Internationales

Syrien-Krieg eskaliert

Dima Yanski, Köln

SU-35, Symbolbild. Rob Schleiffert.

CC BY-SA 2.0,

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Created: 14 February 2014.

Kämpfe zwischen türkischen und syrischen Einheiten

In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar bombardierten unbekannte Flugzeuge einen Militärkonvoi der islamistischen Rebellen in der Provinz Idlib im Norden Syriens . In Syrien gehen jeden Tag russische, syrische, israelische, amerikanische und türkische Flugzeuge auf mörderische Jagd. Angriffe auf Nachschubwege und Kommunikationseinrichtungen des Feindes sind alltäglich. Neu war in dieser Nacht allerdings, dass wahrscheinlich Flugzeuge einer atomaren Supermacht eine Militärkolonne eines NATO-Mitgliedslandes attackiert haben. 

Infolge des mutmaßlich russischen Angriffs wurden nach offiziellen Angaben 33 türkische Soldaten getötet. Die Reaktion der türkischen Regierung war vorhersehbar. Direkt danach wurden Positionen von Assads Truppen bombardiert und beschossen, was zu mehreren Todesopfern führte. Schwere Artillerie, Mehrfachraketenwerfer mit einer Reichweite bis zu 100 km sowie Dutzende Flugzeuge und Hubschrauber waren im Einsatz.

Das türkische Militär kündigte die Einführung einer Flugverbotszone in Nordsyrien an. Einige nationalistisch geprägte türkische Propagandisten schlugen die Kriegstrommel und forderten eine Kriegserklärung gegen Russland oder mindestens Syrien.

NATO-Bündnisfall?
Am 28. Februar verlangte die Türkei von anderen NATO-Mitgliedern die Erklärung eines sogenannten Bündnisfalls nach Artikel 5 (gemeinsame Verteidigung) oder Artikel 4 (Beratungen der NATO-Staaten). Es wurde angekündigt, dass das türkische Parlament das Kriegsrecht einführen oder sogar offiziell einen Syrien Krieg erklären will.

Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte der Türkei „volle Solidarität“ und Unterstützung bei der Flugabwehr, verzichtete jedoch auf konkrete Zusagen. Die Situation ist für die NATO-Mitglieder unüberschaubar. Zudem spielen sich die Kämpfe nicht in der Türkei selbst ab, sondern im Nachbarland Syrien. Dort hat die Türkei nichts zu suchen, was die Ausrufung des Bündnisfalls erschwert.

Die amerikanische NATO-Botschafterin Kay Bailey Hutchison schlug dennoch einen scharfen Ton an: Falls die Russen türkische Truppen angreifen, „sollte dies alles überschatten, was sonst zwischen der Türkei und Russland geschieht.“

Das russische Militär reagierte empört und wies darauf hin, dass die Route des türkischen Konvois nicht abgesprochen war und dass laut ihren Informationen radikale Islamisten den Nachschubweg benutzt hatten. Außenminister Lawrow äußerte seine „Anteilnahme“ und schlug vor, schnell ein Treffen zwischen Erdogan und Putin einzuberufen. Das persönliche Gespräch von Putin und Erdogan sei am 5. März geplant. Gleichzeitig entsandte die russische Marine zwei Fregatten nach Syrien. Die Hauptbewaffnung dieser Schiffe sind Marschflugkörper mit einer Einsatzreichweite von 2500 Kilometern.

Bauernopfer der Großmächte
Die Einzigen, die in diesem Chor der realen Kriegstreiber und angeblichen Friedenstauben nicht zu hören waren, sind die Syrer*innen selbst. Weder die Meinung von Assads Regierung noch die der Rebellen im Norden des Landes interessiert die „besorgten“ Weltmächte. Wer fragt schon die Bauern? Die Syrer*innen in türkischer Uniform mit türkischen Waffen kämpfen gegen Syrer*innen, die von der russischen Armee oder dem iranischen Geheimdienst bewaffnet und ausgebildet wurden.

Es ist eine Art kleiner Weltkrieg, der momentan in den Bergen und Ebenen im Norden Syriens abläuft. Da kämpfen Palästinenser*innen, die Assad unterstützen gegen Palästinenser*innen, die eine Weltkalifat aufbauen möchten. Die Schiiten aus Afghanistan, die wegen Armut in pro-iranischen Milizen dienen, kämpfen gegen Uiguren aus China, die den Islamismus als einzige Möglichkeit der nationalen Befreiung sehen.

Und natürlich die arabischen Jugendlichen aus dem ganzen Nahen Osten: Ein mit einer Kalaschnikow oder M16 bewaffneter junger Araber ist momentan die billigste Währung in der Region. Ihr Leben ist wahrscheinlich weniger wert als die Waffen, die sie tragen.

Alle Großmächte kündigten eine Deeskalation an, was in Orwells Sprache der kapitalistischen Außenpolitik nichts anderes als die Fortsetzung des Krieges bedeutet. Die russischen, syrischen und türkischen Flugzeuge nehmen heute, genau wie gestern, die feindlichen Milizen unter Beschuss. Hunderttausende Syrer*innen ergriffen die Flucht und suchten die Rettung in der Türkei, oder in Europa. Die neuen Flüchtlingsboote erreichten nach wenigen Stunden Lesbos. Erdogan nutzte die verzweifelten Menschen als Druckmittel in Verhandlungen mit den NATO-„Partnern“ und ließ die Grenze zu Griechenland öffnen.

Regionalmacht Türkei
Obwohl die Hölle in Idlib mit guten Friedensvorsätzen gepflastert ist, spitzen sich in der Region die Widersprüche der Weltpolitik und Wirtschaft zu. Die türkische Elite strebt danach, die Rollen des am stärksten bewaffneten Lakaien der NATO und der Halbkolonie des Westens abzulegen. Sie will ihre eigene Macht in der Region ausbauen. Dafür sterben momentan die türkischen Soldaten in Libyen, Syrien und Kurdistan.

Getrieben von einem drohenden wirtschaftlichen Kollaps ist Erdogans Regierung gezwungen, immer mehr auf die Karte der militärischen Eskalation zu setzen. Die Särge der „Märtyrer“ und die Kriegsnachrichten sollen die Massen von ihren Problemen ablenken. Dabei stößt die Türkei auf die Interessen Russlands, das konsequent den eigenen Vasallen Assad unterstützt. Russische und türkische Soldaten töten einander und ihre Proxy-Verbündeten. Gleichzeitig schließen russische und türkische Oligarchen Handel- und Tourismusverträge ab, bauen Atomkraftwerke an der türkischen Mittelmeerküste und verkaufen zusammen Gas.

Bei der Expansion im Mittelmeer gerät die Türkei in Streit mit den eigenen NATO-Alliierten Griechenland  und Frankreich sowie mit Zypern. Es geht um die riesigen Vorräte von Erdgas und den Zugang zu Nordafrika. Bei der militärischen und wirtschaftlichen Ausdehnung in Irak und Syrien stoßen die türkischen Kapitalisten auf den Iran. Das Mullah-Regime will die wirtschaftliche Blockade der USA durchbrechen und baut daher eine sogenannte schiitische Brücke im Irak, Libanon und Syrien. Die kapitalistischen Eliten Irans möchten einen leichteren Zugang zum internationalen Ölhandel bekommen und das Ölkönigreich Saudi Arabien herausfordern.

Wie weit geht die Eskalation?
Momentan scheint die Region die größte Waffenkammer der Welt zu sein. Hunderttausende bewaffnete Kombattant*innen mit Tausenden gepanzerten Fahrzeugen und Kampfpanzern, mit Hubschraubern und Flugzeugen, sind Tag und Nacht in blutige Auseinandersetzungen verwickelt. Die wirtschaftlichen Widersprüche und Interessen werfen Tausende Männer und Frauen ins Feuer des Krieges und lassen selbst den lokalen Machthabern oft keine Wahl.

Im Namen der Demokratie, des Kalifats, der Menschenrechte und der nationalen Interessen wird für Öl, Gas, Handelswege, Zugang zu Märkten und Investitionsfreiheit gekämpft. Wie weit können die russischen, amerikanischen, türkischen, syrischen und iranischen Oligarchen gehen, um ihre Ziele durchzusetzen? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Ein großer Krieg würde für die Kapitalisten enorme ökonomische Verluste bedeuten. Abgesehen davon würde allein die Erklärung des Krieges die kämpfenden Parteien in eine ungleiche Stellung bringen. Setzt sich die NATO für die Türkei ein, steht Russland plötzlich einem übermächtigen Gegner gegenüber, der, abgesehen von atomaren Waffen, Russland in allen anderen Bereichen überlegen ist.

Der Krieg ist ein fester Bestandteil des Kapitalismus. Er ist die Fortsetzung der wirtschaftlichen Interessen mit anderen Mitteln. Dabei geht es nicht nur um gezielte und planmäßige ausgeführte militärischen Plünderungen von Kolonien und Halbkolonien, sondern vielmehr um die zentralen imperialistischen Konflikte der Epoche. Ebenso wenig wie die Eskalation der wirtschaftlichen Konkurrenz lässt sich die extreme Zunahme der Konkurrenz zwischen Imperialisten und der Krieg kontrollieren. Solange der Kapitalismus am Werk ist, ist die Gefahr eines großen Krieges nicht ausgeschlossen.

Das zeigen die Erfahrungen des Syrien-Krieges und der letzten Jahrhunderte. Die Versuchung, einen Krieg zu eigenen Gunsten schnell mit neuen technischen Mitteln durchzuführen, ist immer da. Der Druck der kommenden Wirtschaftskrise erzeugt den zusätzlichen Dampf im Triebwerk der kapitalistischen Wirtschaft und Politik. Die herrschende Klasse ist nicht in der Lage, den Frieden zu garantieren.

Die einzige Kraft, die fähig ist, die Eskalation der imperialistischen Widersprüche zu stoppen, ist die organisierte Arbeiter*innenbewegung. Wir können und müssen eine sozialistische Alternative über die Grenzen der religiösen und nationalen Spaltungen hinaus bieten. Um das zu erreichen, oder mindestens einen Schritt in die Richtung zu machen und das Leiden der Menschen in Syrien zu verringern, wäre es wichtig, politischen Druck auf die eigenen Regierungen auszuüben.

Kein Geld für die militärischen Programm der Regierung. Wir müssen soziale Probleme hier und jetzt lösen. Keine Geheimabsprachen zwischen Erdogan, Putin, Macron, Merkel & Co. Raus mit der Sprache, es gibt nichts zu verbergen! Wir brauchen die NATO nicht – Schluss mit der größten und teuersten Militärbürokratie und Räuberbande der Weltgeschichte.

Alle Großmächte, religiöse Spalter und Nationalisten haben in Syrien nichts zu suchen. Die einzigen, die das Recht auf Bewaffnung haben, sind die Bewohner*innen der Region, die ihre Häuser und Familien vor Plünderern aus der ganzen Welt verteidigen.

Lasst uns die Menschen vor Ort mit schnellen und massiven Investitionsprogrammen unterstützen. Wir können zusammen alle wirtschaftlichen, politischen, klimatischen Herausforderungen bewältigen und eine Gesellschaft aufbauen, die auf solidarischer Planwirtschaft, internationaler Kooperation und breiter Demokratie basiert.

Foto: SU-35, Symbolbild. Rob Schleiffert. CC BY-SA 2.0, File:Su-35 (12509727094).jpg, Created: 14 February 2014.

 

Mogelpackung Europäischer "Green Deal"

Leere Versprechungen und falsche Lösungen
Sonja Grusch

Im November 2019 verabschiedete die Europäische Kommission ihren "European Green Deal". Ziel ist, die Europäische Union (EU) bis 2050 kohlenstoffneutral zu machen. Weitere konkrete Details werden folgen. Dieses Projekt, das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellt wurde, wird als Antwort auf fast alle Probleme der EU präsentiert: die Umweltkrise, die Wirtschaftskrise und die verschiedenen politischen Krisen.
Obwohl es derzeit nicht genügend bzw. detaillierte Informationen gibt, um zu beurteilen, welche Auswirkungen dies alles haben wird, kann eines mit Sicherheit gesagt werden: keines der vereinbarten Ziele wird erreicht werden.

Europäischer Green Deal: ein "Wohlfühlprojekt".

