Antifaschismus und Antirassismus

Rechter Rand

Anna Hiermann

Bild: Martin Balloch

„Tiere als unsere Mitgeschöpfe sind durch naturnahen und respektvollen Umgang vor Qualen und Leid zu schützen.“ (FPÖ). Wie Rechtsextreme es seit über 100 Jahren tun, wird v.a. die Schlachtmethode des Schächtens kritisiert. So wird Tierschutz mit Rassismus und Antisemitismus verbunden. ABER: Wie es in Schlachthöfen zugeht, interessiert FPÖ, AFD & Co. herzlich wenig. Schließlich werden in den „fortschrittlichen“ Schlachthöfen des Abendlandes laut dem „Verein gegen Tierfabriken“ Tiere oft ohne Betäubung getötet und führen davor ein kurzes, äußerst qualvolles Leben (Stichwort: Massentierhaltung). Egal, so fordert beispielsweise Maximilian Kraus, Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend: "Jedes Kind soll in den Genuss eines Schnitzels kommen dürfen." Als im niederösterreichischen Landtag 2019 ein Antrag zur Verringerung der Tiertransporte und stressfreien Schlachtung eingebracht wurde, lehnte die FPÖ ihn ab. Außerdem setze sich die ÖVPFPÖ Regierung unter Kurz und Strache für die „Ausweitung des Schutzes auf Eigentum und Hausrecht insbesondere auch gegen das illegale Eindringen in Stallungen“ ein. In der Praxis bedeutet das eine härtere Bestrafung von Tierrechtler*innen, die Missstände in der „Nutztier“-Haltung aufzeigen. Ganz zu schweigen von der Gleichgültigkeit gegenüber Menschen, die im Mittelmeer ertrinken oder in Kriegsgebiete abgeschoben werden. Das zeigt, dass für Parteien wie die FPÖ nicht das Wohl der Tiere zählt (und nicht das der Menschen), sondern jenes der Wirtschaft, Fleischlobby inklusive.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Der rechte Rand: Angriffe auf Gewerkschaften

Seraphina Reisinger

Social Media Bild in Solidarität
mit italienischer Gewerkschaft

„Die GPA hat weder etwas zu verlangen und schon gar nichts zu fordern. Sie sollen aus dem täglichen Wirtschaftsleben endlich verschwinden und jene die Krise bewältigen lassen, die davon etwas verstehen, nämlich den (sic!) Unternehmen mit ihren Mitarbeitern.“ Das schrieb Fritz Amann vom Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender 2009. Aber nicht nur 2009 und nicht nur in Österreich gehen Rechte gegen Gewerkschaften vor. 2021 gab es u.a. Angriffe auf Gewerkschaften in Italien und Australien. Am 9.10. fand in Rom eine Demonstration gegen den “Grünen Pass” statt. Wie bei anderen Protesten gegen Corona-Maßnahmen waren auch hier Rechte und Faschist*innen nicht nur einfach “dabei”. Aktivist*innen der neofaschistischen “Forza Nuevo” attackierten aus der Demo heraus die Büros der Gewerkschaft CGIL. Später kam es dann auch zu Gewalt gegen Angestellte des Krankenhauses Policlinico Umberto I. In Melbourne, Australien, fand am 20. September eine Demonstration von Bauarbeiter*innen gegen eine Impfpflicht am Arbeitsplatz statt. Auch hier nutzten Rechtsextreme die Demo, um das Büro der Gewerkschaft CFMEU zu zerstören. Auch die österreichische Rechte nutzt das Corona-Thema. Identitäre, Küssel & Kameraden und die FPÖ waren zentral bei der Demonstration am 20. November dabei und versuchten auch ihre gelben Gewerkschaftsstrukturen (z.B. FGÖ-Bundesheer) dazu zu nutzen. Angriffe aus dem Milieu der Schwurbler auf Wissenschaftler*innen, Testeinrichtungen und sogar Spitäler passen zur rechten - und sehr gefährlichen - Eskalationsstrategie.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Black Panther Party for Self Defence

Die Panthers zeigen: Der Kampf gegen Rassismus braucht Antikapitalismus UND die Arbeiter*innenklasse
Kajal V.

CC BY-2.0 CIR Online

Vor 55 Jahren formierte sich die „Black Panther Party for self defence“ (BPP) in Oakland, Kalifornien. Gerade angesichts von Black Lives Matters macht es Sinn, sich mit den Panthers auseinanderzusetzen.

Der Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den 1950er Jahren stellte den Anfang einer Phase des Umbruchs dar. Der 2. Weltkrieg war vorbei und unzählige Soldat*innen, darunter viele Schwarze, waren gefallen. Während die USA ihre Kriegsbeteiligung mit dem Kampf gegen Faschismus begründeten, strotzten sie selbst von staatlichem Rassismus gegen die eigene Bevölkerung. Dazu kam, dass der Wirtschaftsaufschwung nach 1945 die Kluft zwischen weißer Mittelschicht und schwarzer Bevölkerung vergrößerte. Als 1965 das Bürgerrechtsgesetz auf dem Papier die Gleichstellung von Weißen und Schwarzen festhielt, wurde schnell klar, dass das nichts an Armut und Polizeibrutalität änderte. Selbst Martin Luther King, der zuvor oft einen pazifistischen Weg und Kompromisse mit der Demokratischen Partei unterstützte, änderte seine Ansichten. 1967 betonte er: „Wir sind in eine Ära eingetreten, die eine Ära der Revolution sein muss (...) was nutzen einem Mann gemischte Speiselokale, wenn er sich keinen Hamburger leisten kann?“ 

Die Black Panthers waren eine Fortsetzung dieser Entwicklung. Sie sahen sich als sozialistische, revolutionäre Bewegung für schwarze Afroamerikaner*innen. Zunächst bestand ihre Taktik vor allem darin, ihr verfassungsmäßiges Recht auf Bewaffnung wahrzunehmen, Polizeikontrollen zu überwachen und rassistische Übergriffe zu verhindern. Innerhalb weniger Jahre wuchsen sie zu einer Organisation mit tausenden Mitgliedern (ihre Wochenzeitung verkaufte ca. 125.000 Stück pro Woche). Frauen waren ein wichtiger Teil der Bewegung. Laut einer Umfrage im Jahre 1969 waren ca. 60% der Mitglieder weiblich, viele in führenden Positionen. Die BPP verfolgte von Anfang an eine Politik der Geschlechtergleichstellung. Außerdem lehnten die Panthers den Separatismus der „kulturellen Nationalisten“ ab und suchten die Zusammenarbeit mit Gruppen aus der weißen oder Latino Community. Ihr Ansatz war: Wir bekämpfen Kapitalismus nicht mit schwarzem Kapitalismus, sondern mit Sozialismus. Ihr 10-Punkte Programm mit dem Titel „Was wir wollen und was wir glauben“ hielt konkrete Forderungen fest. Dabei ging es unter anderem um mehr und bessere Arbeitsplätze, leistbaren Wohnraum, das Recht auf Bildung für alle und weitere soziale Forderungen.

Eine der größten Stärken war die Suche nach einer klassenorientierten statt einer auf Hautfarbe basierenden Lösung. Bobby Seales, ein Mitbegründer der BPP, sagte dazu: „Diejenigen, die den Kampf mit ethnischen Unterschieden verschleiern wollen, sind diejenigen, die die Ausbeutung der Massen unterstützen und aufrechterhalten. Wir brauchen Einigkeit, um die Klasse der Bosse zu besiegen - jeder Streik zeigt das. Das Banner jeder Arbeiter*innenorganisation verkündet: Einigkeit ist Stärke.“

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit bestand aus „community work“, die beispielsweise darin bestand, in armen schwarzen Vierteln kostenlose Essens-, Kleidungs- und medizinische Versorgung zu organisieren. Dabei betonten die Panthers stets die Notwendigkeit der Selbstorganisierung.

Aber der Fokus ihrer Aktivität zeigt auch die Schwächen der Panthers. Während man sich in Community Work und Auseinandersetzungen mit der Polizei aufgerieben hat, gab es gleichzeitig kaum konkrete Arbeit mit und für die Arbeiter*innen in den Betrieben bzw. gewerkschaftliche Arbeit. Aber gerade in Betrieben haben Arbeiter*innen die größte Kampfkraft und können auch im gemeinsamen Kampf rassistische Vorurteile am schnellsten überwinden und echte Verbesserungen erkämpfen.

Huey P. Newton, einer der Gründer der Panthers, reflektierte in einem späteren Interview: „Wir wurden als eine militärische Eingreiftruppe gesehen, die außerhalb der Strukturen der schwarzen Bevölkerung operierte und die zu radikal erschien, um sich ihr anzuschließen. Wir sahen uns selbst als die revolutionäre Avantgarde und hatten nicht wirklich verstanden, dass nur die Menschen selbst die Revolution machen können. Die Menschen folgten unserem Beispiel nicht, die Waffe in die Hand zu nehmen.“

Diese Orientierung erleichterte es dem US-Staat auch, die Panthers zu isolieren und anzugreifen. Sie waren massiver Repression ausgesetzt. Der FBI-Chef sah sie als “die größte Bedrohung für die Sicherheit in den USA” und der US-Staat tat alles dafür, die Bewegung zu zerschlagen. Sie infiltrierten die Bewegung mit Spitzeln und dem Geheimdienst und ließen wahllos Aktivist*innen verhaften und ermorden. 

Insgesamt ist der sozialistische Anspruch, die Verbindung von Rassismus und sozialen Fragen, der gemeinsame Kampf mit anderen Communities, die Selbstorganisierung und der Aufbau einer antirassistischen Bewegung unabhängig vom Establishment etwas, was die antirassistische Bewegung noch heute von den Panthers lernen kann. Aber gleichzeitig zeigt die Geschichte der Panthers auch, wie wichtig eine Orientierung auf die betriebliche Macht der Arbeiter*innenklasse ist, die einzige Kraft, die stark genug ist, die Gesellschaft tatsächlich nachhaltig zu verändern.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

10 Punkte um die Offensive von Maßnahmen-Gegner*innen und Rechtsextremen zurück zu schlagen

Die rechte Gefahr steigt: durch die Maßnahmen-Proteste und die Regierungspolitik
Sonja Grusch

Mit Lockdown Nr. 4 und der Regierungs-Ankündigung einer Impfpflicht sind die Proteste der Maßnahmen-Gegner*innen zurück – und zunehmend gefährlich. Um es gleich vorneweg klar zu stellen: weder errichtet die Regierung mithilfe der Corona-Maßnahmen eine Diktatur noch werden FPÖ & Co. nach der nächsten Wahl den Faschismus ausrufen. Gefährlich sind allerdings sowohl die Regierung als die extreme Rechte. Wir schlagen daher auch ein sehr konkretes Programm dagegen vor.

Wer ist auf diesen Demonstrationen?

Zehntausende gehen immer wieder auf die Straße. Angeführt und organisiert werden sie meist von rechtsextremen und faschistischen Organisationen wie der FPÖ oder den Identitären (egal unter welchem ihrer Tarnnamen). Die Teilnahme gewaltbereiter Nazi-Hooligan, von Ultrarechten und Faschist*innen aus In- aber auch Ausland, gemeinsam mit christlichen Fundis und anderen Gegner*innen von Frauenrechten sowie wirren “Natur”-Fans kann den anderen, den „normalen“ Teilnehmer*innen nicht verborgen bleiben. Diesen rechtsaußen Demonstrant*innen sind Impfung bzw. Corona insgesamt herzlich egal. Das Versagen der Regierung aber auch die Politik der FPÖ haben die Lockdowns nötig gemacht - und es ist gerade jenes Bundesland, in dem die FPÖ mitregiert (Oberösterreich) indem dieser länger als in anderen Bundesländern dauert! Die Rechten sehen die Proteste als Möglichkeit zum Aufbau, um auszutesten, wie weit sie in ihrer faschistischen Propaganda gehen können und als Trainingsfeld für (künftige) Auseinandersetzungen mit dem Staat. 

Die Mehrheit der Teilnehmer*innen kommen nicht aus dem rechten Lager: sie haben bei den letzten Wahlen vor allem FPÖ, aber auch ÖVP und Grün gewählt. Sie sind überdurchschnittlich gebildet und zu einem großen Teil Selbständige oder Kleingewerbetreibende. Jene „normalen“ Demonstrant*innen die meinen, sie hätten nichts mit den extremen Rechten zu tun machen es sich aber zu leicht. Wer den Rechtsextremen Platz und sogar Führung lässt, legitimiert deren Propaganda. Versuche, die extreme Rechte aus den Demonstrationen heraus zu halten sind nicht bekannt. Dafür fehlen aber Forderungen, die über abstrakte “Freiheit” Rufe hinausgehen wie z.B. nach mehr Personal im Spital. Nirgends werden die demokratischen und Freiheitsrechte von Flüchtlingen die eingesperrt werden verteidigt. Keine Kritik an den Fake News von Kickl & Co. 

