Betrieb und Gewerkschaft

Weder Bellen noch Beißen

Sonja Grusch

Rituale machen Sinn. Sie geben ein Gefühl der Sicherheit. In Sicherheit können sich die Unternehmen hierzulande auch fühlen angesichts der zahmen Gewerkschaftsspitze. Nicht nur, dass sie den Kampf gegen 12/60 nach der Großdemonstration mit über 100.000 gestoppt hat. Auch der angekündigte „heiße Herbst“ war trotz einiger Warnstreiks eher eine lauwarme Sache. Wer den ÖGB kennt, hat nichts anderes erwartet.

Das Problem bei der ganzen Sache: so führt die Gewerkschaftsspitze die eigene Organisation in die Bedeutungslosigkeit. Die Stärke und der Einfluss einer Gewerkschaft ergibt sich aus ihrer Möglichkeit, den Unternehmen das zu entziehen, was sie brauchen, um Profite zu machen: Die Arbeitskraft. Daraus, wie groß aus Sicht der Unternehmen die Gefahr ist, dass der Gegner, also die Gewerkschaft, ernst macht, ergibt sich die „Kompromiss“-Bereitschaft. Letztlich bedeutet das: Nur wenn die Unternehmen sich fürchten, ist eine Verbesserung für die Beschäftigten möglich. Alle Hoffnungen auf die Wirkkraft „guter Argumente“, alles Gerede vom Boot, in dem man gemeinsam sitzen würde, wird angesichts der Notwendigkeit des Kapitals, Profite zu machen, um im Wettbewerb zu überleben, bedeutungslos. Wissen die Kapitalist*innen, dass die Gewerkschaft ohnehin nur ein bisschen ritualisiertes Säbelrasseln betreibt, dann gibt es keinen Grund für Zugeständnisse.

Die Gewerkschaftsspitze hofft, dass das Kapital sich für ihr „verantwortungsvolles“ Handeln revanchiert. Dafür bremsen Katzian & Co. eine kampfbereitere Basis aus. Das Zurückweichen der Gewerkschaftsspitzen rettet aber nichts, sondern ist die Basis, auf der die Gewerkschaften entmachtet werden können. Die Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten werden intensiver. Wenn wir für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik eintreten, dann um kurzfristig Angriffe abzuwehren und langfristig die Gewerkschaften als Kampforganisationen zu erhalten.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Salzburg: Protest gegen mehr Arbeit für weniger Geld

Salzburger Kindergarten-Pädagoginnen und Pädagogen demonstrierten gegen Lohnkürzungen
Eine Mitarbeiterin der MA10 in Wien

Schon Anfang November winkte die Salzburger Landesregierung (ÖVP, Neos, Grüne) einen Gesetzesentwurf Kindergärten betreffend durch. Unter dem Argument „Gleichstellung“ wurde eine Verbesserung für eine Minderheit der Beschäftigten mit einer Verschlechterung für die Mehrheit und alle künftigen Kolleg*innen „abgegolten“. Anstatt eine Verbesserung für ALLE zu erkämpfen hat die Gewerkschaft der Maßnahme zugestimmt, die Beschäftigten protestierten - zu Recht!

Eine Mitarbeiterin der MA10 in Wien erklärt sich nicht nur solidarisch, sondern erklärt auch, warum der Protest richtig und notwendig war: „Während die FPÖVP-Regierung mit dem Kopftuchverbot ihre rassistische Politik in die Kindergärten bringt, winkt der Salzburger Landtag einen neuen Gesetzesentwurf den Kindergarten betreffend durch: Grundsätzlich haben Pädagog*innen in Salzburg, zusätzlich zu ihrem Urlaub, 12 Schließtage, die bisher im Gesetz verankert waren. Der Salzburger Landtag beschloss jetzt aber, diese von 12 auf nur sechs Schließtage im Jahr zu reduzieren. Dabei wird aber das Gehalt der Kindergärtner*innen, das ohnehin für das Ausmaß der Arbeit sehr gering ist, nicht erhöht. Das bedeutet also sechs unbezahlte Arbeitstage mehr und somit wiederum weniger dringend gebrauchte Freizeit und Regeneration! Genau aus diesem Grund versammelten sich Anfang November rund 1.200 Pädagoginnen und Pädagogen aus der ganzen Stadt um gegen diesen neuen Gesetzesentwurf und für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. Zusammengefasst bringt das neue Gesetz also nicht nur schlechtere Arbeitsbedingungen für Berufseinsteiger*innen, sondern einen Gehaltsverlust von 34.000 Euro brutto, berechnet auf 40 Jahre, mit sich. Als Pädagogin in Wien solidarisiere ich mich zu 100% mit meinen Kolleg*innen in Salzburg und fordere deshalb die absolute Rücknahme dieses Gesetzes. Um die Qualität zu erhöhen brauchen wir keinen Rassismus und Kürzungen im Kindergarten, sondern bessere Rahmenbedingungen. Nicht nur in Salzburg, sondern in ganz Österreich. Das heißt: Änderung des Betreuungsschlüssels! Mehr Personal! Mehr Gehalt! Größere Gruppenräume! Erst so kann die Bildung und Entwicklung der Kleinsten unserer Gesellschaft ernsthaft verbessert werden!“

ÖGB – Was wurde aus dem „Heißen Herbst?“

Thomas Hauer, Sebastian Kugler

Als die Regierung mit dem 12-Stundentag ernst machte, mobilisierte der ÖGB richtigerweise 120.000 Menschen dagegen. Doch dann passierte den Sommer über nichts. Die Regierung verlegte den Beschluss nach vorne und bremste damit die Gewerkschaft aus. Nun verkündete der ÖGB Plan B: Den 12-Stundentag auf der Kollektivvertrags-Ebene durch eine gemeinsame Verhandlungsstrategie aller Bereiche verhindern. Doch das würde echte Vernetzung der verschiedenen Bereiche bedeuten – z.B. indem auf einer Betriebsversammlung im Metallbereich BetriebsrätInnen aus dem Sozialbereich sprechen und ihre Situation erklären. Der nächste Schritt können gemeinsame Soli-Aktionen der verschiedenen Bereiche sein. Keine von oben orchestrierten Pflichtübungen. Sondern echte, öffentliche und kämpferische Aktionen dort, wo Menschen leben und arbeiten. Die Donnerstags-Demos wären auch ein guter Ort, um die Solidarität zu verbreitern. Unter den Tausenden, die jede Woche demonstrieren, sind zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder – aber kein sichtbarer Gewerkschafts-Block. Stattdessen hat die ÖGB-Führung auch den Plan B fallen gelassen, ohne ihn auch nur auszutesten – Denn nun geht Katzian mit seinem „neuen Arbeitszeitgesetz“ hausieren, womit wir auf die nächste Wahl vertröstet werden sollen. Und das, obwohl die SPÖ schon letztes Mal keine der Verschlechterungen von Schwarz-Blau zurückgenommen hat!

Die Gewohnheit von Katzian & Co, groß anzukündigen und dann nichts folgen zu lassen, ist gefährlich: Erstens sind schlechter organisierte Bereiche bei den KV-Verhandlungen auf die echte Solidarität der besser organisierten Bereiche angewiesen. Alleine werden sie den 12-Stundentag und andere Angriffe nicht abwehren können. Zweitens kaufen auch in gut organisierten Bereichen immer weniger KollegInnen der Führung ihre hohlen Phrasen ab. Oft haben wir bei den BVs im Metallbereich Unmut gehört: Jedes Jahr das Gleiche – zuerst aufmucken, dann klein beigeben und schwach abschließen. Das senkt das Vertrauen in die eigene Kampfkraft unter KollegInnen. In Zeiten, in denen die Unternehmen sich anschicken, mit Unterstützung der Regierung KVs komplett zu zerschlagen, ist das besonders giftig. Wir können es uns nicht leisten, unsere Gewerkschaften den Dampfplauderern zu überlassen. Setzen wir selber die oben genannten Initiativen und holen wir sie uns zurück!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Ausweg aus der IT-yrannei

Warum ein demokratisch gewählter und kämpferischer Betriebsrat speziell im IT-Bereich notwendig ist.
Georg B.