Das Projekt EU steckt in der Krise - diese Information ist nicht neu, denn das ganze Konzept war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Im Kapitalismus gibt es auf lange Sicht keine Möglichkeit, dass verschiedene Nationalstaaten ihre Unterschiede überwinden, gleichberechtigt agieren und für immer zusammenbleiben. Das liegt an der Rolle, die die Nationalstaaten und Regierungen innerhalb dieses Systems spielen, indem sie in erster Linie den Interessen ihrer jeweils eigenen nationalen kapitalistischen Elite dienen.
Für eine ganze Zeit lang haben, insbesondere für die dominierenden europäischen Wirtschaftsmächte, die Vorteile der Unterordnung unter den Rahmen der EU die Kosten überwogen. Als einheitlicher Wirtschaftsblock gegen Japan, China und natürlich die USA zu agieren, brachte Vorteile, für die es sich lohnt, weniger Kontrolle über Fragen der Geld- und Finanzpolitik zu haben. Doch mit der Rückkehr der schweren Wirtschaftskrise im Jahr 2007 wurde die Zwangsjacke der Maastricht-Kriterien und des Lissabon-Vertrags, die die Handlungsmöglichkeiten der Nationalstaaten zur Absicherung ihres jeweiligen nationalen Kapitals einschränkt, zu einem Problem. Dies ist der Hintergrund für die nationalistische Musik, die zunehmend von den etablierten kapitalistischen Politiker*innen und Parteien kommt. Wenn sie, wie auch die Rechtsextremen, sagen "unser Volk zuerst", meinen sie immer "unsere Unternehmen zuerst".
Zu diesen zentrifugalen Kräften in der EU kommen noch die Auswirkungen der jahrzehntelangen neoliberalen Politik in Verbindung mit jenen der Krise von 2007 hinzu: Armut, Arbeitslosigkeit und massive Probleme im Sozialbereich. Die Zeiten sind vorbei, in denen selbst relativ große Teile der Arbeiter*innenklasse ein relativ gutes und sicheres Leben in Europa hatten. Die Zukunft ist alles andere als rosig, und Millionen in Europa fürchten sich vor der Zukunft. Obwohl das eigentlich die Folge der Widersprüche des Kapitalismus ist, wurde und wird die EU von Vielen in Europa als Ursache angesehen. Die brutale Politik der EU gegen Griechenland, die große Teile der griechischen Arbeiter*innenklasse in die Armut zwingt, hat dieses Bild noch weiter verstärkt.
Und jetzt, mit der Klimakrise, sind Millionen von Jugendlichen (und nicht nur Jugendliche) auf der Straße. Sie sehen die Subventionen für die Atom-, Kohle- und Stahlindustrie, die Steuerprivilegien für Fluggesellschaften und die Dominanz der Agrarkonzerne in der EU. Sie fordern Veränderungen. Die EU muss also reagieren, um einen weiteren Zusammenbruch der Unterstützung zu verhindern. Die herrschende Elite nutzt die grundsätzlich positiven pro-europäischen Gefühle die es vor allem bei jungen Menschen gibt aus, um ihre eigene Legitimationskrise zu überwinden. Das ist die propagandistische Dimension des Green Deal der EU.
Bereits im vergangenen Jahr hat das EU-Parlament den "Klima-Notstand" ausgerufen. Das könnte sich als nützliche Propaganda-Maßnahme erweisen. Da durch den Klimawandel Teile der Welt zu heiß werden, um bewohnbar zu sein, und immer mehr Regionen das Wasser und die Möglichkeit, die dort lebenden Menschen zu ernähren, ausgehen, werden Hunderte Millionen neuer Flüchtlinge aus ihrer Heimat fliehen müssen. Schätzungen sprechen von einigen hundert Millionen zusätzlicher Flüchtlinge in Folge der steigenden Meeresspiegel, von über 600 Millionen, die dann nicht ernährt werden können, und von bis zu 3 Milliarden Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das "Flüchtlingsproblem" polarisiert schon jetzt in Europa stark und der "Klima-Notstand" könnte auf rassistische und diktatorische Weise dazu genutzt werden um Flüchtlinge an der Einreise in die Festung Europa zu hindern. Das ist ein Prozess, der durch das Coronavirus noch beschleunigt werden könnte. Die herrschende Klasse in der EU kann - und wird höchstwahrscheinlich - die Klimakrise nutzen, um die demokratischen Rechte weiter anzugreifen und die Proteste der Arbeiter*innenklasse und der Jugend zu unterdrücken, mit dem Argument, dass "alle andere Fragen angesichts der Gefahr für die Menschheit hinten an gestellt werden müssen".

Ein "Aufholprojekt".

Der "alte Kontinent" hat ein Problem: Er hinkt wirtschaftlich hinterher. Das Wirtschaftswachstum ist gering, sogar niedriger als in der übrigen Welt. Die Investitionen in China und den USA sind dynamischer. China, einst bekannt dafür, dass es billige Kopien westlicher Produkte herstellt, ist heute führend bei neuen Technologien wie Solarzellenplatten, E-Autos und anderen. Der Konflikt um Huawei spiegelt den Innovationssprung wider, den China in der letzten Zeit gemacht hat. Und China geht noch weiter: Mit der Belt-and-Road-Initiative (BRI - „Neue Seidentrasse“) expandiert es aggressiv in andere Regionen der Welt, nicht zuletzt nach Europa.
Chinas Investitionen in Mittel- und Osteuropa haben sich 2019 verdoppelt. Da die gesamten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in der Region im gleichen Zeitraum zurückgingen, wird der Einfluss Chinas weiter verstärkt. Griechenland war das erste Land außerhalb der ehemaligen stalinistischen Staaten, das der BRI beitrat, und vor kurzem folgte Italien als erstes G7-Land. Chinas zunehmender Einfluss hat wirtschaftliche, aber auch politische Auswirkungen: So wurde beispielsweise verhindert, dass die EU gegen Chinas territoriale Forderungen im Südchinesischen Meer protestierte.
Seit Beginn der Krise im Jahr 2007 hofft die EU auf einen Investitionsschub, der vor allem dann notwendig ist, wenn die Märkte schrumpfen und der Wettbewerb zunimmt. Dann ist es besonders notwendig, dass Unternehmen profitabler werden und andere aus dem Markt drängen. Aber nicht einmal die niedrigen Zinssätze, mit ihren historischen Tiefständen bis ins Negative, haben zu mehr Investitionen geführt. Solange es ein dynamisches Wirtschaftswachstum gibt, können auch Unternehmen mit älterer oder weniger fortgeschrittener Technologie überleben und Gewinne erzielen. Aber eine solche Boomphase steht nicht auf der Tagesordnung.
Auch das ist einer der Gründe für den Europäischen Green Deal. Das Marktvolumen des "Grünen Kapitalismus" wird auf bis zu 4,4 Billionen Dollar im Jahr 2025 geschätzt, und Europas Kapital will seinen Anteil davon. Es ist keine Überraschung, dass es gerade eine deutsche Präsidentin der Europäischen Kommission ist, die in diese Richtung drängt, denn es ist die deutsche Automobilindustrie, die auf eine schwere Krise zusteuert und für deren Überwindung deutsche oder EU-Gelder gesucht werden. Da China bei Elektroautos führend ist, hinkt Europa auch in diesem Bereich hinterher. Nicht aus ökologischen Gründen drängen von der Leyen und die (deutsche) Autoindustrie auf das Elektroauto. Ihr Ziel ist es nicht, die Zahl der Autos insgesamt zu reduzieren, sondern sie zu erhöhen, indem sie mehr Elektrofahrzeuge zu den bereits bestehenden konventionellen Fahrzeugen hinzufügen.
Die EU ist unerwartet offen, wenn sie schreibt: "Veränderungen sind am notwendigsten und potenziell am vorteilhaftesten für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die natürliche Umwelt der EU. Die EU sollte auch die notwendige digitale Transformation und die Instrumente fördern und in diese investieren, da diese wesentliche Voraussetzungen für diese Veränderungen sind". Nicht nur, dass der Nutzen für die Wirtschaft als erste Priorität definiert wird. Hinzu kommt noch, dass die „digitale Transformation" als DAS Werkzeug präsentiert wird. Neue Technologie haben und werden einen Platz in der Begrenzung des Klimawandels und seiner Auswirkungen haben, aber sie können das Problem an sich nicht lösen. Dennoch ist der Aufholprozess bei Innovation eine der wichtigsten Hoffnungen des europäischen Kapitals, um die Wirtschaftskrise bewältigen zu können.
Die EU versucht auch, die Klimafrage zu nutzen, um protektionistische Maßnahmen zu rechtfertigen – und zwar mit der Perspektive, "dass der Preis der Importe ihren Kohlenstoffgehalt genauer widerspiegeln [sollte]". Doch es sind nicht nur die schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne in den neokolonialen Ländern und auch in China, sondern auch die niedrigeren Umweltstandards, die es ihnen ermöglichen, billigere Waren zu produzieren.
Das Problem bei der ganzen Idee, Investitionen und die Wirtschaft anzukurbeln, ist, dass sie nicht funktionieren wird. Der tatsächlich eingesetzte Betrag ist wohl viel kleiner, als die Propaganda uns weismachen will. Bis zum Jahr 2030 sollen Investitionen im Wert von einer Billion Euro "mobilisiert" werden - das sind 100 Milliarden pro Jahr. Und das, obwohl die EU selbst erklärt, dass sie von einem ökologischen Gesichtspunkt aus eigentlich bis zu 260 Milliarden pro Jahr investieren müsste.
Etwa die Hälfte dieses Geldes soll aus privaten Mitteln kommen. Der Plan sieht auch vor, dass die Europäische Investitionsbank neue Kredite zur Finanzierung "grüner Projekte" anbietet. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob Private überhaupt an diesen Krediten interessiert sind, da sie bereits jetzt trotz der extrem niedrigen Zinsen kaum Interesse an neuen Krediten zeigen. Der Plan sieht auch vor, dass Geld von den nationalen Regierungen bereitgestellt wird. Auch hier gibt es angesichts der Zurückhaltung vieler Länder, "Brüssel" mehr Geld zu geben, ein großes Fragezeichen.
Doch auch jenes Geld, das direkt von der EU kommt, wird kein "frisches" Geld sein, sondern hauptsächlich Umwidmung bestehender Fonds. Es bleibt abzuwarten, woher "frisches" Geld kommen wird, da ein bedeutender Teil der EU-Vertreter*innen gegen die Aufnahme "neuer Schulden" ist. Einige Länder fordern EU-Gelder als Ablasszahlung für die Annahme des Deals - wie Polen, das argumentiert, dass es Unterstützung braucht, da 80% seiner Energie aus Kohle stammen. Und auch Unternehmen fordern öffentliche Gelder, um eine Umgestaltung ihrer Produktion zu finanzieren - oder einfach nur, um angesichts des verschärften Wettbewerbs zu überleben.
Es sieht auch ganz danach aus, als ob der Green Deal der EU dazu genutzt wird um einige der nach 2007 eingeführten Sicherheitsnetze für die Finanzmärkte (Stichwort: Baselabkommen) abzuschwächen – und zwar unter dem Deckmantel, dass wäre im Namen des Klimas nötig.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des EU-Parlaments, Johan Van Overtveldt, ist mehr als skeptisch und sagte: "Woher das Geld kommen soll, ist nach wie vor äußerst unklar. Wir sind gegen das Recycling von Versprechen und Geld. Wir unterstützen weder kreative Buchführung noch finanzielle Abenteuer".

So tun als ob

Wie gut aber ist der Europäische Green Deal nun für das Klima? Ist er es angesichts all der anderen Probleme dennoch wert, „fürs Klima“? Wie bereits erwähnt, ist noch weitgehend unklar, wie viel Geld tatsächlich "für das Klima" mobilisiert wird. Aber selbst wenn man sich die bereits bekannten Pläne ansieht, sind sie bestenfalls zu wenig und in vielen Fällen die falschen Maßnahmen. Bei näherem Hinsehen ist noch sehr viel unklar. Die EU veröffentlicht viele Schlagworte und Ziele - aber ohne zu erklären, welche konkreten Schritte notwendig sind.
In dem Papier über "Nachhaltige Mobilität" heißt es: "Der Verkehr ist für ein Viertel der Treibhausgasemissionen der Union verantwortlich, und diese nehmen weiter zu. Der Green Deal strebt eine 90%ige Reduzierung dieser Emissionen bis 2050 an". Dann heißt es, dass der Straßenverkehr für 71,7 % der Emissionen verantwortlich ist, während der Bahnverkehr nur 0,5 % verursacht. Aber dann werden keine konkreten Maßnahmen zur Förderung des Transports auf der Schiene - oder zur Reduzierung des Straßenverkehrs - genannt.
Viel konkreter ist allerdings das Ziel, die Zahl der öffentlichen Lade- und Tankstellen zu erhöhen - was bedeutet, dass Autos und LKWs weiterhin auf der Straße unterwegs sein werden, aber teilweise durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden sollen (die auch einen Rucksack von ökologischen Problemen mitbringen). Der gleiche Ansatz zeigt sich bei Folgendem: "Der Verkehr sollte drastisch weniger umweltbelastend werden, vor allem in den Städten.“ Aber dann fehlen alle Bezüge zu konkreten Maßnahmen in Bezug auf den öffentlichen Verkehr!
Von jedem EU-Land wird erwartet, dass es Verantwortung übernimmt: "Die nationalen Haushalte spielen eine Schlüsselrolle beim Übergang." Aber das wird in Konflikt geraten mit der Tatsache, dass in der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Situation im Kapitalismus die Regel gilt: "jedeR ist sich selbst der/die nächste"! Und das bedeutet, dass die nationalen Regierungen darauf warten werden, dass andere die ersten Schritte unternehmen, und nach Schlupflöchern und Ausnahmen suchen werden, um Investitionen anzuziehen.
Während es längst klar ist, dass das Konzept des Emissionshandels nicht zur Reduzierung der CO2-Produktion beigetragen hat, wird die EU "mit globalen Partnern zusammenarbeiten, um internationale Kohlenstoffmärkte als ein Schlüsselinstrument zur Schaffung wirtschaftlicher Anreize für Klimaschutzmaßnahmen zu entwickeln".

Viel heiße Luft

Der "Europäische Green Deal" drückt aus dass die herrschende Klasse verstanden hat, dass "etwas getan werden muss". Er ist auch ein Versuch, die vorhandene umweltfreundliche Stimmung so zu kanalisieren, dass sie den Interessen des Großkapital zugute kommt. Es ist nicht nur ein Versuch, wirkungslose "Marktmechanismen" anzuwenden, um dem Klima zu helfen, sondern sie nutzen das Klimaproblem tatsächlich aus, um wirtschaftliche Maßnahmen einzuführen, die letztendlich nur dem Großkapital zugute kommen und sogar der Umwelt schaden.
Richtig ist, dass es eine europäische und sogar eine internationale Antwort auf die Klimakrise geben muss. Aber diese kann nicht von den kapitalistischen Institutionen der EU gegeben werden. Wir brauchen ein völlig anderes vereintes Europa, vereint auf der Grundlage echter Demokratie, in der die Menschen, die den Reichtum schaffen, also die Arbeiter*innenklasse, entscheiden, und zwar gemeinsam in einer demokratisch geplanten Wirtschaft und auf der Basis der Bedürfnissen aller Teile der Natur - einschließlich der Menschen.
Zu diesen Bedürfnissen gehören das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, einen angemessen bezahlten, sicheren Arbeitsplatz und ein Leben frei von Armut, Krieg und Unterdrückung. Eine solche Gesellschaft könnte nicht nur alle intellektuellen Fähigkeiten der Menschheit nutzen, um Lösungen für ein menschenwürdiges Leben und eine saubere Umwelt zu finden, sondern auch dafür sorgen, dass dies nicht nur für eine kleine Elite, sondern für alle Menschen, die auf diesem Planeten leben, gewährleistet ist. Das bedeutet massive öffentliche Investitionen in einen kostenlosen öffentlichen Verkehr, nachhaltiges Bauen, eine Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnverlust. Und dies sind nur einige der möglichen Maßnahmen. Die Einführung bereits vorhandener Technologien, die derzeit nicht genutzt werden weil sie sich nicht rentieren, und neuer Technologien wird dafür sorgen, dass die notwendigen Veränderungen in der Produktion und Verteilung zu einem besseren, nachhaltigen und sicheren Leben für alle führen werden. Wir nennen ein solches System Sozialismus.

