Antifaschismus und Antirassismus

Der rechte Rand!

Alexander Svojtko

Die Pferde können ja nichts dafür. Doch sei es die Schwärmerei der Identitären für Prinz Eugen – freilich stets hoch zu Ross dargestellt -, oder sei es die Besessenheit, mit der Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) seit Jahren die Idee einer berittenen Polizei verfolgt: woher kommt die auffällige Pferde-Liebe der Rechten?

Pferde sind alte Machtsymbole, ihre Reiter sind über den Köpfen der Normalsterblichen. Heutzutage ist es gerade das Unzeitgemäße an ihnen, das wirken soll: Der Einsatz von Pferden soll alte Herrschafts-Traditionen heraufbeschwören. Kein Wunder, dass Kickls berittene Polizei von Viktor Orbán, rechts-nationalistischer Premier der „Reiternation“ Ungarn, freudigst begrüßt wurde. Das „Ungarische Amtsblatt“ („Magyar Közlöny“) berichtete von der Entscheidung Orbans, „zwei im staatlichen Besitz befindliche Pferde der Rasse Nonius der Republik Österreich unentgeltlich zu überlassen.“ Einem geschenkten Gaul schaut auch Kickl nicht ins Maul.

Natürlich soll auch an die Tradition von Pferden als Mittel der Repression angeknüpft werden. Dass gerade in Tumulten Pferde schwer zu kontrollieren und entsprechend gefährlich sind, gehört zum brutalen Kalkül. Berittene Polizei immer wieder zur brutalen Bekämpfung von Arbeiter*innen eingesetzt - vom Justizpalastbrand 1927 mit mindestens 89 Toten bis zum „Battle of Orgreave“ im britischen Minenstreik 1984 mit über 120 teils Schwerverletzten. Auch heute werden im UK Pferde gegen Demonstrant*innen und Fußballfans eingesetzt.

Sitzfleisch gegen Beinarbeit

Sonja Grusch

In der „Widerstandsbewegung“ im Jahr 2000 gegen die damalige blau-schwarze Regierung war das Motto „Wir gehen bis ihr geht“. Wir sind weit über ein Jahr gegangen, sie waren bis 2007 an der Macht.
Die jetzigen Donnerstagsdemos finden u.a. unter dem Motto „Wir sind jetzt zusammen“ statt. Sie sind eine der wenigen Möglichkeiten etwas gegen schwarz-blau „zu tun“. Es ist gut, dass sie verschiedene Themen aufgreifen. Es ist gut, dass vorab mobilisiert wird. Es ist gut, dass sie nicht von Promis dominiert sind. Es ist gut, dass es sie gibt.
Aber.... Auch diesmal wird sich die Regierung nicht verabschieden, nur weil wir oft und in vielen Städten aufmarschieren. Zusammen sein ist dann umso effektiver, wenn wir uns organisieren. Das bedeutet nicht nur, die Donnerstagsdemonstrationen selbst in demokratischen Strukturen zu planen, sondern sie zu nutzen, um den Menschen, die hinkommen oder sie auch nur sehen, ein Angebot zu machen. Eines, wo man über Forderungen diskutieren kann. Wo man die nächsten Kampfschritte planen kann. Wo man nicht nur zusammen demonstriert, sondern auch zusammen entscheidet. Nutzen wir die Plattform der Donnerstagsdemos, um Widerstandskonferenzen zu organisieren. Um eine Strategie zu entwickeln, wie wir ihnen nicht nur die Straßen, sondern die Betriebe lahm legen können. Wie wir die kämpferischen Kräfte in den Gewerkschaften unterstützen können, die die zögerliche Politik von Katzian & Co. durch echten Klassenkampf ersetzen wollen. Um aufzuzeigen, dass diese Regierung die Politik der Kapitalist*innen macht und auch SPÖ und Grüne keine Alternative sind. All das ist mit Sicherheit nicht einfach und nicht konfliktfrei. Aber notwendig, wenn wir gewinnen und uns nicht nur besser fühlen wollen.