 

 

Auch in der IT-Branche mit ihren oft „flachen“ Hierarchien sind Kollektivverträge, Arbeitsgesetze und Betriebsvereinbarungen gültig. Weil es hier aber oft keinen Betriebsrat gibt für die Umsetzung und Einhaltung, muss dafür von Seiten der Beschäftigten selbst gesorgt werden. Das bedeutet in der Praxis oft, dass gesetzliche Bestimmungen bzw. Kollektivvertrag gebrochen oder aufgeweicht werden. Sei es bei Arbeitszeit, Urlaubsregelung, Arbeitssicherheit oder aber willkürliche Versetzungen. Die Beschäftigten akzeptieren dann oft schlechte Arbeitsbedingungen, weil es „normal“ zu sein scheint oder aus Angst, sich gegen das Unternehmen zu stellen.

Wenn es hart auf hart kommt, ist es rasch aus mit der „familiären“ Atmosphäre. Als einzelneR alleine gegen diese Verstöße vorzugehen ist riskant und oft aussichtslos, da die Unternehmen leicht eine Kündigung aussprechen können, selbst aus fiktiven Gründen. Hier kommt der Betriebsrat ins Spiel.

Betriebsräte sind die gewählte und durch das Gesetz geschützte Vertretung der Beschäftigten - ein Gegenpol zur absoluten Macht und Willkür der Unternehmen. Es reicht aber nicht nur die bloße Existenz eines Betriebsrats, sondern dieser muss auch aktiv werden und die KollegInnen einbinden! Und zwar für die Interessen der Beschäftigten und nicht für „wirtschaftliche“ Notwendigkeiten.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Interview mit einem streikenden Eisenbahner

[Zum Schutz der Person wurde das Interview anonym geführt]

Zuallererst, wie war der Streik gestern?

Für mich war es heute der erste Streik meines Lebens. Für viele andere auch. Mein Eindruck war, dass es viele der jungen waren, die streiken. Von vielen älteren hört man "Wir haben 2003 gestreikt. Hätten wir damals gewonnen, wären wir heute schon in Pension." Insgesamt war die Stimmung durchmischt. Bei manchen war es Selbstverständlichkeit und Entschlossenheit, das waren natürlich auch die, die mehrheitlich gestreikt haben. Bei anderen war es eher Unsicherheit bis Gleichgültigkeit. Aber natürlich war es beeindruckend zu wissen, dass von einer Minute auf die andere kein Zug mehr fährt, weil wir für unsere Rechte und Gehälter kämpfen. Das zeigt was wir für eine Kraft haben und wie wichtig unsere Arbeit ist, um das ganze System am Laufen zu halten. Wie man heute gesehen hat kann dieses System aber auch ganz schnell zum Stehen gebracht werden.

Wie ist der Streik dann abgelaufen?

Tatsächlich stehen in den meisten Dienststellen zwar alle Räder still, die Mitarbeiter*innen aber auch. Ein Kollege war bis vor kurzem noch Leiharbeiter, sein Team hat nicht gestreikt. Er hat gemeint: "Ich bin noch nicht lange angestellt, soll ich mich jetzt alleine hinstellen während die anderen hackeln? Außerdem ist das eh kein Streik. Schauts mal nach Deutschland, Spanien oder Frankreich. Dort heißt streiken kämpfen, nicht herumstehen." Anstatt sichtbare Aktionen zu machen, sitzen die meisten die Zeit ab. Es gibt keine gemeinsame Versammlungen und Diskussionen. Die Betriebsräte geht zwar mit Teilnahme-Listen herum, aber selbst sie wissen eigentlich nicht, wie es weiter gehen soll. Jetzt verhandelt die Gewerkschaftsführung halt mal weiter. Die Weisung von oben war sich am Streikposten "ruhig verhalten". Die Stimmung ist aber bei vielen anders. "Nächstes Mal nehm ich Pyrotechnik mit und wir malen ein Transparent, das macht ja so kein Spaß", hat ein junger Arbeiter gemeint.

Und wie geht es jetzt weiter?

Ich denke in allen Dienststellen wirst du eine Mehrheit finden, die bereit ist weiter zu gehen und den begonnen Kampf Ende zu kämpfen. Ich glaube aber auch, dass, wenn wir wirklich gewinnen wollen, die Menschen in den Betrieben und Dienststellen auch wirklich miteinbezogen werden müssen. Bis kurz vor 12 wusste eigentlich niemand, ob jetzt gestreikt wird oder nicht. Weil halt in den Medien nichts von einer Einigung gestanden ist haben viele von selber gesagt, so jetzt geht’s los.

Klar ist, dass die Messlatte hoch ist. Meiner Meinung nach ist alles unter 4% ein Gesichtsverlust und ein fauler Kompromiss. Ein Kollege hat heute richtig gesagt: „Wenn du dir anschaust, um wie viel die Dinge, die man im alltäglichen Leben so braucht - und nein, das sind nicht irgendwelche riesen Fernseher - wirklich teurer werden, dann sollten wir eigentlich 7% oder mehr verlangen. Angesichts der Härte des Managements, wird das natürlich schwierig. Aber die Gewerkschaftsführung hat sich in eine Situation manövriert, wo ihr eine Lohnerhöhung wie bei den Metaller*innen keiner als Sieg abkauft. Wenn die Eisenbahner*innen also wirklich gewinnen wollen, wird die Gewerkschaft wohl zu einem weiteren und vor allem längeren Streik aufrufen und den auch vorbereiten müssen.

Der würde dann aber tatsächlich den Alltag des öffentlichen Lebens massiv betreffen...

Natürlich, aber die meisten von den Entschlossenen meinen auch, dass das gut so ist. Die Eisenbahner*innen streiken ja nicht nur für sich und ihre Familien, sondern auch für die Fahrgäste – nicht gegen sie. Tausende von Menschen benutzen täglich und meist ohne Probleme die Bahn, Verspätungen und Ausfälle halten sich im Vergleich zu anderen Ländern in Grenzen. Aber damit dieser Betrieb aufrecht erhalten werden kann braucht es gut bezahlte Arbeiter*innen, die genügend Freizeit und genug Geld zum Leben haben. Aber vor allem braucht es auch mehr Personal, das an vielen Orten fehlt. Ein nächster Streik müsste meiner Meinung nach sehr wohl den Pendelverkehr betreffen, aber auch nur wenn genügend Leute an den Bahnhöfen sind, um die Situation zu erklären. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist groß, an vielen Dienststellen haben Leute ihre Solidarität ausgedrückt. Die, die wütend sind, sind halt normalerweise lauter, und die die lauter sind, wirken als wären sie mehr. Aber in der Zeitung steht, dass über 60% die Streiks unterstützen und den Eindruck haben die Eisenbahner*innen selber auch. Es sollte also eigentlich weiteren Kampfmaßnahmen nichts im Wege stehen.

Was kann man für den nächsten Streik von heute lernen?

Also zuallererst einmal, müssen die Beschäftigten besser informiert und klare Ansagen gemacht werden. Wenn ein Streik angekündigt ist, dann streiken wir, Punkt. Die spontane Verhandlungsrunde zwei Stunden vor Streikbeginn war vollkommen unnötig. Im Endeffekt hat dadurch nur das Management mehr Verwirrung stiften können. Es kann nicht sein, dass ein Lokführer kurz vorm angekündigten Streikbeginn in der Station steht und nicht weiß, ob jetzt gestreikt wird oder nicht und ob er losfahren soll oder nicht.

Dann glaube ich sollte jetzt damit begonnen werden, dass sich die Beschäftigten selbst einbringen können. Es ist irgendwie komisch: die Gewerkschaftsführung verhandelt zwar für uns und ruft zum Streik auf, wir wissen aber nicht mal was unsere genauen und konkreten Forderungen sind. Es wirkt als würden sie schnippen und wir müssten parat stehen. Als wären wir ihr Sprachrohr und nicht umgekehrt. So sollte es aber nicht sein. Es geht ja schließlich um unsere Gehälter, also sollten wir diesen Kampf und auch die Forderungen aktiv mitgestalten können. Das würde aber dann auch heißen, dass die Beschäftigten durch Abstimmungen selber entscheiden müssen: akzeptieren wir ein Angebot oder nicht?

Also eine Urabstimmung?

Ja, genau! Ob uns das gelingt ist natürlich jetzt mal offen, es bleibt aber sicherlich spannend! Ich hoffe nicht, dass es zu einen faulen Kompromiss kommt, sondern dass wir am Ende des Tages mit einem Sieg und viel Selbstvertrauen aus dieser Auseinandersetzung raus kommen. Ich denke, dass eine solche Entwicklung eine Signalwirkung auf alle Branchen in Österreich hätte. Es geht ja nicht nur darum, dass wir Eisenbahner*innen mehr verdienen, sondern dass die Löhne allgemein endlich mal steigen.

