Internationales

Streikwelle in den USA

Brettros

"Striketober" ist ein neues Wort, es setzt sich aus "strike" und "October" zusammen und fasst einen Trend zusammen, der sich 2021 entwickelte, als in den USA an immer mehr Arbeitsplätzen gestreikt wurde und der im Oktober seinen Höhepunkt erreichte. Die Streikwelle ist auch die Antwort auf Jahrzehnte von erhöhtem Arbeitsdruck und sinkenden Reallöhnen und das Gefühl „es geht nicht mehr“.

2020 war die Zahl der Streiks so niedrig wie seit Jahren nicht mehr, da viele Beschäftigte zu Beginn der Covid-19-Krise entlassen wurden oder Angst hatten, zu kämpfen. Doch als die Lockdowns endeten, wurde klar, dass die Unternehmen mehr Arbeitskräfte brauchten – das verleiht der Arbeiter*innenklasse auch potentiell mehr Macht.

2021 legten Hunderttausende in Krankenhäusern, Minen, Fabriken und anderen Bereichen in über 350 Streiks die Arbeit nieder. Auch wenn manche der Streiks nur eine kleine Belegschaft umfassten, so ermutigte doch jeder Streik den nächsten.

Die Beschäftigten von Frito-Lay, die zu so genannten "Selbstmordschichten" (12 Stunden an sieben Tagen in der Woche) gezwungen worden waren, traten im Juli in den Streik. Nach fast drei Wochen erreichten sie für das Unternehmen verpflichtende Freistellungen und andere Zugeständnisse, was Beschäftigte anderer Snack-Fabriken zum Streik inspirierte.

Am wichtigsten war vielleicht, dass 10.000 John Deere-Fabrikarbeiter*innen in 5 Bundesstaaten über einen Monat lang streikten. Die Führung ihrer Gewerkschaft UAW hatte zuvor einen miesen Deal Vertrag ausgehandelt. Stattdessen stimmten die Beschäftigten zu 99 % für Streik. Als Manager*innen während des Streiks versuchten, die Maschinen zu bedienen, kam es zu einer Reihe von Unfällen.

Der größte Streik von 60.000 IATSE-Mitglieder (Hollywoods Kulissenarbeiter*innen) wurde im Oktober knapp abgewendet. Dies hätte den größten Teil der Film- und Fernsehproduktion in Hollywood zum Erliegen gebracht.

Als Folge der Streiks ist auch die Unterstützung für die Gewerkschaften in den USA auf den höchsten Stand seit den 1960er Jahren gestiegen. Offensichtlich haben die Arbeitnehmer aus dieser Reihe von Erfolgen gelernt, dass sich kämpfen lohnt. Das wird wohl 2022 zu noch mehr Streiks führen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Seattle: Sieg für Massenkampagne

Seit 9 Jahren versuchen die Herrschenden erfolglos, die sozialistische Stadträtin Sawant loszuwerden.
Dylan Pattillo und Peter Hauer, www.socialistalternative.org

Seit 2013 sitzt Kshama Sawant, Mitglied unserer Schwesterorganisation Socialist Alternative (SA) in den USA, im Stadtrat von Seattle. In dieser Zeit konnte sie den 15$/h Mindestlohn, eine Steuer auf Großunternehmen wie Amazon (dessen Sitz in Seattle liegt) und Mietzinsobergrenzen durchsetzen. All das konnte nur erreicht werden, weil Kshama immer soziale Bewegungen und Kämpfe hinter sich hatte, die Druck aufbauten - sie selbst versteht sich als deren Sprachrohr zum Aufbau. Kshama und SA haben durch so eine Vorbildrolle für unabhängige, sozialistische Politik eingenommen: Der 15$ Mindestlohn breitete sich von Seattle über die ganzen USA aus.

Die Bosse wollen verhindern, dass sich mehr Arbeiter*innen organisieren, deswegen versuchen sie seit 9 Jahren alles, um Kshama loszuwerden: Mehrere Millionen Dollar stellte Amazon für Egan Orion, Kshamas Gegner bei den letzten Wahlen, zur Verfügung. Mit juristischen Angriffen wollen sie ihre Arbeit sabotieren. Der letzte Versuch war eine Wahl zur Amtsenthebung (Recall). Die Initiator*innen des Recall warfen Kshama u.a. vor, „illegalerweise“ eine Black Lives Matter-Demo in das Rathaus von Seattle geführt zu haben.

Der Recall war eine Initiative der Rechten und Kapitalist*innen: Er wurde u.a. gesponsert von 500 republikanischen und über 100 Trump-Spender*innen. Prominent unter ihnen: George Petrie, der größte Trump-Sponsor aus Washington, Howard Schultz, ehemaliger Chef von Starbucks oder Martin Selig, ein Immobilien-Hai, der an die Abschiebebehörde ICE vermietet. Aber auch zahlreiche Demokraten beteiligten sich führend an der Kampagne gegen Kshama.

Sobald der Recall öffentlich wurde, startete SA eine Kampagne dagegen. Über ein Jahr lang zog sich der Kampf. Zentrale Strategie war es, den Klassencharakter des Recalls zu entblößen und die Unterstützer*innen in die Verteidigung einzubinden. So wurde klargemacht, worum es geht.

Eine der größten Hürden stellte der Versuch des Recalls dar, es durch den Wahltermin für Arbeiter*innen, Arme und Jugendliche besonders schwierig zu machen, zur Wahl zu gehen. Deswegen zögerten die Recaller*innen den Wahltermin hinaus – und zwar auf die Zeit zwischen Thanksgiving und Weihnachten. Das Ziel war eine möglichst niedrige Wahlbeteiligung. Um dies zu kontern, brachte Kshamas Team die Wahl direkt zu den Arbeiter*innen. Mehrsprachige Teams gingen in migrantische Nachbarschaften, um ihnen eine Teilnahme zu ermöglichen, inklusive Drucker, mit denen die Wahlzettel gedruckt werden konnten. All das wäre nicht möglich gewesen ohne die große Anzahl an Aktivist*innen - insgesamt über 1.500 Personen. Ununterbrochen diskutierten sie mit Leuten auf der Straße und im Bekanntenkreis. Im Schichtbetrieb wurden Kundgebungen abgehalten und von Tür zu Tür gegangen. Am letzten Samstag vor der Wahl waren über 150 Personen im ganzen Wahlkreis unterwegs.

Die Anzahl an Aktivist*innen zeigt beeindruckend, dass es zwar wichtig ist, Kshama als Stadträtin zu behalten, aber dass das damit verbunden ist, Arbeiter*innen zu organisieren. Kshama und ihr Team unterstützen zum Beispiel den Streik der Bautischler*innen. Diese mussten zum Teil sogar gegen ihre eigene Gewerkschaftsführung streiken, die einen faulen Kompromiss eingehen wollte. Prompt sprachen sich die Gewerkschafts-Bürokrat*innen beim Recall gegen Kshama aus - doch sie gewann die Unterstützung der streikenden Basis. Auch andere Bewegungen wurden mit dem Wahlkampf verbunden, so nahmen z.B. Mieter*inneninitiativen oder Arbeiter*innen aus dem Kampf um den Mindestlohn an der Verteidigung des Sitzes teil.

Rotzfrech gab die Kampagne den Kurs an: Egal welche Angriffe die politischen Gegner*innen starten, man ließ sich nicht in die Defensive drängen. Kshama machte klar: Keine Rechtfertigungen vor Jeff Bezos & Co für den sozialistischen Kurs. Keine Kompromisse mit der herrschenden Klasse, die akzeptiert, dass Menschen für ihre Profite sterben.

Schließlich wurde der Recall nur dank dieser klaren Positionen bei der Abstimmung besiegt. Das zeigt vor allem, dass konsequente linke Politik, die sich nicht dem Druck beugt, sondern zu ihrem sozialistischen Programm steht, mehrheitstauglich ist - und zwar unter Arbeiter*innen. „Progressive“ Kandidat*innen scheitern immer wieder, weil sie, ohne ein klares Programm und eine starke Bewegung hinter sich zu haben, glauben, Kompromisse eingehen zu müssen und „klug taktieren“ zu können. Es braucht aber nicht mehr Stellvertreter*innenpolitik, sondern es braucht eine revolutionäre Partei, die mit einem kämpferischen Programm für ein sozialistisches Programm und eine sozialistische Gesellschaft kämpft. Das haben Kshama, Socialist Alternative und unsere Internationale, die ISA, einmal mehr gezeigt.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

12.1. Protest wegen Kasachstan

Sozialist*innen in Solidarität mit den Arbeiter*innen in Kasachstan
Yasmin Morag

Während das diktatorische Regime Kasachstans, unterstützt von russischen Panzern und Truppen, eine weitere "Säuberung" des breiten und brutal unterdrückten Aufstandes durchführte, hielten am 12.1. Mitglieder der SLP eine Kundgebung vor der kasachischen Botschaft in Wien ab. Unsere Plakate in Englisch und Deutsch sagten „Solidarität mit den Arbeiter*innen und Armen in Kasachstan“, „Nieder mit der Diktatur“. Wir wendeten uns klar gegen jede imperialistische Intervention, egal ob von Russland oder dem „Westen“. In unseren Reden betonten wir die Rolle der Arbeiter*innenklasse im Aufstand, der vorrevolutionäre Elemente hat und viel mehr ist als ein Machtkampf in der Elite. Die Massen haben die Diktatur satt und sind bereit, alles zu tun, um sie zu bekämpfen. Wir wiesen auch auf die Verflechtungen zwischen der österreichischen und der kasachischen herrschenden Klasse und die Abhängigkeit Österreichs von den reichen Ressourcen Kasachstans hin. Kasachstan ist Österreichs wichtigster Erdöllieferant! Der ehemalige SPÖ-Kanzler Gusenbauer war lange gutbezahlter Berater des nach wie vor einflussreichen (ehemaligen) Diktators Nasarbajew. Es ist klar, dass den Herrschenden in Österreich "Stabilität" und "business as usual“ wichtiger ist als Demokratie oder Menschenrechte. Unsere Forderungen richten sich daher auch an den ÖGB, die Arbeiter*innen in Kasachstan zu unterstützen.

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Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kanadischer Konvoi: Ein Aufruf an die Gewerkschaftsführer*innen zum Aufwachen!

Seit über zehn Tagen wird das Zentrum von Ottawa vom so genannten "Freedom Convoy" blockiert, einem landesweiten Protest, der ein Ende aller COVID-Maßnahmen auf Bundes- und Provinzebene fordert. Einige sind noch weiter gegangen und haben die Absetzung der
Brielle Smith & Martin LeBrun, Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SLP in Kanada)

Dieser Artikel erschien ursprünglich am Dienstad, den 08. Februar 2022, auf der Homepage unserer Internationale - International Socialist Alternative (ISA). 

Seit mehr als zehn Tagen wird das Zentrum Ottawas vom so genannten "Freedom Convoy" blockiert, einem landesweiten Protest, der ein Ende aller COVID-Maßnahmen auf Bundes- und Provinzebene fordert. Einige sind noch weiter gegangen und haben die Absetzung der gewählten Regierung gefordert. Das Thema hat die kanadischen Nachrichten völlig beherrscht. Im Gegensatz dazu wurde über die zahlreichen Kundgebungen für Klimagerechtigkeit in den letzten Jahren kaum berichtet. Scharen von Demonstrant*innen - mit unterschiedlichem politischem Selbstverständnis - sind auf die Straße gegangen, um ihre Sache zu unterstützen. Eine weitere Blockade, bei Coutts an der Grenze zwischen den USA und Kanada, hat zeitweise den wichtigsten Straßenübergang zwischen Alberta und den USA geschlossen. Am Wochenende vom 5. bis 6. Februar gab es in vielen Städten des Landes Konvois. Bei Redaktionsschluss dieses Artikels dauern die Proteste in Ottawa und in Coutts, Alberta, noch an. Am 7. Februar wurde der Verkehr in die USA auf der Ambassador-Brücke zwischen Windsor und Detroit gestoppt, der meistbefahrenen Lkw-Kreuzung zwischen den beiden Ländern, die täglich von mehr als 10.000 Nutzfahrzeugen genutzt wird - dies wird das Leben der arbeitenden Lkw-Fahrer*innen noch schwieriger machen!

 

Rechtsextreme Beteiligung

Die Hauptorganisator*innen des Protests sind, was viele der Teilnehmer*innen nicht wissen, offene weiße Rechtsextremist*innen. Tamara Lich, die auf GoFundMe über zehn Millionen Dollar für den Konvoi gesammelt hat, ist ein ehemaliges Mitglied der inzwischen aufgelösten Wexit-Partei, die für ihre Behauptungen bekannt ist, Trudeaus Regierung wolle "die weiße angelsächsische Rasse [Kanadas] entvölkern". Pat King, in den Anfangstagen des Convoy ein wichtiger Organisator von Spendenaktionen, ist in extremen rassistischen Kreisen wohlbekannt. Christopher Pritchard, der auf der Kundgebung in Ottawa sprach, ist für seine antisemitischen und rassistischen Ansichten bekannt. Die Organisation Canada Unity, die den Konvoi ins Leben gerufen hat, wurde von James Bauder gegründet, einem Anhänger der QAnon-Verschwörungstheorie. Romana Didulo, eine prominente Vertreterin von QAnon, die sich selbst als "Königin von Kanada" bezeichnet, verbrannte bei den Protesten in Ottawa die kanadische Flagge. Im Dezember forderte sie ihre Online-Anhänger auf, "jeden zu erschießen, der versucht, Kinder unter 19 Jahren (mit COVID-Impfstoffen) zu impfen". Auch die extreme Rechte in Québec ist daran beteiligt, darunter La Meute, eine Anti-Islam-Gruppe. Weitere wichtige Akteure sind das rechtsextreme Social-Media-Unternehmen Rebel Media und die Mitglieder von United We Roll, einer Gruppe rechtsextremer Lastwagenfahrer*innen, die bereits einen Konvoi nach Ottawa zur Unterstützung von Pipelines im Jahr 2019 organisiert haben. Sie haben bereits früher mit Firmenchefs und der Polizei von Regina zusammengearbeitet, um streikende Raffineriearbeiter*innen zu bedrohen. Der Gründer von Tesla und SpaceX, Elon Musk, twitterte am 28. Januar seine Unterstützung mit den Worten "Canadian truckers rule". Das Echo in Ottawa war gemischt. Viele konservative Abgeordnete haben Unterstützung für den Konvoi signalisiert. Der konservative Abgeordnete Michael Cooper verteilte in den ersten Tagen des Protests Kaffee an die Demonstranten. Die ehemalige Vorsitzende der Konservativen, Erin O'Toole, die sich gegen Impfstoffmandate ausspricht und das Recht des Konvois auf Protest unterstützt, forderte Premierminister Trudeau auf, sich mit den Demonstranten zu treffen, um deren Anliegen zu hören. Die Entscheidung von Trudeau, für grenzüberschreitende Lkw-Fahrer*innen einen Impfnachweis vorzuschreiben, war die Initialzündung für den Konvoi. Trudeau hat sich bisher geweigert, sich mit den Demonstrant*innen zu treffen. Er hat zu Recht kritisiert, dass einige Demonstrant*innen nazistische und rassistische Symbole verwendeten, auf das Kriegsdenkmal urinierten und auf dem Grabmal des unbekannten Soldaten tanzten sowie sich einschüchternd verhielten. Er hat sich auch geweigert, das Mandat zum jetzigen Zeitpunkt aufzuheben, obwohl es in den USA bereits eine ähnliche Maßnahme gibt. Inzwischen haben sich mehrere Lkw-Verbände gegen die Proteste ausgesprochen, darunter der Private Motor Truck Council of Canada, die Atlantic Provinces Trucking Association und die Canadian Trucking Alliance. Viele Lkw-Fahrer*innen in Alberta sind frustriert über die Coutts-Blockade, da sie ihrer Arbeit nicht nachgehen können oder lange Umwege über engere und weniger sichere Straßen in Kauf nehmen müssen. Kanadische Lkw-Fahrer*innen südasiatischer Abstammung machen 18 Prozent aller kanadischen Lkw-Fahrer*innen aus, 50 Prozent in Vancouver und Toronto, aber ein*e Südasiat*in ist sehr selten bei den Protesten zu sehen. Die meisten südasiatischen Fahrer*innen fühlen sich von dem, was manche als Trucker-Bewegung bezeichnen, nicht vertreten. Jagroop Singh, der Präsident der Ontario Aggregate Trucking Association, sagt, dass sich niemand an die südasiatische Gemeinschaft gewandt hat, um sie zu fragen, ob sie mit den Protestforderungen einverstanden sind. Die Impfraten in der südasiatischen Gemeinschaft in Südontario liegen mit 90 Prozent über dem nationalen Durchschnitt. Manan Gupta, der Herausgeber des Magazins Road Today, dessen Leserschaft die südasiatische Lkw-Gemeinschaft ist, erklärte gegenüber The Globe and Mail: "Einwandererfamilien in Orten wie Brampton und Mississauga leben in Mehrgenerationenfamilien. Ein südasiatischer Lkw-Fahrer will sich nicht mit COVID anstecken, nur um dann zurückzukommen und die Großeltern anzustecken." Die Aufweichung der Vorschriften und die Angriffe auf die Gewerkschaften haben viele Lkw-Fahrer*innen anfällig für Ausbeutung gemacht. Die Reallöhne wurden im Laufe der Jahrzehnte immer weiter gekürzt. Die Proteste vereinen die kanadischen Trucker*innen nicht. Im Gegenteil, was die Trucker*innen vereinen würde, wäre eine Kampagne für sicherere Straßen mit ausreichenden Rastplätzen, zweispurige Autobahnen in abgelegenen Gebieten, ein Ende des Lohndiebstahls und eine bessere Bezahlung. Für Trucker*innen, die wie Arshdeep Singh Kang aus Brampton, Ontario, für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, "sind das die wirklichen Themen, die uns alle vereinen sollten, und nicht die Impfvorschriften". Eine echte Trucker-Bewegung würde sich nicht nur auf niedrige Löhne und Lohndiebstahl konzentrieren, sondern auch auf schlechte Ausbildung und unzureichende Gesetze zur Kontrolle skrupelloser Arbeitgeber*innen. Bei den meisten Fahrzeugen auf den Protesten handelt es sich nicht um Lkw, sondern um Pkw und Lieferwagen. Bei den meisten Trucker*innen im Konvoi und bei den Protesten handelt es sich, wenn überhaupt, um Eigentümer*innen und nicht um angestellte Arbeiter*innen. Die Blockaden bei Coutts und der Ambassador-Brücke schaden den arbeitenden Trucker*innen, und die Aktionen in Ottawa haben viele Arbeiter*innen hart getroffen. Dies ist keine Bewegung der Arbeiter*innenklasse Können Sie sich vorstellen, den Chef eines Fuhrunternehmens zu fragen: "Kann ich ein paar Wochen bezahlten Urlaub bekommen, um nach Ottawa zu fahren, und, ach ja, kann ich auch den Lkw mitnehmen?" Und der Chef stimmt freudig zu?