Antifaschismus in die Offensive!

Rechtsextreme nisten sich im Staatsapparat ein. Höchste Zeit für Widerstand!
Peter Hauer

Ende Februar 2018: Razzia beim Verfassungsschutz, geführt vom FPÖler Preiszler. Was auch immer Kickl & Co dadurch vertuschen wollten – Die BVT-Affäre brachte zutage, wie tief Rechtsextreme im Staatsapparat verankert sind. Sogar bei den Verhandlungen des Untersuchungs-Ausschusses wurde ein Neonazi als Wachpersonal eingesetzt ist. Landbauer, bekannt durch die NS-Liederbuch Affäre, ist mittlerweile FPÖ-Klubobmann in Niederösterreich. Sein Landesparteikollege Waldhäusl steckt jugendliche Geflüchtete ohne Begleitung in ein Lager, wo diese nur eine Stunde Ausgang haben, und dies nur in Begleitung von Securities. Die Liste lässt sich fortführen. Rechtsextreme und Nazis fühlen sich im Umfeld von Staat und Regierung offenbar pudelwohl. Das zeigt vor allem: Im Kampf gegen Rassismus und Faschismus können wir uns nicht auf den Staat verlassen! Wir brauchen unabhängige antifaschistische Strukturen mit gewerkschaftlicher Unterstützung, um erfolgreich auf der Straße und in den Betrieben gegen Rechtsextremismus zu kämpfen!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Donnerstag auch in Linz!

Die SLP ist auch bei den Linzer Donnerstagsdemos aktiv
Alec Jakolic

Eine gute Möglichkeit, um auf die Straße zu gehen und der eigenen Wut über die Regierung Gehör zu verschaffen, war die erste Linzer Donnerstagsdemo. Und dafür wurde sie auch von 3000 Menschen genutzt. Für viele war es vielleicht die erste Demo, für alle war es jedenfalls die erste Gelegenheit für ein größeres Zeichen des Widerstands gegen Schwarz-Blau seit Februar!

Wir waren bereits eine Stunde vor Beginn beim Volksgarten und redeten mit den ersten Teilnehmer*innen. Die Diskussion fiel schnell auf die brennendsten Themen: Wie können wir die Donnerstagsdemos am Laufen halten? Wie erreichen wir welche Forderungen?

Wir haben in unzähligen Gesprächen, von unserer Lautsprecheranlage in unserem Block klargemacht: Es braucht Organisierung. Die Leute, die heute hier sind, müssen auch Zeit investieren und sich über die Demos hinaus vernetzen. Außerdem haben wir klar gemacht, dass es auch die Aufgabe des ÖGB wäre, hier zu sein und mitzumarschieren - gerade in Anbetracht des 12h-Tages und der aktuellen und bevorstehenden KV-Verhandlungen. Außerdem haben die Warnstreiks bei der Eisenbahn und im Metallbereich gezeigt, wie man den Reichen und ihrer Regierung weh tun kann. Demonstrieren ist gut, aber Organisieren und Streiken sind notwendig – und das geht am besten gemeinsam. Werde also auch du mit uns aktiv!

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Der rechte Rand!

Lukas Kastner

Während z.B. bei Frauenorganisationen und im Sozialsystem gekürzt wird, hat die Regierung offensichtlich ausreichend Geld, um rechtsextreme Organisationen zu finanzieren.

So erhält der Dachverband der österreichischen Burschenschaften, der Österreichische Pennälerring, im Jahr 2018 fast 40.000 Euro aus der Bundesjugendförderung.

Auch rechtsextreme Magazine werden von Schwarz-Blau mit Geld überhäuft. Seit Ende 2017 durften sich diese über Inserate im Wert von 22.000 Euro freuen. Darunter befinden sich unter anderem das FPÖ-nahe Magazin „Wochenblick“ und das Magazin „alles roger“, in welchem sich neben Homestories über die Identitären auch antisemitische Inhalte finden. Der „Wochenblick“ fiel seinerseits immer wieder durch Falschaussagen und Hetze gegen Flüchtlinge auf. 