 

Bericht vom Warnstreik bei der Eisenbahn: Lehren eines wichtigen Schrittes

Von 12:00 bis 14:00 standen gestern alle Züge still. Nach 8 erfolglosen Verhandlungsrunden seit Juli sah sich die Führung der zuständigen Gewerkschaft vida gezwungen, für Montag einen Warnstreik auszurufen. Das lächerliche Angebot (2,7%) deckte nicht einmal die tatsächliche Teuerung z.B. der Miete ab – und das, obwohl das ÖBB-Management im Frühjahr eine Umsatzsteigerung von über 5% und 160 Mio. € Gewinn verkündet hat!  Die Ankündigung fand nur eine Woche nach den Warnstreiks in der metalltechnischen Industrie statt (eine Einschätzung der Streiks und des Ergebnisses findet sich hier: https://www.slp.at/artikel/zum-abschluss-in-der-metalltechnischen-industrie-9258) Ähnlich wie bei den Metaller*innen war es zunächst die aggressive Gangart der Bosse, welche die Streiks provozierte. Doch mittlerweile ist es zu einem offensiven Kampf für höhere Löhne und bessere Bedingungen geworden. Das ist gut – denn so eine Offensive ist die beste Defensive! Den Bossen geht es nicht nur um ein jährliches Ritual, um das Feilschen um ein paar Prozentstellen hinter dem Komma. Sie spüren Rückenwind durch die Regierung, die ihnen mit 12-Stundentag, Angriffen auf Krankenkassen und nicht zuletzt der rassistischen Hetze eine Steilvorlage dafür bietet, auf betrieblicher Ebene die Rechte und sozialen Standards von Arbeiter*innen anzugreifen. Sie wollen längere Arbeitszeiten, billigere Beschäftigte und die Schwächung von Kollektivverträgen und Gewerkschaften. Das kapitalistische System steht vor der nächsten großen Krise. Daher wird versucht, die Ausbeutung unserer Arbeit zu steigern, um deren Profite zu erhöhen.

Ein wichtiges Zeichen

Deswegen war es richtig, dass auch die Eisenbahner*innen gestreikt haben. Es war ein wichtiges Zeichen: Nach dem Sozialbereich und dem Metallbereich war die Eisenbahn der dritte Sektor, der 2018 gestreikt hat. Das zeigt, wie sehr die Zeiten dabei sind, sich zu ändern. Sozialpartnerschaft war gestern. Die Auseinandersetzungen werden härter werden, und gegen den Klassenkampf von oben müssen wir uns entsprechend wehren. Der Streik der Eisenbahner*innen war auch deshalb so wichtig, um dies auf eine Weise klarzumachen, die nicht ignoriert werden konnte. Von den Streiks im Sozialbereich und auch im Metallbereich waren nur bestimmte Gruppen betroffen. Vor allem durch das Ausblenden der Kämpfe in den Medien gelang es, sie aus der öffentlichen Wahrnehmung zu drängen. Doch die streikenden Eisenbahner*innen konnte niemand mehr ignorieren. Wenn kein Zug mehr fährt, ist das das Thema des Tages und darüber hinaus: Jede*r wird gezwungen, Stellung zu beziehen. Entlarvend, wenn auch nicht überraschend, ist dies bei der FPÖ, die sich so gerne als Partei des „kleinen Mannes“ aufspielte, aber in Person von Infrastrukturminister Norbert Hofer den Bossen den Rücken stärkt und gegen die Streiks hetzt. Nicht zuletzt illustrierte der Streik eine einfache, aber wichtige Wahrheit, die alle, die dieses System verteidigen, fürchten wie der Teufel das Weihwasser: Es sind die Arbeiter*innen, die die Macht haben: im einzelnen Betrieb, in der gesamten Wirtschaft. Wir sind die wahren „Leistungsträger*innen“. Die Bosse brauchen uns. Wir brauchen sie nicht. Als der Streik begann, konnte die Unternehmensführung nichts machen – nur reagieren und den Betrieb offiziell einstellen lassen. Und um ihn wieder aufzunehmen, brauchte sie ebenfalls niemand.

Versuchte Einschüchterung

Umso heftiger versuchten die Bosse, die Kolleg*innen vom Streik abzuhalten. Bei der Westbahn, die einfach öffentlich verkündete, nicht am Streik teilzunehmen und alle Mitarbeiter*innen durch Mails einschüchterte – aber auch bei der ÖBB, wo an allen Dienststellen ÖBB-Chef Matthä in einer Videoschleife die Streiks mit „mutwilliger Zerstörung“ verglich und vorgab, sich um den „guten Ruf“ der Eisenbahn zu sorgen. Matthä verdient übrigens 65.333 Euro – im Monat. Liegt es da nicht eher nahe, dass er sich mehr um sein gutes Gehalt als um den guten Ruf seines Unternehmens fürchtete? Zusätzlich ließ die Unternehmensführung an allen Dienststellen Flugblätter auflegen, die Kolleg*innen davon abbringen sollten, zu streiken. Auch deswegen war der Streik wichtig – um der ÖBB-Führung die fortschrittliche Maske runterzureißen, die ihr Kern & Co verpasst haben. Der Streik hat gezeigt: Die ÖBB-Bosse agieren genauso arbeiter*innenfeindlich wie die turbokapitalistische Westbahn.

Vorbereitung im Hinterzimmer

So wichtig und richtig also der Streik war, so wichtig wäre es von Gewerkschaftsseite gewesen, diesen ordentlich, demokratisch und kämpferisch durchzuführen. Die Kolleg*innen waren streikbereit. Viele waren Feuer und Flamme für den Streik, sie wollten endlich für echte Verbesserungen kämpfen. Ein Streikposten am Wiener Hauptbahnhof meinte richtigerweise: „Wenn die Metaller streiken, warum sollen wir nicht auch streiken? Alles, was wir Arbeiter haben, haben wir uns erkämpft.“ Vor allem die jungen Kolleg*innen waren motiviert, zu streiken. Aber unter den erfahreneren Kolleg*innen gab es auch viele, die schlechte Erinnerungen an den faulen Kompromiss von 2003 hatten. So meinte etwa ein Zugbegleiter in Linz, so ein Theater wie 2003 brauche er nicht noch einmal, da hätten sie gestreikt und nachher wären sie erst recht die Dummen gewesen. Hier wäre es nötig gewesen, dass die Gewerkschaft von Anfang an in den Betrieben klar und kämpferisch auftritt, um den Kolleg*innen Mut zu machen. Eigene Gewerkschaftstreffen im Vorfeld der Streiks zu den Lehren des Streiks von 2003 hätten die berechtigten Ängste von Kolleg*innen ansprechen können und zum Erfolg der aktuellen Streiks beitragen können. Schon im Vorhinein wurde es also verabsäumt, die Kolleg*innen ordentlich vorzubereiten. Dazu kam das Hinterzimmer-Gehabe der vida-Führung bei den Verhandlungen: Es gab (und gibt noch immer!) keine konkrete Lohnforderung, nichts woran man sich orientieren könnte. Ein Kollege von der ÖBB in Salzburg meinte noch am Tag vor dem Streik: „Wir sind schon bereit, zu streiken, aber wir wüssten halt gerne, wofür, was die Forderungen sind."

