Betrieb und Gewerkschaft

Es gibt kein „Klima versus Jobs“ Dilemma

Die Klimadebatte kommt der Autoindustrie gelegen, um die wahren Ursachen der Krise zu verschleiern.
Martina Gergits

Es ging nie um das Klima, es ging immer um Profit, so auch bei der Debatte um das Elektroauto.

Spätestens seit 2019 zeichnet sich eine neue gravierende Krise der Autoindustrie ab. Dabei war 2018 noch ein Rekordjahr bei Umsatz und erzeugten KFZ. Doch nun liegen sogar in China 19% der Produktionsanlagen still. Nach einer Prognose des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft werden bis 2030 rund 125.000 der aktuell 800.000 Stellen in der deutschen Autoindustrie wegfallen. Auch Österreich ist betroffen, etwa jeder 9. Job hängt an dieser Industrie.

Sie ist eine der ältesten und größten Industrien im internationalen Kapitalismus. Trends und Entwicklungen kann man hier gut beobachten. Zur „Lösung“ aller großen Krisen der Autoindustrie griff man zur direkten Senkung der Arbeitskosten sowie dem Erschließen neuer Regionen für billigere Produktion bzw. mehr Absatz. In den 1980ern war es Japan, dann Osteuropa und China.

Nach der bisher größten Krise der Branche 2008 verlagerten die westlichen Konzerne innerhalb von zwei Jahrzehnten große Teile der Produktion nach China. Die „alten“ Granden der Autoindustrie, v.a. aus den USA, Deutschland und Japan, sind bei den Verbrennermotoren führend. China aber subventioniert massiv das Elektroauto, einen neuen Antriebsstrang, der die chinesische Industrie an die Spitze der Branche bringen sollte.

Trumps Konflikt mit China wurzelt auch in diesem Wettbewerb. Wie auch die Förderung von Industrie 4.0 und der „Green Deal“ der EU Ausdruck der Angst des europäischen Kapitals sind, den Anschluss zu verlieren.

Denn am Beginn der nächsten Krise stellt sich die Frage nach neuen Märkten – hier sucht man durch Umstellung bzw. Erweiterung der Produktion auf einen neuen Motor nach einem Ausweg. Daimler, VW, Audi & Co. wollen immer mehr weg vom Verbrenner- und hin zum Elektromotor.

Diesen Wandel wollen sie mit öffentlichen Fördergeldern sowie Sparprogrammen und Personalabbau finanzieren. Seit Jahren baut die Branche Stellen ab. Doch es ist nicht die (vermeintliche) Ökologisierung, die Jobs kostet, sondern der Prozess der Automatisierung und Produktionsverlagerung. Mit jeder Krise gab es die Debatte, wie der Autoverkehr umweltfreundlicher gestaltet werden könnte: Biodiesel, Emissionsbegrenzung und nun das Elektroauto. Aus Sicht der Autoindustrie ging es nie um „die Umwelt“, sondern darum, die Krise zu überwinden – mit Hilfe fetter staatlicher Subventionen.

Die Automatisierung der Branche war Eckpfeiler und Dilemma. Mit Einführung der Serienproduktion durch Henry Ford 1907 stieg die Produktivität und der Aufstieg des US–Kapitalismus wurde voran getrieben. In den 1980er Jahren gelangte Japan dank Automatisierung gerade in der Autoindustrie in die Spitze der Weltwirtschaft. „Die fressen uns auf“ klagte US-Manager Henry Ford II. Die USA mussten mithalten und so waren die 1980er nicht nur der Aufstieg Japans, sondern auch der Untergang Detroits. Die gestiegene Produktivität in Detroit rettete zwar vorübergehend die Profite, aber nicht die Jobs, diese wurden entweder gleich gestrichen oder später die Produktion verlagert. Mitte des 20. Jahrhunderts hatten in Detroit noch 214.000 in der Autoindustrie gearbeitet, 1990 waren es nur noch 104.000!

Durch die Automatisierung verdoppelte sich in den letzten 50 Jahren der Output, die Wertschöpfung verdreifachte sich. Die gestiegene Produktivität landet v.a. als Gewinn in den Taschen der Aktionär*innen. Gleichzeitig führte der Jobabbau zu steigender Arbeitslosigkeit.

Henry Ford brachte vor knapp 100 Jahren nicht nur das Fließband in die Branche, sondern verknüpfte Autonutzung auch mit Privatbesitz. Und so gilt auch heute: Elektroauto statt Verbrenner, oder noch besser: Elektroauto als Zweitauto – und nicht Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, der wurde zurückgebaut, privatisiert und verteuert.

Der ökologische Nutzen von Elektroautos ist mehr als fraglich: Neben ungeklärten Fragen zur Energiespeicherung und -erzeugung bleibt es im Konzept des Individualverkehrs haften. Auch Jobs werden in Summe mit dem Trend hin zum Elektroauto nicht geschaffen, sondern verlagert bzw. durch den Technologieschub abgebaut.

Es ist die Autoindustrie, die ein angebliches „Jobs versus Klima“-Dilemma herbeiredet. Doch es sind die Grundprinzipien des Kapitalismus, die Jobs vernichten. Die Sicherung von Beschäftigung gelingt weder durch Festhalten am Vebrennermotor noch im Umstieg zum Elektroauto. Ein völlig anderes Konzept, wie Verkehr organisiert werden kann und welcher nötig ist, kann tatsächlich Jobs sichern und schaffen. Und wenn menschliche Arbeit durch Automatisierung eingespart wird, kann das auch für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn genutzt werden. Die Umstellung ist nicht nur aus sozialen und ökologischen Gründen sinnvoll und nötig – sondern auch technisch möglich: Der hohe Grad an Automatisierung macht die Produktion schnell wandelbar. Allerdings nur, wenn man das Diktat des Profits überwindet und im Interesse der Gesellschaft, nicht im Interesse weniger Konzerne handelt.

Die Geschichte der Autoindustrie ist von Arbeitskämpfen geprägt – hier liegt auch der Schlüssel zur erfolgreichen Ökologisierung. Der Grad der gewerkschaftlichen Organisierung dieser Branche ist traditionell hoch, begünstigt durch große Fabriken mit vielen Beschäftigten an einem Standort. In kaum einer Branche ist streiken so effektiv und schmerzhaft für die Bosse. Das machte die Autoindustrie, als Teil der Metallindustrie, zum Wegweiser für andere Branchen in Bezug auf Lohnverhandlungen, Arbeitszeit, Gesundheitsversicherung etc.