Kritik an den Regierungs-Maßnahmen

Die Regierung zeigt laufend ihre Unzulänglichkeit. Es gab und gibt zu wenig Schutz für Beschäftigte, dafür aber zusätzlich Arbeit ohne Bezahlung. Information, Testangebote und Impfen wird der Privatwirtschaft überlassen - das vertieft das Misstrauen in „Big Pharma“ und gibt Schwurbelei viel Platz. Wenn Mitglieder der Regierung selbst Esoterik praktizieren und nachweislich unwirksame “Alternativ”medizin von Apotheken verkauft und im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens akzeptiert wird und sogar Angriffe auf Pflegepersonal und Wissenschaft durch Politiker*innen stattfinden dann gibt das Verschwörungsphantasien weiter Auftrieb. Und Anstatt Menschen z.B. in ihrer Sprache und Region im wahrsten Sinne des Wortes zur freiwilligen Impfung abzuholen wurde die Pandemie für beendet und alles zur „Privatsache“ erklärt.

Unternehmen und Herrschende haben die Pandemie nicht erfunden, aber sie nutzen sie um autoritäre Maßnahmen und kostenlose Mehrarbeit bei Beschäftigten durchzusetzen. Autoritäre Tendenzen entsprechen dem Wunsch des Kapitals nach mehr Durchgriffsmöglichkeiten gegenüber Beschäftigten und Kritiker*innen. Unter einem Innenminister Kickl, der sich nun als “Verteidiger der Demokratie” aufspielt, wurde hier der Turbo angeworfen, aber auch unter Grünen wurden die Maßnahmen nicht zurückgenommen. 

Was sich da zusammenbraut ist brandgefährlich

Die Aufmärsche der Maßnahmen-Gegner*innen sind den Herrschenden aktuell nicht recht. Zwar benützt sie diese um alle Kritik ins Spinner-Eck abzudrängen doch lieber wäre ihr Ruhe. Denn die herrschende Klasse hofft, durch eine hohe Durchimpfung die Pandemie in den Griff zu bekomme und so den Schaden für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Mit dem Rassismus und der Frauenfeindlichkeit vieler Demoteilnehmer*innen haben sie kein Problem, mit dem Impfskeptizismus und der destabilisierenden Wirkung schon. Aus diesem Grund ist eine Regierungsbeteiligung der FPÖ (oder auch von MFG) nach  kommenden Wahlen unwahrscheinlich. Gerade um dennoch die Maßnahmen durchzusetzen werden die Herrschenden aber vermehrt zu autoritären Maßnahmen greifen, gegenüber Maßnahmen-Verweiger*innen, aber (wie praktisch für das Kapital) auch gleich gegen alle Beschäftigten. Z.B. möchten sich die Firmenleitungen durch die Offenlegung des Impfstatus im Job Zugriff auf andere Gesundheitsdaten verschaffe – und das könnte zum Abbau von Beschäftigten mit chronischen Krankheiten führen.

Auch wenn die neue/alte Regierung ihr Debüt im Parlament überlebt hat ist aktuell nicht abzusehen, wie lange sie hält. Dem Wunsch nach Stabilität (den auch die SPÖ teilt und daher nicht für Neuwahlen ist) steht das Element der Unberechenbarkeit einzelner Akteur*innen und neuer Entwicklungen (bei Skandalen, Corona & Co.) gegenüber. Neuwahlen 2022 werden wahrscheinlicher.  

Aktuell sehen wir eine massive Radikalisierung der Maßnahmen-Gegner*innen: Angriffe auf Test- und Impfeinrichtungen, Ambulanzen und Krankenhäuser sind bedrohlich. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei zu einem großen Teil um Vertreter*innen der extremen Rechten handelt die üben und ausprobieren, wie sie Stimmungen anheizen, lenken und zu konkreten Aktionen bringen können, wie sie in Polizeikonfrontationen agieren etc.. Doch die aufgepeitschte Stimmung trifft auch Familienangehörige, Kolleg*innen und Nachbar*innen der Maßnahmen-Gegner*innen: weil von diesen eine Infektionsgefahr ausgeht aber auch zunehmend verbale und tätliche Angriffe. Es ist eine Radikalisierung die auch im rechten Lager nicht homogen stattfindet: Kickl ist zwar einerseits Einpeitscher, rudert aber in den letzten Tagen auch zurück. Auch er muss fürchten die Kontrolle über die Proteste zu verlieren. Was also droht ist keine starke organisierte faschistische Kraft mit Massenbasis sondern rechtsextreme und faschistische Gruppen die mit mehr Selbstbewusstsein und Erfahrung auftreten und radikalisierte Einzelpersonen die sich in Richtung individueller Terror bewegen Eine solche Radikalisierung mag Teilen der rechten Szene recht sein, andere fürchten den Kontrollverlust über die aufgepeitschte Menge. Was also tun?

10 Punkte was gegen die Gefahr getan werden kann

Die wenigen linken Mobilisierungen sind schwach, die Gewerkschaft lässt völlig aus. Es ist auch nicht sehr hilfreich, wenn - ähnlich wie in manchen “progressiven” Medien - alle Maßnahmen-Kritiker*innen als dumm, rückständig etc. präsentiert und nach Impfpflicht gerufen wird. Ernsthafte Proteste müssen daher auch die völlig falsche Regierungspolitik kritisieren und auch jene abholen, die absolut berechtigte Wut auf die Regierung haben - das funktioniert aber nur, wenn diese Proteste weg von der moralischen und hin zur sehr realen Ebene der Beschäftigten in Gesundheit, Bildung, Handel und Sozialbereich gehen. Der Anspruch muss sein, den Rechten mehr als symbolische Proteste entgegen zu stellen. Die beste Basis für eine echte Alternative zu Regierung und Corona-Leugner*innen sind die Proteste, Streiks und Betriebsversammlungen, von tausenden Pfleger*innen, Elementarpädagog*innen und Handelsangestellten. 

Stellen wir uns vor, die Gewerkschaften rufen zu einer Massendemonstration für mehr Personal in Pflege, Schule und Handel sowie einen Corona-Bonus für Alle auf. Und bieten im Rahmen einer solchen Massen-Mobilisierung Informationen von unten inklusive Test- und Impfmöglichkeit durch die Kolleg*innen an. So eine Mobilisierung ist der beste Schutz für Spitäler und Testeinrichtungen und kann den rechten Populist*innen und Hetzer*innen schnell das Heft des Handelns aus der Hand nehmen. Wenn die Gewerkschaftsspitze das nicht macht müssen wir einerseits Druck auf sie aufbauen und andererseits selber Initiativen in diese Richtung setzen.

Das wichtigste Mittel ist die Unterstützung und Organisierung von Beschäftigten im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich. Und zwar nicht nur gegen Angriffe der Maßnahmen-Gegner*innen sondern auch um endlich die dringend überfälligen Verbesserungen zu erreichen. Die Kolleg*innen sind schon lange Streikbereit - nicht weil es so “lustig” ist sondern weil anders die Regierung weiterhin die nötige Aufstockung bei Personal und Gehalt nicht umsetzen wird.

  1. Kein Vertrauen in Regierungen und Polizei sondern selbst organisieren. Regierung und Polizei sind kein Schutz, weder vor Corona, noch gegen die extreme Rechte. Nicht nur, dass gerade im Polizeiapparat die FPÖ und andere rechte Strukturen gut verankert sind sondern auch, weil die Maßnahmen so nicht funktionieren und der Boden für die extreme Rechte weiter bereitet wird. Stattdessen brauchen wir eine Aufklärungs- und Informationskampagne zu Corona von unten in Betrieben, Stadtteilen, Schulen und Unis. In den nötigen Sprachen, damit alle es verstehen. Durchgeführt und kontrolliert von demokratisch gewählten Strukturen aus Beschäftigten, Gewerkschafter*innen, Anwohner*innen und Wissenschafter*innen. Organisiert eine Betriebsversammlung zum Thema, ein Stadtteil-Treffen oder eine Schüler*innenversammlung.

  2. Kein Platz für Fake News:  Eine Impfkampagne von unten und v.a. durch die Gewerkschaft - durch alle ihre gewerkschaftlichen Medien, Newsletter etc. und in Betriebsversammlungen mit Informationen durch Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich und Ärzt*innen. Wenn Kolleg*innen selbst reden ohne das wer von Big Pharma oder Politiker*innen dabei sind ist das die größte Möglichkeit, Ängste zu überwinden. Solche Betriebsversammlungen müssen in der Arbeitszeit und voll bezahlt stattfinden, es muss ein Informations-, Test- und Impfangebot geben. Und es dürfen keine Vertreter*innen der Firmenleitung teilnehmen! Medien die Fake News verbreiten wird sofort jede staatliche Förderung gestrichen, sie werden von Beschäftigten und demokratisch gewählten Vertreter*innen weitergeführt und zu echten Informationsmedien umgestaltet. Nicht nur über Corona, sondern auch über die Arbeits- und Lebenssituation von Beschäftigten. 

  3. Keine Geschenke ans Großkapital: Die staatliche Unterstützung hat v.a. großen Unternehmen geholfen. Gewinne bzw. die Ausschüttungen sind nicht zurückgegangen. Unsere Steuergelder haben die Profite v.a. der Großkonzerne gestützt. Klein- und Kleinstunternehmen und Selbstständige leiden viel stärker unter den durch Corona ausgelösten wirtschaftlichen Problemen. Wenn schon Wirtschaftshilfe, dann für Kleine! Hier ist auch die Gewerkschaft gefordert. Nicht indem sie den Großbetrieben in den KV-Verhandlungen “entgegen” kommt (also die Kosten der Krise auf die Beschäftigten abwälzen lässt) sondern indem sie Scheinselbstständige, Ein-Personen-Unternehmen bzw. Kleinstfirmen als Bündnispartner gegen die großen Kapitalgruppen sieht.

  4. Keine Profite mit Testen und Impfen! Das Misstrauen in Big Pharma ist verständlich und wird durch z.B. den Maskenskandal noch verschärft. Aber wenn Testen und Impfen nicht dem privaten Markt überlassen wird, dann gibt es keine Profitinteressen. Übernahme existierender Einrichtungen (die ohnehin massiv öffentliche Gelder bekommen) durch die öffentliche Hand. Weg mit allen Patenten und freier Zugang für alle zum dringend nötigen Wissen. Enteignung der Corona-Profiteure und Nutzung derer Reichtümer um die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

  5. Gewerkschaftliche Offensive für Gesundheit, Soziales, Bildung und Handel: die jüngsten Lohnabschlüsse liegen durchwegs unter der erwarteten Inflation. Das neue Budget sieht weitere Kürzungen im Gesundheitswesen vor. All das verlangt eine scharfe Wendung in der Gewerkschaftspolitik. Schluss mit dem nationalen Schulterschluss: Corona trifft nicht alle gleich, die nötigen Maßnahmen sind auch nicht einfach “objektiv gleich” für alle (z.B. trifft ein Lockdown arme härter als reiche und fehlende Investitionen in den Gesundheitsbereich treffen Beschäftigte und Patient*innen). Die Gewerkschaften müssen daher aufhören, in einem “nationalen Schulterschluss” die Maßnahmen der Regierung (weitgehend) mitzutragen und zu einer eigenen Position kommen die sich an den Bedürfnissen von Beschäftigten und ihren Familien orientiert. Schluss mit faulen Kompromissen und stattdessen offensiver Kampf für die dringend nötigen Verbesserungen: mehr Personal und bessere Bezahlung stehen hier ganz oben! Eine Gewerkschaft die entschlossen die Beschäftigten in ihrem Kampf unterstützt würde wachsen und zu einer echten Kampforganisation für die Arbeiter*innenklasse. Um das zu erreichen fangen wir an, uns mit Kolleg*innen zusammen zu schließen, die auch die Notwendigkeit einer kämpferischeren Betriebs- und Gewerkschaftspolitik sehen. Treffen wir uns regelmäßig und diskutieren, formulieren wir unsere Forderungen und mobilisieren Unterstützung dafür in der Belegschaft, stellen wir unsere Forderungen auch an die Gewerkschaften - schließlich sollen sie ja unsere Gewerkschaft sein!

