertragspartner, also Söldner, jene die von der extremen Ausbeutung der Menschen und der natürlichen Ressourcen der neokolonialen Welt profitieren, sollten zahlen. Die Enteignung dieser Unternehmen und die Nutzung ihrer Ressourcen zur Bereitstellung von Soforthilfe würde bedeuten, dass weniger Menschen gezwungen wären, aus ihrer Heimat zu fliehen.

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels sind die langfristigen Auswirkungen von Covid-19 unklar. Aber das Virus zeigt deutlich die Schwäche der Weltwirtschaft und die Unfähigkeit der herrschenden Elite und des kapitalistischen Systems insgesamt, mit solchen Bedrohungen umzugehen.

Eine Pandemie kann ein Schock sein. Sie kann die Welle von Protesten und Kämpfen stoppen, die 2019 ausgebrochen ist. Aber die Unfähigkeit der herrschenden Klasse, sie zu lösen oder überhaupt richtig mit ihr umzugehen, wird zu Wut führen. Wenn die Organisationen der Arbeiter*innenklasse einen Weg nach vorne zeigen, Lösungen aufzeigen, wie man mit der Krise umgehen und sie überwinden kann, dann kann dies dazu beitragen, Verzweiflung, ein Erstarken von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verhindern und einen Weg nach vorne zu zeigen, der auf einer sozialistischen Lösung basiert, um dieses kranke, kapitalistische System zu beenden. Es ist nicht die Zeit für Panik, sondern für die Organisation des Widerstands!

USA: Weg mit Trump?!

Nur Politik für die Arbeiter*innenklasse kann Trump wirklich besiegen
Keely Mullen und Kailyn Nicholson

Am 18. Dezember wurde Donald Trump als erst dritter US-Präsident wegen Amtsvergehen angeklagt. Die Anklage basiert auf zwei Punkten: 1) „Machtmissbrauch“ wegen des Zurückhaltens von militärischer Unterstützung für die Ukraine, um von dortigen Beamten im Vorfeld der Wahlen 2020 einen politischen „Gefallen“ zu erpressen. 2) „Behinderung der Justiz“ wegen der Anweisung an Bundesbeamte, sich nicht an den Amtsenthebungsverfahren zu beteiligen. Obwohl Trump nun offiziell vom Repräsentantenhaus das Misstrauen ausgesprochen worden ist, kommt als nächstes ein Prozess im von den Republikaner*innen dominierten Senat, wo es so gut wie sicher ist, dass Trump freigesprochen wird.

Donald Trumps Präsidentschaft ist eine Bedrohung für die Arbeiter*innenklasse der USA und weltweit. Seine rassistische, Frauen verachtende Regierung hat Rechtsextreme ermutigt und zum Anstieg von gewalttätigen Hassverbrechen beigetragen. Indem er den Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie zujubelt und Umweltauflagen abbaut, steuert er aktiv in großen Schritten einer globalen Klimakatastrophe zu. Er hat probiert, die Gesundheitsversicherung für Millionen von Armutsbetroffenen zu streichen, hat Gewerkschaften angegriffen, Kinder von Migrant*innen aus ihren Familien gerissen.

2020 hat mit der Ermordung von Suleimani aus der Führungsspitze des iranischen Regimes durch die USA begonnen – eine kriminelle Eskalation des Konfliktes zwischen den USA und Iran, der einen großen Krieg riskiert, dessen Opfer die Bevölkerung des Mittleren Osten ist.

Allerdings beriefen sich die Demokraten für das Amtsenthebungsverfahren auf keines dieser Verbrechen. Obwohl 10 Millionen Menschen die Amtsenthebung und die Beseitigung von Trump aus dem Amt unterstützen – was zeigt, wie sehr man ihn loswerden will –, war diese Unterstützung sehr passiv. Für viele gerade aus der Arbeiter*innenklasse ist die Argumentationslinie der Demokraten für die Amtsenthebung auf Basis des Ukraine-Falls wenig überzeugend.

Im Gegensatz dazu gab es im Juni 2018 landesweit Massendemonstrationen gegen Trumps Einwanderungspolitik. Die Women‘s Marches gegen Trumps zügellosen Frauenhass waren die größten Proteste der Geschichte der USA. Hätten die Demokraten das Verfahren zur Amtsenthebung mit Bezug auf Trumps brutale Angriffe auf Arbeiter*innen – die bereits zu einem öffentlichen Aufschrei geführt haben – begonnen, würden dieses Verfahren und der ganze Prozess im Senat viel mehr Leute mitreißen.

