Di 23.04.2024
Mit starken Wahlerfolgen in Graz, Salzburg und Innsbruck zeichnet sich eine echte Möglichkeit ab, dass die KPÖ im Herbst in den Nationalrat einzieht. Das wäre ein starker Schritt nach vorne. Als ISA wollen wir dazu beitragen und deshalb nicht selbstständig kandidieren. Gleichzeitig denken wir, dass eine breite Diskussion notwendig ist, wie wir eine kämpferische Linke auf der Straße, in den Betrieben und auch auf Wahlebene aufbauen können. In dieser Stellungnahme entwickeln wir einige Punkte dazu.
2024 ist weltweit ein Superwahljahr - auch in Österreich. Diese Wahlen finden vor dem Hintergrund einer immer tieferen globalen kapitalistischen Krise statt und werden dominiert von einer Ablehnung des politischen Establishments, einem Erstarken der Rechten, aber auch einer Polarisierung. International setzen die Herrschenden auf einen autoritäreren, rechteren und aggressiveren Kurs - das betrifft sowohl rechte Regierungen wie Milei in Argentinien als auch liberale wie Macron in Frankreich oder die SPD-Grüne-FDP-Koalition in Deutschland.
Auch in Österreich droht nach den nächsten Wahlen eine Zuspitzung des Klassenkampfs von oben - vor allem mit einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung, die wahrscheinlich zum Generalangriff auf alle Beschäftigten, insbesondere aber auf Migrant*innen, Frauen und queere Personen ansetzen würde. Umso wichtiger ist die Frage, wie wir die bevorstehenden Wahlen nutzen können, um Widerstand und Organisierung aufzubauen. Vor allem auch, weil es bei den bevorstehenden Wahlen zum ersten Mal seit langem die Chance gibt, dass sich der bestehende Unmut und die Ablehnung des Establishments nicht nur nach rechts oder in sinkender Wahlbeteiligung, sondern mit einem möglichen Einzug der KPÖ auch in der Stärkung von linken Kräften ausdrückt.
Nach den Erfolgen in Graz, Salzburg und Innsbruck kommt die KPÖ auch in verschiedenen Umfragen für die Nationalratswahlen auf über 4%. Der Einzug der KPÖ - zum ersten Mal seit 1959 wäre eine Partei deutlich links der SPÖ im Parlament - wäre ein wichtiger Schritt nach vorne für die Arbeiter*innenbewegung. Aber um diese Chance voll zu nützen muss der Wahlkampf und die Parlamentstätigkeit genützt werden, um soziale Bewegungen und Klassenkämpfe aufzubauen, konsequent gegen jede Unterdrückung aufzustehen und diese Auseinandersetzungen mit dem Kampf um eine sozialistische Systemalternative zu verbinden. Der Erfolg der KPÖ ist darum mit großer Verantwortung verbunden.
Kommunistische Politik: bewegungsorientiert und antikapitalistisch gegen jede Ungerechtigkeit!
Die Rahmenbedingungen und die Aufgaben der Linken für die bevorstehenden Nationalratswahlen werden bestimmt durch die zahlreichen Krisen des internationalen Kapitalismus, die sich immer stärker auch in Österreich ausdrücken. Das führt auch zu schärferem Klassenkampf von oben und auf politischer Ebene einem autoritären Rechtsruck und einer drohenden FPÖ-ÖVP-Koalition.
KPÖ als wichtige Chance
Vor diesem Hintergrund sind die Erfolge der KPÖ und ein möglicher Einzug ins Parlament eine wichtige Chance. Schon jetzt spielt der Erfolg der KPÖ eine Rolle dabei, die politische Diskussion und das Bewusstsein nach links zu verschieben, und hilft dabei zu entlarven, dass es der FPÖ nicht um die “kleinen Leute”, sondern nur um ihre eigenen Vorteile und der ihrer Großspender*innen in Industrie und Wirtschaft geht. Die KPÖ könnte eine wichtige Rolle im Widerstand gegen eine mögliche Rechtsregierung werden, indem sie die Anliegen von Bewegungen ins Parlament einbringt, jede rassistische Hetze der Regierungsparteien entlarvt und aufzeigt, dass echte Veränderung nur möglich ist, wenn die Macht der Banken und Konzerne gebrochen wird.
Gegen jede Unterdrückung?