Das Innenministerium schaltet Job-Inserate für die Polizei auf rechtsextremen Webseiten. Zu diesen zählen neben „Wochenblick“ auch die vom Ex-Nationalratspräsidenten der FPÖ, Martin Graf ins Leben gerufene Seite „Unzensuriert“, „info-direkt.eu“ und „tagesstimme.com“. Bei Letzterer handelt es sich um eine mit den neofaschistischen Identitären verbundene Seite. Auch auf der Seite „info-direkt“ schreiben regelmäßig Identitäre. Zudem bestehen personelle Verbindungen zur FPÖ. So ist z.B. einer ihrer Gesellschafter, Ulrich Püschel, zugleich Mitarbeiter des Linzer FPÖ-Planungs- und Infrastrukturstadtrats Markus Hein. Sollen also durch Zahlungen und Inserate nicht nur rechtsextreme Propaganda finanziert, sondern Rechtsextreme für den Staatsapparat gewonnen werden?

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Andere über uns!

In einer Reportage über die aktuellen Donnerstagsdemos warf der ORF einen Blick auf die damaligen – und wer war schon damals ganz vorne dabei? Natürlich die SLP! Die Frisuren mögen sich geändert haben, doch unsere Überzeugungen sind noch dieselben: Damals wie heute kämpfen wir gegen Rassismus, Sexismus, Sozialabbau und das System das sie hervorbringt: den Kapitalismus.

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Der rechte Rand!

Albert Kropf

Seit 1. August gilt auf zwei Teilstücken der Westautobahn ein neues Tempolimit von 140km/h. Aktuelle Verkehrs- und Umweltstudien raten hingegen zu einem Limit von 100km/h. Verkehrsminister Hofer ist aber nicht der erste blaue Politiker, der aufs Gas steigt. Schon in den 1990er Jahren warb die FPÖ mit „Freie Fahrt für freie Bürger“ gegen Tempolimits. Hofers blau/oranger Vorgänger Hubert Gorbach setzte in Kärnten auf einer Strecke 160 erfolglos um. FP´ler wettern quer durchs Land gegen verkehrsberuhigte Zonen und Tempolimits. Woher kommt die blaue Begeisterung für „Speed“?

Abgesehen von vielen sicherlich interessanten psychologischen Erklärungsmustern gibt es auch handfeste politische. Der Rechtsextremismus stützt sich auf den „Sozialdarwinismus“. Vereinfacht: Das Recht des Stärkeren. Wer sich durchsetzen will, muss die Ellbogen gegen seine Mitmenschen ausfahren. Wer dabei verliert, hat es eben auch verdient, zu verlieren und braucht niemanden leid zu tun. Auf der Autobahn wie im Leben heißt das dann: Ich bin stark, ich brauche Platz und den nehme ich mir eben von dir!

Neben völlig wurschtigen 140km/h auf zwei kurzen Autobahnabschnitten lässt sich damit wunderbar Sozialabbau betreiben. Warum auch auf vermeintlich Schwächere Rücksicht nehmen, wo sich doch niemand selbst als schwach sehen möchte? Abseits einer Wirtschaftspolitik für einflussreiche Konzerne, Verminderung von teuren Umweltauflagen in deren Interesse, ist Tempo 140 auch ein Ablenkungsmanöver von der tatsächlichen Politik der Regierung.

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Selbstorganisation statt Bevormundung!