 

Kein Ende in Sicht?

Die Organisator*innen gaben unglaubliche Erklärungen ab, wie z. B. die Behauptung von Tamara Lich, dass 50.000 schwere Lkw nach Ottawa fahren würden, ein Konvoi, der 1.150 Kilometer von Edmonton nach Vancouver reichen würde! Realistischerweise kamen ein paar hundert Lastwagen sowie Pickups und Autos, und am ersten Wochenende waren es etwa 10 000 Demonstranten, deren Zahl im Laufe der Woche jedoch auf Hunderte schrumpfte. Am zweiten Wochenende gab es jedoch einen Aufschwung, und die Proteste werden auch in der zweiten Woche fortgesetzt. In den Nachrichten wurde von Anwohner*innen und Arbeiter*innen der Innenstadt von Ottawa berichtet, die sich über die unaufhörlichen Dieselabgase, das nächtliche Hupen, die blockierten Straßen und das allgemein feindselige Verhalten der Demonstrant*innen, die sich nicht an die Maskierungs- und Impfpassvorschriften halten wollten, sowie über die Belästigung von sichtbaren Minderheiten und Frauen aufregten und traumatisiert waren. Viele Bewohner*innen der Innenstadt fühlen sich als Geiseln in ihrem Viertel. Einige Anwohner*innen haben die Polizei von Ottawa aufgefordert, "ihre Arbeit zu machen" und die Proteste aufzulösen. Der Polizeichef von Ottawa, Peter Sloly, erklärte, er sei "zunehmend besorgt, dass es keine polizeiliche Lösung für diese Situation gibt" und schlug vor, das Militär einzuschalten. Sowohl Trudeau als auch das kanadische Militär haben geantwortet, dass es keine Pläne für ein militärisches Eingreifen gibt. Ottawa hat den Notstand ausgerufen, aber es bleibt unklar, was sie tun werden. Bei den Protesten in Ottawa wurden rassistische Flaggen gezeigt. Besorgniserregend sind auch die Aktionen einiger Konvoi-Anhänger*innen, die Krankenwagen blockieren und medizinisches Personal bedrohen. Der Konvoi, der kürzlich durch Vancouver fuhr, wollte an mehreren Krankenhäusern vorbeifahren, und das Gesundheitspersonal wurde angewiesen, nicht nach draußen zu gehen und, falls doch, nichts zu tragen, was sie als Gesundheitspersonal ausweisen könnte. Das Gesundheitspersonal in Toronto erhielt ähnliche Warnungen. Die Beschäftigten des Gesundheitswesens sind bis zur Erschöpfung im Einsatz, sie arbeiten lange, um Leben zu retten; sie sind Helden, keine Schurken. Bislang hat die Polizei nur sehr milde auf die Proteste reagiert. Tausende haben sich an den Protesten beteiligt, wobei es zu zahlreichen Park- und Verkehrsverstößen sowie zu Verstößen gegen die COVID-Sicherheitsvorschriften kam. Die Rideau Mall ist seit über einer Woche geschlossen, nachdem sie mit einer großen Anzahl unmaskierter Demonstrant*innen gefüllt war. Dennoch gab es nur eine Handvoll Verhaftungen. Viele Kritiker*innen des Konvois haben auf das sanfte Vorgehen der Polizei im Gegensatz zur Behandlung der Land Defenders hingewiesen. Die RCMP ist mehrmals in Wet'suwet'en eingedrungen, bewaffnet mit Hunden, Sturmgewehren, Hubschraubern und schwerem Baugerät. Sie griffen indigene Älteste und Frauen brutal an. Sozialist*innen, indigene Aktivist*innen und Umweltschützer*innen müssen vorsichtig sein, wenn sie zu Polizeieinsätzen aufrufen, da solche Maßnahmen noch härter gegen Streikende, Umweltschützer*innen, BLM-Proteste usw. eingesetzt werden. Im Allgemeinen ist die Polizei nicht gegen den Konvoi vorgegangen, da er keine Bedrohung für das Kapital darstellt, anders als die Wet'suwet'en-Blockade und ihre Bedrohung für die Gewinne von TC Energy. Proteste und Landverteidigung richten sich am besten gegen das Kapital und das Großkapital und nicht gegen die Belästigung der einfachen Leute. GoFundMe beendete am 4. Februar die Spendensammlung für den Konvoi auf seiner Website und begründete dies mit der "Förderung von Gewalt und Belästigung" in Ottawa. Es sagt nun, dass es allen, die gespendet haben, das Geld zurückerstatten wird. Die Organisator*innen sind zu einer so genannten christlichen Fundraising-Seite gewechselt, die zuvor Geld für die Proud Boys gesammelt hatte. Es wurden ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Herkunft der Gelder für den Konvoi geäußert. Die Kampagne hat auch in den USA Auswirkungen. Donald Trump hat den Konvoi wenig überraschend unterstützt, indem er Trudeau einen "linksradikalen Irren, der Kanada zerstört hat", nannte, und Trump unterstützt derzeit einen Versuch, einen ähnlichen Konvoi nach Washington DC gegen Bidens COVID-Politik zu bilden. Der Widerstand gegen diese Bewegung, die sich gegen Impfungen und öffentliche Gesundheitsmaßnahmen richtet, wächst. In Vancouver wurde der Konvoi mehrere Stunden lang durch eine Gegenkundgebung blockiert und war gezwungen, von einigen der Krankenhäuser, die die Organisatoren ansteuern wollten, abzulenken. In Toronto versammelten sich über 1.000 Menschen zu einer von der Ontario Health Coalition organisierten Kundgebung zur Unterstützung der Beschäftigten im Gesundheitswesen. In Ottawa jedoch lehnten die Führer*innen der Public Service Alliance of Canada eine Kundgebung ab. Im ganzen Land müssen die Beschäftigten des Gesundheitswesens und andere Gewerkschaften aktiv werden, um ihre Beschäftigten im Gesundheitswesen zu schützen und eine Alternative zur Angst vor dem Konvoi zu bieten.

 

Eine sozialistische Sichtweise

Während die Ungeimpften nur 16 Prozent der Gesamtbevölkerung (12 Prozent der über 4-Jährigen) und 10 Prozent der Lkw-Fahrer ausmachen, deuten Umfragen auf eine mäßige landesweite Unterstützung für die Proteste hin. Eine Umfrage von Maru Voice Canada, die durchgeführt wurde, als sich die Demonstrant*innen auf dem Weg nach Ottawa befanden, ergab, dass 28 Prozent der Kanadier die ursprüngliche Forderung unterstützen, ungeimpften Lastwagenfahrern den Grenzübertritt zwischen den USA und Kanada zu erlauben. Eine Umfrage von Abacus Data, die zu Beginn der Besetzung des Parliament Hill durchgeführt wurde, ergab, dass 68 Prozent der Befragten das Gefühl haben, sie hätten "sehr wenig mit der Sichtweise der Demonstranten in Ottawa gemeinsam", während 32 Prozent sagten, sie hätten "sehr viel gemeinsam". Diejenigen, die den Konvoi unterstützten, waren Wähler der Peoples' Party (82 Prozent), der Grünen (57 Prozent) und der Konservativen (46 Prozent), während die Mehrheit der Wähler der Liberalen (75 Prozent), der Neuen Demokratischen Partei (77 Prozent) und des Bloc Québécois (81 Prozent) den Konvoi nicht unterstützten. Die Wähler der People's Party hielten den Protest überwiegend für respektvoll und angemessen (93 Prozent), während die Konservativen in dieser Frage geteilter Meinung waren. Die meisten Kanadier*innen haben die Nase voll von Covid und der Zick-Zack-Politik der Regierungen. Die arbeitende Bevölkerung ist zunehmend unzufrieden mit den etablierten Politiker*innen und frustriert über die scheinbar endlose Pandemie und die begleitenden Gesundheitsmaßnahmen. Während Sozialist*innenen alle Bewegungen, die als Vehikel für rechtsextreme rassistische und verschwörerische Propaganda fungieren, eindeutig verurteilen sollten, muss die Linke eine umfassende, systemische Analyse vornehmen und erkennen, dass das Misstrauen gegenüber Kanadas staatlichen Institutionen, das sich in der erheblichen Unterstützung für den Konvoi widerspiegelt, tief in sozialen Ursachen verwurzelt ist. Sich auf den kapitalistischen Staat und das Großkapital zu verlassen, um die COVID-Probleme zu lösen, wird neben dem Klimawandel und der wirtschaftlichen Not nur der extremen Rechten Auftrieb geben. Die Ungleichheit ist seit Beginn der Pandemie sowohl im Inland als auch im Ausland sprunghaft angestiegen (die zehn reichsten Männer haben ihr Vermögen seit dem ersten COVID-Fall von 700 Milliarden Dollar auf 1,4 Billionen Dollar verdoppelt). Millionen von Menschen, darunter auch solche, die mit chronischen Krankheiten zu kämpfen haben, sind gezwungen, wieder zu arbeiten und laufen Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren. In vielen Provinzen gibt es keine bezahlten Krankheitstage oder bestenfalls unzureichende fünf Tage. Es herrscht weithin Verwirrung darüber, wie mit COVID umzugehen ist, da die Regierungen ihre Politik immer wieder zugunsten von Unternehmensgewinnen ändern und häufig die Empfehlungen von Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen ignorieren, was der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Bevölkerung abträglich ist. Dies bietet einen lohnenden Ansatzpunkt für Verschwörungstheorien und rechtsextremes Gedankengut. Zwei Jahre lang wurde den Arbeitnehmern aller Altersgruppen gesagt, dass sie die Lücken füllen sollen, die durch die Kapitulation der Politiker*innen und Gewerkschaftsorganisationen vor den Interessen der Unternehmen entstanden sind. Arbeiter*innen in allen Sektoren waren gezwungen, mögliche Symptome zu verbergen, um weiter zur Arbeit zu gehen und ihre Familien zu unterstützen. Die Arbeiter*innen mussten sich auf unsichere Arbeitsplätze mit unzureichendem Sicherheitsschutz einlassen. Jetzt geben die Regierungen im ganzen Land Tests und Rückverfolgung auf und gehen zunehmend dazu über, jegliche Gesundheitsbeschränkungen abzuschaffen. Alberta hat erklärt, dass Unternehmer*innen einen Arbeiter*in für "unverzichtbar" erklären können und dieser*sie auch mit COVID-Symptomen zur Arbeit gehen muss! Seit zwei Jahren stellen die Regierungen in Kanada die Profite des Großkapitals über die öffentliche Gesundheit. British Columbia (BC) hat eine niedrigere COVID-Todesrate als alle anderen großen Provinzen, schneidet aber viel schlechter ab als die Territorien und Atlantik-Kanada. Dennoch regiert die NDP-Regierung von BC eine Provinz, in der Tausende von Familien aus COVID-bedingten Gründen in Armut geraten sind (20 % der Kinder in BC lebten bereits vor Ausbruch der Pandemie in Armut). Die mangelnde Bereitschaft der Provinz, Arbeiter*innen ausreichend wirtschaftlich zu unterstützen, hat die meisten gezwungen, die Ausbreitung und Gefährdung zu riskieren, damit die Gewinne der Unternehmen nicht geschmälert werden. Die Mieten sind wieder einmal in die Höhe geschnellt, und Zwangsräumungen sind an der Tagesordnung. Ruhig, freundlich und sicher" zu sein, wie es Dr. Bonnie Henry ausdrückt, kann nur so viel bewirken, wenn man eine Familie zu ernähren hat und die Provinz weigert sich, diese Last auf irgendeine Weise zu erleichtern, die den Reichen Unannehmlichkeiten bereitet. Zwei Jahre lang haben die Rechtsextremen versucht, Unterstützung über COVID zu gewinnen, indem sie regelmäßig Anti-Masken-Kundgebungen abhielten. Die meiste Zeit dieser Zeit haben sie wenig Unterstützung erhalten. Aber jetzt sind Millionen erschöpft, haben die Nase voll und wollen, dass COVID beendet wird. Socialist Alternative unterstützt den Einsatz für möglichst hohe Impfraten; dazu gehört eine viel gezieltere Öffentlichkeitsarbeit, als sie bisher in allen Gebieten stattgefunden hat. Was jedoch fehlt, ist die Umsetzung eines breiteren Spektrums von Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit und viel umfangreichere soziale und wirtschaftliche Programme. Wir haben jedoch davor gewarnt, dass ein übermäßiges Vertrauen in Impfstoffe "bei den Zögernden wahrscheinlich nach hinten losgehen und einige von ihnen sogar in die Arme der Anti-Vax-Bewegung mit ihren neonazistischen Verbindungen treiben wird". Genau das ist geschehen. Dies ist Teil eines größeren, weltweiten Trends, bei dem die Parteien der Mitte, in der Regel eine Mitte-Rechts- und eine Mitte-Links-Partei, an Unterstützung verlieren. Die Mitte-Parteien sind sich einig, dass sie dem Großkapital dienen, dass Profite wichtiger sind als die Menschen, dass sie eine Politik verfolgen, die die Ungleichheit vergrößert und die Steuern für die arbeitenden Menschen erhöht, während sie sie für die Reichen und das Großkapital senken. Bei Wahlen machen sie schöne Versprechungen und verraten die Wähler*innen, wenn sie an der Macht sind. Im Jahr 2020 stimmte kein*e einzige*r konservative*r oder liberale*r Abgeordnete*r für den Vorschlag, die reichsten Bürger*innen des Landes mit einer 1-Prozent-Kapitalertragssteuer zu belegen, um die COVID-Entlastung zu finanzieren. Die Kanadier*innen aller Parteien und aller Provinzen unterstützten diese Politik mit überwältigender Mehrheit (rund 80 %). Leider haben die NDP und die meisten Gewerkschaftsführer*innen kein radikales, arbeiterfreundliches Programm für die COVID und die Gesellschaft vorgelegt. Sie sollten sich für sichere Arbeitsbedingungen, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID wie PSA, Tests und Rückverfolgung, eine Pharmaindustrie in öffentlichem Besitz, zehn Tage bezahlten Krankenurlaub, höhere Löhne und eine drastische Verbesserung der öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen einsetzen. Es besteht eine reale Gefahr künftiger Varianten, wenn die Welt nicht geimpft wird. Kanada muss helfen, indem es das Ende aller Patente und Unternehmen fordert, die von COVID profitieren. Stattdessen haben die NDP und die Gewerkschaftsführung die Politik der liberalen Regierung weitgehend unterstützt, mit leichter Kritik, und sich auf Kompromisse und Koexistenz mit dem kapitalistischen Establishment eingelassen. Dies hat es der extremen Rechten ermöglicht, in Ermangelung einer Alternative an Boden zu gewinnen. Die Organisator*innen des Konvois versuchen, diese echte Unzufriedenheit mit dem Establishment anzuzapfen, um Unterstützung für rechte Ideen zu gewinnen, die keine Lösung für die arbeitenden Menschen bieten. Der Umfang der Unterstützung, die sie erhalten haben, ist eine Warnung, dass die Polarisierung und der Rechtspopulismus, die in den USA und einigen europäischen Ländern existieren, nach Kanada gekommen sind. Während ein Großteil der kapitalistischen Elite die extremeren Slogans, Fahnen und Aktionen der Proteste kritisieren wird, wissen sie, dass der Rechtspopulismus den Kapitalismus nicht herausfordern und die Arbeiter davon ablenken wird, dies zu tun. Es ist zwar notwendig, auf die extrem rechten Ansichten der Organisator*innen der Proteste hinzuweisen, aber alle Unterstützer*innen als rassistisch, faschistisch usw. zu bezeichnen, wird nicht dazu beitragen, sie von der Unterstützung der Proteste abzuhalten. Dies ist ein dringender Weckruf an die Gewerkschaften und die Mainstream-Linke. Der einzige Ausweg - die einzige wirkliche Antwort auf die Pandemie, die rasante Klimazerstörung und die wachsende Ungleichheit - ist eine politische Massenbewegung, die sich unmissverständlich gegen die herrschende Klasse wendet. Ein radikales sozialistisches Programm, das von Grund auf aufgebaut ist und in der Lage ist, materielle Freiheit und konkrete Errungenschaften für die Arbeiter*innenklasse zu erreichen, ist unerlässlich.