In den letzten Jahren flammten vermehrt Arbeitskämpfe auf. 2017 erreichte ein Streik bei VW in der Slowakei eine Lohnerhöhung von 13,5%, 2019 einer bei Audi in Ungarn +18%. Und 2019 endete erst nach 40 Tagen der Streik bei General Motors in den USA. GM hatte 2018 noch 10 Mrd. € Profit verzeichnet, erhielt massive Steuererleichterungen und Subventionen. Trotzdem sollten Standorte geschlossen und Produktion verlagert werden. Bei den Lohnverhandlungen 2019 platzte den Beschäftigten der Kragen. 50.000 Arbeiter*innen an 55 Standorten legten die Arbeit nieder. Das Ergebnis ist nur ein Teilerfolg, weil die Gewerkschaftsführung nicht bereit war, den Kampf in der nötigen Konsequenz zu führen. Denn die Gewerkschaftsbürokratie, die gerade in der Autoindustrie teils absurde Blüten treibt, spielt oft eine negative Rolle. Betriebsrät*innen sehen sich häufig als Teil des Managements und agieren „für das Unternehmen“. Ihr Lebensstandard ähnelt teils mehr dem der Chefetagen als jenem der Kolleg*innen. Die Folge: Sie verhindern bzw. bremsen Streiks, unterwerfen sich dem „Spardiktat“, akzeptieren schwache Lohnabschlüsse trotz hoher Profite. Die Gewerkschaftsbürokratie zeigt sich auch in der Klimadebatte auf der Seite der Unternehmen. Die Erhaltung von Jobs wird der Klimakrise entgegengehalten, anstatt Arbeitszeitverkürzung und Umstellung der Produktion zu erkämpfen. Denn es sind die Arbeiter*innen, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind.

Die Gewerkschaftsführung versagt dabei, die wahren Ursachen der Krise aufzuzeigen. Was Jobs gefährdet, ist die Profit- und Wettbewerbslogik der kapitalistischen Produktionsweise. Das Dilemma ist nicht Klima oder Jobs, sondern eine Wirtschaft und Gesellschaft für Arbeiter*innen oder eine für das Kapital.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Zahlen und Fakten zur Autoindustrie:

  • Die Autoindustrie in Kombination mit der Ölindustrie stellt seit Jahrzehnten in etwa 7 von 10 der mächtigsten Unternehmen der Welt. 80% des Kapitals ist bei 12 Konzernen konzentriert. Die Umsatzentwicklung der Autoindustrie folgt seit den 1970er Jahren der Entwicklung des weltweiten Wirtschaftswachstums.
  • 1999 wurden 3% der weltweit erzeugten Autos in China produziert, 2007 bereits 12% und 2017 waren es 29,7%. In den letzten 10 Jahren fiel der Anteil der in der EU produzierten Kraftfahrzeuge von 27% auf 19,6%.
  • Die 29 größten Autohersteller kündigten Anfang 2019 an, insgesamt 300 Mrd. US Dollar in die Entwicklung von Elektroautos zu investieren, 135 Mrd. US-Dollar davon in China. Der VW-Konzern alleine hat eine Investitionssumme von 91 Mrd. US-Dollar angekündigt.
  • Der Anteil der Elektroautos betrug 2018 in China 1,5% aller PKWs. In Deutschland machen 2018 Elektroautos 0,12% des PKW-Bestands aus. Hohe Wachstumsraten und verstärkter Absatz des E-Autos müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass sie von einer niedrigen Basis ausgehen. Nach wie vor hat der Großteil aller verkauften PKWs einen Verbrennermotor.
  • Jedes 3. -4. Auto, das bei BMW, Audi, Daimler oder VW vom Band rollt, ist ein SUV.
  • Ein durchschnittliches Elektroauto hat eine Reichweite von 200 km und ca. 7 Stunden Ladezeit.
  • In der österreichischen Autoindustrie sind ca. 41.000 Arbeiter*innen direkt beschäftigt. Zählt man auch die Zulieferindustrie dazu, entspricht es ca. jedem 9. Arbeitsplatz in Österreich.
  • Die Kosten für den 40 tägigen Streik bei GM/USA 2019 belaufen sich Schätzungen zufolge auf rund 2 Mrd. Dollar.
  • Bereits 1970, noch vor dem Druck der Krise, ergab eine Umfrage der deutschen Gewerkschaften: 75 % der Bevölkerung forderten, dem öffentlichen Personennahverkehr den Vorzug gegenüber dem Straßenausbau zu geben, 68% plädierten für generelle Einschränkungen des PKWs. Nichts davon wurde umgesetzt, sondern die amtierende SDP-FDP Regierung war verantwortlich für das bis dahin größte Straßenrealisierungsprogramm.
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Autobranche kriegt die Dauerkrise

Die Leitindustrie der kapitalistischen Weltwirtschaft schwächelt.Mit ihr schwächelt das ganze System.
Christian Bunke

Die Automobilindustrie ist die weltweit größte und dominanteste Industriebranche. Sie beschäftigt hunderttausende Menschen im deutschsprachigen Raum, zehntausende in Österreich. Seit 100 Jahren hat sie die technologische Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftssystems bestimmt und war gleichzeitig immer wieder Schauplatz wesentlicher Kämpfe der globalen Arbeiter*innenbewegung. Doch spätestens seit den 1970er Jahren ist der Motor ins Stocken geraten. Immer wieder kam es zu Überproduktionskrisen, denen die Bosse u.a. mit neuen technischen Innovationen und stets zu Ungunsten der Beschäftigten zu begegnen versuchten.

Mit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 begann eine neue Phase dieses Kreislaufs. Der Absatz brach dramatisch ein. Zehntausende verloren ihren Job. Besonders Leiharbeiter*innen waren davon betroffen. Die Branche forderte vom Staat finanzielle Unterstützung. Ähnlich wie die Großbanken konnten und können die Autohersteller auch damit rechnen, diese zu bekommen. Denn wenn die Autobranche einbricht, zieht sie einen ganzen Rattenschwanz weiterer Industrien mit in den Abgrund. Sowohl Zulieferbetriebe wie auch die Stahlindustrie bauen dann Stellen ab und schließen Werke.

