Betrieb und Gewerkschaft

Zahlen und Fakten zu Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung

Bosse brauchen Arbeiter*innen – Arbeiter*innen brauchen keine Bosse. Hier sind nur einige Beispiele aufgezählt, in denen Arbeiter*innen selbst Kontrolle und Verwaltung von Betrieben übernommen haben. Um das tatsächliche Potential zu entfesseln, braucht es jedoch eine revolutionäre Umwälzung der Produktionsweise, denn sonst sind diese Inseln dazu verurteilt, im kapitalistischen Meer zu versinken.

  • Russland 1917
    Arbeiter*innenräte („Sowjets“) übernehmen die Wirtschaft und politische Macht im Land, leiden aber unter dem Bürger*innenkrieg und fallen schließlich dem Stalinismus zum Opfer.
  • Deutschland und Österreich 1919
    Nach den Kriegswirren wurden viele Betriebe von Räten übernommen. Eine Revolution wie in Russland blieb wegen dem Einfluss der Sozialdemokratie aus.
  • Spanien 1936-1939
    Während dem Bürgerkrieg gegen die Faschisten gelangten zahlreiche Firmen, von Öffis bis zu Restaurants, unter die Verwaltung von Räten oder Gewerkschaften.
  • Argentinien seit Mitte der 1990er
    Eine schwere Wirtschaftskrise führte zu einer Pleitewelle bei Unternehmen. 350 Betriebe, von Fabriken bis Hotels, werden seither von ihren Arbeiter*innen selbst verwaltet.
  • Eleftherotypia (Griechenland)
    Die griechische Zeitung ging 2012 pleite und wurde von den Angestellten als Journalistenzeitung erfolgreich weitergeführt.
  • Mondragon (Spanien)
    Das siebtgrößte Unternehmen Spaniens mit 75.000 Angestellten ist eine Föderation von über 100 Genossenschaften, in deren Leitung Arbeiter*innen demokratisch eingebunden sind.
  • Officine Zero (Italien)
    Als der italienische Betrieb für Instandhaltung von Schlafwägen 2012 schloss, besetzten ihn 20 Mitarbeiter*innen und betreiben ihn seither als Reparaturwerkstätte weiter.
  • Ri-Maflow (Italien)
    Der ehemalige Mailänder Autoteilezuliefer ging 2011 pleite. Arbeiter*innen und Unterstützer*innen übernahmen das Projekt und reparieren Haushalts- und IT-Geräte.
  • Vio.me (Griechenland)
    Die Baustofffabrik in Thessaloniki (Griechenland) wurde 2011 im Zuge der Wirtschaftskrise geschlossen. Die Arbeiter*innen übernahmen den Betrieb, produzieren seither unter anderem Waschmittel und wehren sich seither gegen Zwangsversteigerung der Fabrik.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt

Sebastian Kugler

Der Kampf um Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle ist der Kampf um eine demokratisch geplante Wirtschaft.

Als um die Jahrtausendwende der argentinische Kapitalismus wie ein Kartenhaus zusammenbrach, reagierten die Arbeiter*innen mit einem Massenaufstand, der mehrere neoliberale Regierungen wegfegte. Im Zuge dieses „Argentinazo“ enteigneten sie auch über 1.200 Unternehmen – durch Besetzungen oder weil die Unternehmer*innen sich schon davor aus dem Staub gemacht hatten. Sofort waren die Arbeiter*innen mit der Frage konfrontiert, was nun mit den Unternehmen geschehen sollte. Manche entschieden sich dafür, es als Genossenschaft weiterzuführen. Doch das bedeutete nicht nur, dass sie nun dieselben vom kapitalistischen Markt diktierten Entscheidungen zu treffen hatten, wie ihr Boss zuvor – sondern auch, dass sie als „Eigentümer*innen“ ihren rechtlichen Status als Arbeiter*innen verloren, und damit verbundene Rechte und Sicherheiten. „In den Fabriken“, so die Historikerin Marina Kabat in ihrer Studie über die Bewegung, „, in denen die Arbeiter ein höheres Klassenbewusstsein entwickelten, kämpften sie aus diesem Grund für eine Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle sowie für die Enteignung ohne Entschädigung“. So zum Beispiel die Arbeiter*innen der Fabrik Brukman, die 2003 erklärten:

„Wir sind nicht damit einverstanden, ein zum Scheitern verurteiltes ‚Mikrounternehmertum‘ zu akzeptieren […] Wir sind qualifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter. Es kann nicht sein, dass die Politiker unsere Erfahrung als Arbeiter, die in den Dienst der argentinischen Gesellschaft gestellt werden kann, mit Füßen treten. In unserem Land gibt es 19 Millionen Arme und Bedürftige und Mängel aller Art. Unsre Fabrik kann Teil der Lösung sein und ist nicht ein Problem, wie diese Herren Politiker es erachten, die auf einem anderen Planeten zu leben scheinen.“

Damit formulierten diese Arbeiter*innen eine wichtige Perspektive: Ihre Fabrik sollte kein Selbstzweck wie ein kapitalistisches Unternehmen sein, sondern bewusst in die gesamtgesellschaftliche Entwicklung miteinbezogen sein. Doch warum wehrte sich der Staat, der doch vorgibt, Vertreter dieses Gesamtinteresses zu sein, dagegen? Die Forderung nach Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle ermöglichte es den Arbeiter*innen somit, ihren wirtschaftlichen Kampf in einen politischen zu erweitern: Denn um die Produktion der Fabrik mit den Interessen der Gesellschaft zu koppeln, bräuchte es einen Staat, der in den Händen der Arbeiter*innen selbst ist. Diese Erfahrung machten auch die Arbeiter*innen der venezuelanischen Fabrik Inveval, die 2005 mit einem Dekret von Chavéz enteignet wurde. Die Arbeiter*innen kämpften für Verstaatlichung unter ihrer Kontrolle. Nach langem hin und her wurde Inveval eine Aktiengesellschaft, die zu 51% dem Staat und zu 49% den Arbeiter*innen als Genossenschaft gehörte. Doch das bedeutete, dass die Arbeiter*innen, nun als „Teilhaber*innen“ weiterhin dem täglichen Kampf um Märkte ausgesetzt waren, während die wichtigen Entscheidungen aus den Büros der Ministerien kamen. Sie empörten sich: „Die Kooperative fördert den Kapitalismus, denn sie wurde als Teil von diesem kapitalistischen System geschaffen […] Wir haben doch nicht einen Kapitalisten rausgeschmissen, um 60 neue hereinzuholen!“

Dass Arbeiter*innen keine Kapitalist*innen brauchen, um wirtschaftliche und politische Prozesse effektiv zu gestalten, haben sie in den letzten 150 Jahren immer wieder bewiesen. Die Pariser Kommune 1871 verwirklichte durch ihre Rätestruktur den „schlanken Staat“, worauf Marx süffisant hinwies. Im Zuge der Entwicklung der Sowjets übernahmen die Arbeiter*innen in der Russischen Revolution die Produktion unter den Bedingungen von Weltkrieg und wirtschaftlicher Zerrüttung. Mittels ihrer revolutionären Partei, den Bolschewiki, machten sie die Sowjets zum Zentrum des ersten Arbeiter*innenstaats. In den durch Duruttis Milizen befreiten Gebieten im Spanischen Bürger*innenkrieg stieg die Agrarproduktion dank demokratischer Kollektivierung des Landes um 30-45%. Zwischen 1968 und 1980 erschütterten Kämpfe um Arbeiter*innenkontrolle nicht nur Frankreich, Britannien und Italien, sondern auch das stalinistische Polen.

All diese Erfahrungen, kombiniert mit jenen aus Lateinamerika in den letzten 20 Jahren, müssen wir heute mehr denn je mobilisieren. Die Klimakatastrophe können wir nur bekämpfen, wenn wir die gesamte weltweite Produktion den Klauen des Kapitals entreißen und sie nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt planen. Die neuen Technologien bieten uns dafür Mittel, von denen die Revolutionär*innen des vergangenen Jahrhunderts nur träumen konnten. Per Touchscreen lassen sich heute global Produktion, Verteilung und Konsum aufeinander abstimmen. Wir, die Arbeiter*innenklasse, die an allen Knotenpunkten dieses unendlich verzweigten Netzes verortet ist, haben das Potential, diese Prozesse durch demokratische Strukturen zu verwalten. Doch dafür müssen wir die Macht des Kapitals und seines Staates brechen. Vom Erfolg dieses Kampfes hängt die Zukunft der Menschheit ab.