 

Weltwirtschaft: Angezählt

Wirtschaft und Politik sind nicht stabil sondern in einem Wechselspiel von Revolution und Konterrevolution
Sonja Grusch

Die Welt brennt – konkret wie in Australien oder dem Amazonas oder politisch wie die zahlreichen Proteste und Aufstände auf der ganzen Welt zeigen. Das drückt sich auch in einer tiefen Krise des politischen Establishments aus. Jüngste Anzeichen dafür sind u.a. der Rücktritt von AKK in Deutschland und das Vorwahl-Debakel bei den US-Demokraten.

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist die tiefe Krise des Kapitalismus. Diese zu beobachten und zu analysieren ist für Marxist*innen von zentraler Bedeutung da sich daraus mögliche politische Entwicklungen und Perspektiven ableiten. Dass eine nächste Wirtschaftskrise bevorsteht ist längst kein Geheimnis mehr. Unklar ist der Verlauf und ob eine „Japanisierung“, also eine Periode langanhaltender Stagnation droht. Doch auch bürgerliche Kommentator*innen debattieren mehr über das wann als das ob.

Back to normal

Was bedeutet eine weitere Wirtschaftskrise? Klar ist: das ist kein Grund zur Freude! Die soziale Lage verschlechtert sich, Armut und Arbeitslosigkeit werden weiter zunehmen. V.a. Frauen werden aus Jobs gedrängt und müssen mehr an unbezahlter Arbeit leisten – was im Umkehrschluss zwar mehr Wut, aber auch weniger Zeit für politische Arbeit bedeuten kann.

Allerdings bedeutet eine Krise keine automatische Entwicklung von Klassenbewusstsein, von umfangreichen und va. siegreichen Klassenkämpfen oder gar eine automatische Entwicklung hin zu einer revolutionären Entwicklung. Im Gegenteil können sich Kampfbedingungen sogar verschlechtern. Jobverlust und Zukunftsängste machen verzweifelt aber auch erpressbarer. Doch die Notwendigkeit für eine sozialistische, revolutionäre, eine Organisation der Arbeiter*innenklasse wird deutlicher. Und dass diese Organisierung und dieser Kampf ein internationaler sein muss ergibt sich schon aus der internationalen Verbreitung des Kapitalismus.

Die kommende Krise ist auch ein Ausdruck für die Rückkehr zur kapitalistischen Normalität. Der Nachkriegsaufschwung und die daraus entstandene Periode von relativer Stabilität und Prosperität in zumindest den entwickelten kapitalistischen Staaten war eine Ausnahmeperiode der in den Zerstörungen des 2. Weltkrieges und der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion wurzelte. Das Bild der 60er, 70er und teilweise noch 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wird uns von den Propagandist*innen des Kapitals gerne als „so geht Kapitalismus“ präsentiert. In Wirklichkeit aber ist der aktuelle Kapitalismus mit Krisen, Armut auch in den entwickelten kapitalistischen Staaten, mit Regierungen die brutaler und undemokratischer agieren die Normalität dieses Systems!

Was bringt den Stein ins Rollen?

Im Gegensatz zu den tieferliegenden Ursachen einer Wirtschaftskrise können die konkreten Auslöser recht vielseitig, teilweise relativ unbedeutender Natur sein. Der aktuelle Handelskonflikt zwischen China und den USA mit seinen Auf und Abs und seinen Folgen für den Welthandel ist sowohl Symptom als auch möglicher Auslöser. Die US-Wirtschaft schwächelt nach einer langen Aufschwungperiode, die jüngste Boeing Krise beschleunigt das weiter. Doch aktuell zeigt sich, dass auch etwas, das so klein ist, dass man es nur mit dem Mikroskop erkennen kann der Auslöser sein könnte: Covid 19, das „Coronavirus“.

Für das chinesische Regime stellt das Virus ein weiteres Problem dar dass das Land und das Regime destabilisiert: nach den Wahlen (und Protesten) in Hong Kong und Taiwan die Erfolge für Listen brachten die dem Regime von Xi Jingping mehr als kritisch gegenüberstehen sind nun hunderttausende bzw. Millionen Menschen in China in Quarantäne. Sie werden nicht bezahlt und das stellt insbesondere für die Millionen Wanderarbeiter*innen ein dramatisches Problem dar. All das kommt zu einer schon länger sichtbaren Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hinzu. Die Kritik am Regime, das zwar nun mit Härte gegen das Virus vorgeht aber auch zu Vertuschen versucht(e), wächst. Die Repression unter dem Deckmantel der Seuchenbekämpfung wird eben sowenig wirken wie jene in Chile oder dem Iran.

Noch unklar ist, wie stark die Auswirkungen von Covid 19 auf die Weltwirtschaft sein werden. Schon sind die Folgen für den Flugverkehr und Tourismus sichtbar und auch für den Welthandel. Das kann u.a. für die Autoindustrie Folgen haben. Diese hat bereits massive Probleme und ist ein Beispiel für die massive Überproduktion, die es weltweit gibt. Gerade in den entwickelten kapitalistischen Ländern ist die Industrieproduktion 2019 zurückgegangen, ein Trend der sich fortsetzen wird. Der Autokonzern Daimler hat z.B. den Abbau von bis zu 15.000 Stellen angekündigt, bei Mercedes ging der Gewinn 2019 um 61% zurück. Die Beschäftigten der Autoindustrie haben nicht nur einen hohen Organisationsgrad, sondern durchaus auch eine Kampftradition (auch wenn die Gewerkschaftsführung versucht zu bremsen wo es nur geht). Doch es sind oft nicht die „Kernschichten“ der Arbeiter*innenklasse in der Schwerindustrie, die als erste in die Kämpfe eintreten sondern, wie wir es seit längerem in Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen sehen, andere Schichten, die oft jünger, weiblicher und migrantischer geprägt sind.

Ein weiteres Problem der Wirtschaft ist die chronische Überakkumulation von Kapital, also die Anhäufung von Finanzmitteln. Investitionen sind nicht profitabel und daher landet Geld wieder zunehmend im Bereich der Spekulation oder wird gehortet werden. Die Banken horten Rekordsummen an Bargeld um den Strafzinsen der EZB zu entgehen. Insbesondere bei Immobilien, Land und Technologie bilden sich bereits wieder Blasen. Die Investitionen steigen nicht – nichts hilft weil die herrschende Klasse selbst nicht so recht in ihr System bzw. einen baldigen Aufschwung vertrauen.

All das ist Ausdruck fundamentaler Probleme – und nicht nur von konjunkturellen Dellen – des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Und das ist auch der Grund, warum die diversen Gegenmaßnahmen kaum Wirkung zeigen.

Diese Wirkungslosigkeit ist Ursache und drückt sich aus in den Streitigkeiten in der herrschenden Klasse über mögliche Maßnahmen. Die Grundlage für die Meinungsverschiedenheiten sind nicht ideologischer Natur, sondern weil unterschiedliche Maßnahmen unterschiedlichen nationalen bzw. branchenmässigen Kapitalfraktionen nutzen bzw. nutzen sollen.

So wollen z.B. verschiedene Staaten jenen Firmen eine neue Heimat bieten, die wegen des Bexit aus Britannien flüchten – hier kann sich eine Dumping-Spirale bilden. Auch die Ablehnung des Mercosur Vertrages durch das wallonische Regionalparlament drückt diese widersprüchlichen Interessen aus.

Neue Wirtschaftspolitik?

Aktuell scheint es eine gewisse Abkehr vom „Neoliberalismus“ zu geben – das wurzelte v.a. auch in der Tatsache, dass dieser höchst unpopulär ist. Aber tatsächlich setzt das Kapital die Kürzungspolitik fort und ergänzt diese durch stärkeren Staatsinterventionismus (der allerdings tatsächlich mit klassischen liberalen Wirtschaftsmodellen nicht so gut vereinbar wäre). Dazu gehören auch Maßnahmen zur Nachfragestimulation. Diese werden häufig in Kombination mit konservativen Familienmodellen umgesetzt wie die Erhöhung des Kindergeldes in Polen, aber auch in Österreich. Die Verbindung von Angriffen auf Frauenrechte und auf den Sozialstaat (bzw. dessen Reste) zeigen sehr deutlich, dass es trotz immer mehr weiblicher Politiker*innen eine frauenfeindliche Politik gibt.

Auch die Überlegungen für einen Mindestlohn wie sie zb aus der SPD kommen aber auch von Boris Johnson angedacht wurden kombinieren Populismus mit Nachfragestimulierung.

In weit größeren Dimensionen ist der EU Green Deal ein Versuch drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: 1) die politische Krise der EU zu überwinden indem man auf den Wunsch reagiert, dass „etwas“ getan wird gegen die Klimakrise. 2) die schleppenden Investitionen mit öffentlichen Geldern anzukurbeln um die Nachfrage zu stimulieren und 3) damit im internationalen Wettbewerb wieder etwas aufzuholen indem man versucht, mit Grünem Kapitalismus in neue Märkte vorzudringen: immerhin gehen Schätzungen davon aus dass es Weltweit in diesem Bereich um ein Marktvolumen von bis zu 4,4 Billionen geht.

Die Herrschenden sind uneinig

Doch der EU Green Deal wird keine dieser Aufgaben wirklich erfüllen können -  und wird dennoch die Konflikte in der EU weiter anheizen. Denn die Herrschenden Klassen sind sich uneins darüber, ob neue Schulden in Billionen Höhe gemacht werden sollen – schließlich sind diese nach 2007 explodiert und liegen bei über 300% des globalen BIP.

Sie sind uneins, ob und in welchen Ausmaß man zum zweifelhaften Mittel des Quantitative Easing greifen soll dass nach 2007 eingesetzt, zwischenzeitlich beendet und wieder gestartet wurde. Sie sind ebenfalls uneins wie mit den niedrigen bzw. negativ Zinsen weiter umgehen soll, die zwar die Schuldenrückzahlung leichter machen aber auch zur Kapitalflucht führen.

Und sie sind uneins wie sie sich im Minenfeld der innerimperialistischen Konflikte zwischen den USA, Russland und China positionieren sollen. So hat z.B. Italien als erstes G7 Land die Belt&Road Initiative (BRI) unterschrieben die einen massiven Vorstoß des chinesischen Imperialismus bis nach Europa darstellt. Die BRI ist auch ein Versuch verstärkt in Osteuropa und auf dem Balkan Fuß zu fassen wo die Investitionen aus dem „Westen“, auch aus der EU in der letzten Periode wieder abgenommen haben.

In Osteuropa sehen wir auch wie erstarkende nationale Bourgeoisen versuchen, China, Russland, die USA und die EU gegeneinander auszuspielen um davon zu profitieren. Und wir sehen hier eine zunehmend selbstbewusste Arbeiter*innenklasse die die Folgen des Stalinismus und auch seines Zusammenbruches weitgehend abgeschüttelt hat und sich mit Klassenkämpfen – auch erfolgreichen - bemerkbar macht.

Die Herrschenden Klassen wissen, dass sie noch weniger Möglichkeiten haben als 2007 um der Krise und ihren Folgen zu entgehen – sie sind zerstrittener und ihr Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen sind geschrumpft. Mit dem EU Green Deal werden außerdem Sicherheitsleinen für die Finanzmärkte, die nach 2007 eingeführt wurden, wieder gekappt – und damit könnten die Auswirkungen der kommenden Krise noch dramatischer werden da die Spekulation wieder zunimmt.

Die Herrschenden wissen aber auch um den Widerstand gegen ihre Politik und auch ihr ganzes System, der 2019 in einer Welle von Protesten über den ganzen Globus gerollt ist. Wenn sie wie in Frankreich zu großen Angriffen ansetzen, sei es unter dem Deckmantel des Umweltschutzes oder zur Pensionsreform – sehen sie sich mit Massenprotesten konfrontiert. Egal ob Ticketpreise, ob Korruption, der Abbau demokratischer Rechte, sexistische oder homophobe Maßnahmen, ob Jobs, Zukunftssorgen oder andere Fragen: der Protest ist laut, kämpferisch und lässt sich nicht einlullen.

Die Uneinigkeit der herrschenden Klassen in Europa vergrößert die auch zentrifugalen Kräfte in der EU. Die Zukunft der EU, die immer ein instabiles Konstrukt war, wird noch unsicherer. Klar ist, weder der Nationalismus der Rechten noch die Illusion in eine kapitalistische EU können darauf die Antwort sein, sondern es braucht den gemeinsamen Kampf gegen Kürzungspolitik die von nationalen Regierungen wie von der EU durchgeführt und geplant ist – und es braucht eine echte Alternative in Form eines geeinten Europas auf Basis einer demokratisch durch die Beschäftigten selbst organisierten Wirtschaft.

Revolution? Ein paar Zutaten sind schon da!

