Betrieb und Gewerkschaft

Ausfinanzieren statt Kaputtsparen: Unsere Forderungen

Schutz und Tests für alle!

Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich müssen geschützt und regelmäßig getestet werden. Kostenlose, frei zugängliche Massentests sind der Weg, um eine „2. Welle“ am ehesten zu verhindern. Der Staat muss die Produktion von Schutzkleidung bzw. Tests anordnen, der „Markt“ hat Engpässe produziert! Wenn Unternehmen sich weigern, müssen sie enteignet und unter demokratische Kontrolle von Belegschaften, Gewerkschaften und öffentlicher Hand gestellt werden.

Systemrelevante verdienen mehr!

Vom Applaus der Politiker*innen kann man nichts kaufen. Deshalb fordern wir gerade im Sozial- und Gesundheitsbereich eine dauerhafte Lohnerhöhung von +6%, sowie eine Corona-Prämie von 500€ pro Corona-Monat.

Mehr Personal ist besser für Alle!

Es braucht eine einheitliche und transparente Personalbemessung für Pflege, Spital und Sozialbereich und damit verbunden massive Neueinstellung von Personal: Als ersten Schritt plus 20% Personal.

Arbeitszeitverkürzung und Corona-Sonderurlaub!

Gegen die enorme Arbeitsbelastung braucht es als ersten Schritt eine Arbeitszeitverkürzung auf 35-Stunden bei vollem Lohn und mehr Personal. Weiters eine 6. Urlaubswoche für alle sowie eine Woche Sonderurlaub für jedes Monat Arbeit unter verschärften Corona-Bedingungen.

Ausbildung ordentlich bezahlen!

Pflegekräfte in der Ausbildung erhalten kein echtes Gehalt, obwohl sie bereits arbeiten. Das macht es vielen Menschen schwer, sich für diesen Beruf bzw. die Ausbildung zu entscheiden. Für eine Bezahlung in der Ausbildung, von der man leben kann.

Milliarden für Gesundheit und Soziales - die Reichen sollen zahlen!

Bund und Länder müssen sofort Milliarden für Gesundheit und Soziales locker machen, um die Kürzungen der vergangenen Jahre auszugleichen. Die Bedürfnisse der Patient*innen und Klient*innen sind zentral, nicht Profite oder “Wirtschaftlichkeit”. Das muss finanziert werden durch eine “Corona-Abgabe” und langfristig hohe, stark progressive Vermögens-, Einkommens- und Gewinnsteuern für Superreiche, große Banken und Konzerne.

Gesundheit und Soziales in die öffentliche Hand!

Wir können uns ein profitorientiertes Gesundheitssystem nicht leisten. Es braucht eine Rückführung aller ausgelagerten Bereiche in die öffentliche Hand - von Reinigung bis Verpflegung. Organisiert und verwaltet muss gerade dieser Bereich von Vertreter*innen von Beschäftigten, Patient*innen und der Gewerkschaft werden. Das sind die wahren Expert*innen, die sicherstellen, dass Bedürfnisse im Vordergrund stehen!

Es gibt keinen gesunden Kapitalismus! Für eine internationale sozialistische Alternative!

Im Kapitalismus kommt Profit immer vor Gesundheit. Der Sozialstaat, den die Arbeiter*innenbewegung in der Vergangenheit erkämpft hat, ist ausgehöhlt. Jede Verbesserung, die wir heute gewinnen, steht morgen unter Beschuss. Durch miese Arbeitsbedingungen, schlechte Wohnungen, verschmutzte Luft und Dauerstress zerstört der Kapitalismus täglich unsere Gesundheit. Deshalb kämpft die SLP nicht nur für unmittelbare Verbesserungen, sondern gemeinsam mit unseren Schwesterorganisationen auf der ganzen Welt auch für eine sozialistische Alternative zu diesem kranken System.

 

Organisieren und Kämpfen!

Die wichtigste Frage ist:

Wie können wir erreichen, was für Beschäftigte, Klient*innen und Patient*innen notwendig ist? Sicher ist, dass uns nicht geschenkt wird. Wir müssen uns organisieren und gemeinsam kämpfen. Streiks sind in diesem Bereich schwierig, aber möglich, wenn die Einbindung von Patient*innen und Klient*innen Teil der Mobilisierung ist. Das haben die Streiks im privaten Sozialbereich der letzten Jahre gezeigt.

Der Gewerkschaft kommt dabei eine wichtige Rolle zu - doch wissen wir auch, dass die Gewerkschaftsspitze oft über die Köpfe der Beschäftigten hinweg miesen Abschlüssen zustimmt. Daher brauchen wir Organisierung an der Basis - wie etwa die Initiativen “Sozial, aber nicht blöd” im Sozialbereich und “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” im Gesundheitsbereich. So können wir Druck aufbauen, um die Gewerkschaften zu unseren Kampforganisationen zu machen! Wir müssen über den Tellerrand der kapitalistischen Profitlogik hinausschauen und gemeinsam mit anderen, die unter diesem System leiden, für ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem eintreten, das demokratisch organisiert ist und sich an Bedürfnissen, nicht an Profiten orientiert. 

 

 

Ausfinanzieren statt Kaputtsparen!

SLP-Bundesleitung

Warum die SLP jetzt für eine Ausfinanzierung des Sozial- und Gesundheitsbereichs kampagnisiert

Alles ist aufgewirbelt. Was vor Corona galt steht heute in Frage oder ist längst über den Haufen geworfen. Ja, die Corona-Maßnahmen haben uns extrem viel abverlangt und tun es auch weiterhin. Es zeigt sich aber immer deutlicher, dass die viel größere Krise noch auf uns zukommt:u: Massenarbeitslosigkeit, private Insolvenzen, Verarmung und Unsicherheit. Das ist die tiefste Krise des Kapitalismus, zumindest seit den 1930er Jahren. Schon die kurzfristigen Folgen sind kaum abzusehen, die Langfristigen erst recht nicht.

Das hat panikartige Antworten der Regierungen weltweit hervorgerufen. Absurde Billionensummen wurden in die Hand genommen, in dem Versuch die Krise doch noch abzuwenden. 50 Milliarden sind es bisher allein in Österreich. Finanzminister Blümel sagt zwar, Geld dürfe jetzt keine große Rolle spielen, aber natürlich werden sie versuchen das Geld anderswo wieder reinzuholen. Steuereinnahmen gehen derweil zurück und diese Regierung wird von alleine sicher nicht auf die Idee kommen, die Reichen endlich mal ordentlich zu besteuern. Denn die “schaffen” ja angeblich die Arbeitsplätze und wären verantwortlich für den Wohlstand in Österreich. Auf wen es wirklich ankommt, damit hier irgendwas funktioniert, ist gerade in der Corona-Krise noch einmal deutlich geworden.

Systemrelevante

Viel Lob und Anerkennung gab es von allen Seiten für Postler*innen und Zustelldienste, Supermarkt-Beschäftigte und Müllabfuhr, LKW-Fahrer*innen und alle die, die die Produktion an Bedarfsgütern geleistet haben, als jeder Kontakt mit anderen Menschen potentiell lebensgefährlich war. Lob, Anerkennung und hier und da ein wenig Applaus, das war alles. Denn weder gab es einen echten Versuch von finanziellem Ausgleich, noch gab (und gibt) es überhaupt nur ordentliche Schutzausrüstung für viele dieser systemrelevanten Berufsgruppen. Besonders arg war es oft bei den Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich. Hier ein paar Beispiele:

  • In einem Altenheim in der Steiermark kam es zu 39 Corona-Infektionen beim Personal und bei den Bewohner*innen. Mindestens sechs Todesfälle stehen damit in Zusammenhang. Es waren die Beschäftigten, die den Betreiber wegen “grob fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Gefährdung” angezeigt haben.
  • Der miese Abschluss, der im “Sozialwirtschafts-Österreich (SWÖ)” Kollektivvertrag nach dem Corona-bedingten Abbruch der Streiks in einer Nacht- und Nebelaktion durchgebracht wurde, sah immerhin eine “500€ Corona Prämie” vor. Nur zu gern verwiesen die Arbeitgeber*innen darauf, um ihre Anerkennung für die besonderen Verdienste zum Ausdruck zu bringen. Bekommen werden diese Prämie wohl nur eine Handvoll der Beschäftigten. Obwohl praktisch alle unter extremen Belastungen gearbeitet haben, wurden Kriterien eingeführt, um sich für die Corona-Prämie zu qualifizieren. Selbst wer sich freiwillig und alleine für mehrere Wochen in Behinderten-WGs unter Corona-Quarantäne einquartiert hat wird keine Prämie bekommen.
  • Beschäftigte in den Spitälern wurden angehalten ihre Schutzmasken mehrfach zu verwenden. Zu Schichtende sollten sie sie in den Spind geben und am nächsten Tag wieder aufsetzen. Jede*r Pflegeschüler*in lernt gleich zu Beginn: so nützen sie gar nichts. Unter anderem wegen solcher Einsparungen an grundlegendstem Arbeitsschutz liegt die Ansteckungs- und Todesrate unter medizinischem Personal weltweit so hoch.
  • Im Wiener Krankenanstalten-Verbund (KAV), quasi der Arbeitgeber für die Spitäler, gab es schon vor zwei Jahren eine Dienstrechtsreform. Das neue Dienstrecht ist (auch aufgrund von Druck durch die Beschäftigten) besser, gilt aber nur für Berufseinsteiger*innen. Für viele der Beschäftigten bedeutet das eine Benachteiligung und deshalb haben sie letztes Jahr massive Proteste organisiert. Bürgermeister Ludwig versprach daraufhin eine Optierungsmöglichkeit, also einen freiwilligen Wechsel in die neuen Dienstverträge. Statt diese vergleichsweise kleine und ja eigentlich selbstverständliche Verbesserung wegen Corona nochmal zu beschleunigen, will er jetzt nichts mehr davon wissen.
  • Bei dem steirischen Zweig der Lebenshilfe, einem Trägerverein für Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, kam es in vielen Einrichtungen zu Corona-Fällen. Die Kolleg*innen fielen dadurch oft selber aus, die verbliebenen Kräfte mussten umso mehr und unter umso härteren Bedingungen arbeiten. Personalmangel war schon vorher, aber jetzt herrschte hier eine akute Unterversorgung, was zu Lasten der Beschäftigten und der Klient*innen ging.
  • So wie Zivildiener oft einspringen mussten um dringende Aufgaben auch im Pflegebereich zu übernehmen, wurden Pflegeschüler*innen oft einfach wie fertige Pflegefachkräfte eingesetzt. In einem Heim in Linz fielen zeitweise gleich alle Zivis wegen Corona Verdachts aus. Zusätzlich zu den normalen Aufgaben mussten die Pflegekräfte jetzt auch noch Reinigungs- und Küchenaufgaben übernehmen. 
  • Viele ähnliche Beispiele finden sich in dieser Facebook Gruppe, in der Beschäftigte ihre Erfahrungen berichten: https://www.facebook.com/groups/ohneunsgehtnichts/

Was hier gelaufen ist und weiter läuft, ist ein einziger Skandal. Die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich haben diese Krise mit extremer Opferbereitschaft und Improvisationstalent gemeistert. Leider können sie dabei auf viel Erfahrung bauen, denn auch der Normalzustand verlangt Opferbereitschaft und Improvisation am laufenden Band, Unterfinanzierung ist allgegenwärtig. Als Patient*innen und Klient*innen merken wir das schnell an dem hohen Stresslevel der Beschäftigten, an den langen Wartezeiten auf OPs oder Rehaplätze, an den zu kurzen Verweildauern in Spitälern nach Behandlungen um das Bett schnell wieder frei zu kriegen, daran, dass Angehörige immer mehr Betreuungsaufgaben z.B. von Behinderteneinrichtungen übernehmen müssen… 

Wer in Sozial- oder Gesundheitsberufen arbeitet, ist extrem Burn-Out gefährdet. Wer kann, wechselt den Beruf vor der Pension, denn schon körperlich sind die Belastungen oft kaum über die Jahrzehnte durchzuhalten.

Sie wollen Kürzen auf unsere Kosten

Für die Regierung geht es jetzt darum alles zu tun, um die Profite der großen Banken und Konzerne zu sichern. Unsere Gesundheit ist dabei Nebensache, die Arbeitsbedingungen der “Corona-Held*innen” auch. Es wird auch in dieser Krise wieder “Sparpakete” geben und auch dieses Mal werden sie den Druck auf die KVs weiter erhöhen. Im SWÖ und bei der Caritas soll die nächsten drei Jahre gar nicht erst verhandelt werden, wodurch die historisch schlechten Abschlüsse erst recht zementiert wären. Wenn Strache als Vizekanzler einer Privatklinik zu Geld aus Versicherungsbeiträgen verhilft (Unschuldsvermutung, blabla), dann passt das sehr gut zu den schleichenden Privatisierungsbemühungen im Gesundheitsbereich. Der Angriff auf die AUVA unter schwarz-blau passt dazu so gut wie die Enteignung der Sozialversicherung: Immer mehr Leistungen müssen von Patient*innen, Klient*innen und Angehörigen extra bezahlt werden, weil öffentliche oder Versicherungs-Gelder gekürzt werden. Tagespauschalen im Spital, Rezeptgebühren oder Medikamente zur Behandlung chronischer Erkrankungen, die gar nicht mehr von der Kasse gedeckt werden. Gesundheit wird für immer mehr unleistbar, während Reiche sich deluxe-Behandlungen gönnen. Österreich hinkt bei diesen Entwicklungen im Vergleich zu vielen anderen Ländern noch hinterher, die Regierung wird die Krise nutzen wollen um da aufzuholen. Wenn Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung & Co von der “Senkung der Lohnnebenkosten” reden, dann meinen sie damit den Anteil an Versicherungsleistungen unserer Löhnen. Wir arbeiten für unsere Sozialversicherung oder die Gesundheitskassen, und die Arbeiter*innenbewegung hat hart für deren Einführung gekämpft. Schon jetzt fängt z.B. die Tourismusbranche damit an, eine Senkung der Lohnnebenkosten zu verlangen, um nach Corona wieder auf die Beine zu kommen. Der Preis dafür wären weitere Einsparungen, vor allem bei den Leistungen im Gesundheits- und Sozialbereich.