 

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Caritas-Ausgliederung

Der Kampf für einen Verbleib der Reinigungskräfte bei Caritas und im Caritas Kollektivvertrag bleibt nötig.
Michael Gehmacher

Im Juni ging die Caritas Wien daran, ihre bei der Caritas angestellten Reinigungskräfte in das Tochterunternehmen „Magdas“ auszugliedern. Das hätte einen Einkommensverlust von bis zu 25% bedeutet. „Sozial, aber nicht blöd“, eine Basisinitiative, in der SLP-Mitglieder aus dem Sozialbereich mitarbeiten, machte die Entwicklung auf Facebook erstmals öffentlich. Gleichzeitig wurden die Caritas Wien Betriebsrät*innen und die Gewerkschaft GPA-DjP aktiv. Nach Angriffen von Caritas Wien- Geschäftsführer Klaus Schwertner auf Facebook wurden die Berichte immer populärer. Viele Medien sprangen auf. Dazu kamen zwei sehr kämpferische Betriebsversammlungen, auf denen auch „Sozial, aber nicht blöd“-Aktivist*innen vertreten waren. Dort wurde unter anderem das Ziel beschlossen, dass alle Kolleg*innen, auch die der Reinigung, bei der Caritas und im Caritas Kollektivvertrag bleiben sollen. Für die akut betroffenen Kolleg*innen wurden zwar einige Verbesserungen erreicht, ein Erfolg des öffentlichen Drucks. Mit Streiks hätte wohl einiges mehr erreicht werden können. Zukünftige Caritas Reinigungskolleg*innen sollen aber bei „Magdas“ zu schlechteren Bedingungen angestellt werden. Diese Kolleg*innen gilt es in einem mit gemeinsamen Einsatz und Aktionen in die Caritas und den Caritas-KV zu holen. „Sozial, aber nicht blöd“ wird dran bleiben.

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ÖGB: Nicht nur beraten; wir brauchen Taten!

Thomas Hauer

Die arbeiter*innenfeindliche türkis/blaue Regierung ist zusammengebrochen. Trotzdem können wir nicht auf Verbesserungen oder Rücknahme der Verschlechterungen durch die neu eingesetzte Expert*innenregierung hoffen. Denn anstatt durch eine organisierte Bewegung der Massen, implodierte das „harmonische“ Gespann Kurz/Strache an einem Skandalvideo. Die größte Arbeiter*innenorganisation, der ÖGB, hatte daran null Anteil. Aus der Dynamik, die um die Demo gegen den 12h/Tag enstand, wurde nichts gemacht. Zuletzt beschwerte sich die ÖGB-Spitze nur mehr darüber, dass die Regierung nicht mehr mit ihnen geredet hat. Umso glücklicher ist sie jetzt, dass die neue Bundeskanzlerin Bierlein schon Gesprächsbereitschaft angekündigt hat und vorgibt, den „Rat aller Sozialpartner“ zu suchen. Dieser Ratgeberanspruch kann einer Arbeiter*innenorganisation, die 18 Monate nur Schläge kassierte, aber nicht genügen. Jetzt müssen konsequent Forderungen gestellt werden!

Die 12h/Tag-Regelung muss zurückgenommen werden und der Einfluss der Arbeitnehmer*innen bei den Krankenkassen wiederhergestellt werden. Aber es braucht auch Offensivforderungen: 30 Stundenwoche bei vollem Lohn und Personalausgleich! Mindestlohn und Mindestpension von 1.700€ netto! Gleiche Rechte für alle, die hier leben! Ausfinanzierung von Gesundheits- Bildungs- und Sozialsystem durch die Profite der Reichen! Es ist wichtig und richtig, solche Forderungen zu stellen. Doch es braucht auch Schritte, um sie durchzusetzen. Auf die etablierten Parteien dürfen wir nicht vertrauen. Genausowenig auf die ÖGB-Spitze, die an diese Parteien gebunden ist. Es braucht Druck von der Basis, und hier sind vor allem kämpferische Betriebsrät*innen in der Verantwortung, diesen aufzubauen. Als ersten Schritt können Betriebsräte diese Forderungen als Resolutionen beschließen und Betriebsversammlungen einberufen, um mit Kolleg*innen darüber zu diskutieren und weitere Schritte zu planen. Um entschlossene Aktionen auf der Straße und in den Betrieben kommen wir nicht herum. Die kleinen, aber kämpferischen Initiativen im Gesundheits- und Sozialbereich zeigen, was möglich ist. Schließlich brauchen wir einen gemeinsamen Aktionstag noch vor den Wahlen, um der neuen Regierung die Rute ins Fenster zu stellen!