Lenin hatte 1915 über die Bedingungen für eine Revolution geschrieben: Unmöglichkeit für die herrschenden Klassen, ihre Herrschaft in unveränderter Form aufrechtzuerhalten; diese oder jene Krise der „Spitzen", Krise der Politik der herrschenden Klasse, dadurch Erzeugung eines Risses, durch den die Unzufriedenheit und Empörung der unterdrückten Klassen durchbricht. Für den Ausbruch einer Revolution genügt es gewöhnlich nicht, dass ‚die Unterschichten nicht mehr den Willen haben‘, sondern es ist auch noch erforderlich, dass ‚die Oberschichten nicht mehr die Fähigkeit haben‘, es in der alten Weise weiter zutreiben.“ Und genau das sehen wir in immer dichterer Abfolge. 70% in der EU bemerken die wachsende Ungleichheit, die Unzufriedenheit ist offensichtlich. Die Uneinigkeit der Herrschenden ebenfalls.

Angesichts der Klimakrise wissen auch die Herrschenden, dass diese drastische Maßnahmen verlangt. Doch gleichzeitig sind sie unfähig diese zu setzen weil sie im Korsett der Notwendigkeiten ihrer jeweiligen nationalen Kapitale gefangen sind. Dieses Scheitern wird zumindest für Teile der Klimabewegung auch immer offensichtlicher. Dabei zeigt sich in Umfragen, dass auch in Österreich das Klimathema Fragen der Migration als wichtigstes Thema verdrängt hat. Doch der EU Green Deal macht nur ca. 40% dessen aus, was die EU selbst als notwendige Mittel bezeichnet.

Kaum eine Bewegung zuvor hat die Notwendigkeit des Internationalismus und auch die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus so offensichtlich in sich getragen. Aber es gibt auch die Gefahr dass aus der Panik vor dem Klimakollaps und seinen Folgen ein „alle zusammen gegen die Katastrophe“ Stimmung um sich greift die versucht, Klassenkampf als Hindernis angesichts der „großen Bedrohung für die Menschheit“ darzustellen.

Das ist auch die Argumentationslinie der Grünen für ihre Regierungsbeteiligung in Österreich, eine Regierungskombination die in ganz Europa mit Interesse betrachtet wird als vermeintliche Lösung für die Krise des Establishments. Wie schon Macron oder Trudeau wird auch Kurz und diese Regierung bald an Glanz verlieren. Und Österreich ist auch das Beispiel, warum die Idee „alles der Klimafrage unterordnen“ in der Praxis falsch ist. Denn ganz abgesehen davon, dass Umwelt- und Klimafragen eben auch ganz stark soziale Fragen sind wird diese grün-türkise Regierung nicht einmal für die Umwelt etwas bringen – und auch der Krise des bürgerlichen Systems bestenfalls eine kurze Atempause verschaffen.

Aus der Unfähigkeit der Herrschenden die sozialen, ökonomischen aber auch ökologischen Probleme zu lösen ergibt sich eine enorme Verantwortung für Sozialist*innen. Wir müssen die Lage analysieren, ein Programm entwickeln das echte Lösungen anbietet und einen Weg aufzeigen, wie die Kämpfe gewonnen werden können. Wir müssen eine Weltpartei der Arbeiter*innen und Unterdrückten aufbauen, die in der Lage ist genau das in den internationalen Kämpfen zu tun. Wir haben eine Welt zu gewinnen.

Die Konferenz der SLP

Vorbereitung für die kommenden Kämpfe von Arbeiter*innen und Jugend: Wir haben eine Welt zu gewinnen!
Nicolas Prettner

Am 14. und 15.12.2019 hat die Bundeskonferenz der SLP stattgefunden. Zwei Tage lang wurde über den Aufbau unserer Organisation in Österreich und auf internationaler Ebene diskutiert, so wie über zukünftige Kampagnen. Grundlage für diese Diskussionen war eine tiefgreifende Analyse der momentanen politischen und wirtschaftlichen Situation und wie sich diese in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird.

Die Teilnahme an den Diskussionen war rege. Vor allem die Beiträge der jungen Genoss*innen sind hervorzuheben. Für viele war es die erste Konferenz und trotzdem waren die Beiträge allesamt gut durchdacht und lehrreich. Auch wurden Grußbotschaften von Sektionen rund um die Welt vorgelesen und Gäste aus Russland und England sprachen auf der Konferenz.

Der wohl zentralste Aspekt war der Beschluss der SLP, bei der Mehrheit des CWI, unserer internationalen Organisation, zu verbleiben. Mitte 2019 spaltete sich eine Minderheit des CWI, die sich immer stärker in eine sektiererische Richtung entwickelt, ab und nahm auf undemokratische Weise zahlreiche Ressourcen mit sich. Wir verurteilen dieses Vorgehen und unterstützen den Wiederaufbau des CWI international. Diese Konferenz gab der SLP die politische Grundlage, um erfolgreich in kommende Kämpfe intervenieren zu können und unsere Organisation, so wie die Arbeiter*innenbewegung aufzubauen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Interview mit Ginger Jentzen: warum und wie US-Sozialist*innen Bernie unterstützen!

Die Kampagnen für die US-Vorwahlen laufen auf Hochtouren. Bernie Sanders ist in den Umfragen stark im Aufwind. Wir sprachen mit Ginger Jentzen über die Kampagne von Bernie und die Situation in den USA. Sie ist Mitglied der Socialist Alternative in den USA. Als Aktivistin in Minneapolis spielte sie eine aktive Rolle im Kampf für einen Mindestlohn von 15 Dollar. Ende Februar und Anfang März wird Ginger bei öffentlichen Veranstaltungen unserer Sektionen in Deutschland, Österreich und Belgien sprechen.

 

Hallo Ginger, du hast 2017 als Kandidatin der Sozialistischen Alternative für den Stadtrat von Minneapolis kandidiert und dabei 44% der Stimmen erhalten und den Sitz nur knapp verpasst. Hat Bernies Kampagne 2016 deine Entscheidung zu kandidieren beeinflusst?

Auf jeden Fall. Denn egal, wie es mit der reaktionären Trump-Administration im Weißen Haus aussehen mag, vor Ort in den USA gibt es eine wachsende Offenheit gegenüber sozialistischen Ideen. Tatsächlich war der erste Beweis dafür die Wahl von Kshama Sawant, einem Mitglied der Socialist Alternative, in den Stadtrat von Seattle im Jahr 2013 mit fast 100.000 Stimmen. Sie wurde allgemein als die Kandidatin der lokalen Occupy-Bewegung angesehen und mit dem Mandat gewählt, den ersten Mindestlohn von 15 Dollar in einer großen US-Stadt zu verabschieden. Ihre Wahl als offene Sozialistin erregte landesweite und sogar internationale Medienaufmerksamkeit. Die Jugend von heute ist die radikalste Generation seit den 70er Jahren. Viele stehen vor einer düsteren Zukunft mit steigenden Studienschulden und niedrigen Löhnen. Sawant und Socialist Alternative zeigten 2013, dass eine organisierte revolutionäre Partei Arbeiter*innen dazu anregen kann, Bewegungen aufzubauen, die die Ungleichheit des Kapitalismus herausfordern und für eine radikale, sozialistische Alternative kämpfen.

Als Mitglied der Socialist Alternative habe ich, inspiriert durch Kshamas ersten Sieg, die Lehren aus dem Kampf um den 15 Dollar Stundenlohn in Seattle gezogen. Ich wurde Executive Director [Geschäftsführerin] von 15-Now und führte die Basisbewegung an, um 2017 zuerst in meiner Stadt Minneapolis und dann in unserer Schwesterstadt St. Paul, Minnesota, zu gewinnen.

Es ist unbestreitbar, dass Bernies Kampagne 2016, die zu einer "politischen Revolution gegen die Milliardärsklasse" aufrief, das Vertrauen der arbeitenden Bevölkerung erheblich gestärkt hat. Unsere Kampagne für den Stadtrat 2017 in Minneapolis rief die Arbeiter*innen dazu auf, sich zu organisieren. Wie Bernie akzeptierte ich keinen einzigen Cent in Firmengeldern und würde, wenn ich gewählt würde, nur den Durchschnittslohn einer Arbeiterin in meiner Gemeinde annehmen. Wir haben uns für eine Mietpreisbindung, für die Besteuerung großer Bauunternehmer und der Wohlhabenden eingesetzt, um leistbaren sozialen Wohnungsbau und öffentlichen Nahverkehr zu finanzieren. Veröffentlichte E-Mails zeigten, dass die Großunternehmen unsere Kampagne an der Basis als die größte Bedrohung für ihre zukünftigen Gewinne bei den Stadtratswahlen ansahen. Wir stellten einen Stadtrekord auf, als wir aus Hunderten von kleinen Spenden über 160.000 Dollar aufbrachten. Obwohl wir die meisten ersten Vorzugsstimmen erhielten, wurden wir im dritten Wahlgang knapp geschlagen.

Obwohl wir die Wahl nicht gewonnen haben, haben wir eine stadtweite Debatte über Mietkontrolle und leistbaren Wohnraum, die Besteuerung der Reichen und die politische Organisation, die notwendig ist, um die Unternehmens-Elite herauszufordern, begonnen – ähnlich wie die Lektionen, die progressive Bewegungen in Bernies militanteren und auf die Arbeiter*innenklasse ausgerichteten Wahlkampf in 2020 tragen.

Kshama Sawant hat vor wenigen Monaten zum zweiten Mal ihre Wiederwahl gewonnen. Der reichste Mensch der Welt, Jeff Bezos, der Besitzer von Amazon, investierte viel Geld und versuchte, sie zu demontieren.

Ja, im November hat Socialist Alternative gemeinsam mit der Arbeiter*innenbewegung in Seattle einen großen Sieg errungen, indem sie Jeff Bezos, Amazon und andere große Unternehmen, die versuchten, die Stadtratswahl zu kaufen, besiegt hat. Aber wir haben eine größtmögliche Basisbewegung aufgebaut und gewonnen. Jetzt setzen wir diesen Elan mit einer Koalition zur Besteuerung von Amazon fort, um den leistbaren  Wohnraum zu bauen, den Seattle braucht.

Was dieser Sieg in Seattle erforderte, war eine straffe Organisation, eine ständige eingehende politische Diskussion über das sich verändernde Umfeld der Wahl und eine Armee von Türklopfer*innen, um auf die andauernden Lügen und Angriffe gegen uns zu reagieren.

Aber vor allem war dies eine politische Aufgabe. Unser politischer Ansatz ist ein Ansatz der Bewegungsbildung in Verbindung mit einem entschlossenen Klassenkampf. Wir verbinden dies mit der Notwendigkeit eines grundlegenden sozialistischen Wandels. Wir denken, dass der gleiche Ansatz notwendig ist, damit Bernie gewählt wird und die Milliardärsklasse besiegt wird.

Die Medien haben lange Zeit versucht, Bernies Kampagne herunterzuspielen, aber er ist jetzt in vielen Umfragen zum Spitzenreiter geworden. Wie ist seine Kampagne so weit gekommen und wie sieht sie im Vergleich zu 2016 aus?

Bernies Kampagne ist radikaler und mehr auf die Arbeiter*innenklasse ausgerichtet als seine Kampagne 2016. Seine Formulierungen, als Präsident der "Organisator an der Spitze" zu werden und auf eine "Regierung der Arbeiter*innenklasse" hinzuarbeiten, haben den richtigen Ton getroffen. Im Gegensatz zu den anderen Kandidat*innen - die so tun, als würden sie den Druck der Wall Street und des Großkapitals nicht erkennen - ist Bernie der erste, der sagt, dass ein bloßer Wahlsieg nicht ausreichen wird. Die arbeitenden Menschen müssen sich organisieren.

Gegenwärtig ist Bernie der Hauptempfänger von Spenden von Landwirt*innen, Lehrer*innen, Arbeitslosen, Einzelhandelsangestellten, Bauarbeiter*innen, Lastwagenfahrer*innen, Krankenschwestern und Busfahrer*innen. Sanders führt bei jeder Umfrage unter Jugendlichen, Frauen und farbigen Jugendlichen. Bernies unmissverständliche Plattform der Arbeiter*innenklasse inspiriert sie auf die bestmögliche Art und Weise, wählen zu gehen.

Die Schlüsselfrage für Millionen von Menschen ist, wer den von Milliardären unterstützten Oberfanatiker, Präsident Trump, besiegen kann - und Bernie ist die beste Wahl. Sein Slogan "Nicht ich, sondern wir" aktiviert Menschen, die normalerweise von der Politik ausgeschlossen sind. Und im Gegensatz zu allen anderen demokratischen Kandidaten, einschließlich Elizabeth Warren, weiß er, dass wir uns im Kampf gegen die Klasse der Milliardäre befinden.

Alexandra-Occassio Cortez [AOC], eine starke Verbündete von Bernie Sanders, sagte kürzlich in einem Interview, dass sie selbst und Joe Biden in jedem anderen Land nicht in derselben Partei wären. Wie lange kann dieser Widerspruch innerhalb der demokratischen Partei bestehen?

Angesichts des weit verbreiteten Ärgers über das Establishment ergibt sich aus der Situation, dass wir neue Parteien rechts und links von den Demokraten und Republikanern sehen könnten. Seit 2016 haben wir die Anfänge einer Massenfrauenbewegung gesehen, die durch #MeToo ausgelöst wurde. Es gab Massenproteste von Jugendlichen gegen Waffengewalt und in letzter Zeit gegen den Klimawandel und die bedeutendste Streikwelle seit Jahrzehnten, die mit der Lehrer*innenrevolte begann und nun auf andere Branchen, einschließlich der Autoindustrie, übergriff. Es gibt ein wachsendes Interesse an sozialistischen Ideen, mehr als je zuvor, wobei die Democratic Socialists of America (DSA) auf 60.000 Mitglieder angewachsen sind.

