Antifaschismus und Antirassismus

Wem nützt welche Demokratie?

Martina Gergits

Mit Chat-Affäre, Ibiza Skandal, Pandemie, Krieg und Inflation befindet sich das Vertrauen in Institutionen laut “Demokratie Monitor” im Sinkflug. Waren 2018 noch 64% „ziemlich“ zufrieden mit dem politischen System, sind es 2022 nur noch 34%. Zu Recht, werden doch die dringendsten Themen, wie explodierende Mieten und Energiekosten, Klimawandel, Ungleichheit von keiner der etablierten Parteien ernsthaft aufgegriffen. Also sinkt die Wahlbeteiligung und Regierungen halten kaum eine ganze Amtsperiode durch. Die “bürgerliche Demokratie” ist in der Krise und weil davon v.a. Rechte profitieren, sollen wir alle zu ihrer Verteidigung antreten. Und hier liegt das Problem: Die bürgerliche Demokratie wird als einzige Alternative zu autoritären Regimen dargestellt.

“Wer zahlt, schafft an” 

Theoretisch ist in der bürgerlichen Demokratie jede Stimme gleich viel wert. Das heißt, meine Stimme am Wahlzettel ist gleich viel wert wie jene von Rene Benko. Allerdings haben wir keinen Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen. Was dazu führt, dass weder mein Chef noch mein Vermieter von meiner Stimme direkt beeinflusst werden. Die “Mitbestimmung” endet quasi vor der Haustür bzw. vor dem Arbeitsplatz.

Echte Demokratie hängt aber davon ab, wer die wirtschaftliche Macht hat. Das Gefühl „die Politik macht eh nichts für mich“ ist richtig. Längst wissen wir, dass etablierte Parteien viel versprechen, die Praxis aber Kürzungen bei uns und Zuckerl an die Wirtschaft bedeuten.

Rechte und rechtsextreme Parteien, die selbst Teil des Establishments sind, spielen erfolgreich mit diesem Gefühl der Desillusionierung und inszenieren sich als “Außenseiter”. Weil aber die Wurzel der Desillusionierung mit “dem System” in der etablierten Politik liegt, verhelfen etablierte Parteien und ihre mangelhafte bürgerliche “Demokratie” Rechten zum Aufstieg. Dem Establishment bleibt dann der Appell, “gemäßigtere” Parteien (wie SPÖ, ÖVP, Grün etc) zu wählen um „Rechts zu verhindern“. Solche Wahlkämpfe haben wir bei Biden vs. Trump gesehen, bei Macron vs. LePen und bei Lula vs. Bolsonaro. Die “Alternativen” am Wahlzettel rufen allerdings Bauchweh hervor, Wahlausgänge sind knapp und nur gegen das noch größere Übel. Denn diese “Alternativen” sind keine, sie stehen nicht für die Interessen der Vielen.

Für echte Demokratie von unten gemeinsam kämpfen!

Diese Skepsis und Desillusionierung in die bürgerliche Demokratie dürfen wir nicht den Rechten überlassen, sondern es braucht eine echte Alternative für echte Demokratie. Der Kampf FÜR echte Demokratie - also auch in der Wirtschaft - geht Hand in Hand mit jenem GEGEN die extreme Rechte. Damit es nicht mehr möglich ist, als Energiekonzern massive Profite auf unsere Kosten einzusacken, und Unternehmen mehr Corona-Hilfen kriegen als sie Steuern zahlen. Damit Wohnen und Arbeiten gemeinschaftlich, demokratisch verwaltet wird, in Komitees von den Personen, die dort leben und arbeiten. Beispielsweise ein Krankenhaus, geführt von gewählten Vertreter*innen aller Berufsgruppen dieses Krankenhauses. Eine demokratische Planung der Gesellschaft und Wirtschaft bedeutet laufend mitentscheiden zu können. Aber es ist klar: Innerhalb der Widersprüche des Kapitalismus, das bürgerliche Demokratie nutzt, um vorzugaukeln, wir wären alle gleich, wird es niemals echte Demokratie für die 99% geben. Erst wenn wir durch die gemeinsame Kraft der Vielen dieses System stürzen, können wir echte Demokratie erreichen. Denn uns zu befreien können wir nur selber tun.

 

INFO: 

Bereits 1994 plakatierte die Haider-FPÖ: "Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist." Eine Lüge, hat die FPÖ doch beste Verbindungen in die Chefetagen und betreibt Sozialabbau und Lohnkürzungen, wo sie es kann.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Rechtsextrem: Freund und Feind des Staates

Anna Hiermann und Katja Straka

Anfang Dezember gab es in Deutschland, Italien und Österreich Razzien in der “Reichsbürger”-Szene mit insgesamt 225 Festnahmen. Diese planten einen Umsturz, um das Deutsche Reich wieder zu beleben. Aufgrund ihrer staatsfeindlichen Ideologie werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet.

Andererseits ist die FPÖ gut im Staat verankert, hat Mandate, Geld, Einfluss und ist in Umfragen zweitstärkste, wenn nicht sogar stärkste Partei.

Gefährlichkeit für den Staat?

Während Aktivist*innen der "Letzten Generation" als "Terroristen" diffamiert werden, werden Rechtsextreme in Polizei bzw. Heer in den allerwenigsten Fällen vom Dienst suspendiert. So beispielsweise letztes Jahr bei einem Unteroffizier des Bundesheers: Er wurde wegen Wiederbetätigung zu 10 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt. Für das Bundesheer ist das Strafmaß zu wenig, um ihn zu entlassen, er wurde lediglich versetzt.

Doch ist rechte Ideologie wirklich so gefährlich für die staatliche Ordnung? Schließlich bedienen sich bürgerliche Parteien rechter bis rechtsextremer Erklärungsmuster. 

Ein Bestandteil rechter Ideologie ist Rassismus. Menschen aus anderen Ländern wird vorgeworfen, sie würden “den Österreichern“ die Arbeitsplätze wegnehmen. Bei Arbeitslosigkeit sind die Probleme jedoch hausgemacht: Durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn/Gehalt könnten genügend Jobs für alle geschaffen werden. Das würde jedoch den Unternehmen mehr kosten. Profitmaximierung ist aber das A und O des kapitalistischen Systems. Parteien wie die FPÖ stehen im Dienste genau dieser Unternehmen. 2018 hat die blau-schwarze Koalition die Möglichkeit des 12-Stunden-Tages eingeführt. Diese Maßnahme ist gegen „den kleinen Mann“, den die Rechten zu schützen vorgeben. Somit wird lieber gegen Migrant*innen gehetzt, um von den wahren Problemen und Lösungen abzulenken. FPÖ-Funktionäre sind nicht nur Mitglieder schlagender Burschenschaften, sondern erhielten zum Dank auch Posten in Aufsichtsräten und Vorständen.

Weiters zeigt sich die widersprüchliche Haltung beim Thema Frauen und LGBTQI+ Personen. Einerseits werden diese in Zeiten relativ guter wirtschaftlicher Verhältnisse für die Arbeit benötigt. Auf der anderen Seite werden Frauen in Zeiten wirtschaftlichen Abschwunges verstärkt in die häusliche Sphäre zurückgedrängt. Zur Rechtfertigung bedient sich die etablierte Politik rechten Gedankengutes. 

Was schützt der Verfassungsschutz?

Von Seiten des “Verfassungsschutzes” werden rechtsextreme Aktivitäten beobachtet und auf ein “steigendes rechtsextremes Risiko” hingewiesen. Gleichzeitig gibt es immer wieder rechtsextreme “Einzelfälle” in Politik, Justiz, Polizei und Militär. Ein Verbot der faschistischen NPD scheiterte in Deutschland gerade, weil so viele V-Männer (= Polizeispitzel) in ihr aktiv waren. Eine Hauptaufgabe des “Verfassungsschutzes” ist die Beobachtung linker Gruppierungen. Eine der Hauptaufgaben linker Parteien und Gruppen ist der Kampf gegen Rechtsextremismus bzw. für ein System, das die Entstehung rechter Ideologien verhindert. Das zeigt, dass es dem Verfassungsschutz in erster Linie um den Erhalt der (kapitalistischen) Ordnung geht.