Um die Profite der Autoindustrie zu schützen, wurden ab 2009 in einer Reihe von europäischen Ländern sowie Russland und den USA sogenannte Verschrottungsprämien eingeführt. Z.B. zahlte die deutsche Bundesregierung eine „Umweltprämie“ von 2.500 Euro für jedes der Verschrottung übergebene Privatauto. So sollte der Kauf von Neuwagen angekurbelt werden, Umweltbelange waren da zweitrangig. Allein in Deutschland wurden damit 5 Milliarden Euro Steuergelder zur Rettung von Konzernprofiten aufgewendet. 2019 brachte auch die österreichische Bundesregierung die Einführung einer solchen Prämie ins Spiel.

Daneben wurde eine umfassende Modernisierungsoffensive gestartet. Die Fabriken wurden mit neuen, digital gesteuerten Maschinen ausgestattet. Sie sind auch von ungelernten Arbeiter*innen leicht zu bedienen, qualifizierte und somit teure Fachkräfte wurden abgewertet. Längst nehmen Leiharbeits- und Werkverträge in der Autobranche immer mehr zu. Werke in Hochpreisländern wie Deutschland werden geschlossen, das Opelwerk in Wien-Aspern wird zunehmend abgewickelt. Große Motorenfabriken entstehen dagegen in Ländern mit niedrigem Lohnniveau wie zum Beispiel Ungarn. Die Gewerkschaftsspitzen sahen dem Stellenabbau tatenlos zu. Kämpferische Belegschaften mit linken Betriebsstrukturen wie etwa bei Opel Bochum wurden im Kampf gegen Werksschließungen im Stich gelassen.

Gleichzeitig begann ein bis heute andauernder Konzentrationsprozess. So will sich die PSA-Gruppe, zu der auch Opel gehört, mit Fiat-Chrysler zum viertgrößten Autobauer der Welt zusammenschließen.

Hinzu kam ein weiterer Trick: Um teure und umweltschädliche SUVs unter die Leute zu kriegen wird nicht nur fleißig geworben sondern wurden komplexe Kreditsysteme entwickelt. So ist es in den USA derzeit üblich, für den Kauf eines neuen Autos das alte in Zahlung zu geben, auch wenn dieses längst nicht abbezahlt ist. „Spiegel Online“ schrieb dazu am 30.11.2019: „Immer mehr Amerikaner finanzieren den Autokauf mit extrem lang laufenden Krediten. Oft sind die Schulden am Ende höher als der Wert des Fahrzeugs. Die Parallelen zur Finanzkrise 2007 sind erschreckend.“

Zwar konnte durch all diese Maßnahmen der weltweite Autoabsatz vorübergehend wieder gesteigert werden, spätestens jetzt ist damit aber wieder Schluss. In China sind die Verkäufe seit 2018 rückläufig. Die bestenfalls stagnierenden Reallöhne, der Dieselskandal sowie die wachsende Kritik am motorisierten Individualverkehr durch die Klimabewegung tun ihr übriges. Allein in Deutschland drohen die Autokonzerne bis 2030 mit über 600.000 Jobverlusten. Das wird Auswirkungen auf Österreich haben, hier ist jeder 9. Job von der Branche abhängig.

Für die Arbeiter*innenbewegung ist dies eine große Herausforderung. Klar ist: Ein „weiter wie bisher“ kann es nicht geben. Die von den Gewerkschaftsspitzen verfolgte Strategie, Standorte im eigenen Land gegen jene in anderen Ländern auszuspielen hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert und wird auch in der kommenden Krise nicht funktionieren. Jobs zu retten bedeutet heute mehr denn je, sich Gedanken über die Planung einer zukunftsfähigen, ökologischen Industrie zu machen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an Profiten orientiert. Für diese dringend nötige Debatte möchte dieser Vorwärts-Schwerpunkt einen Beitrag leisten.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Streikbewegung ausweiten!

Über 120.000 Beschäftige im SWÖ sind zum Streik aufgerufen. Die Sozialistische LinksPartei erklärt ihre volle Solidarität! Mitglieder der SLP sind im Streik aktiv, das hier schlagen wir vor:

 

Streik werden vermutlich auch über diesen Tag hinaus nötig sein um unsere Forderungen zu erkämpfen. Zusätzlich zu der Arbeitszeitverkürzung müssen wir sicherstellen, dass niemand, auch nicht die Vollzeitbeschäftigten mit weniger Lohn aussteigen. +6% für uns alle, die Forderung des letzten Jahres, bleibt weiter aktuell. Wir brauchen transparentere und demokratischere Verhandlungen, angefangen von der Erstellung der Forderungen bis zu einer Abstimmung aller Beschäftigten darüber, ob sie das Verhandlungsergebnis akzeptieren!

-Michael Gehmacher, ASB-Wohnen und Soziale Dienste Betriebsrat und Aktivist bei „Sozial Aber Nicht Blöd (SANB)“ und SLP

 

Aus irgendeinem Grund verhandeln Caritas&Diakonie immer noch getrennt vom SWÖ. So fällt es den Arbeitgebern nur noch leichter sich gegenseitig bei Löhnen und Arbeitsbedingungen zu unterbieten und wir schauen durch die Finger. Wir wollen gemeinsame Abschlüsse! Als Ersten sollte die Gewerkschaft für gemeinsame Aktionen aufrufen und zB Streiks aufeinander abstimmen.

-Theresa Reimer, Caritas-Beschäftigte, SANB und SLP

 

Als Klient*innen solidarisieren wir uns mit Euren Forderungen und Euren Kampf! Auch wir spüren den Geldmangel im Sozialbereich und werden statt mit Lohn nur mit einem Taschengeld für unsere Arbeit abgespeist. Es wäre wichtig, dass es mehr öffentliche Protestaktionen auch während der Streiks gibt, damit auch Kolleg*innen aus anderen Branchen, Klient*innen und Angehörige diesen Kampf aktiv unterstützen können. Beim nächsten Streik sollte es Demonstrationen in allen Landeshauptstädten geben!

-Patrick Pinner arbeitet in der ÖHTB Werkstätte Aichholzgasse, ist Mitglied der SLP und beim Netzwerk Selbstvertretung

 

Bald ist wieder 8. März und Weltfrauentag. Auch Politiker*innen der etablierten Parteien werden dann wieder über „Gender Pay Gap“ sprechen, also darüber das in Österreich Frauen ca 20% weniger Lohn bekommen als Männer. Im Pflege- und Sozialbereich arbeiten ca 70% Frauen und die ganze Branche arbeitet am Rande der Armutsgrenze. Wenn es die Politik mit der Gleichbezahlung ernst meinen würde wäre mehr Geld für Gesundheit und Soziales ein konkreter Anfang. Sie meinen es aber nicht ernst, deshalb müssen wir uns das erkämpfen!