Schon jetzt deutet sich an, dass der Wahlkampf auch stark von rechter Hetze dominiert werden wird, die eine direkte Bedrohung für die Leben von Migrant*innen, Frauen und queeren Personen darstellt. Die FPÖ hetzt wahrscheinlich so extrem wie noch nie zuvor gegen alles, was nicht in ihr Weltbild passt. Aber auch die ÖVP ist mit Slogans wie “Tradition statt Multikulti” mittlerweile kaum noch vom Rechtspopulismus oder den “Identitären” unterscheidbar. Die KPÖ beantwortet diesen politischen Rechtsruck vor allem dadurch, die Rechte durch glaubwürdige Sozialpolitik auszustechen. Das ist ein wichtiges Element im Kampf gegen Rechts, aber reicht nicht. Es ist ein großer Fehler, wenn diese gefährlichen Angriffe nicht entschieden beantwortet und mit dem Kampf um ein gutes Leben für alle verbunden werden. Themen wie Flucht, Rassismus, Geschlechterungleichheit, Klimawandel, Queerfeindlichkeit betreffen die Mehrheit der österreichischen Arbeiter*innenklasse und werden von den Rechten bewusst für ihre reaktionäre Propaganda genutzt. Wenn die Linke diese Themen nicht zentral aufgreift, wird sie scheitern.
Bewegungsorientierung
Selbst bei einem Einzug ins Parlament wird die KPÖ begrenzte Möglichkeiten haben. Die anderen Parteien werden die KPÖ mal ignorieren und mal versuchen, sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Außerdem stellt die interne Dynamik des etablierten Politikbetriebs einen enorm großen Anpassungsdruck dar. Die jüngere Erfahrung ist voll mit linken Parteien, die sich im Versuch, durch Verhandlungen und Deals mit anderen Parteien positive Reformen umzusetzen, immer stärker in diesen Betrieb integriert und dadurch als echte Alternative kompromittiert haben. Der Facharbeiter*innenlohn der KPÖ ist ein wichtiges Mittel gegen diese Entwicklung. Aber Anpassung und Einbindung finden auch durch das Aufsaugen in parlamentarischen Prozessen, Verhandlungen, schlechten Deals und Kompromissen mit etablierten Parteien statt.
Mit Parlamentsmandaten hätte die KPÖ die Möglichkeit, gute linke Ideen fundiert und glaubwürdig einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Das reicht aber nicht, um echte Verbesserungen zu erreichen, diese müssen erkämpft werden. Dazu braucht es Bewegung und Organisierung im Betrieb und auf der Straße.
Leider kommt diese “Bewegungsorientierung” bei der KPÖ aktuell deutlich zu kurz. In den letzten Jahren haben wir in Österreich auf unterschiedlicher Ebene einen Anstieg an Bewegungen, Streiks und Protesten gesehen - die KPÖ war zwar teilweise vertreten, aber hat ihre Position und Ressourcen nicht zentral genutzt, um Widerstand aufzubauen. Z.B. haben wir als ROSA und die ISA nach der schrecklichen Serie an Femiziden die Initiative zu einer Protestkundgebung gesetzt, an der sich 700 Personen beteiligt haben - ein kleiner, aber wichtiger Schritt, um dieses schreckliche Ereignis politisch anzuprangern. Was wäre möglich gewesen, wenn die KPÖ ihre Ressourcen, Bürgermeister*innenposten, Gemeinderät*innen usw. genutzt hätte, um gemeinsam mit anderen Proteste zu organisieren, Anträge einzubringen usw.?
Systemfrage stellen
Der KPÖ ist es durch ein enorm bevölkerungsnahes Auftreten und das Aufgreifen spezifischer Themen - v.a. Wohnen - gelungen, in einigen Städten wichtige Durchbrüche zu erzielen. Endlich gelingt es linken Kräften wieder, als glaubwürdige Vertretung der Lebensinteressen von Arbeiter*innen und Jugendlichen gesehen zu werden. Aber Kommunist*innen haben die Aufgabe, nicht nur einzelne Miseren aufzugreifen, sondern auch einen Weg aufzuzeigen, wie ihre Wurzel - das kapitalistische System - überwunden werden kann. Eine linke Kraft wie die KPÖ muss greifbar machen, dass ein Systemwechsel die einzige Möglichkeit ist, um ein gutes Leben für alle zu erreichen.