"Nichts weniger als ein Erdbeben": Starbucks Workers United kämpft für faire Gewerkschaftswahlen

Angesichts von mehr als 30 Filialen, die landesweit für eine gewerkschaftliche Organisierung kämpfen, sind die Starbucks-Filialen in Buffalo nicht länger ein Ausreißer - sie sind der Funke zu einer wachsenden Flamme.
Greyson Van Arsdale, Socialist Alternative (SLP Schwesterorganisation in den USA)

Angesichts von mehr als 30 Filialen, die landesweit für eine gewerkschaftliche Organisierung kämpfen, sind die Starbucks-Filialen in Buffalo nicht länger ein Ausreißer - sie sind der Funke zu einer wachsenden Flamme. Starbucks-Beschäftigte aus Buffalo, die ihre Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren, durchgesetzt haben und nun für ihren ersten Vertrag und die Unterstützung weiterer Starbucks-Filialen kämpfen, reisten am Dienstag nach Seattle, um sich mit den Kolleginnen und Kollegen von Starbucks zu solidarisieren, die für eine gewerkschaftliche Organisierung am Hauptstandort des Unternehmens kämpfen. An jenem Morgen standen die Arbeiter mit der Stadträtin von Seattle, Kshama Sawant, die Mitglied der Sozialistischen Alternative ist, vor dem Starbucks-Hauptsitz in Seattle, um Starbucks aufzufordern, seine gewerkschaftsfeindlichen Taktiken einzustellen und den Arbeitern faire Gewerkschaftswahlen zu ermöglichen. "Als ich bei diesem Unternehmen anfing, sagten sie mir, eine ihrer Hauptaufgaben sei es, 'den Status quo herauszufordern', und ich möchte hier sagen... Wir fordern den Status quo heraus. Und das jagt ihnen eine Heidenangst ein", sagte Gianna Reeve, eine der Starbucks-Mitarbeiterinnen, die die Bemühungen um eine gewerkschaftliche Organisierung in Buffalo anführte. Sawant kündigte auf der Pressekonferenz an, dass sie der neu gegründeten Starbucks-Gewerkschaft 10.000 Dollar aus ihrem Solidaritätsfonds (der sich daraus speist, dass sie von ihrem Gehaltsscheck für den Stadtrat nur den Durchschnittslohn der Arbeiter mit nach Hause nimmt) zur Unterstützung der Organisierungsbemühungen zur Verfügung stellen wird. Sawant vertritt den Bezirk 3 von Seattle, in dem der ehemalige Starbucks-Chef Howard Schultz lebt, dessen Vermögen von Forbes auf mehr als 4,4 Milliarden Dollar geschätzt wird - Dollar, die direkt von der Arbeit der Starbucks-Beschäftigten stammen. Lokale Gewerkschaften wie PROTEC17, UAW4121 und die Bookworkers Union schlossen sich an diesem Abend den Mitgliedern von Starbucks Workers United bei einer Kundgebung im Cal Anderson Park an, um ihre Solidarität zu bekunden, zusammen mit Hunderten von unterstützenden Gemeindemitgliedern. "Wir sind stolz auf die Starbucks-Beschäftigten in Seattle und in Eugene, Oregon, die einen Antrag auf Anerkennung gestellt haben. Wir wollen euch wissen lassen, dass die PROTEC17-Mitglieder in euren Gemeinden eure Bemühungen um eine gewerkschaftliche Anerkennung und einen guten Vertrag unterstützen", sagte PROTEC17-Steward Gretchen Waschke. PROTEC17 vertritt über 9.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im gesamten pazifischen Nordwesten. Als Sawant die Bühne betrat, verwies sie auf den unglaublichen Präzedenzfall, den die Starbucks-Beschäftigten geschaffen haben. "Starbucks ist ein gigantisches Unternehmen mit einem Umsatz von 29 Milliarden Dollar im letzten Jahr. Wenn es den Arbeitern gelingt, eine Gewerkschaft zu gründen und nicht nur das, sondern auch einen fairen Vertrag zu bekommen, wird das einem Erdbeben gleichkommen", sagte Sawant. "Es ist entscheidend, dass wir die Lehren aus der Geschichte der gewerkschaftlichen Organisierung ziehen. Wie die Geschichte zeigt, und wie die Starbucks-Beschäftigten jetzt zeigen, kommt die Macht am Verhandlungstisch von der Macht außerhalb des Verhandlungstisches." Die Starbucks-Beschäftigten sind Teil einer breiteren Welle gewerkschaftlicher Organisierung, insbesondere in der Dienstleistungsbranche. Die Beschäftigten von 15 Cafés in Boston wurden kürzlich gewerkschaftlich anerkannt, und weitere könnten folgen. Im Vordergrund steht für diese Beschäftigten die Notwendigkeit, bessere Bedingungen an ihren Arbeitsplätzen zu erreichen. Es liegt an uns, uns zu organisieren und für eine Reihe klarer Forderungen zu kämpfen: einen existenzsichernden Lohn vor Trinkgeld, eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung und eine demokratische Entscheidungsfindung am Arbeitsplatz, auch in Bezug auf die COVID-Sicherheit", so Sam White, Mitarbeiter eines kürzlich gewerkschaftlich anerkannten unabhängigen Cafés in Boston und Mitglied des Contract Action Teams seines Betriebs. Bei über 9.000 Standorten in den Vereinigten Staaten wird es eine Herausforderung sein, auch nur einen Bruchteil der Starbucks-Filialen gewerkschaftlich zu organisieren - die Geschwindigkeit, mit der neue Filialen Gewerkschaftswahlen beantragen, zeigt jedoch, dass die Beschäftigten die Nase voll haben von ihren derzeitigen Bedingungen und sich der Herausforderung stellen. Mit Streikpostenschildern in der Hand, auf denen "Rebuild a Fighting Labor Movement - Unionize Starbucks!" zu lesen ist, zeigen die Beschäftigten, dass ihr Kampf Teil von etwas viel Größerem ist. "Die Welle der gewerkschaftlichen Organisierung bei Starbucks in einer Stadt nach der anderen ist das Wichtigste, was in diesem Land gerade passiert", sagte Elan Axelbank, Gewerkschaftsorganisator bei Socialist Alternative. "Denn wenn Arbeiter in einem Betrieb aufstehen und sich wehren, inspiriert das die Arbeiter überall, aufzustehen und sich zu wehren. Und das Einzige, was jemals zu wirklichen Fortschritten am Arbeitsplatz geführt hat, ist, wenn die Arbeiter aufstehen und sich wehren... Vor 10 Jahren forderten die Fast-Food-Arbeiter 15 Dollar und eine Gewerkschaft. Nun, in vielen Orten bekamen wir 15 Dollar. Und jetzt kommen wir zurück, um die Gewerkschaft zu fordern."      

 

Anti-SiKo-Demo in München: Für eine sozialistische Alternative zu Krieg und Kapitalismus!

Demonstration gegen "Sicherheitskonferenz" am 19. Februar in München
Sozialistische Alternative (SAV), deutsche Schwesterorganisation der SLP

Forderungen der SAV

Wir stehen einer ungewissen Zukunft entgegnen: Die großen Weltmächte gehen in ihrem Konkurrenzkampf über Leichen. Die Ampel-Koalition [in Deutschland] setzt den außenpolitisch zunehmend aggressiven Kurs der großen Koalition fort. Die Kriegsgefahr steigt in verschiedenen Teilen der Welt. Umweltzerstörung und Krieg zwingen Millionen Menschen zur Flucht. Auch in den letzten Monaten wurden die Ausgaben für Rüstung und Militär weltweit erhöht, während die große Mehrheit der Weltbevölkerung mit Jobverlust, niedrigen Löhnen und sozialer Not die Lasten der Corona- und Wirtschaftskrise tragen muss.

Die Herrschenden rüsten auf, - ob es die Regierungen in USA, China, Russland oder EU sind, - weil das System für das sie stehen in der Krise steckt. "Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen". Mit Krieg und Rüstung werden gigantische Profite gemacht. Dieses System zeigt zunehmend sein brutalstes Gesicht: Sei es an den europäischen Außengrenzen, an der russisch-ukrainischen Grenze, bei der Niederschlagung des Aufstandes in Kasachstan, gegen Flüchtlinge oder bei der Zerstörung des Klimas. Die NATO- Staaten und Rüstungskonzerne, die sich bei der Münchener Sicherheitskonferenz treffen, verteidigen und schützen ein System, dass uns nichts zu bieten hat, während die zehn reichsten Männer zwischen 2020 und 2021 ihr Vermögen noch verdoppelt haben.

Der globalen Konkurrenz der Banken und Konzerne setzen wir die internationale Solidarität der Arbeiter*innen, Jugendlichen und Armen dieser Welt entgegen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht. Wir haben die gleichen Interessen wie die Arbeiter*innen in jedem Land der Welt: Die Ausbeutung von Mensch und Natur zu stoppen.

Wir sind der Überzeugung, das eine Alternative zu diesem System nicht nur nötig, sondern auch möglich ist um eine bessere Welt zu schaffen. Es braucht eine internationale Organisierung der Arbeiter*innenklasse mit einem sozialistischen Programm, um den Kapitalist*innen in jedem Land Widerstand zu leisten. Die Corona-Krise hat die Rolle von "systemrelevanten" Beschäftigten offenbart: Das sind sowohl Pflegekräfte, als auch Lehrer*innen, Logistikbeschäftigte und Industriearbeiter*innen. Die unzähligen Streik- und Protestbewegungen der letzten Jahre: Von Myanmar bis Belarus, von Sudan bis Chile haben die Macht, die wir als Arbeiter*innen haben, bewiesen. Es ist höchste Zeit, eine Alternative zum kapitalistischen Chaos auf der Basis dieser Macht aufzubauen.

 

Melde dich bei uns: slp@slp.at oder unter 0650 / 9922617

 

Mehr zum Thema: 

Krieg liegt in der Luft

Die Kriegsgefahr steigt, die Opfer sind Arbeiter*innen und Arme, die Kriegsindustrie aber macht fette Profite!
Sonja Grusch

Krieg gibt’s nicht nur in Geschichtsbüchern, in den letzten Wochen ist er auch in Europa wieder deutlich näher gerückt. Für unzählige Menschen v.a. in Afrika, Asien und dem Nahen Osten ist Krieg die brutale, tägliche Normalität - als Beispiele seien nur die Konflikte in Syrien, Afghanistan oder Jemen genannt. Doch mit dem Ukraine-Konflikt ist die Kriegsgefahr auch in Österreich geradezu greifbar geworden - ist die Ukraine doch nur wenig mehr als 1000 Kilometer entfernt. Auch weiter südlich und noch näher, am Balkan, ist mit dem neuerlichen Konflikt rund um den serbischen Teil von Bosnien-Herzegowina die Gefahr bewaffneter Konflikte wieder gestiegen.

Warum steigt die Kriegsgefahr?

Krieg ist ein notwendiger Bestandteil von Kapitalismus bzw. der angeblich so wichtigen “Konkurrenz”. Vereinfacht gesagt: Kapital muss expandieren um zu überleben. In einer boomenden Wirtschaft kann das zumindest teilweise funktionieren, indem neue Märkte geschaffen werden. In einer stagnierenden oder sogar schrumpfenden Wirtschaft geht das nur auf Kosten anderer. Hier kommen die Staaten ins Spiel. Jedes Unternehmen - auch wenn es international agiert - hat eine “Home-Base”, also einen Staat den es nutzt um seine Interessen durchzusetzen. Das geschieht durch die staatliche Festlegung der “Spielregeln” in den Ländern (z.B. durch Verlängerung der Arbeitszeit oder durch Steuererleichterungen um eine Firma wettbewerbsfähiger zu machen) aber auch indem die Firmen dabei unterstützt werden, im Ausland besser kaufen (Rohstoffe, Bestandteile), verkaufen bzw. investieren zu können. Das setzen Staaten dann mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für “ihre” Kapitalist*innen um: mit Förderungen, mit Handelsverträgen und, wenn nötig, auch mit mehr oder weniger sanfter Gewalt. 