Die Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SLP) in den USA hat davor gewarnt, dass die Strategie der mit dem Kapital eng verflochtenen Führung der Demokratischen Partei nach hinten losgehen und sogar Trump helfen könnte. Die unternehmer*innenfreundliche Führung der Partei unter Obama hatte geholfen, die Basis für Trumps Sieg zu legen, indem sie die Banken retteten, während Millionen in der Krise ihre Jobs und Häuser verloren. Ihre Strategie der Amtsenthebung zeigt erneut, dass sie vollkommen gegen jede Herangehensweise sind, die sich auf das Mobilisieren von normalen Leuten für ihre eigenen Interessen stützt.

Linke wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez beweisen, dass es innerhalb der Wähler*innenbasis der Demokraten, aber auch bei unabhängigen und sogar Wähler*innen der Republikaner, eine massive Unterstützung für eine Politik im Sinne der Arbeiter*innenklasse gibt. Rund um deren Plattform zu mobilisieren bietet eine viel bessere Chance, Trump zu schlagen als der Ansatzpunkt des Demokratischen Establishments. Indem sie diese Punkte ignoriert und alles tut, um die Kandidatur von Bernie zu sabotieren, untergräbt die Führung der Demokratischen Partei unsere Möglichkeit, Trump 2020 zu besiegen – genauso wie sie es 2016 getan hat.

Arbeiter*innen können sich keinen weiteren Sieg Trumps leisten. Während die Führung der Demokraten die Diskussion über die wahren Verbrechen Trumps vermeidet, sollte Bernie Sanders die kommenden Senatsprozesse als Plattform nutzen. Er sollte zu Massenprotesten gegen Trumps brutale Angriffe auf die „kleinen Leute“ und für eine Regierung im Interesse der Arbeiter*innen und nicht der Milliardär*innen aufrufen.

Ein solcher Schritt würde an die Frustration der Mehrheit der amerikanischen Wähler*innen über das gesamte politische Spektrum hinweg appellieren, die sich zu Recht vom gesamten politischen Establishment ignoriert fühlt. Die Organisation des Massenzorns über Trumps Politik ist bei weitem der effektivste Weg, ihn zu besiegen und mit dem Aufbau der Massenbewegung zu beginnen, die sich auf die soziale Macht der Arbeiter*innenklasse konzentriert und nicht nur Trump beseitigt, sondern die gesamte Agenda der rechten Milliardär*innenklasse besiegt. Socialist Alternative ist in den USA in der wiederauflebenden Arbeiter*innenbewegung und in der Bernie Sanders Kampagne aktiv, die einen Ansatz einer neuen Arbeiter*innen- und Jugendpartei darstellt.

 

 

http://www.socialistalternative.org

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen - Nigeria - Zypern - Nord-Irland

Nigeria: Streik

In Nigeria kämpfen Arbeiter*innen für die Umsetzung des Mindestlohns von 30.000 Naira (ca. 75 €), der im April 2019 gesetzlich eingeführt, in über 25 Bundesstaaten aber bis Ende 2019 nicht umgesetzt wurde. Deshalb kam es im Dezember zu Streiks, bei denen auch Democratic Socialist Movement (CWI Nigeria) unterstützte und zu öffentlichen Streik- und Protestaktionen aufrief.

http://socialistnigeria.org

 

Zypern: We stand with her

In Zypern, Israel und Großbritannien gab es Anfang Dezember Proteste, nachdem eine Britin zu vier Monaten Haft wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ verurteilt wurde. Sie war Opfer einer Gruppenvergewaltigung durch israelische Staatsbürger in Zypern geworden und hatte diese angezeigt. Auch die mediale Berichterstattung und der Umgang der Regierung mit dem Fall werden kritisiert, da diese von „victim blaming“ (Versuche, das Opfer als Täterin darzustellen) geprägt sind. In einer gemeinsamen Stellungnahme der SLP-Schwesterorganisationen aus Zypern, Israel/Palästina und Britannien wurde u.a. die „demokratische Kontrolle der Untersuchung und des Gerichtsprozesses durch Arbeiter*innenorganisationen und deren Frauenstrukturen“ gefordert.

http://nedacy.wordpress.com

 

N-Irland: Gesundheitsstreik

In Nordirland streikten am 18.12. die Beschäftigten des Gesundheitsbereichs gegen niedrige Löhne und unsichere Arbeitsbedingungen. Mehrere Gewerkschaften riefen gemeinsam zu den Kampfmaßnahmen auf, die Beschäftigten begrüßt das. Die Wut über die schleppenden Verhandlungen mit der Gesundheitsbehörde über das vergangene Jahr waren dem Streik vorangegangen. Das heizte die Wut bei den Kolleg*innen weiter an. Seit plötzlich £28 Millionen vom Finanzamt für ein neues Angebot an die Beschäftigten auftauchten, ist klar, dass das Argument, es wäre kein Geld da, eine Lüge ist. Die Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP in Irland) unterstützt die Streiks und tritt für eine konsequente Kampagne inklusive Eskalationsstrategie ein, weil einmalige Streiks oft zu wenig sind.

