Die Bosse sollen schwitzen, nicht wir!

Jan Millonig

Die zentrale Aussage auf der Teuerungskonferenz des ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) im Juni war: „Jetzt muss die Regierung handeln!“ Als Maßnahmen gegen die Teuerung Preiskontrollen, Steuersenkungen und Unterstützungszahlungen von der Regierung zu fordern, ist nicht falsch, aber über Löhne und die kommende Herbstlohnrunde wurde wenig geredet. Die eigene Umfrage zeichnet ein anderes Bild: Gleich nach „Preisdeckel für Strom/Gas“ sehen 84 % der Befragten höhere Löhne als wirksamstes Mittel gegen die Teuerung, erst danach kommen Forderungen nach Steuersenkungen usw.

Das Traurige ist aber, dass der ÖGB weder für das eine, noch für das andere einen Plan hat, das durchzusetzen. Nach jeder unbefriedigenden Regierungsmaßnahme (Pflege-Reform, Anti-Teuerungspaket usw.) kommen zwar empörte Presseaussendungen, aber wirklich Druck für mehr wird nicht gemacht.

Uns Mitgliedern ist nicht bekannt, was in der Herbstlohnrunde von Seiten der Gewerkschaften geplant ist. Diskussionen über Lohnforderungen oder die Vorbereitung einer Kampfstrategie können wir nur vermuten; wenn, dann finden sie hinter verschlossenen Türen statt. Sogar die belgischen Gewerkschaften, die nicht unbedingt so viel kämpferischer sind als unsere, haben schon vor Wochen einen Generalstreik im Herbst angekündigt...

An Inflation und Krisen sind nicht wir schuld!

Denn was wir sicher wissen ist, dass im Herbst die Inflation auf einem Rekordhoch sein wird und wir uns vor einer ausgewachsenen Wirtschaftskrise befinden. Corona hat uns alle überrascht, aber das, was hier auf uns zukommt, kündigt sich schreiend an. Schon jetzt steigt die Armut und uns allen fliegen die Stromrechnungen um die Ohren, wenn wir den Briefkasten aufmachen. Darauf brauchen die Menschen JETZT eine Antwort. Die Gewerkschaften müssen einen Aktionsplan präsentieren, wie sie dagegen kämpfen wollen.

Denn schenken werden uns weder Bosse noch Regierung was. Die Kapitalist*innen werden mit „Lohn-Preis-Spirale“ und anderen Märchen argumentieren und die Bundesregierung verziert ihre Untätigkeit mit Maßnahmen, die wir großteils selbst bezahlen.

Seit 1945 agieren die Gewerkschaften nach der Logik „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ (sprich: wenn das nicht so ist, sollen wir Opfer bringen) - das ist nach wie vor so. Darum fehlen ihnen jetzt auch Konzepte und Strategien, um gegen die Teuerung zu kämpfen.

Das drückt sich auch in der „Benya-Formel“ (benannt nach dem ehemaligen ÖGB-Vorsitzenden) aus - sinngemäß: „Wenn die Wirtschaftsleistung steigt, fordern wir mehr, in der Krise weniger.“

Das heißt aber, dass Gewerkschaften, die nicht mit der Logik des Kapitalismus brechen, gerade in Krisenzeiten als Mitverwalterinnen des Systems agieren. Sie versuchen, bestmöglich mit Staat und Unternehmen zusammenzuarbeiten, in der Hoffnung, dass dadurch ein paar Brotkrumen für sie und ihre Mitgliedschaft abfallen. Das ist die ganze Idee der “Sozialpartnerschaft”.

Tatsächlich bekommen aber so die Interessen des Kapitals immer Vorrang und die Beschäftigten werden vertröstet. Gleichzeitig ist diese Strategie eine Sackgasse, die nur zu immer weiteren Verschlechterungen führt. Denn an der Wirtschaftskrise sind nicht zu hohe Löhne schuld, sondern die inneren Widersprüche des kapitalistischen Systems, wie Überproduktion, Konkurrenz und der Zwang, die Profite immer weiter zu steigern.

Das Problem in der aktuellen Krise ist ja buchstäblich, dass zu viel Geld da ist. Es wurden ungeheure Summen an billigem Geld in die Wirtschaft gepumpt. Doch das löste das Problem der schwindenden profitablen Geschäftsmöglichkeiten nicht.

Viele Unternehmen machen gerade massive Gewinne, die die arbeitende Bevölkerung u.a. mit der Teuerung bezahlt. So erzeugt die Inflation eine massive Umverteilung von unten nach oben.

Wir brauchen höhere Löhne!

Es kann nicht sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung leidet, während ein paar Reiche immer reicher werden. Die Maßnahmen der Regierung reichen nicht. Die Leute haben einfach kein Geld mehr. Deshalb braucht es jetzt den Kampf um kräftige Lohnerhöhungen ohne Rücksichtnahme auf die Ausreden der Wirtschaft.

Die Gewerkschaften müssen bedingungslos nur für die Interessen der Arbeiter*innenklasse kämpfen. Dafür müssen sie aber unabhängig von Staat und Kapital werden.

 

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