Lenin schreibt bereits 1916 sein Buch “Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus”. Das ist während des 1. Weltkrieges und es ist klar: es ging nie um die Ermordung des österreichischen Thronfolgers sondern um die Neuaufteilung der imperialistischen Einflusssphären. 

Lenin schreibt: "Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf einer Entwicklungsstufe, auf der die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausbildet, der Kapitalexport eine hervorragende Bedeutung gewonnen, die Verteilung der Welt durch die internationalen Trust begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde zwischen den größten kapitalistischen Ländern abgeschlossen ist." Und er definiert einige Charakteristika des Imperialismus die bis heute gelten und die auch sehr konkret sichtbar sind:

  1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen
  2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses ‘Finanzkapitals’
  3. der Kapitalexport, zum Unterschied zum Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung
  4. es bilden sich internationale Kapitalist*innenverbände, die die Welt unter sich teilen
  5. die territoriale Aufteilung der Erde unter den kapitalistischen Großmächten ist beendet.

Der Hintergrund aktuell ist: Wenn der Kuchen nicht größer wird oder sogar schrumpft dann nimmt der Kampf um die Tortenstücke zu.

Der deutsche Bundespräsident Köhler war 2010 unerwartet ehrlich als er sagte, es sei „im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“. Die Aussage war damals ein Skandal, doch die vermehrten Auslandseinsätzen der deutschen Bundeswehr zeigen genau das. In den letzten 10 Jahren hat die BRD ihre Rüstungsausgaben um 30% gesteigert. 

Ähnliche Zunahmen sehen wir auch in anderen Ländern: Der Anteil der Rüstungsausgaben am BIP weltweit ist von 2,2% (2019) auf 2,4% (2020) gestiegen. Das war während Corona, als Geld für u.a. das Gesundheitswesen dringend gefehlt hat! Weltweit werden geschätzte 2000 Milliarden Dollar jährlich für militärische Zwecke ausgegeben. Mit diesen 2.000.000.000.000 Dollar könnte man den Hunger beseitigen, alle Menschen impfen und die Produktion klimafreundlicher machen. 

Stattdessen steigen die Rüstungsausgaben was ein Ausdruck der zunehmenden Spannungen zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten ist: zentral hier zu nennen sind die USA, China und Russland. Der Hintergrund der Aufrüstung ist die Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft. Wer kann sich den Zugriff auf Lithium und Kobalt (wichtig für Akkus), auf seltene Erden (wichtig im Hightech Bereich) und andere Rohstoffe sichern und hat damit die Nase vorne im internationalen Wettbewerb? 

Der Konflikt USA-China plus Russland

Der sich verschärfende Konflikt zwischen China und den USA um die Frage “Wer ist die Nummer 1?” spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab: China versucht seinen Zugriff durch die Belt-and-Road Initiative (“Neue Seidenstrasse”) massiv zu erweitern. Auch durch die Lieferung von Impfstoffen an manche Länder - und andere nicht - wird international Politik betrieben. Die Konflikte im Pazifik, zwischen China und Indien, aber auch viele andere Konflikte, sind Ausdruck des Wettrennens zwischen den USA und China. Insbesondere im Nahen Osten und in Europa gibt es neben den USA und China mit Russland einen weiteren Player. Russland aber geht zunehmend in Richtung eines fragiles Bündnis mit China - nicht überall und nicht immer, aber doch zum Missfallen der USA die China als größte wirtschaftliche und Russland als größte militärische Bedrohung sieht.

Das drückt sich aktuell im Ukraine-Konflikt und auch am Balkan aus. Dass es weder der USA noch der EU um “Demokratie” geht, wird klar wenn man sieht wie egal beiden die Einhaltung “Menschenrechte” bei ihren Bündnispartnern (z.B. Saudi Arabien) oder Staaten sind, von denen sie v.a. Stabilität wollen (z.B. Kasachstan). Kein Wort wird verloren über die frauenfeindliche, ultrakonservative Politik der polnischen PIS-Regierung, wenn es darum geht, Flüchtlinge an der Grenze zu Belarus mit Gewalt vom Eintritt in die EU abzuhalten. Auch das Gerede von “nationaler Souveränität” darf getrost ins Reich der Märchen und Propaganda gestellt werden, denn es geht um handfeste wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Bei der Frage eines Nato-Beitrittes der Ukraine geht es nicht darum was “die Ukraine” oder gar “die ukrainische Bevölkerung” will, sondern darum, dass die USA und ihre Verbündeten ihren Einfluss weiter ausbauen wollen - und Russland das verhindern will.

Russland und China versuchen ihren Einfluss in der Region auszubauen, z.B. durch die Pipeline Nord-Stream 2, die die Ukraine ökonomisch entmachten soll. Oder indem 2008 die russische Gazprom den staatlichen, serbischen Ölkonzern NIS übernommen hat, sich russische Banken in Serbien ausbreiten und Russland Kampfflugzeuge und Militärtransporter nach Serbien liefert. China investiert in diverse Infrastrukturprojekte am Balkan und in Ungarn oder Polen. In Serbien gibt es inzwischen die größte chinesische “Kolonie” in Europa. Der wirtschaftliche Einfluss hat auch politische Folgen der sich aktuell z.B. bei Frage der Republika Srpska, des serbischen Teils von Bosnien-Herzegowina, ausdrückt. Der “Serbenführer” Dodik zündelt im filigranen Staatengebilde Bosnien-Herzegowina, erklärt den Boykott der gesamtstaatlichen Institutionen. Separatismus-Bestrebungen werden unterstützt von Serbien, Ungarn und Russland sowie diversen rechtsextremen Kräften aus Europa. Dodik selbst soll massiv korrupt sein. So die eine Seite - vergessen wird in dieser Darstellung gerne die katastrophale wirtschaftliche Lage am Balkan im Allgemeinen, die noch misere in Bosnien-Herzegowina und die dramatische in der Republika Srpska. Der westliche Imperialismus und hier besonders stark das, zwar kleine aber dennoch, aggressiv imperialistische Österreich haben die Region nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens ausgebeutet und ausgeblutet. Auch wenn sich selbst etablierte Politiker*innen gerne auf die angebliche “Neutralität Österreichs” positiv beziehen: 1) gab es die nie, sondern das kapitalistische Österreich hat sich immer auf Seiten des “Westens” und der Interessen des Kapitals positioniert. Und 2) bleiben bürgerliche Staaten immer dann “neutral” wenn es gegen Linke oder Arbeiter*innen geht. Wir aber meinen: wenn die Unterdrückten sich wehren, darf es keine Neutralität geben, sondern wir müssen diese entschieden unterstützen.

Firmen wurden geschlossen, die gewinnbringenden Teile aufgekauft und abgebaut und insbesondere österreichische Banken und Versicherungen haben sich breit gemacht. Auch militärisch wurde der Einfluss ausgebaut, mit Truppen des EUFOR-Bündnisses und dem Nato-Beitritt von Albanien, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Montenegro und Nord-Mazedonien.

Dazu kommt, dass die EU Bosnien wie eine Kolonie behandelt und das durch den “Hohen Repräsentanten”, der quasi als Statthalter agiert, auch ausdrückt. Dieser war über 12 Jahre lang der Österreicher Valentin Inzko - die soziale Lage hat sich in Bosnien in der Zeit nicht verbessert. Wie zentral der Balkan als österreichisches Einflussgebiet gesehen wird, drückt sich auch darin aus, dass der größte Teil des wachsenden “Budgets für militärische Angelegenheiten” für den Westbalkan eingesetzt wird. Die Rüstungsinvestitionen liegen laut Kriegsministerin Tanner auf einem “historischen Höchstwert”.

Bevölkerung bleibt beim imperialistischen Tauziehen auf der Strecke.

Was die Bevölkerung in den (aktuell “nur” politisch und wirtschaftlich) umkämpften Gebieten will, ist für die politischen Akteur*innen unwichtig. Bei den jüngsten Gesprächen waren gleich gar keine Vertreter*innen der Ukraine mehr eingeladen. Es war klar, dass hier “die Großen” darüber verhandeln, wie viel Raum die Nato in der Region haben soll und wie viel Russland. Ähnlich am Balkan: die Menschen vor Ort und v.a. ihre soziale Lage wird weiter ignoriert. Um von der dramatischen soziale Lage - in der Ukraine wie in der Republika Srpska (und vielen anderen Gebieten) - abzulenken, setzen verschiedene politische Akteur*innen auf Nationalismus bzw. hohle Phrasen von “Demokratie”. Doch Nationalismus wird die Probleme ebensowenig lösen wie EU, USA & Co. Keine der “Seiten” in diesen Konflikten steht auf der Seite der Arbeiter*innenklasse: weder “der Westen” in Gestalt von USA bzw. EU noch die semi-Diktaturen in Russland bzw. China (und auch nicht deren jeweilige “kommunistische” Parteien die hinter der arbeiter*innenfeindlichen Politik ihrer Regime stehen). Russland versucht sich gegen das Vordringen der Nato zu stemmen, die USA versucht Russland als potentiellen Bündnispartner von China in die Schranken zu weisen. Die Medien machen fleißig mit und anstatt die Verbrechen beider Seiten aufzuzeigen, wird ein einseitiges Bild vom Kriegstreiber Russland gezeichnet. Als Sozialist*innen ist eine Unterstützung entlang der Linie “der Feind meines Feindes ist mein Freund” nicht nur Unsinn, sondern gefährlich, da sie weder die sozialen Probleme löst noch die Kriegsgefahr reduziert. Die ukrainische Regierung steht ebensowenig auf der Seite der ukrainischen Bevölkerung, wie die russische auf Seiten der russischen Bevölkerung. 

Krieg liegt in der Luft, auch wenn die Herrschend diesen durchaus verhindern wollen. Das wollen sie nicht, weil sie die menschlichen Opfer vermeiden wollen, sondern weil sie sehen, dass ein Krieg um die Ukraine eine Serie anderer Konflikte auslösen und völlig außer Kontrolle geraten könnte. Die Folgen wären dramatisch: ein Krieg quasi vor der Haustür der EU, in der Nähe der nach wie vor strahlenden Tschernobyl-Ruine, ein Krieg geführt mit modernsten Waffen (ja, auch Österreich hat in die Region geliefert). Ein solcher Krieg hätte unzählige Opfer zur Folge, unzählige Flüchtlinge, würde weitere Konflikte in der Region befeuern, insbesondere die Gaspreise in die Höhe treiben und damit die Wirtschaft weiter destabilisieren. Er hätte neben den dramatischen humanitären, sozialen und ökologischen Folgen, auch Folgen für die Weltwirtschaft und das internationale Kräfteverhältnis.

Doch selbst wenn dieser Krieg abgewendet werden sollte, werden andere folgen, denn wie Jaures es gesagt hat: “Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen”. 

Als Sozialist*innen stellt sich für uns die Frage: Wie kann dieser neue Militarismus zurückgedrängt werden? Wie Kriege verhindert oder gestoppt werden? Wie kann eine friedliche Welt erreicht werden. Es ist klar, dass das nicht mit Beten und Kumbaya singen erreicht wird. Und auch wenn es gut ist, wenn wir selbst versuchen andere Menschen mit Respekt zu behandeln, reicht es für eine friedliche Welt nicht, wenn wir alle bessere Menschen werden. Die Ursache für Kriege liegt nicht in einer “gewalttätigen Natur des Menschen” sondern in dem System in dem wir leben, das auf der Ausbeutung der Menschen und auf Ungleichheit basiert. Insofern können auch “Friedenskonferenzen” der herrschenden Politiker*innen oder bürgerlich-kapitalistische Institutionen wie die UNO auch keinen Frieden schaffen. Die Hoffnung den Konflikt am Verhandlungstisch beizulegen ist eine Illusion, da hier verschiedene imperialistische Nationen mit anderen imperialistischen Nationen verhandeln. Dabei kann durchaus ein vorübergehender Waffenstillstand, eine Atempause, das Ergebnis sein, wenn beide sehen dass das der ökonomisch bessere Weg ist als eine bewaffnete Auseinandersetzung. Aber gelöst werden kann kein Konflikt auf diesem Weg solange die imperialistischen Regierungen als Vertreter*innen der imperialistischen Interessen “ihres” Kapitals weiter bestehen. 

Wir hingegen fordern nicht nur die Enteignung der Kriegsindustrie und den Einsatz dieser vergeudeten Ressourcen für das Wohl der Menschen, sondern auch den Sturz der herrschenden politischen Eliten und ihren Ersatz durch demokratische Strukturen der Arbeiter*innen und Unterdrückten. “Der Hauptfeind steht im eigenen Land” hat der deutsche Revolutionär Karl Liebknecht 1915 gesagt. Er meinte damit, dass die Arbeiter*innenklasse eines Landes nicht gegen die Arbeiter*innenklasse eines anderen Landes kämpfen soll, da sie gleiche Interessen haben - das aber die jeweilige “eigene” herrschende Klasse der jeweilige Hauptfeind ist. Insofern stehen unsere Genoss*innen in den USA gegen den US-Imperialismus auf, wie auch unsere russischen Genoss*innen die verhaftet werden, weil sie gegen die Rolle Russlands in Kasachstan, Belarus und der Ukraine protestieren.

Sie haben kein Interesse an der wirtschaftlichen Ausbeutung und sind die Einzigen die nationale Spannungen überwinden können. Diese Bewegungen bzw. ihre Aktivist*innen sind daher auch die Bündnispartner*innen einer künftigen Anti-Kriegsbewegung, da sie die gemeinsamen Interessen der Arbeiter*innen und Jugendlichen, der Unterdrückten verschiedenster Nationalitäten, Ethnien bzw. Religionen ausdrücken. Das sei auch der Gewerkschaftsführung ins Stammbuch geschrieben, die in einer Kriegssituation wohl ähnlich wie bei Corona ihre Politik des “nationalen Schulterschlusses” vertiefen würde. Die Aufgabe des ÖGB ist es insofern auch nicht, gemeinsam mit Vertreter*innen der Regierung, der Wirtschaftskammer und der OMV gegen einen Boykott Russlands einzutreten, sondern einen unabhängigen Standpunkt einzunehmen, der sich ausschließlich an den Interessen der Arbeiter*innenklasse in Russland und der Ukraine orientiert - die beide keinerlei Interesse an Krieg oder Besetzung haben. Eine Anti-Kriegsbewegung muss daher immer unabhängig von den Herrschenden sein, sich aber auch Aktivist*innen in Schulen, Unis und v.a. in Betrieben zusammensetzen. Die Beschäftigten der OMV z.B. oder anderer Firmen die in wirtschaftlichen Beziehungen zu Ukraine bzw. Russland, aber auch den USA stehen können sich direkt als Belegschaften an ihre Kolleg*innen in diesen Ländern wenden und die gemeinsamen Interessen und die gemeinsame Ablehnung von Krieg hervorheben. Sie können aufzeigen, wer von Aufrüstung und Krieg profitiert und welches System dahinter steht. Denn wie Karl Liebknecht es auf den Punkt brachte: “Kapitalismus ist Krieg - Sozialismus ist Frieden.”