-Sarah Lammer, Pädagogin in einer Einrichtung für beeinträchtigte Kinder in Linz, aktiv bei der sozialistisch-feministischen Plattform „Nicht Mit Mir“ und der SLP, organisiert die 8. März Demo in Linz

 

Unter Schwarz-Blau sind WKO, IV&Co in die Offensive gegen alle Beschäftigten gegangen. Sozialversicherung, 12/60 für uns und Steuererleichterungen für Konzerne und Reiche. Außer uns haben damals auch die Metaller*innen und die ÖBB gestreikt, aber das allein hat nicht nicht gereicht Schwarz-Blau zu stoppen. Jetzt müssen wir gegen Schwarz-Grün in die Offensive um all die Schweinereien rückgängig zu machen. Und dabei gilt es gleich echte Fortschritte bei Arbeitszeit, Löhnen, aber auch im Gesundheitssystem und fürs Klima zu erreichen.

-Moritz Erkl, Sozialarbeiter beim Univ. Klinikum Graz und aktiv bei SANB und SLP

 

Es ist nicht genug Geld da. Die SWÖ-Arbeitgeber tragen durch ihren Wettbewerb nach unten gegenüber den öffentlichen Kassen eine Mitverantwortung, aber tatsächlich müssen die Länder mehr Geld bereitstellen! Tatsächlich wird seit Jahren gekürzt, in Wien wurde sogar ein „Nulldefizit“ für 2020 beschlossen, also ist hier mit noch mehr Kürzungen zu zu rechnen. Politik sollte sich zuerst daran orientieren was nötig ist, nicht daran was auf dem Papier gut ausschaut. Nicht weniger, sondern viel mehr ist nötig um eine ordentliche Gesundheitsversorgung und ordentliche soziale Dienste möglich zu machen. Das Geld dafür müssen wir uns eben von den Reichen holen! Auch dafür braucht es Gewerkschaft!

-Sarah Moayeri, in der Streikleitung beim Verein Wiener Jugendzentren, SLP und Sozial Aber Nicht Blöd

 

In unserem (Berufs-) Alltag haben wir es ständig mit den Auswirkungen von Armut und sozialer Ausgrenzung zu tun. Der Kapitalismus behandelt Menschen abhängig von Verwertbarkeit und Profitabilität, aber er behandelt fast alle schlecht. Viel zu oft müssen wir auffangen, was dieses System bei den Menschen anrichtet und sind dabei selber schlechten Arbeitsbedingungen und Niedriglöhnen ausgesetzt. Von Frankreich bis Irak oder Ecuador: In vielen Teilen der Welt haben die Menschen angefangen sich zu wehren. Wir brauchen eine internationale Antwort auf den Kapitalismus, eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft in der wir selber bestimmen wie wir produzieren, arbeiten und leben wollen!

-Nico Prettner arbeitet bei der Lebenshilfe Graz und ist aktiv bei SLP und SANB

 

Deutschtrainer*innen haben die Nase voll

Deutschtrainer*innen haben die Nase voll

AMS-Maßnahmen werden zunehmend nicht nur für Arbeitslose zur Qual: Auch die Kursleiter*innen leiden unter prekären Arbeitsbedingungen. So ist es für Deutschtrainer*innen in solchen Kursen üblich, nicht nur in der Klasse zu stehen und Deutsch als Zweitsprache unterrichten, sondern auch als verlängerter Arm des AMS mit endlosem Papierkram zu kämpfen, während man „nebenbei“ Lebensläufe für alle Kursteilnehmer*innen erarbeiten muss – und das Ganze für einen Niedriglohn. Dazu kommt, dass jede Unterrichtsstunde vor- und nachbereitet werden muss – der Kollektivvertrag (BABE) sieht hier aber nur eine schwammig formulierte „angemessene“ Arbeitszeit voraus. Das bedeutet in meinem Fall, dass für 30 Stunden in der Klasse 4 Stunden Vor- und Nachbereitungszeit (VNZ) angerechnet werden: 7 ½ Minuten pro gehaltener Stunde. Es ist unmöglich, in so wenig Zeit sinnvollen Unterricht zu gestalten – für Gruppen, in denen die verschiedensten Erstsprachen, Altersgruppen und Lerntypen zusammenkommen. Der Rest der Arbeit wird dann eben in der Freizeit erledigt, unbezahlt.

Verständlicherweise rumort es bei vielen Kolleg*innen: „Das ist alles so ein Scheiß hier, ich will endlich einmal richtig streiken!“ meinte ein Kollege letztens in einer kurzen und gehetzten Pause zu mir. Mit dem Wunsch ist er nicht alleine. Doch es ist ein Teufelskreis: Die Gewerkschaft interessiert sich kaum für schlecht organisierte Bereiche – die jedoch vor allem deshalb schlecht organisiert sind, weil die Gewerkschaft sich nicht dafür interessiert. Doch immer mehr Kolleg*innen nehmen das nicht länger hin. In den Initiativen „Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung“ (DiE) und der „IG DaZ“ organisieren sich kritische und kämpferische Kolleg*innen und Betriebsrät*nnen. Bei einem Treffen von DiE im Jänner wurden Forderungen beschlossen, für die es sich zu kämpfen lohnt: Vor allem eine bessere Einstufung aller Trainer*innen sowie 30 Minuten Vor- und Nachbereitungszeit pro Stunde. Für den Start der KV-Verhandlungen am 19.2. wurde eine Protestaktion beschlossen. Außerdem solidarisiert sich DiE mit dem Kampf der Kolleg*innen im SWÖ-KV: Gegenseitige Unterstützung ist notwendig, um endlich Verbesserungen zu erkämpfen!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kurznachrichten aus Betrieb und Gewerkschaft

+ bz:

Grün ist die Hoffnung, grün ist das Logo der bz-Wiener Bezirkszeitung. Grün sind auch die sauren Gurkerl, die der Verein „Freischreiber“ der bz-Geschäftsführung überreichte. Die „Freischreiber“ organisieren freie Journalist*innen. Mit der Verleihung der sauren Gurkerln protestierten sie gegen miese Arbeitsbedingungen, niedrige Honorare und intransparente Strukturen bei der bz. Nun gilt es, diesen Protest zu Widerstand zu machen.

 

+ - Auf deiner Seite!?