Verwirrung von oben

Am Tag des Streiks selbst spitzte sich dieser Widerspruch von Motivation für den Streik und Verwirrung darüber, was passieren würde, noch mehr zu. Zu Dienstbeginn um 7:00 nahmen Kolleg*innen z.B. in Graz und in Wien erfreut unsere Flugblätter auf, in denen wir aufzeigten, wie aktive, demokratische und kämpferische Streiks aussehen können (siehe hier: https://www.slp.at/artikel/widerstand-auf-die-schiene-bringen-streiken-bis-wir-gewinnen-9262) – aber sie wussten nicht, was jetzt zu Mittag anstehen würde. Immerhin hatte die vida-Führung angekündigt, um 10:00 noch einmal zu verhandeln. Was sollte bei diesen Verhandlungen, wo wir unsere Stärke noch nicht unter Beweis gestellt hatten, anderes rauskommen als am Donnerstag? Oder am Sonntag, dem Tag zuvor? An Zeit zum Verhandeln hatte es im Vorhinein ja wahrlich nicht gemangelt! Diese last-minute Hinterzimmer-Verhandlungen haben nichts als Verwirrung gebracht. So sehr, dass um kurz vor 12:00, dem angekündigten Streikbeginn, die Kolleg*innen am Wiener Westbahnhof noch immer nicht wussten, was jetzt passieren würde. Ebenso die Kolleg*innen in Wels: dort beschweren sich die Kolleg*innen ebenso über mangelnde Informationen. Gewerkschaftliches Info-Material gibt es ebenfalls nicht. Der Frust über die Führung sitzt tief. Über ein mögliches Ergebnis der Verhandlungen meint ein Kollege: „Uns fragt ja eh niemand.“ Umso mehr freuten sich die Kolleg*innen über unser Flugblatt.

Es gab keine zentrale Verkündung des Abbruchs der Verhandlungen, kein eindeutiges: „Jetzt geht’s los!“ von Seiten der Gewerkschaftsführung. Ein Wiener Lokführer erzählte uns, er sei um 12:00 in der Station gestanden und wusste nicht, ob er jetzt weiterfahren soll oder nicht. Noch absurder am Linzer Hauptbahnhof: Dort wurden die Streikposten in der Bahnhofshalle auch nach 12:00 nicht darüber informiert, was eigentlich Sache ist. Der Streikposten war, richtigerweise, dafür gedacht, Passagier*innen zu informieren und hätte Solidarität organisieren können – aber wie, wenn die Kolleg*innen selbst keine Informationen haben? Als Folge waren die Levels an Vorbereitung, Ausrüstung und Information von Dienststelle zu Dienststelle völlig unterschiedlich. Am Wiener Hauptbahnhof gab es am Streikposten gewerkschaftliche Flyer, die über den Streik informierten. Eine sehr richtige Sache – warum gab es die in Linz nicht? Eine solche Atmosphäre der Verwirrung machte es auch nicht einfacher, Kolleg*innen von der Westbahn in den Streik zu integrieren, die mit massiver Einschüchterung zu kämpfen hatten.

Eigenaktivität und Solidarität von unten

Die Kolleg*innen wurden bis zuletzt über die konkreten Kampfmaßnahmen im Dunklen gelassen. Das ist schädlich für den Arbeitskampf. Schlussendlich war es an vielen Stellen die Eigenaktivität, die dafür sorgte, dass der Streik durchgezogen wurde: Kolleg*innen, die trotz Informationsmangels einfach selbst beschlossen haben, um 12:00 mit der Arbeit aufzuhören. Kolleg*innen wie jener aus Salzburg, der am betreffenden Tag zwar frei hatte, aber sich in die Bahnhofshalle stellte, um Passagier*innen aufzuklären und Solidarität für den Streik zu gewinnen. Diese Beispiele zeigen das enorme Potential, dass es für aktive Streiks gibt. Doch die Gewerkschaftsführung bremste dies massiv ein, indem sie, wie Kolleg*innen berichteten, nur die Order ausgab, „ruhig zu halten“.

Doch statt in den Werken zu versauern, wäre es wichtig gewesen, rauszugehen – in die Bahnhofshallen, um dort die Streikposten zu verstärken, an öffentliche Plätze usw. Denn auch das Potential für Solidarität mit den Streiks war und ist enorm: Im Vorhinein sprachen sich 60% der Bevölkerung für Streiks bei der Bahn aus. Auch während dem Streik war die Solidarität an den Bahnhöfen spürbar. In Linz trafen wir eine junge Friseurin, die zwar nicht vom Streik wusste, aber es toll fand, dass gestreikt wird. Sie selbst würde selber auch streiken, meinte sie - weil die Löhne zu niedrig sind, genauso wie bei den Eisenbahner*innen. Eine Köchin meinte ebenfalls, dass es gut ist, dass gestreikt wird und das Angebot von 2,7% lächerlich ist. Sie hofft, dass die Streiks erfolgreich sind und würde ebenfalls auch gerne selbst streiken. Eine junge Pflegeschülerin meinte, sie unterstütze den Streik. Auch sie würde gerne in der Pflege streiken. Am Wiener Hauptbahnhof zeigte sich ein älteres Ehepaar mit dem Streik solidarisch: Die Eisenbahner*innen sollten „es denen da oben amal ordentlich zeigen“.

Wie weiter?

Zum aktuellen Zeitpunkt ist der weitere Verlauf der Verhandlungen ungewiss. Aber die letzte Woche hat gezeigt: es muss Schluss sein mit der Geheimnistuerei. Es gehören konkrete Forderungen auch bei den Löhnen auf den Tisch. Es ist absolut nicht ausgeschlossen, dass wieder gestreikt werden muss. Umso wichtiger ist es nun, die Lehren zu ziehen. In den Dienststellen selbst können wir die Erfahrungen vom Montag bilanzieren: was hat gut funktioniert, was weniger? Ein Streikposten am Wiener Hauptbahnhof meinte etwa, die nächsten Flugblätter sollte es auch auf Englisch geben, um mehr Leute ansprechen zu können. Das ist absolut richtig. Für viele Dienststellen wäre es schon ein Fortschritt, wenn es überhaupt einen an die Öffentlichkeit gewendeten Streikposten mit Flugblättern gibt! Wo informiert wurde, kam Solidarität zurück. Das ist eine wichtige Lektion: Wir dürfen den Unternehmen nicht die Informationshoheit lassen. Wir brauchen eigene Medien, eigenes Material, um unsere Forderungen zu präsentieren und zu erklären. Die etablierten Medien warteten gestern gierig auf einzelne wütende Passagier*innen, um sie vor die Kamera zu zerren und den Streik in einem schlechten Licht dastehen zu lassen. So etwas können wir nur durch eigene Aktivitäten und Öffentlichkeit verhindern. Das wichtigste ist aber die demokratische Einbindung der Kolleg*innen. Ein Streik, der über die Köpfe der Kolleg*innen hinweg ausgerufen und durchgeführt wird, schöpft nur einen Bruchteil seines Potentials aus – im schlechtesten Fall führt er sogar zu Frust. Wir wissen aber auch, dass wir nicht darauf warten können, bis Hebenstreit & Co auf unsere guten Argumente hin die Abläufe demokratisieren. Dafür müssen wir selbst sorgen, durch Druck von unten! Organisieren wir uns an den Dienststellen. Stellen wir eigene Forderungsvorschläge auf, um sie mit Kolleg*innen zu diskutieren. Organisieren wir öffentliche Aktionen: die Donnerstagsdemos haben sich diese Woche bereits die Solidarität mit den Eisenbahnstreiks zum Thema genommen. Nutzen wir diese Plattform mit einem eigenen Eisenbahner*innenblock! Solidarisieren wir uns mit dem Sozialbereich, der – bestärkt von den Ereignissen der letzten Wochen – nun mit sehr guten Forderungen nach +6% und einer 35-Stundenwoche in die KV-Verhandlungen gegangen ist. Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich sind gerade bei der Bahn besonders wichtig: es fehlt an allen Ecken und Enden an Personal. 2018 wurden 7 Millionen Überstunden geleistet. Und bis 2020 stehen auch noch 10.000 Pensionierungen an!

Sorgen wir dafür, dass der Warnstreik am Montag nur ein holpriger Testlauf für eine echte Streikbewegung wird. Denn nichts weniger brauchen wir gegen die Offensive der Bosse und ihrer Regierung!

 

Widerstand auf die Schiene bringen: Streiken, bis wir gewinnen!

SLP-Flugblatt für den Warnstreik der EisenbahnerInnen am 26.11.2018

Die Eisenbahn streikt. Und das vollkommen zurecht! Das ÖBB-Management hat im Frühjahr die Bilanz veröffentlicht: Umsatzsteigerung von über 5% und 160 Mio. € Gewinn. Trotzdem warten die Beschäftigten seit Juli auf den Abschluss. Es ist Zeit für eine satte Lohnerhöhung. Das lächerliche Angebot (2,7%) deckt nicht einmal die tatsächliche Teuerung z.B. der Miete ab. Doch es geht noch um mehr! Regierung & Unternehmen setzen auf Aggressivität: Sie wollen längere Arbeitszeiten, billigere Beschäftigte und die Schwächung von Kollektivverträgen und Gewerkschaften. Es geht nicht nur um Prozentpunkte. Das kapitalistische System steht vor der nächsten großen Krise. Daher wird versucht, die Ausbeutung unserer Arbeit zu steigern, um deren Profite zu erhöhen.