Rechte Akteur*innen werden nur bekämpft, wenn sie die Stabilität des herrschenden Systems mehr gefährden als sie diesem nützen. Das ist bei den Staatsverweiger*innen der Fall, die für Chaos sorgen würden - was die notwendige Stabilität für die Großkonzerne gefährdet. Neonazis werden nur dann bekämpft, wenn sie nicht vor physischer Gewalt gegen Vertreter*innen des Establishments zurückschrecken, solange sie “nur” Migrant*innen und Linke angreifen, bleiben sie ungeschoren. Das heißt: Beim Kampf gegen Rechts kann kein Verlass sein auf den Staat und seine Institutionen!

 

INFO:

Eine Entnazifizierung fand in Österreich nie wirklich statt. So sind Bundesheer und Polizeiapparat traditionell von Rechtsextremen durchsetzt. Die FPÖ-nahe AUF konnte 2019 bei den Personalvertretungswahlen 22,2 % erzielen. In der Spezialeinheit WEGA waren es 36 % - und das zu einer Zeit, in der die FPÖ bei den Parlamentswahlen “nur” auf 16,2 kam. In regelmäßigen Abständen zeugen Fälle wie z.B. Marcus Omofuma, der bei einer Abschiebung getötet wird, von den rassistischen bis hin zu rechtsextremen Elementen im Polizeikorps. Als die FPÖ Teil der Regierung war, hat sie gezielt ihre Mitglieder auch im Polizeiapparat positioniert. Außerdem wurden in ihrer Amtszeit Erhebungen bezüglich rechtsextremer Aktivitäten (Rechtsextremismus-Bericht) abgeschafft. Wann immer Fälle bekannt werden, heißt es “nur ein Einzelfall”...

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die FPÖ macht die Hetze, die anderen Parteien rassistische Gesetze: Weg mit dem ganzen rassistischen System!

Die faschistischen Angriffe auf das BRG Laaerberg zeigen: Die Propaganda der FPÖ ist brandgefährlich. Aber wie können wir uns gegen die rassistische Hetze und Gewalt wehren?

Zuerst dürfen wir nicht vergessen, wer die FPÖ groß gemacht hat: Die anderen etablierten Parteien. Die ÖVP hat die FPÖ in die Regierung geholt und setzt schon seit Jahren das rassistische Programm der FPÖ um. Aber auch die SPÖ, die heute die Demo organisiert, hat gemeinsam mit der FPÖ im Burgenland regiert und will das jetzt wieder in Salzburg tun! Alle Parteien, auch die Grünen und NEOS, setzen rassistische Politik um, wenn sie in der Regierung sind - auch in Wien! Tausende werden abgeschoben, Zehntausende werden von der MA35 (Amt für Einwanderung, kontrolliert von der SPÖ) systematisch schikaniert, weil sie keine Termine und Dokumente bekommen - und Hunderttausende haben keine Staatsbürgerschaft und dürfen deshalb nicht einmal wählen! Rassistische Gesetze und Kürzungen bei Gesundheit, Wohnen, Soziales und Bildung treiben Menschen in die Hände der FPÖ. Dabei hilft der Rassismus letztlich nur den Superreichen und ihrem kapitalistischen System, in dem Profite immer wichtiger als Menschen sind. Darum können wir uns im Kampf gegen die FPÖ nicht auf die etablierte Politik verlassen - und auch nicht auf die Polizei, die in Wien täglich rassistische Kontrollen durchführt. Wir müssen selbst aktiv werden - in unseren Schulen, Nachbarschaften und Betrieben!

  • Bauen wir eine Bewegung gegen Rassismus auf: Gegen die Hetze der FPÖ, aber auch gegen das gesamte rassistische System!

  • Weg mit allen rassistischen Gesetzen! Schluss mit allen Abschiebungen! Sofortige Staatsbürgerschaft für alle, die hier leben und sie haben wollen!

  • Kämpfen wir für Milliarden Euro für Bildung, Wohnen, Sozial- und Gesundheitsleistungen für alle, statt Profite für einige Wenige - so entziehen wir dem Rassismus den Boden!

  • Bauen wir Aktionsgruppen, z.B. in Schulen auf und mobilisieren wir für nächste Proteste! Melde dich bei uns, wenn du aktiv werden willst!

Die FPÖ ist nicht nur rassistisch, sie ist auch sexistisch und homophob. Deswegen müssen wir auch für gleiche Rechte für Frauen und Mädchen kämpfen, und für alle, die nicht in die engstirnige Mann-Frau-Schablone der FPÖ passen! Hierfür setzen wir uns als Internationale Sozialistischen Alternative (ISA) und sozialistisch-feministische Initiative ROSA ein. Zum Beispiel mobilisieren wir für eine Demo zum Internationalen Frauenkampftag am 8. März. Schreib uns, wenn du mitmachen willst!

 

 

Wie wehren wir uns gegen Rassismus?

Jan Wottawa

2020 gab es einen Rekord an bei der NGO Zara gemeldeten rassistischen Vorfällen. Rassismus ist allgegenwärtig und ein Problem des Systems. Alltägliche Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder Herkunft ist ein wichtiges Thema und der Wunsch vieler “etwas dagegen zu tun” ist groß. Das schlechte Abschneiden des “Black Voices” Volksbegehrens bedeutet nicht, dass es kein Interesse an Thema oder Lösung gibt. Aber es sagt etwas über verschiedene Zugänge aus. 

Es ist nicht möglich, ein so tiefgreifendes gesellschaftliches Problem auf persönlicher Ebene zu lösen. Einzelne rassistische Aktionen und Personen kann und soll man anprangern, aber das ist nur ein kleiner Teil der Gesamtsituation. Ähnlich wie es leider auch wenig nachhaltige Veränderung gibt, wenn eineR einzelne rassistische Politker*in aus dem Amt entfernt wird. Selbst wenn es auf magische Weise möglich wäre, diskriminierendes Gedankengut aus jeder Person zu entfernen, würden wir immer noch in einem System leben, das in seinen Strukturen rassistisch ist und Rassismus auch braucht.

Wo können wir ansetzen?

Angesichts des staatlichen Rassismus und der Not von z.B. Flüchtlingen ist es absolut verständlich, wenn Menschen helfen wollen. Bewegungen wie Black Voices und #BLM bringen viele Menschen zusammen, die sich fragen, was die nächsten Schritte sind. Manche schlagen “Information und Aufklärung” vor, oder gesetzliche Regelungen, oder organisieren ganz praktisch Hilfe. All das kann in einzelnen Fällen konkrete Verbesserungen erreichen, aber niemals eine endgültige Lösung bieten, da sie immer noch innerhalb des Systems arbeiten.

Die Schwäche einer solchen Hilfe, die Löcher stopft und letztlich an der Oberfläche bleibt, sieht man leider in der Flüchtlingsbewegung. Der Staat hat große Teile der Aufgaben praktisch auf NGOs reduziert, es hat sich also nichts Greifbares zum Besseren verändert. Trotzdem ist solche konkrete anti-rassistische und Flüchtlings-Arbeit oft der Einstieg in grundlegendere politische Arbeit. Viele Flüchtlingshelfer*innen von 2015/6 sind heute widerständige Beschäftigte im Sozialbereich. 

Ansätze bei Polizei, im Betrieb und Organisierung

 Die Polizei wird als “Freund und Helfer” präsentiert und es mag sein, dass manche das so sehen. Aber v.a. Migrant*innen machen weniger positive Erfahrungen, das ist keine Überraschung. Manche schlagen vor, hier anzusetzen, bei Verhalten und Stellung der Polizei. Schulungen helfen bestenfalls in Einzelfällen, und selbst wenn einzelne Polizist*innen persönlich nichts gegen Geflüchtete haben - wird ein Mensch abgeschoben, ist er abgeschoben. Viel wichtiger wären mehr Mittel für Sozialarbeit, für Jugendzentren und v.a. ordentlich bezahlte Jobs auch für Migrant*innen!

Aber auch in Betrieben kommt es oft genug zu Rassismus. Doch der Zusammenhalt zwischen den Kolleg*innen ist das wichtigste Instrument, das wir arbeitenden Menschen haben. Es braucht Gewerkschaften, die ihren Namen auch verdienen, die sich wirklich für die Interessen aller Beschäftigten einsetzen. Die momentanen Gewerkschaftsführungen haben der kapitalistischen (somit rassistischen/chauvinistischen “unsere Leute zuerst”) Logik nichts entgegenzusetzen, weil sie keine Alternative zum Kapitalismus haben. Doch diese braucht es.

