Frauen und LGBT

ROSA gegen Sexismus in der Gastro

Sarah Moayeri

Gastronomie-Beschäftigte und Lehrlinge haben Sexismus und Ausbeutung am Arbeitsplatz satt: Die sozialistische feministische Initiative ROSA hat eine Kampagne gestartet, um Kolleg*innen zu vernetzen und Missstände zu bekämpfen.

Hab dich nicht so: Gegen Sexismus in der Gastro

Unbezahlte Überstunden, Niedriglöhne, Erniedrigung, sexuelle Belästigung, K.O. Tropfen: Die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie waren schon immer eine Katastrophe, doch hat sich das unter Corona verschärft. Viele haben den Job verloren, wer geblieben ist, hat die Krise doppelt und dreifach zu spüren bekommen. In der Branche arbeiten überwiegend junge Frauen (54% Frauen), Studierende, Minderjährige, die der Willkür von Chefs und Kund*innen oft schutzlos ausgesetzt sind. Schwarzarbeit nimmt zu, Arbeitsschutz ab. Tourismus und Gastronomie sind eine der größten und mächtigsten Wirtschaftszweige in Österreich (vor Corona 320.000 Beschäftigte) mit hohen Profiten. Der jetzige Personalmangel liegt nicht nur an Corona, sondern in erster Linie an den Arbeitsbedingungen.

ROSA startet Initiative gegen Sexismus & Ausbeutung

ROSA Wien hat aufgrund persönlicher Erfahrung von Aktivist*innen um das Thema Sexismus und Arbeitsbedingungen in der Gastro eine online-Umfrage gestartet, Straßenaktionen und Flyerverteilungen organisiert. Die Reaktionen waren eindeutig: Es gibt ein großes Bedürfnis unter Beschäftigten und Kund*innen, gegen Sexismus und Ausbeutung aktiv zu werden. Die Erfahrungsberichte zeigen die ausbeuterischen und unsicheren Arbeitsverhältnisse: Egal ob in der Systemgastro (McDonalds, Starbucks etc.) oder im kleinen Beisl. Eine Kollegin schrieb:

“Ich habe mit 15 angefangen, dort zu arbeiten. Eines Tages hat mir der Chef gesagt, dass er mich nicht für ‘allzu viele Stunden anmelden will, weil mir sonst das Kindergeld wegfällt.’ Natürlich akzeptiert man 5€ pro Stunde mit 15. [...] Einen Lohnzettel habe ich nie unterschrieben, genausowenig einen Arbeitsvertrag. [...] Ich wurde regelmäßig von alten männlichen Gästen sexuell belästigt, ohne dass der Chef etwas dagegen unternahm.”

Was macht die Gewerkschaft?

Auch die Forderungen sind eindeutig: Höhere Löhne, regelmäßige Pausen, keine spontanen Überstunden, Belastungszulagen, Schutz vor Sexismus usw. Um das zu erkämpfen, braucht es gewerkschaftliche Organisierung. Doch bisher haben die Gewerkschaften, allen voran die Vida, die Branche mehr als vernachlässigt. Der Organisierungsgrad ist minimal und die mageren KV-Abschlüsse (+3,7% im Hotel- & Gastgewerbe) bringen zurecht viel Wut, aber keine Mitglieder. Viele Beschäftigte werden nicht mal kollektivvertraglich entlohnt. Die Branche ist zersplittert und undurchsichtig - auch das macht die Arbeitsbedingungen gefährlich. Aber eine Organisierung ist möglich, das zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern. Die Gewerkschaft muss in die Offensive kommen, Betriebsratsgründungen vorantreiben, Kolleg*innen aus ihrer Isolation holen und vernetzen. 87% der Gastro-Unternehmen arbeiten mit weniger als 10 Beschäftigten. Hier müssen gewerkschaftliche Kampagnen stark auf betriebsübergreifende Vernetzung und Solidarität auch von außen setzen.

Mit ihrer aktuellen Initiative “Tatort Arbeitsplatz” will die Vida gegen Gewalt vorgehen. Bisher handelt es sich aber eher um eine hohle Werbekampagne. Und was ist dort zu lesen? Beschäftigte sollen einfach lauter “Nein” sagen, wenn sie Opfer von sexueller Belästigung werden. Echter Schutz gegen Sexismus, sowohl für Beschäftigte als auch für Kund*innen, würde hingegen bedeuten, Anlaufstellen/Ansprechpartner*innen in jedem Lokal/Grätzel, Aufklärungskampagnen durch die Gewerkschaft und vor allem: Ordentliche Löhne und Organisierung der Belegschaften, um gemeinsam kämpfen zu können - das muss in der Berufsschule beginnen. Lehrlinge und Beschäftigte müssen sich zusammenschließen, um die Verhältnisse zu verändern. Wir können aber nicht auf die Gewerkschaftsführungen warten, daher: Schließ dich jetzt ROSA an!

