Wie die Gewerkschaft aus der Krise kommt

Sonja Grusch

Am Samstag, dem 17.9. nahmen rund 120.000 Menschen in Graz am "Aufsteirern" teil, einer Art ländlichem Volksfest. Am selben Tag nahmen in ganz Österreich an Demonstrationen der Gewerkschaft gegen die Teuerung rund 30.000 teil. Das zeigt tiefe - und gefährliche - Probleme in der Gewerkschaftsbewegung.

3 Ursachen

Die Gewerkschaftsführung redet es sich schön bzw. aufs (miese) Wetter aus. Tatsächlich hat 1) kaum Mobilisierung stattgefunden: Wir als ISA und Rosa haben wohl mehr Straßenaktionen für die Demo gemacht als der gesamte ÖGB. Das ist Ausdruck eines bürokratischen Apparates, für den die Mitglieder keine Mitstreiter*innen, sondern abrufbare Zahler*innen sind. 2) hat das Thema Löhne weitgehend gefehlt. Gerade beginnen die Herbstlohnrunden. Warum wurde die Demo nicht als Startpunkt für + 10% und mindestens 2.000.- netto genommen? Und 3) drückt sich hier die Entfremdung v.a. junger Beschäftigter mit einer Gewerkschaft aus, die sie - zu Recht - nicht als Kampforganisation wahrnehmen. Hier rächen sich Jahrzehnte der de-mobilisierenden “Sozialpartnerschaft” und des staatstragenden Agierens der Führung. 

2 Gefahren

Die Krise der Gewerkschaft ist hausgemacht, aber kein Grund für Freude. Eine starke Organisation der Arbeiter*innenklasse ist gerade in Zeiten der aufkommenden Wirtschaftskrise und Rekordteuerung eigentlich dringend nötig. Lässt die Gewerkschaft hier aus oder hofft auf ein Wunder in Form der SPÖ (das, wie das mit Wundern so ist, eben nicht kommen wird), dann füllen andere politische Kräfte das Vakuum. In diesem Fall versuchen FPÖ und andere am rechten Rand auf Teuerung mit rechtem Populismus zu antworten. Die zweite Gefahr ist, dass Regierung und Unternehmen klar ist: Vor so einer schwachen Gewerkschaft braucht man sich nicht zu fürchten. Sie werden daher mit vollem Selbstbewusstsein weiter Mieten und Preise erhöhen, den Arbeitsdruck erhöhen und sie fürchten sich bei den KV-Runden nicht vor diesem Papiertiger. Es kann gut sein, dass sie dabei auf unerwarteten Widerstand stoßen durch verzweifelte Kolleg*innen, deren Angst und Wut explodiert und zu spontanen Kämpfen führt. Dass die Gewerkschaftsführung diese positiv aufgreift und aktiv unterstützt ist - so zeigt es die Erfahrung - unwahrscheinlich.

1 Lösung

Was nicht getan werden darf, ist die Probleme leugnen, die Schuld auf die “faule” Mitgliedschaft zu schieben oder den ÖGB “rechts” liegen zu lassen. Nötig ist eine Schubumkehr mit Turbo. Die pro-ge Forderung von 10,6% ist unerwartet hoch (wenn sie wirklich umgesetzt wird). Eine Inszenierung wie sonst können wir uns nicht mehr leisten. Auf die Gewerkschaftsführung ist kein Verlass, dass sie die Lektion vom 17.9. verstanden hat. Organisierung in den Betrieben ist nötig, z.B. im Sozial- und Gesundheitsbereich (siehe Artikel S. 7) und eine Kampfstrategie für einen echten heißen Herbst (siehe S. 8). Dazu müssen wir - Achtung! böses Wort - die Gewerkschaftsführung von unten, durch die Mitglieder und Aktivist*innen ZWINGEN und letztlich auch durch kämpferischere Kolleg*innen ersetzen. Gewerkschaftlicher Orientierungspunkt dürfen nicht Regierung, Sachzwänge, Staatsinteresse oder Sozialpartnerschaft sein, sondern einzig was die Mitgliedschaft wirklich braucht. Wir müssen die ganze träge, brave Gewerkschaft umkrempeln und zu einer Kampforganisation machen.

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