Dabei muss für Beschäftigte, Klient*innen, Patient*innen und Angehörige klar sein: Es reicht nicht gegen die neuen Kürzungen zu kämpfen, es braucht mehr Geld!

In die Offensive!

Kürzere Arbeitszeiten! Mehr Personal! Höhere Löhne! Mehr Einrichtungen… die Liste der Forderungen ist lang und darf gerne aus den unterschiedlichsten Bereichen ergänzt werden. Seit Jahren nehmen die Kämpfe in der Branche zu: #CaRevolution bzw “CareRevolution Wien”, drei Jahre Streiks in Folge bei den KV-Verhandlungen im SWÖ, Streik bei der Caritas, über Tausend bei Demos im Kampf rund um den Wiener KAV, Streik bei ProMente und Exit Sozial in Oberösterreich. Dazu kommen zahlreiche Kundgebungen und Aktionen von Beschäftigungsinitiativen. Gerade das ist etwas, was die Branche auszeichnet: Viele Kolleg*innen sind miteinander vernetzt, viele Betriebsrät*innen haben sich in Initiativen zusammengetan. Das macht einen enormen Unterschied: Ohne die Initiative “Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit” hätte es keine Proteste im Wiener KAV gegeben und folglich auch nicht die Zugeständnisse, die die Stadtregierung angekündigt hat. Besonders sichtbar wurde die nein der Mariahilferstraße und Aktionen im öffentlichen Raum in anderen Bundesländern.

Dieses Jahr gab es nicht nur drei (!) Streikrunden, sondern auch eine sichtbar wachsende Beteiligung von Streik zu Streik. Immer mehr Betriebsrats-Körperschaften schlossen sich den gemeinsamen Demos an, tausende Kolleg*innen demonstrierten.

Es war extrem spannend zu beobachten, wie die Gewerkschafts-Führung von diesen Mobilisierungen der Basis getrieben wurde. Wo es früher nach kurzen Dampfablass-Aktionen zu miesen Abschlüssen kam, wurde die Meinung und Stimmung der Kolleg*innen jetzt entscheidend. Es wurde immer schwieriger über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden. Genau das wurde dann aber schnellstmöglich gemacht: Als durch die Corona-Maßnahmen keine Demos mehr erlaubt waren und die vierte Streikrunde abgesagt werden musste, nutzte die Gewerkschaftsführung die Gelegenheit und boxte  im Schnellverfahren einen denkbar schlechten Abschluss durch.

Bei aller Stärke, die wir aus der Gewerkschaft ziehen können, und bei all dem Druck, den wir durch die bundesweit organisierten Streiks erreicht haben: Auf die Gewerkschaftsführung ist leider kein Verlass. Für erfolgreiche Kämpfe brauchen wir noch mehr Organisierung an der Basis, das ist die Lehre nicht zuletzt aus den SWÖ Streiks.

Bündnispartner*innen und Mitstreiter*innen überall

Eimerweise Anerkennung gab es für die Beschäftigten, besonders in der Pflege, aber auch für den Sozialbereich, aus der ganzen Bevölkerung. Anders als bei der geheuchelten Anerkennung durch die Regierung, wären viele wohl auch bereit die Beschäftigten bei der Durchsetzung ihrer Forderungen zu unterstützen. Eine gemeinsame Demo wäre da eine konkrete Möglichkeit.

Aber auch unter den Beschäftigten, ist durch Corona das Selbstbewusstsein nochmal gestiegen. Die Kolleg*innen wissen, wie wichtig ihre Arbeit ist; während Corona wurde das noch einmal besonders offensichtlich. Viele fühlten sich an die Situation von 2015 erinnert, als nach dem Versagen der Regierung Beschäftigte und Einzelpersonen spontan die Versorgung und Unterbringung zehntausender Geflüchteter organisierten. Ein Mitarbeiter in einem Obdachlosenheim in Wien drückte es auf einer Kundgebung der “Initiative  Sommerpaket” so aus: “Zwischendurch hat es sich angefühlt wie selbstverwaltet”. 

Ja, viele Kolleg*innen, besonders im Sozialbereich, machen sich angesichts der Krise Sorgen um ihren Job. Gleichzeitig sind viele aber auch nicht mehr bereit, sich weiter in die Defensive drängen zu lassen: Noch ein Schritt zurück wäre über den Abgrund. Eine kämpferische Kolleg*in kann andere motivieren sich auch zu wehren. 

Die Wut und der Leidensdruck der Beschäftigen wird ja auch international gerade auf die Straße getragen. In vielen Ländern sind es besonders die Gesundheits-Beschäftigten, die als erste wieder demonstrierten nachdem der Corona-Lockdown verhängt wurde. “Applaus ist nicht genug” war die Botschaft, die in den USA, in Italien, in Frankreich, in Deutschland, in Brasilien, in Belgien und so vielen anderen Ländern von erschöpften Pfleger*innen hinausgeschrien wurde. Die internationale Perspektive hilft die eigene Situation nochmal besser zu verstehen. Es kommt auf die Beschäftigten an, das drückt sich ja schon in der Formulierung “Systemerhalter*in” aus.

Was schlagen wir vor?

Was wir wollen ist ein Bündnis aus all diesen spannenden Basisinitativen und auch kämpferischen Aktivisti*innen, die sich noch nirgendwo angeschlossen haben. Vor uns liegt der Wahlkampf in Wien als besonders politisierte Zeit, den wir nutzen können um unsere Forderungen zu platzieren. Die Forderungen der verschiedenen Teilbereiche sind sicher oft unterschiedlich. Aber sehr oft kommen sie auf einen gemeinsamen Punkt zurück: Wir brauchen mehr Geld. Dieses Geld kommt im Gesundheits- und Sozialbereich zu sehr großen Teilen von der öffentlichen Hand oder wird von ihr vergeben. “Ausfinanzierung” bedeutet mehr staatliche Gelder um die so dringenden Forderungen von Beschäftigten, Klient*innen und Patient*innen zu erfüllen. Klar ist auch: Es ist uns nicht egal, woher der Staat bzw. die Länder das Geld nehmen. Viel zu oft wurden wir in “Teile & Herrsche” Fallen gelockt, wenn sie in dem einen Bereich gespart haben, um woanders Geld hinzuleiten. Die öffentliche Hand sollte tief in die Geldbörsen der Reichen greifen und sich da das Geld holen um zu finanzieren was notwendig ist. Eine große gemeinsame Demo von Initiativen und Betriebsrät*innen in diesem Bereich, hätte das Potential, die politische Themensetzung der nächsten Monate mitzubestimmen und so die Basis für langfristige Organisierung, konkrete Kämpfe und echte Erfolge zu legen.

Das sollte der gemeinsame Nenner sein. Was die Initiativen und Bereiche im Detail fordern, soll seinen Platz auf gemeinsamen Demos & Aktionen haben.

So ein Bündnis ist auch auf Dauer sinnvoll, um gemeinsam gegen mögliche kommende Kürzungen zu mobilisieren. Das klassische Prinzip der Solidarität wird uns helfen, uns gegen die Regierungen der Reichen besser zu wehren.

Aber anfangen sollten wir mit einem gemeinsamen Mobilisierungs-Ziel - einer großen Demonstration im Herbst. In Wien sollte diese am besten kurz vor der Wahl (z.B. am 3.10.) stattfinden. Wenn sich in anderen Bundesländern auch Bündnisse formen, sollten deren Aktionen am besten für den gleichen Tag geplant werden. Das gibt uns den ganzen Sommer, um in und vor Betrieben zu mobilisieren, weitere Bündnispartner*innen zu gewinnen und verschiedene Mobi-Aktionen zu starten. Einen Sommer, um über gemeinsame Arbeitsfelder und Forderungen zu diskutieren und um das Zusammenarbeiten zu üben. Ein sinnvoller nächster Schritt wäre dann z.B. eine größere Konferenz, um noch mehr Aktivist*innen einzubinden, denn es gibt viel zu tun!

Als SLP schließen wir uns dem Bündnisaufruf von “Sozial Aber Nicht Blöd” an. Dieser hat auch schon viele interessierte Antworten bekommen. Wir werden uns aktiv in die Formierung dieses Bündnisses einbringen, aber auch als ganze Organisation unser Hauptaugenmerk auf eine Kampagne rund um diese Frage legen. SLP-Infotische, Flyer-Aktionen, Kundgebungen,  aber auch inhaltliches wie eine Artikelserie auf der Website und  für die Zeitung Vorwärts, die sich intensiv mit der Frage “Ausfinanzierung” beschäftigt, sind in Arbeit.

Gewerkschaften aufrütteln - mit Druck von unten!

Wir freuen uns auf auf diese Kampagne und hoffen sie mit vielen anderen gemeinsam zu führen. Wir glauben hier einen wichtigen Ansatzpunkt zu haben, um Kolleg*innen wirklich zu organisieren. Eigentlich wäre es die Aufgabe der Gewerkschaften so eine Kampagne zu organisieren, als logischer Anschluss an die Streikbewegung in der Sozialwirtschaft. Aber die Gewerkschaftsspitze weigert sich so eine Kampagne zu organisieren, was sicher auch damit zusammen hängt, dass die für die Finanzierung verantwortlichen Stadtregierungen oft von der SPÖ geführt werden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich kämpferische Betriebsrät*innen und aktive Beschäftigte selbstständig an der Basis organisieren und von unten Druck auf die Gewerkschaften aufbauen. 

Mit diese Kampagne wollen wir auch Kraft sammeln, um entgegen dem 3-Jahres-KV, 2021 echte Verbesserungen zu erkämpfen, um Dinge wie Ur-Abstimmungen aller Beschäftigten zu KV-Abschlüssen in allen Branchen durchzusetzen.

Sichtbarer Widerstand und eventuelle Erfolge, können sich auch auf andere Branchen auswirken. Im Argen liegt es eigentlich überall, Ziele für die es sich zu kämpfen lohnt haben alle Beschäftigten. Um aus einer Stimmung eine schlagkräftige Bewegung zu machen braucht es eben manchmal einen Stubser in die richtige Richtung. Ein starkes Bündnis im Gesundheits- und Sozialbereich könnte das sein.

Melde Dich bei uns wenn Du aktiv werden willst!  Wir können Dir auch helfen eine Basisinitiative in Deinem Bereich zu finden. In unseren SLP Ortsgruppen werden wir auch regelmäßig über unsere Kampagne diskutieren und Aktionen planen, auch das ist ein super Startpunkt um aktiv zu werden!

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Gesundheit statt Profit!

Kürzungen drohen – Bewegung von unten notwendig!

Sondernummer zum internationalen Tag der Pflege am 12. Mai. Die SLP hat sich an Protesten und Aktionen in WIen, Linz und Graz beteiligt oder sie organisiert.

Während der Corona-Krise haben die Beschäftigten in Gesundheits- und Sozialbereich unglaubliches geleistet - und das unter den schwierigsten Bedingungen. Ohne die Kolleg*innen und andere Beschäftigte wäre es nicht möglich gewesen, die letzten Wochen zu bewältigen.

Dabei hat es die Politik den Kolleg*innen nicht einfach gemacht: In den meisten Einrichtungen ist bis heute nicht ausreichend Schutzausrüstung vorhanden, Beschäftigte wurden unter Druck gesetzt, mehr als 60h pro Woche zu arbeiten. Belegschaftsvertreter*innen, die Missstände angesprochen haben waren mit Repression oder sogar Kündigung konfrontiert. Dazu kommt noch, dass viele der Beschäftigten, vor allem Frauen, mit verschärfter Doppelbelastung konfrontiert sind.

Trotzdem beginnen Politiker*innen und selbsternannte “Expert*innen” schon damit, zu betonen, dass Einsparungen im Gesundheitsbereich trotzdem weiter nötig sind. Wir können davon ausgehen, dass nach der Corona-Krise die Politik wieder versuchen wird, den Gesundheits- und Sozialbereich weiter kaputt zu kürzen. Sie werden die 35 Milliarden, die jetzt vor allem großen Konzernen geschenkt werden, bei genau denen einsparen wollen, die während der Corona-Krise in der ersten Reihe gestanden sind.