Die GPA stellt fest: „Über 1 Million Beschäftigte in Österreich haben keine unbefristete Vollzeitstelle, sondern haben andere Jobs. Mitunter sind diese Jobs unsicher und schlecht bezahlt.“ Sie startet eine neue Website. Wir erlauben uns die Frage: Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Warum hat die Gewerkschaft nicht verhindert, dass Menschen in prekäre Jobs abgedrängt werden und dort wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen vorfinden? Die Botschaft der Website: Werde Mitglied, wir machen das dann für dich, viele Mitglieder sind die Basis für gute Abschlüsse. Doch nicht bloß viele Mitglieder, sondern kämpferische Gewerkschaftspolitik ist der Schlüssel zum Erfolg. Kämpfen mit den Kolleg*innen gemeinsam, nicht Verhandeln über die Köpfe der Kolleg*innen hinweg - das braucht es. Dann kommen die Mitglieder ganz automatisch.

 

- Lauda

Nachdem das Bordpersonal eine kämpferische Kolleg*in in den Betriebsrat gewählt hatte, verweigerte Laudamotion die Anerkennung dieser Wahl – und kündigte die Kollegin. Nun kam der nächste Angriff: Für Pilot*innen und Kabinenpersonal sollen getrennte Betriebsräte eingerichtet werden, um das Bordpersonal zu spalten. Die Gewerkschaft vida stellt sich korrekterweise dagegen – verweist aber nur auf das geltende Recht. Auch die gekündigte Kollegin wird vor der Gewerkschaft nur vor Gericht vertreten. Es ist richtig, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Doch das wird nicht reichen, um die Bosse wirklich zurückzuschlagen. Das geht nur, wenn sie die Macht der Beschäftigten spüren: Durch Streiks für bessere Arbeitsbedingungen! Nur so können auch die Spaltungs-Versuche der Geschäftsführung durchkreuzt werden.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Proteste im Sozialbereich: „Hier ist noch viel Luft nach oben!“

Interview mit Ulli Rathmanner, Ersatzbetriebsrätin bei Caritas Wien

In den Medien hört man viel über die aktuellen Verhandlungen und Proteste im Sozialbereich. Auch bei der Caritas gibt es ja aktuell KV-Verhandlungen. Was sind die Forderungen der Gewerkschaft?

Die Forderungsaufstellung für die diesjährigen Kollektivvertragsverhandlungen ist überschaubar, denn es gibt nur eine: Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohn-/Gehalts- und Personalausgleich. Gut daran ist, dass diese Forderung nicht nur für die Caritas-Beschäftigten, sondern auch die von Diakonie uns SWÖ erhoben wird.

Du bist auch aktiv bei der Basisinitiative “Sozial aber nicht blöd”. Was fordert ihr?

Schlecht daran ist unserer Meinung nach, dass auf weitere Forderungen verzichtet wurde, insbesondere eine kräftige Gehaltserhöhung um die Lücke von 18 bis 20% zum österreichischen Einkommensdurchschnitt zu schließen. Vollzeitbeschäftigte müssen so mit einem Reallohnverlust rechnen, was angesichts der niedrigen Löhne und Gehälter in unserer Branche nicht akzeptabel ist. Darüber hinaus fordern wir eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis, für das wir schließlich im Streikfall viel riskieren und mit dem wir mindestens ein Jahr leben müssen.

Am Dienstag den 11. Februar war bei der Caritas eine Betriebsversammlung. Wie ist die Stimmung?

Die Stimmung war sehr kämpferisch - nach den einleitenden Worten der Betriebsratsvorsitzenden Gabi Wurzer und Josef Wenda zur Forderung einer 35h-Woche gab es viel Applaus. Gabi Wurzer kündigte an, dass bei Stocken der Verhandlungen am 18. Februar für den 24. mit Warnstreiks zu rechnen sei. Wir sollten uns das schon mal dick im Kalender anstreichen. Auf die Nachfrage von einer Kollegin, ob eine Urabstimmung vorgesehen sei, wurde ihr entgegnet, dies sei momentan kein Thema. Ich habe nachgehakt und die Notwendigkeit konkreter Streikvorbereitung bereits jetzt betont. Weiters habe ich eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis gefordert, weil es um unser Gehalt und unsere Arbeitsbedingungen geht und wir das volle Risiko tragen. Darauf sprang der anwesende GPA-Chefverhandler für Caritas und Diakonie, Andreas Laaber, geradezu an: Dies sei ein Ausdruck des Misstrauens in den schließlich von uns gewählten Betriebsrat. Dieser wisse schon, was er tue. Außerdem seien wir bei den KV-Verhandlungen ja nicht anwesend und würden deren Verlauf nicht mitbekommen, daher könnten wir uns auch kein Urteil zum Ergebnis erlauben. Und es sei ja auch auf Arbeitgeberseite ein gewisser, oft enger Rahmen zu berücksichtigen. Letztlich würde ich mit dieser Forderung die aktuelle nach einer 35h-Woche schwächen. Auf meine Nachfrage, ob er besser wisse als wir, von welchem Gehalt wir gut leben könnten, bestritt Laaber, etwas derartiges gesagt zu haben. Der Betriebsrats-Vorsitzende Josef Wenda meinte, eine Urabstimmung sei jetzt nicht machbar, es sei nicht die richtige Zeit dafür. Mein Zwischenruf, wir könnten das doch hier und jetzt unter uns Kolleg*innen abstimmen, wurde von ihm abgeschnitten mit der Wiederholung, diese Diskussion schwäche uns momentan nur. Es ist schon bemerkenswert, dass der Caritas-Betriebsrat und ein Gewerkschaftsfunktionär auf einer Betriebsversammlung die Beschäftigten kaum zu Wort kommen lassen und keine kontroversen Diskussionen zulassen. Wir standen dann übrigens 10 min. wartend vor der Tür, bis es mit der öffentlichen Kundgebung losging - Zeit, die wir drinnen zum demokratischen Austausch gut hätten nutzen können. Die anwesenden Vertreter der GPA-djp haben es auch unterlassen, zur Streikkundgebung der SWÖ-Kolleg*innen zu mobilisieren. Lediglich Gabi Wurzer berichtete, dass dort die Verhandlungen ins Stocken geraten und weitere Schritte beschlossen wurden. Man sei solidarisch. Mir scheint, dass die Gewerkschaftsbürokratie und leider auch Teile des Betriebsrats Angst vor einer selbsttätigen, schwer kontrollierbaren Basis haben. In klassischer sozialpartnerschaftlicher Stellvertreter*innenmanier will sie auch weiterhin nach Belieben mit den Arbeitgeber*innen packeln und uns Beschäftigte als bloße Verhandlungsmasse einsetzen.