 

Info:

Um Rassismus - und auch andere Unterdrückungsformen - zu beseitigen, braucht es das Ende des Kapitalismus. Denn einen Kapitalismus ohne systematischen Rassismus und Sexismus gibt es nicht. Es ist aber auch leicht, sich im Kleinen zu verlieren und “gegen das System” anzukämpfen, ohne wirklichen Plan. Eine Organisation mit internationalem Blick und internationaler Organisierung ist dafür zentral!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

FPÖ: Rückkehr mit Populismus

Peter Hauer

Der 34. Parteitag der FPÖ ist vorbei: Kickl ist mit 91% wiedergewählt und seine Rede war ein Einpeitschen für kommende Wahlen. Nur die FPÖ könne die österreichische Bevölkerung aus der aktuellen Krise befreien, meint Kickl.

Sind damit die zahlreichen Krisen innerhalb der FPÖ vorbei? Nein, der aktuelle Zustand ist viel eher ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Flügeln innerhalb der FPÖ. Auf der einen Seite jene Bundesländer, an der Spitze Oberösterreich, die mitregieren wollen und stärker staatsmännisch agieren wollen. Auf der anderen Kickl & Co., die stärker auf Fundamentalopposition inklusive Straßenmobilisierungen und den Aufbau der Partei mit kleinem aber gefestigtem Kern setzen. Aktuelle Umfragen geben Kickl durchaus recht in seinem Ansatz. Am 11.9. zeichnete eine Umfrage der Krone die FPÖ in Oberösterreich auf Platz 1 mit 29% - und das 3 Jahre nach dem Ibiza-Skandal, der die FPÖ die Macht kostete. Dass die FPÖ sich so schnell wieder erholt hat, liegt nicht an ihrer Programmatik. Das Programm der FPÖ ist in vielen Bereichen vage, widerspricht sich und ist im Kern wirtschaftsliberal und - ganz anders als Kickls Propaganda - nicht sozial. Um eine Antwort auf die Ukraine-Krise zu geben, fordert Kickl Fracking, in offiziellen Aussendungen wird sich klar dagegen ausgesprochen. Vor einer konkreten Positionierung zum Krieg selbst versteckt sich die FPÖ hinter Österreichs “Neutralität” und fordert eine Evaluierung der Sanktionen, um den österreichischen “Mittelstand” zu entlasten und schlussendlich zu stärken.

Woher kommt der neuerliche Aufstieg?

Kleinunternehmen bilden das Kernklientel der FPÖ und um diese wirbt die FPÖ nicht erst seit der Ukraine-Krise, sondern seit jeher. Das fiel vor allem während Corona auf, wo die FPÖ genau diese Schichten aufhetzte und großen Protest organisierte. Die FPÖ forderte während der Pandemie ein Aufsperren der Wirtshäuser, aber keine Entlastung für das Gesundheits- und Pflegepersonal. Auch die miesen Arbeitsbedingungen in der Gastronomie scheren sie wenig.

Ähnlich auch die Antworten auf die Krise: Viele Probleme, wie die Inflation oder sinkende Löhne werden zwar benannt, aber echte Lösungen im Sinne von Arbeiter*innen will und vor allem kann die FPÖ nicht geben. Denn die dringend nötigen Lohnerhöhungen, die Gewinnabschöpfung oder auch Enteignung von Spekulation zerrt an den Grenzen des Kapitalismus und steht im Widerspruch zu den Interessen der (Klein)Unternehmen - und diese bilden schließlich die Basis der FPÖ.

Woher kommt der Aufstieg also? Er wurzelt vor allem in der Krise des gesamten Systems, dem aktuell nur eine schwache Arbeiter*innenbewegung gegenüber steht. Es gibt keine Partei für Arbeiter*innen und der ÖGB ist ein braves angeleintes Hündchen, das es nicht wagt, ein eigenständiges Programm gegen die Inflation im Sinne der Arbeiter*innenklasse aufzustellen. Die steigende Unzufriedenheit mit der Regierung ist groß: 49% sind überhaupt nicht zufrieden mit der aktuellen Arbeit der Regierung! Die einzige lautstarke Opposition aber ist die FPÖ.

Was steht uns bevor?

Steht uns deswegen in naher Zukunft wieder eine FPÖ-Regierung bevor? Jein. Auf Länderebene spielt die FPÖ ungebremst eine große Rolle, vor allem in Oberösterreich. Auf Bundesebene schreckt das Kapital noch davor zurück, sie wieder in eine Regierung zu holen, weil sie ein massiver Unsicherheitsfaktor ist, wo doch Stabilität gebraucht wird. Doch eine Rückkehr auch auf Bundesebene ist mit einer verstärkten Energiekrise und einer FPÖ mit guten Russlandkontakten nicht gänzlich ausgeschlossen. Was uns auch bevorsteht, ist eine Wiederaufbauphase der FPÖ, da ihr einige zentrale Köpfe (Jenewein, Strache, …) weggebrochen sind bzw. in inneren Kämpfen verstrickt sind. Eine Arbeitsteilung mit den neofaschistischen Identitären war bei den “Corona-Demos” deutlich, hier gab und gibt es diverse auch personelle Überschneidungen. Ein Krisenwinter, in dem die Gewerkschaft der extremen Rechten inkl. FPÖ die Straße beim Thema Teuerung überlässt, ist gefährlich. Umso dringender braucht es entschlossene betriebliche und gewerkschaftliche Kämpfe für höhere Löhne, für mehr Personal, für die Finanzierung des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen aus den Profiten der Konzerne und für den gemeinsamen Kampf von Menschen verschiedener Hautfarbe, Religion und Geschlecht für all das.

 

 

Bild: Bwag, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

VORWÄRTS-Schwerpunkt zu Österreich 1933-45: Faschismus an der Macht

Teil 5 der Artikelserie: Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbewegung

Am  Wiener Landesgericht weist eine Tafel auf “369 Wochen der Okkupation” durch das nationalsozialistische Regime hin. Am Justizpalast hängt der austrofaschistische Doppeladler. Beispiele für das bis heute gängige Bild: 1938 kamen die bösen braunen Männchen aus dem Nichts, 1945 waren sie plötzlich wieder weg. “Österreich” als Opfer wird bis heute inszeniert und so bewusst ignoriert, dass der Faschismus hausgemacht war und bereits 1933 an die Macht kam. Dieses Regime wird v.a. aus dem Lager der ÖVP gerne verharmlosend als “Ständestaat” dargestellt und Dollfuss wird von der ÖVP-Spitze in Ehren gehalten. Der österreichische Faschismus baute sich mit aktiver Unterstützung von Teilen des Kapitals und der katholischen Kirche seit Ende des 1. Weltkriegs auf. Schon davor waren Rassismus, Antisemitismus und alles was gegen die Arbeiter*innenbewegung ging den Bürgerlichen mehr als willkommen. “Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!” (Bertolt Brecht) ist bis heute viel richtiger als alle Erklärungsmuster über Rechtsextremismus und Faschismus, die bei Psychologie oder der Überbetonung Einzelner stecken bleiben. Rassentheorien und strikte Rollenbilder hat Hitler ebensowenig erfunden wie Éxpansionsbestrebungen des Kapitals und Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung. Das gilt auch für heutige rechtsextreme Phänomene wie Bolsonaro oder Orban. Die Abholzungspolitik von Bolsonaro inklusive Gewalt gegen Indigene passt der brasilianischen Elite gut ins Geschäft. Die frauenfeindliche Politik der polnischen PIS-Regierung wird zwar aktuell von der EU nicht gefördert, ist aber auch kein Problem, wenn es um die Abwehr armer Flüchtlinge an der EU-Außengrenze geht. Orban, dessen illiberale Demokratie die Hölle für Roma, Frauen, LGBTQ+ Personen und Gewerkschaften ist, wird als Partner gegen Putin umworben. Erdogans Rassismus, Trumps Sexismus, Modis Kommunalismus etc. - all das kein Problem für die Reichen und Mächtigen, solange sich gute Geschäfte machen lassen. All diese zunehmend diktatorischen Regime charakterisieren wir aktuell nicht als faschistisch. Das macht sie nicht weniger gefährlich, aber um die Krankheit richtig bekämpfen zu können, braucht man die richtige Diagnose. Das galt 1933, 1938 und das gilt auch heute.

