Antifaschismus und Antirassismus

VORWÄRTS-Schwerpunkt zur FPÖ

FPÖ Platz 1: Das macht Angst - zu Recht!

Sonntagsfrage vom 2.3.23, die FPÖ steht auf Platz 1 mit 29%, Zugewinne bei den letzten Wahlen und keine Kraft in Sicht, die es schaffen könnte, sie zu stoppen. Auch international sind die Rechten am Vormarsch, dazu Angriffe auf Frauen und LGBTQIA+ in den USA, Angriffe aufs Streikrecht in England, Deutschland... Auch die außerparlamentarische Rechte wird stärker. All diese Entwicklungen vor dem Hintergrund einer Wirtschaftskrise inklusive enormer Inflation, die die Löhne dahinrafft, vergleichbar mit den 1920er Jahren. Es gibt Parallelen zum Aufstieg der faschistischen Parteien. Drohen uns wieder faschistische Regime?

Die Herrschenden setzen wieder vermehrt auf reaktionäre Ideen und die dazu gehörenden Parteien. An faschistischen Systemen aber hat das Kapital aktuell kein Interesse. Die FPÖ agiert in diesem Spannungsfeld, sie profitiert von der wachsenden Unzufriedenheit, aber sie kämpft auch intern mit den unterschiedlichen Interessen. Sie ist, trotz Verbindungen zu den faschistischen Identitären und den vielen Burschenschaftern, nicht selbst als Ganzes faschistisch. Sie pflegt zwar enge Kontakte in die Corona-Leugner Szene, man trifft sie dort auf Demos, allerdings mobilisiert sie selbst kaum und kann das Protestpotential nur bedingt für die dauerhafte Stärkung der Partei nutzen. Und wenn sie in der Regierung ist, setzen sich jene Teile der FPÖ durch, die hauptsächlich an Posten interessiert sind.

Trotz der Zugewinne ist es fraglich, welchen Kurs die FPÖ nimmt. Die alten Konflikte, ob man staatsmännisch agieren und knallharte Sparpolitik im Sinne des Kapitals durchdrücken oder weiter auf Fundamentalopposition machen soll, sind stets da. Aktuell ist die FPÖ für das Kapital noch ein zu großes Wagnis, weil sie Instabilität bringt, aber der Wind kann sich drehen. Auf jeden Fall steigt in ihrem Fahrwasser der Mut rechtsextremer Kleingruppen. Die einen hetzen, die anderen setzen es in die Tat um. Die Gefahr von Rechts, ob FPÖ oder Identitäre, ist real.

Wie können wir die rechte Gefahr, aber auch Rassismus und Kürzungspolitik stoppen? Und welche Rolle können betriebliche Mobilisierungen, die Gewerkschaften und anti-rassistische Bewegungen spielen?

Peter Hauer

 

Was Rechtsextremismus stark und gefährlich macht und wie wir ihn bekämpfen

“Für eine neue politische Kraft links von SPÖ und Grünen, eine neue sozialistische Bewegung und Partei, die konsequent die Interessen von Arbeitnehmer*innen und Jugendlichen vertritt.” (unser Anti-FPÖ-Programm von 1997)

Der Aufstieg rechtsextremer Parteien in den letzten 40 Jahren ist untrennbar mit Hoffnungen und Enttäuschungen der breiten Masse der Bevölkerung verbunden. Die Geschichte wiederholt sich nicht einfach – doch nicht aus ihr zu lernen, bedeutet, Fehler zu wiederholen. Auch heute profitieren Rechtsextreme von der Wut über die Krise des Systems und bedienen in Wirklichkeit die Interessen des Kapitals.

Der Aufstieg des Rechtsextremismus seit 40 Jahren ist untrennbar mit Hoffnungen und Enttäuschungen der breiten Masse der Bevölkerung verbunden. Eine der letzten dieser Hoffnungen war die Wahl Mitterands 1981 zum französischen Präsidenten. Frankreich war seit Ende der 70er Jahre immer stärker in eine wirtschaftliche, dann gesellschaftliche Krise gerutscht. Die Arbeiter*innenklasse bezahlte u.a. mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Hoffnungen auf Änderung bündelte Mitterand im Wahlkampf in sozialen Themen: Arbeitszeitverkürzung, Senkung des Pensionsalters, Verstaatlichung von Schlüsselbetrieben usw.

Doch bald sah sich die Regierung einem Unternehmensstreik gegenüber, die Wirtschaft erholte sich nicht, Maßnahmen griffen zu kurz, Eigentumsverhältnisse blieben unangetastet, Reformpläne wurden ausgedünnt. Der Traum war kurz, die Enttäuschung umso tiefer, v.a. bei Arbeiter*innen. Die neoliberale Durchdringung der Wirtschaft und Gesellschaft brachte Deindustrialisierung und Ellbogengesellschaft. Die französische Linke hatte das Vertrauen verspielt. Auf diesem Boden gedeiht der bis dahin unbedeutende, rechtsextreme bis faschistische Front National (heute: Rassemblement National). 1974 erreichte er nicht einmal 1 %, bei den Europawahlen 1984 sind es schon 10 %, 1986, bei Mitterands zweitem „Wahlsieg“ knapp 15 %. Mit rassistischen Parolen dringt er in einstige Hochburgen der Sozialistischen und Kommunistischen Partei ein.

Schauplatzwechsel: Innsbruck 1986, Bundesparteitag der FPÖ. Seit ihrer Gründung war sie Sammelbecken ehemaliger Nazis und Burschenschafter mit kleinem wirtschaftsliberalem Flügel. Die von der ÖVP dominierte Wirtschaftskammer stützt sich auf Klein- und Mittelbetriebe. Die Industriellenvereinigung aber hatte auch immer ein politisches Standbein in der FPÖ. Die SPÖ steht wirtschaftspolitisch für die Großbetriebe der ehemaligen Verstaatlichten bzw. zunehmend für ausländische Konzerne. In manchen wirtschaftspolitischen Fragen spricht das österreichische Kapital nicht mit einer Sprache: Z.B. zur EU oder zu den Russland-Sanktionen. Enge Wirtschaftsbeziehungen zu Russland auf der einen Seite, die engen Bindungen an EU- und US-Markt auf der anderen, der Wunsch nach internationalem Handel oder dem Schutz z. B. durch Zölle – unterschiedliche wirtschaftliche Bedürfnisse setzen auch heute auf unterschiedliche politische Partner.

In den 1950er und 60er Jahren hielt die SPÖ mit dem Argument, das bürgerliche Lager zu spalten, die FPÖ am Leben. Die Wahlrechtsreform 1970 sicherte ihr den Verbleib im Parlament. Die SPÖ-FPÖ-Regierung half ihr 1983 zwar aus dem rechten Schmuddel-Eck, vergraulte aber Wähler*innen. 1986 übernahm Jörg Haider aus dem rechten Lager die Parteiführung vom liberalen Flügel, der in der Regierung bleiben wollte. Ein Widerspruch, in dem die FPÖ bis heute steckt und der sie immer wieder zu zerreißen droht.

Aufstieg der FPÖ geht einher mit Abstieg der SPÖ

Auch Kreisky hatte die Wahlen 1970/71 mit sozialen Themen und einer Aufbruchsstimmung gewonnen, er steht bis heute für die Verbesserung des Lebensstandards weiter Teile der Bevölkerung. In Wirklichkeit brachte er aber v.a. Aufholen, Modernisierung und Heranführen der Wirtschaft an die internationale Konkurrenz. Die Außenwirtschaft blühte, Österreich wurde zum Zulieferer der deutschen Autoindustrie. Alles staatlich gefördert und die Republik stand folglich mit einem Berg Schulden und einer für die jetzt modernisierte Privatindustrie überdimensionierten Verstaatlichten da.

Es folgten Privatisierung, Stellen- und Sozialabbau – und eine FPÖ, die sich als „Opposition“ aufspielte, während die SPÖ ihre Basis in der Arbeiter*innenklasse zunehmend verlor. Der ÖGB hielt, anstatt Kämpfe zu organisieren, die Mitglieder still und winkte „Reformen“ im Parlament und Betrieb ohne nennenswerten Widerstand durch. In dieser Situation hat Haider 1986 die FPÖ übernommen und erkannte das Vakuum, das durch die Verbürgerlichung der SPÖ entstanden war. Er dreht die FPÖ vom Deutschnationalismus zur österreichisch, patriotischen Heimatpartei mit sozialen Themen und Ausländer*innenfeindlichkeit. Durch jahrzehntelange Sozialpartnerschaft entwaffnet und ohne politische Vertretung drang die FPÖ immer tiefer die Arbeiter*innenklasse ein. Auch heute, angesichts einer immer schwierigeren wirtschaftlichen Lage verlangt das Kapital staatliche Unterstützung, die durch Reallohnverluste und weiteres Ausbluten des Sozialsystems finanziert werden soll. Der ÖGB ist zahnlos, der Frust über die Regierung und das ganze System wächst, ohne dass es von links ein nennenswertes Angebot zu Widerstand und Organisierung gibt.

Die Verbürgerlichung der Sozialdemokratie hatte die Arbeiter*innenklasse ohne politische Vertretung zurückgelassen. Ein Vakuum, das damals wie heute von Rechtsextremismus und Populismus gefüllt wird: Der Aufstieg von Bolsonaro wurzelt in der Enttäuschung über Lula, der linke Sanders wäre im Gegensatz zur rechten Clinton oder Biden eine echte Alternative gewesen, auch für Trump-Wähler*innen aus der Arbeiter*innenklasse.