  6. Schutz von Spitäler, Test- und Impfeinrichtungen: Angriffe auf Test- und Impfeinrichtungen sowie auf Ambulanzen und Spitäler zeigen die Radikalisierung des Schwurbel-Milieus. Als Teil einer unabhängigen Aufklärungs- und Impfkampagne durch die Gewerkschaften müssen auch die Gesundheitseinrichtungen vor Angriffen geschützt werden. Z.B. durch eine öffentliche Betriebsversammlung vor der jeweiligen Einrichtung wenn geplante Angriffe bekannt werden. Die Polizei ist auch hier wenig Hilfe auch weil es Verbindungen ins rechte Lager gibt. Die Beschäftigten und Gewerkschaften können die Einrichtungen am Besten schützen. Es ist zentrale Aufgabe der Gewerkschaften die Kolleg*innen hier nicht allein zu lassen - nicht nur Gewerkschafter*innen und Betriebsrät*innen aus anderen Betrieben, sondern ganze Delegationen von Kolleg*innen können zum Schutz zusammenkommen. Die rechten Hetzer*innen und Schwurbler*innen werden sich nicht einmal in die Nähe wagen, wenn Betriebsdelegationen den Schutz organisieren. Die Firmen wollen ihren Beschäftigten dafür nicht gehen lassen - absurd, das Gesundheitswesen geht uns alle an, die Gewerkschaft muss sich hier endlich durchsetzen!

  7. Nein zum Angriff auf demokratische Rechte und die Rechte von Beschäftigten und Arbeitslosen: Die Arbeiter*innenbewegung darf der Aushöhlung demokratischer Rechte unter dem Deckmantel von Corona nicht zustimmen! Keine Repression gegen Arbeitslose, für volle Versammlungs- und Demonstrationsrechte, Schluss mit dem Versuch Corona für rassistische Übergriffe zu nutzen. All das interessiert FPÖ & Co nicht - ihnen geht es um die “individuellen” Rechte von Firmen, nicht von Beschäftigten. Sie wollen das Unternehmen weiter Ausbeuten dürfen, wollen aber nicht, dass Beschäftigte ein Recht auf Schutz haben. Die Verteidigung demokratischer Rechte und von Arbeiter*innenrechten kann daher nicht mit, sondern muss auch gegen die Schwurbler*innen stattfinden!

  8. Großdemonstration und Streiks für mehr Personal in Spital, Schule und Handel: Um den Schwurbler*innen den Wind aus den Segeln zu nehmen helfen keine Appelle und auch keine Polizei. Hier liegt die Verantwortung bei Gewerkschaft, Betriebs- und Aktivist*innengruppen. Zum Schutz von Gesundheitseinrichtungen und als deutliches Zeichen gegen Rechts brauchen wir so rasch wie möglich eine Großdemonstration die offensive Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung in allen Bereichen, aber v.a. bei Gesundheit, Bildung und im Handel einfordert. Das kann nur der erste Schritt sein. Wir brauchen die Organisierung von Kolleg*innen in Gesundheit, Handel, Bildung und Sozialbereich um die nächsten Kampfschritte anzugehen: Den Protesten der letzten Monate und Jahre müssen Streiks folgen. Wenn es “sicher” genug ist zu arbeiten, dann ist es auch sicher genug, zu streiken. Die Kolleg*innen sind schon lange streikbereit, die Gewerkschaft bremst. Kämpferische Aktivist*innen- und Betriebsgruppen müssen daher die Initiative übernehmen, wenn die Gewerkschaften es nicht tun und beginnen, Arbeitskämpfe zu organisieren! 

  9. Weg mit dieser Regierung - Für eine neue Arbeiter*innenpartei. Die Regierung ist gefährlich und wird weder Corona noch die extreme Rechte beseitigen. Auch deshalb darf die Gewerkschaft nicht auf den notwendigen Kampf für echte Verbesserungen verzichten sondern muss in die Offensive gehen. Wir brauchen Betriebs- und Stadtteilkomitees die diskutieren was nötig ist und wie die nächsten Kampfschritte aussehen können. Eine solche Bewegung kann auch eine echte Basis für eine dringend nötige neue Partei für Arbeiter*innen und Jugendliche sein!

  10. Weg mit diesem System - für eine echte sozialistische Alternative: Corona ist kein Naturereignis sondern das Ergebnis kapitalistischer Profitlogik. Das gilt für die Verbreitung des Virus ebenso zu wie für den Mangel bei Informationen, Impfstoff in großen Teilen der Welt etc. Im Rahmen dieses profitgetriebenen Systems ist eine Lösung nicht möglich. Wir brauchen daher eine echte Alternative, wo unser aller Gesundheit und Zukunft im Zentrum steht. Wenn nicht Profite, sondern die Menschen im Zentrum stehen dann gibt es ausreichend Jobs, Geld für Soziales und Gesundheit, Impfstoff, Testmöglichkeiten etc für alle. Wenn der Reichtum den wir alle schaffen auch für alle eingesetzt wird und nicht nur für eine kleine Elite dann können Corona, Klimakrise und andere Probleme nicht nur angegangen sondern sogar gelöst werden.  Kämpf mit uns für so eine echte Alternative: eine internationale sozialistische Alternative.

Kyle Rittenhouse freigesprochen: Ein Hohn auf die Gerechtigkeit

Kyle Rittenhouse wurde in allen Anklagepunkten freigesprochen, nachdem er in Kenosha, Wisconsin, zwei Menschen getötet und einen dritten verletzt hat.

Den folgenden Artikel schrieb ein Mitglied der Socialist Alternative Wisconsin, das bei den Jacob-Blake-Protesten (Jacob Blake wurde von einem Polizisten angeschossen und ist seitdem gelähmt, Anm. d. Übers.) vor Ort war, vor dem Urteilsspruch. Er erklärt warum wir eine Bewegung aufbauen müssen – und uns nicht auf die kapitalistischen Gerichte verlassen dürfen, um uns gegen die wachsende Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt zu wehren.

Dieses Urteil sollte der Hoffnung ein Ende bereiten, dass die Gerichte uns vor der extremen Rechten retten können. DAS SYSTEM IST SCHULDIG. Die Rechtsextremen, die Polizei, die Jacob Blake niederschoss und Rittenhouse feierte, und die Gerichte, die sie beide schützen, vertreten alle dasselbe rassistische System: den Kapitalismus.

Wenn wir die Rechtsextremen bekämpfen wollen, brauchen wir Massenmobilisierungen und eine klare linke Alternative für die arbeitenden Menschen, die von diesem System die Nase voll haben. Wenn du genauso wütend bist wie wir, schließe dich Sozialist*innen an, die sich organisieren, um gegen Rassismus, Polizeigewalt und alle Formen von Unterdrückung und Ungleichheit zu kämpfen.

Eine Bewegung aufbauen, um die Rechtsextremen zu besiegen

von Will Fitzgerald, 18. November, www.socialistalternative.org

Seit dem Aufkommen der „Black Lives Matter“-Bewegung vor etwas mehr als einem Jahr stehen Millionen von Menschen weltweit Schulter an Schulter im Kampf gegen die vom Kapitalismus produzierte Polizeigewalt und rassistische Ungerechtigkeit. Derzeit steht der rechtsextreme Bürgerwehrler Kyle Rittenhouse vor Gericht, weil er in Kenosha, WI, Demonstranten der Black-Lives-Matter-Bewegung getötet und schwer verletzt hat.

Die Proteste waren als Reaktion auf brutale Polizeigewalt ausgebrochen, durch die der in Kenosha lebende Jacob Blake dauerhaft gelähmt wurde. Die Proteste wurden von der Nationalgarde sofort mit Gewalt und Repression beantwortet. Konfrontationen zwischen Demonstrant*innen und der Polizei und Bilder von niedergebrannten Geschäften wurden von rechten Kommentator*innen als „Beweis“ dafür herangezogen, dass die Black-Lives-Matter-Bewegung voller gewalttätiger Gewalttäter*innen sei. Während es einige Fälle gab, in denen Demonstrant*innen in Kenosha antisoziale Taktiken anwandten, von denen wir wiederholt geschrieben haben, dass sie im Großen und Ganzen unwirksam sind, war die Black Lives Matter-Bewegung selbst laut der kapitalistischen Presse überwiegend friedlich. Die Rechten haben jedoch eine ganz andere Geschichte erzählt. Sie wollten die Unruhen in Kenosha, die im Großen und Ganzen von staatlichen Kräften selbst provoziert wurden, als Beweis für die Gewalttätigkeit der BLM nutzen und verwendeten sie als Ruf zu den Waffen für rechte Fanatiker*innen im ganzen Land. Kyle Rittenhouse ist diesem Aufruf gefolgt.

Viele, die auf die Straße gegangen sind, um Gerechtigkeit für Jacob Blake zu fordern, verfolgen nun aufmerksam den Prozess gegen Rittenhouse und hoffen, dass die Gerichte Recht sprechen und der Bedrohung durch die Rechtsextremen Einhalt gebieten. Die Medienberichterstattung über diesen Prozess hat sich stark auf die Frage konzentriert, ob die Erschießung von drei Demonstranten durch Rittenhouse gerechtfertigt war oder nicht, aber das ist eine sehr engstirnige Betrachtungsweise. Dieser Prozess steht für mehr als nur eine ethische Frage der Selbstverteidigung. Er steht in erster Linie für die immense Polarisierung in der Gesellschaft und die breit angelegte politische Kampagne der Rechten und des Justizsystems, die darauf abzielt, die von den arbeitenden Menschen auf dem Höhepunkt der BLM-Proteste erzeugte Dynamik zu zerstören.

Die Gerichte werden uns nicht retten

Das kapitalistische Rechtssystem ist nie ein günstiges Terrain, um die Forderungen der arbeitenden Menschen durchzusetzen, und dieser Prozess ist da keine Ausnahme. Noch bevor der Prozess überhaupt begann, entschied Richter Bruce Schroeder, dass die Demonstranten, die Rittenhouse erschossen hat, nicht als „Opfer“ bezeichnet werden können und stattdessen als „Plünderer“ und „Randalierer“ bezeichnet werden sollten. Während des Verfahrens hat sich Schroeder nicht nur unprofessionell und rassistisch gegenüber Asiat*innen geäußert, sondern bereits den Weg für die Geschworenen geebnet, Rittenhouse vom Vorwurf des Schusswaffenbesitzes freizusprechen.

Auch die Staatsanwaltschaft unter der Leitung des Bezirksstaatsanwalts von Kenosha, Thomas Binger, stellt ein großes Hindernis für die Durchsetzung von Gerechtigkeit durch das Gericht in diesem Fall dar. Binger hat eine enge Beziehung zur Polizei von Kenosha und hat die Polizei von Kenosha in der Vergangenheit davor bewahrt, für Polizeibrutalität zur Rechenschaft gezogen zu werden. Bingers Büro vertrat nicht nur die Ansicht, dass es gerechtfertigt war, Jacob Blake sieben Mal in den Rücken zu schießen, sondern nach der Hinrichtung von Michael Bell im Jahr 2004 durch vier Polizist*innen aus Kenosha weigerte sich die Staatsanwaltschaft von Kenosha, den Fall vor Gericht zu bringen. Nachdem sie der Polizei von Kenosha erlaubt hatte, ihre Geschichte neunzehn Mal zu ändern, wurde der Fall außergerichtlich beigelegt. Der Prozess hat die mangelnde Bereitschaft der Staatsanwaltschaft offenbart, hier ernsthaft für Gerechtigkeit zu sorgen. In einem geradezu absurden Akt, der zeigt, wie undemokratisch dieser Prozess war, durfte Rittenhouse selbst die 12 letzten Geschworenen in diesem Fall aus einer Lostrommel auswählen. Es ist überdeutlich, dass dieses Gericht der Black Lives Matter-Bewegung völlig feindlich gesinnt ist und der Kampf um Gerechtigkeit ein Heimspiel für die Rechten ist.

Die Vorkehrungen, die für Rittenhouse getroffen wurden, stehen in einem verheerenden Kontrast zu dem Todesurteil, das gegen Philando Castille in Minnesota verhängt wurde, weil er der Polizei bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle offenbart hatte, dass er eine Waffe besaß, oder gegen Trayvon Martin, weil er unbewaffnet auf die Straße ging, oder gegen Ahmaud Arbery, der von drei weißen Männern hingerichtet wurde, die jetzt wegen Mordes vor Gericht stehen.

Wie kann man die Rechten besiegen?

Wir werden die wachsende Rechte nicht zurückschlagen, indem wir uns auf die Gerichte und die Polizei verlassen, die beide im Namen der Kapitalist*innenklasse handeln. Stattdessen müssen wir schnell die Kräfte und die Autorität der Linken entwickeln, indem wir Bewegungen von Arbeiter*innen und Jugendlichen aufbauen, die immer noch nach Wegen suchen, um die Forderungen der Black-Lives-Matter-Bewegung durchzusetzen, wie mehr Sozialausgaben, die Kürzung von Polizeibudgets und kommunale Kontrolle über die Polizei. Es reicht nicht aus, auf die Schlechtigkeit von Einzelpersonen wie Kyle Rittenhouse hinzuweisen, wir müssen uns mit den breiteren Kräften und Einzelpersonen auseinandersetzen, die rassistische, rechte Rhetorik verbreiten. Figuren wie Donald Trump, Tucker Carlson und Ben Shapiro.

Der Aufbau einer Bewegung gegen die Rechtsextremen muss sich auf die kollektive Stärke der arbeitenden und jungen Menschen stützen. Eine erhebliche Bedrohung für die arbeitenden Menschen durch die Rechtsextremen ist, wie vor über einem Jahr in Kenosha zu sehen war, ihr Einsatz von Terror und Gewalt vor Ort. Rechtsextremer Terror kann nicht nur Chaos und Angst bei organisierten Protesten verbreiten, sondern auch Menschen demobilisieren, die sich sonst beteiligen würden. Vor diesem Hintergrund sollten sich arbeitende Menschen und von Rassismus betroffene organisieren, um Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass künftige BLM-Proteste geschützt sind. Abgesehen von der Frage des Selbstschutzes ist es um die Rechtsextremen zu besiegen notwendig, aus der breiten Arbeiter*innenklasse, einschließlich und insbesondere der Gewerkschaften, eine neue Arbeiter*innenpartei zu schaffen, deren gewählte Anführer*innen ihren Wähler*innen gegenüber direkt rechenschaftspflichtig sind. Der Aufbau der breiten Kräfte der Linken und einer neuen Partei, die gegen die beiden Parteien der Konzerne antritt, wird eine sichtbare, kämpfende Kraft der arbeitenden Menschen schaffen, die eindeutig an der Seite von Bewegungen wie BLM steht.

Socialist Alternative steht in Solidarität mit denen, die in Kenosha und überall auf die Straße gegangen sind, um den Kampf für Gerechtigkeit fortzusetzen. In Zukunft müssen die BLM-Proteste viel stärker organisiert sein, mit demokratischen Strukturen und einem klaren politischen Programm. Neben anderen Forderungen, der rassistischen Polizeibrutalität ein Ende zu setzen ( Entlassung von Polizeikräften mit rassistischer, sexistischer oder gewalttätiger Vergangenheit, Entwaffnung von Polizist*innen auf Streife usw.), sollte ein Teil dieses Programms die Schaffung eines demokratisch gewählten Kontrollgremiums mit vollständiger Autorität über die Polizeibehörde beinhalten, um Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen, Richtlinien festzulegen und Polizist*innen zu Aussagen zu zwingen. Sie muss auch weitergehende Forderungen zur Verbesserung des Lebens der multiethnischen Arbeiter*innenklasse aufgreifen, wie Krankenversucherung für Alle, qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Wohnraum und einen Green New Deal.

Es war das ausbeuterische, unterdrückerische und ungerechte System des Kapitalismus, das Jacob Blake angegriffen hat. Wenn sich die arbeitenden Menschen zusammentun und eine Bewegung aufbauen, die nicht nur die Gerichte und das kapitalistische Establishment im Visier hat, können wir unser kaputtes „Strafrechtssystem“ überwinden, das die Armen bestraft und rassistische Gewalt aufrechterhält. Letztendlich können wir ein neues sozialistisches System auf der Grundlage der Bedürfnisse der Menschen und echter Gerechtigkeit für die Unterdrückten aufbauen.

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Für eine Sozialistische Alternative zu Regierung und Rechten

Weg mit Stelzer, Haslauer, Schallenberg, Kogler, Mückstein & Co - sie sind verantwortlich für die katastrophale Corona-Situation.
Wir brauchen eine politische Alternative zu dieser Regierung auf Basis einer Organisierung von unten: Kolleg*innen in den Betrieben, Schulen und Spitälern, gemeinsam mit Betriebsrät*innen und aktiven Beschäftigten müssen auf einer Konferenz Schritte zur Sicherung unseres Lebens und für ein Ende des Chaos diskutieren und planen!
Die Regierungen haben bewiesen, dass sie nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, die mittlerweile hausgemachte Krise zu bewältigen! Ihre Politik, die Profite über Gesundheit stellt, ist es auch, die der extremen Rechten die Möglichkeit gibt, vom Unmut über die Maßnahmen und dem Zusammenbruch jedes Vertrauens in die etablierte Politik zu profitieren. Dass die Gewerkschaften gerade bezüglich Corona im Wesentlichen als ein Anhängsel der Regierung agieren und keine unabhängige Position einnehmen, die ausschließlich die Interessen der Arbeiter*innenklasse im Fokus hat, kommt erschwerend hinzu. Um aus dieser Krise wieder herauszukommen, braucht es eine grundlegend andere Politik, ein grundlegend anderes System, in dem Bedürfnisse und nicht Profite im Zentrum stehen.

Im folgenden Beschäftigen wir uns mit:

  • Der Lockdown war alles andere alternativlos
  • Pandemie der Ungeimpften?
  • Bis zur Skisaison, nicht weiter
  • Hausgemachte Impfskepsis
  • Regierung versagt bei Information, Organisation und Vorbereitung
  • So hätte es auch gehen können
  • Sonderweg Wien, eine Alternative?
  • Weder Lockdown noch Impfpflicht werden das Problem lösen
  • Keinen Zentimeter der extremen Rechten 
  • Diese Regierung ist gefährlich!
  • Für eine politische Alternative zur Regierung und ihrer Politik: nur so kann die Impfquote dauerhaft erhöht werden

Das, was nicht hätte passieren sollen und nicht hätte passieren dürfen, ist wieder passiert: Österreich ist mit 22. November wieder im “harten” Lockdown. Der Auslöser sind die seit Wochen hohen Corona-Infektionsraten und der drohende Kollaps des Gesundheitssystems. Angesichts der Situation weiß sich die Politik nur mehr mit einem Lockdown zu helfen: wahrscheinlich auch schon zu spät, um viele Menschen noch vor einer Infektion, deren Folgen (Long-Covid) bzw. dem Tod zu retten. Doch damit nicht genug: am 20. November sind zehntausende Maßnahmen-Gegner*innen in Wien aufmarschiert, angeführt von der extremen Rechten und faschistischen Kräften. Nein, nicht alle auf diesen Demonstrationen waren Rechtsextreme, aber zumindest marschieren sie mit diesen und ermöglichen ihnen damit eine “Normalisierung” ihrer gefährlichen Ideen und Politik, inklusive des Angriffs auf Krankenhäuser, Antisemitismus und eines reaktionären Frauenbilds. 

Der Lockdown war alles andere alternativlos

Alternativlos war und ist die jetzige Situation allerdings ganz und gar nicht. Das Chaos und der Kollaps des Gesundheitssystems sind die unmittelbare Folge einer Politik, die die Corona-Krise nicht lösen kann, weil sie nur an Wirtschaftsinteressen ausgerichtet ist. Der fehlende Ausbau des Gesundheitswesens, fehlende Konzepte für Schulen, eine unzureichende Impfkampagne etc - die Ausrichtung an Profitinteressen führt zum Totalversagens der etablierten Politik. Dazu kommt die seit Monaten offen zur Schau getragene Verweigerung, Verantwortung wahrzunehmen und endlich zu handeln. Die Rechnung für die nicht nur überall wuchernde Korruption, sondern auch dieses Versagens der etablierten Politik werden wir Beschäftigte und Arbeitslose, Jugendliche, Pensionist*Innen, Studierenden und Kleingewerbetreibende unmittelbar mit einem Lockdown, unserer Gesundheit und mittelfristig mit unseren Steuern bezahlen dürfen. Die heutigen Politiker*innen werden sich dann schon aus der Verantwortung gestohlen haben und auf gut bezahlten Aufsichtsrats- oder Berater*innenposten sitzen. Während wir für unser Tun und Handeln gerade stehen zu müssen, gilt das nicht für die Herrschenden selbst.

Pandemie der Ungeimpften?

Als Ausrede haben sich vor allem ÖVP und Grüne die Ausrede mit der “Pandemie der Ungeimpften” zurechtgelegt. Das war und ist mehrfach falsch. Auch im letzten Herbst hatte die Regierung versucht, bis auf ein paar Maßnahmen Covid durchziehen zu lassen. Es endete ebenfalls in einem Desaster Anfang November und dann in monatelangen Lockdowns bis Mai 2021. Letztlich scheiterte der Plan, so wie jetzt, am drohenden Kollaps des Gesundheitssystems. Wir haben schon vor Monaten gewarnt, dass die Maßnahmen nicht reichen werden.

Wer jetzt dachte, die Regierung hätte dazugelernt und wenigstens aus den Erfahrungen des letzten Winters versucht, die ohnehin schon seit Jahren bekannte problematische Situation des Gesundheitssystems zu verbessern, hat sich schwer getäuscht. Weder wurde in die Infrastruktur wie etwa Ausbau der Krankenhauskapazitäten oder Luftreinigungsgeräte bzw. kleinere Klassen für die Schulen, noch in neues Personal oder Personalausbildung investiert. Dank der Regierungen sind wir in diesem Herbst mit einem bereits völlig ausgelaugten, erschöpften und durch die Politik frustrierten Gesundheits- und Bildungspersonal gestartet, das unglaubliches leistet, obwohl es eigentlich längst nicht mehr kann. Im Sozialbereich werden sogar Stellen abgebaut! Zu allem Überfluss wird das Personal auch noch von denen da oben verhöhnt. Selbst ein läppischer im Sommer vollmundig versprochener Einmalbonus für Teile des Pflegepersonals wurde noch immer nicht ausbezahlt und der gesamte Öffentliche Dienst hat noch keinen Gehaltsabschluss für 1. Jänner 2022. Ganz klar, die Regierung und der für die Verhandlungen zuständige Vizekanzler Kogler haben gehofft, bei besserem Wind für sie und niedriger für die Kolleg*innen abschließen zu können. So sehen ihre Dankbarkeit und Respekt dann konkret uns gegenüber aus!

Bis zur Skisaison, nicht weiter

Es ist offensichtlich, dass Kurz und Co. nur bis zur nächsten Urlaubs (Sommer- bzw. Winter)-Saison dachten und kalkulierten - doch das gilt für die gesamte Bundes- sowie alle Landesregierungen (auch jetzt sind die Skilifte offen!). Weil sie sich über den Frühling und Sommer wieder genau gar nichts überlegt hatten, startete heuer im Herbst wieder der Versuch, COVID einfach durchziehen zu lassen, getreu dem Regierungs-Mantra, dass die Pandemie für die Geimpften vorbei wäre. Selbst die “Impfkampagne”, die den Namen gar nicht verdient, zeigt die Verlogenheit. Wo sind die Impfmöglichkeiten in den Betrieben, wo die bürger*innennahen Informationen durch Ärzt*innen in den Grätzel, Märkten, Einkaufszentren? Auch nach bald 2 Jahren Corona, ist z.B das Thema noch nicht verpflichtend in den Schulen angekommen - obwohl Kinder und Jugendliche zu den wichtigsten Überträger*innen zählen! Stattdessen werden, die Pandemie völlig ignorierend, und auch unter normalen Umständen vom echten Leben abgehobene Lehrpläne durchgepeitscht. Dabei wissen wir seit über 100 Jahren von der Bedeutung und Wichtigkeit, über die Schulen in Familienstrukturen aufzuklären und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Hausgemachte Impfskepsis

Gerade die ÖVP trifft für die niedrige Impfquote eine große Schuld. Immer wieder und bis zum Schluss, als Landeshauptmann Haslauer (Salzburg) schon selbstverschuldet bis zum Hals im Corona-Chaos stand, wurde mit irrationalen, dummen Sagern versucht, das Lager der Impfgegner*innen aus dem Umfeld der FPÖ zu bedienen. Zuerst hat die ÖVP versucht, der FPÖ das Flüchtlingsthema “abzunehmen” und diese rechts zu überholen. Es folgte der Versuch, dasselbe beim Thema Impfen zu machen. Billiger Stimmenfang, intensiviert noch nach dem guten Abschneiden von Corona-Maßnahmen-Gegner*innen bei den Oberösterreichischen Landtagswahlen. 

Diese Haltung zu Impfungen hat die Politik zentral zu verantworten: Die meisten Nachbarländer haben ganz selbstverständlich verpflichtende Impfungen gegen Kinderkrankheiten, Hepatitis etc. In Österreich wurden sie auch historisch als “privates” Thema dargestellt und eine Reihe wichtiger Impfungen sind nicht durch die Gesundheitsversorgung abgedeckt, sondern müssen privat bezahlt werden. Die Impfraten sind daher nicht nur bei Corona, sondern auch bei anderen (Infektions-)Krankheiten unterdurchschnittlich. Gesundheitssysteme werden nicht nur ökonomisch privatisiert, sondern das Verständnis von “Gesundheit” wird seit Jahrzehnten in den privaten Rahmen geschoben, anstatt gesellschaftliche Antworten zu finden. Gerade die ÖVP hält an der “Impfen = Privatsache”-Einstellung fest, weil für die ÖVP die rechte Flanke zur FPÖ offen gehalten werden muss. Den Grünen mit ihrem pseudo-alternativen Impfgegner*innen Klientel passt das durchaus. Sich jetzt wie Kanzler Schallenberg und seine Regierungskumpanen hinzustellen und mit dem Finger auf die Ungeimpften zu zeigen, dient der Ablenkung. Die “Spaltung der Gesellschaft”, die offiziell bedauert wird, wird von der Politik vorangetrieben und kommt ihr gar nicht so ungelegen - wer sich übers Impfen streitet, hat weniger Energie für mehr Personal bzw. höhere Löhne zu kämpfen! Nicht die Ungeimpften tragen die Schuld an der jetzigen Katastrophe, sondern die Regierenden in Bund und Ländern samt ihrer Einflüsterer.

Regierung versagt bei Information, Organisation und Vorbereitung

Israel impft seit September den 3. Stich, weil die medizinische Notwendigkeit dafür klar war. Für den auch in Österreich eingesetzten Impfstoff von Johnson & Johnson war ebenfalls ungefähr zu diesem Zeitpunkt klar, dass es nicht bei einer Impfung bleibt, sondern eine Auffrischung brauchen wird. Studien zeigten schon im Frühherbst, dass der für das Bildungs- und Gesundheitspersonal verwendete Impfstoff Astra Zeneca (jetzt: Vaxzevria) nach 4 Monaten stark an Wirkung verliert (also ebenfalls im Herbst). All das hat die österreichische Bundesregierung und ihr grüner Gesundheitsminister gewusst - und sie haben nicht reagiert! Stattdessen haben sie am “zwei Mal impfen und du bist aus dem Schneider” festgehalten. Mückstein selbst war seit Ende September, als sich die Infektionslage zugespitzt hat, de facto nicht existent. Die Grünen waren nach der sich abzeichnenden Implosion des System Kurz damit beschäftigt, auf Biegen und Brechen die Koalition mit der ÖVP beisammen zu halten. Gleichzeitig explodierten die Infektionszahlen, zunehmend auch unter den Geimpften, die Regierung setzte aber auf beschwichtigen und schönreden. Anstatt von Anfang an zu erklären, dass auch eine Impfung nicht 100% wirkt und v.a. Testen weiterhin nötig bleibt, wurde Impfen zu DER alleinigen Lösung hochstilisiert und sogar überlegt, Testen kostenpflichtig zu machen. Das Vertrauen in die Impfung, die offensichtlich nicht die von der Regierung versprochene Wirkung hatte, sank noch weiter. Skeptische Menschen sahen sich von immer mehr infizierten und auch erkrankten Geimpften bestätigt. Es ist völlig klar, dass es die Regierung und die Verantwortlichen versäumt haben, schon längst auf die Auffrischungsimpfung ab Herbst zu setzen. So viel Unfähigkeit und so viele Fehler können nicht einfach passieren, das hat System! Ein System bei dem wir als Arbeitskräfte einsatzbereit bleiben sollen, wie die Lockdown-Nicht-Lösung für Schulen zeigt.

So hätte es auch gehen können

Wir von der SLP sind keine Virolog*innen, doch wir haben bereits zu Beginn der Pandemie vor bald 3 Jahren Maßnahmen gefordert, die geholfen hätten, die Pandemie in den Griff zu bekommen - und die die Regierung bis heute nicht oder nur mangelhaft umgesetzt hat.

https://www.slp.at/vorwaerts/corona-sondernummer-1

https://www.slp.at/vorwaerts/corona-sondernummer-2-0

https://www.slp.at/vorwaerts/corona-sondernummer-3

Dazu gehören kostenlose Massentests, die regelmäßig und leicht zugänglich für alle möglich sind - bis heute gibt es große Teile von Österreich, wo PCR-Tests nur mit großem Aufwand möglich sind, in Salzburg z.B. sind die Testkapazitäten mit der 2G+ Regelungen zusammengebrochen. Bis heute setzen Bundes- und Landesregierungen auf private gewinnorientierte Testinstitute, statt im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens eine flächendeckende PCR-Teststruktur anzubieten. Bis heute ist Testen Privatangelegenheit, anstatt es für Unternehmen verpflichtend zu machen, Tests in der Arbeitszeit für alle Beschäftigten anzubieten und ohne Nachteile für die Beschäftigten durchzuführen - z.B. verpflichtende PCR-Test-Abgabestationen ab Unternehmen mit einer gewissen Größe. Bis heute fehlen Informations- und Aufklärungskampagnen der öffentlichen Hand in Form von Postwurfsendungen und Informationen in den Öffis, den Schulen und v.a. durch Betriebsratskörperschaften und das alles in mehreren Sprachen - stattdessen überlässt man das Feld den Schwurbler*innen und ihren Fake News.

Eine Regierung, die abwechselnd auf Panikmache und Herunterspielen setzt, von deren Mitgliedern bekannt wird, dass sie Meinungsumfragen und Studien nach ihren Interessen bestellen und die geheime Deals mit Pharmakonzernen schließt, hat kein Vertrauen verdient. Angesichts der vielen Lügen und der offensichtlichen Bevorzugung von Wirtschaftsinteressen vor Gesundheit (Stichwort: Skizirkus zu Lockdownzeiten) ist es mehr als nur verständlich, wenn viele Menschen den Regierungen nicht (mehr) vertrauen. Wir tun es auch nicht! Trotzdem ändert das nicht an der eindeutigen wissenschaftlichen Basis für die Wirksamkeit des Impfstoffes. Die Geschwindigkeit seiner Entwicklung offenbart, wie schnell es gehen kann, wenn tatsächlich ein öffentliches Interesse an Forschung besteht. Trotz aller berechtigten Skepsis gegenüber Big Pharma und der Regierung sehen wir in Impfungen, Tests und Ausbau des Gesundheitswesens den gesellschaftlichen, medizinischen Ausweg aus der Corona-Pandemie. Wenn wir für die Impfung aufrufen, dann tun wir das nicht aus Vertrauen in die Regierungen oder die Pharma-Konzerne. Wir tun es trotzdem!

Sonderweg Wien, eine Alternative?

Während Kurz gerne Wien als Negativbeispiel präsentierte, hat der Kurs von Hacker und Ludwig dazu geführt, dass die Lage in Wien (trotz höchster Bevölkerungsdichte) vergleichsweise besser ist und z.B. Wien auch Salzburg beim PCR-Testen aushilft. Schon relativ früh hatte die Wiener Stadtregierung auf flächendeckende Möglichkeiten für PCR-Tests gesetzt, die Maskenpflicht in den Öffis beibehalten und auch sonst eine klarere Linie verfolgt. Unter den Blinden ist der Einäugige König - denn tatsächlich geht es auch in Wien v.a. darum, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Denn gleichzeitig werden an Wiener Schulen Lehrer*innen-Posten gestrichen, also die Klassen vergrößert, anstatt diese zu verkleinern. Gleichzeitig fehlt auch in Wien eine massive Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal. Nichts hätte Wien daran gehindert, massig zusätzliches Personal anzustellen. Man hätte mit schnell zusätzliches  Personal für administrative Tätigkeiten im Spital organisieren können, um das Pflegepersonal davon zu entlasten. Die Gemeinde Wien hätte sofort die Gehälter im Spital erhöhen können, um Kolleg*innen, die sich aus dem Beruf verabschiedet haben, z.B. als Teilzeitkräfte zum Wiedereinstieg zu gewinnen. Ein saftige Lohnerhöhung und ein Widereinstiegsbonus plus einer bezahlten Ausbildungsoffensive mit Pandemiestart und einem Plan für schrittweise Arbeitszeitverkürzung bei vollem Gehalt hätte kurzfristig das nötige Personal ins Spital gebracht und mittel- und langfristig die Arbeitssituation so verbessert, dass künftig das massive Abwandern von Pflegepersonal reduziert werden könnte und die Betreuung für zu Pflegende verbessert würde - real geht es nicht um “Luxus”, sondern um die Herstellung menschenwürdiger Bedingungen für Personal und Kranke. Stattdessen ist uns die Horroransage vom Wiener Bildungsstadtradt Himmer aus dem Herbst 2020 noch in Erinnerung, als er erklärte “Die Schule ist der wahrscheinlich sicherste Ort Wiens” - in Traiskirchen z. B. steht in allen Gemeindeschulen bereits ein Luftreinigungsgerät seit Frühjahr. In Wien gibt es nichts dergleichen. In Summe hat also die Wiener Stadtregierung zwar einige Maßnahmen besser gesetzt, aber am Dogma der Politik “Es liegt in der Verantwortung des/der Einzelnen” nicht gerüttelt. Doch eine gesellschaftliche Krise kann nur von der Gesellschaft gelöst werden. 

Weder Lockdown noch Impfpflicht werden das Problem lösen

Wir waren von Anfang der Pandemie an für kostenlose Massentests und sind bis heute dafür, dass sich so viele wie möglich impfen lassen.

Wir halten Corona nicht für eine Verschwörung, sondern eine gefährliche Krankheit. ABER: es ist offensichtlich, dass die Herrschenden versuchen, die Situation für sich und ihre Zwecke zu nutzen. Das gilt für verstärkten Druck gegenüber den Beschäftigten ebenso wie für den Versuch, demokratische Rechte und die Rechte von Beschäftigten und Arbeitslosen abzubauen. 

Die SLP hat von Beginn an gefordert, dass nicht in erster Linie die Bewegungsfreiheit für Individuen eingeschränkt werden soll, sondern die Beschäftigten in den Firmen Pläne erstellen sollen, wo und wie corona-sicher weitergearbeitet werden kann bzw. wo die Arbeit - und zwar ohne Einbußen für die Beschäftigten - für eine gewisse Zeit zurückgefahren werden kann.

Der aktuelle Lockdown macht genau das nicht und wird daher bestenfalls kurzfristig helfen, die Zahlen zu drücken. Ähnlich wird es mit einer von oben verordneten Impfpflicht sein: Zwar werden sich unmittelbar mehr Leute impfen lassen, was begrüßenswert ist. Doch wir werden es noch stärker mit gefälschten Zertifikate und dubiosen Befreiungsscheinen zu tun haben. Und weil eben nicht Überzeugungsarbeit zugrunde liegt sondern Zwang, wird sich das Problem bei jeder Auffrischung wiederholen und sogar auf andere Impfungen ausdehnen.  

Während mit dieser Maßnahme die notwendige hohe Durchimpfungsrate nicht oder nur mit Repression erzeugt wird, bringt sie außerdem auch jede Menge Probleme mit sich. Unklar ist noch, was “Impfpflicht” bedeutet und wie sie durchgesetzt werden soll. Niedrige Strafen werden nicht greifen, hohe treffen sozial Schwache und jene Menschen, die aus verschiedenen Gründen (Sprachprobleme, kein Internet, abgelegenes Wohnen) schwerer Zugang haben. Wie wenig durchdacht die Aktion ist, zeigt sich schon daran, dass sie frühestens mit April/Mai greift und pünktlich zum nächsten Winter schon wieder ausläuft! Gleichzeitig verschärft eine Impfpflicht eines der größten Probleme während der gesamten Pandemie: das Misstrauen gegenüber dem Pandemiemanagement. Schon jetzt ist es ein Problem, dass sich immer weniger Menschen an das Sammelsurium verwirrender Maßnahmen halten - weil diese offensichtlich erst in zweiter Linie wissenschaftlichen Standards folgen (in erster Linie Profitinteressen). Eine Impfpflicht hat das Potential, noch mehr Menschen in Richtung Verschwörungstheorie zu radikalisieren und dadurch Probleme im weiteren Verlauf einer Pandemie zu erzeugen. Welche Auswirkungen hat die Impfpflicht auf die Bereitschaft für Drittstiche (oder eventuell nötige weitere)? Selbst wenn die vorgeschlagene Impfpflicht die Impfquote um ein paar Prozentpunkte erhöht, löst sie nicht das zugrundeliegende Problem einer mangelnden Überzeugung für Impfungen, das man nur durch geduldige Aufklärung erzeugen kann, die bis jetzt nicht stattgefunden hat. Ihrem Prinzip “Befehlen, nicht erklären” und “wir wissen besser was für euch gut ist” folgend ist zu befürchten, dass die Regierung mit der Ankündigung einer Impfpflicht Aufklärung noch weiter als bisher zurückfährt.

Keinen Zentimeter der extremen Rechten 

Rechtsextreme und Faschist*innen versuchen, vom Unmut über die Maßnahmen zu profitieren. Seit Monaten wollen sie sich als Kämpfer für “Freiheit” zu inszenieren, Verharmlosung des Holocaust inklusive. Nachdem die Proteste zuletzt abgeflaut waren, hat der neuerliche Lockdown und die angekündigte Impfpflicht am 19. November zu einer Grossdemonstration mit zehntausenden Teilnehmer*innen geführt. An der Spitze die neofaschistischen Identitären, als Redner Kickl (aus der Quarantäne zugeschalten) & Co, mit dabei einschlägig bekannte wie Küssel und gewaltbereite Nazi-Schläger. Angriffe auf Testzentren, Spitäler, Forscher*innen etc. nehmen zu und zeigen eine irrationale Radikalisierung eines Teils dieses Milieus - und eine Polizei, die dabei wegschaut. All das macht Angst! Doch es wäre falsch, alle Teilnehmer*innen als rechte Idioten abzustempeln.

Die Arroganz mancher Liberaler hier hilft genausowenig, wie es jemals half, FPÖ-Wähler*innen als “ungebildet” abzutun. Wenn über “Fußball-Hooligans” geschrieben wird, so ist das ein Versuch, die Teilnehmer*innen als dumpfe Proleten zu zeichnen - ein weitgehend falsches Bild. Es ist davon auszugehen, dass die Nazis von “Unsterblich” dabei waren, doch tatsächlich zeigt eine Untersuchung, dass der Großteil der “Maßnahmen-Kritiker*innen” aus dem bürgerlichen Lager kommt und z.B. Selbstständige sind, die unter dem Lockdowns gelitten haben (das gilt auch für den Großteil der MFG-Wähler*innenschaft). Dass die staatliche Hilfe überproportional bei Großkonzernen gelandet ist, hat hier sicher nicht geholfen. In Kombination mit der Krise der bürgerlichen Demokratie ist das eine explosive Mischung. Wir haben Verständnis dafür, dass Menschen wütend auf diese Regierung sind. Auch wir sind der Meinung, dass sie weggehört. Doch wer den Kampf gemeinsam mit Rechtsextremen und Faschist*innen führen will und die Notwendigkeit für Gesundheitsschutz leugnet, ist auf einem gefährlichen Holzweg. Genau diese wollen demokratische Rechte und Arbeiter*innenrechte massiv einschränken. Es ist kein Zufall, dass in Italien und Australien Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen Angriffe auf Gewerkschaftszentralen verübt haben. Wo sind die Forderungen nach mehr Personal im Spital? Wo jene nach Mitsprache aller hier lebenden Menschen? All das fehlt und das zeigt auch, dass es auf diesen Demonstrationen nicht um Demokratie oder Freiheit geht! Ihre Verlagerung der Gesundheitsversorgung ins Private eint die Massnahmenskeptiker*innen und die Regierung: beide schaden der Arbeiter*innenklasse, die öffentliche kostenlose und umfassende Gesundheitsversorgung nach den modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen braucht!

Durch die Politik der Regierung besteht die Gefahr, dass Massnahmengegner*innen, die ursprünglich nicht aus dem rechten Lager sind, diesem nicht nur in die Arme getrieben werden sondern sich hier verfestigen: durch den Aufbau von Strukturen gegen “Zwangsimpfungen” & Co. Das nimmt die Regierung in Kauf, weil ihnen das immer noch lieber ist, als die Macht über z.B. eine Impfkampagne jener Kraft in der Gesellschaft  zu überlassen, die wirklich überzeugen könnte: die Kolleg*innen im Gesundheitswesen, die Kolleg*innen in den Betrieben. Corona hat schon gezeigt, wer wirklich wichtig ist in der Gesellschaft: nicht Banker sondern Pfleger, nicht Politikerinnen sondern Verkäuferinnen. Wenn nun die Arbeiter*innenklasse auch noch die Pandemie wirksam bekämpft, dann wird noch deutlicher, dass die kapitalistische Wirtschaft und ihre politische Vertretung nutzlos und ersetzbar ist. Doch das muss aus Sicht der Herrschenden vermieden werden, selbst wenn das bedeutet, dass rechtsextreme Kräfte stärker werden.

Das Publikum auf diesen Demonstrationen setzt sich v.a. aus den Wähler*innen von FPÖ, ÖVP und Grünen zusammen, es sind mehrheitlich kleinbürgerliche Schichten. Natürlich gibt es auch unter Arbeiter*innen viele, die der Regierung, ihren Maßnahmen oder sogar Corona skeptisch gegenüber stehen. Im Pflegebereich gibt es Kolleg*innen, die als letzte Möglichkeit der Selbstbestimmung angesichts der massiven Fremdbestimmung durch die Politik zum Mittel der Impfverweigerung greifen: hochgradig unvernünftig, und doch das Ergebnis des jahrzehntelangen Kahlschlags im Gesundheitswesen. Dem gegenüber dürfen wir nicht auf die großen Demonstrationen und Streiks der letzten Woche gerade im Gesundheits- und Bildungswesen vergessen: zehntausende Kolleg*innen sind in Österreichweit auf die Straße gegangen, um v.a. für mehr Personal und für bessere Bezahlung in Spitälern, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten und Schulen zu protestieren. Hier liegt der Schlüssel für einen Ausweg aus der aktuellen Krise. Mehr zur notwendigen Rolle der Gewerkschaften hier.

Diese Regierung ist gefährlich!

Wir haben uns schon in unserer Stellungnahme mit der Frage einer Impfpflicht auseinandergesetzt. Seither hat das Vertrauen in die etablierte Politik noch weiter abgenommen. Wenn sich nun Liberale in teilweise übler Arroganz über die “dummen” und “egoistischen” Impfverweiger*innen auslassen, wird das die Lage nicht verbessern. Die ablehnende Haltung gegenüber Testen und Impfen hat verschiedene Ursachen, die augenzwinkernde Unterstützung für Esoterik und “Alternativ”Medizin und -Schulen (wissenschaftsfeindliche Ideen von Globuli über Auren bis zum rassistischen Steiner-Konzept) durch die herrschende Politik ist hier nur ein Grund. Viel stärker wiegt die Krise der bürgerlichen Demokratie, die sie sich immer weiter vertieft. 

Diese Regierung ist doppelt gefährlich: aufgrund ihrer tiefen Verwurzelung im Kapitalismus und hier noch dazu in einigen der reaktionärsten Schichten des Kapitals ist sie nicht in der Lage, die zur Pandemiebekämpfung wirklich nötigen Schritte zu setzen. Und aufgrund der Art ihres Handelns überzeugt sie nicht, sondern führt zu einer weiteren Ablehnung der Politik, die aktuell von der extremen Rechten aufgegriffen wird. 

Die Aufgabe von Sozialist*innen und der Arbeiter*innenbewegung ist es angesichts des Totalversagens der Herrschenden nicht, ihre schlechten Maßnahmen nach dem Prinzip des “kleineren Übels” zu verteidigen oder der Regierung die Stange zu halten. Stattdessen braucht es eine unabhängige Position: unabhängig von den Interessen der Wirtschaft und ihrer Politiker*innen, unabhängig von der extremen Rechten, die versucht von dieser Krise zu profitieren. Die Lösung ist nicht eine Regierung, die mit “harter Hand” durchgreift, “weil es halt nötig ist”, wie manche liberale Kräfte fordern. 

Für eine politische Alternative zur Regierung und ihrer Politik: nur so kann die Impfquote dauerhaft erhöht werden

  • Die wahren Expert*innen müssen endlich das Ruder in die Hand nehmen. In den Betrieben müssen die Kolleg*innen entscheiden, ob und wie weiter gearbeitet wird, um die Pandemie zu beschränken - ohne finanzielle Verluste für die Beschäftigten. Wenn Firmen in Not geraten, müssen sie von der öffentlichen Hand übernommen und durch die Beschäftigten selbst organisiert und geführt werden.
  • Die Kolleg*innen im Gesundheitswesen, in den Schulen und den Öffis müssen Pläne aufstellen, was unbedingt nötig ist, um ein menschenwürdiges Arbeiten und einen corona-sicheren Betrieb zu gewährleisten. Es ist die Aufgabe der öffentlichen Hand, diese Mittel umgehend zur Verfügung zu stellen.
  • Es braucht eine Test- und Impfkampagne, die von den Menschen selbst getragen wird, in den Stadtteilen, in den Betrieben, in den Schulen. Umfassende Aufklärung und leichter Zugang sind nötig. Keine Plattform für Schwurbler*innen und Verharmloser*innen!
  • Kämpferische Gewerkschaften dürfen sich nicht zum Handlanger der Regierung machen. Keine Zustimmung zu irgendwelchen Verschlechterungen für Kolleg*innen! Kein Aussetzen von KV-Verhandlungen oder Kampfmaßnahmen von Betriebsversammlungen bis Streiks. Wenn es sicher genug ist zu arbeiten, dann ist es auch sicher genug zu streiken! Stattdessen müssen Betriebsrät*innen und Gewerkschaften ganz vorne dabei sein, echte Verbesserungen zu erkämpfen, demokratische Rechte zu verteidigen und echte Impfkampagnen von unten zu organisieren!
  • Weg mit dieser Regierung und ihrer Politik! Neuwahlen machen vielen Angst, weil eine gestärkte FPÖ und ein Einzug von MFG droht. Klar ist auch: es kommt nichts besseres nach. Doch ein "Weiter so" ist ganz offensichtlich auch keine Lösung. Was wir wirklich brauchen, ist eine Regierung von Organisationen, die die Interessen der Arbeiter*innenklasse vertritt: ja, dafür fehlen aktuell die Parteien. Eine neue Arbeiter*innenpartei ist dringend nötig. 
  • Doch Vertreter*innen der Beschäftigten im Gesundheits- und Bildungswesen, in Transportwesen und im Handel, in der Industrie, Vertreter*innen aus den Stadtteilen, Schulen und Unis - sie sind es, die eine echte Alternative zum Chaos der Herrschenden und dem Terror der Rechten aufstellen können. Die Streiks und Demonstrationen von Kindergärtner*innen, Pfleger*innen und Metaller*innen haben gezeigt, dass die Kolleg*innen sehr genau wissen, was nötig ist - und auch bereit sind, dafür zu kämpfen! Teilweise sind sie schon in Basiskomitees organisiert, teilweise können sie die Gewerkschaften nutzen und in Kampforganisationen umwandeln. Für eine Betriebsrät*innen- und Vertrauensleute-Konferenz, um die nächsten nötigen Schritte zu besprechen, zu beschließen und umzusetzen!
  • Im Rahmen des Kapitalismus gibt es keine Lösung für die Corona-Krise und keine für die Krise der bürgerlichen Demokratie. Denn menschliche Bedürfnisse stehen im Widerspruch zu Profitinteressen. Der Reichtum ist vorhanden, um allen eine Zukunft in Frieden und Sicherheit zu ermöglichen. Im Weg stehen die Politiker*innen, die Kapitalist*innen und die extreme Rechte.

Weißrussisch-Polnische Grenze: Geflüchtete werden angesichts zunehmender imperialistischer Spannungen wie Tiere behandelt

Gemeinsame Erklärung der ISA-Mitglieder aus Polen, Belarus, Syrien und Russland zur Krise an der weißrussisch-polnischen Grenze, wo Tausende von Geflüchteten im Niemandsland zwischen den beiden Ländern am Rande der Europäischen Union festsitzen.
International Socialist Alternative (ISA)

Photo: vijesti BA

Seit Wochen spitzt sich die Krise an der weißrussisch-polnischen Grenze zu. Tausende von Geflüchteten, die vor Krieg und Konflikten in Syrien, Irak, Afghanistan, Jemen und anderswo fliehen, befinden sich im Niemandsland zwischen den beiden Ländern am Rande der Europäischen Union. Am 16. November kam es zu Zusammenstößen, als die polnische Polizei Tränengas, Wasserwerfer und möglicherweise Betäubungsgranaten gegen die Geflüchteten einsetzte.

Tausende weißrussische Grenzpolizist*innen drängen die Geflüchteten nach vorne. Zwei nuklearfähige Flugzeuge und russische Fallschirmjäger*innen sind nach Belarus verlegt worden. Auf polnischer Seite wurde in den Grenzregionen der Ausnahmezustand ausgerufen, der von 15.000 Soldat*innen mit technischer Unterstützung der britischen Armee überwacht wird. Die britische Präsenz wird als Brüskierung der EU gesehen, da die polnische Regierung die Hilfe der EU-Grenztruppe "Frontex" abgelehnt hat. Auch Lettland und Litauen haben 3.000 bzw. 5.000 Soldat*innen an ihre Grenzen zu Belarus entsandt und mit dem Bau von Hunderten von Kilometern drei Meter hoher Stacheldrahtzäune entlang der Grenzen begonnen.