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Kurznachrichten aus Betrieb & Gewerkschaft: Frauenstreik * Streik gegen sexuelle Belästigung in Südafrika * Kompromiss bei der ÖBB

Ausgabe Juli/August 2019

Frauenstreik in der Schweiz

Am 14.6. kam es nach 28 Jahren zum 2. Frauenstreik in der Schweiz. Unterstützt von Gewerkschaften und politischen Organisationen demonstrierten 500.000 Frauen und auch Männer im ganzen Land. Die hohe Beteiligung gelang durch Mobilisierung regionaler Komitees. Die Dynamik zeigt die Bereitschaft, sich für die Rechte von Frauen einzusetzen. Doch weder werden die Firmen nach einigen Stunden Streik die Löhne erhöhen, noch die Regierung die frauenfeindliche Durchlöcherung sozialer Rechte beenden. Der Streik darf kein symbolisches Ereignis bleiben. Es darf dabei nicht dabei stehen geblieben werden und v.a. nicht die Verantwortung an die Spitzen der Gewerkschaften und „fortschrittlichen“ Parteien übergeben werden. Der nächste Schritt ist ein längerer Streik, der ganz bewusst alle einbindet, die von Unterdrückung und Ausbeutung betroffen sind.

Südafrika: Bergarbeiter*innenstreik gegen Belästigung

In Südafrika zeigten 290 Arbeiter*innen der Lanxess-Chrommine nahe Rustenberg, wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz bekämpft werden kann. Hintergrund: Eine Arbeiterin war von einem Manager sexuell belästigt worden, doch Lanxess ignorierte ihre Beschwerde. Nun nahmen die Arbeiter*innen die Sache selbst in die Hand. Unterstützt wurden sie von der Gewerkschaft NUMSA. Sie streikten 19.6. bis 27.6. – in der Mine! Eine Woche hielten sie die Mine besetzt, ohne Nahrung oder sauberes Wasser. Zusätzlich waren sie den giftigen Chromdämpfen ausgesetzt. Das Management versuchte, den Streik zu sabotieren, indem es der Mine den Strom abstellte und sie damit in Lebensgefahr brachte. Doch der harte Kampf wurde gewonnen: Die Firma muss nun eine externe Untersuchung des Falles zulassen und darf sich nicht in die Ermittlungen einmischen.

Kompromiss nach Eisenbahner*innenstreik

Nachdem 2018 am Bahnstreik niemand vorbeikam, hat die Gewerkschaft bei den KV-Verhandlungen dieses Jahr still und heimlich einen faulen Kompromiss geschlossen: Nur 0,9% liegt der Abschluss über der Inflation. Vor allem Junge schauen durch die Finger: zusätzliche Urlaubstage gibt es erst ab 15 Dienstjahren. In den Werken und auf der Schiene wurden die Kolleg*innen über den Stand der Verhandlungen komplett im Dunkeln gelassen.

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Krach im KAV

Ella Kempter

Am 7. Mai versammelten sich über 1.000 Beschäftigte des Wiener Krankenanstaltenverbundes KAV und Menschen, die sich mit Ihnen solidarisch erklären, im Wiener Sigmund Freud-Park zur Demonstration. Seit Anfang 2019 das neue Besoldungssystem in Kraft trat, begannen Pflegende sich zu organisieren. Bei den von der Basis organisierten Protesten geht es um die freie Wahlmöglichkeit, in welchen Vertrag man möchte – aber auch um höhere Löhne für alle und mehr Personal für die Krankenhäuser. Die SLP, aber auch die Initiative „Sozial aber nicht blöd“ haben die Proteste unterstützt und waren wie schon bei früheren Aktionen anwesend. Dass in der Mai-Ausgabe von Vorwärts ein Artikel zum Thema war, hat die Kolleg*innen nicht nur gefreut – gerne haben sie auch ein Exemplar gekauft.

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Abschluss? Urabstimmung!