Du hast es schon angesprochen, auch bei den Kolleg*innen im SWÖ finden gerade Verhandlungen statt. Gibt es hier Verbindung bzw. Koordinierung?

In unserer Basisinitiative "Wir sind sozial, aber nicht blöd" sind Kolleg*innen aus unterschiedlichen Berufsgruppen und Trägern tätig, die unter verschiedenen Kollektivverträgen arbeiten. Dadurch können wir uns gut absprechen und gemeinsam Aktionen, nächste Schritte planen und solidarisch unterstützen. So hat z.B. ein Mitglied von uns, das für die Caritas arbeitet, auf der öffentlichen Streikkundgebung der SWÖ-Kolleg*innen gesprochen. Das macht auch Sinn, weil wir uns für einen gemeinsamen Kollektivvertrag für unsere Branche einsetzen. Die derzeitige Trennung verschärft das Lohndumping der Arbeitgeber*innen und schwächt uns bei den KV-Verhandlungen. Auf der Betriebsrats- und Gewerkschaftsebene ist jedoch aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren viel zu wenig von wirklich solidarischer Zusammenarbeit zu bemerken. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der vorzeitige Kollektivvertrags-Abschluss bei der Caritas mitten während der Warnstreiks bei der SWÖ hat letztes Jahr eine Streikausweitung und das Erkämpfen eines dringend notwendigen hohen Abschlusses verhindert. Und der damals schon geforderten Arbeitszeitverkürzung war man keinen Schritt näher gekommen. Auch gibt es trotz der gemeinsamen Forderung keine gemeinsamen Verhandlungen. Hier ist noch viel Luft nach oben!

Was sind aus deiner Sicht die nächsten nötigen Schritte?

Wenn es um die Caritas geht, ist das ganz klar die aktive Vorbereitung von Streiks unter Einbeziehung der Beschäftigten. Der Betriebsrat hat auf unsere Nachfrage auf der Betriebsversammlung, wie denn am 24. gestreikt werden soll, wenn es gar keine Planung und Vorbereitung gibt, die Anwesenden dazu aufgerufen, sich diesbezüglich gern an ihn zu wenden. Mir scheint das zwar ein Fortschritt, doch noch immer viel zu wenig. Es bedarf einer Informationskampagne über die rechtlichen Grundlagen für Streiks, denn viele Kolleg*innen haben berechtigter Weise Angst um ihre Jobs und ihr ohnehin oft mickriges Gehalt. Wir sollten uns der Frage widmen, wie ein Streik in unserer Behinderten-WG/unserem Notquartier/Pflegewohnhaus/Beratungseinrichtung ganz konkret aussehen könnte. Im Gegensatz zu Produktionsbetrieben hält sich der wirtschaftliche Schaden im Streikfall in unserer Branche in Grenzen. Um so mehr sind wir angewiesen auf die Solidarität unserer Klient*innen und von deren Angehörigen. Diese sollten möglichst umfassend aufgeklärt und mit einbezogen werden. Unser Arbeitskampf muss nach außen getragen und gemeinsam mit SWÖ und Diakonie im ganzen Bundesgebiet geführt werden! Die 35-Stunden-Woche ist eine sehr weitreichende Forderung mit zu erwartenden Auswirkungen auf andere Branchen. Zusammen können wir es schaffen, diese zu erstreiten!

Danke für das Gespräch und wir sehen uns bald bei den nächsten Aktionen.

Streikbewegung im SWÖ ausweiten!

Über 120.000 Beschäftigte im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich (SWÖ) sind im Arbeitskampf. Gleichzeitig verhandeln die kirchlichen Träger Diakonie (ca. 7500 Beschäftigte) und Caritas (ca 15.000 Beschäftigte) mit der gleichen Forderung: Die Einführung der 35h Woche. Nach dem scheitern der Verhandlungen im SWÖ am 10.02. riefen die Gewerkschaften GPA djp und VIDA zum Streik auf.

Hat die Gewerkschaft sich verspekuliert?

Viele Kolleg*innen konnten der Strategie der Gewerkschaft, sich allein auf die Arbeitszeitverkürzung zu konzentrieren, nicht viel abgewinnen. Der Sozial- und Gesundheitsbereich ist ein Niedriglohnsektor, viele arbeiten längst am Rande der Armutsgrenze. So notwendig die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich auch ist, so wichtig ist auch eine saftige Lohn- und Gehaltserhöhung für alle! Dazu kommt die Erfahrung der Abschlüsse der letzten Jahre: Viel zu oft hat die Gewerkschaft sehr niedrige Ergebnisse erzielt und schlechte Kompromisse geschlossen. Ein schlechter Kompromiss bei der Arbeitszeitverkürzung käme aber teuer: Wenn zB, was wohl im Gespräch ist, die Verkürzung über 5 Jahre stückweise vollzogen würde, wäre das mit den Personalausgleich schwer realisierbar. Jedes Jahr 30 min/Woche reduzieren hieße bei den kleinen Belegschaften pro Standort in der Branche, dass sich kaum ein neuer Arbeitsplatz ausgehen würde. Die Kolleg*innen würden also vielleicht kürzer, aber intensiver arbeiten. Und in 5 Jahren würden die Arbeitgeber dann argumentieren, dass es ja es zu klappen scheint die gleiche Arbeit mit weniger Personal zu machen… angesichts von rekord-burnout Raten in der Branche eine Rechnung auf Kosten der Gesundheit! Wir brauchen die Arbeitszeitverkürzung sofort!

Eine andere Sorge ist die nach dem vollen Lohn: über 70% arbeiten Teilzeit und laut Gewerkschaft würde die 35h Woche für sie zwar nicht weniger Arbeitszeit, aber ca 8% mehr Lohn/Gehalt bedeuten. Für die Vollzeitbeschäftigten gibt es nur die Forderung nach “vollem Lohn”. Nicht mal ein Inflationsausgleich ist vorgesehen, das heißt die Vollzeit-Kolleg*innen machen ein Minus bei diesem Abschluss, obwohl auch sie das Geld dringend brauchen! Das kann es ja wohl nicht sein, wir brauchen mehr Geld für alle!