http://socialistparty.ie

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Afrika: Kapital schafft Flüchtlinge

Lukas Kastner

Ende 2018 befanden sich unter den 10 Ländern mit der höchsten Anzahl an Flüchtlingen 6 afrikanische (DR Kongo, Süd-Sudan, Somalia, Äthiopien, Sudan, Nigeria). Bereits während der Kolonialherrschaft wurden die Weichen für das heutige Elend gestellt. Die Kolonien sollten in Abhängigkeit von den kapitalistischen Zentren diese mit Rohstoffen oder Agrarprodukten versorgen. Sozialer Aufstieg war für die lokale Bevölkerung nur über Posten im autoritären Staat möglich. Nach der Unabhängigkeit verfolgten die Eliten des Kontinents diese Strategie weiter. Regierungs- und Staatsposten dienten über ein weites Netz an Korruption dem Aufbau einer kleinen parasitären Klasse an Kapitalist*innen, welche zur Aufrechterhaltung ihrer Macht auf Gewalt setzte. Unter Ausnutzung der von der Kolonialherrschaft geförderten rassistischen Spaltung und der desaströsen Armut wurden Ethnie (oder Clan) zur Basis von Herrschaft. Der Rassismus des sudanesischen Bashir-Regimes und der Bürgerkrieg in Darfur sind Beispiele dafür.

Doch in Afrika zeigt sich auch die Absurdität des Begriffs „Wirtschaftsflüchtling“: 2016 befanden sich unter den 10 häufigsten Staatsbürgerschaften an Mittelmeerflüchtlingen 5 Westafrikanische. Hier sorgten bereits in den 1970er Jahren die beiden Ölpreisschocks und die erste Weltwirtschaftskrise nach dem 2. Weltkrieg aufgrund der Exportabhängigkeit für katastrophale soziale Folgen. Aufgrund der sinkenden Nachfrage konnten Länder wie der Senegal oder Guinea ihre Rohstoffe nicht mehr verkaufen. Gleiches galt für Agrarprodukte. Die damit einhergehende Verschuldung rief IWF und Weltbank auf den Plan. Für Kredite wurden im Zuge von „Strukturanpassungsprogrammen“ Massenentlassungen, Währungsabwertungen, Privatisierung und Kürzungen bei Gesundheit und Bildung, sowie die Marktöffnung für internationale Konzerne verlangt. Durch die Verdrängung heimischer Kleinproduktion und drastisches Kürzen der Einkommen (z.B. im Senegal um 18 % bei Arbeiter*innen) wurde letztendlich die Basis für heutige Fluchtbewegungen geschaffen.

Die Folgen der Klimakrise drohen, noch viel mehr Menschen in die Flucht zu zwingen. Einen Kapitalismus ohne Flucht und Elend nicht gibt.

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Soziale Kämpfe in Südafrika

Interview mit Carmina Shoeman der WASP (Workers and Socialist Party, SLP Schwesterorganisation in Südafrika)

Was waren die wichtigsten Proteste der letzten Zeit?

Carmina: Proteste gibt es fast täglich. Bei diesen handelt es sich vor allem um Proteste für den Bau von Wohnungen, Versorgung mit Wasser, Schulen und Elektrizität etc.  Diese Proteste finden jedoch isoliert statt. Besonders wichtig waren die Kämpfe gegen Rassismus (Anm. gegen Einwanderer*innen aus anderen afrikanischen Staaten) und sexualisierte Gewalt (Anm. nach der Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin) im August und September des letzten Jahres.

Was war an diesen Kämpfen besonders?

Carmina: Sie haben Studierende und Arbeiter*innen aus verschiedenen Communities unabhängig von Herkunft, Geschlecht, oder sexueller Orientierung zusammen gebracht. Die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse werden nicht nur um „rein“ ökonomische Themen geführt. Der Kampf gegen Rassismus und Sexismus hat einen enormen Einfluss bekommen. Das drücken auch die Proteste des letzten Jahres saus.  

An welchen Kämpfen beteiligte sich WASP?

Carmina: Wir waren führend im Kampf gegen die rassistische Gewalt im August und führten verschiedene Teile der Arbeiter*innenklasse in einer Demonstration in Johannesburg zusammen. Wir verlinkten den Kampf gegen Rassismus und Sexismus und zeigten auf, dass beide Ausdruck des verrotteten kapitalistischen Systems sind. Zudem sind wir in der Klimabewegung aktiv. Hier drängen wir vor allem wir den Gewerkschaftsbund SAFTU zu betrieblichen Aktionen. 

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