Der Spagat zwischen knallhartem Wirtschaftsliberalismus und Populismus hat die FPÖ immer, wenn sie regierte, in Krisen gestürzt. Denn bei aller Rhetorik blieb sie immer die Partei des Kapitals und Speerspitze des Neoliberalismus. Früher als andere Parteien änderte sie ihre Propaganda hin zur „sozialen Heimatpartei“ und versteckte ihr Programm hinter Populismus. Sie wettert gegen „die da oben“, um sich selbst an den Futtertrögen zu bedienen wenn diese in Reichweite sind. Die Herrschenden brauchen mehr Repression, Rassismus und Sexismus gerade weil ihr ganzes System wankt – und die Rechtsextremen sind dafür gute Bündnispartner auch für „gemässigte“ bürgerliche Parteien.

Der neuerliche Aufstieg der FPÖ – sowohl nach den blau-schwarzen Regierungen 2000-06 wie nach der letzten unter Kurz-Strache – ist auch Ausdruck der tiefen politischen Krise. Spätestens seit Kurz versucht die ÖVP die FPÖ zu kopieren und rechts zu überholen. Damit hat die ÖVP zwar Wahlen gewonnen, aber zum Preis einer erhöhten Instabilität und des Spagats, an dem die FPÖ immer wieder zerrissen ist.

Um die Rechten wirkungsvoll bekämpfen zu können, muss man verstehen, was sie stark macht: Und das sind nicht „charismatische Führer*innen“ oder „dumme“ Wähler*innen, sondern wirtschaftliche und politische Krisen bei gleichzeitigem Fehlen einer kämpferischen Arbeiter*innenbewegung und starken linken Alternative.

Die Geschichte wiederholt sich nicht einfach. Das Auf und Ab populistischer Rechtsparteien wird sich nicht endlos wiederholen. In jeder „Enttäuschung“ liegt die Gefahr zunehmender Frustration und Radikalisierung der wieder stärker in die Mühlsteine geratenen Mittelschichten. Das kann die Gefahr, die von Parteien wie der FPÖ ausgeht auf eine neue Stufe stellen. In jeder Enttäuschung v.a. breiter Schichten der Bevölkerung liegt aber auch das Potential für Widerstand und soziale Bewegungen. Aufgabe als Sozialist*innen ist es, aktiv in Kämpfe einzugreifen, sie voranzutreiben und den Widerspruch zu sämtlichen etablierten Parteien aufzuzeigen. All das ist nötig, damit eine neue Arbeiter*innen-Partei aus diesen Kämpfen entsteht, eine neue politische Vertretung. Nur so können wir die scheinbare Endlosschleife der Auf und Abs der FPÖ durchbrechen!

Albert Kropf

 

Marx aktuell: Migration

Das Thema Migration ist nicht erst seit dem Aufstieg der FPÖ populär. Schon1870 schrieb Karl Marx über die irischen Arbeiter*innen, die von der englischen Bourgeoisie brutal ausgebeutet und als Lohndrücker*innen missbraucht wurden und die drohte, jene englischen Arbeiter*innen zu entlassen, die die niedrigeren Löhne nicht akzeptierten. Das schürte den Hass der englischen Arbeiter*innen gegen ihre irischen Kolleg*innen. 

In der 2. Internationale ging die Diskussion weiter. Manche in der Sozialdemokratie meinten, dass man unter den bestehenden kapitalistischen Verhältnissen Arbeiter*innen bestimmter „Rassen“ die Einwanderung verwehren müsse. Das wäre der einzige Weg, die „eigenen“ Leute vor Lohndumping zu schützen. Anstatt die gemeinsamen Klasseninteressen von Arbeiter*innen verschiedener Nationalitäten zu vertreten, halfen sie, die Arbeiter*innenklasse mit der bürgerlichen, nationalistischen Ideologie der Herrschenden zu spalten.

Diese Spaltung wird ebenso heute praktiziert. Vorne voran die FPÖ, getreu ihrer aktuellen Wahlplakate „Festung Österreich- Grenzen schließen – Sicherheit garantieren“. Die SPÖ ist nicht viel besser: Sie möchte Migration mehr kontrollieren. Konkret meint sie damit weniger „Wirtschaftsflüchtlinge“ aufzunehmen. Jedoch ist die Trennung zwischen „Kriegsflüchtlingen“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“ künstlich. Klimakrise, imperialistische Ausbeutung, Krieg und wirtschaftliche Probleme hängen zusammen. 

Diese Diskussion erinnert stark an eine andere: In Wirtschaftskrisen werden Frauen wieder zurück an den Herd gedrängt, damit sie Männern nicht die Arbeitsplätze „wegnehmen“. Auch heute behaupten gewisse Rechte, der verstärkte Eintritt von Frauen ins Arbeitsleben hätte zu Lohndumping geführt und daher müssten sich Frauen wieder auf ihre „naturgegebene Rolle“ besinnen. Schlussendlich haben Arbeiter*innen - Österreicher*innen wie Migrant*innen, Frauen und Männer - dasselbe Interesse. Nämlich Löhne und Arbeitsbedingungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen. Spaltung entfernt uns von diesem Ziel.

Anna Hiermann

 

Wie Rassismus überwinden?

Die etablierten Parteien drängen die FPÖ nicht zurück. Ganz im Gegenteil: In Worten und Taten zeigen sie, dass sie selbst auch für eine Politik für Reiche und Großkonzerne sowie für Rassismus stehen. Ob SPÖ und NEOS mit Kürzungen im Bildungsbereich oder Energiepreiserhöhungen in Wien oder ÖVP und Grüne in der Bundesregierung. Aber auch in der rassistischen Hetze versuchen sie, die FPÖ eher einzuholen als zu kontern. Die „das Boot ist voll.“-Logik findet man mittlerweile bei jeder Partei im Programm. Gleichzeitig rollen sie der FPÖ den roten Teppich am Weg zur Macht aus, wie die Koalition von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich zeigt, aber auch die Offenheit großer Teile der SPÖ-Führung für Koalitionen.

Nötig wären echte Antworten auf die soziale und wirtschaftliche Krise, die sich nicht der kapitalistischen Profit- und Sparlogik fügen, um enttäuschten Schichten deutlich zu zeigen, dass die Rechten keine Alternative zum Establishment darstellen, sondern Teil davon sind.

Aber auch im Kampf gegen Rassismus dürfen wir uns nicht länger von der Heuchelei und den Lippenbekenntnissen der etablierten Parteien einlullen lassen, sondern müssen Proteste von unten organisieren, um z.B. Diskriminierung oder Zugangsbeschränkungen zu bekämpfen.

Die FPÖ ist vor allem deshalb stark, weil eine sichtbare Alternative zur herrschenden Politik fehlt und das ständige Versagen dieser nicht von Widerstand von unten herausgefordert wird. Wenn Menschen selbst für ihre Rechte kämpfen, merken sie sehr schnell, wer tatsächlich auf ihrer Seite steht und wer nicht. So geriet die FPÖ in der Auseinandersetzung um den 12-h-Tag (eingeführt von der schwarz-blauen Koalition) ziemlich unter Druck. Aber auch die Solidaritätsbewegung mit Flüchtlingen 2015 konnte breiten Schichten zeigen, dass es der Staat ist, der versagt und nicht die Geflüchteten das Problem sind.

Dabei bei moralischen Appellen oder Linkspopulismus a la „Es ist genug für alle da!“ stehen zu bleiben, reicht aber nicht. Denn tatsächlich ist im kapitalistischen System nicht „genug für alle da“. Erst wenn wir den Unterschied zwischen Arm und Reich nicht mehr als gegeben hinnehmen, können wir erkämpfen, dass der Reichtum in der Gesellschaft für die Bedürfnisse aller eingesetzt wird. Diese Perspektive muss eine linke Kraft aufzeigen, sonst gerät sie schnell selbst in eine „Besserverwaltung des Mangels“.

Gemeinsamer Kampf statt Bevormundung

Die Erkenntnis über die eigene Macht gewinnt man am besten, wenn man gemeinsam mit anderen für echte Verbesserungen kämpft. Im Gegensatz zu einer NGO-mäßigen Flüchtlingshilfe, die sich stellvertretend für Betroffene einsetzt, oder die Beschränkung auf “mehr Bildung”, die Menschen oft von oben herab belehrt. Denn das ändert die realen Widersprüche (zu wenig Wohnraum, zu wenig Sozialleistungen usw.) nicht. Aber der gemeinsame Kampf für ein gutes Leben für alle gegen eine herrschende Elite, die von der Ausbeutung und Unterdrückung der Vielen profitiert, ändert die reale Situation und das Bewusstsein. Der gemeinsame Protest von migrantischen und “hiesigen“ Schüler*innen gegen rassistische Angriffe kann klarmachen, dass nicht Migrant*innen das Problem sind, sondern eine Politik, die das Bildungswesen kaputtspart und Schüler*innen (mit und ohne Migrationshintergrund) alleine lässt. Bei Streiks im Sozialbereich wird sehr schnell klar, dass insgesamt viel zu wenig Ressourcen für alle Bereiche zur Verfügung stehen und nicht das bisschen, das für Flüchtlingshilfe aufgewendet wird, am Defizit schuld ist. Ein gemeinsamer Kampf von unten für Verbesserungen wird schnell zeigen, wo wirklich was zu holen ist: Nicht bei denen, die schon nichts haben, sondern bei den Reichen und Unternehmen, die noch dazu während Corona Milliarden an „Hilfen“ bekommen haben, während wir uns hier unten um die Brösel prügeln sollen.

Wie Migrant*innen und People of Colour behandelt werden, macht die Ungerechtigkeit dieses Systems besonders deutlich. BlackLivesMatter und die zahlreichen Beispiele von Selbstorganisierung von migrantischen Beschäftigten in verschiedenen Ländern zeigen auch, dass Betroffene das nicht länger akzeptieren. 