Wie Kämpfe für die Rechte von MigrantInnen erfolgreich sein können.
Lukas Kastner

Während die europäischen Regierungen die Grenzen aufrüsten und konsequent nach rechts rücken, kann es schwierig sein, sich vorzustellen, wie dagegen effektiv Widerstand geleistet werden kann. Die Medien berichten wenig über solche Kämpfe, doch es gibt sie: Im Februar 2017 demonstrierten etwa, von den internationalen Medien fast ignoriert, in Katalonien 500.000 Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingen. Dabei machten sie nicht nur ihrem Unmut über Politik der Herrschenden in den Fragen der Migration, sondern auch über die sozialen Missstände Luft.  Kollektiver Widerstand gegen Abschiebungen und rassistische Flüchtlingspolitik ist möglich – er passiert jeden Tag und es gibt zahlreiche Beispiele, aus denen wir lernen können.

Sogar in scheinbar aussichtlosen Situationen lohnt es sich, zu kämpfen. Im Winter 2011/12 drohte die Abschiebung der serbischen SchülerInnen Denis und Jovana. Alle rechtlichen Möglichkeiten waren ausgeschöpft. Doch kollektive Solidarität mischte die Karten neu. Die SLP konnte gemeinsam mit ihnen und ihren MitschülerInnen eine erfolgreiche Kampagne gegen die Abschiebung aufbauen. Wir halfen bei der Organisierung einer Vollversammlung an der Schule. Dem folgte innerhalb von zwei Tagen ein Schulstreik mit 500 TeilnehmerInnen. Sogar der Wiener Basketball Verband solidarisierte sich mit Denis und die Gratiszeitung „Heute“ sah sich gezwungen, ihn zum „Wiener des Tages“ zu küren. Denis und Jovana konnten dank kollektiven Widerstands bleiben.

Zentral ist jedoch, dass der Widerstand nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg passiert: Es braucht Selbstorganisation. Die Flüchtlingsbewegung 2012/13 bedeutete einen Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Flüchtlingsproteste. Sie zeigte zum ersten Mal das eindrucksvolle Potential von Geflüchteten auf. Am 24. November 2012 machten sich hunderte Flüchtlinge vom Massenlager Traiskirchen in einem Protestzug nach Wien auf, um gegen die miserable Unterbringung und die katastrophale rechtliche und soziale Situation von AsylwerberInnen anzukämpfen. Monatelang trotzten sie staatlicher Repression und medialen Hetzkampagnen, schlugen ein Lager vor der Votivkirche auf und besetzten diese schließlich, ehe sie ins Servitenkloster weiterzogen. Sie erkämpften nicht nur ihr eigenes Bleiberecht, sondern auch das Recht auf eine Lehre, welches nun von der Regierung angegriffen wird. Eines der weltweit beeindruckendsten Beispiele für die Selbstorganisation von MigrantInnen findet in Hongkong statt. Seit 2014 organisieren sich hier indonesische HausarbeiterInnen in der Organisation KOBUMI, um gegen die an Sklaverei erinnernden Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Mit der Unterstützung von Socialist Action (SLP Schwesterorganisation in Hong Kong) konnte u.a. bereits eine Lohnerhöhung erkämpft werden. All diese Beispiele zeigen, dass die Rechte von MigrantInnen nicht über StellvertreterInnenpolitik, sondern nur über gemeinsame Kämpfe verteidigt werden können.

Eine revolutionäre Partei wie die SLP oder ihre Schwesterorganisationen sind hierbei von enormer Hilfe. Sie kann die Erfahrungen aus vergangenen Kämpfen bündeln und in neue Auseinandersetzungen einbringen. Ebenso kann sie verschiedene Bereiche des Widerstandes gegen die Politik der Herrschenden verbinden und somit helfen, die Isolation von MigrantInnen zu durchbrechen. Vor allem kann sie die Notwendigkeit, sich nicht an die Spielregeln des kapitalistischen Staates zu halten, hervorheben und neuen AktivistInnen aufzeigen, wie dies erfolgreich sein kann. Das Fehlen einer starken revolutionären Kraft wurde in der großen Solidaritätsbewegung 2015/16 spürbar: Sie vereinte riesiges Potenzial und Solidarität, doch konnte sie keine konkreten Organisationsangebote und politische Perspektiven bieten. Die Proteste versickerten und nur wenig später kam Schwarz-Blau an die Macht. Gerade der Rassismus der jetzigen Regierung bringt viele dazu, sich erstmals oder wieder im Kampf für MigrantInnenrechte zu engagieren. Umso wichtiger ist es, die Lehren der vergangenen Kämpfe in einer starken Organisation zu bündeln.