Das verhindern kann nur eine aktive Bewegung der Beschäftigten und der solidarischen Bevölkerung. Schon in den letzten Jahren vor der Krise haben sich immer wieder Betroffene organisiert, um die Missstände zu bekämpfen, die schon vor Corona massiv waren. Vor einigen Jahren haben Krankenpfleger*innen in verschiedenen Städten Proteste unter dem Motto “Care Revolution” organisiert, letztes Jahr haben zahlreiche Pfleger*innen in Wien für gleiche Bezahlung für alle Beschäftigten demonstriert und in den letzten 3 Jahren haben die Beschäftigten im privaten Sozialbereich jedes Jahr für Arbeitszeitverkürzung und höhere Löhne gestreikt.

Die Solidarität mit den Beschäftigten ist riesig. Das zeigt der abendliche Applaus, aber auch die über 130.000 Menschen, welche die Forderung nach einem Corona-Tausender des ÖGB unterschrieben haben - aber es wird notwendig sein, diese Solidarität in eine aktive Bewegung zu verwandeln und Verbesserungen auch wirklich zu erkämpfen. In Wien gibt es mit den anstehenden Wahlen auch eine gute Gelegenheit, dieses Thema in das Zentrum der politischen Debatte zu Rücken.

Als SLP wollen wir hier in den nächsten Wochen und Monaten aktiv sein und gemeinsam mit anderen eine Kampagne für die Ausfinanzierung des Gesundheits- und Sozialbereichs organisieren. Wenn du mithelfen willst, melde dich bei uns!

Unsere Forderungen für Gesundheit und Soziales:

1. Die Pandemie ist nicht vorbei - Schutz und Tests für alle sicherstellen!

Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich müssen geschützt werden. Alle Beschäftigten, Patient*innen und Klient*innen im Gesundheits- und Sozialbereich müssen Zugang zu regelmäßigen Tests haben. Der Staat muss die Produktion von Schutzkleidung oder Tests anordnen. Wenn Unternehmen sich weigern, müssen sie enteignet und unter die demokratische Kontrolle von Belegschaften, Gewerkschaften und öffentlicher Hand gestellt werden.

2. Systemrelevante verdienen mehr!

Vom Applaus der Politiker*innen können sich Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich leider nichts kaufen. Deshalb fordern wir eine dauerhafte Lohnerhöhung um 500€ plus einer Corona-Prämie in der Höhe von 500€ pro Monat, in dem unter erschwerten Corona-Bedingungen gearbeitet wird.

3. Mehr von uns ist besser für Alle - Mehr Personal sofort!

Es braucht eine einheitliche und transparente Personalbemessung für Pflege, Spital und Sozialbereich - erarbeitet von Beschäftigten, Patient*innenvertreter*innen und Gewerkschaft - und damit verbunden eine massive Neueinstellung von Personal. Mindestens 20% Personal fehlen in Krankenhäusern und anderen Bereichen. Als ersten Schritt fordern wir deshalb 20% mehr Personal für den gesamten Gesundheits- und Sozialbereich.

4. Arbeitszeitverkürzung und Corona-Sonderurlaub!

Gegen die enorme Arbeitsbelastung braucht es zunächst eine Arbeitszeitverkürzung auf 35-Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich. Wir fordern auch eine 6. Urlaubswoche für alle Beschäftigten sowie eine Woche Sonderurlaub für jedes Monat Arbeit unter verschärften Corona-Bedingungen.

5. Ausbildung ordentlich bezahlen!

Pflegekräfte in der Ausbildung erhalten kein echtes Gehalt, trotz der enormen Arbeit während der Ausbildung und des Personalmangels. Das macht es vielen Menschen schwer, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Wir brauchen schon in der Ausbildung eine Bezahlung, von der man leben kann.

6. Milliarden für Gesundheit und Soziales - die Reichen sollen zahlen!

Sowohl Bund als auch Länder müssen sofort Milliardenpakete für den Gesundheits- und Sozialbereich schnüren, um die Kürzungen der vergangenen Jahre auszugleichen. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das sich an Bedürfnissen der Patient*innen und Klient*innen orientiert, und nicht an Profiten oder “Wirtschaftlichkeit”. Das muss finanziert werden durch eine “Corona-Abgabe” und langfristig hohe, stark progressive Vermögenssteuern für Superreiche, große Banken und Konzerne.

7. Gesundheit und Soziales in die öffentliche Hand!

Der gesamte Gesundheits- und Sozialbereich wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer stärker Profitkriterien unterworfen. Die Corona-Krise zeigt, dass wir uns ein profitorientiertes Gesundheitssystem nicht leisten können. Es braucht eine Rückführung aller ausgelagerten Bereiche in die öffentliche Hand - von der Reinigung bis zur Verpflegung. Aber auch darüber hinaus muss alle Produktion, die notwendig für unsere Gesundheit ist (Medizintechnik, Schutzausrüstung, Pharmaindustrie) in öffentlicher Hand sein, um sicherzustellen, dass es nicht zu Versorgungsengpässen kommt und keine Profite mit Gesundheit gemacht werden.

Es gibt keinen gesunden Kapitalismus! Für eine internationale sozialistische Alternative!

Im Kapitalismus kommt Profit immer vor Gesundheit. Der Sozialstaat, den die Arbeiter*innenbewegung in der Vergangenheit durch Druck von unten erreichen konnte, wird abgebaut. Jede Verbesserung, die wir heute gewinnen, steht morgen schon wieder unter Beschuss. Durch miese Arbeitsbedingungen, schlechte Wohnungen, verschmutzte Luft und Dauerstress zerstört der Kapitalismus tagtäglich unsere Gesundheit. Deshalb kämpft die SLP nicht nur jetzt für Verbesserungen sondern auch für eine sozialistische Alternative zu diesem kranken System.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Gewerkschaften und Corona

Wir brauchen kämpferische Gewerkschaftspolitik statt “nationalen Schulterschluss”.
Christian Bunke

In der Krise schlägt die große Stunde der Sozialpartnerschaft. Es ist aber eine „Partnerschaft“, von deren Gestaltung die Gewerkschaftsmitglieder nicht nur völlig ausgeschlossen sind, sondern wo noch dazu hinter ihrem Rücken drastische Verschlechterungen umgesetzt werden.

Große Schockwellen schlug insbesondere die plötzliche Verkündung eines Verhandlungsergebnisses für einen neuen Kollektivvertrag im Pflege- und Sozialbereich (https://www.slp.at/artikel/sozialwirtschafts-sw%C3%B6-abschluss-2020-ein-verrat-mit-folgen-9990). Zu einer Zeit, in der Streiks und betriebliche Kampfmaßnahmen aufgrund des Corona-Ausnahmezustandes drastisch erschwert waren, wurde ein auf drei Jahre ausgerichteter Kollektivvertrag beschlossen, der keine der gestellten Forderungen – zu nennen ist u.a. die 35-Stundenwoche – erfüllt. Eine Urabstimmung über den neuen Kollektivvertrag wird es auch nicht geben. Kolleg*innen fordern das zwar, die Gewerkschaftsführung aber lehnt das ab.

Ausnahmezustände zeigen die realen Machtverhältnisse in einer Gesellschaft viel klarer als sonst. Das gilt auch für die Gewerkschaften und deren Selbstverständnis. Gerade die österreichischen Gewerkschaften treten meistens als “Berater*innen” auf, welche Tipps für eine “bessere” Verwaltung (und Aufrechterhaltung) der bestehenden Ordnung geben wollen. Ihnen geht es nicht um eine Überwindung des Profitsystems an sich, sondern um dessen “bessere” Steuerung, um Arbeitnehmer*innen etwas mehr Krümel vom großen Kuchen zukommen zu lassen. Gerade in Zeiten eskalierender Wirtschafts-, Umwelt- und Gesundheitskrisen stößt dieser Ansatz jedoch an - seine stets existierenden - deutlichen Grenzen.

Autoritäres Politikverständnis 

Die im Arbeitskampf in der österreichischen Sozialwirtschaft (SWÖ) gewählte Vorgehensweise der Gewerkschaftsspitzen von GPA und VIDA enthüllt auf brutale Weise, welche Rolle sie für sich beanspruchen und wie es um ihr Demokratieverständnis bestellt ist. Eine Urabstimmung sei nicht nötig, hieß es seitens der GPA, weil die Betriebsrät*innen, welche die Verhandlungen mit den Arbeitgeber*innen geführt hätten, eh schon demokratisch legitimiert seien. Der Abschluss sei gerechtfertigt, gerade weil in der jetzigen Situation keine Streiks möglich seien.

Es ist ein sehr autoritäres Verständnis gewerkschaftlicher Politik, welches sich hier widerspiegelt. Genauer gesagt: Hier zeigt sich, wie autoritär die Situation in den Arbeitsplätzen eigentlich ist. Es gibt Vorgesetzte, es gibt gewerkschaftliche Funktionär*innen. Den Anweisungen beider Seiten haben die einfachen Kolleg*innen in den Betrieben Folge zu leisten. Wichtigste Aufgabe der Gewerkschaftsfunktionär*innen ist in diesem Verständnis in der Krise die Sicherung ruhiger Verhältnisse. Deshalb braucht es auch einen auf drei Jahre ausgerichteten Kollektivvertrag. Vor allem wenn der zu erwartende Wirtschaftseinbruch zu Einsparungen und somit zu Angriffen auf Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege- und Sozialwirtschaft führen wird, soll so gewährleistet werden, dass auf der Kollektivvertragsebene in den kommenden Jahren nicht gegengesteuert werden kann. Gleichzeitig zeigen sich hier einmal mehr die von den Gewerkschaftsspitzen selbst auferlegten Grenzen: Ein Abschluss sei jetzt nötig gewesen, weil man in Zeiten eines Wirtschaftseinbruchs eh nichts herausholen könne - eine vorauseilende Kapitulation gegenüber den Arbeitgeber*innen und der Politik. 

 Auffällig ist, dass es derzeit gerade die Gewerkschaften dominierenden sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionär*innen sind, welche die Herstellung „friedlicher“ Verhältnisse durchpeitschen. Auch in der Bauindustrie wird auf Großbaustellen trotz großer Sicherheitsbedenken aufgrund des Corona-Virus wieder gearbeitet. Die Wirtschaft wollte das so, die Regierung verhängte deshalb keinen generellen Baustopp, die Gewerkschaft stimmte zu. Zwar will man ganz genau kontrollieren, dass Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden – ähnlich wie im Gesundheitswesen dürfte es damit aber eher mau ausschauen. Schon in „normalen“ Zeiten werden die geltenden Sozialstandards nur mangelhaft eingehalten.

Die staatstragende DNA des ÖGB

Seit seiner Gründung nach dem 2. Weltkrieg ist der ÖGB staatstragend und systemstabilisierend. Das gehört zur DNA dieser Organisation. http://(https://www.slp.at/broschueren/gewerkschaften-im-21-jahrhundert-%E2%80%93-aufgaben-grenzen-m%C3%B6glichkeiten-6048). Das hat auch eine politische Dimension. In den letzten Jahrzehnten hat sich gerade die SPÖ (natürlich in enger Zusammenarbeit mit den anderen Parteien) an einem neoliberalen Umbau Österreichs aktiv beteiligt. Dieser politische Ansatz wirkt sich naturgemäß auch auf die Strukturen der Gewerkschaften aus. Viele Funktionär*innen haben Mehrfach-Funktionen – in Partei, Gewerkschaft und Parlament. Für die anderen Parteien, wie zum Beispiel die ÖVP, gilt dies ebenfalls. Bis auf Ausnahmen ist aber in den Gewerkschaften nach wie vor die SPÖ in den Strukturen dominierend. Und während früher die Gewerkschaft die Sozialdemokratie beeinflusste, ist es heute anders herum: Die SPÖ nutzt ihren Einfluss, um die Gewerkschaften still zu halten bzw. für ihre Wahlkampfzwecke einzuspannen.

So ist es kein Wunder, dass, wenn ein sozialdemokratischer Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker eine „Rückkehr zur Normalität“ fordert, weil „die Wirtschaft“ den „dauerhaften Stillstand nicht stemmen“ könne, gleichzeitig vor allem sozialdemokratische Funktionär*innen in den Gewerkschaften darauf hinarbeiten, dass „die Wirtschaft“ wieder anläuft. Gleichzeitig versuchen sie, „die Wirtschaft“ weitestgehend zu retten. Deshalb werden gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden und der Regierung Maßnahmen wie die Kurzarbeit ausgehandelt. (https://www.slp.at/artikel/mogelpackung-kurzarbeit-9988) Kaschiert wird dabei, dass es die Lohnabhängigen sind, die einen empfindlichen Preis dafür zahlen, etwa indem Urlaubsansprüche gesetzlich angegriffen werden. Begründet werden solche Maßnahmen letztendlich damit, dass nur so die Konzerne und letztendlich die Arbeitsplätze gerettet werden können. “Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut” ist zwar der Slogan der Wirtschaftskammer, doch die Gewerkschaftsspitze ist ihre eifrigste Unterstützerin.