Kriegshetzer schüren eine gefährliche Situation in der Ukraine

Die Einheit der Arbeiter*innenklasse ist unerlässlich für den Kampf gegen den drohenden Krieg.
Sotsialisticheskaya Alternativa reporters

Weltweit werden politische und wirtschaftliche Erdbeben vorbereitet, da die Kräfte des US-amerikanischen und des chinesischen Imperialismus von einem Zustand der Zusammenarbeit zu einem offenen Wettbewerb übergehen. Wenn diese Kräfte aufeinanderprallen, werden Schockwellen um die Welt gehen, die die Beziehungen zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten zerrütten, stören und neu ordnen. Das Epizentrum dieser Störung ist derzeit die Ukraine. Obwohl beide Seiten behaupten, keinen Konflikt zu wollen, stehen sich der US-amerikanische und der russische Imperialismus gegenüber und haben die Kriegshysterie so weit geschürt, dass das Gesetz der unbeabsichtigten Folgen einen heißen Krieg auslösen könnte, wie es ihn in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Mittendrin wird das ukrainische Volk als Spielball behandelt, dessen Schicksal von Kräften bestimmt wird, die außerhalb seiner Kontrolle liegen. Dabei sind es die Arbeiter und Armen der Ukraine und der imperialistischen Länder, die als Folge dieses unnötigen Krieges ihr Leben, ihre Häuser und ihre Existenzgrundlage verlieren werden. Die Internationale Sozialistische Alternative steht in völliger Opposition zu den Plänen der imperialistischen Geier und ruft zu einer massenhaften Antikriegsbewegung auf, die auf der Solidarität zwischen den Arbeiter*innen der Ukraine, der Vereinigten Staaten und Russlands beruht. In der Ukraine selbst betonen die Kriegstreiber*innen, dass eine Invasion unmittelbar bevorstehe. Der ehemalige Chef der ukrainischen Spezialeinheiten, Sergej Kriwonos, behauptet im Zentralfernsehen, dass Pläne für den Einflug tausender russischer Fallschirmjäger auf Flughäfen rund um Kiew vorbereitet werden, um die Stadt zu erobern. Der ehemalige Präsident Poroschenko geht davon aus, dass der Angriff aus ballistischen Iskander-Raketen bestehen wird, die vom Meer aus und über die Grenze abgefeuert werden, um wichtige ukrainische Einrichtungen zu zerstören. Präsident Zelensky sieht die Invasoren mit Panzern durch Charkow fahren. Augenzeugen berichten, dass auf den ukrainischen Frachtflughäfen ein massiver Anstieg der Flüge zu verzeichnen ist, während in den Stadtparks freiwillige Kräfte für den Kampfeinsatz ausgebildet werden. In den letzten Tagen wurden in Kiew, vielleicht um die Bevölkerung zu beruhigen, nüchterne Stimmen laut. Nach der weithin bekannt gewordenen Evakuierung der Familien amerikanischer, britischer und australischer Diplomaten aus Kiew wurde eine Dringlichkeitssitzung des "Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung" der Ukraine einberufen. Bei der Pressekonferenz erklärte dessen Sekretär Aleksey Danilov: "Wir sehen heute keine Grundlage für die Bestätigung einer groß angelegten Invasion. Es ist unmöglich, dass dies auch nur physisch geschieht... Heute sehen wir (an den Grenzen der Ukraine) etwa 109.000 Soldaten. Wir sehen etwa 10-11.000 so genannte "Konvois", Geleitschutzkräfte. Wenn unsere Partner meinen, dass dies ein starker Anstieg der Truppenstärke ist, so ist das für uns nichts Neues. Eine Aufstockung um 2-3000 Mann ist nicht kritisch". Auch der ukrainische Verteidigungsminister Aleksey Reznikov sagte auf ICTV: "Heute, zum jetzigen Zeitpunkt, hat sich keine einzige Kampftruppe der Streitkräfte der Russischen Föderation formiert, was bestätigt, dass sie keinen unmittelbaren Angriff planen". Er verglich die Situation mit der vom April letzten Jahres und fügte hinzu, dass er die Vorstellung, dass am 20. Februar ein Angriff stattfinden würde, nicht sehr wahrscheinlich einschätze.

 

Nein zur imperialistischen Intervention

Ausländische Mächte heizen die Lage jedoch weiter an. Aus dem Westen fliegen die baltischen Staaten, Großbritannien, Kanada und die Türkei Waffen und kleine Truppenkontingente "zur Ausbildung" ein. Das Pentagon hat nach Angaben der New York Times Pläne für die Entsendung von bis zu 50.000 Soldaten nach Osteuropa ausgearbeitet, und heute wird berichtet, dass 8.500 Soldaten in "erhöhte Alarmbereitschaft" versetzt worden sind. In Russland ist es schwieriger, an Informationen zu gelangen. Es ist klar, dass die militärischen Aktivitäten erheblich zunehmen. Waffen werden verlegt, gemeinsame russisch-weißrussische Übungen mit scharfer Artillerie werden 40 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt durchgeführt. Es wurden Marineübungen mit 140 Schiffen angekündigt - in allen Meeren rund um Russland, vom Pazifik bis zum Schwarzen Meer. Schiffe der Westmächte und Russlands sind im Mittelmeer und im Schwarzen Meer unterwegs. Die Gespräche in den verschiedensten Formaten werden fortgesetzt, ohne dass bisher ein Durchbruch erzielt werden konnte.

 

Mögliche Szenarien

Eine vollständige Invasion der Ukraine durch Russland ist in dieser Situation die unwahrscheinlichste Option. Das hält die westlichen Kriegstreiber jedoch nicht davon ab, so zu tun, als stünde dies bereits unmittelbar bevor. Das "Institute for the Study of War", das sich selbst als "unparteiische, gemeinnützige Forschungsorganisation" bezeichnet, die die Vereinigten Staaten bei der Verwirklichung ihrer strategischen Ziele unterstützt, hat eine Karte mit "möglichen Plänen für eine umfassende Invasion der Ukraine" verbreitet. Demnach wird Russland von der Krim und den nicht anerkannten Republiken Donezk und Lugansk (DNR/LNR) aus angreifen, um die ukrainischen Streitkräfte abzulenken. Mechanisierte Truppen werden dann von Nordosten her eindringen und Kiew, Dnipro und Charkiw - drei Städte mit zusammen über 5 Millionen Einwohnern - umzingeln. Dann werden Seestreitkräfte oder Truppen, die in die abtrünnige moldawische Republik Transnistrien eingeflogen werden, von Westen her eindringen, um Odessa und die Schwarzmeerküste zu besetzen. Weitere Truppen werden von Weißrussland aus im Norden einmarschieren und dabei das radioaktive Ödland um Tschernobyl durchqueren. Wenn Russland auf diese Weise einmarschieren würde, wären die humanitären Kosten unvorstellbar. Bei einer Bevölkerung, die doppelt so groß ist wie die des ehemaligen Jugoslawiens, das Anfang der 90er Jahre durch interethnische Kriege zerbrach und 140.000 Tote und 4 Millionen Flüchtlinge hinterließ, könnte eine Besetzung der Ukraine Hunderttausende von Toten und viele Millionen von Flüchtlingen zur Folge haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde ein solcher Konflikt die benachbarten baltischen Staaten und Polen mit hineinziehen.

 

Ist dies ein wahrscheinliches Szenario?

Angesichts der Unbeständigkeit der Region mit den jüngsten Volksaufständen in Weißrussland und Kasachstan, dem Krieg in Berg-Karabach und den Massenprotesten in Russland, Georgien und Armenien, der aggressiven Außenpolitik der Regierung Biden und der autoritären, expansionistischen Politik des Kremls ist nichts auszuschließen. Aber wie Clausewitz schon sagte: "Krieg ist Politik mit anderen Mitteln". Was die Ereignisse bestimmen wird, ist der Ausgang des politischen Kampfes - zwischen den imperialistischen Mächten, aber auch innerhalb der beteiligten Länder. In dem Konflikt mag es um das Schicksal der Ukraine gehen, aber es zeigt den Gipfel des Zynismus der imperialistischen Mächte, dass in der ersten Woche der Verhandlungen, die mit einem Abendessen amerikanischer und russischer Diplomaten in Genf begannen, die Ukraine nicht einmal eingeladen war. Auch in der dritten Woche wurde bei diesen Gesprächen noch keine Lösung gefunden. Die Russische Föderation bleibt bei dem, was sie ihre roten Linien nennt: Die NATO sollte sich nicht weiter über Osteuropa ausbreiten, die Ukraine und Georgien sollten niemals beitreten dürfen, und NATO-Waffen sollten nicht an den russischen Grenzen stationiert werden. Die USA ihrerseits beharren arrogant darauf, dass jedes Land, das dies wünscht, beitreten kann. Seitdem haben mehrere NATO-Staaten Waffen an die Ukraine geliefert, während die NATO selbst zusätzliche Schiffe und Kampfjets nach Osteuropa entsendet. Die Ukraine wird als Schauplatz eines Stellvertreterkrieges zwischen den imperialistischen Mächten geopfert. Begleitet wird das Ganze von gefährlichem Säbelrasseln. Der westliche Imperialismus, über den die Mainstream-Medien treu berichten, kennt keine Grenzen. US-Außenminister Blinken erklärte vor seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, Russland habe "eine lange Geschichte aggressiven Verhaltens. Dazu gehörten der Angriff auf Georgien im Jahr 2008 und die Annexion der Krim im Jahr 2014 sowie die "Ausbildung, Bewaffnung und Führung" einer separatistischen Rebellion in der Ostukraine." Er vergaß natürlich zu erwähnen, dass die USA in den letzten zwei Jahrzehnten Belgrad bombardiert haben, in Afghanistan und im Irak einmarschiert sind und zahlreiche Interventionen in Syrien, Libyen, im Jemen und in zahlreichen Teilen Afrikas durchgeführt haben. Obwohl die russischen Medien im Vergleich zu der extremen Propaganda während der Übernahme der Krim vor acht Jahren relativ zurückhaltend sind, berichten sie regelmäßig über geplante Provokationen der ukrainischen Streitkräfte gegen die DNR/LNR. Wie üblich ist es die Kommunistische Partei, die am lautesten im Chor der Kriegstreiber singt. Sie fordert die Staatsduma auf, die DNR/LNR offiziell anzuerkennen. Sogar der Sprecher des Kremls warnt, dass dies als die Aggression angesehen werden würde, vor der der Westen warnt. Schließlich, so Biden, würde jeder Versuch der russischen Streitkräfte, die Grenze zu überschreiten, als "Invasion" angesehen werden. Durch die Verzögerung der Verabschiedung des Vorschlags untergraben die Kreml-Befürworter ihren "Plan B" - was "Plan A" ist, sagen sie nicht, aber es wird vermutet, dass damit der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen gemeint ist.

 

NATO-Erweiterung

Putin bezieht sich häufig auf das Versprechen, das der US-Imperialismus dem ehemaligen sowjetischen Führer Michail Gorbatschow im Februar 1990 gegeben hat, dass die NATO nicht weiter nach Osten expandieren würde, wenn sich die sowjetische Armee aus Ostdeutschland zurückzöge und es de facto Teil der NATO im neuen vereinigten Deutschland würde. Seitdem hat sich die NATO um über 800 km bis zur Grenze zwischen Russland und den baltischen Staaten ausgedehnt. Die Enklave Kaliningrad gehört zu Russland und ist an allen Landgrenzen von NATO-Staaten umgeben. Im Jahr 2008 vereinbarte die NATO auf ihrem Gipfel in Bukarest ein Bündnis mit Georgien und der Ukraine mit dem Ziel, dass diese Länder der NATO beitreten. Ein Beitritt würde bedeuten, dass sich die NATO-Streitkräfte über 4000 Kilometer entlang der russischen Grenze erstrecken würden. An den nun jährlich stattfindenden "Defender Europe"-Übungen nahmen 2021 28.000 Soldaten teil. Sie wurden laut dem Chef der US-Armee in Europa und Afrika, General Chris Cavoli, "in Einsatzgebiete in ganz Europa, darunter Deutschland, Polen, die baltischen Staaten, andere osteuropäische Staaten, nordische Länder und Georgien" mobilisiert. Diese Übungen sind nur ein Teil der Aktivitäten der westlichen Mächte in der Region. An den "Sea Breeze"-Übungen im Schwarzen Meer im letzten Sommer nahmen 5.000 Soldaten, 32 Schiffe und 40 Flugzeuge teil. Dies ist Teil der fortgesetzten Polarisierung der Welt zwischen den verschiedenen imperialistischen Interessen. Die Biden-Administration sieht China zweifellos als den größten Konkurrenten der USA an, baut entschlossen Allianzen auf und bereitet sich darauf vor, China weltweit herauszufordern. Gleichzeitig bezeichnet er Russland als "die größte Bedrohung", weil es seine militärische Macht einsetzt, um die Ausdehnung der US-Interessen in anderen Ländern zu behindern, und dazu beiträgt, die Spaltung zwischen den US-Verbündeten voranzutreiben. Russland hat die Pläne der USA, Assad in Syrien zu stürzen, durchkreuzt und in Libyen interveniert. Westliche Interessen wurden in der Zentralafrikanischen Republik und in Mali zurückgedrängt und durch russische Söldner ersetzt.

 

Europäische Union ins Abseits gedrängt

Diese Ereignisse sind ein weiterer Schritt in der Abwertung der Beziehungen der USA zu Europa. Die Gründung der AUKUS-Allianz und der plötzliche Abzug aus Afghanistan haben, wie ein Kommentator bemerkte, bestätigt, dass "Die China-Leute im Weißen Haus den Bus fahren . Und sie schätzen die EU nicht als nützlichen Partner in Dingen, die für die USA wichtig sind." Die EU war auch nicht zu den Gesprächen der letzten Woche eingeladen, außer als einzelne Mitglieder der NATO. Dies spiegelt zum Teil die Spaltung innerhalb der EU selbst wider. Der Kreml kultiviert seit mehreren Jahren die Unterstützung rechtspopulistischer Kräfte, insbesondere in Italien, Frankreich und Österreich, während Frankreich und Deutschland nach der Krise von 2014, als Russland die Krim übernahm und die DNR/LNR gegründet wurde, aus der Reihe tanzten und versuchten, das Problem im so genannten Normandie-Format zu lösen, das für die Minsker Gespräche verantwortlich ist. Auch Polen, das sich bereits in einem Konflikt mit Brüssel darüber befindet, ob EU-Gesetze die polnische Verfassung außer Kraft setzen, ist unglücklich darüber, dass die EU in diesem Konflikt nicht entschlossen handelt. Die USA wollen ein einheitliches Vorgehen mit der EU bei der Umsetzung von Sanktionen. Es scheint, dass man sich auf Sanktionen gegen führende Persönlichkeiten des russischen Regimes geeinigt hat, darunter nun möglicherweise auch gegen Putin selbst. Aber Frankreich hat gerade für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Macron hat ausdrücklich erklärt, dass Sanktionen gegen Russland nicht funktionieren, während andere EU-Mitglieder sich nicht einig sind, wodurch die Sanktionen ausgelöst werden sollten. Die Sanktion, die auf breite Akzeptanz zu stoßen scheint, besteht darin, die russische Wirtschaft vom SWIFT-Bankeninformationssystem abzuschneiden. Noch umstrittener ist das Schicksal der Nord Stream 2-Pipeline. Es wird erwartet, dass die Erdgasproduktion Großbritanniens, der Niederlande und Norwegens in den kommenden Jahren zurückgehen wird, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Nachfrage nach Erdgas, das als sauberer Energieträger angesehen wird, steigen soll. Um dem entgegenzuwirken, hat Russland die neue Nord Stream 2-Pipeline unter der Ostsee hindurch gebaut, durch die Gas direkt nach Deutschland geleitet werden kann. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Ukraine um die Einnahmen aus dem Gastransit gebracht wird. Die Pipeline wurde Ende Dezember mit dem ersten Gas befüllt und wartet nun auf die endgültige Zertifizierung durch die deutschen Behörden, damit sie in Betrieb genommen werden kann. Ein Viertel des Öls und über 40 % des Gases in der EU kommen derzeit aus Russland, und man geht davon aus, dass Nord Stream 2 allein die Kapazität hat, ein Drittel des künftigen Gasbedarfs der EU zu decken. Sanktionen gegen Nord Stream 2 würden eine ernsthafte Beeinträchtigung der Wirtschaft bedeuten, insbesondere in Zeiten steigender Energiepreise. Aus diesem Grund sind die USA bei der Blockade von Nord Stream 2 auf Widerstand gestoßen. Die neu gebildete deutsche "Ampel"-Koalition ist in dieser Frage in ihre erste große Krise geraten. Bundeskanzler Olaf Scholz von der Sozialdemokratischen Partei lehnt öffentlich Sanktionen gegen Nord Stream 2 ab, was die Interessen der deutschen Wirtschaftselite widerspiegelt. Merkel unterstützte das Projekt, und Altkanzler Gerhard Schröder ist Vorsitzender des Nord Stream 2-Aktionärsausschusses. Außenministerin Annalena Baerbock, Mitglied der Grünen, fordert dagegen Sanktionen. Sie erklärt dies als "feministische Außenpolitik", obwohl es ein großer Rückschlag für die Frauen in der Ukraine und Russland wäre, wenn diese Politik zu Sanktionen und Krieg führen würde. Ein weiterer Akteur in diesem gefährlichen Kriegsspiel ist die Türkei, ebenfalls ein NATO-Mitglied. Erdogan hat vorgeschlagen, dass die Türkei als Gastgeber für Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine fungieren könnte, wobei ihm offensichtlich die Ironie entgangen ist, als er Russland kritisierte und sagte: "Man kann diese Dinge nicht handhaben, indem man sagt: 'Ich werde in etwas einmarschieren, ich werde es einnehmen'." Die Türkei und Russland haben eine Beziehung, die man am besten als kooperative Rivalität beschreiben kann. Manchmal sind sie sich einig, wenn sie die USA kritisieren, ein anderes Mal stehen sie im Konflikt wie in Syrien. Nach dem jüngsten Krieg in Berg-Karabach, als Aserbaidschan große Unterstützung von der Türkei erhielt, unterstützte Erdogan öffentlich Kiews Anspruch auf die Krim. Eine Fabrik in der Nähe von Kiew hat mit der Produktion von Drohnen türkischer Bauart begonnen, die bereits in der Ostukraine eingesetzt wurden. Die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei befinden sich auf einem historischen Tiefpunkt. Erdogans Kauf von Raketen aus Russland im Jahr 2019 führte zu Sanktionen seitens der USA. Jetzt will das Land US-Kampfflugzeuge kaufen, um seine Luftwaffe zu modernisieren. Ein Teil der US-Elite betrachtet Ankara nach wie vor als potenziellen Verbündeten gegen Russland und verschließt die Augen vor der Gefahr eines Zusammenbruchs der türkischen Wirtschaft, der Zunahme des Autoritarismus und früherer Meinungsverschiedenheiten, aus Angst, die Beziehungen ganz abzubrechen und die Türkei viel näher an die sich entwickelnde chinesisch-russische Achse heranzuführen.