Höllische Zustände

Die Bedingungen sind höllisch. Viele der Geflüchteten leben bei Minusgraden in den Wäldern. Sie berichten, dass sie keine Nahrung haben und aus Flüssen trinken müssen. Das weißrussische Grenzschutzpersonal versucht, Tausende von ihnen in eine 3 km breite Sperrzone hinter einem von der polnischen Polizei errichteten Stacheldrahtzaun zu zwingen, so dass sie in einer Art Zwischenwelt des einundzwanzigsten Jahrhunderts leben. Ein kurdischer Flüchtling beschrieb, wie die weißrussischen Wachleute "mit Holzstöcken auf uns einschlugen, uns traten und schlugen, nicht nur auf mich, sondern auch auf Frauen und Kinder", um sie an der Rückkehr nach Belarus zu hindern.

In dieser Sperrzone gilt das Kriegsrecht. Medizinische Helfer*innen und Hilfskräfte können die Geflüchteten nicht mit Lebensmitteln, Wasser, zusätzlicher Kleidung, Decken usw. erreichen. Auch Journalist*innen dürfen die Zone nicht betreten, um über die Situation zu berichten: die Regierung behauptet das wäre nötig um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Jaroslaw Kaczyński, Vorsitzender der Partei "Recht und Gerechtigkeit", behauptet, dies sei darauf zurückzuführen, dass ein großer Teil der Medien lediglich Lukaschenkos Propaganda wiederhole, obwohl sie in Wirklichkeit nur die Brutalität und Rechtswidrigkeit der Handlungen des polnischen Staates aufzeigen. Obwohl die Zone eine schwerwiegende Verletzung der bürgerlichen Grundfreiheiten darstellt und polnische Staatsangehörige in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, erlauben die Behörden die Jagd mit Gewehren in Grenznähe! Dies wird auf der weißrussischen Seite als grünes Licht für die Jagd auf Geflüchtete interpretiert.

Ein syrischer Flüchtling, der schmutziges Wasser getrunken und Rinde und ähnliches von Bäumen gegessen hatte, versuchte dreimal, zurück nach Belarus zu gelangen, wurde aber von Grenzpersonal geschlagen - schließlich war er so krank, dass die polnische Polizei ihn in ein Krankenhaus einweisen musste, wo er nun ihre Rückkehr fürchtet, da sie ihn in die Sperrzone zurückschicken werden. Aus anderen Berichten geht hervor, dass polnisches Grenzpersonal Elektroschocks gegen die Geflüchteten eingesetzt hat. Als die ersten Geflüchteten in den polnischen Wäldern starben, wurden ihre Leichen von polnischen Wachleuten über die Grenze nach Belarus zurückgeschleppt.

Die Zahl der verstorbenen Geflüchteten liegt bereits im zweistelligen Bereich und wird angesichts der rasch kälter werdenden Witterung wahrscheinlich noch steigen. Darunter ist eine unbekannte Zahl von Kindern. Sie und ihre Mütter befinden sich in einer besonders schlimmen Lage. Ein Rettungssanitäter berichtet: "Als wir das erste Mal Kinder im Wald sahen, waren wir schockiert. Wir sahen eine Frau, die sich hinhockte, während sie mitten in der Nacht ein kleines Baby stillte, und ein weiteres dreijähriges Kind, das neben ihr stand. Dieses Bild ging uns nicht mehr aus dem Kopf: eine verlorene, verlassene, stillende Frau mit zwei Kindern in einem kalten Wald mitten im Nirgendwo". Es wird berichtet, dass Frauen und Kinder nach vorne gedrängt werden, um als menschliche Schutzschilde zu dienen.

Durch den Imperialismus verursachte Krise

Wie bei der Krise von 2015 ist diese Welle von Geflüchteten das Ergebnis der Verwüstungen und der Gewalt, die durch die imperialistischen Interventionen in Syrien, Irak und Jemen verursacht werden. Der jüngste beschämende Rückzug des US-Imperialismus nach seiner zwanzigjährigen Besetzung Afghanistans hat dazu geführt, dass noch mehr Menschen versuchen, den sich verschlechternden Bedingungen der Unterdrückung und der drohenden Hungersnot zu entkommen.

Die tatsächliche Situation in Syrien wird beispielsweise durch die zweitägige, von Russland unterstützte Konferenz verdeutlicht, die letzte Woche in Damaskus stattfand und zum Ziel hatte, "die Rückkehr von Millionen syrischer Geflüchteter" in das Land zu erleichtern. Viele Länder weigerten sich, an der Konferenz teilzunehmen, während die Europäische Union erklärte, dass "die Lage in Syrien noch nicht sicher für eine Rückkehr sei". Die russische Intervention in Idlib führte dort zu einer Flüchtlingskrise, während die Türkei in anderen Teilen Nordsyriens Probleme verursachte. Der westliche Imperialismus und die Assad-Regierung sorgten dafür, dass Menschen aus dem ganzen Land geflüchtet sind.

Wo Krieg herrscht, wird es immer Geflüchtete geben, insbesondere solche, die versuchen, den Kämpfen zu entgehen. Einige syrische Oppositionelle, die sich jetzt auf die Seite der Konterrevolution stellen, sagen, dass den Geflüchteten, die jetzt an der Grenze festsitzen, nicht geholfen werden sollte, weil sie sich nicht am Widerstand gegen Assad beteiligt haben. Wir weisen das Argument zurück, dass die Geflüchteten keine Unterstützung verdienen, weil sie sich nicht dem Widerstand gegen Assad angeschlossen haben. Viele, die das nicht getan haben, waren durch ihr Misstrauen gegenüber den rechten Islamisten und anderen reaktionären Kräften in der Opposition motiviert. Es handelt sich um eine humanitäre Krise, die eine Lösung auf der Grundlage der Einheit der Arbeiter*innen und der Ärmsten erfordert.

Das Hauptaugenmerk des Imperialismus und insbesondere der EU lag nicht auf der Lösung der humanitären Katastrophe, sondern darauf, die Geflüchteten daran zu hindern, die Europäische Union zu erreichen. Bei ihrem Versuch zu entkommen, sind die Geflüchteten Opfer einer regelrechten Ausbeutung durch das kapitalistische System selbst geworden. Es sind Schwarzmarkthändler*innen aufgetaucht, die Visa und Reisen zu Wucherpreisen anbieten. Sie handeln ohne jegliche Skrupel.

Eine Gruppe aus Syrien übergab einem "Mittelsmann" in Damaskus jeweils 5.000 Dollar für eine Pauschalreise, die angeblich einen zehntägigen Aufenthalt in einem Hotel in Minsk beinhaltete. In Belarus angekommen, brach ihr Kontaktmann den Kontakt zu ihnen ab. "Der Bastard hat uns belogen", so der Kommentar eines der beiden. "Er hat uns ein Hotel für 10 Tage versprochen, aber wir waren zu zehnt in einem winzigen Zimmer neben einem Bordell für nur drei Nächte untergebracht. Und jetzt geht er nicht mehr an sein Telefon." Die Hotels verlangen Tausende von Dollar für einen Aufenthalt - wie ein Hotelverwalter kommentierte: "Während der Pandemie war es sehr ruhig. Die Touristen kamen nicht mehr, aber jetzt ist es jeden Tag voll. Das ist gut für das Geschäft". Taxis verlangen Hunderte von Dollar für Fahrten zur Grenze.

Aber es gibt auch andere, die diese humanitäre Krise nicht als Profitquelle sehen. Familien auf der polnischen Seite der Grenze zeigen mit grünen Lichtern an, dass sie bereit sind, verzweifelte Geflüchtete zu versorgen und ihnen Wärme zu geben. In den letzten Monaten haben sich auch deutsche Städte und Regionen wie München bereit erklärt, Geflüchtete aus Afghanistan aufzunehmen. Lukaschenko macht sich dies zunutze, indem er sagt, er könne einen Direktflug für Geflüchtete nach München organisieren. Diejenigen, die nach der letzten Krise in Deutschland angekommen sind, haben es jedoch nicht leicht. Nur die Hälfte hat eine bezahlte Arbeit gefunden, eine Situation, die sich durch die Pandemie noch verschlimmert hat, während viele unter fremdenfeindlichen Angriffen zu leiden hatten und haben.

Festung Europa

Dennoch stehen diese Hilfsversuche in krassem Gegensatz zum Ansatz der EU-Verwaltung, die sich auf die Stärkung der "Festung Europa" konzentriert. Als Ungarns Viktor Orban 2015 eine Mauer baute, um die Einreise von Geflüchteten nach Ungarn zu verhindern, zwang die massive öffentliche Sympathie für die Geflüchteten die EU, ihn zu kritisieren. Heute unterstützen die Regierungen des Europa-Blocks offen die gemeinsame Finanzierung von Außenmauern und Zäunen. Die Länge der geplanten Grenzmauern in Osteuropa hat bereits 1.200 Kilometer erreicht - achtmal so lang wie die berüchtigte Berliner Mauer!

Die Geflüchteten finden sich inmitten des Konflikts zwischen den Imperialist*innen wieder. Auf der einen Ebene ist dies ein Krieg der Worte. Der weißrussische Präsident Lukaschenko beschuldigt den Westen, einen "hybriden Krieg" gegen sein Land zu führen, eine Behauptung, die von der polnischen Regierung gegen ihn aufgegriffen wird, während die europäische politische Führung ihn beschuldigt, die Krise zu "bewaffnen". Das empört die Geflüchteten: Sie bestreiten, "Waffen" zu sein, sie sind, wie sie sagen, Menschen, "die zum Leben hier sind und nicht zum Kämpfen". Die Regime auf beiden Seiten des Zauns behandeln die Geflüchteten, als hätten sie keine Rechte, als seien sie ein Problem, das es zu lösen gilt. Aber die Geflüchteten selbst müssen über ihre Zukunft mitbestimmen können.

Diese Krise spiegelt die Widersprüche wider, die sich in der Europäischen Union selbst entwickeln. Polens rechtspopulistische, einwanderungsfeindliche Regierung hat vor kurzem eine Entscheidung ihres Verfassungsgerichts durchgesetzt, die besagt, dass die polnischen Gesetze Vorrang vor denen der Europäischen Union haben.

Im Grenzkonflikt steht die EU jedoch voll hinter der einwanderungsfeindlichen Haltung der polnischen Regierung und unterstützt die Versuche der polnischen Polizei, Immigrant*innen nach Belarus zurückzudrängen. Dies steht in direktem Widerspruch zum Völkerrecht und zur kürzlich geänderten Asylpolitik der EU, die eine rasche Entscheidung über den Asylstatus und ein Screening-Verfahren vor der Einreise verspricht. Dies sollte nicht überraschen, denn die EU hat die Zurückdrängung von Geflüchteten (“Push-backs”) , die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, bereits unterstützt, und das zeigt sich auch in den Deals der EU mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Die EU lässt sich nicht, wie sie behauptet, von "humanitären Werten" leiten, sondern benutzt die Geflüchteten als Spielfiguren in ihrem Machtkampf mit Lukaschenko und Putin. Sie ist sich auch des undemokratischen und zunehmend autoritären Charakters der polnischen Regierung durchaus bewusst, verschließt aber gerne die Augen davor, während das Regime die "Drecksarbeit " erledigt.

Lukaschenkos Erpressung

Es besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass der autoritäre weißrussische Präsident Aleksandr Lukaschenko die Krise geschürt hat. Die "Reiseagenturen", die Geflüchtete zur Reise nach Belarus ermuntert haben, werden von offizieller Seite unterstützt und nutzen sogar ein vereinfachtes Antragsverfahren für Visa. Viele sind mit der staatlichen Fluggesellschaft Belavia nach Minsk geflogen, obwohl diese inzwischen angekündigt hat, dass sie keine Passagiere aus dem Irak, Syrien und Jemen befördern wird. In Minsk hat man den Geflüchteten geholfen, zur Grenze zu gelangen, und es wird berichtet, dass das weißrussische Militär Laser und Blitzlichter eingesetzt haben, um die polnischen Wachen abzulenken, als die Geflüchteten versuchten, die Grenze zu passieren.

Zum Teil dient die Krise als Ablenkung von den wirklichen Problemen der Weißruss*innen nach dem Aufstand gegen Lukaschenko im letzten Jahr. Nach dem Scheitern der Bewegung zur Absetzung Lukaschenkos kam es in ganz Weißrussland zu massiven Repressionen. Tausende von Aktivist*innen der Opposition wurden verhaftet, andere wurden entlassen, während viele ins Ausland, z.B. nach Polen und Litauen, geflohen sind. Lukaschenko sieht in dieser Situation ganz klar die Chance, sich an Polen und der EU für die Unterstützung der liberalen bürgerlichen Opposition zu rächen, die die Proteste im letzten Jahr angeführt hat. Aber er nutzt sie auch, um die EU unter Druck zu setzen, die von ihr verhängten Sanktionen aufzuheben, mit dem Argument, dass er eine Welle von Geflüchteten auslösen wird, wenn die EU weitere Maßnahmen ergreift. Seine derzeitigen Maßnahmen haben den zusätzlichen Vorteil, dass die Grenzen von Belarus für Oppositionelle, die versuchen, seinem Zorn zu entkommen, schwieriger zu passieren sein werden.