Arbeiter*innenklasse - vielfältig, aber vereint

Die unterdrücktesten Teile zu verteidigen und Spaltung zu bekämpfen, ist im Interesse aller, die letztlich unter diesem System leiden. Der gemeinsame Kampf gegen jede Diskriminierung und für soziale Verbesserungen wird aufzeigen, dass das eigentliche Problem das kapitalistische System ist und wird helfen, rassistische Spaltung überwinden.

Jan Millonig

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kinderbuchlesung in der Türkis Rosa Lila Villa: Starke, bunte Mobilisierung – Polizei setzt rechten Aufmarsch durch

Flo Klabacher

Der vorne und hinten mit Tretgittern abgesperrte Bereich der Wienzeile vor der Türkis Rosa Lila Villa füllt sich schon ab 7:00 in der früh. Ab 9.00 Uhr wollen die faschistischen Identitären, Teile der FPÖ, führende Figuren der Corona-Leugner*innen-Szene und katholischen Fundamentalist*innen ihre Hetzaktion gegen eine Kinderbuchlesung der Drag Queen Candy Licious beginnen. Zu der Zeit ist es schon schwierig, von der Spörlingasse in den kleinen, vorne und hinten von der Polizei mit Tretgittern abgesperrten Bereich der Wienzeile zu kommen, weil so viele Leute zur antifaschistischen Gegenmobilisierung gekommen sind. „Die Hetze gegen queere Menschen wird in Österreich weiter zunehmen. Die Rechten schauen sich das aus den USA ab, und wir müssen dagegenhalten“, sagt eine Teilnehmerin. „Traurig, dass wir wegen sowas 2023 am Sonntag in der Früh aufstehen müssen“, sagt jemand anderer, „aber wenn wir uns auf die Polizei nicht verlassen können, müssen wir uns gegenseitig beschützen. Darum bin ich hier“. Mehr als 1.000 Menschen sind gekommen, um die Veranstaltung und die Villa zu verteidigen. Bunte Fahnen und selbstgebastelte Schilder schmücken die Kundgebung. Mit der ersten Rede vom Lautsprecherwagen der Rechtsextremen verwandelt sich die Gegenkundgebung zu einem lautstarken Protest. „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ und andere Sprechchöre übertönen die rechten Reden und Parolen, in denen Verschwörungstheorien mit Transphobie, Homophobie und Rassismus verbunden werden. Spätestens ab dem Moment, wo auch aus den Fenstern der Türkis Rosa Lila Villa Musik und Parolen kommen, ist nur noch wenig von den Hetzreden zu hören. Die Mobilisierung ist ein voller Erfolg, die Rechten sind mit bestenfalls 300 Teilnehmenden klar in der Minderheit. Trotzdem sind sie brandgefährlich. Auch weil sie mächtige Freund*innen haben.

Polizei <3 Rechtsextreme

Zum einen ist das die Staatsgewalt. Der Staat ist nicht neutral, er ist Instrument der Herrschenden und hat die Aufgabe, ihre Herrschaft zu schützen. Wir leben in der anhaltenden Krise des Kapitalismus, mit Inflation, Verfall des Gesundheitssystems, Klimakrise etc. Es nützt der herrschenden Klasse, wenn sich die von all diesen Problemen betroffenen Menschen gegenseitig die Verantwortung für den gesellschaftlichen Verfall zuschieben, anstatt gemeinsam für Verbesserungen einzustehen – sie braucht Spaltung und Diskriminierung. Ihr Staat schützt die Gruppen, die diese vorantreiben und hat sich, hier in Form der Polizei, vor der Türkis Rosa Lila Villa einmal mehr augenfällig auf die Seite der Rechtsextremen gestellt. Wenn der parlamentarische Sicherheitssprecher der Grünen, Georg Bürstmayr, gegenüber dem Standard sagt, es sei „bedauerlich, dass eine Kulturveranstaltung so einen massiven Polizeischutz braucht“, verdreht er die Tatsachen. Die Polizei Wien weigerte sich, eine Sperrzone einzurichten, um die Kinderbuchlesung zu schützen (für den rechtsextreme Akademikerball macht sie sowas jedes Jahr). Sie genehmigte die faschistische Kundgebung direkt vor der Villa. Und sie setzte sie vor Ort auch physisch durch, indem sie direkt neben der Villa eine Fläche für die Aktion abgesperrt hat. Sonst hätten die LGBTQIA*+-Aktivist*innen, Feminist*innen und Antifaschist*in, die sich ab 7.00 Uhr morgens versammelten, gar keinen Platz gelassen für Identitäre & Co. Polizist*innen haben rund um die Villa niemanden geschützt außer den rechtsextremen Mob: Nicht die Kinder, die zur Vorlesung wollten und ihre Begleitpersonen, nicht die Menschen, die in der Villa leben, nicht die Journalist*innen, die über die Vorgänge berichten wollten. Und so ging es auch am Nachmittag weiter: Die Rechtsextremen zogen nach ihrer Hetzkundgebung mit Polizeischutz als (allem Anschein nach zumindestens teilweise unangemeldete) Demonstration über die Wienzeile und später über die Ringstraße. Die Proteste vom Straßenrand und Blockadeversuche, die den Aufmarsch begleiteten wurden von den Polizist*innen rabiat angegangen. In einem Fall rückten sie unter Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen vor, die gerade versuchten, eine bewusstlose Person zu versorgen.

ÖVP vs FPÖ: Rechtes Match um die reaktionärsten Wähler*innenstimmen

Zum anderen ist das die etablierte Politik. Nicht alle großen Parteien stellen sich auf die Seite der Rechten, und einzelne SPÖ- und Grünen-Politiker*innen besuchten die Türkis Rosa Lila Villa. Doch keine große Partei beteiligte sich an der Mobilisierung zum Schutz der Lesung. Sie waren bestenfalls enttäuscht, weil die Polizei keine Schutzzone eingerichtet hat. Und sie arbeiten auf unterschiedlichen Ebenen eng zusammen mit ÖVP und FPÖ, die inhaltlich die Positionen der Rechtsextremen wiedergeben. Neben der rechtsextremen FPÖ, von der nichts anderes zu erwarten ist als starke inhaltliche und personelle Überschneidungen mit faschistischen Mobilisierungen, setzt auch die ÖVP immer stärker auf erzreaktionäre Positionen und Kampfbegriffe. Es ist kein Zufall, dass sie am Tag vor der Kinderbuchlesung in einer Aussendung von „frühkindlicher Sexualisierung“ und „LGBT-Agenden“ schreibt, sich um Kinder „sorgt“, die in ihrer „Geschlechtsidentität verunsichert“ würden, und im Wesentlichen das Ende von Aufklärungsunterricht an Schulen fordert. Und es ist auch kein Ausrutscher. ÖVP-Wien-Chef Mahrer steht im Zentrum einer rassistischen Hetzkampagne um den Brunnenmarkt, die Richtung Verschwörungstheorie kippt: „Syrer, Afgahnen und Araber“ hätten „den Markt übernommen“, er sei eine „abgeschottete Community“ und sei für den Anstieg an Sexualstraftaten in Ottakring verantwortlich. Nach der Wahlniederlage in Niederösterreich und angesichts der nahenden Nationalratswahlen scheint es, als wolle die ÖVP mit der FPÖ um die Stimmen der reaktionärsten Teile der Wahlberechtigten kämpfen. Das bedeutet in erster Linie Rückenwind für rechtsextreme Mobilisierungen: So nehmen die Identitären Mahrers Brunnenmarkt-Kampagne auch als Anlass, um in Ottakring einen Aufmarsch zu versuchen. Der Rechtsruck der ÖVP und die rechte Koalition in Niederösterreich zeigen auch die Gefahr einer neuen FPÖVP-Regierung auf Bundesebene nach den nächsten Wahlen. So eine Regierung wäre eine riesige direkte Gefahr für Frauen, Queere Personen, Migrant*innen und Beschäftigte und würde gleichzeitig Faschist*innen wie die Identitären noch weiter ermutigen. 

Große, bunte Mobilisierung ist ein Erfolg – wie geht’s weiter?

Kurzfristige und trotzdem sehr starke Mobilisierungen wie die zur Türkis Rosa Lila Villa zeigen das Potential, dass es für Widerstand gegen rechte Hetze gibt. Das Beispiel zeigt, dass die Rechtsextremen eine solche Aktion aktuell nur mit der Unterstützung durch die Polizei durchziehen können – aber auch, dass sie diese Unterstützung haben. Um sie trotzdem vollständig zu verhindern, wäre eine breitere Mobilisierung notwendig, zum Beispiel über gewerkschaftliche und betriebliche Basisstrukturen, die es großteils erst aufzubauen gilt. Von der trägen, großteils an die SPÖ gebundenen Führung der Gewerkschaften können wir uns hier wenig erwarten. Der Wiederaufstieg der FPÖ in die Regierungskoalition in Niederösterreich und bei den Umfragen auf Bundesebene,  der fortgesetzte Rechtsruck der ÖVP und eine drohende FPÖVP-Bundesregierung bedeuten außerdem eine sehr reale Gefahr für die Rechte von LGBTQIA*+-Personen, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund. Und auch für Menschen aus der Arbeiter*innenklasse allgemein: Immer mehr Menschen sind von der Krise des Kapitalismus betroffen, unter anderem durch steigende Kosten für Mieten, Lebensmittel und Mobilität, steigenden Arbeitsdruck oder Klimawandel. Die Aufgabe, vor der wir stehen, ist, den Kampf gegen rechte Hetze mit einem politischen Programm zu verbinden, dass bei diesen Problemen ansetzt, echte, nämlich antikapitalistische Antworten darauf gibt – und so den gefährlichen pseudo-Lösungen von ÖVP, FPÖ, Identitären & Co das Wasser abgräbt.