Hier muss auch angesprochen werden, dass es in den Gewerkschaftsapparaten durchaus auch v.a.jüngere Funktionär*innen gibt, welche teilweise politisch mit linken Positionen und Forderungen aufhorchen lassen. Diese müssen sich aber fragen lassen, welchen Beitrag sie leisten, um die eingefahrenen Co-Management-Prinzipien in den Gewerkschaften im Sinne kämpferischerer Handlungsmethoden zu ersetzen. Hier braucht es einen Bruch mit eingefahrenen Mechanismen: die Rolle von Gewerkschaftshauptamtlichen muss viel stärker auch in der Unterstützung selbstorganisierter Kämpfe arbeitender Menschen liegen.  Gewerkschaftsmitglieder, und nicht Funktionär*innen und Hauptamtliche, müssen das letzte Wort über wichtige Entscheidungen haben. Diese Veränderung ist dringend zu erkämpfen!

Auf der Strecke bleibt derzeit jeder Ansatz von gewerkschaftlichen Aktivismus, der sich nicht über die Zusammenarbeit mit den Unternehmer*innen, sondern über die Selbstaktivität der Mitgliedschaft in den Betrieben definiert. Ein solcher Ansatz bräuchte auch ein völlig anderes politisches Selbstverständnis – nämlich eines, welches von der Möglichkeit und der Notwendigkeit zur Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems ausgeht. Das haben die Funktionär*innen der österreichischen Gewerkschaften aber nicht, es bleibt das Co-Management. Und es bleibt das Akzeptieren kapitalistischer Sachzwänge - und die lassen eben in Zeiten von Wirtschaftskrisen keine Spielräume für die Bedürfnisse der Beschäftigten. Gerne versucht die Gewerkschaftsführung den „Keynesianismus” bzw. diverse Wirtschaftsmodelle aus diesem Lager als Alternative zu präsentieren. Sie ignorieren dabei, dass die Praxis keynesianischer Wirtschaftspolitik in ihren verschiedenen Ausprägungen nicht “linker” oder fortschrittlicher ist und v.a. in den begrenzten Spielräumen der kapitalistischen Notwendigkeiten stecken bleibt. Im Kapitalismus sind Lohnkosten (und alles was dazu gehört) immer ein Kostenfaktor, der gerade mit zunehmender Konkurrenz gesenkt werden muss. Der Staat aber ist kein neutraler Schiedsrichter oder gar Problemlöser für alle, sondern ein Instrument der herrschenden Klasse, und das sind die Kapitalist*innen, um möglichst gute Rahmenbedingungen im Wettbewerb herzustellen. 

Dies führt immer wieder zu inhaltlichen Widersprüchen. So hat sich die Gewerkschaft VIDA in der Klimafrage einerseits zu einem sozial gestalteten ökologischen Umbau der Wirtschaft bekennt, fordert in der Corona-Krise aber andererseits einen Ausbau von Langflugstrecken zur Rettung der AUA. Das eine ist mit dem anderen nicht vereinbar, vor allem wenn man in der kapitalistischen Logik verharrt. Die Rettung der Jobs bei der AUA (und aller anderen Jobs) muss deshalb mit einem sozialistischen Programm verbunden werden, das neue Jobs in anderen Bereichen sowie Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn beinhaltet. Wichtig ist auch gerade hier die Zusammenarbeit mit der Klimaschutzbewegung, etwa mit Strukturen wie „Workers for Future”. Generell sind die „natürlichen” Bündnispartner*innen der Gewerkschaften nicht das Management oder die Regierung(en), sondern vielmehr die  verschiedenen außerparlamentarischen Bewegungen wie die Klimabewegung (denn Arbeiter*innen sind vom Klimawandel besonders betroffen), die Frauenbewegung (denn es kann keine starke Arbeiter*innenbewegung ohne Frauen geben), die Flüchtlingsbewegung (denn die Spaltung der Arbeiter*innenklasse in „In- und Ausländer*innen” schwächt alle) etc.. 

Kämpferische, sozialistische Gewerkschaftsbewegung aufbauen

Der Raum für ein sozialpartnerschaftliches Co-Management, bei welchem auch für arbeitende Menschen einige Krümel abfallen, ist in den letzten Jahren immer kleiner geworden. Nicht ohne Grund haben die betrieblichen Auseinandersetzungen auch in Österreich zugenommen – vor allem im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich haben sich Initiativen von unten gegründet, seien es „Sozial aber nicht blöd" (https://www.facebook.com/sozialabernichtbloed/) oder „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Mit ihnen wählen Beschäftigte einen konfrontativeren Kurs, der dringend nötig ist, um selbst einfachste Verbesserungen durchsetzen zu können. Dies führt sie gleichzeitig in einen Konflikt mit sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionär*innen. So kam es beim 1. Mai-Aufmarsch in Wien 2019 zu einem offenen Bruch, als Aktivist*innen aus den Krankenhäusern vor der Rathausbühne lautstark Verbesserungen einforderten, während Funktionär*innen mit fast schon körperlicher Gewalt den Abbruch der Aktion verlangten. Auch zuvor gab es schon Proteste gegen die Gewerkschaftsspitzen. Die Wut unter Beschäftigten im Pflege- und Sozialbereich über den neuen KV-Abschluss bei der Sozialwirtschaft Österreich steht in einer ähnlichen Tradition.

Tatsächlich hat sich die Gewerkschaftsspitze in eine Position als Bittsteller*innen manövriert. Dies liegt in der Natur der Sache. Zu mehr als der Aufstellung von Forderungen auf dem Papier sind die Gewerkschaftsführungen aufgrund ihrer seit Jahrzehnten bestehenden politischen und ideologischen Ausrichtung nicht in der Lage. Das gewerkschaftliche Agieren in Zeiten von Corona ist geprägt durch Selbstbeschränkung. Sie fordern besseren Kündigungsschutz für freigestellte Beschäftigte aus Risikogruppen – ohne eine Strategie zur Durchsetzung dieser Forderung in Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen selbst auszuformulieren. Der Streik kommt ihnen als Kampfinstrument nur in den Sinn, wenn er von unten eingefordert und somit nicht verhinderbar ist.

Das hat Konsequenzen für die Lage in den Betrieben zu Corona-Zeiten. Die Coronakrise bedeutet scharfe Angriffe auf Arbeitnehmer*innenrechte, welche darauf abzielen, das Kräfteverhältnis dauerhaft und nachhaltig zu Ungunsten der Lohnabhängigen zu verschieben. Die starke Verunsicherung Vieler über ihre berufliche Zukunft wird von den Unternehmen schamlos ausgenutzt. Viele haben Angst, bald ohne Job dazustehen. Um dem zu begegnen, braucht es einerseits ein politisches Programm, welches die SLP (https://www.slp.at/artikel/sozialistinnen-und-die-covid-19-pandemie-9951) versucht hat in Ansätzen auszuformulieren. Es braucht aber auch den Aufbau von Selbstorganisation an der betrieblichen Basis, um den Kolleg*innen das Vertrauen zu geben, sich gemeinsam zu wehren, falls nötig. In Italien, Frankreich, den USA, Großbritannien und anderen Ländern hat es bereits in einer Reihe von Branchen Streiks gegeben, um sichere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Teilweise konnten den Chefs so auch Zugeständnisse abgerungen werden. (https://www.slp.at/artikel/covid-19-sozialistische-antworten-auf-die-corona-krise-4948)

Wenn Corona eines zeigt, dann die immer dringlichere Notwendigkeit zum Aufbau einer politisch geschulten und vor Ort handlungsfähigen Gewerkschaftsbewegung. Eine solche Gewerkschaftsbewegung darf nicht beim Kampf um die vom Tisch der Bosse herabgeworfenen Brotkrümel stehenbleiben, sondern muss viel weiter gehen: Sie muss das Profit- und Verwertungssystem unserer heutigen Gesellschaft direkt angreifen und den Besitzenden ihren Platz am Tisch streitig machen. Dafür braucht es letztendlich auch politische Organisation in Form einer kämpferischen und aktivistischen Partei für lohnabhängige Menschen, egal ob sie gerade erwerbslos sind, einen Job haben oder als sogenannte „neue” Selbstständige arbeiten. Die Zurückgewinnung der Gewerkschaften als Kampforganisationen und der Aufbau einer solchen neuen Arbeiter*innenpartei sind zwei eng miteinander verflochtene Aufgaben, die sich die SLP zur Aufgabe gesetzt hat.

Sozialwirtschafts (SWÖ)-Abschluss 2020: Ein Verrat mit Folgen

Hinter dem Rücken und auf dem Rücken der Beschäftigten des Sozialbereichs - das ist der faule Deal der Gewerkschaftsbürokratie!
Eine Stellungnahme der SLP-Bundesleitung vom 1.4.2020

Wut. Das ist das Gefühl Vieler, die wieder und wieder gestreikt haben, die den kämpferischen Reden der Gewerkschaftsbürokrat*innen zugehört haben, die viel riskiert haben, weil sie öffentlich und auch für die Arbeitgeber*innen deutlich sichtbar demonstriert haben. Unendlich viel Kraft hat es Betriebsrät*innen und Streikkomitees gekostet unter den Kolleg*innen zu mobilisieren und den Ablauf der Proteste sinnvoll zu gestalten. Viel “Neuland” gab es zu erkunden, denn drei Streikrunden in einem KV Konflikt und vor allem öffentliche Streikaktionen sind in Österreich extrem selten. Sogar nach Verhängung der ersten Corona-Maßnahmen gab es noch selbst organisierten Protest. Und alles das für diesen Abschluss?

Das gleiche Angebot (2020: +2,7%, 2021: Inflation +0,6%, 2022: 1h Arbeitszeitverkürzung) hatten die Arbeitgeber*innen schon früher gemacht und es wurde als Verhöhnung abgelehnt. Warum sollte es jetzt weniger eine Verhöhnung sein? Alles was jetzt mehr dazu kommt sind 500€ Einmalzahlung als “Corona-Prämie”. Die Gewerkschaft tut so als sei angesichts von Corona nicht mehr möglich gewesen und ist sich nicht zu dumm das Ergebnis als Erfolg zu feiern. +2,7% bei Löhnen und Gehältern in der Branche, die 19% (!!) unter dem Durchschnitt liegen sind der erste Schlag ins Gesicht. Laut Statistik Austria lag die Inflation im Februar im Vergleich zum Vorjahr bei 2,2%. Also satte 0,5% Lohnerhöhung. Nächstes Jahr dann gerade mal 0,6%, also wieder so gut wie nichts. 2022 sollen alle dann ganz auf eine Lohnerhöhung verzichten, um 1h Arbeitszeitverkürzung zu bekommen. Die Teilzeitbeschäftigten bekommen dann zwar etwas mehr, aber gleichzeitig müssen auch sie dann intensiver arbeiten: Wie soll es bei einer Stunde Arbeitszeitverkürzung einen Personalausgleich geben?? Gerade in dieser Branche gibt es viele Standorte, die weniger als 10 Beschäftigte haben. Soll dann ein extra-Arbeitsplatz für die paar Stunden geschaffen werden? In Wirklichkeit wird es den nicht geben, sondern die gleiche Arbeit in weniger Zeit verlangt werden - und das in der Branche mit Rekord-Burn-Out Raten. Zu allem Überfluss gibt es auch noch Verschlechterungen bei den Mehrstundenzuschlägen...

Viel, viel mehr wäre möglich gewesen!

Die Wochen vor Einführung der Corona-Maßnahmen haben eine historische Streikbewegung gesehen. Es hat auch in den letzten Jahren Streiks mit mehr Beschäftigten gegeben, aber so viel Beteiligung in Form von Demonstrationen, kreativen Aktionen und Opferbereitschaft so Vieler hat so keine*r der Beteiligten bisher erlebt. Extrem wichtig war auch die KV-übergreifende Solidarität von SWÖ, Caritas und BABE (Erwachsenenbildung). Dabei hat sich wieder gezeigt: Der Gesundheits- und Sozialbereich ist der, mit der besten Basisorganisierung in Österreich. Die diversen formellen und informellen Netzwerke von Betriebsrät*innen und kämpferischen Kolleg*innen waren es, die diese Bewegung ins Laufen gebracht und gehalten haben.
Gleichzeitig war die Solidarität aus anderen Branchen und der ganzen Bevölkerung deutlich spürbar. Wer auf den Demos war oder bei einer der Infotisch- oder Flyeraktionen dabei war, wird bestätigen: Die Reaktionen von Passant*innen waren überwältigend positiv. Das ist in einer Branche, die im Wesentlichen von öffentlichen Geldern abhängig ist, besonders wichtig.

Corona hat es zwar erstmal fast unmöglich gemacht den Protest in gewohnter Form auf die Straße zu tragen, aber die Solidarität wurde noch größer. Die Hochachtung und Dankbarkeit gegenüber all denen, die jetzt in der Behindertenbetreuung, in der Hausaufgabenhilfe, in den Pensionist*innenheimen, in der Asylarbeit und an so vielen anderen entscheidenden Orten den Betrieb unter extrem schweren und gefährlichen Bedingungen am Laufen halten ist mit Händen zu greifen. Viele Leute klatschen Abends von Balkonen und Fenstern für die Beschäftigten - ein echtes Zeichen von Dankbarkeit und Solidarität (im Gegensatz zu den geheuchelten und leeren Lobpreisungen durch die Regierung, die es in der Hand hätte, auf einen Schlag die Arbeits- und Einkommensbedingungen der “Held*innen” zu verbessern). Und da soll nicht mehr möglich gewesen sein als dieser Abschluss?
Nein, das ist eine Ausrede der Gewerkschaft. Sonst hätten sie den Abschluss auch nicht in so einer Nacht- und Nebelaktion durchgeboxt. Übrigens ist es den Kolleg*innen in der Erwachsenenbildung (BABE-KV) ganz ähnlich ergangen. (https://www.slp.at/artikel/babe-kv-unternehmen-nutzen-corona-krise-f%C3%BCr-deal-gegen-besch%C3%A4ftigte-9962).

Die Streiks, die ja eigentlich für den 24.und 25.03. angekündigt waren, wurden abgesagt weil es hieß, dass die SWÖ-Verhandlungen bis auf Weiteres wegen Corona ausgesetzt wären. Daran haben sich auch alle gehalten, obwohl die Vorbereitungen bereits liefen. Offensichtlich wurde aber doch weiter verhandelt, wir wurden schlicht belogen!
Und das gleich drei Jahre im Voraus. Das Argument der Abschluss sei ein Erfolg, weil Verhandlungen in den nächsten Jahren unter Kriegsähnlichen- bzw. Weltwirtschaftskrisen-Bedingungen und damit schwierigeren Bedingungen stattfinden werden, ist beispielhaft für die Haltung der Gewerkschaft. Was schwierige Bedingungen sind, hängt vor allem vom Kräfteverhältnis ab. Unter schwierigen Bedingungen wurde schon ganz andere Erfolge erkämpft, wie Wahlrecht, Verbot von Kinderarbeit oder überhaupt das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung. Wer so argumentiert wie die Gewerkschaft das tut, verschweigt wie stark eine organisierte und konsequente Streikbewegung sein kann - auch unter schwierigen Rahmenbedingungen
Warum hat die Gewerkschaft die Bewegung so hinter das Licht geführt? Um es deutlich zu sagen: Die FSG-(“Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter*innen, SPÖ in der Gewerkschaft)-Bürokratie ist dankbar für diesen Vorwand einen Abschluss herbei zu führen. Die Bewegung fing an, ihr über den Kopf zu wachsen. Unter normalen Umständen wäre es nicht mehr möglich gewesen so einen Abschluss vorzulegen ohne zu riskieren, dass sich die kämpferische Stimmung an der Basis auch gegen die Gewerkschaftsführung richtet. Aber die Gewerkschaftsbürokratie legt gerade jetzt mehr Wert darauf, sich so staatstragend wie ein Ministerium zu präsentieren, statt wirklich die Interessen ihrer Mitglieder durchzukämpfen. Das ist heute noch deutlicher als eh schon.

Organisieren!

Gerade weil wir alle Corona-bedingt in der Isolation sitzen ist es angesichts dieses Abschlusses sehr nachvollziehbar, wenn viele jetzt resignieren. So viel riskiert und dann so schändlich verraten! Das macht nicht nur wütend, sondern frustriert auch. Manch eine*r mag darüber nachdenken, jetzt aus GPA-djp oder VIDA auszutreten. Aber wir rufen dazu auf das Gegenteil zu tun! Wer noch kein Gewerkschaftsmitglied ist sollte jetzt eines werden. Wer es ist, sollte es bleiben. Aber nicht einfach nur so: Organisiert euch! Wer austritt, tut denen, die solche Abschlüsse verkaufen wollen nur einen Gefallen. Es ist höchste Zeit die Wut zu kanalisieren und den Druck innerhalb der Gewerkschaften zu erhöhen! Wir müssen über Massen-E-Mails, Facebook-Shitstorms, Anrufe und vieles, vieles mehr eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis verlangen. Wenn die Gewerkschaft so stolz auf ihren Abschluss ist, dann sollte sie den ja auch gegenüber den Mitglieder vertreten.
Und uns ist egal was der Abschluss sagt: Auf jeden Fall müssen wir nächstes Jahr wieder “verhandeln” und eine ordentliche Lohn- und Gehaltserhöhung UND eine Arbeitszeitverkürzung auf mindestens 35 h erkämpfen! Wir können uns diesen Abschluss nicht leisten, gerade angesichts der Corona-Krise. Wir müssen befürchten, dass die Milliarden-Rettungspakete zu Sparpaketen in allen öffentlichen Haushalten werden. Der Sozial- und Gesundheitsbereich ist fast schon “traditionell” ein Angriffsziel solcher Maßnahmen. Wir können gerade angesichts der schlechten Arbeitsbedingungen in der Branche nicht auf Offensiv-Forderungen verzichten.

Was tun?

Die SLP unterstützt die Basisinitiative “Sozial Aber Nicht Blöd”, die Betriebsrät*innen und kämpferische Kolleg*innen vernetzt und zwar inzwischen in Wien, der Steiermark und mit ersten Schritten in Oberösterreich. Ohne Initiativen wie diese, aber auch viele Andere wie “Resilienz” in Innsbruck, “Freiraum” und “KNAST” in Wien, “Sozialhackler*innen” in Graz… wäre die Streikbewegung so nie entstanden. In der Basisorganisierung liegt der Schlüssel nicht nur für erfolgreiche KV-Verhandlungen, sondern auch für das Erkämpfen von gewerkschaftlicher Demokratie.
Ähnliche Ansätze finden sich auch in anderen Bereichen wie dem KAV Wien, also den Wiener Spitälern, mit “Gleicher Lohn Für Gleiche Arbeit”. Wir müssen uns auf einen schweren Kampf um Einsparmaßnahmen rund um die Wirtschaftskrise einstellen und vorbereiten. Jetzt ist die Zeit Bündnisse zu schmieden und so bald wie eben möglich eine gemeinsame Demonstration zur Ausfinanzierung des Gesundheits- und Sozialbereichs zu organisieren. Das darf aber nur der Auftakt für einer entschlossenen Kampagne mit Streiks und Allem sein, das eben notwendig ist um erfolgreich zu sein. Wo Milliarden über Nacht locker gemacht werden können um nicht nur kleine Geschäfte sondern auch Milliardenschwere Konzerne und Banken zu retten, müssen ein paar Milliarden mehr für Gesundheit und Soziales  möglich sein! Wir können ja schonmal damit anfangen Abends Lärm zu machen mit Töpfen und Allem was uns einfällt, statt zu klatschen. Statt Jubel braucht es jetzt Protest um die Corona-Held*innen zu unterstützen.

Wir geben den SWÖ-Abschluss 2020 noch nicht auf und kämpfen hier für eine Urabstimmung. Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz, die “Schwester-KVS” haben noch nicht abgeschlossen und wir sollten verhindern, dass weiter verhandelt wird so lange wir Corona-bedingt bei Kampfmaßnahmen eingeschränkt sind. Werde jetzt dafür aktiv, mit Initiativen wie “Sozial Aber Nicht Blöd” und werde Mitglied bei der SLP!


Wir stellen seit Jahrzehnten alle unsere Artikel, Zeitungen und Broschüren kostenlos zur Verfügung und werden das auch in Zukunft nicht ändern. Der Zugang zu Information darf nicht am Geld scheitern. Um all das aber weiter produzieren zu können ersuchen wir unsere Leser*innen darum, uns “Lesespenden” zu überweisen. 

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Mogelpackung Kurzarbeit!?

Kurzarbeitsregelung ist großes Geschenk an die Unternehmen, finanziert aus Steuergeldern

Das Konzept klingt simpel: Betriebe haben die Möglichkeit, Beschäftigte in Kurzarbeit zu schicken. Zwischen 10 und 90 % kann die Reduktion der (bisherigen) Arbeitszeit betragen. Die Ersatzrate für die/den Beschäftigten beträgt - je nach vorigem Einkommen gestaffelt - zwischen 80 und 90 %. "Der Dienstgeber zahlt nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, den Rest übernimmt das AMS" fasst der Standard zusammen. Klingt nach einem guten Modell, viele Arbeiternehmer*innen werden froh sein, wenn so der Arbeitsplatz gesichert ist. Zudem wäre bei Arbeitslosigkeit die Ersatzrate nur 55-60 % des bisherigen Einkommens. Der ÖGB, maßgeblich mitverantwortlich für die "Corona-Kurzarbeit", ist begeistert: "Das neue Kurzarbeitsmodell werde von den Unternehmen sehr gut angenommen, berichtet ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in einem aktuellen Interview. Zehntausende österreichische Betriebe haben in den letzten Tagen Anfragen zur Kurzarbeit gestellt. In über 20.000 Unternehmen gibt es bereits konkrete Vorbereitungen, viele weitere haben Kündigungen zurückgezogen, um ebenfalls auf Kurzarbeit umzustellen." (www.oegb.at) Der Gewerkschaftliche Linksblock GLB sieht das zwar ein wenig kritischer, nimmt aber trotzdem positiv auf die Kurzarbeit Bezug, wenn er Unternehmen rät jetzt nicht zu kündigen: "Es ist unverständlich, dass zahlreiche Unternehmen trotz weitreichendem Kurzarbeitsmodell auf ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihrem Personal pfeifen und stattdessen lieber kündigen, kündigen und kündigen“ kritisiert Linksgewerkschafter Stingl." (www.glb.at) Also aus gewerkschaftlicher Sicht - fraktionsübergreifend - alles paletti; zumindest mit der Kurzarbeit?

Klar ist, dass jedeR Beschäftigte aktuell froh ist, nicht zu den bald 200.000 Menschen zu gehören, die Coronabedingt bereits ihren Job verloren haben. Darauf zählen auch die Unternehmen, wissen sie doch um die Erpressbarkeit „ihrer“ Beschäftigten. Bei näherem Hinschauen zeigt sich allerdings rasch, dass bei der Kurzarbeitszeitregel der Teufel im berühmten Detail steckt.

Arbeitsplatz nur ein Monat nach Ende der Kurzarbeit sicher

Während der Betrieb zur Kurzarbeit angemeldet ist, muss der Beschäftigtenstand zwar gleichbleiben. Soweit so gut. Danach aber kann in der Folge erst recht abgebaut werden: Der Kündigungsschutz für Arbeiternehmer*innen beträgt individuell genau ein Monat nach Ende der (eigenen) Kurzarbeit. 

Beschäftigte zahlen in jedem Fall drauf

Und die Beschäftigten zahlen in jedem Fall drauf. Erstens durch die Einkommensverluste (mindestens 10 %). Zweitens wohl durch die gelebte Praxis in den Betrieben: Das Modell bedeutet, dass Unternehmen am meisten Förderung abholen, wenn sie ihre Beschäftigten möglichst auf das Mindestmaß von 0 % des bisherigen Beschäftigungsausmaßes reduzieren. Ob sich in der Praxis dadurch die real geleistete Arbeitszeit um 100 % verringert, darf mehr als bezweifelt werden. Schon bisher wurden ja beispielsweise 17 % der Überstunden nicht korrekt vergütet. Gerade in Zeiten der Krise stehen Arbeiternehmer*innen massiv unter Druck. Und schlussendlich drittens durch die Kosten dieses Modells: Aktuell ist eine Milliarde Euro für diese Subvention der Unternehmen vorgesehen, eine weitere Aufstockung aus (Lohn)Steuergeld ist jederzeit möglich. Zum Vergleich: Die 35 Stundenwoche in der Sozialwirtschaft (bei vollem Lohnausgleich) für die die Beschäftigten dort gerade in einem Arbeitskampf standen würde pro Jahr weniger als die Hälfte dieses Betrags kosten...

Kurz der Keynesianer?

Die Regierungsmaßnahme wirkt wie eine Abkehr vom bisher klar neoliberalen Kurz-Kurs. Doch wie auch andere bürgerliche Regierungen in Krisen (und Kriegs-)Zeiten geht es der aktuellen Regierung nicht wirklich um „die Beschäftigten“, auch wenn sie das Medienwirksam verkündet. Vielmehr geht es um eine Stabilisierung der politischen Lage sowie die Stützung der Massenkaufkraft um die österreichische Wirtschaft vor einem all zu harten Eintauchen in die kommende Krise abzufedern. Dass die Kosten dafür wieder einmal nicht die Unternehmen, sondern – kurz-, mittel- und langfristig – die Beschäftigten bzw. die Arbeitslosen werden zahlen müssen gehört auch zum Plan der Regierung.

Und die Gewerkschaft?

Sind die Gewerkschaften darauf vorbereitet, gegen den zu erwartenden Missbrauch der Kurzarbeitsregelung sowie den Versuch, uns dann die Kosten dafür umzuhängen (und nicht den Unternehmen) zu kämpfen? Sieht man sich den „nationalen Schulterschluss“ der Gewerkschaftsführung mit Regierung und Unternehmen an sowie die schon in Vor-Corona-Zeiten niedrige Bereitschaft, kämpferisch für die Interessen der Kolleg*innen einzutreten bleibt nur ein Schluss: die Basis muss sich selbst organisieren, will sie ihre Rechte verteidigen!