Russische Unterstützung

Während hinter Polen die EU steht, steht hinter Weissrussland Russland. Die Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten haben in den letzten Monaten dramatisch zugenommen. Im Juli warf ein russisches Flugzeug sogar vier Bomben ab, um ein britisches Schiff im Schwarzen Meer von seinem Kurs abzubringen. Die Streitigkeiten über die Lieferung von russischem Gas nach Europa gehen weiter, und der NordStream-2-Pipeline wurde von Deutschland erneut die Zulassung verweigert. Die NATO, der CIA-Chef und hochrangige britische Persönlichkeiten sowie US-Außenminister Antony Blinken haben mit Säbelrasseln auf die von Russland ausgehende Bedrohung der Ukraine reagiert.

Der Kreml hat bereits mehrfach bewiesen, dass er zu militärischen Angriffen bereit ist, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Davon gibt es derzeit viele. Das Land hat eine verheerende vierte Welle der Pandemie mit einer der höchsten Todesraten der Welt erlebt, während die Wirtschaft und der Lebensstandard stagnieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wären die militärischen, wirtschaftlichen und sozialen Kosten eines Angriffs auf die Ukraine jedoch zu hoch, als dass der Kreml ein unnötiges Risiko eingehen würde. Stattdessen würde er seine derzeitige militärische Aufrüstung an der ukrainischen Grenze und seine Unterstützung für Lukaschenko eher dazu nutzen, den Westen unter Druck zu setzen, in der Hoffnung, ihn von weiteren Maßnahmen abzuhalten.

Gleichzeitig ist der Prozess zur Lösung des festgefahrenen Konflikts in der Ostukraine nicht vorangekommen. Die Zustimmungswerte des populistischen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelinskij sind auf ein Rekordtief gesunken, und seine Unterstützung innerhalb der herrschenden Elite schwindet zusehends. Er hat versprochen, den Konflikt mit den beiden abtrünnigen Republiken Donezk und Lugansk bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 zu lösen, und wird von ukrainischen Kriegstreiber*innen unter Druck gesetzt, Russland zu einer militärischen Konfrontation zu provozieren. Die Instabilität in der Region zeigt sich einmal mehr in einer neuen Welle von Kämpfen um Berg-Karabach in dieser Woche.

Auch Russland möchte nicht, dass Lukaschenko in seinem Konflikt mit dem Westen zu weit geht, vor allem dann nicht, wenn dies Auswirkungen auf die russische Wirtschaft hat. Als Lukaschenko damit drohte, die Gaslieferungen nach Europa zu unterbrechen, hat der Kreml diese Drohung schnell zurückgewiesen. Die Befürchtung im Kreml ist, dass Lukaschenko sich selbst ein Problem geschaffen hat, so dass er aus dieser Konfrontation nicht mehr ohne Gesichtsverlust aussteigen kann. Wie Lukaschenko bei einer Regierungssitzung sagte: "Sie machen uns mit Sanktionen Angst. Nun gut, schauen wir mal. Sie denken, ich mache Witze, ich schnalze nur mit der Zunge. Nichts dergleichen. Wir werden uns verteidigen. Das ist alles, wir können uns nirgendwohin zurückziehen".

Sollte Lukaschenko die Konfrontation verlieren und die liberale Opposition gestärkt werden, könnte Russland sogar gezwungen sein, in Weissrussland selbst zu intervenieren.

Unsere Forderungen

Wie bei den meisten Krisen, die die Welt derzeit im Griff haben, handelt es sich um eine komplexe, stark international geprägte Krise, die im Kern durch den Kapitalismus und imperialistische Konflikte verursacht wird. Um die aktuelle Krise zu beenden, brauchen wir Solidarität und Organisation für folgende Forderungen:

  • Die sofortige Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Kleidung, Unterkünften und medizinischer Versorgung für alle Menschen, die derzeit an der Grenze festsitzen;
  • Freiheit für Journalist*innen, aus der Region zu berichten, auch innerhalb der Grenzzone und die Wiedereinstellung aller vom weißrussischen Regime entlassenen Journalist*innen;
  • Der Rückzug der Grenzsoldat*innen, Truppen und der Polizei von beiden Seiten der Grenze und die Aufhebung der Sperrzone, damit die humanitären Organisationen den Geflüchteten helfen und ihnen einen sicheren Weg zu Unterkunft und wärmendem Schutz ermöglichen können;
  • Internationale Unterstützung, die von Gewerkschaften, Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen sowie von den Geflüchteten selbst und der lokalen Bevölkerung organisiert und kontrolliert wird, um den Prozess der Entmilitarisierung der Grenzregion zu organisieren und zu überwachen und die Hilfe für die Geflüchteten zu verwalten;.
  • Die sofortige Aufnahme dieser Geflüchteten bei der Einreise in die Europäische Union mit einer raschen Prüfung aller Asylanträge und der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus oder eines anderen Rechtsstatus, der ihnen die ungehinderte Reise in das Land ihrer Wahl ermöglicht;
  • Die Bereitstellung von Wohnraum und stabilen Arbeitsplätzen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung für alle.

Es handelt sich hierbei um Forderungen, die sich mit den unmittelbaren Problemen der Menschen an der weißrussisch-polnischen Grenze befassen.

Insgesamt lehnen wir jeden Versuch ab, Geflüchtete gegen die einheimische Bevölkerung auszuspielen. Das Geld für den Militär- und Polizeiapparat zur "Sicherung" der Grenzen sollte stattdessen für die Sicherheit der Geflüchteten verwendet werden. Die Gewinne der Ölkonzerne und Waffenproduzent*innen aus den Konflikten im Nahen Osten sollten übernommen und für den Wiederaufbau der Wirtschaft in dieser Region verwendet werden.

Der Reichtum der Reichen in Europa und international, der durch die Ausbeutung der ärmeren Länder und der Arbeiter*innenklasse weltweit entsteht, sollte zum Nutzen aller eingesetzt werden. Wir verstehen, dass dies keine "einfache" Lösung ist - aber es ist die einzige wirkliche Lösung, denn ohne eine radikale wirtschaftliche und soziale Umgestaltung dieser Länder werden keine Grenze, keine Polizei und kein Stacheldraht ausreichen, um verzweifelte Geflüchtete davon abzuhalten, zu fliehen.

Die Sanktionen, die derzeit vom US- und EU-Imperialismus gegen die autoritären Regime in Weissrussland, Russland, Syrien und dem Irak verhängt werden, sind unwirksam und beeinträchtigen den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend, während sie die herrschende Elite kaum treffen. Sie ermöglichen es den Regimen, ihr Land als politisch "belagert" durch westliche Regierungen darzustellen, während sie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf die Sanktionen selbst schieben. Wirksame Sanktionen würden damit beginnen, dass die Konten der Reichen und der herrschenden Elite dieser Länder geöffnet werden, um offenzulegen, wer ihre Freund*innen und Bündnis- bzw. wirtschaftlichen Partner*innen in anderen Ländern sind, und dass deren Reichtümer enteignet werden. Dies wird nur durch die unabhängige Aktion der weltweiten Arbeiter*innenbewegung möglich sein.

In der Tat ist ein breiterer, auf internationaler Solidarität basierender Kampf der Arbeiter*innenklasse gegen die eigentliche Ursache dieser Krise notwendig - gegen die autoritäre Herrschaft von Aleksander Lukaschenko in Weissrussland und die reaktionäre Regierung von  "Recht und Gerechtigkeit" in Polen, sowie gegen die imperialistische Politik der USA, der EU, Russlands und anderer, die die Katastrophe in Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan und Jemen verursacht haben - mit anderen Worten ein Kampf gegen den globalen Kapitalismus und für eine internationale und demokratische sozialistische Gesellschaft.

 

 

Der rechte Rand - Schulabmeldungen

Albert Kropf

Auch das 3. Corona-Schuljahr ist von Unsicherheit geprägt. Über 6.000 Kinder wurden vom Unterricht abgemeldet - eine Verdoppelung. Ein relevanter Teil der „skeptischen“ Eltern ist bei den Impfgegner*innen daheim. Hier gibt es Verbindungen zur rechtsextremen und faschistischen Szene wie den „Reichsbürgern“.

Teil der Abschottung ist, die Kinder von klein auf einer rechten Gehirnwäsche zu unterziehen. Dazu werden diese eben „privat“ unterrichtet. Auch diese Verbindung von „Alternativschulen“ und Rechtsesoterik ist nichts Neues, sie gibt es schon seit der Wende zum 20. Jahrhundert. Steiner- bzw. Waldorfschule sind Relikte daraus. Neuere Projekte sind Schetinin- oder Lais-Schulen. In Villach wurde jetzt eine illegale Privatschule von „Querdenker*innen“ geschlossen. Hinter Naturnähe und „natürlichem Lernen“ verbirgt sich völkisch-esoterisches Gedankengut und die Ablehnung von Wissenschaft – und hier schließt sich wieder der Kreis zu den Impfgegner*innen.

Aufgebaut wird eine je nach Prägung stärker faschistische oder rechtsesoterische Parallelwelt, Bedrohung und Einschüchterung für Sozialist- und Gewerkschafter*innen inklusive. Solche Schulen drücken auch zunehmendes Selbstvertrauen und Radikalisierung dieser Szene aus.

Keine Frage, unser Regelschulwesen ist schlecht und abhängig vom (Nicht-)Vermögen der Eltern. Wir brauchen aber kein Zurück zur privaten häuslichen Bildung, sondern eine radikal demokratische Umgestaltung unseres Schulwesens zu einer Gesamtschule, wo Demokratie nicht abstrakt gelehrt, sondern gelebt wird.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Vöcklabruck: Kein Stadtplatz für Rechtsextreme

Für 11.9. planten "die Österreicher (DO5)" (Nachfolgeorganisation der Identitären) in Vöcklabruck eine "patriotische Zone". Der 1. Rückschlag war, dass sie eine Anzeige erhielten, weil die Aktion nicht angemeldet war. Der 2. Rückschlag waren ca. 30 Antifaschist*innen des Bündnis Vöcklabruck gegen Rechts und der SLP, die bereits auf sie warteten und am Stadtplatz Anlage und Transparent aufgebaut hatten. Teilweise waren 10x mehr Antifaschist*innen anwesend als Rechte. Die Aktion wurde 3 Tage vorher angekündigt, SLPler*innen konnten schnell Details ausforschen und ein Programm aufstellen. In der SLP-Rede machten wir klar, dass es demokratische und wissenschaftliche Corona-Regeln braucht und dass eine Infokampagne von Arbeiter*innen und Gewerkschaften selbst organisiert werden muss, um DO5&Co. das Wasser abzugraben.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Rechsextreme Kandidaten bei der Landtagswahl OÖ

Peter Hauer

Markus Hein ist Spitzenkandidat der FPÖ Linz bei den Wahlen im September. Er ist ehemaliger Obmann der Burschenschaft Arminia Czernowitz, die “schon seit über sieben Jahren für die Identitäre Bewegung warb” und sich “bis zuletzt” mit dieser Räumlichkeiten teilt. Hein drohte: “Redakteure werden weinen, weil sie persönlich geklagt werden”. Andreas Rabl - aktuell FPÖ-Bürgermeister von Wels, ehemals Interims-Chef der FPÖ OÖ, kandidiert für den Gemeinderat. Er ist bekannt für den Angriff auf den links-alternativen FreiRaum, hat (unüblich für städtische Aufsichtsräte) Bezüge bezogen (diese nach öffentlicher Kritik zurückgezahlt) und Kürzungen beim Kinderschutz veranlasst. Im Spektrum der Corona-Skeptiker*innen hat die FPÖ Konkurrenz durch die MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte). An der Bundesspitze steht Anwalt Michael Brunner, die MFG insgesamt spielt die Gefahr von Corona herunter. Die MFG ist auch inhaltlich eine krude Mischung, in der Praxis bildet sie den organisierten Teil der Corona-Spaziergänge, an denen sich auch viele Rechtsextreme beteiligen. Die FPÖ Vöcklamarkt machte 2018 Schlagzeilen mit einem Posting mit “Schütze Deine Rasse, es ist das Blut Deiner Ahnen!”. Verteidigt haben sie das Posting mit der Aussage: „‚Schütze deine Rasse‘ ist doch nichts Schlechtes, keine Hetze gegen andere.“. Auch wenn mit Babitsch damals ein Bauernopfer gebracht wurde zeigt die Serie an „Einzelfällen“ dass sich am Geist der FPÖ wohl kaum was geändert hat.

 

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