Sonja Grusch

 

Arbeiter*innenbewegung zwischen Austro- und Nazifaschismus

Die Erfahrungen von der Parlamentsausschaltung am 4. März 1933 durch den Austrofaschismus bis zur Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1945 sind geprägt von katastrophalen Niederlagen der Arbeiter*innenbewegung. Die Konsequenz für Sozialist*innen heute liegt vor allem darin, in der aktuellen Krise des Kapitalismus konsequent für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse und eine revolutionäre Praxis ihrer Bewegung zu kämpfen.

Am 4. März 1933 schaltete Engelbert Dollfuss von der Christlichsozialen Partei (CSP, Vorgängerin der ÖVP) das Parlament aus. Anlass war eine Debatte um einen Streik der Eisenbahner*innen - diese hatten zuvor Waffenlieferungen aus dem faschistischen Italien an die CSP-nahen faschistischen Heimwehren blockiert. Die Einführung der Diktatur war offen geplant gewesen - vor allem, weil das Parlament den brutalen Kürzungsmaßnahmen im Weg stand, zu denen sich die österreichische Regierung in der Weltwirtschaftskrise im Gegenzug für eine Finanzspritze vom Völkerbund verpflichtet hatte. Die Niederschlagung des Arbeiter*innenaufstands im Februar 1934 und die Erlassung der „ständestaatlichen“ Verfassung am 1. Mai 1934 begründeten in der Folge das erste faschistische Regime in Österreich. Der italienische und deutsche Faschismus waren in den 1920er Jahren terroristische Bewegungen, die vom Kapital solange gefördert wurden, solange sie ihre Gewalt gegen die Arbeiter*innenbewegung richteten – aber dann, im Moment einer allgemeinen Krise und Paralyse sowohl der etablierten bürgerlichen Politik wie auch der Arbeiter*innenparteien, wuchsen sie ihren Förderern über den Kopf und errichteten ihre eigenen Diktaturen. Zwar profitierte das Kapital weiterhin vom Faschismus – durch die zerschlagene Arbeiter*innenbewegung und die imperialistische Expansion etwa – aber es bezahlte dafür mit einem gewissen Verlust der Unabhängigkeit gegenüber dem faschistischen Staat, dessen wahnhafte Gewaltorgien keineswegs eine langfristig stabile Basis zum Profitmachen sind. Die Etablierung des austrofaschistischen Regimes wurde jedoch von Anfang an „von oben“ koordiniert. Die CSP stellte in der 1. Republik immer die Bundesregierung. Sie war die Partei sowohl des Großkapitals, des Kleinbürgertums und der Kirche. Zwar gab es mit den Heimwehren austrofaschistische terroristische Bewegungen, doch diese blieben eng an die CSP gebunden. Erst im Zuge der tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise ab 1929 drohte die CSP die Kontrolle über die faschistischen Formationen zu verlieren. Die Kanzlerdiktatur ab 1933 und die Schaffung der faschistischen Einheitspartei Vaterländische Front (VF) sollten diese Zentrifugalkräfte unterbinden. Dennoch stand der Austrofaschismus von Anfang an auf wackligen Beinen. Man hatte sich seit den 1920ern am italienischen Faschismus unter Mussolini orientiert – und dieser hatte Heimwehren und CSP mit Geld und Waffen versorgt. Doch Hitlers Sieg bedeutete eine massive Kräfteverschiebung. Die österreichischen Nazis schöpften nun trotz Illegalität Selbstvertrauen. Im Juli 1934 töteten sie Dollfuss bei einem Putschversuch. Während dessen Nachfolger Kurt Schuschnigg versuchte, den Schein der Stärke zu wahren, unterwanderten die Nazis längst den Staat. Mangels einer ständig mobilisierbaren und gewaltbereiten Massenbasis, wie sie Hitler im deutschen Kleinbürgertum hatte, glich der Austrofaschismus zunehmend einer leeren Hülle: Die faschistische Verfassung existierte hauptsächlich am Papier – regiert wurde durch Verordnungen. Die faschistische Massenpartei VF und die faschistische Einheitsgewerkschaft (EG) waren ebenso hohl: 1937 zählte die EG gerade mal 400.000 Mitglieder – in einem Land mit ca. 5 Millionen Berufstätigen ziemlich wenig für eine „totalitäre“ Organisation.

Arbeiter*innenbewegung: Die doppelte Niederlage

Die Schwäche des Austrofaschismus bedeutete auch, dass sich die Arbeiter*innenbewegung im Untergrund reorganisieren konnte. Die führende Rolle übernahm nun – zum einzigen Mal in der österreichischen Geschichte – die KPÖ. Viele vom Bankrott des Reformismus enttäuschte Sozialdemokrat*innen traten nun der KPÖ bei. Im „Autonomen Schutzbund“ organisierten sich unmittelbar nach dem Februar 1934 ca. 10.000 Kämpfer*innen. 70% davon waren parteilos, 20% waren bei der KPÖ und 10% bei den Revolutionären Sozialisten (RS), einer Nachfolgeorganisation der zerschlagenen Sozialdemokratie. Letztere machten unter der Führung Joseph Buttingers einen Linksruck durch. RS und KPÖ vereinbarten zunächst eine Aktionsgemeinschaft, die auch den Autonomen Schutzbund umfasste, und als deren Programm revolutionärer Klassenkampf, Sturz des Faschismus und Errichtung der proletarischen Räterepublik festgehalten wurden. All das hätte eine Basis für eine echte Einheitsfront, wie sie zu der Zeit Leo Trotzki vorschlug, bilden können. Doch letztendlich siegte auf beiden Seiten das Sektierertum – das sozialdemokratische wie das stalinistische. Diesen Spaltungstendenzen widersetzte sich die „Schutzbundzeitung“, das Organ des Schutzbunds Wien-Mariahilf, der mehrheitlich dem linksoppositionellen „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“ zuzurechnen war. So heißt es gleich in der ersten Ausgabe im April 1935: „Die S.P. will den Schutzbund zu ihrer Parteigarde umwandeln zur Erkämpfung der Koalition mit der Bourgeoisie, die K.P. will eine Parteigarde für ihre rein national-russische Politik. So arbeiten beide Parteien vollkommen bewusst und planmäßig auf eine Zerreißung des Schutzbundes hin.“ Diese falsche Politik erwies sich mit dem beginnenden Zusammenbruch des Austrofaschismus und der unmittelbaren Bedrohung eines deutschen Einmarsches als fatal. Im April 1937 verfassten betriebliche Vertrauenspersonen, die ca. 100.000 Arbeiter*innen der illegalen Arbeiter*innenbewegung vertraten, einen Brief an Schuschnigg. Darin forderten sie die Legalisierung der Arbeiter*innenorganisationen, echte Gewerkschaften und Pressefreiheit, um effektiv gegen den deutschen Nationalsozialismus kämpfen zu können. Schuschnigg lehnte ab. Ein effektiver Kampf gegen die nationalsozialistische Gefahr hätte einen offenen Kampf gegen den faulenden Austrofaschismus notwendig gemacht. In den Wochen vor dem Anschluss organisierten die illegalen Gewerkschaften noch starke antifaschistische Mobilisierungen, am 24. Februar kam es zu Massenaufmärschen. Doch während die RS weiter hofften, durch Verhandlungen Schuschnigg umzustimmen, stellte sich die KPÖ – der nationalistischen Volksfront-Politik Stalins folgend – am Abend des Einmarsches vollkommen hinter das Regime und verkündete: „Alle Unterschiede der Weltanschauung, alle Parteiunterschiede treten zurück vor der heiligen Aufgabe... Rot-Weiß-Rot bis in den Tod!” Indem die aufstrebende Arbeiter*innenbewegung 1938 ihr Schicksal an das untergehende austrofaschistische Regime knüpfte, besiegelte sie auch ihre eigene Zerstörung. Der Nationalsozialismus war ungleich stärker, und darum auch konsequenter und brutaler als der Austrofaschismus. Organisierter Widerstand erwies sich vor allem in den ersten Jahren als kaum durchführbar. Gleichzeitig hatte die doppelte Niederlage der Arbeiter*innenbewegung 1934 und 1938 den Nährboden dafür gelegt, dass nun nicht nur Großkapital und Kleinbürgertum, sondern nun auch mehr Arbeiter*innen empfänglich für die NS-Ideologie waren. Mehr als 700.000 Österreicher*innen waren Mitglied der NSDAP, prozentuell mehr als im “Altreich”. 1,2 Millionen Österreicher*innen waren in der Wehrmacht bzw. SS, oft in Führungspositionen, etwa in KZs. Mit Mauthausen wurde 1938 in der nunmehrigen „Ostmark“ nicht nur das erste KZ außerhalb des „Altreichs“ gebaut – es wurde in der Folge auch das einzige Lager im Reichsgebiet, das offiziell unter der Lagerstufe III („Rückkehr unerwünscht“) betrieben wurde. Mauthausen diente zunächst vor allem zur Ermordung politischer Häftlinge – besonders von „Rotspaniern“, antifaschistischen Kämpfer*innen im Spanischen Bürger*innenkrieg, die extra hierher deportiert wurden. Das Kapital verdiente auch hier gut am Massenmord: Ab 1941 ist die "Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH", ein von der SS gegründetes Unternehmen, Eigentümerin von Mauthausen. Parallel zur Ausweitung des Kriegs wird nun auf „Vernichtung durch Arbeit“ gesetzt. Von 200.000 nach Mauthausen Deportierten sterben bis 1945 etwa 120.000.