Es wäre aber auch aussichtslos, nur innerhalb eines Staates für MigrantInnenrechte zu kämpfen. Der Kapitalismus und damit die Fluchtursachen sind international. Sie können nur international vernetzt bekämpft werden. Deswegen ist die SLP Teil des Komitees für eine ArbeiterInnen-Internationale (KAI/CWI), dessen AktivistInnen in Ländern wie Nigeria, Sudan, Cote D'Ivoire, Tunesien, in der Türkei, Israel/Palästina, Pakistan etc. vor Ort aktiv sind. Denn letztendlich können wir unsere Ketten nur durch internationalen, gemeinsamen Kampf gegen Ausbeutung, Krieg und Rassismus und für eine Welt, in der der Kapitalismus durch eine demokratische sozialistische Wirtschaft und Gesellschaft ersetzt wird, sprengen.

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Migration und die Linke

Nationalismus und Standortlogik spalten und schwächen uns alle.
Moritz Erkl, Sebastian Kugler

Kampf gegen Rassismus und Abschottungspolitik bedeutet Kampf gegen Kapitalismus.

Auch wenn viele am liebsten die Augen vor den Gräueln verschließen möchten, spätestens die Bilder ertrinkender Kinder oder die Hundertschaften von (staatlichen oder selbst ernannten) GrenzschützerInnen lassen dies nicht zu. Ob nun in der Hetze der österreichischen Bundesregierung, in moralisch empörten ARTE-Dokumentationen, bei den Stammtischen dieser Welt oder in den Debatten der ArbeiterInnenbewegung: Überall werden Lösungen und Scheinlösungen für die „Migrationskrise“ gesucht. Abschiebungen und Hochrüsten der Außengrenzen Europas sind die Antwort „unserer“ EntscheidungsträgerInnen und ihrer GeldgeberInnen. Fatalerweise ist es gerade die Linke, die oftmals keine oder nur letztendlich arbeiterInnen- und flüchtlingsfeindliche Antworten zu präsentieren weiß.

Im Deutschen Bundestag fordert z.B. die „linke“ Sahra Wagenknecht ein „Umdenken“ linker Migrationspolitik. Sie meint damit v.a. ein Übernehmen von rechten Denkmustern und argumentiert das mit dem „Schutz“ der „kleinen Leute“ vor „unreglementierter Migration“. Auch in Österreich ist eine derartige Argumentation wohlbekannt. Zum Schutz der heimischen Beschäftigten müsse der Nationalstaat geschützt werden, er wäre sonst ein „Eunuchenstaat“ erklärte beispielsweise Werner Murgg (Landtagsabgeordneter der KPÖ Steiermark) am Höhepunkt der „Flüchtlingskrise“ . Und auch von gewerkschaftlicher Seite gibt es kaum Solidarität für Flüchtlinge. Versuche, undokumentierte KollegInnen zu organisieren, bekommen kaum Unterstützung. Auch hat man es jahrzehntelang verabsäumt, migrantische KollegInnen, die zum Arbeiten oder als Flüchtlinge kamen, in die Gewerkschaftsbewegung zu integrieren. Im Gegenteil: An den Spitzen von ÖGB und AK herrscht noch immer die Auffassung, „österreichische“ Beschäftigte müssten vor der migrantischen „Konkurrenz“ geschützt werden – und das obwohl rund 20% der Bevölkerung in Österreich Migrationshintergrund besitzen. Die überwältigende Mehrheit davon sind ArbeiterInnen, Angestellte, Lehrlinge und Arbeitslose. „Sie“ sind also längst zu „wir“ geworden. Eine ArbeiterInnenbewegung, die diesen Teil der ArbeiterInnenklasse ignoriert oder gar als Feinde sieht, steht im Widerspruch zu ihrer grundlegendsten Aufgabe – der Organisierung der Klasse an sich. Die bewusste Spaltung in In- und AusländerInnen im Sinne des Kapitals wird von diesen „Linken“ mit stetem Brennstoff versorgt.