Abstimmungen über die Forderungen, den Abschluss, Streikmaßnahmen oder über betriebliche Maßnahmen!
Peter Hauer

Wer eine Intervention der SLP in einem Arbeitskampf erlebt hat, so z.B. beim Pflegestreik Anfang des Jahres, kennt unsere Forderung nach einer Urabstimmung. Darunter verstehen wir, dass alle Beschäftigten entsprechend informiert werden und eine offene und demokratische Diskussion stattfindet mit anschließender Abstimmung.

In den letzten Jahren gibt es immer aggressiveren Klassenkampf von oben durch die Unternehmen – die Gewerkschaft reagiert kaum. Die „Sozialpartnerschaft“ der ÖGB-Bürokratie hat auch dazu geführt, dass kaum jemand „gelernt“ hat, Arbeitskämpfe zu führen.

Bei Verhandlungen agiert das Verhandlungsteam leider oft (bewusst oder unbewusst) im Sinne der Chefetage und versucht die Kolleg*innen auszubremsen. Das Argument ist oft „die Beschäftigten gehen nicht mit, wenn wir kämpfen“. Tatsächlich sprechen sich bei Umfragen die Beschäftigten regelmäßig FÜR Streiks aus - doch davor hat die Gewerkschaftsführung Angst, weil Streiks für sie schwer zu kontrollieren sind. Um also diese Ausrede zu vermeiden UND einen erfolgreichen Arbeitskampf zu führen, muss es die volle Einbindung aller Beschäftigten geben. VORHER über Probleme und Forderungen diskutieren – GEMEINSAM den Arbeitskampf entscheiden und planen – DEMOKRATISCH in einer Urabstimmung über Annahme des Ergebnisses oder Ablehnung und weiteren Kampf entscheiden. So geht Widerstand!

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Werbe-KV: Mobilisieren und Einbeziehen!

Laura Rafetseder, Ersatzbetriebsrätin in Medienunternehmen/Werbe-KV

Im Moment findet für den Kollektivvertrag Werbung & Marktkommunikation der "KV-Neu Reformprozess" statt. Dabei soll das Rahmenrecht neu verhandelt werden. Die Unternehmen drängen auf "Flexibilisierung", d.h. Verschlechterungen bei Arbeitszeit, Bezahlung und Arbeitsbedingungen.

Die Verhandler*innen auf Gewerkschaftsseite dürfen nicht in vorauseilendem Gehorsam nachgeben, sondern müssen Forderungen im Interesse der Beschäftigten in den Vordergrund stellen: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn (ohne "flexible Gestaltung" wie von den Firmen gewünscht), eine IST-Lohnerhöhung (d.h. Lohnerhöhungen auch für Kolleg*innen die über dem Mindestgehalt verdienen) sowie keine Verschlechterung bei der Arbeitszeit. Sie sollten Forderungen aufgreifen, für die in einzelnen Betrieben bereits gekämpft wurde (z.B. IST, "Nein zu 12h Tag" oder "Nein zu Sonntagsarbeit"). Die ÖGB-Führung hat den Kampf gegen den 12-Stundentag abgebrochen und auf die KV-Ebene vertagt. Wenn er auf Branchenebene nicht abgewehrt wird, wird der Kampf auf Betriebsebene verlagert – noch eine schlechtere Ausgangsbasis. Es besteht die Gefahr, dass die Verhandler*innen den Firmen entgegenkommen, um den (ohnehin schon schlechten) KV zu retten.

Wir dürfen uns nicht erpressen lassen - mit gemeinsamer Mobilisierung und Kampfmaßnahmen können wir von der Defensive in die Offensive kommen. Kampfmaßnahmen zu organisieren ist schwer, aber nötig. Die Belegschaften müssen Teil des "KV Neu" Prozesses sein. Das kann über Betriebsversammlungen in einzelnen Betrieben passieren, aber auch über eine gemeinsame der ganzen Branche - was ja in Diskussion war. Dort sollten die Forderungen, wie auch weitere Schritte, diskutiert werden. Eine solche Versammlung sollte nicht top down sein, sondern die Kolleg*innen einbinden und echte Diskussion ermöglichen. Es braucht Transparenz in den Verhandlungen – es darf auch über Zwischenergebnisse keine Geheimhaltung geben. Über Verhandlungsergebnisse braucht es Urabstimmungen in den Betrieben, damit nicht über die Köpfe der Belegschaften entschieden wird. Damit der KV-Neu auch eine Verbesserung ist, müssen wir einen Kampf führen und die Unternehmen unter Druck setzen.