„Historisch, objektiv betrachtet, kommt der Faschismus vielmehr als Strafe, weil das Proletariat nicht die Revolution, die in Russland eingeleitet worden ist, weitergeführt und weitergetrieben hat.“ (Clara Zetkin, 1923)

Sebastian Kugler

 

Marx Aktuell: Was ist Faschismus

Viele verwenden das Wort "Faschismus", um autoritäre Regime oder Führer*innen zu beschreiben, die Kontrolle über Staat und Medien ausüben und systematisch Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse, insbesondere auf Frauen, LGBTQI+ und ethnische Minderheiten, ausüben. Dies sind zwar eindeutig Merkmale faschistischer Regime, aber nicht die einzigen. Eine genauere Analyse verschiedener reaktionärer Kräfte ist notwendig, um sie richtig bekämpfen zu können.Faschismus beschreibt eine bestimmte politische Situation im Kapitalismus: Zunächst eine allgemeine Krise, die zu einer verstärkten Polarisierung und oft zu einer vor-revolutionären Situation führt. Unter den Mittelschichten herrschen Elend und Verzweiflung über Unfähigkeit der herrschenden Klasse, die Widersprüche des Kapitalismus abzufedern. Diese Schichten fühlen sich von oben - der Macht und dem Kapital der herrschenden Klasse - bedroht, aber noch mehr von unten - von einer möglichen sozialen Revolution. Das ist der Nährboden für eine faschistische Massenbasis, die Faschismus von anderen Diktaturen unterscheidet. Sie organisieren sich in Banden und Milizen, um die Arbeiter*innenbewegung zu terrorisieren. Dies kommt den Herrschenden zunächst gelegen, doch die Unkontrollierbarkeit des Faschismus stellt auch eine Gefahr für die Stabilität des Kapitals dar. An die Macht gelangt der Faschismus jedoch nur, wenn die Führung der Arbeiter*innenklasse in dieser entscheidenden Krise keine revolutionäre Alternative zum Chaos des Kapitalismus aufzeigt. Die einzige Möglichkeit, die extreme Rechte wirksam zu bekämpfen und den Aufstieg des Faschismus zu verhindern, besteht also darin, eine revolutionäre Arbeiter*innenbewegung aufzubauen, die eine solche sozialistische Alternative zu der permanenten Krise des Kapitalismus bietet, somit die Mittelschichten mitreißt und für eine gleichberechtigte, friedliche und wohlhabende Gesellschaft kämpft.  

Yasmin Morag

 

Antifaschistischer Widerstand- aber richtig!

In der bürgerlichen Geschichtsschreibung wird meistens der Widerstand aus dem bürgerlichen und kirchlichen Lager aufgegriffen, wie z. B. der Versuch von Stauffenberg, Hitler zu beseitigen. Doch während Stauffenberg selbst Faschist war, der nur den Faschismus vor Hitler retten wollte, gab es auch den zahlenmäßig wesentlich größeren, auch bewaffneten, sozialistischen bzw. kommunistischen Widerstand, der oft mit dem jüdischen Widerstand einherging. Doch sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen, wäre für die Bourgeoise äußerst unangenehm. Denn dieser stellte auch den Kapitalismus, aus dessen Krise sich der Faschismus entwickelte, in Frage. Juden/Jüd*innen und Kommunist*innen gingen keineswegs “wie Lämmer zur Schlachtbank”. Von den mehreren erfolgreichen Anschlägen auf hohe Funktionäre der Nazis durch die niederländische Kommunistin Hannie Schaft bis zum bewaffneten Aufstand des Warschauer Ghettos und dem Partisan*innenkampf von Slowenien bis Lettland kämpften Unzählige bis zum letzten Atemzug. Und dennoch waren dies vor allem Verzweiflungskämpfe. Sie wurden alternativlos, weil die Arbeiter*innenbewegung zuvor es nicht geschafft hatte, durch Bildung einer Einheitsfront den Faschismus aufzuhalten.

Volksfront und Einheitsfront

Einheitsfront meinte historisch den gemeinsamen Kampf kommunistischer und sozialdemokratischer Arbeiter*innen gegen den Faschismus. Im Gegensatz zu heute waren die sozialdemokratischen Parteien damals Massenorganisationen des Proletariats. Außerdem hatten zumindest Teile reformistischer Parteien eine sozialistische Perspektive. Durch die Einheitsfronttaktik hätten noch Anfang der 1930er Jahre riesige Massen an Arbeiter*innen mobilisiert werden können und der Vormarsch des Faschismus gestoppt werden können. Sie wurde vor allem von dem russischen Revolutionär und Antistalinisten Leo Trotzki propagiert, konnte sich aber, trotz vielversprechender Initiativen an der Basis, aufgrund des Sektierertums der bürokratischen Führungsapparate in beiden Parteien nicht durchsetzen.

Nachdem der Stalinismus vor dem Sieg des Faschismus alle anderen politischen Kräfte - und insbesondere die Sozialdemokratie - als “Faschisten” gesehen hatte, schwenkte er nun um 180 Grad und propagierte die “Volksfront”. Darunter ist das Bündnis kommunistischer, sozialdemokratischer und bürgerlicher Parteien im Kampf gegen den Faschismus zu verstehen. In der Praxis bedeutete sie die komplette Unterordnung unter bürgerliche Kräfte. So kämpfte zum Beispiel die damalige KPÖ nicht für den Sozialismus, sondern für ein „freies Österreich“. Der Kampf gegen den Kapitalismus wurde so über Bord geworfen. Die Volksfront scheiterte in Frankreich oder Spanien, wo sie kurzzeitig an die Macht kam, katastrophal. Der Nationalsozialismus wurde aufgrund dieser falschen Taktik auch nicht politisch, sondern letztlich nur militärisch besiegt. Somit blieb der Boden für eine Wiedergeburt des Faschismus bestehen.

Und heute?

Somit stellt sich die Frage, wie eine Einheitsfront heutzutage aussehen könnte. Aufgrund des Fehlens großer proletarischer Massenparteien bedeutet Einheitsfront nicht einfach das Bündnis einzelner bestehender Gruppen, sondern vor allem den Aufbau und die Zusammenführung sozialer Bewegungen bzw. Klassenkämpfe im Kampf gegen Rechts. Zum Beispiel bedeutet das den vereinten Kampf von Gesundheits-, Pflege-, und Bildungsbeschäftigten, sowie anderer Initiativen gegen den sozialen Kahlschlag, der massenhaft von rechten Parteien betrieben wird. Die gemeinsamen Interessen aller, die von kapitalistischer Ausbeutung und rechter Gewalt betroffen sind, müssen dabei im Zentrum stehen - und nicht hohle moralische Appelle. Das bedeutet auch, sich nicht vor den Karren jener bürgerlichen Parteien wie SPÖ oder Grüne spannen zu lassen, die sich nach außen hin (wenn es gerade politisch genehm ist) antifaschistisch präsentieren, aber durch Kürzungspolitik und staatlich verwalteten Rassismus den Rechten den roten Teppich ausrollen. Konkret muss Widerstand gegen den Faschismus mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden sein.

Anna H. und Sebastian Kugler

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Putin, Selenskyi und Faschisten

Dylan Pattillo

Im Russland-Ukraine-Krieg behauptet Putin, der Einmarsch diene der "Entnazifizierung". Selenski sagt, die Russen seien die wahren Faschist*innen. Doch beide Seiten haben „ihre“ Nazis.