Zusammenhalten!

Der Fachverband Eisenbahn hat eine freiwillige Lohnerhöhung vorgeschlagen, die ÖBB haben angenommen. Das würde inflationsbereinigt nur 15 € Brutto/Monat ausmachen. So soll in der Belegschaft der Kampfgeist geschwächt und die Stimmung verbreitet werden, dass sei genug.

KollegInnen bestärken, mitzumachen!

Es gibt viel Leiharbeit, darunter sogar Ex-Lehrlinge, die nicht übernommen wurden. Sie sind verunsichert ob sie sich beteiligen dürfen. Sie müssen geschützt in einen Arbeitskampf integriert werden und voll teilnehmen. Gerade in einem gewerkschaftlich so starken Betrieb wie den ÖBB, sollte Leiharbeit durch fixe Anstellungen ersetzt werden!

Nicht spalten lassen!

Rassismus und Sexismus sind Methoden, die von denen da oben bewusst eingesetzt werden, um uns zu spalten und unsere Kampfkraft zu schwächen. Stellen wir das Gemeinsame in den Mittelpunkt: für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Freizeit!

Nach außen werden die Bosse, ihre schwarz-blaue Regierung und die Medien versuchen, die EisenbahnerInnen als gierig und privilegiert darzustellen. Doch in Wirklichkeit unterstützen rund 66% der Bevölkerung Streiks, mehr als 60% lehnen den 12-Stunden-Tag ab. Viele Fahrgäste sind solidarisch. Je breiter die Solidarität, desto erfolgreicher der Streik. Wenn gestreikt wird, sollten die Bahnhöfe keine "Geisterbahnhöfe" wie 2003 sein. Stattdessen können die Streikenden mit Material die Fahrgäste informieren!

Vom letzten Mal lernen

Am 30.6. waren über 100.000 gegen 12/60h auf der Straße. Viele mehr haben an Betriebsversammlungen teilgenommen. Dass wir den Kampf nicht schon damals entschlossen geführt haben, hat die Regierung gestärkt. 2003 hat u.a. der Streik bei den ÖBB die damalige schwarz-blaue Regierung an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Leider wurde der Streik von der Gewerkschafts-Führung zu früh und ohne Urabstimmung abgebrochen. Die Regierung konnte dann einen Teil der Verschlechterungen umsetzen. Das darf diesmal nicht passieren!

Die Warnstreiks im Metallbereich hatten - obwohl sie nur kurz waren - eine gewisse Wirkung. Aber mehr wäre drin gewesen! Es kann nötig sein, den Warnstreik auf 24 oder 48 Stunden auszudehnen. Ein Einknicken der Unternehmens-Führung bei den Eisenbahnen wäre ein bedeutsamer Sieg für alle Beschäftigten und ein Rückschlag für die Offensive von Kapital & Regierung!

Wie können wir gewinnen?

Warnstreiks zu unterschiedlicher Zeit an unterschiedlichen Dienststellen können nur der Anfang sein. Ein gemeinsamer Streiktag, wo alles steht zeigt die Stärke der EisenbahnerInnen deutlich. Bei 40.000 unmittelbar betroffenen Beschäftigten würde ein Aufruf zu einer zentralen Demonstration zusätzlich solidarische Menschen zusammenbringen.

Wichtig ist auch die solidarische Unterstützung aus anderen Branchen: es gärt an vielen Orten! Mitunter geht es bereits um die Existenz von Kollektivverträgen überhaupt. Laden wir Beschäftigte aus anderen Bereichen zu Solidaritätsaktionen auf den Bahnhöfen ein. Z.B. Handelsangestellte, die am Bahnhof arbeiten und selbst gerade in KV-Verhandlungen stecken. So kann der Protest nicht isoliert werden!

Streiken: demokratisch & konsequent

Die Einbindung aller engagierten KollegInnen ist zentral: Für regelmäßige Versammlungen mit offenen Diskussionen und demokratische Strukturen, in denen sich alle einbringen können. Der vorzeitige Streikabbruch 2003 hat viele enttäuscht – zu Recht! Wenn eine Streikleitung von den Streikkoordinationen an den Dienststellen gewählt wird, und sich die zentrale Streikleitung mit den Streikenden aus den Dienststellen absprechen muss, ist die Gefahr geringer, dass es wieder zu vorschnellen und falschen Entscheidungen kommt. Über alle Schritte im Arbeitskampf müssen die Beschäftigten entscheiden. Live-Übertragungen der Verhandlungen sind technisch leicht umzusetzen. Zu Fragen von Unterbrechung oder Fortsetzung eines Streiks, Annahme oder Ablehnung eines Angebotes müssen Urabstimmungen entscheiden!

Melde dich!

… wenn du diskutieren willst, wie es weiter gehen kann! Komm zu einem Treffen, wenn du dich für klassenkämpferische sozialistische Politik interessierst. Werde mit uns aktiv für den Aufbau einer echten ArbeiterInnenpartei und für kämpferische Gewerkschaften. Die SLP ist eine von allen etablierten Parteien unabhängige Organisation von Beschäftigten und Arbeitslosen, Jungen und Alten, Menschen aus verschiedensten Ländern. Mach mit!

Zum Abschluss in der metalltechnischen Industrie

Flo Klabacher

Am Abend des 18.11 haben die Verhandlungsteams der Metalltechnischen Industrie einen Kompromiss erzielt. Die Löhne und Gehälter für über 130.000 Beschäftigte steigen um 3 – 4,3%. 11. und 12. Tagesarbeitsstunde bzw. die 51. bis 60. Wochenarbeitsstunden werden mit 100% Überstundenzuschlägen abgegolten (gilt auch für Gleitzeit-Modelle), ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsarbeit mit 150% (höchstens vier Sonn-/Feiertagsdienste pro Person im Jahr sind möglich). Bei Diensten über 10 Stunden am Tag wird eine bezahlte zehnminütige Pause vorgeschrieben. Und: Gleitzeit-Guthaben können nun auch in der Form von maximal sechs ganzen Tagen pro Jahr verbraucht werden. Dieser Abschluss ist ein Ergebnis von Warnstreiks in über 200 Betrieben des FMTI-Bereiches.

Die Gewerkschaften feiern ihn als Erfolg. Die Unternehmen sehen sich an die Schmerzgrenze gebracht, freuen sich aber, dass der Abschluss deutlich unter den Forderungen der Gewerkschaften liegt.

Ist der Abschluss ein Erfolg?

„Ich und andere KollegInnen haben unseren Betriebsräten, die im Verhandlungsteam sitzen, gesagt: 4% UND rahmenrechtliche Verbesserungen, das ist das mindeste, darunter dürfen sie nicht abschließen. Zuschläge ab der 50. Wochenstunde sind zwar für uns wichtig, vor allem auf Montage. Aber die Lohnerhöhungen sind viel zu wenig. 4,3% bekommt ja niemand in unserem Betrieb: Selbst Reinigungskräfte sind in der Lohngruppe B eingestuft. Laut Betriebsrat bedeutet der Abschluss für 90% meiner KollegInnen Lohnerhöhungen zwischen 3,5 und 3,8%“, erklärt ein Kollege der Automatisierungtechnik-Betriebes STIWA, der bei der SLP aktiv ist. Ähnlich sieht das Bilfinger Shared Services-Betriebsratsvorsitzender und SLP-Aktivist Gerhard Ziegler: „Die Stufen A, B und C gibt’s bei uns im Betrieb gar nicht. Niemand von den KollegInnen kommt auf 4% oder mehr“.

Wirklich spürbar sind die Erhöhungen für etwa 6.500 Lehrlinge: Die Lehrlingsentschädigung steigt zwischen 70 und 100 Euro. Einige FMTI-Lehrlinge, die bei einer SLP-Kundgebung am Taubenmarkt vorbeikommen, sind damit sehr zufrieden. Zurecht feiert der ÖGB diese Erhöhung. Auch zurecht werden sich aber viele Lehrlinge, die keine „echte“ Lehrstelle finden, fragen, warum sich der ÖGB für sie nicht einsetzt. Diesen Lehrlingen wurde die Unterstützung in den ersten beiden Lehrjahren halbiert, sie sollen mit nur noch €325,80/Monat über die Runden kommen – und werden von Praktikumsbetrieben als Gratis-Arbeitskräfte eingesetzt.