Unternehmen dürfen die Corona-Krise nicht auf ihre Beschäftigten abwälzen

  • Generelles Kündigungsverbot und Nichtigkeit aller bisherigen Kündigungen sowie Nichtigkeit aller (angeblich) „einvernehmlichen“ Kündigungen/Auflösungen
  • Volle Bezahlung bei Kurzarbeit, nicht bloß 80 oder 90%
  • Genereller Mindestlohn von 1.700 Euro
  • Arbeitslosengeld generell mindestens 1.700 Euro – unbefristete Auszahlung.
  • Müssen Firmen durch öffentliche Gelder „gerettet“ werden, dann Übernahme dieser Unternehmen durch die öffentliche Hand. Gegebenenfalls Umstellung von Produktion und Arbeit auf aktuelle benötigtes – organisiert durch Vertreter*innen der Belegschaft.
  • Finanzierung dieser Maßnahmen durch die Milliardenrücklagen der Großkonzerne – Wo liegen die Gewinne der letzten Jahre? Genaue Prüfung der Firmenunterlagen durch Vertreter*innen der Belegschaften und der Gewerkschaften.

 


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Kämpfen in Zeiten von Corona?

Wie weiter mit der Streikbewegung im Sozialbereich?

Der Corona bedingte Abbruch der Verhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ sowie Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz) war wohl unumgänglich. Es wäre falsch gewesen weiter zu verhandeln, während durch Ausgangssperre, Versammlungsverbot und das Arbeiten im Notstandsmodus das Streiken & Demonstrieren praktisch unmöglich gemacht wird. Verhandeln (im Online-Format) ohne die Möglichkeit zu kämpfen ist nur mehr betteln. Die Unterbrechung der Verhandlungen ist aber erstmal ein Entgegenkommen der Beschäftigten an den Virus. Das Mindeste ist der sofortige Ausgleich der Teuerungsrate rückwirkend auf den 1.1.20.. Das ist sicher keine Rücknahme der Forderung nach der 35h Woche und auch kein Verzicht auf echte Lohnerhöhungen, aber unmittelbar ist das nötig, um den Beschäftigten etwas an finanzieller Sicherheit zurück zu geben. Die Miete wartet nicht. Verhandlungen und auch die Kampfmaßnahmen müssen dann nach dem Ende der Corona-Maßnahmen wieder aufgenommen werden.

Vorbereiten so gut es geht

Leider haben sich die Verhandler*innen im BABE-KV dazu entschlossen, mit Verweis auf Corona “noch schnell” einen absurd schlechten Abschluss zu erzielen (https://www.slp.at/artikel/babe-kv-unternehmen-nutzen-corona-krise-f%C3%BCr-deal-gegen-besch%C3%A4ftigte-9962). Dass das im SWÖ nicht passiert ist, liegt an der Dynamik an der Basis, die die Streikbewegung längst entwickelt hat. Noch ist ein Abwürgen der Bewegung von oben so nicht möglich. Es ist eine entscheidende aber schwierige Aufgabe, diese Dynamik so gut es eben geht am Laufen zu halten. Wer kann, sollte die Zeit nutzen mit Kolleg*innen zu telefonieren und sie für kommende Aktionen vor zu mobilisieren. Die Zwangspause bei den Verhandlungen ist auch ein Chance für die, die die Zeit dazu finden, sich mit dem Verlauf “verwandter Streikbewegungen” vertraut zu machen, z.B. mit dem Streik bei der Charitè in Berlin oder dem KiTa Streik in NRW, wo spannende Lektionen für uns zu lernen sind.
In der Streikbewegung sind bisher viele Fragen aufgetaucht, die unmittelbar mit der Frage von Gewerkschaftsdemokratie zusammenhängen. Wir haben immer die Notwendigkeit tatsächlicher Streikversammlungen mit Diskussionen und Beschlüssen, gewählten Streikkomittees und beschlussfähigen Konferenzen von Betriebsrät*innen und Streikkomittees betont, um den Kampf intensiver und effektiver zu führen. Jetzt solche Strukturen aufzubauen ist natürlich schwieriger, aber nicht unmöglich. Warum gibt es keine Onlinekonferenzen, organisiert von der Gewerkschaft? Es muss möglich sein in den nächsten zwei Wochen eine Onlinekonferenz abzuhalten, auf der Betriebsrät*innen gemeinsam diskutieren wie es nach Ende der Corona-Maßnahmen weiter gehen kann und welches Programm wir unmittelbar im Zusammenhang mit Corona und unserer Arbeit brauchen.
Betriebsrät*innen sind mit den vielen arbeitsrechtlichen Herausforderungen und auch privaten Sorgen gerade extrem belastet. In dieser Situation Zeit für so eine Konferenz oder auch sonst zur Fortführung der Streikbewegung zu finden, verlangt viel Eine sehr gute Vorbereitung ist also notwendig. Aber kollektives Handeln ist hier auf mittlere Sicht eher eine Zeitersparnis als parallel nebeneinander zu arbeiten. Unterstützung für die Betriebsrät*innen muss es auch in organisierter und massenhafter Form von der Gewerkschaft geben. Gewerkschaftliches Material zum Umgang mit Corona im Betrieb und im Arbeitsleben sollte per Post in jedem Briefkasten der Mitglieder zu finden sein!

Nach Ende der unmittelbaren Corona-Pandemie wird es nötig sein, die Streiks wieder aufzunehmen - und zwar entschlossener und heftiger als zuvor. Die Weltwirtschaft kollabiert gerade und die Kosten für kommende Konjunkturpakete etc. werden die Regierungen weltweit wieder auf die Arbeiter*innenklasse abwälzen wollen. Eine Branche wie der Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich, die sich praktisch über Steuergelder finanziert, wird besonders stark betroffen sein. Dazu kommt der Druck aus der Öffentlichkeit, der derzeit stark über Regierung und Medien gepusht wird, dass “jetzt eben alle ihren Teil beitragen müssen”. Einfach da wieder anknüpfen wo wir vor Corona aufgehört haben wird es nicht geben. Auf einer online Betriebsrä*innenkonferenz müssen wir auch darüber sprechen, welche Forderungen wir über die 35h Woche hinaus aufstellen müssen um mit der neuen Lage umzugehen.

Besondere Situation verlangt nach besonderer Bezahlung

Gleichzeitig kommen zu den dringend notwendigen und lange überfälligen Forderungen jetzt neue Fragen rund um die Krise dazu, die keinen Aufschub dulden. Die ganze Arbeitswelt ist von den Maßnahmen betroffen, der Gesundheits- und Sozialbereich in vielen Fragen aber besonders stark. Über die extreme Situation in der Pflege und das enorme Risiko, das die Kolleg*innen tragen, wird zum Teil auch in den bürgerlichen Medien berichtet. Die Situation in den Behinderten-Einrichtungen, im betreuten Wohnen oder in der Flüchtlingsarbeit kommt allerdings nicht vor. Wenn Menschen z.B. in den oft schwierigen Verhältnissen in Wohngemeinschaften für Jugendliche mit psychischen Problemen oder Substanzabhängigkeit jetzt quasi 24h in den eigenen 4 Wänden verbringen müssen, ist das eine starke Belastung für die Beschäftigten. Wenn Menschen mit Beeinträchtigungen nicht mehr ihrer gewohnten Routine nachgehen dürfen, MItarbeiter*innen der Kinder- und Jugendwohlfahrt Meldungen der Kindeswohlgefährdung nur noch eingeschränkt und unter erschwerten Bedingungen nachgehen können oder Behörden- bzw. diverse Kooperationseinrichtungen ihre Pforten geschlossen haben: All das bedeutet eine enorme emotionale und physische Zusatzbelastung - neben den bereits existierenden schwierigen Rahmenbedingungen.

Die Gewaltprävention und Frauenhäuser sowie Hotlines sind dieser Tage auch ganz besonders gefragt. Die Isolierungsmaßnahmen sperren viele Frauen in Wohnungen mit gewalttätigen Partnern ein. Hier braucht es sofort mehr Personal und Mittel, um weitere Einrichtungen zu schaffen! Lassen wir Frauen in gewalttätigen Haushalten nicht allein, aber auch nicht die Kolleg*innen, die hier arbeiten!
Andere müssen gerade da einspringen, wo Lücken reißen, auch wenn sie eigentlich nicht dafür ausgebildet oder angestellt wurden. So helfen zur Zeit die Beschäftigten der Jugendzentren bei der Hausaufgabenbetreuung, weil die Schulen alleine das nicht schaffen können.

Das Sozial- und besonders das Gesundheitssystem sind der Schlüssel, um durch diese Krise zu kommen. Alles sollte danach ausgerichtet sein, es zu stützen. Milliarden werden in die Hand genommen um den Notstand zu finanzieren. Aber davon kommt bei den Beschäftigten nichts an. Als Anfang des Jahres die Waldbrände in Australien außer Kontrolle gerieten, überschlugen sich die Medien mit dem Loblied für die Feuerwehrleute. Wenn jetzt italienische Krankenpfleger*innen bis zur Erschöpfung und weit darüber hinaus arbeiten werden sie (zu Recht) als Held*innen gefeiert. Aber die Dankesreden von Politiker*innen, die selbst für den Personalmangel und die schlechte Bezahlung Verantwortung tragen, sind nichts als Heuchelei. Was immer fehlt ist ein angemessener finanzieller Ausgleich und dauerhafte Verbesserungen. Als direkte Maßnahmen schlagen wir vor: 

  • Sofortige Verdoppelung des Lohns für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich und zwar unbefristet, mindestens so lange wie die Pandemie dauert. Das mag nach viel klingen, aber die Belastungen sind unverhältnismäßig noch einmal gestiegen. Diese Branche ist der Schlüssel im Kampf gegen Corona!
  • Verdoppelung     von Erschwernis- und Gefahrenzulage vor dem Hintergrund von     COVID19 und Einführung davon in Einrichtungen in denen es bisher keine derartigen Zulagen gab
  • Versorgung von Sozial- und Gesundheitseinrichtungen mit  adäquater Schutzausrüstung, z.B. Masken, Schutzkleidung, Handschuhe
  • Das Recht zu Hause zu bleiben, wenn Betreuungspflichten das verlangen, ohne den Job zu riskieren!
  • Erhalt aller Jobs in allen Bereichen des Sozial- und Gesundheitssystems und Lohnfortzahlung auch da, wo gerade nicht gearbeitet wird
  • Mindestens 10% mehr Personal sofort und weitere 10% nach Ende der Corona Maßnahmen
  • Nach dem Ende der Corona-Maßnahmen muss es zum Ausgleich für die extra-Belastung extra-Urlaub geben. Wer jetzt besonders hart arbeiten muss, muss später mindestens eine Woche extra-Urlaub pro Corona-Monat bekommen.

Aktuell werden Zivildiener, deren Dienstzeit innerhalb der letzten 5 Jahre liegt, mobilisiert um den durch Kürzungen herbeigeführten Mangel an Personal abzufedern.. Viele sind bereits freiwillig an ihre alte Dienststelle zurückgekehrt oder haben ihren Dienst verlängert, was ein weiteres, inspirierendes Beispiel für die unzähligen Formen praktischer Solidarität in diesen Tagen ist. Für sie, wie auch für alle z.B. Pflegeschüler*innen etc. muss aber weiter gelten: Keine Zwangsarbeit! Wir verteidigen ausdrücklich das Recht auf Arbeitsverweigerung. Wo Leute sich melden um zu arbeiten müssen sie auch vollen Lohn erhalten. Niemand kann derzeit sagen wie die Krise weiter verläuft und wie lange dieser Zustand andauert. Also müssen sie ordentlich angestellt und bezahlt werden.

In der Branche gibt es viele, die nach einigen Jahren den Beruf wechseln, weil Arbeitszeiten, Belastung und Bezahlung schon in normalen Zeiten absurd schlecht sind. Es gibt viele ausgebildete Krankenpfleger*innen und Menschen aus anderen Gesundheitsberufen, die es jetzt für den Kampf gegen Corona zu mobilisieren gilt. Auch dafür braucht es finanzielle Mittel. Jede ausgebildete Kraft in dieser Krise ist von unschätzbarem Wert. Die Kolleg*innen, die sich vorübergehend wieder in den alten Beruf holen lassen brauchen eine Garantie, anschliessend wieder in ihrem neuen Beruf weiter arbeiten zu können. Jetzt ist noch offensichtlicher was immer schon wahr war: Die Kolleg*innen brauchen dauerhaft eine echte Entlastung bei der Arbeitszeit. Die geforderten 35 Stunden sind nur der Anfang!

JEDE Forderung nach mehr Geld oder anderen Verbesserungen für die Beschäftigten wird in diesen Tagen nur zu gern mit Verweis auf die Ausnahmesituation und den wirtschaftlichen Zusammenbruch abgeblockt. Im “nationalen Schulterschluss” sollen “wir alle” uns zurück nehmen. Aber wo sind die Notstandsmaßnahmen wenn es um die Vermögen der Reichen geht? Hier liegen gigantische Ressourcen, Geld, Immobilien… die laut der Regierung unangetastet bleiben sollen, während wir “den Gürtel enger schnallen”. Sicher nicht!
Die hier geforderten Maßnahmen und alles Weitere, was im Zusammenhang mit Corona und der Wirtschaftskrise zu tun ist, ist finanzierbar! Reichensteuern, Kampf gegen Steuerhinterziehung, Stiftungswesen und Kirchenprivilegien gehören zu einem sinnvollen Maßnahmenpaket dazu. Wir werden gerade massenhaft enteignet wenn es um unsere Arbeitsschutzgesetze und demokratischen Freiheiten geht. Enteignung von notwendigen Ressourcen der Reichen ist jetzt das Mindeste!
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass wir diesen Notstand alleine ausbaden müssen und die Regierung die Reichen schont. Kämpfen während Corona ist sehr wohl möglich, es hat bereits Streiks in Italien, Spanien und sogar in Oberösterreich gegeben. Es gibt sichere Möglichkeiten zu kämpfen. Streiken geht auch von Zuhause aus.