ROSA- und ISA-Aktivist*innen waren bei der Aktion vor der Türkis Rosa Lila Villa dabei und haben dort Diskussionen darüber geführt, wie ein solches Programm ausschauen kann. Wir haben unsere Zeitungen unter die Leute gebracht – und das Angebot gemacht, mit uns gemeinsam weiter aktiv zu bleiben. Konkret haben wir Flugblätter verteilt für eine Gegenkampagne zur Aktion der Identitären Yppmplatz am 29. April. Mehr Infos zu der Kampagne gibt’s in Kürze auf unseren Social Media Kanälen.

 

 

Warum die FPÖ beliebt ist…

… und wie man sie bekämpfen kann.
Nico Rastelli

Die FPÖ gewinnt trotz Ibiza und anderen Skandalen wieder an Beliebtheit. Bei der NÖ-Wahl gewann sie fast 1/4 der Stimmen, in Umfragen liegt sie bundesweit auf Platz 1. Die Gefahr durch die FPÖ zu erkennen und zu bekämpfen, ist wichtig. Sie zu ignorieren, wird dabei nicht helfen, sie zu integrieren auch nicht; alle FPÖ-Wähler*innen als Nazis, die sich nie ändern würden, oder als dumm darzustellen ist auch keine Lösung.

Diesen Ansätzen fehlt es an Analyse: Der Hauptgrund, dass sie zulegt ist nicht nur ihre reaktionäre Einstellung gegenüber Migrant*innen, Frauen oder der LGBTQ+ Community, sondern ihre – wenn auch falsche – Präsentation als Anti-Establishment-Partei und ihre – auch verlogene - Opposition zur Politik und Korruption der Regierungsparteien. Die FPÖ greift oft als einzige Themen auf, die für Arbeiter*innen zentral sind, wie die Teuerung. In NÖ war auch für FPÖ-Wähler*innen Teuerung das wichtigere Thema als Migration. Sie gibt vor, auf Seite der sozial Schwachen zu sein, leitet ihre legitime Wut über Probleme des Kapitalismus aber auf rassistische Antworten um.

Es ist jedoch nicht so, als wüssten Arbeiter*innen nicht, was ihre Interessen sind, und wären einfach reaktionär – es fehlt an einer Partei, die diese Interessen repräsentiert. Wo es ein Angebot gibt, fallen die FPÖ-Stimmen schwächer aus, wie man in Traiskirchen sehen konnte. Dort kandidierte im Rahmen der NÖ-Wahl der SPÖ-Linke Babler, der Themen der Arbeiter*innen aufgriff und gleichzeitig ohne Rassismus auf das Thema Flüchtlingslager einging. Die Ergebnisse ließen sich sehen: Fast 43% der Wähler*innen stimmten für ihn, der FPÖ-Aufstieg wurde gebremst. Und das, obwohl Babler immer noch Teil der SPÖ ist, die definitiv keine Arbeiter*innenalternative und mitverantwortlich für rassistische Politik und Sozialabbau ist. Wie erst könnte Babler durchstarten, wenn er eine echte, neue Alternative mitaufbauen würde!

Trotzdem zeigt sich: Die beste Antwort auf die FPÖ am Wahlzettel ist, eine Alternative zu bieten, die aktuelle Probleme der Arbeiter*innenklasse wie Teuerung, Löhne und Korruption sowie den dringend nötigen Widerstand von unterdrückten Gruppen gegen Abschiebung oder Diskriminierung (auch und gerade durch die FPÖ), aufgreift.

… und wie man sie bekämpfen kann

Große Teile der Arbeiter*innenklasse sind vom Rassismus der FPÖ direkt bedroht - mangels demokratischer Rechte bleibt ihre Gegnerschaft zur FPÖ jedoch unregistriert. Ein Kampf gegen die FPÖ muss deswegen ein Kampf gegen den Staatsrassismus und für gleiche Rechte für alle, die hier leben, sein. Die Ursachen nachvollziehbarer Punkte von FPÖ-Unterstützer*innen, wie z.B. EU-Skepsis, müssen von links aufgegriffen werden: Die Gefahr der EU liegt nicht an Insekten im Essen, sondern dass sie Instrument der Herrschenden gegen Arbeiter*innenrechte ist. Nationalismus ist keine Lösung, weil die österreichische herrschende Klasse genauso verantwortlich ist für Teuerung und Armut.

Sanders und Corbyn erhielten - trotz ihrem Unwillens, den Kapitalismus an sich zu bekämpfen - aufgrund ihrer arbeiter*innenfreundlicheren Politik massenhaft Unterstützung aus breiten Schichten der Bevölkerung. Sanders schaffte es im Gegensatz zu Clinton sogar, Trump-Wähler*innen aus der Arbeiter*innenklasse von sich zu überzeugen! Was für riesige Erfolge könnte da erst eine echte neue Arbeiter*innenpartei haben, die neoliberale und rechte Politik durch Mobilisierung von unten bekämpft!

Eine Partei, die überhaupt nur eine Basis bilden kann, indem sie Scheinlösungen für echte Probleme des Kapitalismus bietet und die Arbeiter*innenklasse durch Rassismus und Queerfeindlichkeit spaltet, verliert ihre Unterstützung, wenn all diese Probleme tatsächlich und an der Wurzel bekämpft werden - und ein solcher Kampf ist rein auf Wahlebene nicht möglich. Der effektivste Kampf gegen die FPÖ ist also jener für kämpferische, antirassistische und feministische Betriebs- und Gewerkschaftspolitik, ist Mobilisierung von unten für mehr Personal im Spital, mehr Geld für Soziales und echte Reallohnerhöhungen. Weil Klassenkampf und Mobilisierung von unten gebraucht wird.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wem nützt welche Demokratie?

Martina Gergits

Mit Chat-Affäre, Ibiza Skandal, Pandemie, Krieg und Inflation befindet sich das Vertrauen in Institutionen laut “Demokratie Monitor” im Sinkflug. Waren 2018 noch 64% „ziemlich“ zufrieden mit dem politischen System, sind es 2022 nur noch 34%. Zu Recht, werden doch die dringendsten Themen, wie explodierende Mieten und Energiekosten, Klimawandel, Ungleichheit von keiner der etablierten Parteien ernsthaft aufgegriffen. Also sinkt die Wahlbeteiligung und Regierungen halten kaum eine ganze Amtsperiode durch. Die “bürgerliche Demokratie” ist in der Krise und weil davon v.a. Rechte profitieren, sollen wir alle zu ihrer Verteidigung antreten. Und hier liegt das Problem: Die bürgerliche Demokratie wird als einzige Alternative zu autoritären Regimen dargestellt.

“Wer zahlt, schafft an” 

Theoretisch ist in der bürgerlichen Demokratie jede Stimme gleich viel wert. Das heißt, meine Stimme am Wahlzettel ist gleich viel wert wie jene von Rene Benko. Allerdings haben wir keinen Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen. Was dazu führt, dass weder mein Chef noch mein Vermieter von meiner Stimme direkt beeinflusst werden. Die “Mitbestimmung” endet quasi vor der Haustür bzw. vor dem Arbeitsplatz.

Echte Demokratie hängt aber davon ab, wer die wirtschaftliche Macht hat. Das Gefühl „die Politik macht eh nichts für mich“ ist richtig. Längst wissen wir, dass etablierte Parteien viel versprechen, die Praxis aber Kürzungen bei uns und Zuckerl an die Wirtschaft bedeuten.

Rechte und rechtsextreme Parteien, die selbst Teil des Establishments sind, spielen erfolgreich mit diesem Gefühl der Desillusionierung und inszenieren sich als “Außenseiter”. Weil aber die Wurzel der Desillusionierung mit “dem System” in der etablierten Politik liegt, verhelfen etablierte Parteien und ihre mangelhafte bürgerliche “Demokratie” Rechten zum Aufstieg. Dem Establishment bleibt dann der Appell, “gemäßigtere” Parteien (wie SPÖ, ÖVP, Grün etc) zu wählen um „Rechts zu verhindern“. Solche Wahlkämpfe haben wir bei Biden vs. Trump gesehen, bei Macron vs. LePen und bei Lula vs. Bolsonaro. Die “Alternativen” am Wahlzettel rufen allerdings Bauchweh hervor, Wahlausgänge sind knapp und nur gegen das noch größere Übel. Denn diese “Alternativen” sind keine, sie stehen nicht für die Interessen der Vielen.

Für echte Demokratie von unten gemeinsam kämpfen!

Diese Skepsis und Desillusionierung in die bürgerliche Demokratie dürfen wir nicht den Rechten überlassen, sondern es braucht eine echte Alternative für echte Demokratie. Der Kampf FÜR echte Demokratie - also auch in der Wirtschaft - geht Hand in Hand mit jenem GEGEN die extreme Rechte. Damit es nicht mehr möglich ist, als Energiekonzern massive Profite auf unsere Kosten einzusacken, und Unternehmen mehr Corona-Hilfen kriegen als sie Steuern zahlen. Damit Wohnen und Arbeiten gemeinschaftlich, demokratisch verwaltet wird, in Komitees von den Personen, die dort leben und arbeiten. Beispielsweise ein Krankenhaus, geführt von gewählten Vertreter*innen aller Berufsgruppen dieses Krankenhauses. Eine demokratische Planung der Gesellschaft und Wirtschaft bedeutet laufend mitentscheiden zu können. Aber es ist klar: Innerhalb der Widersprüche des Kapitalismus, das bürgerliche Demokratie nutzt, um vorzugaukeln, wir wären alle gleich, wird es niemals echte Demokratie für die 99% geben. Erst wenn wir durch die gemeinsame Kraft der Vielen dieses System stürzen, können wir echte Demokratie erreichen. Denn uns zu befreien können wir nur selber tun.