Durchschnittlich steigen die Löhne/Gehälter um 3,46%, netto sind das 2,8%. Bei einer prognostizierten Inflation von jeweils 2,2% für 2018 und 2019 bleibt da nicht mehr viel über. Und: Die Preise steigen vor Allem bei Gütern des täglichen Bedarfs: Wohnung, Wasser, Energie (2,8%), Mieten (3,4%), besonders Verkehr (5%) und Treibstoffe (15,8%) (Im Jahresvergleich Oktober 2017/18). Auf den ersten Blick schaut der Abschluss Ok aus – wenn man genauer hinschaut, ist dieser Lohnabschluss nicht viel mehr als eine Nulllohnrunde!

Viele KollegInnen können mit diesem Abschluss leben. Auch, weil das Ergebnis auf den ersten Blick und im Vergleich mit den Abschlüssen der letzten Jahre nicht so schlecht aussieht. Euphorisch ist abgesehen von der Gewerkschaftsführung kaum jemand: „Im Nachhinein war niemand überrascht über den Abschluss. Alle haben damit gerechnet, dass es wie immer einen faulen Kompromiss gibt. Wir verdienen im Vergleich mit anderen Branchen gut. Für uns ist so ein Abschluss ja nicht existenzbedrohend und wird im Moment noch geschluckt. Fast alle sagen, der Abschluss ist viel zu schlecht. Trotzdem war ich einer der wenigen, die sich beim Betriebsrat gemeldet und den Abschluss kritisiert haben. Das ist auch eine Folge der Praxis der letzten Jahre. Wir sind den faulen Kompromiss gewohnt“, sagt der Kollege von STIWA.

Ausgleich für den 12-Stunden-Tag?

Und auch im Rahmenrecht haben die Gewerkschaften ihre Forderungen fallen gelassen: Selbstbestimmte Freizeitblöcke; Rechtsanspruch auf die 4-Tage-Woche; 75% Zuschläge für die 10. Tagesarbeitsstunde; Wahlfreiheit, ob Überstunden ausbezahlt oder als Freizeit abgegolten werden; Verkürzung der Normalarbeitszeit bei besonders belastenden Tätigkeiten; 6. Urlaubswoche – nichts davon wurde durchgesetzt. Auf der anderen Seite wurde das flexible Zeitmodell, das „zur Überbrückung der Wirtschaftskrise“ aus verhandelt wurde, jetzt unbefristet in den Kollektivvertrag übernommen. Der angekündigte Ausgleich für den 12-Stunden-Tag über die KV-Runden passiert hier nicht. Ein gemeinsamer, branchenübergreifender Kampf gegen 12/60 wurde mit diesem Kompromiss aufgegeben, bevor er beginnen konnte. Alle weiteren Branchen werden es jetzt besonders schwer haben, diesen Kampf ohne die stark organisierten und oft maßgebenden MetallerInnen zu führen.

Für die vielen Frauen, die in der Branche arbeiten, bedeutet das Zulassen der 11. und 12. Arbeitsstunde (wenn auch mit hohem Zuschlag), dass die Lohnschere noch weiter auseinander geht. Denn Frauen können wegen der oft auf ihnen lastenden Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung und Haushaltsarbeit wesentlich seltener die 111te und 12te Stunde machen. Das heißt, sie haben auch nicht die Möglichkeit, diese Zuschläge zu bekommen. Und was noch nicht wichtiger ist: Wenn so der 12 Stundentag legalisiert wird, werden sich Unternehmer wohl auch bei der Anstellung genau aus diesen Gründen eher für Männer entscheiden. Das heißt: Frauen werden aus dieser – für Frauen eher gut bezahlten – Branche weiter verdrängt.

Warum dieser Abschluss?

Die Gewerkschaft freut sich über den besten Abschluss seit sieben Jahren. Das heißt, der Abschluss ist der beste – seit den letzten Warnstreiks. Dass die FMTI ihr Angebot nachgebessert hat, zeigt, dass Streiks ein wirksames Mittel sind, um die Interessen von Beschäftigten durchzusetzen. Es war Richtig, den Weg Richtung Klassenkampf einzuschlagen. Auch wenn der Streik sehr von oben herab organisiert wurde. Viele Betriebsratsvorsitzende (!) wussten am 11. November noch nicht, ob sie laut Plan der Gewerkschaft am 12., 13. oder 14. November Streiks organisieren sollen. Trotzdem gab es eine enorme Kampfbereitschaft:

„Am Warnstreik 2011 beteiligten sich zwischen 80 und 90 FMTI-Betriebe. 2018 waren es über 240, dreimal so viele! Das zeigt einmal mehr, dass sich Beschäftigte eine gewerkschaftliche Reaktion auf die Angriffe von Unternehmen und Regierung erwarten und jedes Angebot dafür wahrgenommen wird. Unser Gewerkschaftssekretär war selbst überrascht von der große Streikbeteiligung“

„Bei uns im Betrieb, bei Bilfinger Shared Services Linz, haben fast alle Beschäftigten an der Betriebs- & Streikversammlung teilgenommen. Manche waren auf Urlaub oder krank oder betreuen Projekte außerhalb von Linz. Sonst waren fast alle da. Und die Belegschaft hat nach einer ausführlichen Diskussion mit riesiger Mehrheit für einen Warnstreik gestimmt. Besonders motivierend war für mich und Ralf Kraus, den Betriebsratsvorsitzenden der MCE, mit der wir eine gemeinsame Betriebsversammlung organisiert haben, und unsere KollegInnen die Solidarität von Menschen aus anderen Bereichen, die wir zur Versammlung eingeladen haben: Thomas Erlach, Betriebsratsvorsitzender von EXIT-sozial, der über die Bewegungen im Sozialbereich geredet hat; AktivistInnen der SLP aus dem Gesundheitsbereich, die von ihrer Solidaritätskampagne berichtet haben; und natürlich die schriftlichen Solidaritätserklärungen von BetriebsrätInnen anderer Branchen“, erklärt Gerhard Ziegler.

Der Kollege von STIWA sagt zum Streik:

„Die Streikbereitschaft war enorm. Die Teilnahme an Betriebsversammlungen und Streiks extrem hoch. Bei den Warnstreiks waren mehr als drei Viertel der Belegschaft an den Streiks beteiligt, das sind so gut wie alle „normalen“ Beschäftigten. Im Werk in Gampern gingen die Warnstreiks über den Schichtwechsel (14.00 Uhr), von 13.00-15.00 Uhr. KollegInnen sind früher in die Arbeit gekommen und länger geblieben, um beim ganzen Streik anwesend zu sein. Eine Kollegin ist sogar extra gekommen, obwohl sie eigentlich frei gehabt hätte. Über 1.000 KollegInnen bei den Betriebsversammlungen haben einstimmig den Warnstreik beschlossen. Über 1.100 bei den Streikversammlungen haben einstimmig einen Vollstreik über acht Stunden für die nächste Woche beschlossen, sollten die Unternehmen nicht nachgeben. Die KollegInnen haben zwar gesagt: ‚Das wird wohl fad, acht Stunden herum sitzen, aber das müssen wir machen, da müssen wir durch‘. Bei der Firma Hawle in Vöcklabruck hat das Unternehmen den Beschäftigten angeboten, 0,5% auf das Angebot der Gewerkschaften drauf zulegen, wenn sie nicht mit streiken – trotzdem wurde gestreikt“.

Ein Linzer Metallindustrie-Lehrling aus dem Bereich Fahrzeugtechnik (hier wurde nicht mit gestreikt) erzählt: „Ich und die KollegInnen haben in den Pausen über den Streik diskutiert und gehofft, dass die KollegInnen aus dem FMTI-Bereich die 5% erreichen. Bei uns wurde ja leider nicht gestreikt, aber ich bin mit drei Kollegen auf der Donnerstagsdemo gewesen, um gegen die Angriffe auf Kollektivverträge und für einen ordentlichen Abschluss Flagge zu zeigen“. Und: Die Wiener Donnerstagsdemo legte ihre Route bewusst so, dass sie an der Bundeswirtschaftskammer vorbeizog, wo gerade verhandelt wurde. Dabei zeigten Tausende ihre Solidarität mit den MetallerInnen und ihren Streiks.