Sie alle machen einen zentralen Fehler: Sie kapitulieren vor den Widersprüchen des Kapitalismus, Kapital und Arbeit. Selbstverständlich werden MigrantInnen zum Abbau des Sozialstaates und zur Senkung des Lohnniveaus missbraucht. Das ist jedoch nicht ihre Schuld! Es ist nur möglich, wenn das Kapital und seine PolitikerInnen stark genug sind, um damit durchzukommen – und die ArbeiterInnenbewegung zu schwach. In Österreich haben sich die Lebens- und Arbeitsrealität nicht verschlechtert, weil uns von außerhalb Europas eine Flüchtlingsinvasion eingeholt hätte, sondern weil die Spitzen der Wirtschaft sich sicher genug fühlen, die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu zerschmettern.

Letztendlich geht es um die Kräfteverhältnisse und die Frage, ob man sie ändern kann. Wenn man davon ausgeht, man könne an der ungleichen Verteilung des Reichtums, am Besitz der Produktionsmittel durch eine kleine Minderheit sowieso nichts ändern, bezeichnet man sich eben als Pragmatiker und blickt bloß der „Realität ins Auge“. Wer nicht nach oben schlagen kann (oder will), tritt halt nach unten. Das ist kein Pragmatismus, sondern Verrat an all jenen Menschen, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft. Und dies schließt die fliehenden Massen mit ein. Grund dieses Fehlschlusses ist die ideologische Basis der Führung der ArbeiterInnenbewegung – in Österreich, aber auch international: Reformismus, also das akzeptieren kapitalistischer Spielregeln, führt zwangsweise früher oder später zu Nationalismus.

Besonders fatal ist der Irrglaube, die ArbeiterInnenbewegung könnte durch ein Übernehmen dieser Logik soziale Errungenschaften verteidigen, nach der Logik: „Wir müssen uns zuerst um österreichische ArbeiterInnen kümmern“. Ein Einlenken gegenüber dem Rassismus und der Spaltung stärkt uns nicht einmal kurzfristig, dafür legitimiert es die rassistische Hetze von oben. Es spielt den Reichen und Rechten in Hände: Ihr Geschrei, Flüchtlinge würden „unsere“ Arbeitsplätze, Wohnungen und Sozialleistungen stehlen, lenkt von den tatsächlichen Schuldigen ab - dem einen Prozent der Menschen, die in Österreich über 800 Milliarden Euro besitzen. Somit führt kein Weg vorbei an einem Kampf gegen Zuzugsbeschränkungen einerseits und dem Kampf für soziale Verbesserungen andererseits. MigrantInnen, egal woher sie kommen, sind Teil der österreichischen ArbeiterInnenbewegung und sollten endlich auch in ihren Organisationen gleichberechtigt willkommen sein. Nur so kann verhindert werden, dass ein Teil der Beschäftigten vom Kapital zum Schaden aller missbraucht wird.

Nationalstaatliche Grenzen sind im Kapitalismus also kein „Schutzraum“ für die jeweilige Bevölkerung, wie Wagenknecht, Murgg & Co behaupten. Sie sind Instrumente der Herrschenden. Für Kapital werden sie geöffnet oder geschlossen, wie es die Herrschenden gerade brauchen. Für uns bedeuten sie entweder tödlichen Ausschluss oder ideologische Geiselhaft. Deswegen hat sich die ArbeiterInnenbewegung bereits von Anfang an grenzüberschreitend organisiert. Der Kampf gegen Kapitalismus ist für uns auch ein Kampf für die Möglichkeit aller Menschen, frei nach ihren Bedürfnissen das Land, in welchem sie leben wollen, zu wählen. Doch solange es dieses kapitalistische System gibt, brauchen die Herrschenden dieser Welt Grenzen und werden diese nicht hergeben – zumindest nicht ohne Gewalt. Die Grenzen selbst sind ein Symptom der kapitalistischen Ausbeutung und können nicht ohne jene „abgeschafft“ werden. Wenn wir den Kapitalismus überwunden haben, werden in weiterer Folge auch Nationalstaaten und damit Grenzen überflüssig – und sterben ab.