Das demokratische Establishment weiß, dass das AOC und Bernie eine Bedrohung für das politische Konzept der demokratischen Partei darstellen, die ein zuverlässiger Partner des Großkapitals sein soll. Sie würden lieber weitere vier Jahre Trump sehen, bevor sie eine Sanders-Präsidentschaft akzeptieren würden. Tatsächlich würden sie die Partei spalten, bevor sie Sanders' Programm unterstützen würden. Wenn es Sanders und seinen Millionen Freiwilligen gelingt, alle Hindernisse in der Vorwahl zu überwinden - und es gibt viele, viele Hinderniss - wird er eine Organisation mit zahlreichen Mitgliedern hinter sich brauchen. Er wird eine Partei innerhalb der Partei brauchen, die sich gegen die Sabotage des demokratischen Establishments bei den Präsidentschaftswahlen wehrt.

Es ist immer noch sehr wahrscheinlich, dass Sanders vom demokratischen Establishment blockiert wird, auch wenn er in den Vorwahlen die meisten Stimmen erhält. In einem solchen Szenario müssen die Anhänger Sanders' eine Massenkonferenz einberufen, um die nächsten Schritte für unsere Bewegung zu diskutieren. Im Jahr 2016 hat das politische Establishment Sanders' Kampagne zugunsten der konzernfreundlichen Demokratin Hillary Clinton zum Scheitern gebracht und Teile der Arbeiter*innenklasse und der jungen Sanders-Anhänger ohne eine linke Alternative entfremdet - aber es besteht die Möglichkeit, eine neue Partei links von den Demokraten zu organisieren. Die Socialist Alternative würde sich dafür einsetzen, dass diese Konferenz die Grundlage für eine Partei der Arbeiter*innenklasse legt, ein Schritt, der für die Zerschlagung der Macht der Milliardärsklasse unerlässlich ist.

Socialist Alternative beschloss, die Kampagne von Bernie Sanders zu unterstützen. Was sind die wichtigsten Gründe für diese Entscheidung?

Zu diesem Zeitpunkt dient Sanders' Kampagne dazu, die Kräfte zu mobilisieren, die im Interesse der arbeitenden Menschen echte Veränderungen wollen. Als Marxist*innen sehen wir eine Reihe von Limitierungen in Sanders' Politik. Sanders' Programm lässt Schlüsselfragen unbeantwortet und erklärt seinen Anhängern nicht, dass wir für diese Art von Politik eine völlig andere Art von Gesellschaft brauchen, eine sozialistische Gesellschaft, was bedeutet, ein für alle Mal die Macht der Milliardärsklasse zu brechen. Aber Bernie spricht eindeutig direkt zur Arbeiter*innenklasse mit einem Appell an die Klasse, sich zu organisieren, und das ist ein großer Schritt nach vorn.

Socialist Alternative geht für Sanders' Kampagne aufs Ganze. Wir legen in unseren Gewerkschaften Resolutionen zur Unterstützung von Sanders vor. Sozialist*innen setzen sich für demokratisch geführte Gewerkschaften ein, die für alle arbeitenden Menschen kämpfen, anstatt nur zu versuchen, sich an das Großkapital und seine Politiker zu klammern. Die Sanders-Kampagne ist eine Gelegenheit, Arbeiter*innen zusammenzubringen, die nicht nur in den nächsten Monaten, sondern auch darüber hinaus gegen den Kapitalismus kämpfen wollen.

Weiter zu gehen, einen Green New Deal für die Arbeiter*innen zu gewinnen, für die Bernie kompromisslos kämpft, bedeutet, die fossile Brennstoffindustrie zu bekämpfen, die von der Zerstörung unseres Planeten profitiert. Dazu muss die Industrie in öffentlichen Besitz überführt und der Übergang zu einem vollständig grünen Energienetz unter demokratischer Kontrolle der Arbeitnehmer*innen organisiert werden - und dabei Millionen von grünen, gewerkschaftlich organisierten Arbeitsplätzen schaffen.

Um "Medicare for All" zu gewinnen, müssen wir die privaten Versicherungen und die großen Pharmakonzerne zerschlagen und ein öffentliches, nationales Gesundheitssystem aufbauen, das am vor Ort kostenlos ist.

Wir werden mehr tun müssen, um diese Kampagne zu einer eindrucksvollen Bewegung zu machen und zu gewinnen. Sanders weist in die richtige Richtung, aber die demokratische Partei wird fest von Konzerninteressen kontrolliert und kann nicht in eine Arbeiter*innenpartei umgewandelt werden. Das ist ein Widerspruch, der nicht mehr lange bestehen kann. Wir kämpfen für einen Sieg von Sanders, während wir gleichzeitig die Notwendigkeit einer neuen Partei diskutieren, die auf den Interessen der Arbeiter*innen basiert und Sanders, seine Anhänger und die politische Revolution am besten in die Lage versetzen würde, die Milliardärsklasse ein für alle Mal zu schlagen.

Iran: Eine neue Periode bricht an

Nina Mo

2019 jährte sich die iranische Revolution zum 40. Mal. Trotz der brutalen Niederschlagung der jüngsten Protestwelle ist das diktatorische Regime, das vor 40 Jahren an die Macht kam, heute viel schwächer als zuvor und befindet sich in einer schweren Krise. Die entscheidende Frage ist, welche Rolle die Arbeiter*innenbewegung im Iran in dieser Situation spielen muss und welches Programm sie benötigt, um sicherzustellen, dass die unvermeidlichen Massenproteste, die sich weiter entwickeln werden, dieses Regime erfolgreich zu Fall bringen können.

Die Instabilität des iranischen Regimes hat sich wieder einmal in der Protestwelle ausgedrückt, die sich gegen Ende 2019 im ganzen Land ausbreitete und Teil der globalen Welle von Massenbewegungen gegen Neoliberalismus und Korruption war. Nicht zuletzt im Libanon und im Irak, die das iranische Regime als Regionalmacht zunehmend unter Druck setzten. Insbesondere im Irak richteten sich diese Massenproteste explizit gegen die Rolle des iranischen Regimes im Land.

Gleichzeitig hat die gezielte Ermordung von Suleimani, dem Kommandeur der Al-Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden in Bagdad durch die USA die Kriegsbedrohung wieder auf die Tagesordnung gesetzt, die, wenn sie realisiert wird, verheerende Folgen für die gesamte Region hätte.

Suleimani war der Kopf der pro-iranischen Konterrevolution im Irak, genauso wie in Syrien, und ein zentraler Organisator von Repressionen und militärischer Intervention, auch im eigenen Land. Zunächst schien das iranische Regime nach seiner Ermordung kurzfristig wieder Stabilität erlangt zu haben, indem es die berechtigte Wut über den US-Angriff ausnutzte. Millionen wurden zum Gedenken an Suleimani mobilisiert. Aber unter der Oberfläche war die Situation weiterhin explosiv. Als das Regime nach tagelangem Leugnen dann zugab, dass es am 8. Januar das ukrainische Passagierflugzeug in der Nähe von Teheran unabsichtlich abgeschossen hatte, brachen neue Proteste gegen die Lügen und die zynische Art und Weise, wie das Regime mit den verstorbenen Passagieren umgegangen war, aus.

Aufstieg und Niedergang des Regimes

Nach der gestohlenen Revolution von 1979 gelang es den Mullahs über einen langen Zeitraum hinweg, ein relativ stabiles reaktionäres, theokratisches Regime aufzubauen. Die Diktatur des Schahs wurde durch Massendemonstrationen, Generalstreiks und Fabrikbesetzungen durch die Arbeiter*innenklasse gestürzt, bevor der „islamische Führer“ Ayatollah Khomeini und seine Anhänger*innen sich an die Spitze der Bewegung setzen und ein neues diktatorisches Regime errichten konnten. Dies gelang ihnen aufgrund der fatalen Fehler der Linken und der Arbeiter*innenorganisationen während der revolutionären Ereignisse von 1979. Diese Ereignisse zu verstehen ist entscheidend, wenn wir die Entwicklung des Regimes und die tiefe Krise, in der es sich heute befindet, richtig analysieren wollen.

Unmittelbar nach der Revolution wurde das Regime durch den massiven Druck der Massen dazu gezwungen, große Teile der Wirtschaft zu verstaatlichen und andere Zugeständnisse, wie die Subventionierung von Konsumgütern, Lebensmitteln oder kostenlose medizinische Versorgung anzubieten. In den darauffolgenden Jahren musste Khomeini seine Unterstützung mit starker, populistischer Rhetorik aufrechterhalten.

Gleichzeitig wurden Kommunist*innen und Sozialist*innen verfolgt und ermordet und die Arbeiter*innenbewegung wurde Stück für Stück zerschlagen. Der Krieg mit dem Irak zwischen 1980 und 1988, in dem Soleimani seine militärische Karriere etablierte, war ein weiterer Schlüsselfaktor für die Konsolidierung des Regimes, das in den folgenden Jahren ein theokratisches Gesellschaftssystem festigte, das auf Propaganda und Repression aufbaute.

Als sich die wirtschaftliche Lage in den 1990er Jahren verschlechterte, setzten sich die Protestbewegungen fort, aber das Regime war real nicht von einem potentiellen Sturz bedroht. Dies liegt zum Teil daran, dass es die antiimperialistische Stimmung in der Bevölkerung, die bis heute ein entscheidender, stabilisierender Faktor ist, durch Propaganda massiv ausnutzte.

Das Regime kann grob in sogenannte "reformorientierte" und „konservative“ Kräfte eingeteilt werden. Erstere wollen am politischen und wirtschaftlichen System nicht viel ändern, aber plädieren für eine teilweise Öffnung der Wirtschaft Richtung Westen und eine Außenpolitik, die auf gewissen Kompromissen beruht. Sie werden von den ultrakonservativen Hardliner*innen bekämpft. Im Verlauf verschiedener Ereignisse wurden immer wieder Illusionen in die eine oder andere dieser Kräfte geschürt.

Das Versagen der "reformorientierten" Kräfte, einschließlich des derzeitigen Präsidenten Hassan Rouhani, verursachte bittere Enttäuschung und führte aufgrund fehlender Alternativen zu einem konservativen "Backlash". Ende der 1990er Jahre hatte beispielsweise ein bedeutender Teil der Arbeiter*innenklasse und der Jugend große Hoffnung, dass Mohammad Khatami demokratische und soziale Reformen durchführen würde. Die sogenannte "Reformära" Khatamis endete jedoch nach ersten Zugeständnissen mit einer Fortsetzung des Status quo und ohne neue demokratische Freiheiten oder reale Verbesserungen.

Massenproteste und Demonstrationen gegen das Regime, oder zumindest gegen bestimmte Fraktionen des Regimes, setzten sich während seines gesamten Bestehens fort, doch als der ultrakonservative Hardliner Mahmud Ahmadinedschad 2005 Präsident wurde, verstärkten sich Wut und Misstrauen. Ahmadinedschad stützte sich auf die ärmsten Bevölkerungsschichten, wobei er sich teilweise populistischer Rhetorik bediente, während er Privatisierungen und die Übertragung von Staatsunternehmen an das Militär und die Pasdaran (Revolutionsgarden) förderte. Das löste wachsende Wut aus, die 2009 in Massenprotesten gipfelte, ausgelöst durch die offensichtliche Manipulation der Wahlergebnisse. Die "Grüne Bewegung" erschütterte das Regime dramatisch. Wochenlang strömten die Menschen auf die Straßen und forderten demokratische Rechte und Freiheit. Das Land erlebte seine tiefste Krise seit 1979, bis die Bewegung brutal zerschlagen wurde, was zum Teil auf die politische Schwäche ihrer Führer*innen, die geringe Beteiligung der Arbeiter*innenklasse und die fehlende Ausweitung der Bewegung auf Streiks und Generalstreiks, zurückzuführen ist.

Die Herrschaft Ahmadinedschads endete 2013. Nach acht Jahren der so genannten "reformorientierten" Präsidentschaft von Mohammad Chatami und dann acht Jahren des ultrakonservativen Ahmadinedschad wurde Rouhani als Kompromisskandidat zwischen den Hardlinern und den Reformer*innen präsentiert. Als er die Wahl 2013 gewann schuf er mit demokratischen Versprechungen Illusionen in seine Präsidentschaft. Viele sahen in seinem Wahlsieg einen Sieg über eben jene Kräfte, die 2009 die "Grüne Bewegung" brutal zerschlagen hatten.

Er versprach nicht nur die Liberalisierung der Beziehungen zum Westen, um die Sanktionen und die Isolation des Landes zu beenden. Er versprach auch, Schritte zur Verbesserung der Rechte von Frauen und der Presse- und Meinungsfreiheit zu unternehmen. Doch trotz der anfänglichen Euphorie erwiesen sich seine Versprechen nur als heiße Luft, seine Wiederwahl im Jahr 2017 war eher auf eine vorherrschende Stimmung des "kleineren Übels" zurückzuführen. Die Arbeiter*innenklasse - vor allem eine neue, junge Generation - hat sich seither immer mehr von dem verrotteten Regime entfremdet, mehr noch als 2009.

Wirtschaftliche Situation

Das iranische Regime nutzt seit langem außenpolitische Eskalationen und Kriegsszenarien, um von der sozialen Lage im Land abzulenken. Diese hat sich in den letzten Jahren so massiv verschlechtert, dass die Entwicklung von Massenprotesten absehbar war. Ein wichtiger Faktor für den Ausbruch der Proteste im Jahr 2017/18 war die Veröffentlichung des Staatshaushalts der Regierung Rouhani im Dezember 2017, der massive Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen sowie eine Erhöhung der Militärausgaben um 30% vorsah.

Die jüngste Benzinpreiserhöhung im November 2019 wurde im Zusammenhang mit einem starken Rückgang der Öleinnahmen angekündigt und war gleichzeitig Teil einer strukturellen Wirtschaftsagenda von Liberalisierungen und Privatisierungen. Rouhani und sein politisches Lager sprachen sich von Anfang an für eine zunehmende wirtschaftliche Öffnung gegenüber dem Westen aus. Privatisierungen im Iran dienen auch dazu, die Loyalität der herrschenden Elite, der Revolutionsgarden, hoher Beamt*innen, Funktionär*innen etc. und ihrer Familien zum Regime zu sichern.