Schon die Warnstreiks haben Wirkung gezeigt, die Beschäftigten waren bereit, weiterzukämpfen und es gab viel Solidarität. Noch dazu waren die Gewerkschaften in einer sehr günstigen Verhandlungsposition. Die Auftragsbücher sind voll, es gibt einen FacharbeiterInnenmangel, jede Stunde Streik bedeutet, dass den Unternehmen Profite entgehen. Aussagen von Vertretern der Industrieellenvereinigung, dass man die Streiks aussitzen werde, sind vor diesem Hintergrund kaum ernstzunehmen. Die Unternehmen hätten durch weitere Streiks schnell gezwungen werden können, ihr Angebot noch einmal nachzubessern. Aber: Das hätte auch bedeutet, dass die Gewerkschaften eine ernsthafte Konfrontation hätten eingehen müssen. Und das wollen sie offenbar weiterhin nicht.

Mit sozialpartnerschaftlichen Grüßen?

Katzian, Wimmer & Co laufen einer SozialpartnerInnenschaft nach, die längst von den Unternehmen und ihrer Regierung aufgekündigt wurde. Nach dem Motto „Lieber ein schwacher Abschluss, der gerade noch so gut ist, dass wir bei den Beschäftigten nicht völlig das Gesicht verlieren, als ein echter Klassenkampf, der das Klima zwischen den ‚SozialpartnerInnen‘ beschädigt“ wurde dieser Abschluss erzielt.

Das wirft aber, auch wenn viele FMTI-Beschäftigten mit dem Abschluss leben können, eine ganze Reihe Probleme für die Gewerkschaftsbewegung auf.

Erstens wurde die Bewegung gegen den 12-Stunden-Tag damit zum dritten Mal und wohl endgültig begraben: Zuerst keine Streiks nach der Demo, dann keine Kampagne nach dem Sommer – jetzt auch kein Kampf über die KV-Runden. Die einzige Schlussfolgerung, die man hier ziehen kann, ist: Die Gewerkschaftsführung hat nicht einmal ansatzweise eine Strategie, wie die großen Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten zurückgeschlagen werden können.

Zweitens haben die VerhandlerInnen im FMTI bewiesen, dass sie nicht fähig und willens sind, einen ernsthaften Kampf zu führen, um ihre eigenen Forderungen durchzusetzen. Das ist fatal, weil das auch die Unternehmen in der Metallindustrie (die mittlerweile die KV-Verhandlungen als solche in Frage stellen) und in anderen Branchen (die mittlerweile sagen, dass sie sich nicht mehr wie früher am Abschluss der Metallindustrie orientieren wollen) und die Regierung (die mit der Zerschlagung der Sozialversicherungen schon den nächsten Generalangriff auf unsere Rechte plant) sehen. Die neuerliche Weigerung der Gewerkschaften, für ihre Forderungen zu kämpfen und eine echte Führung zu sein, bringt Unternehmen und Regierung nur noch weiter in die Offensive.

Dazu kommt, dass eine so gute Verhandlungsposition mit vollen Auftragsbüchern und FacharbeiterInnenmangel und einer kämpferische Stimmung bei den KollegInnen keine Selbstverständlichkeit ist: Der Mini-Aufschwung der Wirtschaft neigt sich dem Ende zu. Die Unternehmen bereiten sich mit ihren Angriffen auf unsere Rechte auf schwierigere Zeiten vor. Bei den nächsten Verhandlungen kann es sein, dass die Auftragsbücher im Metallbereich nicht mehr so voll sind oder sogar Beschäftigte gekündigt werden. Dann wird es viel schwieriger sein, Verbesserungen zu erkämpfen, als es dieses Mal gewesen wäre. Wie soll eine Gewerkschaftsführung, die die Logik des Kapitalismus voll akzeptiert und sich an der SozialpartnerInnenschaft fest klammert, unsere Interessen in einer solchen Situation vertreten, wenn sie schon heute nicht dazu fähig ist, sich durchzusetzen?!

Für ernsthafte betriebliche AktivistInnen, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen bedeutet das: Wir müssen besser heute als morgen eine eigene, klassenkämpferische, demokratische Gewerkschafts-Strategie entwickeln und einen politischen Kampf um den Kurs und die Führung der Gewerkschaften beginnen.

Die SLP setzt Initiativen in diese Richtung, wie die Plattformen „ÖGB aufrütteln“, in der sich betriebliche AktivistInnen für einen kämpferischen und demokratischen Gewerkschaftskurs organisieren oder „Sozial, aber nicht blöd“, die eine wichtige Rolle dabei spielt, KollegInnen aus dem Sozialbereich zu mobilisieren. Wir waren auch aktiv rund um die Warnstreiks der Metallindustrie – einen Bericht zu unseren Aktivitäten findest du hier:

https://www.slp.at/artikel/solidarit%C3%A4tsarbeit-der-slp-bei-warnstreik-in-ober%C3%B6sterreich-9240

https://www.slp.at/artikel/solidarit%C3%A4t-mit-den-streiks-im-metallbereich-1-9238

Wenn du auch der Meinung bist, dass wir einen kämpferischen und demokratischen ÖGB brauchen, der seine Forderungen durchsetzen kann, dann melde dich bei uns und werde aktiv!

Solidaritätsarbeit der SLP bei Warnstreik in Oberösterreich

Volle Soliarität mit den MetallerInnen

Anlässlich der Warnstreiks in der Metalltechnischen Industrie organisierte die SLP in mehreren Bundesländern zahlreiche Aktionen rund um betroffene Betriebe. Dabei ging es uns vor Allem darum, mit den Kolleg*innen zu diskutieren, wie erfolgreiche Streiks aussehen können – und Solidarität und Öffentlichkeit für den Streik zu erzeugen. In Oberösterreich konzentrierten wir uns vor allem auf jen Betriebe, in denen Genoss*innen von uns beschäftigt sind.

Fünfhundert unserer Streikflugblätter verteilten wir bei der Automatisierungsfirma STIWA am Standort Attnang-Puchheim. Dort fand am Dienstag den 13.11. von 10.00-12.00 Uhr ein Warnstreik statt. Am Standort Gampern dann am nächsten Tag ein Warnstreik von 13.00-15.00 Uhr. SLP-Aktivist*innen aus anderen Branchen verteilten zu Schichtbeginn vor dem Wersktor. Ein Aktivist im Betrieb diskutierte in den Pausen und bei der Streikversammlung. Er berichtet von der Stimmung unter den Kolleg*innen: „Die Stimmung ist sehr kämpferisch. Ich ging nach der Versammlung noch einmal mit einigen Kollegen zum Betriebsrat. Wir haben ihm erklärt, dass die Verhandler*innen dieses Mal nicht mit einem faulen Kompromiss zurückkommen dürfen. Wir wollen die 5%. Und alles unter 4% ist sowieso lächerlich und eine große Niederlage. Und es geht nicht nur um die Lohnerhöhung, es geht auch um die Frage: Kann die Gewerkschaft überhaupt eine Forderung durchsetzen? Nach der kampflosen Niederlage beim 12-Stunden-Tag muss sich die Gewerkschaft bei den KV-Verhandlungen beweisen“. Dass die Kolleg*innen bereit sind zu kämpfen und sich sich gegen Spaltungsversuche wehren, zeigt die Firma Hawle in Vöcklabruck: Dort bot der Unternehmer den KollegInnen an, 0,5% Lohn-/Gehaltserhöhungen auf das Angebot bei den Verhandlungen draufzulegen, wenn kein Streik stattfindet – die Belegschaft entschied sich für den Warnstreik.