Die Strategie der Gewerkschaft bei der Verhandlung ist es sich auf die 35h-Woche zu konzentrieren und so den Druck zu erhöhen. Nach Berichten von den ersten Verhandlungsrunden schien die Arbeitgeberseite da auch Gesprächsbereit zu sein. Aber inzwischen stellen sie auf stur und sind nicht mehr bereit auch nur darüber zu reden. Die Verhandlungen stocken, also ist kämpfen die einzige Möglichkeit! Sich hier auf die eine Forderung versteift zu haben schwächt dabei die Position der Gewerkschaft eher, denn es macht die Mobilisierung unter den Kolleg*innen schwerer.

Also kämpfen wir!

“Wir sollten mal so kämpfen wie in Frankreich”, das hören wir immer wieder wenn wir mit den Leuten auf den Kundgebungen oder Betriebsversammlungen sprechen. Tatsächlich gibt es wenig Tradition für Streiks, besonders in dem Sozial- und Pflegebereich, wo streiken ja nochmal schwerer ist. Wer hier streikt setzt sich dem Vorwurf aus die Klient*innen, Kund*innen oder Patient*innen im Stich zu lassen. Irgendwie muss eine Grundversorgung immer gewährleistet sein und die Frage was das absolute Minimum ist was an Arbeit geleistet werden muss ist schwer zu beantworten.
Auch der ökonomische Druck ist in der Branche viel schwerer zu erzeugen. Wenn die Metaller*innen streiken tut das den Arbeitgebern unmittelbar erstmal weh. Ein Streik im SWÖ oder bei Caritas und Diakonie wird dann am Ehesten von Angehörigen aufgefangen, die sich dann oft frei nehmen müssen. Das erzeugt schon ökonomischen Druck, genauso wie ein ÖBB Streik dazu führt, dass Leute massenhaft zu spät zur Arbeit kommen und dadurch andere Betrieb unter Druck geraten. Aber in der Pflege oder der Behinderten-Betreuung, in der Suchthilfe oder der Kinder Nachmittagsbetreuung ist der Verantwortungsdruck eben nochmal größer.
Streikmaßnahmen müssen also umso mehr so ausgerichtet werden, dass sie größtmöglichen politischen Druck erzeugen. Die Finanzierung hängt sehr direkt an der öffentlichen Hand, also muss sie neben den Trägern (wie Volkshilfe, ASB, Bildung im Mittelpunkt...) auch mit Protesten überzogen werden.

Mit dem Streikaufruf der Gewerkschaften wurden oft auch Vorschläge an die Betriebsrät*innen und Streikkomittees ausgeschickt wie denn der Streik zu verbringen sei: Gesellschaftsspiele, Karaoke, Urlaubserinnerungen austauschen etc… jedenfalls drinnen bleiben, den Betrieb nicht verlassen.
Das Gegenteil davon brauchen wir! Streiks müssen im öffentlichen Raum stattfinden! Wir brauchen um politischen Druck zu erzeugen die Sichtbarkeit und die Solidarität der Angehörigen, der Klient*innen usw.. Extrem viele Menschen halten die Forderungen für gerechtfertigt, die müssen wir für unsere Aktionen gewinnen. Kolleg*innen aus anderen Branchen können sich so anschließen, wie zB die Deutschtrainer*innen im BaBe-KV oder die Beschäftigten in den Spitälern.
Die Spaltung der Branche in unterschiedliche KVs macht keinen Sinn und schwächt unsere Verhandlungsposition. Es ist absurd, wenn bei der Caritas Streikaktionen für den 24.02. geplant sind, falls die nächste Verhandlungsrunde scheitert, und im SWÖ ab dem 26.. Was soll das? Wenn schon nicht gemeinsam verhandelt wird, obwohl die Forderungen genau die gleichen sind, dann sollte wenigstens gemeinsam gestreikt werden. In Linz gab es auf Initiative von Caritas Betriebsrät*innen bereits eine am 12.02. eine gemeinsame Aktion, allerdings sehr kurzfristig und nur intern mobilisiert.

Der nächste Streik soll die ganze Branche erfassen und es sollte Demos in allen Landeshauptstädten geben!

Die Caritas in Ost-Österreich hat am 11.02. schon eine öffentlich Betriebsversammlung als Protest organisiert, am nächsten Tag gab es eine von kämpferischen Betriebsrät*innen organisierte Kundgebung in Wien. Ca 1500 Kolleg*innen aus mindestens 13 Betrieben waren dabei! Die Aktion wurde eben nicht von der Gewerkschaft organisiert, was eigentlich ein Skandal ist, hatte dadurch aber einen anderen Charakter als zB die GPA&VIDA Kundgebung am Stephansplatz eine Woche zuvor: Statt der sich leider oft wiederholenden Stehsätze gab es wirklich spannende Reden von Betriebsrät*innen oder Streikkomitee-Mitgliedern. Dabei bekam auch die Politik der letzten Jahre der Gewerkschafts-Bürokratie unter Beschuss: “Wir streiken bis zum Sommer, wenn es sein muss” kam gleich mehrfach vor. “Keine schlechten Kompromisse”, “Arbeitszeit runter, Löhne rauf!” und “35 Stunden- Jetzt sofort” fassen die Stimmung ganz gut zusammen. Sowohl bei der Caritas BV als auch bei der Streikkundgebung wurde auch eine Urabstimmung gefordert. Von Seiten der Gewerkschaft heißt es immer wir sollen dem Verhandler*innenteam vertrauen, das sind Expert*innen, die eben raus holen was möglich ist. Aber das Ergebnis der Verhandlungen betrifft eben alle und wir alle sollen ja auch dafür kämpfen. Streiks sind riskant für die Streikenden, für dieses Risiko steht uns ganz besonders eine Stimme zu! Eine Abstimmung vor dem Abschluss gibt uns die Möglichkeit dazu. Das Verhandlungsteam hat sicher Gründe dafür, warum es meint, dass kein besserer Abschluss möglich ist und ein weiterer Kampf sich nicht lohnt. Diese Gründe können sie uns ja erklären und dann stimmen wir ab, ob wir dem zustimmen oder eben nicht. Urabstimmungen sind in vielen Ländern üblich und stärken das Verhandlungsteam gegenüber den Arbeitgeber-Verhandler*innen. Denn bei jedem Vorschlag gilt es nicht nur das Team zu überzeugen, sondern die über 120.000 Beschäftigten!

Urabstimmung aller Beschäftigten über das Verhandlungsergebnis und ein mögliches Ende der Kampfmaßnahmen!