Der klerikale Kapitalismus im Iran hat besondere Strukturen, die hier nicht vollständig dargestellt werden können, die aber für das Verständnis des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlichen und demokratischen Kämpfen wichtig sind. Eine wichtige Grundlage der iranischen Wirtschaft ist der Export von Rohöl. Als Rentierstaat, in dem extra hohe Profite auf die Monopolkontrolle des Ölgeschäfts zurückzuführen sind, konnte das Regime Teile der armen Bevölkerung durch Subventionen für Nahrungsmittel, Getreide, Energie und Treibstoff relativ passiv halten. In den letzten Jahren wurden jedoch zahlreiche dieser Subventionen gekürzt. Als Folge der von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen nach dem Rückzug Trumps aus dem Nuklearabkommen im Jahr 2018 sind die iranischen Ölexporte geschrumpft, was die Klassenpolarisierung im Land sowie die Konflikte zwischen den verschiedenen Fraktionen des Regimes verstärkt hat.

Die Bourgeoisie war unter dem Regime des Schahs sehr schwach, und nach der Revolution übernahm der Klerus die Kontrolle über die großen Unternehmen, entweder direkt durch die staatlichen Institutionen oder durch religiöse Stiftungen - so genannte "Bonyads". Die Bonyads sind große, profitorientierte Wirtschaftsunternehmen, die die wichtigsten Bereiche der Wirtschaft kontrollieren und die aus ihren Gewinnen soziale Dienstleistungen mitfinanzieren sollen, um so eine gewisse soziale Basis aufzubauen. Sie haben eigene Strukturen und unterstehen nur dem "Obersten Führer" Khamenei. Trotz ihrer informellen Bindung an den Staatsapparat sind sie formell nicht Teil des Staates.

Durch die Struktur der Bonyads kontrollieren die Revolutionsgarden mehr als ein Drittel der iranischen Wirtschaft. Wie die meisten anderen iranischen Unternehmen sind sie auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig. Aus diesem Grund hat die „Armee der Wächter der Iranischen Revolution“ (IRGC) kein Interesse an einer wirtschaftlichen oder gar politischen Öffnung des Landes zum Westen und versucht, einen solchen Prozess zu blockieren. Da der IRGC außerdem alle Grenzübergänge kontrolliert, verdienen sie viel Geld, indem sie den Schmuggel kontrollieren, der "notwendig" ist, um die Sanktionen zu durchbrechen. Aus diesem Grund spüren sie keinen unmittelbaren Druck, Zugeständnisse zu machen, um die Sanktionen aufzuheben. Auf diese Weise ist der IRGC sowohl der stärkste bewaffnete Flügel des Regimes als auch der wichtigste Sektor des iranischen Kapitalismus. Dies ist eine Besonderheit der iranischen Gesellschaft und bedeutet, dass grundlegende Veränderungen im Iran nur gegen den vehementen und bewaffneten Widerstand des IRGC durchgesetzt werden können. Ein "reibungsloser Übergang" zur bürgerlichen Demokratie ist unmöglich. Dies zeigt sich bereits in der Niederschlagung der Proteste im November 2019, die einen Vorgeschmack darauf geben.

Der neoliberale Kurs des Regimes in Verbindung mit den Wirtschaftssanktionen hat in den letzten Jahren zu einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter*innenklasse geführt. Seit zwei Jahren hat sich die Wirtschaftskrise im Iran dramatisch verschärft und das Regime zunehmend in eine Legitimationskrise gestürzt. Fast die Hälfte der iranischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist die Regierung gezwungen, Lebensmittelkarten auszugeben. Rouhani rechtfertigte den jüngsten Anstieg der Treibstoffpreise damit, dass das Geld zur finanziellen Unterstützung armer Familien verwendet werde, obwohl die Menschen schon lange aufgehört haben, solchen Versprechungen des korrupten Regimes zu glauben. Die Menschen verstehen, dass steigende Brennstoffpreise zu Preiserhöhungen in allen anderen Bereichen führen. So sagte beispielsweise das iranische Handelsministerium für 2014 voraus, dass eine zehnprozentige Erhöhung der Treibstoffpreise einem Anstieg der Inflation um 2 % entsprechen würde.

Der Versuch des Regimes, die wirtschaftliche Situation allein auf die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen zurückzuführen und damit von seiner eigenen Politik abzulenken, ist eindeutig gescheitert. Dennoch waren die Auswirkungen der Sanktionen ein entscheidendes Element bei der Entwicklung der Wirtschaftskrise und der Radikalisierung der Bevölkerung. Seit 2018 sind die iranischen Exporte massiv eingebrochen. Die Ölexporte sind im vergangenen Jahr infolge der Wirtschaftssanktionen um mehr als 80% zurückgegangen. Die iranische Währung befindet sich auf einem Rekordtief. Eine weitere Folge der Sanktionen ist die Schließung einiger Fabriken und die Nichtzahlung der Löhne, einer der Auslöser der Protestwelle Ende 2017. Auch für das Jahr 2020 gibt es keine Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung. Es gibt keine Anzeichen für eine Entschärfung der Sanktionen und die Auswirkungen der schrumpfenden Wirtschaft werden weiterhin in erster Linie den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung beeinträchtigen. Trump hat bereits angekündigt, dass er nach der jüngsten Eskalation die Sanktionen weiter verschärfen will. Gleichzeitig werden in dieser Situation auch kleine und mittlere Unternehmen zunehmend unter Druck geraten und die Arbeiter*innen werden gezwungen sein, nach politischen Alternativen zu suchen.

Die Proteste gegen das Regime 2017/18 und 2019

Der Iran ist seit einiger Zeit ein brodelndes Kessel. Nach der letzten großen Protestwelle 2017/18, die als "Revolution der Hungernden" bekannt wurde, gab es weiterhin kleinere Arbeitskämpfe in verschiedenen Regionen des Landes, zum Beispiel in der Zuckerfabrik Haft-Tappeh, im Bildungssektor und in der Stahlindustrie.

Am frühen Morgen des 15. November 2019 wurde die Verdreifachung der Benzinpreise und eine gleichzeitige Rationierung von Benzin angekündigt. Tausende stürmten spontan auf die Straßen. Die Proteste breiteten sich schnell auf weit über 100 Städte aus. Diese weitreichende Preiserhöhung ist nur die Spitze des Eisbergs in einer Situation, in der die Inflationsrate bereits massiv gestiegen ist, ein Korruptionsskandal dem anderen folgt und die Lebensmittelpreise in den letzten Jahren in die Höhe geschossen sind.

Die ersten Aktionen waren Blockaden von Straßen und Autobahnen, gefolgt von Brandanschlägen und zivilem Ungehorsam. Tankstellen und Banken wurden zur Zielscheibe für die Demonstrant*innen als Symbol dafür, dass große Teile der Bevölkerung verarmen, während andere immer reicher werden. Aber auch religiöse Einrichtungen wie Moscheen und islamische Schulen sowie Polizeistationen und Regierungs- und Verwaltungsgebäude wurden wegen ihrer Verbindungen zum Regime angegriffen. Studierende streikten aus Solidarität, unterdrückte nationale Minderheiten nahmen an den Protesten teil, Frauen und Jugendliche standen an vorderster Front.

Beispiellose Repressionswelle

Die Reaktion der Sicherheitskräfte und des Staatsapparates auf die Aufstände im November 2019 war in ihrer Schnelligkeit und Brutalität beispiellos. Am zweiten Tag der Proteste befahl Chamenei selbst "alles zu tun, um sie [die Demonstrant*innen] zu stoppen". Polizei und Sicherheitskräfte schossen auf die extrem jungen Demonstrant*innen, die sich selbst nur mit Steinen verteidigen konnten. Es wird mittlerweile geschätzt, dass mindestens 1.500 Menschen getötet, Tausende verhaftet wurden und sich im Gefängnis befinden und Massenhinrichtungen – vergleichbar mit den 1980er Jahren - bevorstehen könnten. In Folge der unmittelbaren Repressionswelle wurden auch erneut aktive Gewerkschafter*innen verhaftet. Der Aufstand kam nach sehr kurzer Zeit blutig zum Stillstand.

Seit der Niederschlagung behaupten die regimekontrollierten Nachrichtensender und Zeitungen, sie hätten erfolgreich die Kontrolle wiedererlangt. Aber das liegt eher daran, dass sich die Protestierenden in einem kurzfristigen Schockzustand befinden. Niemand hat eine solche Reaktion erwartet, die weit über die Repressionen von 2009 und 2017/18 hinausging. Die Angst des Regimes vor revolutionären Aufständen und seine Bereitschaft, diese so weit wie möglich zu verhindern, ist offensichtlich. Es ist unter Druck geraten auszutesten, ob es noch in der Lage ist, Aufstände mit Gewalt niederzuschlagen. Und die Furcht ist berechtigt: Es ist bezeichnend, dass die Menschen auch Tage,nachdem das Regime so brutal reagiert hatte, weiterhin auf die Straße gingen.

Wendepunkt und Perspektiven

Mit den Protesten von 2017/18 wurde deutlich, dass wir eine neue Periode erleben. Das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI, deren österreichische Sektion die SLP ist - Anm. d. Ü.) erklärte damals, dass das Betreten der Bühne durch die Arbeiter*innenklasse eine neue Phase im Widerstand gegen das iranische Regime darstellt. Besonders in den Städten und Regionen, die der ultrakonservative Flügel des Regimes - religiöse Hardliner*innen - als ihre Hochburgen betrachtet, bricht die Unterstützung für das Regime dramatisch zusammen. Sowohl die Spontanität und die Radikalität der Proteste - als auch ihre soziale Zusammensetzung und politische Ausrichtung - stehen in massivem Kontrast zur sogenannten "Grünen Bewegung" von 2009. Die Protestformen sind immer radikaler und kollektiver geworden.

Die wichtigsten Unterschiede im Vergleich zu 2009 sind der Vertrauensverlust in alle Fraktionen des Regimes, die Ausweitung der Proteste über die städtischen Zentren hinaus in die ländlichen Gebiete, die hohe Beteiligung der arbeitenden und armen Bevölkerung, die Zunahme von Aktionen des zivilen Ungehorsams und der industriellen Kämpfe sowie das Auftreten von Parolen, die wirtschaftliche und politische Forderungen miteinander verbinden.

Anders als vor zehn Jahren brachen die Proteste diesmal nicht auf der Grundlage von politischen, sondern von wirtschaftlichen Forderungen aus. In einem Land wie dem Iran, in dem 80% der Wertschöpfung von den wirtschaftlichen Monopolen religiöser Stiftungen kontrolliert werden, werden wirtschaftliche Kämpfe und Proteste sofort zu politischen.

Im Jahr 2009 gelang es dem Regime noch teilweise, die ärmsten Bevölkerungsschichten hinter sich gegen die liberal dominierte Führung der Grünen Bewegung zu mobilisieren. Angesichts der wirtschaftlichen Situation ist dies nun nicht mehr möglich. Die soziale Basis des Regimes besteht nun vor allem aus den herrschenden Eliten, dem Militär, den Revolutionsgarden und Teilen des Kleinbürger*innentums, während die Unterstützung durch die Arbeiter*innenklasse stark zurückgegangen ist. Im Dezember 2009 zum Beispiel setzte das Regime auf Pro-Regime-Demonstrationen gegen die "Grüne Bewegung", an denen Hunderttausende von Menschen teilnahmen. Diesmal nahmen in Teheran, einer Stadt mit 15 Millionen Einwohner*innen, trotz massiver Propaganda des Regimes nur einige Zehntausend teil.

Natürlich gab die Ermordung von Soleimani dem Regime die Gelegenheit, wieder massenhaft zu mobilisieren. Eine erneute Aggression und Provokationen des US-Imperialismus können dem Regime einen gewissen Spielraum bieten, um den Nationalismus aufzupeitschen und seine Basis anzuheizen. Es ist jedoch klar, dass diese Strategie im Laufe der Zeit weniger wirksam geworden ist. Die Massenbegräbnismärsche zum Gedenken an Soleimani wurden schnell durch eine neue Explosion der Wut ersetzt, die auf das Regime wegen seiner Lügen über den Abschuss des ukrainischen Zivilflugzeugs abzielte.

Gleichzeitig sind die Illusionen in den US-Imperialismus seit 2009 zwar stark zurückgegangen, ebenso wie die Unterstützung für die nostalgischen Pro-Schah-Ideen, die vor allem von Anhänger*innen des ehemaligen Schahs aus dem Ausland immer noch verbreitet werden, aber sie stellen immer noch eine Gefahr dar.

Die Frage, wie instabil das Regime wirklich ist, kann trotz der oben beschriebenen Faktoren abschließend nur mit einem zusätzlichen Blick auf die Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse beantwortet werden. Auch wenn viele Entscheidungen, wie z.B. die Erhöhung der Treibstoffpreise, nicht ohne Auseinandersetzungen innerhalb der politischen und religiösen Führung des Landes getroffen werden und sich die Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse in den letzten Jahren vertieft haben, scheinen die Konflikte zwischen den verschiedenen Flügeln des Regimes, die auch unterschiedliche Flügel der wirtschaftlichen Eliten darstellen, noch nicht tief genug zu sein, um angesichts der Bedrohung durch Massenproteste offen auszubrechen. Dennoch erleben wir ein Aufflammen tieferer Konflikte, zum Beispiel im Umgang mit dem Abschuss des Passagier*innenflugzeugs, die sich in Zukunft noch verschärfen werden.

Arbeitskämpfe

Trotz der massiven Unterdrückung und jahrzehntelangen Verfolgung der Linken gibt es Organisationen der Arbeiter*innenklasse, einschließlich linker Gewerkschaften, aber ihre Größe ist schwer einzuschätzen, da sie im Untergrund agieren müssen. Beispiele sind die "Freie Gewerkschaft der iranischen Arbeiter*innen", die Busfahrer*innengewerkschaft, die Lehrer*innengewerkschaft oder die linke Gewerkschaft der Haft-Tappeh-Arbeiter*innen. Seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Arbeitskämpfe und Streiks, von denen einige den Weg für den Ausbruch der Proteste im Jahr 2017 geebnet haben.