 

BABE-KV: Unternehmen nutzen Corona-Krise für Deal gegen Beschäftigte

Sebastian Kugler, BABE-Beschäftigter in Wien

Kollektivsvertragsverhandlungen im privaten Bildungsbereich enden mit faulem Kompromiss

Während allerorts der gesellschaftliche Zusammenhalt beschworen wird, wurden still und heimlich knapp 13.000 Beschäftigte privater Bildungseinrichtungen hintergangen und über den Tisch gezogen. Diese Kolleg*innen arbeiten im Kollektivvertrag der “Berufsvereinigung der Arbeitgeber privater Bildungseinrichtungen” (BABE). Die Unternehmen nutzten die Corona-Krise, um bei den Kollektivvertragsverhandlungen den Sack zuzumachen. Das Ergebnis ist ein fauler Kompromiss auf dem Rücken der Beschäftigten – gerade zu einem Zeitpunkt, an dem wir in dem heillosen Corona-Krisen-Chaos zwischen widersprüchlichen Anweisungen von Chefs und Regierung ihre Arbeit unter erschwerten Bedingungen weiter machen müssen.

Die Beschäftigten im BABE arbeiten oft im AMS-Kontext, als Kursleiter*innen in Maßnahmen. Dass diese Arbeit überhaupt (oft mit chaotischen Teleworking-Anweisungen) fortgesetzt werden muss, zeigt, dass die Aufrechterhaltung des schikanösen AMS-Apparats für wichtiger genommen wird als die Sicherheit der Beschäftigten und Arbeitslosen, von denen viele Betreuungsaufgaben haben und besseres zu tun hätten, als in virtuellen Maßnahmen zu sitzen.

Manche Kolleg*innen sind vielleicht erleichtert darüber, dass es angesichts der Corona-Krise überhaupt einen Abschluss gibt, bevor sich die Lage noch weiter verschlechtert. Das ist verständlich. Doch leider wird uns dieser Abschluss bei der Bewältigung der Krise in keinster Weise helfen. Im Gegenteil.

 Der Abschluss: Ein Schlag ins Gesicht

Die Gehalts“erhöhung“ von 2,2% bis 2,4% liegt nur wenige Promille über der aktuellen Inflation. Angesichts der zu erwartenden Wirtschaftskrise wirkt es wie ein Hohn, wenn wir vom Verhandlungsteam ausgerichtet bekommen, dass dies ein „guter finanzieller Abschluss in Corona-Krisen-Zeiten“ sei.

 Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, die von vornherein im BABE nur lauwarm gestellt wurde, verschwindet im Nirvana einer „Arbeitsgruppe über die Erörterung der Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die mögliche Verkürzung“. Was bekommen wir stattdessen? Einen „Jubiläumstag“ nach 10, 15 und 20 Jahren Dienstzugehörigkeit. In einer Branche, in der Hire-and-Fire auf der Tagesordnung steht. In der es die meisten aufgrund der prekären Bedingungen kaum länger als ein paar Jahre aushalten. In der kaum Vordienstzeiten angerechnet werden. Wer von uns kann tatsächlich davon ausgehen, diesen einen Tag je zu bekommen? Dieser Punkt in der KV-Einigung ist nichts anderes als eine Verarschung. Genauso steht es auch mit dem „freien Tag am ersten Volksschultag des Kindes“. Nur eine Handvoll Kolleg*innen werden diesen Tag je erleben.

 Versagen mit Folgen

Völlig weltfremd behaupten die Verantwortlichen für dieses Ergebnis, dass man die Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung nächstes Jahr „Unter hoffentlich anderen Rahmenbedingungen“ durchsetzen wolle – Welche anderen Rahmenbedingungen sollen das sein? Leben die Gewerkschaftsspitzen in einer Fantasiewelt, in welcher die Corona-Krise spurlos an der Wirtschaft vorüber ziehen wird und in der die Unternehmer*innen innerhalb des nächsten Jahres spontan ihre Nächstenliebe entdecken?

Die bittere Wahrheit ist, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Das war die letzte Chance, vor einem massiven Wirtschaftseinbruch mit zerstörerischen Konsequenzen für alle Bereiche einen halbwegs guten Abschluss zu erzielen. Das hätte erreicht werden können, wenn wir die Verhandlungen ausgesetzt und mit den Kolleg*innen bei SWÖ und Caritas die Kräfte gebündelt und ein gemeinsames Vorgehen koordiniert hätten. Auch ein guter Abschluss hätte uns vor den Konsequenzen der kommenden Stürme nicht bewahrt, aber er hätte uns besser darauf vorbereiten können.

Es rächt sich jetzt, dass der BABE-KV sich nur so halbherzig an die Forderung der 35 Stundenwoche im SWÖ angelehnt hat – und sich der Streikbewegung überhaupt nicht angeschlossen hat. Die Unternehmen im SWÖ haben sich aufgrund dieser Bewegung bis jetzt nicht getraut, die Corona-Krise für ein solches Manöver zu nutzen. Nun werden sie sich darin bestärkt fühlen.

Es war völlig falsch, die Verhandlungen fortzusetzen, ohne auch nur zu versuchen, daran etwas zu ändern. Unsere wichtigsten Instrumente in dieser Auseinandersetzung – Betriebsversammlungen, Betriebsrät*innenkonferenzen, Proteste und Streiks – sind angesichts der Maßnahmen der Regierung extrem schwierig umzusetzen. Warum ließ sich das kleine Verhandlungsteam mit zwei Händen am Rücken gebunden auf einen Abschluss ein?

Respekt gebührt jenen Betriebsrät*innen, etwa bei the update GmbH, welche sich gegen dieses Vorgehen gestellt haben. Einige hatten gar nicht die Möglichkeit dazu, weil sie zu der Einigung überhaupt nicht gefragt wurden.

Den Kopf nicht in den Sand stecken

Dieses Verhandlungsergebnis ist ein Schlag ins Gesicht für uns Beschäftigte. Gerade jetzt brauchen wir eine kämpferische Gewerkschaft, die uns den Rücken stärkt anstatt uns in den Rücken zu fallen. Wer der zuständigen Verantwortlichen der GPA die eigene Meinung zu diesem Abschluss mitteilen möchte, kann diese an sandra.breiteneder@gpa-djp.at schicken.

Auch wenn wir aktuell keine physischen Versammlungen organisieren können, in denen wir Urabstimmungen abhalten: Wir müssen uns jetzt selbst organisieren und die Gewerkschaft den Widerstand gegen diesen faulen Deal spüren lassen. Angesichts dessen, was auf uns zukommt, können wir dieses Ergebnis nicht auf uns sitzen lassen. Im Deutschtrainer*innen-Bereich ist die Initiative DiE - Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung nach wie vor aktiv. Solche Basisvernetzungen braucht es auch in anderen Teilen des BABE. Vernetzen können wir uns auch von unseren Wohnzimmern aus - über Chats, Videokonferenzen usw. Nutzen wir die erzwungene Zeit zuhause, um uns zu organisieren!

Sebastian Kugler,

BABE-Beschäftigter in Wien

sebastian@slp.at

 

 

 

 

Eine StreikBEWEGUNG

Wie können wir die Auseinandersetzung im privaten Gesundheits- und Sozialbereich gewinnen

Unglaublich, was Kolleg*innen hier auf die Beine gestellt haben! Die Arbeitgeberseite stellt sich völlig quer zu den Forderungen der Gewerkschaft, aber das ist nichts Neues in den KV-Verhandlungen fast aller Branchen in den letzten Jahrzehnten. Viel zu oft gibt die Gewerkschaft dann klein bei und macht einen schlechten Abschluss. Wir sind in Österreich schon so gewohnt an diesen Ablauf von KV-Verhandlungen, dass sich sich viele damit schon abgefunden haben. In diesem Artikel wollen wir ein paar Punkte aufgreifen und Vorschläge machen wie wir diese Auseinandersetzung gewinnen können.

Streiken im Gesundheits- und Sozialbereich erfordert besonders viel Mut: Auch wenn es große Träger mit tausenden Beschäftigten gibt, sind die meisten Einrichtungen eher klein. Das Risiko sich hervor zu tun ist also oft umso größer, denn der Weg zur Geschäftsführung ist kurz.

Ein noch viel stärkerer Punkt ist aber für viele Kolleg*innen, dass unter einem Streik zunächst nicht irgendwelche Konzerne leiden, sondern die zu betreuenden oder zu assistierenden Personen. Beide Punkte machen eine enge Unterstützung durch aktive Betriebsrät*innen UND die Gewerkschaft entscheidend für erfolgreiche Streik Mobilisierungen. Tausend spezielle Fragen tauchen in jedem Betrieb auf die immer wieder beantwortet werden müssen. Die Arbeitgeberseite hat in vielen Betrieben regelrechte Verunsicherungs-Kampagnen gestartet und dienstrechtliche oder sonstige Folgen für Streikende angedroht. Sogar der Corona-Virus wurde schon in heuchlerischer Sorge um die Beschäftigten beschworen um Leute davon abzuhalten auf Demos zu gehen. Die notwendige, engmaschige Unterstützung der streikwilligen Kolleg*innen und die Ausweitung auf Betriebe und die noch nicht streiken braucht Unmengen an Ressourcen.

Ein Blick auf die Streiks zeigt recht deutlich: Die Beteiligung daran ist bei einige Betrieben sehr hoch, anderswo wird dafür gar nicht gestreikt. Sichtbar ist auch ein Fokus auf Wien, wo die Beteiligung am Größten und vor Allem die Demos am sichtbarsten sind. Ein großer Gap besteht derzeit leider zwischen den Pflege-Betrieben und den anderen Bereichen.

Es wird vor Allem da gestreikt, wo es kämpferische und aktive Betriebsrät*innen gibt, die am Besten auch noch von einem Streikkomitee unterstützt werden. Aus unserem Umfeld wissen wir, dass diese nicht nur jetzt rund um die Streiks enorm viel arbeiten, sondern auch in “ruhigen Zeiten”. Auch diesem Engagement sind die Erfolge bei den Mobilisierungen zu verdanken.

Auch sind Betriebsrät*innen im Gesundheits- und Sozialbereich teilweise ziemlich gut miteinander vernetzt: Initiativen wie “Resilienz”, “Sozial Aber Nicht Blöd”, Vernetzung im Wiener Behindertenbereich… sind die organisierte Spitze des Eisbergs. Parallel zu dieser Vernetzung gibt es auf persönlicher Ebene einen engen Austausch. Hier liegt ein zentraler Unterschied zu vielen anderen Branchen. Diese Basisvernetzung voranzutreiben und auf weitere Betriebe und vor Allem Pflegeeinrichtungen auszuweiten ist der Schlüssel zu erfolgreichen Streiks.

Wo ist die Gewerkschaft?

Eine Neuheit in diesem KV-Konflikt für Österreich sind die öffentlichen Kundgebungen und Demonstrationen während der Streiks. Die wurden aber nicht von den zuständigen Gewerkschaften GPA-djp und Vida organisiert sondern eben von Betriebsrät*innen-Netzwerken. Auch sonst fiel die Unterstützung von Gewerkschaftsseite eher dünn aus. Eine zentrale, dringend notwendige, gewählte Streikleitung tritt kaum in Erscheinung. Die Gewerkschaft scheint auch sonst keine zusätzlichen Ressourcen für die Streiks mobilisiert zu haben. Schließlich ist das das erste mal seit Jahrzehnten, dass ein KV-Konflikt so eine Eskalationsstufe erreicht. Für viele ist das hier “Neuland”. Wenn wir die Streiks auf die nächste Stufe heben wollen, brauchen wir die Ressourcen, für die wir alle seit Jahren unseren Gewerkschaftsbeitrag zahlen. Die Basisvernetzung und die engagierten Betriebsrät*innen haben viel aufgefangen, was die Gewerkschaft leisten sollte. Aber das kann keine Dauerlösung bleiben.

Die Bewegung ausweiten - Was soll die Gewerkschaft tun?