 

INFO: 

Bereits 1994 plakatierte die Haider-FPÖ: "Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist." Eine Lüge, hat die FPÖ doch beste Verbindungen in die Chefetagen und betreibt Sozialabbau und Lohnkürzungen, wo sie es kann.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Rechtsextrem: Freund und Feind des Staates

Anna Hiermann und Katja Straka

Anfang Dezember gab es in Deutschland, Italien und Österreich Razzien in der “Reichsbürger”-Szene mit insgesamt 225 Festnahmen. Diese planten einen Umsturz, um das Deutsche Reich wieder zu beleben. Aufgrund ihrer staatsfeindlichen Ideologie werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet.

Andererseits ist die FPÖ gut im Staat verankert, hat Mandate, Geld, Einfluss und ist in Umfragen zweitstärkste, wenn nicht sogar stärkste Partei.

Gefährlichkeit für den Staat?

Während Aktivist*innen der "Letzten Generation" als "Terroristen" diffamiert werden, werden Rechtsextreme in Polizei bzw. Heer in den allerwenigsten Fällen vom Dienst suspendiert. So beispielsweise letztes Jahr bei einem Unteroffizier des Bundesheers: Er wurde wegen Wiederbetätigung zu 10 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt. Für das Bundesheer ist das Strafmaß zu wenig, um ihn zu entlassen, er wurde lediglich versetzt.

Doch ist rechte Ideologie wirklich so gefährlich für die staatliche Ordnung? Schließlich bedienen sich bürgerliche Parteien rechter bis rechtsextremer Erklärungsmuster. 

Ein Bestandteil rechter Ideologie ist Rassismus. Menschen aus anderen Ländern wird vorgeworfen, sie würden “den Österreichern“ die Arbeitsplätze wegnehmen. Bei Arbeitslosigkeit sind die Probleme jedoch hausgemacht: Durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn/Gehalt könnten genügend Jobs für alle geschaffen werden. Das würde jedoch den Unternehmen mehr kosten. Profitmaximierung ist aber das A und O des kapitalistischen Systems. Parteien wie die FPÖ stehen im Dienste genau dieser Unternehmen. 2018 hat die blau-schwarze Koalition die Möglichkeit des 12-Stunden-Tages eingeführt. Diese Maßnahme ist gegen „den kleinen Mann“, den die Rechten zu schützen vorgeben. Somit wird lieber gegen Migrant*innen gehetzt, um von den wahren Problemen und Lösungen abzulenken. FPÖ-Funktionäre sind nicht nur Mitglieder schlagender Burschenschaften, sondern erhielten zum Dank auch Posten in Aufsichtsräten und Vorständen.

Weiters zeigt sich die widersprüchliche Haltung beim Thema Frauen und LGBTQI+ Personen. Einerseits werden diese in Zeiten relativ guter wirtschaftlicher Verhältnisse für die Arbeit benötigt. Auf der anderen Seite werden Frauen in Zeiten wirtschaftlichen Abschwunges verstärkt in die häusliche Sphäre zurückgedrängt. Zur Rechtfertigung bedient sich die etablierte Politik rechten Gedankengutes. 

Was schützt der Verfassungsschutz?

Von Seiten des “Verfassungsschutzes” werden rechtsextreme Aktivitäten beobachtet und auf ein “steigendes rechtsextremes Risiko” hingewiesen. Gleichzeitig gibt es immer wieder rechtsextreme “Einzelfälle” in Politik, Justiz, Polizei und Militär. Ein Verbot der faschistischen NPD scheiterte in Deutschland gerade, weil so viele V-Männer (= Polizeispitzel) in ihr aktiv waren. Eine Hauptaufgabe des “Verfassungsschutzes” ist die Beobachtung linker Gruppierungen. Eine der Hauptaufgaben linker Parteien und Gruppen ist der Kampf gegen Rechtsextremismus bzw. für ein System, das die Entstehung rechter Ideologien verhindert. Das zeigt, dass es dem Verfassungsschutz in erster Linie um den Erhalt der (kapitalistischen) Ordnung geht.

Rechte Akteur*innen werden nur bekämpft, wenn sie die Stabilität des herrschenden Systems mehr gefährden als sie diesem nützen. Das ist bei den Staatsverweiger*innen der Fall, die für Chaos sorgen würden - was die notwendige Stabilität für die Großkonzerne gefährdet. Neonazis werden nur dann bekämpft, wenn sie nicht vor physischer Gewalt gegen Vertreter*innen des Establishments zurückschrecken, solange sie “nur” Migrant*innen und Linke angreifen, bleiben sie ungeschoren. Das heißt: Beim Kampf gegen Rechts kann kein Verlass sein auf den Staat und seine Institutionen!

 

INFO:

Eine Entnazifizierung fand in Österreich nie wirklich statt. So sind Bundesheer und Polizeiapparat traditionell von Rechtsextremen durchsetzt. Die FPÖ-nahe AUF konnte 2019 bei den Personalvertretungswahlen 22,2 % erzielen. In der Spezialeinheit WEGA waren es 36 % - und das zu einer Zeit, in der die FPÖ bei den Parlamentswahlen “nur” auf 16,2 kam. In regelmäßigen Abständen zeugen Fälle wie z.B. Marcus Omofuma, der bei einer Abschiebung getötet wird, von den rassistischen bis hin zu rechtsextremen Elementen im Polizeikorps. Als die FPÖ Teil der Regierung war, hat sie gezielt ihre Mitglieder auch im Polizeiapparat positioniert. Außerdem wurden in ihrer Amtszeit Erhebungen bezüglich rechtsextremer Aktivitäten (Rechtsextremismus-Bericht) abgeschafft. Wann immer Fälle bekannt werden, heißt es “nur ein Einzelfall”...

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die FPÖ macht die Hetze, die anderen Parteien rassistische Gesetze: Weg mit dem ganzen rassistischen System!

Die faschistischen Angriffe auf das BRG Laaerberg zeigen: Die Propaganda der FPÖ ist brandgefährlich. Aber wie können wir uns gegen die rassistische Hetze und Gewalt wehren?

Zuerst dürfen wir nicht vergessen, wer die FPÖ groß gemacht hat: Die anderen etablierten Parteien. Die ÖVP hat die FPÖ in die Regierung geholt und setzt schon seit Jahren das rassistische Programm der FPÖ um. Aber auch die SPÖ, die heute die Demo organisiert, hat gemeinsam mit der FPÖ im Burgenland regiert und will das jetzt wieder in Salzburg tun! Alle Parteien, auch die Grünen und NEOS, setzen rassistische Politik um, wenn sie in der Regierung sind - auch in Wien! Tausende werden abgeschoben, Zehntausende werden von der MA35 (Amt für Einwanderung, kontrolliert von der SPÖ) systematisch schikaniert, weil sie keine Termine und Dokumente bekommen - und Hunderttausende haben keine Staatsbürgerschaft und dürfen deshalb nicht einmal wählen! Rassistische Gesetze und Kürzungen bei Gesundheit, Wohnen, Soziales und Bildung treiben Menschen in die Hände der FPÖ. Dabei hilft der Rassismus letztlich nur den Superreichen und ihrem kapitalistischen System, in dem Profite immer wichtiger als Menschen sind. Darum können wir uns im Kampf gegen die FPÖ nicht auf die etablierte Politik verlassen - und auch nicht auf die Polizei, die in Wien täglich rassistische Kontrollen durchführt. Wir müssen selbst aktiv werden - in unseren Schulen, Nachbarschaften und Betrieben!

  • Bauen wir eine Bewegung gegen Rassismus auf: Gegen die Hetze der FPÖ, aber auch gegen das gesamte rassistische System!

  • Weg mit allen rassistischen Gesetzen! Schluss mit allen Abschiebungen! Sofortige Staatsbürgerschaft für alle, die hier leben und sie haben wollen!

  • Kämpfen wir für Milliarden Euro für Bildung, Wohnen, Sozial- und Gesundheitsleistungen für alle, statt Profite für einige Wenige - so entziehen wir dem Rassismus den Boden!

  • Bauen wir Aktionsgruppen, z.B. in Schulen auf und mobilisieren wir für nächste Proteste! Melde dich bei uns, wenn du aktiv werden willst!

Die FPÖ ist nicht nur rassistisch, sie ist auch sexistisch und homophob. Deswegen müssen wir auch für gleiche Rechte für Frauen und Mädchen kämpfen, und für alle, die nicht in die engstirnige Mann-Frau-Schablone der FPÖ passen! Hierfür setzen wir uns als Internationale Sozialistischen Alternative (ISA) und sozialistisch-feministische Initiative ROSA ein. Zum Beispiel mobilisieren wir für eine Demo zum Internationalen Frauenkampftag am 8. März. Schreib uns, wenn du mitmachen willst!

 

 

Wie wehren wir uns gegen Rassismus?

Jan Wottawa

2020 gab es einen Rekord an bei der NGO Zara gemeldeten rassistischen Vorfällen. Rassismus ist allgegenwärtig und ein Problem des Systems. Alltägliche Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder Herkunft ist ein wichtiges Thema und der Wunsch vieler “etwas dagegen zu tun” ist groß. Das schlechte Abschneiden des “Black Voices” Volksbegehrens bedeutet nicht, dass es kein Interesse an Thema oder Lösung gibt. Aber es sagt etwas über verschiedene Zugänge aus. 

Es ist nicht möglich, ein so tiefgreifendes gesellschaftliches Problem auf persönlicher Ebene zu lösen. Einzelne rassistische Aktionen und Personen kann und soll man anprangern, aber das ist nur ein kleiner Teil der Gesamtsituation. Ähnlich wie es leider auch wenig nachhaltige Veränderung gibt, wenn eineR einzelne rassistische Politker*in aus dem Amt entfernt wird. Selbst wenn es auf magische Weise möglich wäre, diskriminierendes Gedankengut aus jeder Person zu entfernen, würden wir immer noch in einem System leben, das in seinen Strukturen rassistisch ist und Rassismus auch braucht.