 

Die Pläne des Kremls

In dem Bewusstsein, dass der sich entwickelnde Kalte Krieg den Kreml aller Wahrscheinlichkeit nach näher an das chinesische Regime heranführen wird, hat Biden ein Interesse daran, eine so bedeutende Militärmacht zu schwächen, indem er ihr eine blutige Nase verpasst, bevor ein solcher Zusammenschluss zu viel Zugkraft gewinnt. Die Behauptungen des Weißen Hauses, dass dies im Einklang mit seiner Politik der "Förderung kollektiver globaler Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie" steht, wurden durch die überstürzte Unterstützung des brutalen Vorgehens des kasachischen Regimes ad absurdum geführt. In einem außergewöhnlichen Essay, der Mitte 2019 vom Kreml veröffentlicht wurde, rechtfertigt Putin seine Überzeugung, dass die Ukraine Teil Russlands ist, indem er sich unter anderem auf Folgendes beruft: "Die geistige Entscheidung des heiligen Wladimir ... der Thron von Kiew [der] in der alten Rus eine beherrschende Stellung innehatte ... der Brauch seit dem späten 9. Jahrhundert ... die Erzählung vergangener Jahre ... die Worte des Propheten Oleg über Kiew: "Es soll die Mutter aller russischen Städte sein." Als er sich der Neuzeit näherte, griff er die Bolschewiki Lenins an, weil sie dem ukrainischen Volk erlaubten, selbst über sein Schicksal zu entscheiden, und sagte "Das Recht der Republiken, sich frei von der Union abzuspalten, wurde in den Text der Erklärung über die Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und später in die Verfassung der UdSSR von 1924 aufgenommen. Damit legten die Verfasser im Fundament unserer Staatlichkeit die gefährlichste Zeitbombe, die in dem Moment explodierte, als der Sicherheitsmechanismus, der durch die führende Rolle der KPdSU gegeben war, wegfiel..." Allein diese Zitate widerlegen jede Behauptung, Putin wolle die UdSSR wiederherstellen oder, wie einige linke Persönlichkeiten es tun, die Unterstützung Russlands als fortschrittlicheres Regime rechtfertigen. Er lässt sich vom ehemaligen russischen Imperium inspirieren und spricht immer wieder von einem Zusammenschluss von Weißrussland, Malorussland (Nord- und Westukraine), Noworossija (Südukraine bis Moldawien) und der Krim, wobei er die alte zaristische Terminologie verwendet. Weder in diesem Artikel noch in der kürzlich veröffentlichten "Nationalen Sicherheitsstrategie" schlägt der Kreml eine direkte Intervention vor, um eines dieser Gebiete einzunehmen. Kommentatoren sprechen jedoch von "schwarzen Schwänen" - unerwarteten Ereignissen, die Möglichkeiten zum Handeln bieten. Im Jahr 2014 nutzte der Kreml die Ereignisse rund um den "Euromaidan", um die Krim zu übernehmen und eine Position in der Ostukraine aufzubauen. Seitdem hält der militärische Konflikt an und hat bisher 14 000 Menschenleben gefordert. In den letzten zwei Jahren sind weitere "schwarze Schwäne" aufgetreten. Der Aufstand in Weißrussland, der von der liberalen Opposition in eine Niederlage getrieben wurde, hat das weißrussische Regime zurück in die Umlaufbahn des Kremls gezogen. Der Krieg in Berg-Karabach führte dazu, dass die Türkei ihren Einfluss in Aserbaidschan auf Kosten Russlands verstärkte, was dem Kreml jedoch ermöglichte, Armenien stärker zu kontrollieren. Der Aufstand in Kasachstan hat dazu geführt, dass sich das dortige Regime von Nasarbajews "Multivektor"-Strategie des Ausgleichs zwischen Russland, China und den USA entfernt hat, da Tokajew zur Unterstützung seines Regimes von den russischen Streitkräften abhängig geworden ist. Die im vergangenen Jahr veröffentlichte neue "Nationale Sicherheitsstrategie" ist allerdings wesentlich selbstbewusster. Dem Direktor des Carnegie Moscow Center zufolge handelte die vorherige Strategie aus dem Jahr 2015 von einer anderen Ära: "Damals hatten sich die Beziehungen zum Westen infolge der Ukraine-Krise bereits drastisch verschlechtert, galten aber noch als rettbar; ein Großteil der liberalen Phraseologie aus den 1990er Jahren war noch in Gebrauch; und die Welt sah noch mehr oder weniger geeint aus. Die aktuelle Version ... ist ein Manifest für eine andere Ära: eine Ära, die von der immer schärferen Konfrontation mit den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten geprägt ist; eine Rückkehr zu traditionellen russischen Werten." Es ist zweifellos richtig, dass der Ton und die Ultimaten des Kremls viel aggressiver geworden sind. Wie soll dies in der Praxis umgesetzt werden? "Plan A" scheint die Fortsetzung der Verhandlungen zur Begrenzung der NATO-Osterweiterung zu sein. Doch das Weiße Haus scheint in dieser Frage nicht kompromissbereit zu sein. Je mehr der Kreml mit seinen Truppenbewegungen und Kriegsspielen den Westen unter Druck setzt, je mehr der Westen Waffen in die Ukraine verlegt und die Kriegsdrohung aufpeitscht, desto größer wird das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation. "Plan B" scheint näher zu rücken, da die Verhandlungen ins Stocken geraten sind. Ein offizieller Beschluss des russischen Parlaments und der Regierung, die beiden Republiken anzuerkennen, würde den Prozess bestätigen, mit dem Russland die massenhafte Ausstellung russischer Pässe und die Aufnahme von Handelsbeziehungen begonnen hat. Russische Truppen würden dann in die beiden Republiken einmarschieren. Eine weitere Eskalation, wenn NATO-Raketen in der Ukraine stationiert werden, könnte die Verlegung russischer Raketen in andere Länder sein - Kuba und Venezuela wurden bereits genannt. Eine andere Möglichkeit wäre eine schnelle Intervention im Hauptteil des Landes, um der ukrainischen Armee einen Schlag zu versetzen und sich dann zurückzuziehen, wie es im Krieg gegen Georgien 2008 geschah, als die russische Armee die Stadt Gori angriff. Eine Eskalation weiter innerhalb der Ukraine erscheint problematisch - 2014 verhinderten erbitterte Kämpfe, dass die prorussische Seite den Korridor im Süden um die Stadt Mariupol öffnete. Putin musste sein ursprüngliches Ziel, ganz Noworossija" zu erobern, aufgeben. Heute ist das ukrainische Militär besser ausgebildet und ausgerüstet, vor allem aber wird die ukrainische Bevölkerung einen solchen Angriff als Invasion betrachten und erbitterten Widerstand leisten. Anders als damals, als nach der Übernahme der Krim ein patriotischer Rausch einsetzte, ist die russische Bevölkerung heute dem Kreml gegenüber viel misstrauischer. Omicron hat die weitgehend ungeimpfte Bevölkerung getroffen, während die wirtschaftliche Lage und das dramatische Erstarken des Autoritarismus die Unterstützung für das Regime untergraben haben. Eine in dieser Woche veröffentlichte Meinungsumfrage deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Russen noch immer nicht an einen Krieg glaubt, obwohl eine Mehrheit ihn befürchtet und die Situation nicht als einen Konflikt mit der Ukraine, sondern mit Amerika betrachtet, in dem "Die Ukraine -  ein einfacher Bauer in einem größeren Spiel, das von Amerika gespielt wird ist... es ist einfach das Spiel der USA mit den westlichen Ländern und der NATO, die die Ukraine benutzen, um Russland unter Druck zu setzen". Bezeichnenderweise zeigt auch das Großkapital wenig Begeisterung für einen Krieg. Der jüngste Börsenkrach hat den Wert der größten Unternehmen um 150 Milliarden Dollar gemindert, und der Rubel fällt. Im Moment äußert sich die Wirtschaft noch nicht. Ein anonymer Investitionsbanker kommentiert: "Niemand will einen Krieg, aber erwarten Sie nicht, dass die großen Unternehmen aufstehen und sich dagegen aussprechen. Wir sind zu Passagieren geworden. Die Geschäftswelt wird den Krieg nur in ihren Küchen diskutieren. In der Öffentlichkeit werden alle schweigen." Dieser Kommentar zeigt jedoch eine reale Gefahr auf. Seit 2014 ist die gesellschaftliche Basis der Kreml-Autokratie immer schmaler geworden. Putin hat sich zunehmend isoliert, was durch seine Angst vor dem Coronavirus noch verschlimmert wurde. Besucher seiner Residenz müssen sich zwei Wochen lang in Quarantäne begeben, bevor sie einen speziell angefertigten "Desinfektionstunnel" durchqueren können. Das macht die Situation sehr gefährlich, denn es gibt nur noch wenige Kontrollen und keine warnenden Worte, die den Kreml davon abhalten könnten, katastrophale Entscheidungen zu treffen.

 

Die Ukraine in der Krise

Oberflächlich betrachtet und vor allem, wenn man den Reden von Präsident Volodymyr Zelensky zuhört, war 2021 ein gutes Jahr für die Ukraine. Während das BIP im Jahr 2020 während der Pandemie um 4 % sank, konnte es 2021 um 3,1 % wachsen. Das Wirtschaftsministerium und Zelensky selbst rühmen sich damit, dass das BIP des Landes mit 200 Milliarden Dollar den höchsten Stand seit der Sowjetunion erreicht hat. Doch diese Behauptung ist nicht stichhaltig - nach Angaben desselben Ministeriums betrug das BIP im Jahr 2020 nur 156 Mrd. $. Im Jahr 2008 lag es bei 180 und 2013 bei 183. Andere Statistiken zeigen die reale Situation. Die Haushaltseinkommen sind 20 % niedriger als 2013, die Inflation liegt offiziell bei 10 % und die Arbeitslosigkeit hat 9,7 % erreicht. Bei seiner Wahl versprach Zelensky, dass das BIP in fünf Jahren um 40 % steigen würde, dass er sich für einen EU-Beitritt der Ukraine einsetzen und den Konflikt in der Ostukraine durch Verhandlungen mit Russland lösen würde. In all diesen Punkten hat er versagt. Angesichts dieser Versäumnisse sind Zelenskys Umfragewerte gesunken. In populistischer Manier führte er im vergangenen Jahr ein Gesetz ein, das die Rechte der Oligarchen auf den Besitz von Unternehmen und Medien einschränken sollte, sowie eine Kampagne gegen "Korruption". Ersteres wurde als Angriff auf die pro-russischen Oligarchen gewertet, was den Zorn des Kremls auf sich zog. Was die Maßnahmen gegen die Korruption betrifft, so drückte es ein Kommentator folgendermaßen aus "Bis jetzt hat noch kein einziger der obersten Korrupten gelitten, und dafür gibt es einen konkreten Grund - die Zusammenarbeit mit dem Büro des Präsidenten!" Da die Kritik in seinen eigenen Kreisen zunahm, ging Zelenskij nun gegen einige seiner früheren Unterstützer vor und entließ beispielsweise den Präsidenten der Rada, des Parlaments, Dmytro Rasumkow. Diese Maßnahmen haben nicht dazu beigetragen, sein Ansehen zu verbessern. Außerdem drohen hohe Preissteigerungen bei den Versorgungsleistungen. Eine Meinungsumfrage vom Dezember ergab, dass 67 % der Bevölkerung der Meinung sind, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt, während es vor zwei Jahren noch 36 % waren. Nur 5 % der Befragten gaben an, dass sich ihre materielle Lage in den letzten zwei Jahren verbessert hat, während der militärische Konflikt, der Anstieg der Energiepreise und die niedrigen Löhne von über 60 % der Befragten als die "größten Probleme" genannt wurden. Vor diesem Hintergrund wird in der Ukraine die Stimmung für einen Krieg angeheizt. Im Dezember kündigte Zelensky an, dass ein pro-russischer Putsch bevorstehe. Dieses Komplott scheint von Boris Johnsons Außenministerium wieder aufgegriffen worden zu sein, das diese Woche behauptete, ein Komplott zur Einsetzung einer prorussischen Regierung in Kiew aufgedeckt zu haben. Diese Behauptung wird in Kiew mit Spott bedacht. Ein ehemaliger Sprecher des ukrainischen Außenministeriums reagierte darauf mit den Worten: "Dieses Szenario würde nur funktionieren, wenn Kiew von einer vollständigen Invasion eingenommen würde. Die Stadt würde dezimiert, das Land verbrannt, und eine Million Menschen würden fliehen. Wir haben 100.000 bewaffnete Menschen in der Hauptstadt, die kämpfen werden ... Es mag einen Plan geben, aber der ist Blödsinn." Diese jüngste Behauptung von Johnsons Regierung gibt der Spaltung Europas eine weitere Wendung. Zweifellos versucht Johnson, die Aufmerksamkeit von der existenziellen Krise seiner Regierung abzulenken, indem er erklärt, dass das britische Außenministerium seine Aktivitäten verstärkt, um die Einheit der NATO unter der Führung der USA zu erzwingen. Gleichzeitig kritisiert er Macrons Vorschlag, dass es jetzt an der Zeit sei, eine europäische Verteidigungsstruktur aufzubauen, und das Zögern der deutschen Regierung in Bezug auf die Sanktionen gegen Nord Stream 2. In der Ukraine nimmt die Zahl derer ab, die glauben, dass ein Krieg durch Verhandlungen vermieden werden kann. Eine Minderheit glaubt, dass Russland eine Invasion im großen Stil vorbereitet. Viel wahrscheinlicher ist nach Ansicht vieler ein Einmarsch und eine verstärkte militärische Aktivität in der Konfliktzone zwischen den nicht anerkannten Republiken und der übrigen Ukraine. Eine Mitte Dezember durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass eine Mehrheit der in der Ukraine lebenden Menschen sich gegen eine Invasion Russlands wehren würde, 33 % würden dafür zu den Waffen greifen. Die Situation wird durch das Gefühl, vom Westen im Stich gelassen worden zu sein, noch komplizierter. Es gibt eine wachsende Anti-NATO-Stimmung mit Kommentaren wie: "Es ist, als ob sie uns im Stich gelassen hätten. Nur Großbritannien, den baltischen Staaten und Polen geht es gut. Und in den USA ist der Präsident schlecht, ein Lumpen, aber auch dort gibt es gute Leute, die sich dem Präsidenten entgegenstellen sollten". Die sich entwickelnde globale Polarisierung verändert die Beziehungen zwischen Russland und China - vor nicht allzu langer Zeit konkurrierten sie noch um ihren Einfluss. Jetzt nähern sie sich einander an - beide haben rechtsgerichtete autoritäre Regime, fürchten sich vor ihren eigenen Völkern und nutzen die Aggression der USA im sich entwickelnden Kalten Krieg, um ihre Länder als von außen angegriffen darzustellen. Beide unterstützten den Putsch in Myanmar, Lukaschenko in Weißrussland und das Regime in Kasachstan. China betrachtet die Situation in der Ukraine als ein weiteres Beispiel für die Aggression der USA. Es gibt jedoch eine wichtige Nuance. Es hat Putin gebeten, bis zum Ende der Olympischen Winterspiele keinen Krieg in der Ukraine zu beginnen. Putin plant, an der Eröffnung der Spiele teilzunehmen, und wird zweifellos testen, wie viel Unterstützung er von Peking erwarten kann, während eine Eskalation der Situation in der Ukraine einen Präzedenzfall für Chinas Vorgehen im Südchinesischen Meer und in Taiwan schaffen wird.

