Wem nützt welche Demokratie?

Martina Gergits

Mit Chat-Affäre, Ibiza Skandal, Pandemie, Krieg und Inflation befindet sich das Vertrauen in Institutionen laut “Demokratie Monitor” im Sinkflug. Waren 2018 noch 64% „ziemlich“ zufrieden mit dem politischen System, sind es 2022 nur noch 34%. Zu Recht, werden doch die dringendsten Themen, wie explodierende Mieten und Energiekosten, Klimawandel, Ungleichheit von keiner der etablierten Parteien ernsthaft aufgegriffen. Also sinkt die Wahlbeteiligung und Regierungen halten kaum eine ganze Amtsperiode durch. Die “bürgerliche Demokratie” ist in der Krise und weil davon v.a. Rechte profitieren, sollen wir alle zu ihrer Verteidigung antreten. Und hier liegt das Problem: Die bürgerliche Demokratie wird als einzige Alternative zu autoritären Regimen dargestellt.

“Wer zahlt, schafft an” 

Theoretisch ist in der bürgerlichen Demokratie jede Stimme gleich viel wert. Das heißt, meine Stimme am Wahlzettel ist gleich viel wert wie jene von Rene Benko. Allerdings haben wir keinen Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen. Was dazu führt, dass weder mein Chef noch mein Vermieter von meiner Stimme direkt beeinflusst werden. Die “Mitbestimmung” endet quasi vor der Haustür bzw. vor dem Arbeitsplatz.

Echte Demokratie hängt aber davon ab, wer die wirtschaftliche Macht hat. Das Gefühl „die Politik macht eh nichts für mich“ ist richtig. Längst wissen wir, dass etablierte Parteien viel versprechen, die Praxis aber Kürzungen bei uns und Zuckerl an die Wirtschaft bedeuten.

Rechte und rechtsextreme Parteien, die selbst Teil des Establishments sind, spielen erfolgreich mit diesem Gefühl der Desillusionierung und inszenieren sich als “Außenseiter”. Weil aber die Wurzel der Desillusionierung mit “dem System” in der etablierten Politik liegt, verhelfen etablierte Parteien und ihre mangelhafte bürgerliche “Demokratie” Rechten zum Aufstieg. Dem Establishment bleibt dann der Appell, “gemäßigtere” Parteien (wie SPÖ, ÖVP, Grün etc) zu wählen um „Rechts zu verhindern“. Solche Wahlkämpfe haben wir bei Biden vs. Trump gesehen, bei Macron vs. LePen und bei Lula vs. Bolsonaro. Die “Alternativen” am Wahlzettel rufen allerdings Bauchweh hervor, Wahlausgänge sind knapp und nur gegen das noch größere Übel. Denn diese “Alternativen” sind keine, sie stehen nicht für die Interessen der Vielen.

Für echte Demokratie von unten gemeinsam kämpfen!

Diese Skepsis und Desillusionierung in die bürgerliche Demokratie dürfen wir nicht den Rechten überlassen, sondern es braucht eine echte Alternative für echte Demokratie. Der Kampf FÜR echte Demokratie - also auch in der Wirtschaft - geht Hand in Hand mit jenem GEGEN die extreme Rechte. Damit es nicht mehr möglich ist, als Energiekonzern massive Profite auf unsere Kosten einzusacken, und Unternehmen mehr Corona-Hilfen kriegen als sie Steuern zahlen. Damit Wohnen und Arbeiten gemeinschaftlich, demokratisch verwaltet wird, in Komitees von den Personen, die dort leben und arbeiten. Beispielsweise ein Krankenhaus, geführt von gewählten Vertreter*innen aller Berufsgruppen dieses Krankenhauses. Eine demokratische Planung der Gesellschaft und Wirtschaft bedeutet laufend mitentscheiden zu können. Aber es ist klar: Innerhalb der Widersprüche des Kapitalismus, das bürgerliche Demokratie nutzt, um vorzugaukeln, wir wären alle gleich, wird es niemals echte Demokratie für die 99% geben. Erst wenn wir durch die gemeinsame Kraft der Vielen dieses System stürzen, können wir echte Demokratie erreichen. Denn uns zu befreien können wir nur selber tun.

 

INFO: 

Bereits 1994 plakatierte die Haider-FPÖ: "Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist." Eine Lüge, hat die FPÖ doch beste Verbindungen in die Chefetagen und betreibt Sozialabbau und Lohnkürzungen, wo sie es kann.

 

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