Leider verzichtet die KPÖ großteils darauf, diese Fragen konsequent aufzuwerfen. Besonders präsent ist das bei der Frage nach Enteignung, auf die KPÖ-Spitzenvertreter*innen wie Dankl und Schweiger konsequent antworten, dass sich niemand vor Enteignung fürchten muss. Damit bleiben sie hinter existierenden Bewegungen wie “Deutsche Wohnen und CO. enteignen” (die von einer Mehrheit der Berliner*innen unterstützt wurde) und auch dem breiteren Bewusstsein zurück - 14% der Österreicher*innen unterstützen sogar die “Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln”. Die Forderungen nach einer Enteignung von Immobilienspekulant*innen (ohne Entschädigung!) zur Lösung der Wohnungskrise oder der Vergesellschaftung der Energiekonzerne, um kostengünstige Versorgung und ökologische Transformation und nicht Profite sicherzustellen, wären nicht nur populär, sondern würden auch zeigen, wie eine Systemalternative ausschauen kann. Und das wird angesichts einer immer tieferen internationalen Krise des Kapitalismus immer notwendiger, weil kleine Reformen auf lokaler Ebene an ihre Grenzen stoßen werden.
Aufbau einer echten Alternative braucht Verbindung zu allen Kämpfen der Arbeiter*innenklasse
Die bevorstehenden Wahlen können eine wichtige Gelegenheit sein, Fortschritte im Kampf und der Organisierung von Arbeiter*innen, Jugendlichen und Unterdrückten zu erreichen. Wir merken tagtäglich, dass eine Partei, die tatsächlich unsere Interessen im Parlament, auf der Straße und in Betrieben vertritt, schmerzlich fehlt. Ein Erfolg der KPÖ kann ein Schritt in diese Richtung sein. Aber letztlich werden wir so eine Partei nur aufbauen können, wenn es gelingt, sich tatsächlich in allen Kämpfen der Arbeiter*innenklasse zu verankern. Sonst droht ein ähnliches Schicksal wie z.B. der deutschen DIE LINKE, die sich zunehmend im etablierten Politikbetrieb aufreibt. Deshalb werden wir als ISA aktiv sein, um den Einzug der KPÖ ins Parlarment zu unterstützen und dies gleichzeitig für die Verbindung mit dem Aufbau von sozialen Bewegungen und Kämpfen zu nutzen - als einzige wirkungsvolle Grundlage für den Aufbau einer kämpferischen Vertretung für Arbeiter*innen, Jugendliche und Unterdrückte.
Marx aktuell: doppelte Aufgabe
Als ISA sind wir davon überzeugt, dass die zahlreichen Krisen unserer Zeit - Klimakrise, imperialistische Kriege, Pflegenotstand, Rassismus und Sexismus - nur durch die Überwindung des Kapitalismus durch eine revolutionäre Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse wirklich gelöst werden können. Deshalb bauen wir eine Organisation mit diesem Ziel auf. Aber gleichzeitig ist uns klar, dass diese Schlussfolgerung bzw. eine Vorstellung davon, wie man sie erreichen kann, noch kaum verbreitet ist. Außerdem hat die neoliberale Offensive das Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse weit zurückgeworfen. Die Beschäftigten sehen sich kaum mehr als eigene Klasse mit gemeinsamen Interessen, die denen der Bosse gegenübersteht. Dieses Bewusstsein kann wiedererlangt werden, wenn die arbeitenden und unterdrückten Menschen durch Organisierung und Widerstand wieder eine Vorstellung ihrer kollektiven Stärke gewinnen. Die Schaffung einer Kampfpartei ist ein wichtiges Feld, um die einzelnen Proteste, Initiativen und Kämpfe zusammenzuführen, um die gemachten Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge im Klassenkampf zu reflektieren und die nächsten Schritte und Forderungen zu entwickeln, aber auch um die eigene Stärke bei Wahlen zu testen. Deshalb sprechen wir als ISA davon, dass wir eine “doppelte Aufgabe” haben: einerseits den Aufbau einer klar revolutionär-sozialistischen Organisation und andererseits den Aufbau der breiteren Bewegung - von kämpferischen Gewerkschaften über feministische Organisationen bis hin zu einer neuen Kampfpartei der Arbeiter*innen, Unterdrückten und Jugendlichen.
In den letzten Jahren hat sich international gezeigt, dass der Neuformierungsprozess der Klasse nicht unbedingt sofort neue Arbeiter*innenparteien hervorbringt, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Formen annehmen kann: Gewerkschaften, revolutionäre Nachbarschaftskomitees (Chile, Sudan), Initiativen, Bewegungen und Parteien. Revolutionäre Sozialist*innen müssen daher in den unterschiedlichsten Organisierungs- und Widerstandsprozessen aktiv sein und überall eine weitergehende Perspektive einbringen, um dadurch die Grundlage für Kampforganisationen der Arbeiter*innenklasse, Jugendlichen und Unterdrückten zu schaffen.
Widerstand im Parlament, in Betrieben und auf der Straße
Als ISA wollen wir den Aufbau von Organisierung und Widerstand auf allen Ebenen unterstützen. Deshalb rufen wir zur Wahl der KPÖ auf und werden sie in den nächsten Monaten auch im Rahmen unserer Möglichkeiten in ihrem Kampf unterstützen. Ein Einzug der KPÖ wäre der größte Schlag gegen die Politik der Banken und Konzerne und auch gegen den Rechtsruck des etablierten Systems, der bei den Wahlen möglich ist.
Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass langfristig eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses nach links insgesamt in Österreich nur dann möglich ist, wenn es uns gelingt, Menschen in Protesten, Betrieben und sozialen Bewegungen zu organisieren und diese Auseinandersetzungen miteinander zu verbinden. Das wird umso wichtiger angesichts einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung, die Arbeiter*innen, Jugendliche und Unterdrückte auf allen Ebenen angreifen wird. Deshalb ist es auch zentral, diese Arbeit mit Wahlen und gewählten Mandant*innen zu verbinden.
Ein wichtiges Feld dafür wäre z.B. der Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich. Am 6.6. findet der nächste Bildungsaktionstag statt, bei dem Beschäftigte und Betroffene gegen die immer schlechter werdenden Zustände im Bildungssystem auf die Straße gehen werden. Es gibt auch erstmals Initiativen für Dienststellenversammlungen an Schulen. Auch der Kampf um den Erhalt der Freizeitpädagogik ist noch nicht vorbei. Im Herbst starten unter anderem die Verhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich. Der Bereich steckt in einer tiefen Krise und einem Teufelskreis aus schlechten Arbeitsbedingungen, steigendem Druck und Personalabwanderung. Beide Bereiche spielen eine wichtige Rolle für die gesamte Bevölkerung und sind dominiert von weiblichen und migrantischen Beschäftigten. Und: In beiden Bereichen gibt es nicht nur kämpferische Basisinitiativen (Sozial aber nicht blöd, Schule brennt, bessere Schule jetzt - in denen auch ISA Mitglieder aktiv sind), sondern auch viele KPÖ-Mitglieder. Eine breit angelegte Basiskampagne - mit Unterstützung und Einbindung der KPÖ - könnte hier eine kämpferische Strategie durchsetzen, breitere Streiks und Solidarität aus der Bevölkerung organisieren und dadurch echte Verbesserungen erreichen. So ein Arbeitskampf wäre auch ein Vorbild für andere Branchen und Beschäftigte.
Wir wollen solche Aktivitäten gemeinsam mit der KPÖ oder Mitgliedern der KPÖ organisieren und damit den Einzug der KPÖ in den Nationalrat, aber auch den langfristigen Aufbau von Bewegungen und Widerstand unterstützen. Gleichzeitig wollen wir die Situation nutzen, um eine breitere Diskussion zu starten, welches Programm und welchen Zugang wir angesichts einer immer tieferen Krise des weltweiten Kapitalismus brauchen und wie wir das konkret umsetzen können. Warum ist es entscheidend, auch antikapitalistische Forderungen aufzustellen? Warum müssen wir gegen jede Unterdrückung im Kapitalismus kämpfen? Warum braucht es Bewegungsorientierung?
Alle, die dabei helfen wollen, die KPÖ in den Nationalrat zu bringen, aber diese Aktivität auch dafür nutzen wollen, um Widerstand und Organisierung aufzubauen und nicht nur für kleinere Verbesserungen, sondern auch für einen grundlegenden sozialistischen Systemwandel kämpfen wollen, laden wir ein, sich mit uns zu organisieren und gemeinsam aktiv zu werden.
Aktionskonferenz:
Rund um die Wahlen - gerade mit einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung - wird der Aufbau und die Vernetzung von Widerstand besonders wichtig. Die KPÖ könnte dabei eine wichtige Rolle spielen und ihren Wahlkampf dafür nutzen. Z.B. durch die Organisation einer breiten Aktionskonferenz aus den Betrieben, der feministischen, Klima- oder antirassistischen Bewegungen und anderen sozialen Kämpfen, um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie der Wahlkampf bestmöglich für den Aufbau von Widerstand von unten genutzt werden könnte und welche Forderungen und Aktionen es braucht. Eine ähnliche Konferenz könnte auch nach den Wahlen stattfinden, um den Widerstand gegen eine mögliche FPÖ-ÖVP-Politik zu planen.