 

Kann ein Krieg vermieden werden?

Die verschiedenen Seiten haben vielleicht nicht die Absicht, den Konflikt zu eskalieren. Aber mit ihrer Kriegstreiberei und ihren Ultimaten, ihren nationalen/imperialistischen Interessen könnte die Situation leicht außer Kontrolle geraten. Selbst wenn es jetzt nicht zu einem Krieg kommt, ist es angesichts der zunehmenden Polarisierung der Welt zwischen verschiedenen imperialistischen Interessen nur eine Frage der Zeit, bis sich hier oder anderswo neue "Stellvertreter"-Konflikte entwickeln. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des Aufbaus einer massenhaften Antikriegsbewegung. Auf welcher Grundlage? Es kann kein Vertrauen in die Friedensverhandlungen der imperialistischen Mächte geben. Es ist der Konflikt zwischen den Interessen der verschiedenen imperialistischen Mächte, der die Bedingungen für die Entstehung solcher Kriege schafft. Die Streitkräfte und die Ausrüstung aller imperialistischen Mächte - Russlands und der NATO - sollten aus der Ukraine und Osteuropa abgezogen werden. Die Ukraine hat das Recht, sich zu verteidigen, die Frage ist nur, in wessen Interesse und auf welche Weise? Die herrschende Elite wird zur nationalen Einheit aufrufen, was in Wirklichkeit bedeutet, die Herrschaft der Oligarchen zu verteidigen, die die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit von einer Krise in die nächste stürzen lässt, während die Reichen einfach immer reicher werden. Die Rechtsextremen und Kriegstreiber werden reaktionäre nationalistische Stimmungen schüren, die die Ukrainer auf sich allein gestellt zurücklassen und, anstatt den Konflikt zu beenden, den Hass schüren und den Konflikt ausweiten. Aber Krieg ist nicht im Interesse der Arbeiter*innenklasse. Eine organisierte Arbeiter*innenklasse würde ihre Wohnungen und Arbeitsplätze verteidigen, und vereint in einer starken Antikriegsbewegung in der Ukraine könnte sie einen starken Klassenappell an die Arbeiter*innen in Russland und anderswo richten, selbst Maßnahmen zu ergreifen, um den Krieg zu beenden. Um den Krieg tatsächlich zu stoppen, braucht es jedoch eine internationale Bewegung, Massendemonstrationen und sogar Streiks in den USA, Russland und den NATO-Ländern. Doch wie frühere Antikriegsbewegungen gezeigt haben, reichten selbst die riesigen weltweiten Proteste gegen die Invasion im Irak, an denen sich Millionen von Menschen beteiligten, nicht aus, um den Krieg zu stoppen. Die ISA unterstützt den Aufruf der Genossinnen und Genossen von Sotsialisticheskaya Alternativa in Russland und der Ukraine, sich dem Krieg zu widersetzen: "Sozialist*innen rufen alle bewussten Arbeiter*innen und Studierenden dazu auf, mit dem Aufbau einer starken, internationalen Antikriegsbewegung zu beginnen und sie gegen jeden zu richten, der versucht, einen Krieg zwischen den Völkern anzuzetteln. Wir kämpfen nicht für einen abstrakten Pazifismus, sondern für einen vereinten Kampf gegen das System, das Krieg, Armut, Klima- und Umweltkatastrophen, Pandemien und Autoritarismus verursacht". Dies erfordert den Aufbau mächtiger politischer Bewegungen, die sich den kapitalistischen herrschenden Eliten, die vom Krieg profitieren, entgegenstellen, die Öl- und Gasunternehmen und andere Ressourcen, die sich im Besitz der Oligarchen befinden, in demokratisches öffentliches Eigentum überführen und die Herrschaft der imperialistischen Kriegstreiber beenden, indem sie das wirkliche Recht auf Selbstbestimmung und den Aufbau einer wirklich demokratischen, sozialistischen Föderation in Europa und der Welt sicherstellen.

 

Heute, 27.1., internationaler Aktionstag in Solidarität mit dem Clover Streik in Südafrika!

Seit Ende November befinden sich 5.000 Beschäftigte von Clover in Südafrika im Streik. Sie kämpfen für ihre Jobs, Lohnerhöhungen und die Verstaatlichung des Unternehmens unter demokratischer Kontrolle. Hintergrund ist die Firmenübernahme Clovers durch das Milco SA Konsortium unter der zu Coca Cola gehörenden israelischen Central Bottleing Company im Jahr 2019. Ziel dieser Übernahme ist es, Clover zu zerschlagen, um auf dem südafrikanischen Markt einen Konkurrenten loszuwerden. Die Folge: 2000 Stellen würden bereits gekürzt. Rund 1500 sollen folgen. Die Arbeitsbedingungen sind miserabel und die Löhne reichen kaum zum Leben. Auch in der Landwirtschaft wären zahlreiche Existenzen von der Zerschlagung des Konzerns betroffen. Zusätzlich wird die Möglichkeit des Landes, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen, untergraben. Dies ist die logische Konsequenz kapitalistischen Profitstrebens. Mehr Informationen: https://www.slp.at/artikel/s%C3%BCdafrika-clover-streik-ist-ein-kampf-gegen-das-kapitalistische-system-10699

Weltweit folgen Aktivist*innen dem Aufruf zu Protestaktionen am 27.1.: https://fb.watch/aLMBJcjvMY/ In einer Vielzahl von Ländern wie Belgien, Britannien, Brasilien, Schweden aber auch Israel-Palästina, sowie in Südafrika selbst, Proteste statt, vor Botschaften aber auch vor Coca Cola Firmensitzen. Auch in Wien waren wir vor der Botschaft. In seiner Rede bekräftigten SLP-Aktivist Christoph Glanninger die Forderung nach Enteignung und demokratischer Verwaltung, und wies darauf hin, dass der Arbeitskampf auch Vorbildwirkung für Betriebe wie MAN in Österreich haben kann. Wir haben unsere Solidarität mit den Streikenden und ihren Forderungen auch an Vertreter*innen der Botschaft übergeben.

Der Streik in Südafrika zeigt bereits erste Wirkungen - 800 der geplanten Entlassungen wurden zurückgenommen. Doch wird dies bestenfalls eine Verschnaufpause bedeuten, wenn Clover weiter in privater Hand bleibt. Bereits jetzt hält die Konzernführung (illegaler Weise) das 13. Monatsgehalt als Repression zurück. Eine weitere Zuspitzung des Arbeitskampfes ist also wahrscheinlich, um die Forderungen der Beschäftigten durchzusetzen. Am 8. Jänner beschlossen 500 Vertreter*innen von Beschäftigten und Gewerkschaften, laufende Massenaktionen. Durch den heutigen Aktionstag soll international gegen das Vorgehen von, Clover, Milco SA und CBC alias Coca Cola mobil gemacht werden. Falls du leider nicht dabei sein könntest, gibt es diese Petition zum unterzeichnen: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSe4H3FGmOu8-Pn5zNSaUkoAn-8komiSwtfzmXRKyZKxabW6iw/viewform

 

Chicagoer Lehrer konfrontieren Biden mit seiner Omicron-Nachlässigkeit

Melissa Vozar Mitglied der Chicago Teachers Union und Socialist Alternative (SLP-Schwesterorganisation, USA)

Dieser Artikel erschien am MITTWOCH, den 12. JANUAR 2022 auf der Homepage unserer Internationale, International Socialist Alternative (ISA) 

 

Die Omicron-Krise breitet sich auf Schulsysteme in den gesamten Vereinigten Staaten aus und entlarvt das völlige Versagen des politischen Establishments, Schulen nach fast zwei Jahren der Pandemie sicher zu machen. Pädagogen, Eltern und Schüler*innen wünschen sich überwältigend Präsenzunterricht, nachdem sie die Belastung und Unzulänglichkeiten des Fernunterrichts erfahren haben. Da die politisch Verantwortlichen bis hin zu Joe Biden den Präsenzunterricht in erster Linie als Mittel zur Sicherung der Wirtschaft und der Profite betrachtet haben, haben sie es versäumt, den Schulen das zu geben, was sie brauchen, um nicht von einer Krise in die nächste zu geraten. In der Zwischenzeit haben Milliardäre während der Pandemie viele weitere Milliarden verdient - das Vermögen von Elon Musk entspricht mehr als 28 Budgets der Chicago Public Schools (CPS). Den Schulen fehlt es an angemessenem Personal, COVID-19-Tests und -Schutzmaßnahmen sowie an modernen Lüftungsanlagen. Die Schulgemeinschaften sind frustriert, und die Pädagogen kämpfen darum, in ihrem Beruf zu bleiben. In Chicago machte das demokratische Establishment unter der Führung von Bürgermeisterin Lori Lightfoot deutlich, dass Pädagog*innen, Schüler*innen und Eltern keine neuen Maßnahmen erwarten dürften, die über die bereits bestehenden, völlig unzureichenden Maßnahmen hinausgingen, während Omicron vor der Winterpause am 3. Januar an Fahrt aufnahm. Nach zwei Tagen Präsenzunterricht und einigen Runden von Gewerkschaftssitzungen stimmten die Pädagog*innen der Chicago Teachers Union (CTU) mit 73 % für kollektiven Protest, um für die Sicherheitsmaßnahmen zu kämpfen, die als Reaktion auf die Omicron-Welle erforderlich sind und das persönliche Lernen in Chicago langfristig sicherer machen. Sie verließen ihre Gebäude und planten, den Unterricht aus der Ferne fortzusetzen. Dies war nicht als langfristige Schließung von Schulgebäuden gedacht, sondern bis die notwendigen Maßnahmen für die Sicherheit von Schülern und Lehrkräften ergriffen wurden. Die Aktion der CTU sollte für Pädagogen auf nationaler Ebene ein Vorbild sein. Lightfoot reagierte mit harter Hand: Sie sagte den Unterricht ab und sperrte die Pädagog*innen vom CPS (Chicago Public Schools)-Online-Portal aus, wodurch das Leben der arbeitenden Familien durcheinander gebracht wurde. Diese bösartige Reaktion wurde von Präsident Biden und den Konzernmedien unterstützt, weshalb es einer Eskalation des Kampfes bedarf, um zu gewinnen. Socialist Alternative ist solidarisch mit den Erzieher*innen und wir mobilisieren, um sie als Mitglieder der Gemeinschaft und als Pädagog*innen zu unterstützen. Als wir diesen Artikel in Druck gaben, kapitulierte die CTU-Führung vor Lightfoot, indem sie der 800 Mitglieder zählenden Delegiertenversammlung einen völlig unsicheren Plan vorlegte, der praktisch keine der Forderungen der Lehrkräfte erfüllt. Mit 389 zu 226 Stimmen wurde beschlossen, die Pädagogen am 11. Januar und die Schüler am 12. Januar wieder in die Schule zu schicken. Die Abgeordneten werden eine Schlussabstimmung haben und sollten mit "Nein" stimmen, aber die Führung hat diese Abstimmung so angesetzt, dass sie stattfindet, nachdem die Lehrer ihren Einfluss durch die Rückkehr in die Schulgebäude aufgegeben haben. Dies ist äußerst demoralisierend. Die Verabschiedung dieses Abkommens wäre ein Rückschlag für die Schulen und die Kämpfe rund um Bildung und Sicherheit im ganzen Land. In dieser Situation wäre es besser weiter außerhalb der Schulen zu bleiben und am 18. Jänner, für den die Gewerkschaft die Rückkehr zum Präsenzunterricht vorschlug, ohne Vereinbarung in die Schulen zurückzukehren, als eine Vereinbarung zu verabschieden, die Lehrkräfte, Schüler und Familien an einen schrecklichen Plan bindet.