Die ukrainische Regierung stützt sich u.a. auf das von Neonazis gegründete Asow Regiment. Sie verwenden Nazi-Symbole wie Wolfsangel und schwarzes Sonnenrad und verüben mit einer Straßenpatrouille, der Nationalen Miliz, Gewalt gegen Antifaschist*innen und z.B. Roma. Die Gruppe ist seit 2014 offiziell in die ukrainische Nationalgarde integriert, erhält staatliche Mittel und Waffen.

Auch das russische Regime hat, neben der Unterstützung rechter Parteien in Europa (inkl. FPÖ) seine eigenen Faschist*innen. Die Wagner-Gruppe, Russlands inoffizielle und brutale Söldnergruppe, wurde Berichten zufolge von Dmitri Utkin gegründet, einem Ex-Soldaten mit Nazi-Tätowierungen. Die Gruppe ist eng mit dem Kreml verbunden, wurde nach Hitlers Lieblingskomponisten benannt und wird der Folter beschuldigt. Eine andere Gruppe, die Russische Reichsbewegung, hat Neonazis aus der ganzen Welt ausgebildet, darunter Viktor Melin, der 2017 Bombenanschläge in Schweden verübte. Das Regime unterdrückt auch antifaschistische Bewegungen im eigenen Land brutal.

Für die Bevölkerung sind die Faschist*innen auf beiden Seiten nicht repräsentativ, militärisch sind letzlich eine zusätzliche Gefährdung da sie den Krieg brutaler machen – aktuell und längerfristig. Und die Bewaffnung von Faschist*innen kann in der Zukunft zu einem großen Problem werden.

Rassistisch Flüchtlingen helfen?!

Yasmin Morag

Die österreichische Regierung ist für ihre rassistische Anti-Flüchtlings-Politik bekannt. Kurz propagierte "Präventivhaft" von Asylwerber*innen und ein Kopftuchverbot für Frauen unter 14. Er erklärte, dass illegale Einwanderung eine ebenso große Bedrohung sei wie der Klimawandel. Karl Nehammer ist noch schlimmer und verhängte für die ohnehin wenigen Asylwerber*innen aus Afghanistan ein Einreisverbot. Ähnlich wie die ungarische und polnische Regierung hat die österreichische in Bezug auf ukrainische Flüchtlinge eine scharfe Kehrtwende vollzogen und unbürokratischen und freien Zugang gewährt. Nehammer erklärt ehrlich rassistisch: "In der Ukraine ist es anders als in Ländern wie Afghanistan….wir sind eine europäische Familie, und Familien stehen zueinander".

85 % sind für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine – das ist gut. Doch die pseudo-flüchtlingsfreundliche Kehrtwende der Regierung dient dazu, nationalistische und rassistische Tendenzen zu stärken.

Hinzu kommt die Verflechtung der österreichischen mit der russischen Wirtschaft: Rund 650 österreichische Firmen sind in Russland tätig, das der zweitgrößte Investor in Österreich ist. Die herrschende Klasse muss den Widerspruch zwischen ihren eigenen Interessen und dem breiten Widerstand in der Bevölkerung gegen den Krieg abfedern. Gleichzeitig hat die Regierung keinen Plan, wie der erhöhte Bedarf in den bereits überfüllten Schulen, Krankenhäusern, Wohnungen finanziert werden soll.

Reiche Österreicher*innen werden die Auswirkungen dieser Krise auf ihre Lebensbedingungen nicht spüren, ebenso wenig wie reiche Ukrainer*innen. Es ist also keine Frage der Herkunft! Daher ist die Solidarität der Arbeiter*innenklasse notwendig. Ukrainische und österreichische Arbeiter*innen sowie Flüchtlinge aus anderen Ländern haben ein gemeinsames Interesse daran, für mehr Ressourcen für alle zu kämpfen und sich für die Beendigung von Krieg und Imperialismus zu organisieren. Diejenigen, die regelmäßig von Krieg und Imperialismus profitieren - die Rüstungsindustrie, die Energiekonzerne und die Immobilienbesitzer*innen, die jetzt zynischerweise aus dem Krieg Profit schlagen, müssen diejenigen sein, die für die katastrophalen Folgen des Konflikts zahlen.

 

Krieg? Solidarität der Arbeiter*innen!

Als Reaktion auf die Schrecken des Krieges in der Ukraine, in der zumindest in Europa am schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise seit dem 2. Weltkrieg, haben ganz „normale“ Menschen in Polen, Rumänien, Ungarn, Österreich etc. Hilfe für die Opfer organisiert - sie haben Decken und Kleidung gesammelt, Unterkünfte angeboten, Essen und Transporte organisiert. Dies ist nicht das erste Mal, dass wir eine starke Solidarität der Arbeiter*innen als erste Reaktion erleben. Während der Überschwemmungen in Deutschland 2021 organisierten Arbeiter*innen Unterkünfte, Lebensmittel und sogar Rettungsmaßnahmen. In Kasachstan herrschte nach der brutalen Unterdrückung des Aufstandes Lebensmittelknappheit in den Städten, und die Arbeiter*innen organisierten sich, um allen Mahlzeiten anzubieten. Diese spontane solidarische Reaktion der Arbeiter*innen ist das deutlichste Gegenargument an all jene, die behaupten, die menschliche Natur sei zu egoistisch für eine sozialistische Gesellschaft.

Der österreichischen Regierung kommt das sehr gelegen, denn so kann sie sogar noch bei der Hilfe sparen und die Kosten an jene auslagern, die ohnehin nicht viel haben! Die Regierung wird auch versuchen, den Krieg und die schreckliche Situation in der Ukraine zu nutzen, um die Nöte der Arbeiter*innen hierzulande kleinzureden. Und doch ist gerade diese Solidarität der Ansatz für gemeinsamen Widerstand. Für ein besseres Leben hier – und dort!

 

Die Kehrtwende der Herrschenden in der Flüchtlingsfrage

Institutioneller Rassismus oder doch etwas anderes?
Yasmin Morag

Die Welt sieht mit Entsetzen zu, wie Putins Armee Wohngebiete bombardiert und einige Städte fast vollständig zerstört. Millionen von vertriebenen Ukrainer*innen leiden unter dem Mangel an Lebensmitteln, Wasser, Strom und Medikamenten, und die Zahl der Flüchtlinge in der am schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg steigt auf 3 Millionen an. Während die Schrecken des Krieges kaum zu glauben sind, wird die Bedeutung dieser Entwicklung deutlich - der Krieg in der Ukraine ist ein Vorher-Nachher-Moment, der die Verschärfung der seit langem bestehenden Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten anzeigt und mit seiner Eskalation wird das reale Potenzial für einen umfassenden Krieg zwischen europäischen Ländern, den USA und China zu einer greifbaren Möglichkeit.

Die Mehrheit der Bevölkerung in den meisten europäischen Ländern lehnt den Krieg ab und unterstützt die Idee, ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen. In Österreich befürworten 85 % der Bevölkerung die Öffnung der Grenzen für ukrainische Flüchtlinge, wie eine Umfrage des Peter-Hajek-Instituts ergab. Die Reaktion der Bevölkerung auf den Krieg, einschließlich massiver humanitärer Hilfe und Anti-Kriegs-Protesten, hat dazu geführt, dass Regierungen, die sich normalerweise aggressiv gegen die Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen wehren, nun offen die ukrainischen Flüchtlinge aufnehmen. Die "westlichen" Länder haben plötzlich ein Herz für Flüchtlinge gefunden, nachdem sie jahrelang gegen Migrant*innen gehetzt und eine rassistische Politik gegen sie betrieben hatten. Sowohl die ungarische als auch die polnische Rgeierung haben einwanderungs- und flüchtlingsfeindliche Gesetze erlassen, Asylbewerber als Bedrohung für die Sicherheit des Landes bezeichnet und nationalistische Tendenzen und Organisationen gefördert; die polnische Regierung hat Millionen für den Bau einer Grenzmauer ausgegeben, während Krankenhäuser und Schulen hoffnungslos unterbesetzt und unterbezahlt waren. Nun haben sowohl die polnische als auch die ungarische Regierung ihre Türen geöffnet, um Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen.