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Betriebsratsliste "Demokratisch-solidarische Offensive"

Ende Mai wählten die Arbeiter*innen im Betrieb von SLP-Aktivisten Thomas Hauer einen neuen Betriebsrat (BR). Thomas trat mit der neuen Liste Demokratisch-solidarische Offensive (DSO) gegen den aktuellen BR und eine zweite neue Liste an. Der Wunsch großer Teile der Belegschaft nach einem neuen BR lag an der Arbeitsweise des Alten, der komplett in sozialpartnerschaftlicher Manier arbeitete. So verhandelte er etwa mit der Werksleitung, ohne die Beschäftigten miteinzubeziehen. Endgültig gekippt ist die Stimmung nach einer Betriebsvereinbarung, die einige Verschlechterungen brachte und bei der die Belegschaft nur über das fertige Ergebnis informiert wurde. Das Ziel „neuer BR“ war für die neuen Listen also klar vorgegeben. Eine mögliche Fusion der zwei neuen Listen scheiterte – unter anderem, da bei einem von DSO initiierten Treffen der Initiator der anderen Liste, der gute Kontakte zu den freiheitlichen Arbeitnehmern hat, schon in Ansätzen begann, die neoliberale Politik der FPÖ zu verteidigen. DSO sagt klar: „Wir kandidieren unabhängig, weil wir notwendige Kritik keinen parteipolitischen Interessen opfern wollen“. Außerdem gab es zumindest bis zu besagtem Treffen keine Form von demokratischer Entscheidungsfindung, was zumindest seltsam anmutet, wenn man eigentlich die innerbetriebliche Demokratie stärken will. DSO sagt dazu: „Eine lebendige BR-Arbeit ist notwendig, damit die Belegschaft eine gewisse Kontrolle über den BR bekommt“. Als erster Schritt für eine solche Debatte wurde bereits eine Facebookgruppe gegründet, die diesem Zweck dienen soll. Ein wichtiges Ziel, dass sich DSO gesetzt hat, ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen: „Es ist die Aufgabe des BR, solche Probleme zu kennen, Lösungen mit den Betroffenen zu suchen und Druck auf Vorgesetzte zu machen“. Im Wahlkampf verzichtete DSO auf populistische Versprechungen und konzentrierte sich auf Methode und Grundsätze, die es braucht um kämpferische Betriebsarbeit möglich zu machen. DSO erreichte so zwei Sitze, während an die beiden anderen Listen jeweils vier gingen. Wichtig für DSO ist jetzt eine Verankerung in der Belegschaft zu finden, damit diese eine Handlungsfähigkeit.

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Aufstand im KAV

Pflegende in Wien kämpfen gegen schlechte Löhne – wo bleibt die Unterstützung der Gewerkschaften?
Flo Klabacher

Über 400 Pflegende im Wiener Krankenanstalteverbund (KAV) machten bei einer Protestkundgebung ihrem Ärger über „ihre“ Gewerkschaft younion Luft: Sie kämpfen für eine Optierungsmöglichkeit ins neue Lohnschema – und werden von der Gewerkschaft auf zweifelhafte Nachverhandlungen Ende 2019 vertröstet. Ein großer Teil von jenen, die schon vor dem 1.1.2018 im KAV waren, verliert inzwischen 13.-20.000 Euro.

Über 10.000 Unterschriften, Vernetzungstreffen an den Dienststellen, eine Protestaktion von über 100 Beschäftigten gegen Bürgermeister Ludwig und Stadtrat Hacker – es tut sich viel. Ein erstes Zugeständnis, Lohnerhöhungen im alten Schema, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein – der Kampf geht weiter. Für den 7. Mai ist eine Demo geplant.

Die Aktivist*innen wissen: Der Druck muss steigen. Sie reden bereits über Streiks. Wichtig wird sein, den Kampf demokratisch von unten zu organisieren (über Streikkomitees), möglichst viele Kolleg*innen einzubinden (über einen breiten Forderungskatalog, auch zu Themen wie Arbeitszeit und mehr Personal, der auch nicht unmittelbar Betroffene erreicht) und die Solidarität von Patient*innen bzw. solidarischen Beschäftigten anderer Branchen zu organisieren. Und es muss klar sein, gegen wen gekämpft wird: In Stadtrat und Gewerkschaftsführung steht den Beschäftigten die SPÖ und ihre Kürzungspolitik gegenüber.

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