Eine der wichtigsten Auseinandersetzungen, die auch die Auswirkungen der wirtschaftlichen Situation symbolisiert, ist der Kampf der 7.000 Haft-Tappeh-Arbeiter*innen. Als die Zuckerfabrik 2015 privatisiert wurde, wurden die Löhne monatelang nicht ausgezahlt, was zu radikalen Streiks führte. Mit der Etablierung von Betriebsrät*innen entwickelten sich erste Anzeichen für eine Selbstorganisation, und die Beschäftigten versuchten, sich mit Streikenden in anderen Unternehmen und Gebieten zusammenzuschließen.

Aufgrund dieser Radikalität, der die Unterstützung der Bevölkerung für die Forderung nach einer Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle wachsen ließ, sind die Entwicklungen bei Haft-Tappeh dem Regime ein besonderer Dorn im Auge. Immer wieder werden Aktivist*innen und Arbeiter *innen verhaftet und kriminalisiert. Wie die Arbeiter*innen von Haft-Tappeh haben auch die Lehrer*innen in den letzten Jahren zunehmend Repressionen wegen ihrer gewerkschaftlichen und politischen Aktivitäten erlebt. Seit März 2018 sind Lehrer*innen in mehr als 100 Städten wiederholt in einen landesweiten Streik getreten. Zwei Drittel der iranischen Lehrer*innen leben unterhalb der Armutsgrenze. Die zumeist weiblichen Beschäftigten leiden unter den enorm schlechten Arbeitsbedingungen und den niedrigen Löhnen im Bildungssektor.

Derartige Arbeitskämpfe werden in der kommenden Zeit entscheidend sein, denn auch wenn die Aktionen auf der Straße und der zivile Ungehorsam einen bedeutenden Radikalisierungsprozess darstellen, wird ein Sturz des Regimes massenhafte Streiks, landesweite Generalstreiks erfordern. Trotz der objektiven Schwierigkeit, einen landesweiten Generalstreik zu organisieren, da es im Iran nur wenige, meist staatliche Großunternehmen im Öl-, Metall- und Automobilsektor und eine enorme Anzahl kleiner Werkstätten und Betriebe gibt, und vor allem wegen des Verbots unabhängiger Gewerkschaften, wird ein solcher Schritt notwendig sein. Von zentraler Bedeutung für die Ausweitung der Streiks auf einen Generalstreik ist die Beteiligung der Beschäftigten in Schlüsselindustrien wie der Öl- und Gasindustrie und auch im öffentlichen Dienst. Das sind auch genau die Wirtschaftsbereiche, die in der kommenden Phase am stärksten von der wirtschaftlichen Situation betroffen sein werden.

Bedeutung der Internetsperre

Die Rolle der sozialen Medien bei der Organisierung von Protesten im Iran kann sowohl über- als auch unterschätzt werden. Die fast sofortige und sehr umfangreiche Internetsperre des Regimes im November 2019 war jedoch eine neue qualitative Entwicklung, die dazu diente, sowohl die Kommunikation zwischen den Demonstrant*innen zu unterbrechen als auch die Berichterstattung über die brutale staatliche Repression so weit wie möglich zu minimieren. Die November-Proteste begannen, wie schon im sogenannten arabischen Frühling, auf Twitter und Instagram mit spontanen Protestaufrufen. Gerade unter repressiven Regimen wie dem iranischen sind soziale Netzwerke wie (der Messenger - Anm. d. Ü.) "Telegram" oft das einzige Mittel, um sich zu koordinieren und mit Aktivist*innen und Gruppen international in Kontakt zu treten. Aufgrund der Spontanität der Revolte und des Mangels an organisierter politischer Führung ersetzen "Telegramgruppen" und andere Plattformen die strukturierte Organisierung am Arbeitsplatz o.Ä. Mehr als 64 Millionen Iraner*innen nutzen mobiles Internet, und in den letzten Jahren hat die Nutzung sozialer Netzwerke massiv zugenommen. Es ist bemerkenswert, dass das Regime und die von ihm kontrollierten Unternehmen, die ebenfalls von der Internetverbindung abhängig sind, ein solches Vorgehen mehr als zehn Tage lang akzeptiert haben - mit möglicherweise schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen - um die Proteste zu untergraben.

Als Ende Dezember 2019 Aktivist*innen erneut zu Protesten im Gedenken an die bei den November-Protesten ermordeten Menschen und zur Freilassung der Gefangenen aufriefen, reagierte das Regime vorsorglich mit einer weiteren kurzfristigen Internetsperre. Die Regierung arbeitet hart daran, ein eigenes "Intranet", ein nationales Netzwerk, aufzubauen, um die Bevölkerung nachhaltig von den internationalen Netzwerken zu isolieren. Der Kampf für einen freien Internetzugang ist daher auch zentral, um internationale Solidarität real wirksam zu machen.

Für eine Sozialistische Republik Iran

Der Kapitalismus ist nicht in der Lage, die wirtschaftlichen Nöte zu lösen, die sich im Iran in den letzten Jahrzehnten in Korruption, Misswirtschaft und einer Reihe tiefer Krisen manifestiert haben. Er hat die Kluft zwischen Arm und Reich dramatisch vergrößert, wobei einige wenige reiche Mullahs und Anhänger*innen des Regimes noch reicher geworden sind. Der Druck der globalen Marktwirtschaft, des IWF und anderer hat diese Entwicklungen noch verschärft. Gleichzeitig haben weder das Regime noch der westliche Imperialismus ein wirkliches Interesse daran, politische Freiheiten, gleiche Rechte für Frauen und Männer sowie für nationale und religiöse Minderheiten zu garantieren. Der Kampf um "Brot, Arbeit, Freiheit" muss von den Massen selbst geführt werden und unweigerlich zum Sturz des Regimes durch einen revolutionären Aufstand führen.

Die extrem junge Bevölkerung sieht unter diesem Regime zunehmend keine Zukunft und hat nichts mehr zu verlieren. Die Rolle der jungen Menschen und der Frauen bei den Protesten ist bezeichnend, viele wurden bei der Niederschlagung der Novemberproteste getötet oder inhaftiert, weil das Regime weiß, dass sie bei künftigen Aufständen an vorderster Front stehen werden. Viele dieser jungen Leute sind mit linken, marxistischen Ideen vertraut, einige von ihnen bezeichnen sich sogar als Kommunist*innen.

Trotz der Zersplitterung der Linken, der massiven Unterdrückung, Verfolgung und Hinrichtungen sind linke Ideen im Iran nie verschwunden. Was fehlt, ist eine organisierte Kraft in Form einer schlagkräftigen, unabhängigen Arbeiter*innenpartei, die in organisierter und politischer Art und Weise in die spontan explodierenden Entwicklungen eingreifen kann. Insbesondere die Zunahme der industriellen Kämpfe in den letzten Jahren weist auf die Notwendigkeit hin, diese derzeit noch weitgehend isolierten gewerkschaftlichen und politischen Kräfte zu vernetzen.

Es wäre auch die Aufgabe einer solchen Arbeiter*innenpartei, einen unmittelbaren Kampfplan sowie ein politisches Programm zum Sturz des Regimes und zum Aufbau einer sozialistischen Republik Iran zu entwickeln. Die Voraussetzungen dafür sind in den letzten Jahren mit den ersten Anzeichen von Selbstorganisation in den Betrieben und an den Universitäten gereift. Ein solches Programm würde unter anderem folgende Aspekte umfassen:

 

- Die Freilassung aller politischen Gefangenen und Gewerkschafter*innen

- Die Ablehnung jeder Form von externer imperialistischer Einmischung

- Die Ablehnung von Kriegsvorbereitungen und Aufrüstung, ein Ende der iranischen Militärinterventionen in der Region und im Ausland

- Das Ende aller Einschränkungen der politischen und demokratische Freiheiten, der Rechte von Frauen, der Unterdrückung und der diskriminierenden Gesetze gegen nationale und religiöse Minderheiten

- Die Ausweitung der Streiks mit dem Ziel eines landesweiten Generalstreiks

- Die Einrichtung demokratisch gewählter Aktionskomitees an den Arbeitsplätzen, in den Städten, in den Dörfern, an den Universitäten usw. zur Vorbereitung weiterer politischer Maßnahmen

- Sozialleistungen dürfen nicht von religiösen Stiftungen oder Organisationen als eine Form der Nächstenliebe bezahlt werden, sondern vom Staat

- Die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien unter der Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innen, die Rücknahme der Privatisierungen mit der Enteignung der Bonyads und der Revolutionsgarden und die Übernahme der Industrie durch die Arbeiter*innen

- Der Sturz des islamischen Regimes und die Errichtung einer Sozialistischen Republik Iran unter der Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Massen und Bauern

 

Vor dem Hintergrund der Parlamentswahlen im Februar 2020 und der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2021 könnte sich der Zorn gegen das Regime erneut in Form von Massenprotesten äußern. Früher oder später wird es zu großen Eskalationen und Revolten kommen, die das Regime immer schwerer wird kontrollieren können.

Die Verbindung der Massenbewegungen im Irak, Libanon, Iran und anderen Ländern der Region wird eine der zentralsten Aufgaben in der kommenden Periode sein. Ein Sturz des iranischen Regimes durch die Arbeiter*innenklasse würde als Leuchtturm für die umliegenden Staaten und als erster Schritt für eine sozialistische Transformation des Nahen Ostens wirken. Auf die "Grüne Bewegung" 2009 folgten Massenaufstände in der gesamten Region - es war der Beginn des "arabischen Frühlings". Die konterrevolutionären Rückschläge in der Region und die Zunahme von Krieg und Zerstörung haben die revolutionären Prozesse zwar verlangsamt, aber nicht nachhaltig gestoppt. Aufgrund der relativ großen - und intakten - industriellen iranischen Arbeiter*innenklasse und der großen Traditionen der iranischen Arbeiter*innenbewegung kommt ihr eine besondere Rolle beim Aufbau einer sozialistischen Föderation der Länder des Nahen Ostens zu.

 

 

Massenproteste im Libanon

Christine Franz

Massenproteste fordern die Macht der religiösen und politischen Eliten heraus

Seit 17. Oktober gibt es Massenproteste im Libanon. Diese Bewegung ist spontan entstanden, nachdem es mehrere Steuererhöhungen gegeben hatte, wie zum Beispiel eine Steuer auf die WhatsApp-Verwendung oder eine Erhöhung der Tabaksteuer. Da die Telefonkosten für viele Menschen zu teuer sind, telefonieren sie nur über WhatsApp, eine Besteuerung wäre damit ein schwerer Eingriff in die Infrastruktur des täglichen Lebens.

Ein sektiererisches politisches System

Seit dem Ende des Bürgerkrieges 1990 ist der Libanon von Parteien regiert worden, die sehr stark an dem Krieg beteiligt waren. Die Führer dieser Parteien sind ehemalige Warlords oder deren Söhne. Der einzige fundamentale Unterschied zwischen diesen Parteien ist die religiöse Gruppe, mit der sie verbunden sind. Das wird durch die Libanesische Verfassung noch verstärkt, die die Aufteilung der politischen Funktionen durch bestimmte religiöse Zugehörigkeit definiert. Der Präsident muss maronitischer Christ (eine alte Regionalkirche mit dem Papst als Oberhaupt), der Ministerpräsident (Exekutive) sunnitischer Muslim und der Sprecher der Nationalversammlung (Legislative) muss Schiit sein.

Die Sitze im Parlament müssen so aufgeteilt sein, dass sie repräsentativ für jede religiöse Gruppe sind.

Das scheint die religiösen Spannungen zu erleichtern, aber in der Realität dient es dem Profit der Elite, die damit die Gesellschaft immer mehr in religiöse Gruppen aufspalten kann, ganz nach dem „teile und herrsche“ Prinzip. Gleichzeitig dienten die religiösen Glaubensgemeinschaften als ein Ersatz für den Sozialstaat, indem die Kirchen und Moscheen die Armen mit Almosen versorgten, die damit an die „eigene“ religiöse Elite gebunden wurde.

Der 17. Oktober war der Beginn der ersten gegenwärtigen Bewegung gegen dieses System der religiösen sektiererischen Spaltung. Es hat zwar auch in der Vergangenheit Bewegungen gegen die Regierung gegeben, aber die waren geteilt anhand von religiöser Linien. Jetzt demonstrieren alle religiösen Gruppen gemeinsam (Sunniten, Maronitische Christen, Schiiten, orthodoxe Christen und Druzen). Sie marschieren gegen einen gemeinsamen Feind, nämlich die Regierung und deren verbündeten korrupten Eliten. Auch syrische und palästinensische Geflüchtete beteiligten sich, die vollständig aus dem politischen und ökonomischen System des Libanon ausgeschlossen sind, obwohl sie fast ein Viertel der Gestamtbevölkerung stellen.

Diese Entwicklung ist das Resultat von Jahrzehnten neoliberaler Politik und Sparkurs. Die öffentlichen Dienstleistungen sind unterfinanziert, dafür ist der Steuerdruck auf die untersten Schichten hoch. Seit 2008 hat die ökonomische Krise den Libanon hart getroffen und es gab 2017 einen Konflikt mit Saudi Arabien, sodass das Staatseinkommen drastisch gefallen ist. Die Folge waren dass die Regierung die Steuern angehoben hat und öffentliche Investitionen gesenkt hat.

2019 ist nun das schlimmste Sparpaket durchgezogen worden.

Der Widerstand wächst

Am 17. Oktober demonstrierten mehrere tausend Menschen unterschiedlichster Konfessionen gemeinsam. Mittlerweile ist die Zahl auf 2 Millionen angestiegen (Der Libanon hat zwischen sechs und sieben Millionen Einwohner , darunter etwa anderthalb bis zwei Millionen Geflüchtete)

Die Regierung hat schnell reagiert: Die Steuern wurden zurückgenommen. Doch die Bewegung hat Feuer gefangen: Das reicht der Bevölkerung noch lange nicht. Sie wollen das Ende des religiös sektiererischen Systems und den Rücktritt der Regierung.