Das stärkste Argument der Arbeitgeberseite ist immer, dass eben nicht mehr Geld von den Regierungen zu bekommen sei. Das stimmt nur teilweise: tatsächlich unterbieten sich die Träger bei Verhandlungen mit Regierungsvertreter*innen oft gegenseitig, immerhin stehen sie in Konkurrenz zueinander. Wenn die Caritas anbietet zB Geflüchtete für 1€ weniger/Tag als der Arbeitersamariterbund zu betreuen dann erlauben sie der öffentlichen Hand hier noch mehr Geld einzusparen. Aber trotzdem: Am Ende des Tages gilt es mehr Geld für Gesundheit und Soziales vom Staat zu erkämpfen! Das MUSS Teil einer gewerkschaftlichen Strategie für die Branche sein! Dazu braucht es eine breit angelegte und offensive Kampagne. In der Steiermark und in Wien stehen bald wieder Wahlen an, das lässt sich nutzen um die Politik unter Druck zu setzen. Für Wien ist ein Nulldefizit beschlossen, mit dem jetzt gegen die notwendigen Mehrausgaben argumentiert wird. Sowas muss der ÖGB zu Fall bringen!

Mehr Geld vom Staat für Gesundheit und Soziales!

Die SLP mischt bei dem Streik mit. Wir bauen die Basisinitiative “Sozial Aber Nicht Blöd” mit auf, weil wir so auch Druck innerhalb der Gewerkschaftsbewegung aufbauen können. Als Betriebsrät*innen, als Mitglieder in Streikkomittees, als Beschäftigte, als solidarische Klient*innen oder einfach als Unterstützer*innen dieses wichtigen und berechtigten Kampfes kämpfen wir mit. Schon jetzt lässt sich sagen: Andere Branchen können sich von der Entschlossenheit und Kampfbereitschaft im Sozial- und Gesundheitsbereich Einiges abschneiden! Die öffentliche Streikaktion vom 12.02. setzt Maßstäbe für kommende Kämpfe. Bauen wir darauf auf und gewinnen wir diesen Kampf!

 

Lobby für Arbeiter*innen?

Eine Gewerkschaft braucht Klassenmobilisierung - nicht (nur) durchgestylte Medienkonzepte.
Till Ruster

Eine Gewerkschaft ist ein Zusammenschluss von Arbeiter*innen, die gemeinsam ihre Interessen erkämpfen wollen. Sie steht für das Klasseninteresse ein. Das macht sie zu einer einzigartigen Organisation: Nur sie kann bewusst mit Streik und Massenaktion das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben lahm legen. Der Druck, den sie darüber aufbauen kann, ist theoretisch gigantisch. Das unterscheidet sie von Organisationen wie zB Greenpeace und sogenannten NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen), die auf Mittel wie Lobbying, Medienkampagnen etc. alleine angewiesen sind, um ihre Ziele zu erreichen.

In der Praxis übernehmen ÖGB und Fachgewerkschaften aber immer mehr die Strategien von NGOs. So versuchen sie ohne die Mobilisierung ihrer Mitglieder auszukommen, die, wenn sie einmal wirklich in Aktion sind, schwerer zu kontrollieren und unberechenbar sind. So eine Eigendynamik stellt aber schnell die „Institution der Sozialpartnerschaft“ in Frage, die die Führung verinnerlicht hat. Gerade angesichts der neuen Krise stößt manch eine umgesetzte Forderung an die Systemgrenze. Lohnerhöhungen und Joberhalt bei einbrechenden Umsätzen gehen sich für die Konzerne nicht aus, sind für uns aber notwendig. Gewerkschaften müssen sich gerade jetzt mit dem Kapitalismus anlegen, nicht sozialpartnerschaftliche Kompromisse suchen. Wir brauchen keine NGO, wir brauchen eine Kampforganisation!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Whose Side Are You On?

Nicolas Prettner

Die KV-Verhandlungen im Sozialbereich stehen wieder vor der Tür. Letztes Jahr ist es während der Verhandlungen in mehreren Betrieben zu Warnstreiks gekommen. Die Streiks und vor allem die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung stießen in den Chefbüros auf Ablehnung. In der Praxis, ob es sich um KV-Verhandlungen oder die Dienstplaneinteilung handelt, zeigt sich schnell, auf welcher Seite der/die „leiwande Chef*in“, der/die auf auf „eineR von uns macht“, dann wirklich steht. Gerade im Sozialbereich mit vielen kleinen Vereinen scheint die Grenze zwischen Chefs und Beschäftigten zu verschwimmen, die Chefs haben weniger Privilegien, arbeiten teilweise sogar noch mit.

Die meisten Betriebe im Sozialbereich befinden sich in privater oder kirchlicher Hand. Die Trägervereine sind also von staatlichen bzw. kirchlichen Förderungen abhängig und schlecht ausfinanziert. In den KV-Verhandlungen stehen die Chefs vor der Wahl bzw. dem Dilemma: Setzen sie die von oben verordnete Mangelwirtschaft und damit Kürzungen um, oder stellen sie sich auf die Seite der Beschäftigten und der Klient*innen?

Bei der Caritas, einem Trägerverein der katholischen Kirche, wurden als Sparmaßnahme die Reinigungskräfte ausgegliedert, was für die betroffenen Kolleg*innen Gehaltseinbußen von 25% bedeutet. Und das, obwohl die katholische Kirche milliardenschwer und nach dem Staat die größte Landbesitzerin in Österreich ist. Sowohl im konfessionellen als auch im privaten Bereich wäre genug Geld vorhanden, die Prioritäten liegen jedoch dabei, die Ausgaben gering zu halten.

Doch es ginge auch anders: Private und konfessionelle Betriebe könnten von der öffentlichen Hand übernommen und unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Eine ausreichende Finanzierung ist möglich, wenn das Vermögen der Superreichen und der kirchlichen Organisationen zum Wohle aller und nicht nur weniger verwendet würde: So könnte nicht nur der Sozialbereich ausfinanziert werden!

Im Sozialbereich ist in kommender Zeit mit weiteren Arbeitskämpfen zu rechnen. Basisinitiativen wie Sozial aber nicht blöd und Aktivist*innen der SLP werden sich beteiligen und auf Seiten der Beschäftigten für echte Verbesserungen kämpfen. Ob dann die „leiwanden“ Chefs auf unserer Seite stehen, wird sich zeigen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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