Auch die österreichische Regierung ist für ihre rassistische und nationalistische Politik gegenüber Flüchtlingen bekannt. Sie spricht sich seit langem gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge in die Europäische Union aus und drängt ständig auf strengere Grenzkontrollen. Obwohl die Zahl der Menschen, die in Österreich Asyl beantragen, bis zum Krieg in der Ukraine allmählich zurückgegangen ist, hat die Zahl der Anhaltezentren und der dort festgehaltenen Menschen zugenommen. Einige von Kurz' Wahlaussagen richteten sich gegen Flüchtlinge und insbesondere gegen Muslime*Muslimas. Er versprach die "präventive Inhaftierung" von Asylbewerber*innen, die des religiösen Radikalismus verdächtigt werden, ein Kopftuchverbot für Frauen unter 14 Jahren und erklärte, dass die illegale Einwanderung für Österreich eine ebenso große Bedrohung darstelle wie der Klimawandel. Karl Nehammer ist bekanntermaßen noch extremer als Kurz und hat sich kürzlich dafür eingesetzt, dass Afghan*innen, die nach dem Sturz der Regierung in Kabul durch die Taliban Zuflucht suchten, abgewiesen wurden. Auch er nimmt jetzt offen ukrainische Flüchtlinge auf und rechtfertigt damit seine Kehrtwende in der Politik: "In der Ukraine ist es anders als in Ländern wie Afghanistan", "wir sind eine europäische Familie, und Familien stehen zueinander".

Für die österreichische Regierung dienten die seltenen Fälle von Gewalt durch Flüchtlinge als Vorwand für kollektive Maßnahmen gegen alle Flüchtlinge und als Gelegenheit, nationalistische und rassistische Stimmungen zu schüren. Während es sehr selten vorkommt, dass von weißen, christlichen Österreichern begangene Straftaten zu einer Änderung der Politik oder gar zu besonderer medialer Aufmerksamkeit führen, haben Verbrechen wie der Mord an einer jungen Frau im Jahr 2021 durch Asylbewerber zu einem ganzen Medienzirkus geführt, der Migranten verunglimpft und suggeriert, alle Flüchtlinge seien gefährliche Kriminelle, die die Bevölkerung bedrohen. Auf dieses Ereignis folgte die Initiative von Kurz, alle Flüchtlinge, die Straftaten begangen haben, abzuschieben - eine weitere Möglichkeit für die Regierung, sich von Flüchtlingen zu erleichtern, die kleinere Straftaten begangen haben, aber auch von unschuldigen Menschen, und vor allem die Arbeiter*innenklasse aufzuhetzen, Angst zu schüren und weiter zu spalten.

Der Zweck dieser Sonderbehandlung von Flüchtlingen durch die Medien und die herrschende Elite, für die sie arbeiten, besteht darin, die Arbeiter*innenklasse zu spalten und eine Unterstützungsbasis für die Regierung aufzubauen, die auf Angst und Hilflosigkeit beruht. Migranten, insbesondere dunkelhäutige und muslimische Menschen, werden ständig als gefährliche Kriminelle und Vergewaltiger dargestellt. Verbrechen gegen Frauen werden vom Staat selten ernst genommen, es sei denn, sie dienen einem höheren Zweck in seinem Interesse - die Bevölkerung weiter zu spalten, Angst zu verbreiten und ein Gefühl der nationalen Einheit gegen einen gemeinsamen Feind zu fördern. Migrant*innen und Flüchtlinge werden vom Staat auch benutzt, um von seinen eigenen Versäumnissen und Unzulänglichkeiten abzulenken - sie sind leicht für fehlende Ressourcen im Gesundheits- und Sozialbereich, im Bildungs- und Wohnungswesen sowie für fehlende Arbeitsplätze, niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen verantwortlich zu machen. Migrant*innen werden leicht als Sündenbock benutzt, auf den alle Folgen des verfallenden Kapitalismus abgeladen werden können. Die Wahrheit ist natürlich, dass während der Pandemie die wahre Loyalität der österreichischen Regierung deutlich wurde - sie war in der Lage, das Geld zu finden, um es an die großen Unternehmen zu verteilen, wie sie es in der Krise 2008 getan hat, aber sie schloss ihre Brieftasche, wenn es darum ging, das Personal und die Löhne in den überlasteten und unterfinanzierten Krankenhäusern, Schulen und im Sozialbereich aufzustocken.

Jetzt hat die extreme Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik, obwohl sie von der Öffentlichkeit weitgehend unterstützt wird, einige Augenbrauen hochgezogen. Der erste Instinkt vieler Menschen ist zwar, dass der Staat nur weiße, christliche, meist gebildete Asylbewerber*innen "wie uns" aufnehmen wird, aber das ist nicht die ganze Geschichte. In dieser Politik steckt ein rassistisches Element, das der Regierung dabei helfen soll, nationalistische und rassistische Tendenzen in der Öffentlichkeit zu stärken, wie Nehammer es sehr ehrlich ausgedrückt hat - es gibt eine europäische "Familie", und afghanische, syrische oder sudanesische Kriegsopfer sind nicht Teil dieser Familie. Dieser extreme Widerspruch bleibt nicht unbemerkt von den Menschen in Afrika und Asien und natürlich auch von den Flüchtlingen hier in Österreich, die entsetzt darüber sind, dass ihnen nach oft jahrelangem Aufenthalt Arbeitserlaubnis und Unterstützung verweigert werden, während ukrainischen Flüchtlingen unbürokratisch Zugang und Hilfe gewährt wird, ohne dass sie Fragen stellen müssen. Dies offenbart in aller Deutlichkeit das wahre Wesen der europäischen Regierungen und könnte Flüchtlinge und Einwohner*innen afrikanischer und asiatischer Länder dazu bringen, Putin zu unterstützen.

Gleichzeitig gibt es eine Reihe anderer Gründe für diesen Politikwechsel. Die österreichische und die russische Wirtschaft sind wirtschaftlich stark miteinander verflochten, was bedeutet, dass die österreichischen Eliten nicht willens und in gewissem Maße auch nicht in der Lage sind, die finanziellen und politischen Beziehungen zu den russischen Oligarch*innen zu kappen. Rund 650 österreichische Unternehmen sind mit Investitionen von rund 4,6 Milliarden Euro in Russland aktiv, während Russland nach Deutschland einer der größten Investoren in der österreichischen Wirtschaft ist. Viele russische Unternehmen steuern ihre internationalen Geschäfte von Wien aus, und viele sind direkt mit österreichischen Politiker*innen und Wirtschaftsmogulen verbunden. Die russische Ölgesellschaft Lukoil International GmbH beispielsweise hat den ehemaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in ihrem Aufsichtsrat, die Sberbank Europe EG (eine Tochter der russischen Staatsbank), deren Aufsichtsratschef der österreichische Mogul Siegfried Wolf ist, hat ihren Sitz in Wien, wo sie Geschäfte mit anderen europäischen Ländern tätigt. Siegfried Wolf selbst ist an vielen Unternehmen in Russland beteiligt. Der russische Oligarch Deripaska hält 27,8 % der Anteile am österreichischen Bauunternehmen STRABAG, dessen Aufsichtsratsvorsitzender der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist. Viele dieser russischen Oligarch*innen besitzen extravagante Immobilien in Wien und auf dem Land im Wert von zig Millionen, und vielen wird für ihre Investitionen die Staatsbürgerschaft angeboten.

Das Interesse der österreichischen Eliten an der Aufrechterhaltung der Beziehungen zu ihren Oligarch*innen-Freund*innen ist offensichtlich, aber sie profitieren auch regelmäßig von Konflikten. Obwohl Informationen über die Exporte von Militär- und "Verteidigungs"-Gütern nicht direkt verfügbar sind, wurden 2016 Waffen, Munition und Militärfahrzeuge im Wert von mehr als 37 Millionen Euro in acht Kriegsländer exportiert, darunter Mexiko, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Saudi-Arabien, die einen Krieg gegen den Jemen führen. In den ersten beiden Jahrzehnten der 2000er Jahre stiegen die jährlichen Rüstungsexporte um mehr als das 15-fache. Im Einklang mit dem allgemeinen Trend unter den europäischen Regierungen beabsichtigt Österreich nun, die Gewinne der Rüstungsindustrie weiter aufzublähen, indem es seine Ausgaben für "Verteidigung" um fast 50 % erhöht.