  • In Absprache und Zusammenarbeit mit den Betriebsräten und den Streikkomittees sind Betriebstouren notwendig. Die Beschäftigten sollten konkret auf die nächste Streikrunde angesprochen werden und danach gefragt werden, was die Gewerkschaft noch zu ihrer Unterstützung tun kann! Die Gewerkschaften können und müssen dafür ihren Hauptamtlichen-Apparat mobilisieren.
  • Gemeinsame Demonstrationen mindestens in ALLEN Landeshauptstädte sind notwendig, um auch kleinen Betrieben die Chance zu geben ihre Streiks öffentlich und politisch zu gestalten. Die Gewerkschaft muss diese organisieren. Es kann nicht sein, dass noch zusätzlich zu dem bestehenden immensen Arbeitspensum der Betriebsrät*innen die Organisierung der Demonstrationen auch von ihnen gestemmt werden muss.
  • Streikschulungen gab es vor Beginn des Arbeitskampfes mal vereinzelt. Warum wurde damit aufgehört? Gerade jetzt ist nicht nur der rechtliche und organisatorische Teil wichtig, sondern besonders der Erfahrungsaustausch zwischen den Streikenden und auch zwischen Streikenden und noch-nicht-Streikenden.
  • Es gibt viele “logische” Verbündete in ähnlichen Branchen. Auf der Streikdemo vom 27. Februar in Wien hat bereits eine Betriebsrätin aus der Erwachsenenbildung (Babe-KV) gesprochen. In dieser Branche stocken die KV-Verhandlungen auch. “Wohnpartner Wien” ist zwar im Werbe-KV, von den Arbeitsbedingungen aber vielmehr mit dem Sozialbereich verwandt. Die Kämpfe hier zusammenzuführen würde alle Beteiligten enorm stärken! Auch das ist eine Aufgabe für die Gewerkschaften.

Streikdemokratie:

Direkt mit der Frage der Streikorganisation verbunden ist die Frage der Streikstrategie. Allen ist klar: Die Streiks müssen intensiver werden, der Druck muss erhöht werden. Niemand hat hier den “Stein der Weisen”, aber es werden viele Ideen diskutiert. Ein paar Vorschläge machen auch wir hier in diesem Artikel, aber da gibt es sicher noch mehr. Auch ist es notwendig noch einmal über die KV-Forderungen zu diskutieren. Die 35h-Woche als einzige Forderung fanden viele von Anfang an schwierig, aber jetzt wird schon nurmehr über einen Etappenplan zur einführung diskutiert, also die 35h-Woche über einen Zeitraum von mehreren Jahren einzuführen. Das sehen viele Kolleg*innen als echte Gefahr: Statt etwas entspannter arbeiten zu können droht eine Verdichtung der Arbeitszeit, denn wie soll bei einer Arbeitszeitverkürzung von 30min/ Jahr oder Ähnlichem ein Personalausgleich sinnvoll möglich sein? Die Frage der Forderungen muss jedenfalls noch einmal diskutiert werden, dieses mal aber demokratischer! Aber das reicht nicht, denn eigentlich brauchen wir eine Diskussion und demokratisch getroffene Entscheidungen über die verschiedenen Aspekte des Streiks.

  • Wir schlagen eine Betriebsrät*innen- und Streikomittee-Konferenz vor, an der aber auch andere interessierte Kolleg*innen teilnehmen können. Die hat es teilweise nach der ersten Streikrunde schon gegeben, sie muss aber bundesweit, KV-übergreifend (SWÖ, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz) sein und vor Allem auch Beschlüsse fällen können. Informieren und diskutieren ist gut, aber die eigentlichen Entscheidungen müssen auch hier gefällt werden!
  • Ein Ergenis sollte die Wahl von Streikleitungen sowohl auf regionaler als auch bundesweiter Ebene sein.
  • Sollten die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen, muss das Ergebnis einer Abstimmung aller Beschäftigten unterzogen werden. Erst wenn sie dem Abschluss zustimmen dürfen die Kampfmaßnahmen eingestellt werden. Wenn nicht, muss eben weiter verhandelt & gekämpft werden.

Es ist eine politische Auseinandersetzung - Forderungen ausweiten

Der Gesundheits- und Sozialbereich ist steuerfinanziert. Zwar verhandeln gerade die privaten und kirchlichen Träger, aber die sind nur vorgelagert. Viele Bereiche in dieser Branche waren bis vor einigen Jahren auch direkt bei staatlichen Stellen angesiedelt, wie zB die Jugendzentren oder Teile der Behindertenbetreuung. Noch sind kaum Betriebe profitorientiert, aber auch dieser Bereich wächst, vor Allem in der Pflege.
Das liebste Argument der Träger, also der Arbeitgeber in der Branche, steht damit im Zusammenhang. Sie könnten nur das Geld verteilen, das sie aus Steuergeldern (und einigen Spenden) bekommen. Das ist zwar richtig, trotzdem spielen die Träger eine Rolle bei den Einsparungen der letzten Jahre, indem sie sich gegenseitig im Kampf um öffentliche Aufträge unterbieten.
Aber genau deshalb gibt es diesen Trend zur Privatisierung ureigenster öffentlicher Aufgaben ja: es erleichtert die ständigen Sparprogramm der Regierungen. Österreich steht da im internationalen Vergleich noch relativ gut da, aber was nützt das den Betroffenen schon?
Wir brauchen eine Umkehr dieses Prozesses. Die ganze Branche gehört in die öffentliche Hand. Statt Konkurrenz zwischen zig Trägern braucht es eine gemeinsame Stelle für die Aufgaben. Das heißt aber nicht, dass wir einfach ein zurück zu dem Zustand der 70er oder so vorschlagen. Viel zu oft war der Sozial- und Pflegebereich von autoritären und repressiven Maßnahmen geprägt. Enge Vorgaben aus der Politik oder gerne auch aus religiösen Moralvorstellungen bestimmten den Umgang mit Klient*innen, Patient*innen und betreuten Personen.

  • Was wir brauchen ist ein demokratisch organisierter Gesundheits- und Sozialbereich, in dem die Beschäftigten unter starker Beteiligung der Leute in den Einrichtungen bestimmen wie gearbeitet wird.

Solidarität organisieren

Aber auch wenn wir die Arbeit grundsätzlich anders organisieren: Wir werden mehr Steuergeld brauchen, nicht nur um bessere Löhne und Arbeitszeiten zu finanzieren. Das gibt der Streikbewegung eine unmittelbare politische Ebene. Der Druck muss sich eben auch auf die Regierungen in den Bundesländern und die Bundesregierung beziehen.
Die sind aber damit beschäftigt Steuergeschenke für Reiche und Konzerne zu decken, wie z.B. die Senkung der Körperschaftssteuer, die allein ca. € 1,5 Mrd. kosten wird. Dieses Geld fehlt nicht nur im Gesundheits- und Sozialbereich, sondern auch bei Bildung, Schwimmbädern, den Öffis oder schlicht bei der Parkbank in der Nachbarschaft. Um dieses Geld müssen wir politisch kämpfen! Wir als SLP, aber auch die Initiative “Sozial Aber Nicht Blöd”, haben bereits eine Reihe von Solidaritätskundgebungen an öffentlichen Orten organisiert. Die Rückmeldungen der Passant*innen sind umwerfend positiv! Der Sozial- und Gesundheitsbereich hat viele Freund*innen! Schnell fangen die Leute auch an zu erzählen, wie die Bedingungen bei ihnen im Betrieb sind und dass sie sich auch wünschen mal offensiver zu kämpfen. Diese Solidarität müssen wir organisieren, um den politischen Druck zu erhöhen! Die Gewerkschaft, aber auch die gesamte Linke ist hier gefragt!

  • Solidaritätskundgebungen und Aktionen im ganzen Land, um die Streiks zu unterstützen! Alle Medien des ÖGB werden gebraucht!
  • Großmobilisierte Demos in allen Landeshauptstädten, bewusst auch abseits der Streiks, um die Solidarität sichtbar zu machen! Andere Branchen und Angehörige und Klient*innen können hier ihre Unterstützung zeigen und für mehr Geld demonstrieren!
  • Die 35h- Woche ist die Hauptkampagne der GPA-djp: Zeit hier auch branchenübergreifend und überall zu mobilisieren!

 

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Für leistbare und umweltfreundliche Mobilität für alle braucht es ein völlig anderes Verkehrskonzept.
Stefan Brandl

Der Mensch bewegt sich, ist mobil. Es ist etwas Positives, dass Menschen nicht ihr Leben auf wenigen Quadratkilometern verbringen müssen, sondern die technischen Möglichkeiten auch zu weiten Reisen bestehen. Andererseits ist es für niemanden angenehm, stundenlang zur Arbeit oder Schule zu pendeln.

Wohin die Reise der türkis-grünen Regierung bezüglich Mobilität geht, wird an drei Maßnahmen deutlich: Flugtickets sollen mit einer Steuer von 12.- belegt werden, die weder die Zahl der Flüge reduziert noch wird das Geld zweckgebunden für Umweltschutz eingesetzt. Privatbahnen sollen gefördert werden. Und bei Arbeitslosen sollen die Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft werden – was mehr Pendeln bedeutet.

Am Konzept des Individualverkehrs wird nicht gerüttelt. Abgesehen von städtischen Ballungszentren sind Menschen großteils auf individuelle Verkehrslösungen (Auto, Fahrrad aber auch zu Fuß gehen) angewiesen, um von A nach B zu kommen. Die Autoindustrie setzte in den 80er Jahren und dann auch mit der EU ihre Interessen gegen ein besser ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem durch.

Die aktuelle Debatte rund um mehr oder weniger Elektroautos ist eine Themenverfehlung, weil sie nicht das viel grundlegendere Problem des Individualverkehrs angreift. Ein echtes Programm zu nachhaltiger Mobilität muss mit diesem Konzept brechen und auf ein kollektives geplantes Verkehrswesen setzen. Das bedeutet u.a. den Ausbau von kostenlosen Straßenbahnen, Bus- und Zuglinien sowie anderer öffentlicher Verkehrsmittel in Städten, um diese überwiegend autofrei zu halten. Es geht um den generellen Abbau der Notwendigkeit des Individualverkehrs.

In Wien ist die Auto-Quote nur ungefähr halb so hoch wie in “ländlichen” Bundesländern wie Ober- oder Niederösterreich. Das Auto wird gebraucht, um in die Schule, den Supermarkt, zum Arzt oder in die Arbeit zu kommen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Es braucht intelligentere Planung und Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, damit kein Auto zum Erreichen von zentraler Infrastruktur, Schulen und dem Arbeitsplatz gebraucht wird. Für die „letzten Meter“ können öffentlich zur Verfügung gestellte E-Autos oder E-Roller sowie ein öffentliches Sammeltaxisystem Lücken im Netz überbrücken. Ein sozialistisches Verkehrskonzept bedeutet nicht die Einschränkung der persönlichen Freiheit durch das “Wegnehmen” des Autos, sondern, einen grundsätzlich anderen, kollektiven und demokratisch geplanten Zugang zu Reisen und Mobilität zu etablieren.

Die Wiederbelebung regionaler Infrastruktur schafft nicht nur Jobs, sondern auch Lebensqualität. In einer demokratisch geplanten Wirtschaft kann Stahl für Schienen und Straßenbahnen statt für Autos und Auspuffe produziert werden. Unzählige Jobs können für die Erzeugung nachhaltiger Energie und Produkte geschaffen werden. Niemand, der heute in einer Branche arbeitet, die zu den „Umweltsündern“ gehört, wird arbeitslos – wenn wir Wirtschaft und Gesellschaft von der Profitlogik befreien.

Auch die Zersiedelung – das ungeplante Wachstum von Städten und die ineffiziente Ausnutzung der Siedlungsfläche – ist ein Problem. Nur mit demokratischer Planung kann nachhaltige, sinnvolle und ökologische Siedlungspolitik umgesetzt und auch so ein massiver Schritt zur Vermeidung von Pendlerverkehr gemacht werden. Wenn aber die Arbeitszeit kürzer ist und wir mehr Urlaub haben, dann ist Reisen kein hastiges um die Welt Jetten, sondern der Weg zum Urlaubsziel ist Teil des Urlaubs.

In einer Gesellschaft, in der nicht Profite, sondern menschliche Bedürfnisse im Zentrum stehen, werden wir auch unsere Städte anders gestalten. Keine Straßen, in denen die Autos sich stauen, sondern Grünanlagen und Begegnungszonen zum Spielen, Verweilen und Sport treiben. Eine weitgehend autofreie Stadt wird nicht durch Massensteuern wie eine City-Maut erreicht werden, sondern durch den massiven Ausbau eines kostenlosen öffentlichen Verkehrs. Zugfahren ist rund 31-mal und öffentliche Verkehrsmittel sind rund 15-mal klimafreundlicher als das Auto. Der Umbau bringt auch eine massive Reduktion von Lärm für Anrainer*innen und verbessert die Luft. Das alles würde die Lebensqualität für alle heben, insbesondere für jene, die heute aus Geldgründen in Wohnungen bei viel befahrenen Straßen leben müssen.

Die angesprochenen Punkte können nur ein grober Überblick über die Vielzahl an Problemfeldern, aber auch an Möglichkeiten sein; Reduktion von Flugverkehr, die notwendige Verstaatlichung der Energie-Industrie und des Transportsektors, Verlagerung des Transports auf die Schiene etc. gehören ebenso dazu. Wir müssen weg vom privaten Individualverkehr und hin zu einem öffentlichen Kollektivverkehr. Viel mehr als das Elektroauto braucht es dafür ein demokratisch geplantes Verkehrskonzept und ein neues ökologisches Mobilitätskonzept im Interesse der Umwelt und der arbeitenden Bevölkerung. Die Ideen und technischen Möglichkeiten gibt es längst, das Geld zur Finanzierung auch – die Umsetzung aber müssen wir erkämpfen.

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