Während Menschen elendig verhungern, Wälder gerodet werden und Wasser gestohlen wird, Kriege um sich greifen und der Klimawandel immer horrendere Ausmaße annimmt, ist es nur verständlich, dass Menschen – derzeit 68,5 Millionen weltweit – fliehen. Nicht die Gier oder der Neid auf „unser schönes Leben“ treibt sie in die Hände von Schlepperbanden. Die tatsächliche Fluchtursache lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Kapitalismus. Jede Ausrede für die Notwendigkeit, Flüchtlingen nicht die nötige Solidarität zu geben, macht jene, die sie aussprechen, mitschuldig an dem Leid der ArbeiterInnen – egal ob in Österreich, im Kongo oder in Syrien. Denn es ist keine Frage der vorhandenen Mittel, ob alle Menschen in Würde leben können, sondern ausschließlich eine Frage der Verteilung!

Jedes Zurückweichen aus „taktischen“ Überlegungen schwächt unsere Widerstandskraft in anderen Fragen. Nur ein gemeinsamer Kampf gegen Rassismus und Kapitalismus – gemeinsam mit allen davon betroffenen – kann auch erfolgreich sein. Und Erfolg haben wir bitter nötig!

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Zahlen und Fakten zu Migration

Karin Wottawa

Beim Untergang der Titanic sind 1.500 Menschen gestorben. Eine Tragödie, die bis heute viele Menschen erschaudern lässt. Heute spielt sich diese Tragödie laufend im Mittelmeer ab. 2017 sind mindestens 3.193 Menschen beim Versuch, nach Europa zu flüchten, ertrunken. 2018 starben bereits in den ersten sieben Monaten ca. 1.500 Menschen.

Insgesamt starben an Europas Außengrenzen seit dem Jahr 2000 über 35.000 Menschen, 23.000 davon seit 2014.

Weltweit waren 2015 rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht, die Hälfte davon Kinder. Rund 38 Millionen davon blieben als „Binnenflüchtlinge“ in ihrem Heimatland, lediglich 3,1 Millionen kamen als AsylwerberInnen in reichere Länder.

Die Zahl der Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, ist in knapp drei Jahren auf 68,5 Millionen Menschen gestiegen. Alle 2 Sekunden wird ein Mensch dazu gezwungen, zu flüchten.

Geflüchtete Kinder, die in Griechenland gelandet sind, konnten im Durchschnitt 20 Monate nicht in die Schule gehen, in Schweden warten Minderjährige bis zu einem Jahr darauf, in einem Asylverfahren angehört zu werden.

Kriege, Hunger und Umweltkatastrophen sind die Hauptursachen für Flucht. Aktuell gibt es über 30 registrierte Kriege und Konfliktherde, die dazu führen, dass Menschen die Region verlassen müssen, um ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten. Allein 2015 verkauften deutsche Rüstungsfirmen Waffen im Wert von fast fünf Milliarden Euro ins Ausland. Österreich erstellt seit 2010 keinen Bericht mehr darüber, welche Firmen Waffen wohin verkaufen. Doch wird offensichtlich an diverse Diktaturen und real kriegführende Staaten verkauft.

Mangelernährung und Lebensmittelspekulationen treiben Menschen zur Flucht. Der Preis des Haupternährungsmittels rotes Sorghum ist in Somalia in einem Jahr um 350% gestiegen. Alle fünf Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an vermeidbaren Ursachen.

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