Wo können wir ansetzen?

Angesichts des staatlichen Rassismus und der Not von z.B. Flüchtlingen ist es absolut verständlich, wenn Menschen helfen wollen. Bewegungen wie Black Voices und #BLM bringen viele Menschen zusammen, die sich fragen, was die nächsten Schritte sind. Manche schlagen “Information und Aufklärung” vor, oder gesetzliche Regelungen, oder organisieren ganz praktisch Hilfe. All das kann in einzelnen Fällen konkrete Verbesserungen erreichen, aber niemals eine endgültige Lösung bieten, da sie immer noch innerhalb des Systems arbeiten.

Die Schwäche einer solchen Hilfe, die Löcher stopft und letztlich an der Oberfläche bleibt, sieht man leider in der Flüchtlingsbewegung. Der Staat hat große Teile der Aufgaben praktisch auf NGOs reduziert, es hat sich also nichts Greifbares zum Besseren verändert. Trotzdem ist solche konkrete anti-rassistische und Flüchtlings-Arbeit oft der Einstieg in grundlegendere politische Arbeit. Viele Flüchtlingshelfer*innen von 2015/6 sind heute widerständige Beschäftigte im Sozialbereich. 

Ansätze bei Polizei, im Betrieb und Organisierung

 Die Polizei wird als “Freund und Helfer” präsentiert und es mag sein, dass manche das so sehen. Aber v.a. Migrant*innen machen weniger positive Erfahrungen, das ist keine Überraschung. Manche schlagen vor, hier anzusetzen, bei Verhalten und Stellung der Polizei. Schulungen helfen bestenfalls in Einzelfällen, und selbst wenn einzelne Polizist*innen persönlich nichts gegen Geflüchtete haben - wird ein Mensch abgeschoben, ist er abgeschoben. Viel wichtiger wären mehr Mittel für Sozialarbeit, für Jugendzentren und v.a. ordentlich bezahlte Jobs auch für Migrant*innen!

Aber auch in Betrieben kommt es oft genug zu Rassismus. Doch der Zusammenhalt zwischen den Kolleg*innen ist das wichtigste Instrument, das wir arbeitenden Menschen haben. Es braucht Gewerkschaften, die ihren Namen auch verdienen, die sich wirklich für die Interessen aller Beschäftigten einsetzen. Die momentanen Gewerkschaftsführungen haben der kapitalistischen (somit rassistischen/chauvinistischen “unsere Leute zuerst”) Logik nichts entgegenzusetzen, weil sie keine Alternative zum Kapitalismus haben. Doch diese braucht es.

 

Info:

Um Rassismus - und auch andere Unterdrückungsformen - zu beseitigen, braucht es das Ende des Kapitalismus. Denn einen Kapitalismus ohne systematischen Rassismus und Sexismus gibt es nicht. Es ist aber auch leicht, sich im Kleinen zu verlieren und “gegen das System” anzukämpfen, ohne wirklichen Plan. Eine Organisation mit internationalem Blick und internationaler Organisierung ist dafür zentral!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

FPÖ: Rückkehr mit Populismus

Peter Hauer

Der 34. Parteitag der FPÖ ist vorbei: Kickl ist mit 91% wiedergewählt und seine Rede war ein Einpeitschen für kommende Wahlen. Nur die FPÖ könne die österreichische Bevölkerung aus der aktuellen Krise befreien, meint Kickl.

Sind damit die zahlreichen Krisen innerhalb der FPÖ vorbei? Nein, der aktuelle Zustand ist viel eher ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Flügeln innerhalb der FPÖ. Auf der einen Seite jene Bundesländer, an der Spitze Oberösterreich, die mitregieren wollen und stärker staatsmännisch agieren wollen. Auf der anderen Kickl & Co., die stärker auf Fundamentalopposition inklusive Straßenmobilisierungen und den Aufbau der Partei mit kleinem aber gefestigtem Kern setzen. Aktuelle Umfragen geben Kickl durchaus recht in seinem Ansatz. Am 11.9. zeichnete eine Umfrage der Krone die FPÖ in Oberösterreich auf Platz 1 mit 29% - und das 3 Jahre nach dem Ibiza-Skandal, der die FPÖ die Macht kostete. Dass die FPÖ sich so schnell wieder erholt hat, liegt nicht an ihrer Programmatik. Das Programm der FPÖ ist in vielen Bereichen vage, widerspricht sich und ist im Kern wirtschaftsliberal und - ganz anders als Kickls Propaganda - nicht sozial. Um eine Antwort auf die Ukraine-Krise zu geben, fordert Kickl Fracking, in offiziellen Aussendungen wird sich klar dagegen ausgesprochen. Vor einer konkreten Positionierung zum Krieg selbst versteckt sich die FPÖ hinter Österreichs “Neutralität” und fordert eine Evaluierung der Sanktionen, um den österreichischen “Mittelstand” zu entlasten und schlussendlich zu stärken.

Woher kommt der neuerliche Aufstieg?

Kleinunternehmen bilden das Kernklientel der FPÖ und um diese wirbt die FPÖ nicht erst seit der Ukraine-Krise, sondern seit jeher. Das fiel vor allem während Corona auf, wo die FPÖ genau diese Schichten aufhetzte und großen Protest organisierte. Die FPÖ forderte während der Pandemie ein Aufsperren der Wirtshäuser, aber keine Entlastung für das Gesundheits- und Pflegepersonal. Auch die miesen Arbeitsbedingungen in der Gastronomie scheren sie wenig.

Ähnlich auch die Antworten auf die Krise: Viele Probleme, wie die Inflation oder sinkende Löhne werden zwar benannt, aber echte Lösungen im Sinne von Arbeiter*innen will und vor allem kann die FPÖ nicht geben. Denn die dringend nötigen Lohnerhöhungen, die Gewinnabschöpfung oder auch Enteignung von Spekulation zerrt an den Grenzen des Kapitalismus und steht im Widerspruch zu den Interessen der (Klein)Unternehmen - und diese bilden schließlich die Basis der FPÖ.

Woher kommt der Aufstieg also? Er wurzelt vor allem in der Krise des gesamten Systems, dem aktuell nur eine schwache Arbeiter*innenbewegung gegenüber steht. Es gibt keine Partei für Arbeiter*innen und der ÖGB ist ein braves angeleintes Hündchen, das es nicht wagt, ein eigenständiges Programm gegen die Inflation im Sinne der Arbeiter*innenklasse aufzustellen. Die steigende Unzufriedenheit mit der Regierung ist groß: 49% sind überhaupt nicht zufrieden mit der aktuellen Arbeit der Regierung! Die einzige lautstarke Opposition aber ist die FPÖ.

Was steht uns bevor?

Steht uns deswegen in naher Zukunft wieder eine FPÖ-Regierung bevor? Jein. Auf Länderebene spielt die FPÖ ungebremst eine große Rolle, vor allem in Oberösterreich. Auf Bundesebene schreckt das Kapital noch davor zurück, sie wieder in eine Regierung zu holen, weil sie ein massiver Unsicherheitsfaktor ist, wo doch Stabilität gebraucht wird. Doch eine Rückkehr auch auf Bundesebene ist mit einer verstärkten Energiekrise und einer FPÖ mit guten Russlandkontakten nicht gänzlich ausgeschlossen. Was uns auch bevorsteht, ist eine Wiederaufbauphase der FPÖ, da ihr einige zentrale Köpfe (Jenewein, Strache, …) weggebrochen sind bzw. in inneren Kämpfen verstrickt sind. Eine Arbeitsteilung mit den neofaschistischen Identitären war bei den “Corona-Demos” deutlich, hier gab und gibt es diverse auch personelle Überschneidungen. Ein Krisenwinter, in dem die Gewerkschaft der extremen Rechten inkl. FPÖ die Straße beim Thema Teuerung überlässt, ist gefährlich. Umso dringender braucht es entschlossene betriebliche und gewerkschaftliche Kämpfe für höhere Löhne, für mehr Personal, für die Finanzierung des Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen aus den Profiten der Konzerne und für den gemeinsamen Kampf von Menschen verschiedener Hautfarbe, Religion und Geschlecht für all das.

 

 

Bild: Bwag, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

VORWÄRTS-Schwerpunkt zu Österreich 1933-45: Faschismus an der Macht

Teil 5 der Artikelserie: Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbewegung

Am  Wiener Landesgericht weist eine Tafel auf “369 Wochen der Okkupation” durch das nationalsozialistische Regime hin. Am Justizpalast hängt der austrofaschistische Doppeladler. Beispiele für das bis heute gängige Bild: 1938 kamen die bösen braunen Männchen aus dem Nichts, 1945 waren sie plötzlich wieder weg. “Österreich” als Opfer wird bis heute inszeniert und so bewusst ignoriert, dass der Faschismus hausgemacht war und bereits 1933 an die Macht kam. Dieses Regime wird v.a. aus dem Lager der ÖVP gerne verharmlosend als “Ständestaat” dargestellt und Dollfuss wird von der ÖVP-Spitze in Ehren gehalten. Der österreichische Faschismus baute sich mit aktiver Unterstützung von Teilen des Kapitals und der katholischen Kirche seit Ende des 1. Weltkriegs auf. Schon davor waren Rassismus, Antisemitismus und alles was gegen die Arbeiter*innenbewegung ging den Bürgerlichen mehr als willkommen. “Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!” (Bertolt Brecht) ist bis heute viel richtiger als alle Erklärungsmuster über Rechtsextremismus und Faschismus, die bei Psychologie oder der Überbetonung Einzelner stecken bleiben. Rassentheorien und strikte Rollenbilder hat Hitler ebensowenig erfunden wie Éxpansionsbestrebungen des Kapitals und Zerschlagung der Arbeiter*innenbewegung. Das gilt auch für heutige rechtsextreme Phänomene wie Bolsonaro oder Orban. Die Abholzungspolitik von Bolsonaro inklusive Gewalt gegen Indigene passt der brasilianischen Elite gut ins Geschäft. Die frauenfeindliche Politik der polnischen PIS-Regierung wird zwar aktuell von der EU nicht gefördert, ist aber auch kein Problem, wenn es um die Abwehr armer Flüchtlinge an der EU-Außengrenze geht. Orban, dessen illiberale Demokratie die Hölle für Roma, Frauen, LGBTQ+ Personen und Gewerkschaften ist, wird als Partner gegen Putin umworben. Erdogans Rassismus, Trumps Sexismus, Modis Kommunalismus etc. - all das kein Problem für die Reichen und Mächtigen, solange sich gute Geschäfte machen lassen. All diese zunehmend diktatorischen Regime charakterisieren wir aktuell nicht als faschistisch. Das macht sie nicht weniger gefährlich, aber um die Krankheit richtig bekämpfen zu können, braucht man die richtige Diagnose. Das galt 1933, 1938 und das gilt auch heute.

