Wie hältst du´s mit der Gewerkschaft?

Special zu den SWÖ-Verhandlungen Teil 3
Theresa Reimer, Caritas-Beschäftigte

Im Rahmen der Verhandlungen beschäftigen wir uns in jeder Ausgabe mit Vorschlägen, um die Situation der 250.000 Kolleg*innen in privater Pflege und Sozialeinrichtungen zu verbessern.

 

Fast drei Jahre sind seit Beginn der Pandemie vergangen, die die Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich nochmal enorm verschlechtert haben.

Verbesserungen sind dringend nötig, trotzdem blieben die Abschlüsse der letzten Jahre oft deutlich hinter dem Nötigen und hinter besser organisierten Bereichen (z.B Metaller*innen) zurück - das liegt auch an der Rolle der Gewerkschaften. Die niedrigen Mitgliederzahlen bei der Gewerkschaft und schlechte Abschlüsse im Sozialbereich spiegeln jedoch keinesfalls die Kampfbereitschaft wider. Getragen von vielen weiblichen, migrantischen und jungen Kolleg*innen und kämpferischen Betriebsrät*innen haben die letzten Jahre rund um den SWÖ-KV die dynamischsten Klassenkämpfe in Österreich stattgefunden.

Die Spitze dieser Kämpfe war bei den KV-Verhandlungen 2019 rund um die Forderung für eine 35-Stunden-Woche. Nach intensiven Auseinandersetzungen mit Streiks und Organisierung an der Basis beschloss die Gewerkschaft einen faulen Deal mit den Arbeitgeber*innen. Ein 3-Jahresabschluss, der eine Arbeitszeitverkürzung um nur eine Stunde beinhaltete und eine lächerlich niedrige Lohnerhöhung vorsah. Im Zuge der beginnenden Pandemie versuchte die Gewerkschaft, dies als einen Erfolg zu verkaufen. Für uns Beschäftigte bedeutete dieser Abschluss blanken Hohn gegenüber dem, was notwendig gewesen wäre. Aber er zeigt den widersprüchlichen Charakter der Gewerkschaften: Einerseits Massenorganisationen für Beschäftigte, andererseits hat die Spitze vor allem ein Interesse an Stabilität und versucht, die Basis zu bremsen.

Ein Fuß drinnen, einer draußen

Trotzdem ist die Gewerkschaftsspitze von den Mitgliedern abhängig und kann von unten unter Druck gesetzt werden - aber der muss organisiert werden. Mit “Sozial aber nicht blöd” (SANB) sind wir als ISA-Mitglieder seit Jahren Teil einer Initiative, die selbstständig Kundgebungen und kämpferische Blöcke auf Demos organisiert, aber auch mit Petitionen, die Gewerkschaften zu einem entschlossenen Kampf auffordern. Gleichzeitig lassen wir uns von der Untätigkeit der Gewerkschaftsspitze nicht bremsen und versuchen wenn möglich und nötig, eigenständige Kämpfe zu organisieren - z.B. spielten SANB und andere eine wichtige Rolle beim wilden Streik (d.h. ohne Gewerkschaftsunterstützung) gegen die Schließung des Wohnungslosenquartiers “Gudi”.

Der beständige Druck und die Organisierung von Kolleg*innen haben die Gewerkschaft bereits zum Handeln gezwungen, den Einfluss der Basis erhöht und sind dadurch ein erster Schritt bei der Rückeroberung der Gewerkschaftsbewegung von unten. So fanden Demos schon vor dem Start der diesjährigen Verhandlungen statt und es ist bereits absehbar, dass auch bei diesen Verhandlungen gestreikt werden wird. Bei einer Wiener Betriebsrät*innenkonferenz wurden die Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche und 750 Euro mehr Gehalt pro Monat ab 2023 aufgestellt. Diese Forderungen zeigen die Bedürfnisse und die Kampfbereitschaft der Basis. Sie sind dringend notwendig, um einen Teufelskreis aus schlechteren Arbeitsbedingungen und Personalabwanderung zu durchbrechen. Aber dafür brauchen wir eine Ausweitung und Demokratisierung gewerkschaftlicher Tätigkeit inklusive des Arbeitskampfes, die wir innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften durchsetzen müssen. Teil davon muss auch eine Urabstimmung über das Ergebnis sein - denn es sind unsere Arbeitsbedingungen, unser Arbeitskampf und unsere Gewerkschaften.

Daten und Fakten

Innerhalb des SWÖ (Sozialwirtschaft Österreich) arbeiten 120 000 Beschäftigte im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich. Träger mit eigenen Kollektivverträgen (Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz) sind an den SWÖ angeschlossen. Die zuständigen Gewerkschaften sind GPA-djp und vida. 2018, 2019, 2020 gab es Streiks mit der zentralen Forderung für eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Der Abschluss blieb weit dahinter zurück.

Erscheint in Zeitungsausgabe: