Antifaschismus und Antirassismus

Der rechte Rand im Sommer 2021

Katja

Die Coronaschwurbler*innen sind zunehmend gewaltbereit und rechts wie der Fall von Ex-Soldat*innen wie “Anna Lena” zeigt. Diese tauschen sich in Telegram-Gruppen über den Bau von Bomben und darüber, Gegner*innen umzubringen, aus. Rechtsextreme in Armeen sind keine Einzelfälle. Immer wieder gibt es Berichte über “verschwundene” Waffen und Munition beim Bundesheer, mindestens 38 Fälle seit 2010 sind bekannt. Es ist naheliegend, dass das im Zusammenhang mit rechten Netzwerken steht.

Ähnliches berichtete die deutsche Taz 2018: “Polizisten, Soldaten, Reservisten, Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes“ sind vernetzt und arbeiten auf einen „Tag X“ hin. Das Ziel: “Politiker*innen und Menschen aus dem linken Spektrum festzusetzen oder zu liquidieren.” Der Kopf dieses Netzwerks innerhalb der deutschen Bundeswehr war Mitglied des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr in Calw. “Er ist Gründer und Vorsitzender eines Vereins, in dem sich Elitekämpfer organisieren.” (Taz) und versorgte die Gruppe mit Informationen und Lagebildern. Genauso wie Marco D., Distriktleiter Süd von “Uniter”, einem rechtsextremen “Verein ehemaliger Elitekämpfer aus Militär und Polizei” (Focus). 2020 gab es Berichte aus Frankreich über Ex-Generäle, die in einem offenen Brief vor einem “Zerfall Frankreichs und einem drohenden “Bürgerkrieg” (SRF) warnen. Das Militär bekommt offene Unterstützung von Marine Le Pen. Hierzulande ist die Mitgliedschaft bei den neofaschistischen Identitären kein Grund für eine Sperre vom Bundesheer...

 

 

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Anklage wegen Amtsmissbrauch

Die Anklage gegen FPÖ-Asyl-Landesrat Waldhäusl steht. Das von ihm verantwortete Asyllager in Drasenhofen erreichte selbst aus bürgerlicher Sicht menschenunwürdige Missstände. Es geht um unbegleitete Minderjährige bzw. die Verletzung des Kindeswohls durch mangelnde Unterkunft und Stacheldraht. Das Strafausmaß: Bis zu 5 Jahre.

 

 

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Gedenken ist Kultur

Angesichts zunehmender Geschichtsfälschung durch Rechtsextremismus und Verschwörungs-Idiotien kommt aktiver antifaschistischer Gedenkkultur große Bedeutung bei. Einem Bündnis rund um das OÖ-Antifa-Netzwerk sowie Mauthausen-Komitee Österreich gelang bezüglich des Waffen-SS-Denkmals in Stillfüssing ein Durchbruch. Statt Pilgerort für Rechtsextreme zu sein, erinnert das neue Mahnmal an die Verbrechen der Waffen-SS und die Millionen Opfer des Nazi-Regimes. Am 4. Mai 1945, kurz vor Ende des 2. Weltkriegs, versuchte in Stillfüssing eine Einheit der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ die vorrückende US-Armee aufzuhalten. Dabei wurden die 13 hier bestatteten SS-Männer getötet. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wurde die SS mit allen ihren Gliederungen zur verbrecherischen Organisation erklärt. Die Waffen-SS hatte zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung in den von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten verübt und ab 1940 stellte sie die KZ-Wachmannschaften. Sie war eine Hauptstütze des NS-Terrors. 
Der Erfolg ist aber angesichts unzähliger „Krieger“ und „Helden“ Denkmäler relativ - und angesichts der Tatsache, dass bis heute diverse Verbände Ewiggestriger öffentliche Gelder erhalten – auch in Oberösterreich und auch mit der Unterstützung von SPÖ und Grünen.

 

 

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Zahlen und Fakten zu rechten Parteien:

Fidesz/Ungarn: 117 von 199 Parlamentssitzen, schaltet die Medien gleich. Durch nationalistische & religiös-fundamentalistische Propaganda versucht sie abzulenken. Es wurde eine Vettern-Wirtschaft aufgebaut. Opposition hat es auch wegen des Wahlsystems schwer

Identitäre/EU-Weit/Österreich, neofaschistische Gruppierung, die Basis ist das radikale Kleinbürgertum. Über Verbindungen zu Parlamentsparteien findet ihre Politik den Weg ins Parlament. In Frankreich/Österreich droht den Identitären ein Verbot.

AfD/Deutschland, rechtsextreme Partei, im Bundestag & Landtagen vertreten. Keine einheitliche Partei, geprägt von Flügelkämpfen. Gerade der faschistische “der Flügel” bildet eine Gefahr. V.a. im Osten gibt es Verbindungen in die gewaltbereite rechte Szene, die sogar zu Hetzjagden führt.

Graue Wölfe/Türkei/Österreich, ist der außerparlamentarische Prügel der MHP, aber auch zunehmend in einem Naheverhältnis mit Erdogans AKP.

Goldene Morgenröte/Griechenland, ehemalige Parlamentspartei, 2020 als kriminell eingestuft, die Führung verhaftet, zu Gefängnis verurteilt, “Berühmtheit” erlangte sie durch Angriffe auf Linke und Morde.

Casapound/Italien, eine faschistische Organisation mit laut eigenen Angaben 20.000 Mitgliedern, kopiert Methoden der Linken wie Hausbesetzung und baut sich u.a. über „Hilfe vor Ort“ auf. Zogen sich taktisch teilweise für die Lega zurück, in ca. 100 Gemeinderäten vertreten.

Partei für die Freiheit/Niederlande, rechtsextreme, rassistische Partei, sind in div. Gremien vertreten. Programmatik: Zuckerl für Autofahrer*innen, soziale Rhetorik und Corona-Verharmlosung

Rassemblement National/Frankreich, rechtsextreme Parlamentspartei, Programmatik: Law-Order-Verschärfung, Rassismus und Protektionismus, um das Klientel am Land anzusprechen. Enge Verknüpfung zu den Identitären

Fortschritts-Partei/Norwegen, rechtspopulistische Partei, 26 von 169 Sitzen im Parlament, ca. 18.000 Mitglieder, ursprünglich neoliberal und konservativ, zunehmend offen rassistisch

 

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Was hilft gegen Rechts?

Beim Kampf gegen FPÖ, Identitäre und Demokratieabbau geht es um die Frage: Was funktioniert wirklich
Lukas Kastner

Bei einem Blick auf die Wahlergebnisse und Umfragen der letzten Jahre läuft einem schon mal ein Schauer über den Rücken. Der Rassemblement National (früher: Front National) ist zur Zeit in Umfragen stärkste politische Kraft Frankreichs, Fidesz scheint in Ungarn fest im Sattel zu sitzen. In Österreich denken noch viele mit Schrecken an Schwarz-Blau zurück. In Deutschland stellt die AFD eine massive Gefahr für Migrant*innen, Frauen, LGBT+ Personen und die Arbeiter*innenklasse insgesamt dar. Europaweit marschieren auf Anti Corona Demos Kleinbürger*innen, Verschwörungsmythiker*innen und faschistische Organisationen gemeinsam. In den USA stürmen Rechtsextreme das Parlament. Anschläge, wie im deutschen Hanau vor einem Jahr wiederholen sich in trauriger Regelmäßigkeit. Hinzu kommt eine zunehmende Verrohung der „normalen“ und sogar der vermeintlich fortschrittlichen bürgerlichen Parteien – was nicht zuletzt durch die Regierungsbeteiligung der Grünen und ihrer zumindest Duldung von Abschiebungen und den Zuständen in Moria etc. verdeutlicht wird.

Im Zuge der ökonomischen Krise und zu erwartendem Unmut gegen die Herrschenden von Seiten der Arbeiter*innenklasse werden zudem in vielen Ländern demokratische Rechte weiter eingeschränkt. So kann der Eindruck entstehen, dass sich die Gesellschaft ständig weiter nach rechts bewegt. Unter manchen Linken und Aktivist*innen im antirassistischen, im feministischen Bereich, sowie der LGBT+ Community geht gar die Angst vor einer Machtergreifung des Faschismus um. Oft wird auch von einem neuen Faschismus gesprochen. So bedrohlich die Lage auch ist: Aus marxistischer Sicht ist eine solche Entwicklung unwahrscheinlich. Der Faschismus basierte auf einer Massenunterstützung v.a. im Kleinbürgertum, welche sich auch auf den Straßen und in bewaffneten Organisationen (historisch die SA, die Heimwehren etc.) ausdrückte. Die rechten Parteien heute schielen eher auf Wahlerfolge, um an Regierungen beteiligt zu sein. Eine dauerhafte Massenmobilisierung abseits des Bierzeltes gelingt ihnen kaum. Im Gegenteil richteten sich die größten Proteste der letzten Jahre – Black Lives Matter, Fridays for Future – gegen rechte Politik und ihre Folgen.

Aber die Entwicklung macht zu Recht Angst. Die Frage, wie diese Entwicklung gestoppt werden kann, ist insbesondere für die Arbeiter*innenklasse von zentraler Bedeutung, da die Rechte der Arbeiter*innen stets zentrales Angriffsfeld für Rechte sind. Die Diskussion „wie die Rechten schlagen“ ist nicht neu, aber umso wichtiger. „Was funktioniert wirklich“ muss die zentrale Frage sein abseits von Wunschdenken und schönen Fantasien.

Wir stehen für eine möglichst große Einheit gegen Rechte und ihre Politik. Ist die Lösung also ein möglichst breites Bündnis, das sich - unabhängig von der Klassenzugehörigkeit, oder der politischen Ausrichtung ihrer Bestandteile – auf den kleinsten gemeinsamen Nenner „gegen rechts sein“ beschränkt? So sollen möglichst viele angesprochen werden. Klingt vielversprechend! Doch lassen sich hiermit eine Strategie und ein Programm gegen rechte Politik und Autoritarismus entwickeln? Sind es nicht gerade die Parteien wie Grüne oder SPÖ, die selbst rechte Politik mittragen (oder sogar vorantreiben), die „Österreich zuerst“ umsetzen und den Arbeiter*innen Sparprogramme verordnen? Kann ein Antirassismus, welcher nicht soziale Fragen wie überhöhte Mieten, zu niedrige Löhne, Stellenabbau und die allgemein ungerechte Verteilung von Reichtum und Vermögen anspricht, überhaupt massentauglich sein? Und: Kann der Kampf gegen rechts innerhalb des Kapitalismus, also einem System, das rechte Ideen und auch Regime auch immer mal wieder braucht und unterstützt, überhaupt zum Erfolg führen?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich der folgende Schwerpunkt. Dabei ist es auch nötig, aus der Geschichte zu lernen, um zu sehen, was funktioniert. Für Sozialist*innen hat sich gezeigt, dass ein Kampf gegen rechts nur durch eine Überwindung des Kapitalismus nachhaltig erfolgreich geführt werden kann. Die Niederlagen der Linken nach der revolutionären Welle in Folge des 1. Weltkrieges und dann in den 1930er Jahren haben dies auf tragische Weise gezeigt. Heute gibt es eine neue Generation, die weltweit gegen sämtliche Aspekte rechter Politik – von Rassismus bis Homophobie, von Frauenunterdrückung bis Klimawandel – auf die Straße geht. Diese neue Generation sieht auch zunehmend die soziale Komponente, wir würden sagen, die Klassenfrage, in dieser Situation und stellt sich zunehmend gegen das ganze kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Dieses erwachende Verstehen gilt es aufzugreifen und mit einer Strategie zu versehen, die die Folgen und Ziele rechter Politik mit der Abschaffung ihrer Grundlagen endgültig in die Schranken weist.

 

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Wie richtig kämpfen? Bündnisfragen & Einheitsfront

Damals wie heute: Keine Illusion in bürgerliche Parteien im Kampf gegen Faschismus und seine Ursachen
Stefan Brandl

Wenn Rechte zur Bedrohung werden, bilden sich Gruppen, um was dagegen zu tun. Es kommt zwangsläufig zur Frage: Wie kann es gelingen und wer soll dabei sein. Dal werden sogar Bündnisse mit ÖVP oder NEOS “gegen die FPÖ” vorgeschlagen. Warum eine solche organisatorische “Breite” nicht die beste Antwort im Kampf gegen Faschismus, Rassismus oder Demokratieabbau ist, werden wir hier beantworten.

Seit den 1920er Jahren wurde in der 3. Internationale über die “Einheitsfront” diskutiert. Eine klare Taktik entstand erst aus der Erfahrung. Gemeint war die Bündelung der Kräfte von Organisationen der Arbeiter*innenklasse gegen die wachsende Bedrohung des Faschismus. Doch in den 1930ern beteiligten sich sozialdemokratische und stalinistische Parteien lieber an den letztlich gescheiterten “Volksfronten”, also an Bündnissen von Bürgerlichen und Arbeiter*innenparteien.

Ähnliche Diskussionen gibt es heute. In Russland oder Ungarn wird versucht, Putin und Orban zu schlagen, indem die jeweils aussichtsreichsten Kandidat*innen von der gesamten Opposition unterstützt werden. Da unterstützen dann Ungarns Sozialdemokratie und Grüne auch mal Jobbik.

Zentrales Ziel solcher Bündnisse ist der Schutz “der Demokratie”. Für Bürgerliche aber bedeutet das die bürgerliche Demokratie - und damit auch die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und alle Unfreiheiten einer kapitalistischen Gesellschaft. Dabei sind es doch genau diese Eigentumsverhältnisse, die Armut erzeugen und dem Faschismus die potenzielle Massenbasis liefern. Während faschistische Schlägertrupps Tatsachen schaffen, setzen bürgerliche “Demokrat*innen” auf Wahlen oder Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof. Sie sehen hilflos zu, wie die Presse oder Versammlungen brutal von marodierenden Banden angegriffen werden. Sie hoffen auf eine Lösung durch mehr Sitze im Parlament oder eine Regierungsbeteiligung. Damit eng verbunden ist die Frage des “geringeren Übels”, also die Wahl einer Partei, die ein bisschen weniger mies als die ganz schlimme ist. So können zwar Parlaments- oder Gemeinderatssitze gewonnen werden, an der tatsächlichen Politik ändert das wenig bis gar nichts. Es werden Illusionen in eine Regierungsbeteiligung geschürt, die dann “alles richten” wird; Arbeitskämpfe, Mobilisierungen und Widerstand von unten wird sogar erschwert.

Die bürgerliche Demokratie, in all ihrer Beschränktheit (Ausschluss großer Teile der Bevölkerung von demokratischen Grundrechten, Bevorzugung von Profiten vor Menschenrechten…) ist dennoch für Arbeiter*innen ein Vorteil gegenüber (faschistischen) Diktaturen. Arbeiter*innen verteidigen auch gewerkschaftliche Rechte, das Recht zu demonstrieren und zu streiken. Es geht um den Kampf gegen Massenarmut und - elend. Und hier kommt es rasch zum Konflikt mit bürgerlichen “Demokrat*innen”, die sich hinter einer leeren Illusion der “Demokratie” verstecken. Tatsächliche Demokratie bedeutet aktive Entscheidungsgewalt in allen Bereichen des Lebens. Einen solchen Rahmen zu schaffen, steht aber im Widerspruch zu den herrschenden Eigentumsverhältnissen, denen Abhängigkeit und Unfreiheit folgen. Nur eine von ökonomischen Zwängen befreite Gesellschaft kann wirklich demokratisch sein. Eine Volksfront scheitert nicht an der Bereitschaft zur Breite, sondern an der Notwendigkeit, soziale und demokratische Kämpfe zu verbinden. Eine Einheitsfront ist kein Garant für Erfolg, aber die Basis, um Arbeiter*innen und Unterdrückten eine echte Chance im Kampf gegen Rechts zu geben.

Die Einheitsfrontmethode ist keine plumpe Formel, sondern eine konkrete Taktik, angepasst an konkrete Gegebenheiten. Auch in heutigen Bündnissen ist die Notwendigkeit, den Kampf für soziale und demokratische Rechte zu verbinden, zentral. Bei der Wahl unserer Bündnispartner können wir nicht auf die so wichtigen sozialen Forderungen verzichten, die nötig sind, um demokratische Grundrechte, den Lebensstandard und letztlich auch uns selbst gegen faschistische Übergriffe zu verteidigen. Bürgerliche Parteien sind verantwortlich für die Politik, die soziales Elend schafft - das durch rechtsextreme „Lösungen“ beantwortet wird. Wenn Bürgerliche verhindern wollen, dass antifaschistischer Kampf soziale Fragen aufwirft, entwaffnen sie ihn!

Wenn wir heute Einheitsfrontpolitik machen, schlagen wir ein Programm mit sozialen Forderungen vor, um so viele Menschen wie möglich (auch unorganisierte) für eine Kampagne gegen Kürzungspolitik und Demokratieabbau oder gegen Rechts zu gewinnen. Das Bündnisangebot ist dabei ein inklusives: Unabhängig von der politischen Mitgliedschaft am Papier, geht das Angebot an alle, die ein ernsthaftes Programm zur Verbesserung der Lage der Arbeiter*innenklasse unterstützen. Viele mögen noch Hoffnungen in den parlamentarischen Weg oder Bündnisse mit bürgerlichen Parteien haben, doch die Praxis zeigt, dass Orban nicht mit der Jobbik bekämpft werden kann.

Wir meinen: Statt täuschender “Breite” brauchen wir heute politische Klarheit und ein Programm nicht nur zur Verteidigung demokratischer Rechte, sondern für eine freie und wirklich demokratische Gesellschaft auch ohne soziale Unterdrückung.

 

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Gegen Rechts: Aus der Geschichte lernen

Kann in der heutigen kapitalistischen Klassenstruktur eine neo-faschistische Bewegung entstehen?
Franz Neuhold

In rechtsextremen Organisationen toben Richtungskämpfe. Es ist unerlässlich, sich einen Überblick für die Beurteilung der vielfältigen autoritären, rechtspopulistischen bis neo-faschistischen Gefahren zu verschaffen. Vergleichen wir dazu die 1930er mit heute.

Die Klassengesellschaften der Zwischenkriegszeit waren von einem sehr großen Kleinbürgertum in Stadt und Land geprägt. Dennoch dominierte in der Phase von Revolution und Gegenrevolution nach dem 1. Weltkrieg die Polarisierung zwischen den Hauptklassen: Arbeiter*innen und Besitzbürgertum. Der Faschismus trat als neues Phänomen dieser Verfallsepoche des Kapitalismus auf. Er verkörperte mehr als jene (groß)bürgerliche Unmenschlichkeit, die bereits im 1. Weltkrieg durchbrach. Die schweren Niederlagen der Arbeiter*innenbewegung seit 1914 waren für das Kapital nicht ausreichend zur Festigung seiner Macht. Die strukturelle Krise verlangte nach einem noch größeren Weltkrieg. Es durfte keinen Ansatz einer Opposition durch die Arbeiter*innenklasse mehr geben. Da das Bürgertum für diese Aufgabe allein auf Dauer zu schwach ist (trotz Polizei und diktatorischer Maßnahmen), brauchte es das in Rage versetzte Kleinbürgertum, welches ungeachtet seiner eigenen Illusionen im Wesentlichen zwei Aufgaben zu erfüllen hatte: die in der Defensive befindliche organisierte Arbeiter*innen-Bewegung zu zertrümmern und im ideologischen Wahn als Kanonenfutter für die anstehenden imperialistischen Schlachten bereit zu stehen. Beides konnte nicht mehr mit den bisherigen Parteien und Programmen erreicht werden.

Hier scheinen Ähnlichkeiten zum aktuellen Rechtspopulismus durch. Doch populistische „Anti-System-Haltung“ ist für eine Gleichsetzung mit Faschismus zu wenig. Entscheidend ist die Fähigkeit zu Massenmobilisierungen auf der Straße und nicht bloß Stimmabgabe bei Wahlen. Genau dieser scheinbare Anti-System-Kurs ist eine Quelle für Richtungskämpfe in rechtsextremen Parteien, die in sich auch Elemente neo-faschistischer Ideologie tragen; inkl. in Leitungs-Gremien. Hier sei auf die Lage der deutschen AfD (sowie FPÖ) hingewiesen. Selbst mit einer Spaltung oder Mehrheitsentscheidung weg von der Orientierung auf Regierungsbeteiligung und damit Töpfen voller Privilegien ist eine faschistische (Massen)bewegung noch nicht formiert. Welche Umwandlungsschritte braucht es von „Wutbürger*innen“ und „Protestwähler*innen“ hin zu jenem Abschaum, der keinerlei Hemmungen kennt, andere als minderwertig angesehene Menschen aktiv zu verletzen und zu töten? Dies ist nicht bloß durch Propaganda zu erreichen. Es hängt mit der weiteren Entwicklung des Krisen-Kapitalismus und den unvermeidlichen sozialen Kämpfen zusammen.

Sicherlich gibt es auch heute Kleinbürgertum bzw. Mittelschichten (im weiteren Sinn). Doch das Kleinbürgertum ist deutlich kleiner als vor einem Jahrhundert. Die Mittelschichten sind stärker „proletarisiert“, also zu einem guten Teil unselbständig oder schein-selbständig erwerbstätig. Dies ist ungeachtet der Tatsache, dass sich in Ermangelung einer starken kämpferischen Arbeiter*innen-Bewegung die wenigsten als Teil der Arbeitnehmer*innenschaft definieren. Dennoch: Das Klassengefüge entspricht nicht mehr jenem der Zwischenkriegszeit. Dies bedeutet nicht automatisch, dass es keine faschistischen Massenbewegungen mehr geben kann. Doch zumindest bedeutet es, dass die Spielräume dafür kleiner sind als damals ODER Faschismus heute in anderer Form auftreten und sich entfalten müsste. Jedenfalls ist zwischen „faschistisch“ (Ideologie sowie relativ kleine Organisationen) und „Faschismus als Massenbewegung des verzweifelten Kleinbürgertums“ zu unterscheiden.

In der Zwischenkriegszeit wurde von bürgerlichen Kräften inkl. den Führungen der Arbeiter*innen-Parteien das Konzept der „Volksfront“ durchgesetzt. Ein oberflächliches und falsches Argument war, dass die Arbeiter*innenklasse allein zu schwach wäre. Eine 'Volksfront' ist ihrem Wesen nach ein Bündnis, das sich zwar formal gegen den Faschismus stellt, jedoch nicht seine Ursachen bekämpft. Leo Trotzki nannte es eine “Koalition des Proletariats mit dem imperialistischen Bürgertum“. Während die politischen Kräfte dieses Bürgertums volle Handlungsfreiheit behalten, wird die der Arbeiter*innen brutal begrenzt. All das half letztlich dem Faschismus auf seinem Weg zur Macht. War damals schon die wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle einer geeinten und anti-kapitalistisch positionierten Arbeiter*innenschaft riesig, führen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zu einem noch klareren Bild. Blicken wir auf das ländliche Kleinbürgertum Frankreichs: damals wie heute machen die landwirtschaftlich bestellten Flächen 55% des Staatsterritoriums aus. Der Anteil am BIP beträgt jedoch heute magere 1,6 %, in den 30ern über 30%. Die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe drittelte sich 1970 bis 2007 von 1,6 Mio. auf 527.000. Die potentielle Dominanz der Arbeiter*innenklasse (inkl. ihrer Randschichten in den „Mittelklassen“) drückt sich auch durch die Erwerbsquote aus: obwohl sie in Frankreich im EU-Vergleich relativ niedrig ist, liegt sie dennoch bei ca. 72% (+ 10% Erwerbsarbeitslose)!

Ungeachtet des geschrumpften Kleinbürgertums gibt es Ansätze in neo-faschistischer Richtung, wie die Organisation „Génération Identitaire“. Elemente des Terrorismus sind bereits sichtbar (z.B. Schießerei bei einer rassistischen Attacke in Nizza 2020). Doch für neofaschistischen Terror sind die führenden Kapital-Fraktionen noch nicht zu erwärmen. Jegliches Durchwinken brachialen Rechtsterrorismus auf den Straßen würde auf eine Arbeiter*innen-Bewegung treffen, die trotz bisheriger Schwäche am aufsteigenden Ast sitzt. Die Anzeichen für eine Radikalisierung junger und besonders dynamischer Schichten gegen die Wirkungen der sozialen Krise UND die Gefahr von Autoritarismus und Neo-Faschismus häufen sich. Die Herrschenden können (noch) nicht jene Instabilität riskieren, die Neo-Faschismus für das gesamte System mit sich brächte. Das darf uns jedoch niemals in falscher Sicherheit wiegen.

Trotz der Gefahren, die durch Kräfte wie AfD (auch nach einer Spaltung), FPÖ und die bereits vorhandene Nazi-Terror-Szene ausgehen: über die letzten 30 Jahre war die organisierte Arbeiter*innen-Bewegung nur schwach präsent. Ihre Schwächen sind allerdings anderer Art als die schweren konterrevolutionären Niederlagen der Zwischenkriegszeit. Die Rückkehr einer internationalistischen und sozialistischen Stimmungslage kann in Verbindung mit der Mobilisierungsfähigkeit die Umwandlung von rechtsextremen Wahlparteien in neo-faschistische Bewegungs-Experimente entscheidend hemmen. Letztlich läuft jedoch alles auf einen direkten Kampf mit der herrschenden und besitzenden Klasse um die Eigentumsverhältnisse hinaus. Diese besitzt ihrerseits aufgrund globaler Widersprüche und dem Zusammenbruch etablierter Politik-Landschaften keineswegs die langfristige Stärke, die sie gegenwärtig in Form autoritärer Tendenzen zu zeigen versucht. Der im Kern völlig ausgehöhlte Kapitalismus kann tatsächlich pulverisiert werden, sobald sich die potentielle Stärke einer solidarischen globalen Bewegung mit klarem Programm und Handlungsanleitung formiert haben wird. Vom sozialen Fundament her kann sie sich auf etwa ¾ der Gesellschaft stützen.

 

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Der rechte Rand im Mai 2021

Katja

Martin Rutter ist zentraler Organisator der „Corona“-Demos. Am 10.4. hatten sie aufgerufen, mit Kindern zu kommen. Stattdessen kamen Rechtsextreme und Faschist*innen – u.a. der Identitäre Martin Sellner.

Rutter startete 2009 bei den Grünen, ging dann aber rasch zu Stronach, dem Team Kärnten und dann dem BZÖ, mit dem er 2019 als „Allianz der Patrioten“ antrat. „Stoppt die Rechten“ berichtet: „..bis er dort (beim Team Kärnten, Anm.) 2017 endlich wegen seines Auftritts beim rechtsextremen Ulrichsbergtreffen ausgeschlossen wurde.“ In seiner Rede zur „Migrationslüge“ erklärte er unter dem Applaus rechter Recken, mit Bezug auf „die Helden“ des 1. & 2. Weltkrieges und des (Kärntner) „Abwehrkampfes“: „es geht darum, das Feuer weiter zu tragen.“

Das sind einschlägige Codes, weitere, auch antisemitische, finden sich laut stopptdierechten.at auf seiner Facebook Seite: „Systemmedien“, „Volksverräter“, „Lügenpresse“, „Parasiten“ etc. Der Werbeunternehmer Rutter selbst war gut verdienender Abgeordneter zum Kärntner Landtag. Wie die Unterkärntner Nachrichten 2018 berichteten: „Aktuell verdient ein Landtagsabgeordneter in Kärnten 4.546,10 Euro brutto im Monat,...“

Als bei einer Corona Demo eine Regenbogenfahne zerrissen wurde, deutete er als „Sprecher“ gegenüber der APA diese Fahne zum Symbol der Pädophilie um und erklärte, dass „die Grünenbewegung…Pädophilie und Kindesmissbrauch straffrei stellen wollte“. Vor wenigen Wochen wurde er wegen Verhetzung - in erster Instanz und noch nicht rechtskräftig - schuldig gesprochen…

 

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Flüchtlingsbereich: Beschäftigte kämpfen

Die Lage an den EU Außengrenzen ist katastrophal (Moria, Kara Tepe…). Auch in Österreich verschlechtert sich die Unterbringungssituation Geflüchteter. Denn anstatt genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen, um menschenwürdige und corona-sichere Lebensbedingungen zu schaffen, werden hier Flüchtlingseinrichtungen aufgrund „mangelnder Auslastung“ geschlossen. Doch auch gegen diesen Zynismus regt sich Widerstand: Flüchtlingsbetreuer*innen waren schon in vergangenen Bewegungen wichtiger Teil antirassistischer Proteste – viele begannen im Zuge der Bewegung 2015 in diesem Bereich zu arbeiten. Kolleg*innen organisieren sich in Initiativen wie „Sozial, aber nicht blöd“ (mehr auf Seite 4), um für bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte und bessere Lebensbedingungen für Geflüchtete zu kämpfen.

 

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Der rechte Rand - Gottfried Küssel

Katja

Gottfried Küssel tritt wie viele andere einschlägig Rechte bei den Corona-Demos wieder in Erscheinung und wie „Stoppt die Rechten“ berichtet: „Bei beiden Demos war der Neonazi Gottfried Küssel nicht bloß Zaungast, sondern…. in engem Austausch mit den Organisatoren Hannes Brejcha und Lucas Tuma“. Das Dokumentationsarchiv schreibt: “ VAPO-Vorsitzender Gottfried Küssel selbst bezeichnete sich auch öffentlich als Nationalsozialist. In einem Schulungsbrief der VAPO werden als Zielvorstellungen die ‚Neugründung der NSDAP‘ und die ‚erneute Machtergreifung‘ angegeben.“ Über Küssels Methoden berichtet Hans-Henning Scharsach, dass „Zur Vorbereitung der militärischen Machtergreifung Wehrsportübungen veranstaltet wurden, bei denen 13- bis 20-Jährigen‚ ‘militärische Tugenden‘ vermittelt werden sollten.” Wilhelm Lasek schreibt in "Funktionäre, Aktivisten und Ideologien der rechtsextremen Szene in Österreich", dass Küssel 1994 in einem „zweiten Prozess wegen NS-Wiederbetätigung zu 11 Jahren Haft verurteilt wurde.“ Küssel bleibt auf Linie und berichtet laut Standard in einem Interview mit einem Aktivisten aus dem Umfeld der Corona-Demos über seine Haft. Verbindungen zur FPÖ und den neofaschistischen Identitären, die ebenfalls kräftig bei den Corona-Demos mitmischen, verwundern wenig. Scharsach schreibt in “Stille Machtergreifung“ über Martin Sellner “von dem es Fotos gibt, wie er bei neonazistischen Veranstaltungen einträchtig mit Gottfried Küssel (...) marschiert.“ Auch 2021 marschieren die Kameraden wieder Seit an Seit...

 

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