Sonja Grusch

 

Arbeiter*innenbewegung zwischen Austro- und Nazifaschismus

Die Erfahrungen von der Parlamentsausschaltung am 4. März 1933 durch den Austrofaschismus bis zur Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1945 sind geprägt von katastrophalen Niederlagen der Arbeiter*innenbewegung. Die Konsequenz für Sozialist*innen heute liegt vor allem darin, in der aktuellen Krise des Kapitalismus konsequent für die politische Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse und eine revolutionäre Praxis ihrer Bewegung zu kämpfen.

Am 4. März 1933 schaltete Engelbert Dollfuss von der Christlichsozialen Partei (CSP, Vorgängerin der ÖVP) das Parlament aus. Anlass war eine Debatte um einen Streik der Eisenbahner*innen - diese hatten zuvor Waffenlieferungen aus dem faschistischen Italien an die CSP-nahen faschistischen Heimwehren blockiert. Die Einführung der Diktatur war offen geplant gewesen - vor allem, weil das Parlament den brutalen Kürzungsmaßnahmen im Weg stand, zu denen sich die österreichische Regierung in der Weltwirtschaftskrise im Gegenzug für eine Finanzspritze vom Völkerbund verpflichtet hatte. Die Niederschlagung des Arbeiter*innenaufstands im Februar 1934 und die Erlassung der „ständestaatlichen“ Verfassung am 1. Mai 1934 begründeten in der Folge das erste faschistische Regime in Österreich. Der italienische und deutsche Faschismus waren in den 1920er Jahren terroristische Bewegungen, die vom Kapital solange gefördert wurden, solange sie ihre Gewalt gegen die Arbeiter*innenbewegung richteten – aber dann, im Moment einer allgemeinen Krise und Paralyse sowohl der etablierten bürgerlichen Politik wie auch der Arbeiter*innenparteien, wuchsen sie ihren Förderern über den Kopf und errichteten ihre eigenen Diktaturen. Zwar profitierte das Kapital weiterhin vom Faschismus – durch die zerschlagene Arbeiter*innenbewegung und die imperialistische Expansion etwa – aber es bezahlte dafür mit einem gewissen Verlust der Unabhängigkeit gegenüber dem faschistischen Staat, dessen wahnhafte Gewaltorgien keineswegs eine langfristig stabile Basis zum Profitmachen sind. Die Etablierung des austrofaschistischen Regimes wurde jedoch von Anfang an „von oben“ koordiniert. Die CSP stellte in der 1. Republik immer die Bundesregierung. Sie war die Partei sowohl des Großkapitals, des Kleinbürgertums und der Kirche. Zwar gab es mit den Heimwehren austrofaschistische terroristische Bewegungen, doch diese blieben eng an die CSP gebunden. Erst im Zuge der tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise ab 1929 drohte die CSP die Kontrolle über die faschistischen Formationen zu verlieren. Die Kanzlerdiktatur ab 1933 und die Schaffung der faschistischen Einheitspartei Vaterländische Front (VF) sollten diese Zentrifugalkräfte unterbinden. Dennoch stand der Austrofaschismus von Anfang an auf wackligen Beinen. Man hatte sich seit den 1920ern am italienischen Faschismus unter Mussolini orientiert – und dieser hatte Heimwehren und CSP mit Geld und Waffen versorgt. Doch Hitlers Sieg bedeutete eine massive Kräfteverschiebung. Die österreichischen Nazis schöpften nun trotz Illegalität Selbstvertrauen. Im Juli 1934 töteten sie Dollfuss bei einem Putschversuch. Während dessen Nachfolger Kurt Schuschnigg versuchte, den Schein der Stärke zu wahren, unterwanderten die Nazis längst den Staat. Mangels einer ständig mobilisierbaren und gewaltbereiten Massenbasis, wie sie Hitler im deutschen Kleinbürgertum hatte, glich der Austrofaschismus zunehmend einer leeren Hülle: Die faschistische Verfassung existierte hauptsächlich am Papier – regiert wurde durch Verordnungen. Die faschistische Massenpartei VF und die faschistische Einheitsgewerkschaft (EG) waren ebenso hohl: 1937 zählte die EG gerade mal 400.000 Mitglieder – in einem Land mit ca. 5 Millionen Berufstätigen ziemlich wenig für eine „totalitäre“ Organisation.

Arbeiter*innenbewegung: Die doppelte Niederlage

Die Schwäche des Austrofaschismus bedeutete auch, dass sich die Arbeiter*innenbewegung im Untergrund reorganisieren konnte. Die führende Rolle übernahm nun – zum einzigen Mal in der österreichischen Geschichte – die KPÖ. Viele vom Bankrott des Reformismus enttäuschte Sozialdemokrat*innen traten nun der KPÖ bei. Im „Autonomen Schutzbund“ organisierten sich unmittelbar nach dem Februar 1934 ca. 10.000 Kämpfer*innen. 70% davon waren parteilos, 20% waren bei der KPÖ und 10% bei den Revolutionären Sozialisten (RS), einer Nachfolgeorganisation der zerschlagenen Sozialdemokratie. Letztere machten unter der Führung Joseph Buttingers einen Linksruck durch. RS und KPÖ vereinbarten zunächst eine Aktionsgemeinschaft, die auch den Autonomen Schutzbund umfasste, und als deren Programm revolutionärer Klassenkampf, Sturz des Faschismus und Errichtung der proletarischen Räterepublik festgehalten wurden. All das hätte eine Basis für eine echte Einheitsfront, wie sie zu der Zeit Leo Trotzki vorschlug, bilden können. Doch letztendlich siegte auf beiden Seiten das Sektierertum – das sozialdemokratische wie das stalinistische. Diesen Spaltungstendenzen widersetzte sich die „Schutzbundzeitung“, das Organ des Schutzbunds Wien-Mariahilf, der mehrheitlich dem linksoppositionellen „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“ zuzurechnen war. So heißt es gleich in der ersten Ausgabe im April 1935: „Die S.P. will den Schutzbund zu ihrer Parteigarde umwandeln zur Erkämpfung der Koalition mit der Bourgeoisie, die K.P. will eine Parteigarde für ihre rein national-russische Politik. So arbeiten beide Parteien vollkommen bewusst und planmäßig auf eine Zerreißung des Schutzbundes hin.“ Diese falsche Politik erwies sich mit dem beginnenden Zusammenbruch des Austrofaschismus und der unmittelbaren Bedrohung eines deutschen Einmarsches als fatal. Im April 1937 verfassten betriebliche Vertrauenspersonen, die ca. 100.000 Arbeiter*innen der illegalen Arbeiter*innenbewegung vertraten, einen Brief an Schuschnigg. Darin forderten sie die Legalisierung der Arbeiter*innenorganisationen, echte Gewerkschaften und Pressefreiheit, um effektiv gegen den deutschen Nationalsozialismus kämpfen zu können. Schuschnigg lehnte ab. Ein effektiver Kampf gegen die nationalsozialistische Gefahr hätte einen offenen Kampf gegen den faulenden Austrofaschismus notwendig gemacht. In den Wochen vor dem Anschluss organisierten die illegalen Gewerkschaften noch starke antifaschistische Mobilisierungen, am 24. Februar kam es zu Massenaufmärschen. Doch während die RS weiter hofften, durch Verhandlungen Schuschnigg umzustimmen, stellte sich die KPÖ – der nationalistischen Volksfront-Politik Stalins folgend – am Abend des Einmarsches vollkommen hinter das Regime und verkündete: „Alle Unterschiede der Weltanschauung, alle Parteiunterschiede treten zurück vor der heiligen Aufgabe... Rot-Weiß-Rot bis in den Tod!” Indem die aufstrebende Arbeiter*innenbewegung 1938 ihr Schicksal an das untergehende austrofaschistische Regime knüpfte, besiegelte sie auch ihre eigene Zerstörung. Der Nationalsozialismus war ungleich stärker, und darum auch konsequenter und brutaler als der Austrofaschismus. Organisierter Widerstand erwies sich vor allem in den ersten Jahren als kaum durchführbar. Gleichzeitig hatte die doppelte Niederlage der Arbeiter*innenbewegung 1934 und 1938 den Nährboden dafür gelegt, dass nun nicht nur Großkapital und Kleinbürgertum, sondern nun auch mehr Arbeiter*innen empfänglich für die NS-Ideologie waren. Mehr als 700.000 Österreicher*innen waren Mitglied der NSDAP, prozentuell mehr als im “Altreich”. 1,2 Millionen Österreicher*innen waren in der Wehrmacht bzw. SS, oft in Führungspositionen, etwa in KZs. Mit Mauthausen wurde 1938 in der nunmehrigen „Ostmark“ nicht nur das erste KZ außerhalb des „Altreichs“ gebaut – es wurde in der Folge auch das einzige Lager im Reichsgebiet, das offiziell unter der Lagerstufe III („Rückkehr unerwünscht“) betrieben wurde. Mauthausen diente zunächst vor allem zur Ermordung politischer Häftlinge – besonders von „Rotspaniern“, antifaschistischen Kämpfer*innen im Spanischen Bürger*innenkrieg, die extra hierher deportiert wurden. Das Kapital verdiente auch hier gut am Massenmord: Ab 1941 ist die "Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH", ein von der SS gegründetes Unternehmen, Eigentümerin von Mauthausen. Parallel zur Ausweitung des Kriegs wird nun auf „Vernichtung durch Arbeit“ gesetzt. Von 200.000 nach Mauthausen Deportierten sterben bis 1945 etwa 120.000.