 

CTU-Mitglieder kämpfen für Sicherheit, Lightfoot lügt

In Illinois sind die Schulen die Hauptquelle für bekannte COVID-Übertragungen. In der CPS wurden 20 % aller COVID-Fälle seit Beginn der Pandemie in den ersten beiden Tagen nach der Rückkehr aus den Ferien (3./4. Januar) verzeichnet. An diesen Tagen lag die durchschnittliche Abwesenheitsquote der Schüler bei etwa 30 %. Im gesamten Bundesstaat steigen die COVID-Fälle bei Kindern, sowie die Krankenhausaufenthalte. Viele Pädagog*innen haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Klassenzimmer auf Fernunterricht umgestellt werden, und bei dieser neuen Welle fürchteten die meisten eine unvermeidliche Umstellung, die wiederum von den Lehrern verlangt, gleichzeitig kranke, unter Quarantäne stehende und nicht geimpfte Kinder aus der Ferne zu unterrichten, während die geimpften Kinder vor Ort sind. Während die Lehrer ausgesperrt wurden, erhielten die Schulleiter die Nachricht, dass unabhängig von den Verhandlungen zahlreiche Klassenzimmer in der Stadt unter Quarantäne gestellt würden. Obwohl nur ein kleiner Prozentsatz der CPS-Schüler am Montag und Dienstag getestet wurde, sind 2.400 Schüler positiv getestet worden, so dass über 9.000 Schüler unter Quarantäne stehen. Um die Ausbreitung von Omicron einzudämmen und den Unterricht effektiv zu gestalten, war eine vorübergehende Umstellung auf vollständigen Fernunterricht erforderlich. Die Pädagogen gingen an diese Krise mit einer klaren und richtigen Formel heran. Wir sollten für zwei Wochen auf Fernunterricht umstellen, während der Höhepunkt der Ausbreitung erwartet wird, und dann die Maßnahmen gegen die Pandemie für den Präsenzunterricht massiv ausweiten. Die Aktionen der CTU haben die Ausbreitung von Omicron unbestreitbar verlangsamt. Mit ihrem #LoriLockout hat die Bürgermeisterin einen Angriff auf die gesamte Schulgemeinschaft gestartet, in der Hoffnung, dass sie die unverschämte Last des Schulausfalls erfolgreich den Lehrkräften anlasten kann. Wie demokratische Bürgermeister*innen im ganzen Land, versucht sie jegliche Schuld für die Störungen im Zuge der Omikron Welle von sich und ihren Unterstützer*innen aus den Wirtschaftseliten zu weisen und den Lehrkräften, die unter unglaublicher Aufopferung das System 2 Jahre lang aufrecht erhalten haben, umzuhängen. Der Schwerpunkt der Sicherheitsvorschläge der CTU-Führung lag auf Tests für alle Schüler, außer für diejenigen, die von ihren Eltern durch ihre Eltern davon befreit  wurden, auf der massenhaften Verteilung von KN95-Masken, auf einer besseren Ermittlung von Kontaktpersonen und auf klaren Kriterien für bezirksweite und gebäudebezogene Schließungen.  Dies ist das Mindeste, was wir brauchen, um tatsächlich auf das Virus in der Schule zu reagieren und alles zu tun, um eine Übertragung zu verhindern. Am vergangenen Samstag legte die CTU-Führung der 800 Mitglieder zählenden Delegiertenversammlung einen konkreten Vorschlag vor, der Lightfoot einige Zugeständnisse machte, aber nach eigenen Angaben darauf abzielte, Lehrer*innen und Eltern zusammenzubringen. Anstatt jedoch eine umfassendere Strategie anzubieten, um die gesamte Macht der Arbeiterklasse zu mobilisieren, um Lightfoot zu besiegen, bot die CTU-Führung Zugeständnisse an, die darauf abzielten, vor dem Gericht der "öffentlichen Meinung" vernünftig zu erscheinen, indem sie die Forderung nach Tests für alle Schüler*innen fallen ließ und stattdessen stichprobenartige Tests für 10 % der Schüler*innen pro Woche forderte, sofern sie sich nicht dagegen entscheiden (ein Fortschritt gegenüber dem derzeitigen Opt-in-Programm). Das Problem bei dieser PR-basierten Verhandlungsstrategie ist, dass sie Lightfoot, die keinerlei Verpflichtungen eingegangen war, klarmachte, wo die Verhandlungen beginnen könnten. In Wirklichkeit war das Manöver der CTU-Führung vom Samstag nur ein Vorgeschmack auf ihre totale Kapitulation am Montag. Auf der Sitzung der Delegiertenversammlung am Montag machte die CTU-Führung da weiter, wo sie am Samstag aufgehört hatte, als sie die Erwartungen herunterschraubte. CTU-Vizepräsidentin Stacy Davis Gates wurde dabei gehört, als betonte, dass sie niemals "Träume" verkaufe. Es gibt viele Fragen darüber, ob die verwässerten Testprogramme tatsächlich vor der Ausbreitung hoch ansteckender Varianten wie Omicron schützen oder nicht. Eine unwirksame Vereinbarung mit Lightfoot, die künftige Aktionen am Arbeitsplatz bedroht, ist in vielerlei Hinsicht schlimmer als ein Kräftemessen mit Lightfoot, das zeigt, dass die CTU so hart wie möglich für die Politik kämpft, die Pädagog*innen, Schüler*innen und Eltern tatsächlich schützen könnte, und das den Boden für künftige Kämpfe bereiten könnte. Es ist besser, mit dem Wissen, dass die Pädagog*innen entscheidende Schritte unternommen haben, um eine außer Kontrolle geratene Ausbreitung zu stoppen und mit der Aussicht, mobilisiert zu bleiben, um dies erneut zu tun an die Arbeit zurückzukehren, als eine miese Vereinbarung mit Lightfoot zu unterzeichnen. Lightfoot lehnte den Vorschlag für Samstag sofort ab, mit Ausnahme der Verteilung von Masken, und versuchte seit Freitag, die Schulen überall dort zu öffnen, wo genügend Erwachsene in das Gebäude gelockt werden konnten, um die Schüler*innen zu beaufsichtigen. Aus der Sicht des Establishments bedeuten mehr Tests im Grunde, dass ihr gescheiterter Ansatz im Umgang mit der Pandemie noch mehr aufgedeckt wird, aber öffentlich behaupten sie, es sei unmöglich, genügend Tests durchzuführen. Es ist ein unglaubliches Armutszeugnis für das politische Establishment und den amerikanischen Kapitalismus, dass sie zwei Jahre nach einer Pandemie immer noch nicht in der Lage sind, angemessene Tests und PPE (Personal Protection Equipment) zu produzieren. Sozialist*innen rufen dazu auf, den Defense Production Act zu nutzen, um die Produktion von Testkits und PPE sofort auf das zum Schutz der Gesundheit erforderliche Maß zu erhöhen. Wenn die Unternehmen nicht in der Lage sind, die Aufträge zu erfüllen, sollten sie in öffentliches Eigentum überführt werden. Einige CPS-Gebäude blieben nominell geöffnet und wurden von Pädagog*innen besetzt, die in der Gewerkschaft Service Employees International (SEIU) 73 organisiert sind, deren Führung weitaus zaghafter ist und deren Mitglieder weniger Lohn und weniger Schutz genießen. Die CTU muss diese Pädagogen in ihre Reihen aufnehmen und eine Strategie entwickeln, um die Schulen tatsächlich zu schließen. In diesem Sinne haben Mitglieder der Basis, darunter auch Mitglieder der Socialist Alternative, eine eigene Petition gestartet, in der ein kämpferischerer Ansatz gefordert wird, der auf Solidarität mit der CTU, den Schüler*innen und Eltern beruht. Sogar 75 % der Schulleiter*innen haben Lightfoot aufgefordert, diese Eröffnungen zu stoppen. Pädagog*innen berichten von einer weit verbreiteten Sympathie der Eltern an den Schulen der Arbeiter*innenklasse, aber Lightfoot versucht, die Unterstützung der Eltern zu gewinnen, indem sie schwört, jeden Schritt zum zeitlich begrenzten Fernunterricht um jeden Preis zu stoppen.

 

CTU-Führer*innen kämpfen an vorderster Front für die Sicherheit, versäumen es aber, eine Eskalationsstrategie zu entwickeln

Mehr Gewerkschaftsführer*innen sollten Abstimmungen unter ihren Mitgliedern einberufen und Maßnahmen ergreifen, wie es die CTU-Führer*innen in dieser Omicron-Krise getan haben. Die CTU-Führer*innen wurden jedoch von der Aussperrung überrumpelt und waren nicht auf die Art der schnellen Eskalation vorbereitet, die notwendig ist, um Lightfoot zu zwingen, von einer Aussperrung abzulassen. Die daraus resultierende Verwirrung hat viele Lehrkräfte und Eltern aus der Arbeiterklasse dazu veranlasst, sich zu fragen, warum diese Aktionen nicht mit Vorgriff auf die Winterpause und den sich abzeichnenden Omicron-Anstieg organisiert wurden. Das von Lightfoot verursachte Chaos hat es ihr auch ermöglicht, sich Vorteile im Kampf zu verschaffen. Vor der Einigung vom Montag bestand ihre Strategie einfach darin, die Lehrer*innen bis Dienstag, den 18. Januar, an dem die CTU-Aktion enden sollte, auszusitzen. Das Verhalten der Lehrkräfte in dieser Situation war heldenhaft. Viele CTU-Lehrkräfte waren demobilisiert und demoralisiert durch den Kampf um die Wiedereröffnung vor genau einem Jahr, als Lightfoot und CPS die Lehrkräfte wieder in unsichere Gebäude zwangen, in denen sie mit wenig idealen hybriden Unterrichtsmodellen und mit sehr wenig Sicherheitsprotokollen arbeiten mussten. Im Jahr 2021 gaben die CTU-Führer den Kampf auf, als die Pädagogen zum Kampf bereit waren. Im Jahr 2022 waren sie den Mitgliedern einen Schritt voraus und handelten entschlossener. Tausende von Pädagogen stimmten am 4. Januar für Sicherheitsmaßnahmen und wehrten sich gegen Lightfoot. Die passive Unterstützung für diese Aktion ging über in ein aktives Engagement von immer mehr Mitgliedern. Die Lehrkräfte waren zu einer größeren Mobilisierung bereit, verteilten Flugblätter in ihren Gemeinden, störten mit Autokarawanen den normalen Geschäftsbetrieb in den Innenstädten, hielten täglich Gewerkschaftssitzungen in den Gebäuden ab, überzeugten Mitglieder, die Gebäude zu verlassen, organisierten Elterngespräche in den einzelnen Schulen und richteten Spendenaktionen für Mitglieder ein, die mit möglichen Lohneinbußen in diesem Kampf zu kämpfen haben. Tausende von SEIU-Mitgliedern mit niedrigen Löhnen beteiligen sich an diesem Kampf, obwohl ihre Gewerkschaft darauf überhaupt nicht vorbereitet ist. CPS versucht, die Schulen auf dem Rücken dieser Beschäftigten zu führen. Hunderte von Mitgliedern gehen auch nicht in die Schulen. Die SEIU-Führer haben für diejenigen, die es tun, einen Befehl zum Arbeiten gegeben. Die SEIU-Mitglieder haben auf die Krise mit einer öffentlichen Petition reagiert, die bereits Hunderte von Unterschriften erhalten hat. Jetzt müssen die Mitglieder mit "Nein" stimmen und einen von der Basis getragenen Kampf aufbauen, um den Druck auf Lightfoot zu erhöhen und sichere Schulen zu erreichen. Fehler, die die CTU-Führer*innen in der Vergangenheit gemacht haben und die zur aktuellen Krise beigetragen haben, sollten vermieden werden. Einer der wichtigsten Gründe, warum sich die Pädagog*innen in einer so schrecklichen Situation befinden, ist die mangelnde Bereitschaft der Gewerkschaftsführung, sich mit den Politikern der Demokratischen Partei, insbesondere mit Biden, anzulegen. Randi Weingarten, die Präsidentin der American Federation of Teachers, brüstet sich damit, zu Bidens innerem Kreis zu gehören. Obwohl sie der CTU eine Unterstützungserklärung angeboten hat, hat sie sich nicht gegen Bidens Beharren auf der Offenhaltung der Schulen ausgesprochen (während sie nichts unternommen hat, um die Delta- und Omicron-Varianten zu stoppen, und sinnvolle politische Vorschläge zur Unterstützung von Arbeiterfamilien bei der Bewältigung der Pandemie unterbreitet hat). In diesem Zusammenhang ist es besonders empörend, dass die stellvertretende CTU-Vorsitzende Stacy Davis Gates diese gescheiterte Strategie noch weiter unterstützt hat, indem sie sagte: "Die Biden-Administration hat alles getan, was sie hätte tun sollen". Es muss der Weg frei gemacht werden für eine breitere Unterstützung der Eltern und der Nachbarschaften in diesem Kampf. Wir können uns nicht auf die Strategie "einen Tag länger" verlassen, wenn Lightfoot versucht, uns auszusitzen. Die Kämpfe um Sicherheit am Arbeitsplatz müssen andere Gewerkschaften in der Stadt und im ganzen Land zur Unterstützung aufrufen. Die Gewerkschaftsbewegung sollte gegen die Konzerntitanen in den Innenstädten mobilisieren, die von dieser Stadt profitieren, während sie die öffentlichen Dienste angreifen. Buchstäblich vier Milliarden Dollar fließen jedes Jahr unversteuert durch die Lasalle-Straße! Wir müssen den Geschäftsbetrieb von Lightfoot's wohlhabenden Unterstützer*innen unterbrechen, um Druck auf sie auszuüben. Es muss sich organisiert werden, um die ungeheuerlich ungeplanten, unbeaufsichtigten und unsicheren Eröffnungen, die Lightfoot vornimmt, vollständig zu stoppen. Zuallererst bedeutet dies, dass der miese Deal mit CPS abgelehnt werden muss. Dann müssen die CTU-Mitglieder schnell mobilisieren, um die Führung zu zwingen, den Mitgliedern zu erlauben, die Gebäude zu verlassen, während sie eng mit der SEIU zusammenarbeiten, um ihren Mitgliedern zu helfen, die Gebäude so lange zu verlassen, bis es sicher ist, zurückzukehren.

 

Nationale Bedeutung

Vor einem Jahr hat Lightfoot den Schulen in Chicago erfolgreich einen unzureichenden Sicherheitsplan aufgezwungen und das demokratische Establishment auf nationaler Ebene ermutigt, seine kriminelle Vernachlässigung der Schulen fortzusetzen. Die arbeitenden Menschen, die Gewerkschaften und die linken Mandatsträger`*innen müssen mobilisieren, um die grundlegenden Sicherheitsvorschläge der Lehrkräfte durchzusetzen und einen weiteren Rückschlag zu verhindern. Indem sie Fernmaßnahmen ergriffen haben, haben die Lehrkräfte zweifelsohne dazu beigetragen, die Ausbreitung von Omicron zu verlangsamen. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unsere Forderungen nach einer Rückkehr zum sicheren Präsenzunterricht und die ursprünglichen CTU-Vorschläge nur ein Anfang sind. Wir müssen in der Lage sein, wöchentlich Schüler*innen und Personal im gesamten Bezirk zu testen und die Schulen brauchen eine massive Aufstockung des Personals. Sonst werden Vorschläge wie die Ermittlung von Kontaktpersonen oder Messwerte bedeutungslos. Die grobe Unterfinanzierung und die unzureichende Personalausstattung bei der Rückkehr zum Präsenzunterricht in diesem Herbst sowie die falsche Handhabung des Omicron-Anstiegs durch das demokratische Establishment haben landesweit zu einem Chaos in den Schulen geführt, das in vielen Gebieten zu Schulschließungen geführt hat, weil eine große Zahl von Lehrer*innen und anderem Personal infiziert war. Gleichzeitig war die Reaktion des Establishments auf die Pandemie in den Jahren 2020-21, die das Lernen aus der Ferne erzwang, anstatt ernsthafte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen und die Ressourcen für die Schaffung sicherer persönlicher Lernumgebungen zu investieren, eine Katastrophe für die Kinder. Jetzt, mitten in der größten COVID-Welle von allen, will man einfach, dass die Schulgebäude geöffnet bleiben, egal was passiert. Sie haben im Grunde jeden sinnvollen Ansatz für die öffentliche Sicherheit aufgegeben. Leider wird die frühe Kapitulation der CTU-Führung eine abschreckende Wirkung auf ähnliche Kämpfe im ganzen Land haben. Wir müssen darauf hinweisen, dass die Lehrkräfte in Chicago bereit sind zu kämpfen, und ihr mutiges Handeln, um die rücksichtslose Wiedereröffnung von Lightfoot zu verhindern, hat gezeigt, dass Solidarität in Aktion der richtige Weg ist, um zu kämpfen. Das demokratische Establishment und die Milliardär*innen, die dahinter stehen, können und werden diese Krise nicht lösen. Unser Kampf um Sicherheit findet vor dem Hintergrund der jüngsten Streiks in verschiedenen Branchen, der wachsenden Macht der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitskräftemangels und der Wut auf das Establishment statt. Wir müssen diese Kämpfe miteinander verbinden und eine klassenkämpferische Antwort auf die COVID-Krise aufbauen, einschließlich einer neuen Partei und einer wiederaufgebauten Arbeiterbewegung!

 

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