Beim Verteilen zum Schichtwechsel in einem VOEST-Alpine-Betrieb am Mittwoch den 14.11. zeigte sich ein anderes Bild. Hier wurde nicht gestreikt, weil die VOEST Alpine zwar Teil der Metallindustrie, aber nicht im FMTI-Bereich ist, also extra verhandelt. Die Kolleg*innen wurden bisher nicht informiert, ob auch in ihrem Bereich (Eisenerzeugung & Bergbau) Streiks geplant werden, wenn die Verhandlungen kein Ergebnis bringen. Es gab bisher auch weder eine Betriebsversammlung, noch sonst irgendwelche Diskussionen mit den Beschäftigten. Das ist heikel, weil ein Streik in manchen Bereichen auch für die Belegschaft unangenehme Nebenwirkungen hat: Beim letzten Warnstreik 2011 wurde ein Hochofen heruntergefahren. Das bedeutete, dass die Kolleg*innen in den nächsten vier Schichten sehr aufwändige und anstrengende Reparaturarbeiten durchführen mussten. „Ich denke, Kolleg*innen sind bereit, sich diesen Aufwand anzutun, wenn dafür dann auch wirklich 5% herauskommen. Aber offensichtlich gibt es Zweifel daran, dass es die Gewerkschaften dieses Mal wirklich ernst meinen mit ihrer Forderung. Ein Ergebnis der faulen Kompromisse der letzten Jahre“, sagt ein SLP-Aktivist, der in der VOEST beschäftigt ist.

Direkt nach dem Schichtwechsel gings weiter zur gemeinsamen Betriebsversammlung von Bilfinger Shared Services und MCE. Dort wurde ein Warnstreik in der Belegschaft diskutiert und beschlossen. Auf Einladung des Betriebsrates besuchten drei SLP-Aktivisten die Versammlung und berichteten von den Diskussionen mit Kolleg*innen anderer Betriebe und unserer Aktion am Linzer Taubenmarkt: Dort hatte die SLP eine Solidaritätskundgebung für die Warnstreiks organisiert, um Öffentlichkeit zu erzeugen und berichtete dort von den Streikaktivitäten. Eine Aktion, die bei Metaller*innen, die vorbei kamen ebenso wie bei Nicht-Metaller*innen auf große Unterstützung traf. An der Betriebsversammlung bei Bilfinger nahm auch Thomas Erlach, Betriebsratsvorsitzender bei Exit Sozial, einem großen Betrieb aus dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) Teil und berichtete von den Bewegungen im Sozialbereich.

Nach den Warnstreiks gilt es jetzt, die Bewegung auszuweiten, sie mit andern Branchen zu vernetzen und den Kampf für 5% weiterzuführen. In einigen Betrieben, wie bei Magna Fuel Systems in der Steiermark wurden bei den Warnstreiks schon Beschlüsse für weitere Streiks nächste Woche gefasst. Die SLP wird weiterhin nach Kräften helfen, um die Metaller*innen zu unterstützen.

So geht Betriebsversammlung

Gerhard Ziegler, SLP-Aktivist und Betriebsratsvorsitzender bei Bilfinger Shared Services Österreich, berichtet über die Betriebsversammlung: 

„Solidarität – gemeinsam sind wir stark“, so heißt nicht nur der Name unserer Betriebsratsliste bei Bilfinger Shared Services Österreich (BSSÖ). Sondern das war auch das Motto der Betriebsversammlung, die wir gemeinsam mit der MCE (einer früheren Schwestergesellschaft, die mittlerweile an den Baukonzern HABAU verkauft wurde, aber immer noch im selben Bürogebäude untergebracht ist) am 14.11.2018 anlässlich des Scheiterns der KV-Verhandlungen in der Metalltechnischen Industrie und der anschließenden Warnstreiks in Hunderten Industriebetrieben der Metallindustrie abgehalten haben.

Nach Berichten über den bisherigen Verlauf und Stand der Verhandlungen kam es zu einer ausführlichen Diskussion darüber, ob wir einfach die Betriebsversammlung zeitlich auf zwei Stunden ausdehnen sollten oder ob es nicht doch sinnvoller und wirkungsvoller wäre, nach dem Beispiel der vielen anderen Metallbetriebe auch bei uns einen Warnstreik zu organisieren. In der Diskussion gelang es, die anfangs zum Teil in der Belegschaft vorhandenen Zweifel auszuräumen und von der Wichtigkeit und Wirksamkeit eines – wenn vorerst auch nur symbolischen – Warnstreik zu überzeugen. Unter anderem habe ich darauf hingewiesen, dass es die Gewerkschaftsführung verabsäumt hat, nach der Großdemonstration von mehr als 100.000 TeilnehmerInnen am 30.06.2018 in Wien gegen 12/60 dieses Vorhaben der Regierung mit einer sofort nachfolgenden großen Streikwelle zu Fall zu bringen, was durchaus möglich gewesen wäre. Auch das Argument der Solidarität und des gemeinsamen Vorgehens, um entsprechend Druck zu erzeugen, war überzeugend. Schließlich stimmte eine überwältigende Mehrheit der Beschäftigten – 90 % - für einen halbstündigen Warnstreik im Anschluss an die eineinhalbstündige Betriebsversammlung. Für die meisten Beschäftigten beider Betriebe war es der erste Streik, an dem sie teilnahmen.

Während des Warnstreiks bekamen KollegInnen aus anderen Bereichen Gelegenheit, ihre Solidarität mit den Streiks in der Metallindustrie auszudrücken. Thomas Erlach, der Betriebsratsvorsitzende von Exit Sozial (SWÖ-KV) berichtete von den Problemen im Sozialbereich, den Streiks in Zusammenhang mit den SWÖ-KV-Verhandlungen im Februar und erklärte sich auch im Namen der Kolleg*innen seines Betriebes solidarisch mit unserem Streik. SLP-Aktivist*innen, die gerade von einer Verteilaktion beim Schichtwechsel in der VOEST-Alpine kamen, berichteten von den positiven Reaktionen von Beschäftigten verschiedener Branchen auf die Solidaritätskampagne für die MetallerInnen. Sie machten auch Vorschläge, wie die Streiks ausgeweitet und mit KV-Kämpfen in anderen Branchen verbunden werden können. Zum Abschluss wurde noch eine Solidaritätsbotschaft von Irene Mötzl, Betriebsrätin bei Wohnservice-Wien Ges.m.b.H. vorgelesen.

Solidarität mit den Streiks im Metallbereich 2

Solidarität aus Kroatien von der Radnicka Fronta

SOLIDARITY WITH THE STRIKING METALWORKERS OF AUSTRIA

Dear comrades and workers of Austria,

The Workers' Front in Croatia, in line with the fact that the struggle of the working class is that of international character, expresses its unconditional support for the nationwide strike you are facing.
The crisis before you is a crisis of us all, for the interests of the oppressive state apparatus and the management of your company are not those of solidarity, care and basic humanity but of exploitation of you and your labor.
We have witnessed losses and concessions to these forces, with many of our unions being mere puppets of the bosses, and the working masses lacking the organization to strike.
Giving up to these foul aspirations of the bourgeoisie is the ultimate defeat, and will in end result in the complete collapse of local and national industries – and with that the systemic dismantling of your workers' rights.

Your government and their accomplices in management would have it no other way, but we do not fret!
For your unity in fighting for what is rightfully yours is more than inspiring.
The struggle continues!
Fighting together, we win together!
Signed,
The Workers' Front (collectively)


SOLIDARITÄT MIT DEN STREIKENDEN METALLARBEITER*INNEN IN ÖSTERREICH

Liebe KollegInnen und Arbeiter*innen in Österreich, 

die Arbeiter*innenfront von Kroatien drückt angesichts der Tatsache, dass der Kampf der Arbeiter*innenklasse ein internationaler ist, ihre bedingungslose Unterstützung für euren bundesweiten Streik aus. 
Die Krise mit der ihr konfrontiert seid, ist eine Krise die uns alle betrifft – Solidarität, Fürsorge und Menschlichkeit sind nicht im Interessen des Staatsapparats und des Managements eurer Betriebe, sondern die Ausbeutung von euch und eurer Arbeitskraft. 
Wir haben Niederlagen und Zugeständnisse an diese Kräfte am eigenen Leib erlebt - viele unserer Gewerkschaften sind nur Marionetten der Unternehmen, und den Beschäftigten fehlt die Organisation um zu streiken. 
Wenn man den Interessen der Unternehmen nachgibt, ist das nicht nur eine Niederlage, sondern kann zum kompletten Zusammenbruch der lokalen und nationalen Industrien führen – und im Zuge dessen der kompletten Abschaffung eurer Rechte. 
Eure Regierung und ihre Komplizen im Management stört das nicht - aber wir lassen uns das nicht gefallen!
Eure Geschlossenheit im Kampf um eure Rechte ist mehr als inspirierend. 

Der Kampf geht weiter!
Gemeinsam kämpfen, gemeinsam gewinnen!

Die Arbeiter*innenfront von Kroatien (kollektiv)

File Attachment: 

Seiten