Die steigenden Kriegskosten mit all ihren Auswirkungen, einschließlich der Energiepreise und Rüstungsausgaben, der Inflation sowie der finanziellen Auswirkungen der Pandemie und der eskalierenden Klimakrise werden auf den Schultern der arbeitenden Menschen abgeladen. Der wachsende Druck auf die arbeitende Bevölkerung, die bereits unter der Pandemie gelitten hat - von ihr werden enorme Opfer verlangt, im Wesentlichen damit die Reichen weiterhin Profite machen können -, diese Entwicklungen bedeuten für die ohnehin instabile Regierung die reale Gefahr eines Massenwiderstands von unten. Jeder Schritt, um (wenn auch nur vorübergehend) an Popularität in der Arbeiter*innenklasse zu gewinnen, wie etwa die Aufnahme von Flüchtlingen, ist in den Augen der herrschenden Eliten denkbar. Der Krieg gegen die Ukraine wird es der herrschenden Klasse auch leichter machen, die einfachen Leute für ihre Profite zahlen zu lassen, indem sie mit der Notwendigkeit der "Sicherheit" und der "Verteidigung der westlichen Werte" argumentiert und andererseits die katastrophale Fehlfunktion der Regierung auf die Flüchtlinge schieben kann. Schließlich kommt noch hinzu, dass es sich bei den ukrainischen Arbeiter*innen um relativ qualifizierte Arbeitskräfte handelt, die die europäischen Regierungen billig übernehmen wollen, um den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in ihren eigenen Ländern auszugleichen.

Die herrschende Klasse und ihre Institutionen weltweit, darunter die NATO, die EU, die USA und China, rüsten auf, ordnen ihre Beziehungen neu und bereiten sich auf einen ausgewachsenen imperialistischen Krieg vor. Die Unterstützung der Bevölkerung für einen solchen Krieg wäre für die europäischen Regierungen von Vorteil, und die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge mit offenen Armen trägt dazu bei, dass die europäischen Regierungen im Vergleich zu dem gefährlichen Diktator Russlands als freundlich und gnädig dargestellt werden. Die Wahrheit sollte bei jeder Gelegenheit betont werden - während Putin in der Tat einen unerbittlichen, katastrophalen Krieg gegen das ukrainische Volk führt und jede Opposition und jeden Widerstand im eigenen Land unterdrückt, ist die NATO, die seit einiger Zeit ihre Präsenz und ihr militärisches Training an der russischen Grenze als Provokation verstärkt und sich eindeutig auf einen Krieg vorbereitet, nicht frei von Verantwortung. Wir sollten auch keine Hoffnungen in die NATO als Lösung setzen - jede Intervention der imperialistischen Mächte zu diesem Zeitpunkt wird ohne Zweifel zu einer Eskalation und möglicherweise zu einem ausgewachsenen Weltkrieg führen.  Vor allem in Anbetracht der Kriegstreiberei auf beiden Seiten ist die herrschende Klasse in Europa bereit, große Anstrengungen zu unternehmen, um die Unterstützung der Bevölkerung für die sich entwickelnden Spannungen und einen möglicherweise eskalierenden Krieg zu gewinnen.

Während Schichten der österreichischen Arbeiter*innenklasse in Solidarität mit den ukrainischen Opfern und zur Unterstützung von Flüchtlingen mobilisieren, ist es möglich, dass diese Unterstützung (zeitlich) begrenzt sein wird. Die Regierung bemüht sich zwar, die Flüchtlinge willkommen zu heißen, ist aber nicht bereit, die notwendigen Mittel für ihre Unterstützung auszugeben und hofft wahrscheinlich, dass die Mehrheit Österreich von sich aus verlassen wird. In Anbetracht der Tatsache, dass das Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen sowie der Wohnungsmarkt bereits überfüllt und unterfinanziert sind, ist es klar, dass diejenige, die die Last des neuen Drucks auf diese Sektoren tragen werden, die österreichische Arbeiter*innenklasse sein wird - sowohl diejenigen Teile, die im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungswesen arbeiten, als auch diejenigen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Da nun noch mehr Menschen auf die knappen Ressourcen angewiesen sein werden, ist es möglich, dass einige Menschen, die bisher die Flüchtlingshilfe unterstützt haben, in die Enge getrieben werden und ihre Solidarität allmählich schwindet. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts sind die Schulklassen und Krankenhäuser bereits voll ausgelastet, viele Mitarbeiter befinden sich in Quarantäne, und es gibt keine Aufstockung der Mittel oder Quoten. Hinzu kommen ukrainische Männer, Frauen und Kinder, die die Sprache nicht sprechen und kaum über eigene Mittel verfügen. Fehlende Investitionen in diese Sektoren werden dazu beitragen, den Traum der Herrschenden zu verwirklichen - viele der ukrainischen Flüchtlinge werden sich höchstwahrscheinlich dafür entscheiden, das Land zu verlassen, und die Hilfe für Migrant*innen wird für den Mangel an Ressourcen für die Arbeiter*innenklasse verantwortlich gemacht werden, was zu weiteren Spaltungen führt und einen Nährboden für nationalistische und rassistische Gefühle bietet.

Das Gegenmittel dazu ist Klassensolidarität und Einigkeit gegen die herrschende Klasse und die ihr zu Diensten stehende Regierung. Eine Bewegung der Arbeiter*innenklasse, die Flüchtlinge jeglicher Herkunft, Jugendliche, Arbeitslose und arme Frauen und Männer einschließt, die vereint nicht für die Brotkrumen kämpfen, die von den Tellern der Milliardär*innen fallen, sondern für ein Stück vom Kuchen (und letztendlich die ganze Bäckerei), wäre in der Lage, eine Aufstockung der Mittel für die wichtigsten Bereiche für arbeitende Männer und Frauen zu erreichen - mehr Krankenpfleger*innen, Lehrer*innen und Wohnungen, vernünftig bezahltes Personal im Gesundheits- und Sozialbereich, in Schulen und Kindergärten, mehr öffentliche Wohnungen, Schutzräume und Mittel für Frauen, die unter Gewalt leiden.  Eine demokratisch organisierte Arbeiter*innenbewegung wie diese wäre in der Lage, eine Notsteuer von den Reichen zu fordern, die regelmäßig von Krieg und Imperialismus und auf dem Rücken der arbeitenden Menschen profitieren - die Waffen-, Gas- und Ölindustrie und die gesamte herrschende Klasse -, um für die Bedürfnisse der 99 % zu zahlen, sowie für die Beendigung des Krieges und für eine Gesellschaft frei von Ungleichheiten, Krieg und Armut zu kämpfen - alles Bestandteile eines kapitalistischen Systems, das auf Profit und nicht auf den Bedürfnissen der Menschen basiert.

Rechter Rand

Anna Hiermann

Festgefahrene Geschlechterrollen sind typisch für Rechte. LGBTAQ+ Personen werden als „widernatürlich“ angesehen und auf eine angeblich gottgegebene Ordnung verwiesen. Der FPÖ, die sich im Zuge der Migration Sorgen um „unsere Frauen“ macht, gehts nicht um Frauenrechte. So meinte FPÖ-Nationalratsabgeordneter Harald Stefan, die Frau sei „vom Nestbauinstinkt“ geprägt und würde „meistens nicht anführen wollen.“ Als sexuelle Belästigung in Österreich strafbar wurde, lehnte FPÖ-Politiker Wilfried Grießer dies ab mit der Begründung, Frauen würden „es lieben, von wildgewordenen Penissen überfallen zu werden“. Aufs vermeintlich „Natürliche“ berufen sich auch esoterische Kreise, die glauben, dass wir für die Verbesserung unseres Lebens mit unserer „weiblichen“ Natur in Einklang kommen müssten. So liegt die Ursache für Gebärmutterzysten laut „Heilerin Lumira“ im übermäßigen Verrichten „männlicher Aufgaben“. Rechtsextremismus, Esoterik, Impfgegnerschaft: Sie alle verstecken ihr reaktionäres Frauenbild hinter einer Mystifizierung des „natürlichen“ Weiblichen. Doch Verhalten hängt nicht vom Geschlecht, sondern der Gesellschaft ab. Geschlechterrollen sind gesellschaftliche Konstrukte zur Aufrechterhaltung des Systems. Passend auch Papst Franziskus, für den Frauen „das edelste Fleisch der Welt“ sind. Mutterschaft hätte kaum Anerkennung, „weil das einzige Wachstum das Wirtschaftswachstum ist“. Hier wird Pseudo-Kapitalismuskritik gegen die Emanzipation der Frau ausgespielt, Verteufelung von Abtreibung inklusive.

 

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