Es wird ein progressives Steuersystem gefordert, soziale Sicherheit sowie Investitionen in Wasserversorgung und Elektrizität. Das Land leidet unter Stromausfall, weil zu wenig investiert wird. Die Reichen können sich eigene Stromölgeneratoren leisten und sind somit von diesen Ausfällen nicht betroffen.

Der Premierminister ist zurückgetreten und die religiösen Führer rufen zur sofortigen Gründung einer neuen Regierung. Die Eliten versuchen durch Zugeständnisse verzweifelt die Bewegung zu beruhigen.

Am 19. November gelang es Protestierenden eine Parlamentssitzung zu verschieben, indem sie Straßenblockaden durch Sitzstreiks organisiert haben um Parlamentariern den Weg zu versperren. Nicht genügend Abgeordnete konnten in das Parlament gelangen, obwohl die Polizei nicht zögerte auf die Protestierenden zu schießen. Die Protestierenden befürchteten den Beschluss neuer Korruptionsgesetze, und ein sogenanntes Generalamnestie-Gesetz, dass alle Politiker, die korrupt waren, begnadigen sollte.

 

An vorderster Front kämpfen junge Leute und Frauen

Nach ein paar Wochen dachten viele, dass den Protesten die Luft ausgeht. Aber die Jungen gaben der Bewegung neuen Drive.

Viele Schüler (zwischen neun und zwölf Jahren) weigerten sich in die Schule zu gehen und schlossen sich vor allem in den großen Städten den Protesten an.

41 Prozent des Landes sind unter 25 und 35 Prozent der 18-25 jährigen sind arbeitslos

Frauen sind erstmals an vorderster Front der Proteste. Sogar in den religiösen Regionen erheben sich Forderungen für mehr Frauenrechte. Eine Frau hat dort nur 60 Prozent der Rechte der Männer. Sie bekommt zum Beispiel nur Familienbeihilfe wenn der Mann nicht arbeiten kann oder tot ist. Ein Kind kann unter 16 zur Heirat gezwungen werden, wenn die Eltern zustimmen. Frauen fordern ein neues Gesetz, das sie Männern rechtlich gleichstellt.

Perspektiven für die Bewegung

Es ist die erste derartige Massenbewegung des Landes. Natürlich unterstützen wir enthusiastisch die Bewegung aber wir müssen die Schwächen kennen.

Die Bewegung muss sich in den Arbeitsplätzen organisieren. Weniger als acht Prozent der Arbeiter*innen sind Mitglieder in den Gewerkschaften. Die Führer*innen der Gewerkschaften arbeiten mit den Parteien zusammen.

 Die stalinistische Kommunistische Partei des Libanon arbeitet mit der Hisbollah zusammen, wegen deren Positionierung gegen die USA und Israel.

Der Mangel an Führung ist ein ernstes Problem für diesen Aufstand. Das zeigt sich in der Forderung einer Übergangsregierung aus „Expert*innen“. So eine Regierung hat ihre Grenzen. Selbst wenn ein paar soziale Forderungen umgesetzt werden würden, würde so ein System noch immer mit den Eliten des Landes kooperieren. Außerdem besteht die Gefahr, dass diese „Expert*innen“ einen neoliberalen Umbau im Sinne des IWF durchführen.

Auch ausländische Einmischungen würden nur imperialistischen Interessen dienen.

Eine Forderung könnte die nach einer revolutionären Versammlung sein, die wirklich die Interessen der unterdrückten Menschen und Arbeiter*innen vertritt und fordert, dass die Großkonzerne enteignet werden und allen dienen und nicht einer kleinen Elite.

Ausblick

Obwohl es rund um die Jahreswende ruhiger um die Proteste im Libanon geworden ist, demonstrierten in der zweiten Jänner-Woche wieder Menschen und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die zugrundeliegenden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen treiben die Bevölkerung auf die Straße.

Auch wenn die Protestwelle abebbt, werden die Ursachen der Proteste nicht verschwinden. Es braucht eine revolutionäre Partei die, die Lehren aus den Protesten verallgemeinert und eine sozialistische Alternative zu den kapitalistischen und religiösen Herrschenden aufzeigen kann.

 

Rojava am Scheideweg

Nur der Vereinte Kampf der Arbeiter*innenklasse kann den Gräueln im Nahen Osten ein Ende bereiten!
Lukas Kastner

Die Lage in Rojava ist äußerst ernst. Das kurdische Gebiet im Norden Syriens wird seit Herbst von der türkischen Armee angegriffen. Über 200.000 sind auf der Flucht, Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen zerstört. Gefangene IS Kämpfer*innen konnten flüchten und vom türkischen Staat unterstützte Jihadisten morden, foltern und vergewaltigen. Für Erdogan ist klar: Jeglicher Ansatz eines kurdischen Staates soll endgültig zerstört werden. Nicht mal ein Völkermord kann ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund des Bürger*innenkrieges erschien Rojava als der einzige Lichtblick in Bezug auf demokratische Rechte, Gleichberechtigung und Frieden.

Zwar kämpfen die Kräfte von PYD, YPG und YPJ tapfer gegen die Invasion, doch wird dieser Krieg angesichts der Feuerkraft des türkischen Militärs militärischen Mitteln alleine nicht zu gewinnen sein. Dass sich die Führung der PYD für eine Zusammenarbeit mit dem Assad Regime entschieden hat und die syrische Armee zur Abwehr der türkischen Invasion durch das Gebiet marschieren lässt, wirkt zunächst nachvollziehbar. Nicht zum ersten Mal seit Ausbruch des Bürger*innenkrieges gehen die kurdischen Kräfte ein Zweckbündnis mit den Herrschenden in der Region ein. Kurzfristig mag dies taktische Vorteile verschaffen, langfristig wird sich der Teufelskreis jedoch weiter verschlimmern: Zwar mögen die Truppen Assads einen türkischen Einmarsch aufhalten, doch wird Assad bei der ersten Gelegenheit selbst alles daran setzen, Rojava zu zerstören. Außerdem erhöht ein Bündnis mit den Schlächtern in der Region die Gefahr, dass die kurdische Bewegung bei weiten Teilen der restlichen Bevölkerung nicht als Alternative zu Assad und Co angesehen wird. Die Unterstützung der USA für Erdogan oder die Waffenlieferungen aus der EU zeigen, dass auch die „demokratischen“ imperialistischen Kräfte die Kämpfer*innen von YPG und YPJ bestenfalls als Diener für ihre Interessen sehen, welche bei der ersten Gelegenheit wieder fallen gelassen werden können.

Die verschiedenen Teile der Kapitalist*innen in der Region und ihre imperialistischen Unterstützer*innen haben lediglich ein Interesse die Region möglichst profitabel auszubeuten. Dabei sind ihnen Menschenrechtsverletzungen, Diktatur, oder auch religiöser Extremismus und ethnische Spaltung äußerst gerechte Mittel. Der Hass auf die Kurden wurde – egal ob in Syrien, der Türkei, dem Irak, oder dem Iran – stets benutzt, um Klassengegensätze zu verschleiern und die kapitalistische Herrschaft zu sichern. Dennoch, oder vielmehr gerade deswegen, sind die wirklichen Verbündeten im Kampf um Rojava die Arbeiter*innenklasse und alle Unterdrückten in der gesamten Region.

Gemeinsame Kämpfe gegen Korruption, Diktatur und Armut können die Grenzen überwinden und zeigen, dass die Herrschende Klasse – nicht die Kurd*innen und ihr Wunsch nach Unabhängigkeit – schuld am Leid der Millionen im Nahen Osten sind. Noch vor wenigen Monaten hätte solch ein Gedanke unrealistisch gewirkt. Doch die Massenbewegungen im Libanon, im Irak und im Iran zeigen, dass religiöse und ethnische Spaltung überwunden werden kann, da die Interessen von Arbeiter*innen und Armen dieselben sind. In all diesen Ländern kämpfen die Massen gegen Armut und Diktatur. Gerade im Iran spielen Kurd*innen eine wichtige Rolle in der Bewegung gegen das Regime. Jeder Sieg dieser Bewegungen wäre ein Sieg für Rojava, und jede Unterstützung seitens der PYD für diese Bewegungen würde deren Solidarität mit Rojava stärken. Auch die Schwesterorganisationen der SLP in der Türkei und in Israel/Palästina versuchen nach Kräften, Widerstand innerhalb der Arbeiter*innenklasse gegen Ausbeutung, Diktatur, den Krieg gegen die Kurd*innen, Rassismus und religiöse Spaltung in der Region zu organisieren. Dabei verbinden sie diesen Kampf immer mit der Notwendigkeit des Sturzes des Kapitalismus und des Aufbaus einer gleichberechtigten, demokratischen sozialistischen Gesellschaft. Deswegen braucht es auch eine internationale sozialistische politische Kraft, die in der Lage ist, ein solches Programm in die verschiedenen Bewegungen hineinzutragen.

Rojava muss eine wirkliche, also sozialistische, Alternative darstellen, um ein Vorbild für die kämpfenden Massen im Nahen und Mittleren Osten zu sein. Es gibt keine „solidarische“ Wirtschaft und Gesellschaft auf kapitalistischem Boden. Der Kapitalismus ist das System der Erdogans und Assads. Um demokratische Rechte, Gleichberechtigung und die rechte nationaler Minderheiten zu sichern braucht es einen internationalen Kampf von kurdischen, syrischen und türkischen Arbeiter*innen für eine sozialistische Gesellschaft.

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Ecuador: Massenproteste gegen Kürzungen

Nein zur neoliberalen Politik! Für eine Regierung im Interesse der Bevölkerung, nicht der Profite!
Tabea Anreiter

Als Präsident Moreno Treibstoffsubventionen als Zugeständnis an den IWF kürzte, stiegen die Preise über Nacht rasant mit massiven Auswirkungen auf Nahverkehr, Versand und Pendler. Die folgenden Proteste waren vom Streikaufruf zahlreicher Gewerkschaften, die Bus-, Taxi,- und LKW-Lenker*innen repräsentieren, begleitet. Große Straßen in die Hauptstadt Quito wurden blockiert. Nachdem die Bewegung einen großen Teil des Landes quasi lahmlegte, rief Präsident Moreno den Ausnahmezustand aus, um auch militärisch gegen die Rebellion vorzugehen.

In der Zwischenzeit mobilisierten aber auch der Gewerkschaftsverband FUT und die größte indigene Organisation CONAIE zu Protesten in der Hauptstadt, in denen die indigene Bevölkerung, Jugendliche, Schüler*innen, Frauen und v.a. Arbeiter*innen vertreten waren. Die Regierung hatte die Kontrolle in der Hauptstadt Quito verloren und Präsident Moreno fühlte sich gezwungen, mit FUT und CONAIE zu verhandeln und Teile der Kürzungen zurückzunehmen. Die Aufständischen haben die Erfahrung gemacht, einen Erfolg als Beweis der eigenen Stärke zu sehen. Nun müssen demokratische Strukturen aufgebaut werden, FUT und CONAIE weitere Proteste organisieren und mit jenen in anderen Ländern Lateinamerikas verbinden. Das Hauptziel der Regierung war es, zu vermeiden, dass diese Rebellion in eine Revolution umschlägt, die nicht nur die Regierung, sondern das ganze System dahinter in Frage stellt. Ob das gelungen ist, ist fraglich...

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Internationale Notizen - Russland - Griechenland - Elfenbeinküste

Russland: Sozialismus!

Die Proteste in Russland sind über die letzten Jahre gewachsen, damit auch die Aktivitäten unserer Schwesterorganisation Sozialistische Alternative. Anfang November wurde das im Sozialismus Kongress gebündelt. Auffallend war die hohe Teilnehmer*innenzahl. Der Kongress fand vor einer angespannten Situation statt, das zeigte sich auch in den Themen. Über 500 Rubel-Mindestlohn (7€), den Kampf für die finanzielle Unabhängigkeit der Frau und die Demokratie-Bewegung wurde diskutiert. Es wurde aufgezeigt, dass die Kandidat*innen bei der Wahl in Moskau nur Marionetten der Regierung waren, die jeder Kürzung zustimmen. Der Kongress ist ein wichtiger Schritt beim Aufbau einer sozialistischen, kämpferischen Organisation: Denn Fortschritte können nur außerhalb des Systems erreicht werden.

http://socialist.news

 

Griechenland: Repression!

Jedes Jahr finden in Griechenland Demos mit tausenden Teilnehmer*innen zur Erinnerung an die blutig niedergeschlagene Studierendenbewegung 1973 statt. Heuer setzten Regierung und Polizei (wo die faschistische Goldene Morgenröte stark ist) auf massive Repression. Am Heimweg wurden 2 Aktivist*innen unserer Schwesterorganisation Xekinima von der Polizei überfallen, verprügelt und festgenommen. Anderen erging es ähnlich. Zur Einschüchterung wurden schwerwiegende Verbrechen konstruiert. Xekinima reagierte mit einer Solidaritätskampagne, Protesten aus dem In- und Ausland, laufender Berichterstattung und Protesten vor dem Gericht. Die Anklage zerbröselte und das meiste wurden zurückgezogen. Der Prozess wurde auf März verschoben, weil die Polizist*innen nicht vor Gericht erschienen.

http://net.xekinima.org

Elfenbeinküste

In einer Chemiefabrik in der Elfenbeinküste traten Arbeiter*innen in den Streik, weil ihnen Bezahlung vorenthalten wurde. Der Chef erklärte den Streik für illegal, weil er nicht informiert war. Mitarbeiter*innen drohen Sanktionen. Militant, die Schwesterorganisation der SLP vor Ort unterstützt den Arbeitskampf auch als wichtigen Schritt für die breitere Organisierung der Arbeiter*innen in der Region.

http://worldsocialist.net
 

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