„Historisch, objektiv betrachtet, kommt der Faschismus vielmehr als Strafe, weil das Proletariat nicht die Revolution, die in Russland eingeleitet worden ist, weitergeführt und weitergetrieben hat.“ (Clara Zetkin, 1923)

Sebastian Kugler

 

Marx Aktuell: Was ist Faschismus

Viele verwenden das Wort "Faschismus", um autoritäre Regime oder Führer*innen zu beschreiben, die Kontrolle über Staat und Medien ausüben und systematisch Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse, insbesondere auf Frauen, LGBTQI+ und ethnische Minderheiten, ausüben. Dies sind zwar eindeutig Merkmale faschistischer Regime, aber nicht die einzigen. Eine genauere Analyse verschiedener reaktionärer Kräfte ist notwendig, um sie richtig bekämpfen zu können.Faschismus beschreibt eine bestimmte politische Situation im Kapitalismus: Zunächst eine allgemeine Krise, die zu einer verstärkten Polarisierung und oft zu einer vor-revolutionären Situation führt. Unter den Mittelschichten herrschen Elend und Verzweiflung über Unfähigkeit der herrschenden Klasse, die Widersprüche des Kapitalismus abzufedern. Diese Schichten fühlen sich von oben - der Macht und dem Kapital der herrschenden Klasse - bedroht, aber noch mehr von unten - von einer möglichen sozialen Revolution. Das ist der Nährboden für eine faschistische Massenbasis, die Faschismus von anderen Diktaturen unterscheidet. Sie organisieren sich in Banden und Milizen, um die Arbeiter*innenbewegung zu terrorisieren. Dies kommt den Herrschenden zunächst gelegen, doch die Unkontrollierbarkeit des Faschismus stellt auch eine Gefahr für die Stabilität des Kapitals dar. An die Macht gelangt der Faschismus jedoch nur, wenn die Führung der Arbeiter*innenklasse in dieser entscheidenden Krise keine revolutionäre Alternative zum Chaos des Kapitalismus aufzeigt. Die einzige Möglichkeit, die extreme Rechte wirksam zu bekämpfen und den Aufstieg des Faschismus zu verhindern, besteht also darin, eine revolutionäre Arbeiter*innenbewegung aufzubauen, die eine solche sozialistische Alternative zu der permanenten Krise des Kapitalismus bietet, somit die Mittelschichten mitreißt und für eine gleichberechtigte, friedliche und wohlhabende Gesellschaft kämpft.  

Yasmin Morag

 

Antifaschistischer Widerstand- aber richtig!

In der bürgerlichen Geschichtsschreibung wird meistens der Widerstand aus dem bürgerlichen und kirchlichen Lager aufgegriffen, wie z. B. der Versuch von Stauffenberg, Hitler zu beseitigen. Doch während Stauffenberg selbst Faschist war, der nur den Faschismus vor Hitler retten wollte, gab es auch den zahlenmäßig wesentlich größeren, auch bewaffneten, sozialistischen bzw. kommunistischen Widerstand, der oft mit dem jüdischen Widerstand einherging. Doch sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen, wäre für die Bourgeoise äußerst unangenehm. Denn dieser stellte auch den Kapitalismus, aus dessen Krise sich der Faschismus entwickelte, in Frage. Juden/Jüd*innen und Kommunist*innen gingen keineswegs “wie Lämmer zur Schlachtbank”. Von den mehreren erfolgreichen Anschlägen auf hohe Funktionäre der Nazis durch die niederländische Kommunistin Hannie Schaft bis zum bewaffneten Aufstand des Warschauer Ghettos und dem Partisan*innenkampf von Slowenien bis Lettland kämpften Unzählige bis zum letzten Atemzug. Und dennoch waren dies vor allem Verzweiflungskämpfe. Sie wurden alternativlos, weil die Arbeiter*innenbewegung zuvor es nicht geschafft hatte, durch Bildung einer Einheitsfront den Faschismus aufzuhalten.

Volksfront und Einheitsfront

Einheitsfront meinte historisch den gemeinsamen Kampf kommunistischer und sozialdemokratischer Arbeiter*innen gegen den Faschismus. Im Gegensatz zu heute waren die sozialdemokratischen Parteien damals Massenorganisationen des Proletariats. Außerdem hatten zumindest Teile reformistischer Parteien eine sozialistische Perspektive. Durch die Einheitsfronttaktik hätten noch Anfang der 1930er Jahre riesige Massen an Arbeiter*innen mobilisiert werden können und der Vormarsch des Faschismus gestoppt werden können. Sie wurde vor allem von dem russischen Revolutionär und Antistalinisten Leo Trotzki propagiert, konnte sich aber, trotz vielversprechender Initiativen an der Basis, aufgrund des Sektierertums der bürokratischen Führungsapparate in beiden Parteien nicht durchsetzen.

Nachdem der Stalinismus vor dem Sieg des Faschismus alle anderen politischen Kräfte - und insbesondere die Sozialdemokratie - als “Faschisten” gesehen hatte, schwenkte er nun um 180 Grad und propagierte die “Volksfront”. Darunter ist das Bündnis kommunistischer, sozialdemokratischer und bürgerlicher Parteien im Kampf gegen den Faschismus zu verstehen. In der Praxis bedeutete sie die komplette Unterordnung unter bürgerliche Kräfte. So kämpfte zum Beispiel die damalige KPÖ nicht für den Sozialismus, sondern für ein „freies Österreich“. Der Kampf gegen den Kapitalismus wurde so über Bord geworfen. Die Volksfront scheiterte in Frankreich oder Spanien, wo sie kurzzeitig an die Macht kam, katastrophal. Der Nationalsozialismus wurde aufgrund dieser falschen Taktik auch nicht politisch, sondern letztlich nur militärisch besiegt. Somit blieb der Boden für eine Wiedergeburt des Faschismus bestehen.

Und heute?

Somit stellt sich die Frage, wie eine Einheitsfront heutzutage aussehen könnte. Aufgrund des Fehlens großer proletarischer Massenparteien bedeutet Einheitsfront nicht einfach das Bündnis einzelner bestehender Gruppen, sondern vor allem den Aufbau und die Zusammenführung sozialer Bewegungen bzw. Klassenkämpfe im Kampf gegen Rechts. Zum Beispiel bedeutet das den vereinten Kampf von Gesundheits-, Pflege-, und Bildungsbeschäftigten, sowie anderer Initiativen gegen den sozialen Kahlschlag, der massenhaft von rechten Parteien betrieben wird. Die gemeinsamen Interessen aller, die von kapitalistischer Ausbeutung und rechter Gewalt betroffen sind, müssen dabei im Zentrum stehen - und nicht hohle moralische Appelle. Das bedeutet auch, sich nicht vor den Karren jener bürgerlichen Parteien wie SPÖ oder Grüne spannen zu lassen, die sich nach außen hin (wenn es gerade politisch genehm ist) antifaschistisch präsentieren, aber durch Kürzungspolitik und staatlich verwalteten Rassismus den Rechten den roten Teppich ausrollen. Konkret muss Widerstand gegen den Faschismus mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden sein.

Anna H. und Sebastian Kugler

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Putin, Selenskyi und Faschisten

Dylan Pattillo

Im Russland-Ukraine-Krieg behauptet Putin, der Einmarsch diene der "Entnazifizierung". Selenski sagt, die Russen seien die wahren Faschist*innen. Doch beide Seiten haben „ihre“ Nazis.

Die ukrainische Regierung stützt sich u.a. auf das von Neonazis gegründete Asow Regiment. Sie verwenden Nazi-Symbole wie Wolfsangel und schwarzes Sonnenrad und verüben mit einer Straßenpatrouille, der Nationalen Miliz, Gewalt gegen Antifaschist*innen und z.B. Roma. Die Gruppe ist seit 2014 offiziell in die ukrainische Nationalgarde integriert, erhält staatliche Mittel und Waffen.

Auch das russische Regime hat, neben der Unterstützung rechter Parteien in Europa (inkl. FPÖ) seine eigenen Faschist*innen. Die Wagner-Gruppe, Russlands inoffizielle und brutale Söldnergruppe, wurde Berichten zufolge von Dmitri Utkin gegründet, einem Ex-Soldaten mit Nazi-Tätowierungen. Die Gruppe ist eng mit dem Kreml verbunden, wurde nach Hitlers Lieblingskomponisten benannt und wird der Folter beschuldigt. Eine andere Gruppe, die Russische Reichsbewegung, hat Neonazis aus der ganzen Welt ausgebildet, darunter Viktor Melin, der 2017 Bombenanschläge in Schweden verübte. Das Regime unterdrückt auch antifaschistische Bewegungen im eigenen Land brutal.

Für die Bevölkerung sind die Faschist*innen auf beiden Seiten nicht repräsentativ, militärisch sind letzlich eine zusätzliche Gefährdung da sie den Krieg brutaler machen – aktuell und längerfristig. Und die Bewaffnung von Faschist*innen kann in der Zukunft zu einem großen Problem werden.

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