Link zur Umfrage: https://forms.gle/d4MT436FoJjw2QVz8  

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kapitalismus (miss)braucht Frauen

Jan Millonig

Insgesamt geht die “Pflegereform” weiter im Trend, Pflege mehr und mehr ins Private zu verlagern. Das wird hinter schönen Worten versteckt. Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer geht sogar so weit, zu behaupten "der große Durchbruch” wäre “auch ein wichtiger Erfolg für die Gleichstellungspolitik. Denn vor allem Frauen sind in Pflegeberufen tätig und übernehmen auch in den meisten Fällen zu Hause die Pflege von Angehörigen." Tatsächlich lässt man aber genau diese Frauen weiter im Stich. Wahr ist, dass hauptsächlich Frauen, die meist auch noch berufstätig sind, die Fürsorge-Arbeit (Kinderbetreuung, Pflege usw.) übernehmen, entweder schlecht bezahlt oder gratis zu Hause. Das System spart sich Milliarden. Neoliberale Kürzungen haben diesen Sektor vergrößert. Arbeitsbedingungen werden schlechter und öffentliche Angebote reduziert. Gleichzeitig steigt der Versorgungsbedarf, weil Menschen älter und kränker werden. Dieser Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Stellung von Frauen (rechtliche Gleichstellung, Integration in den Arbeitsmarkt usw.) und ihrer Rolle in der “Care-Arbeit” wächst und ist die Basis für steigenden Widerstand dagegen. Wir sagen: Fürsorge muss Aufgabe der ganzen Gesellschaft sein. In einem Wirtschaftssystem, wo es nicht darum geht, die Profite der Konzerne abzusichern, sondern den vorhandenen Reichtum für die Bedürfnisse der Menschen einzusetzen, können wir eine gute Versorgung für alle bereitstellen - mit dem Kapitalismus aber geht das nicht!

 

30.6.: Protestaktion gegen sexistische & queerfeindliche Gewalt!

diesen Donnerstag, 30. Juni | 16:00 | Taubenmarkt | Linz
ROSA - kämpferisch.sozialistisch.feministisch

Der letzte Samstag war mit der Linzer Pride nicht nur von einem starken Zeichen für die Rechte von LGBTQIA+ Menschen und Gleichberechtigung geprägt, sondern auch von homo- und transphober Gewalt. Die traurige Nachricht des Anschlags auf einen Schwulen-Club in Oslo mit zwei Toten und Dutzenden Verletzten machte allen Teilnehmer*innen deutlich, warum es immer noch so wichtig ist, gegen Homophobie auf die Straße zu gehen. Leider ereignete sich auch in Linz nach der Pride ein Übergriff am Taubenmarkt auf queere Jugendliche, die danach im Krankenhaus behandelt werden mussten. Dem ging voraus, dass sie anscheinend im McDonalds transphob bzw. sexistisch diskriminiert wurden.

Wir wollen mit unserem Protest klarstellen, dass wir uns von Hass und Gewalt nicht einschüchtern lassen, sondern gemeinsam solidarisch darauf antworten. Und sagen: Jede*r hat das Recht so zu sein, wie sie*er will, und muss den entsprechenden Raum dafür bekommen. Denn hier wird auch deutlich, wie Konzerne wie McDonalds sich einmal im Jahr mit Regenbogenfarben schmücken, aber ihre Praxis dann ganz anders aussieht.

Wichtig ist, dass wir uns organisieren und Strukturen aufbauen, die Angriffen auf uns, egal ob physisch oder auf unsere Rechte, etwas entgegensetzen können. Deshalb rufen CatCallsofLinz, das Bündnis Do It Yourself: Frauentag Linz und die sozialistisch-feministische Initiative ROSA zu einer Protestaktion auf und wir laden auch alle anderen, Einzelpersonen wie Organisationen, dazu ein, diese zu unterstützen und mit uns über weitere Schritte zu diskutieren.

 

Wir fordern:

-> Lückenlose Aufklärung des Falles unter Einbeziehung von Organisationen und Beratungsstellen aus der LGBTQIA+ Community!

-> McDonalds muss handeln! Betriebsrat, Gewerkschaften und LGTBQIA+ Organisationen können Forderungen erarbeiten, um McDonalds zu einem sicheren Ort für queere Personen zu machen.

-> Sofortige Investitionen der Stadt Linz und des Landes OÖ in mehr Streetwork, Jugendarbeit und Aufklärungsarbeit in Schulen und im öffentlichen Raum.

-> Ausreichende Finanzierung von Gewaltschutz und Beratungsstellen

-> Sofortiger Förderungsstopp für Organisationen und Medien, die homo- und transphobe Positionen verbreiten/tolerieren.

-> Die Gewerkschaften bzw. der ÖGB, als größte Organisationen von Arbeitnehmer*innen, müssen in Betrieben und dem öffentlichen Raum eine aktive Kampagne gegen Homophobie und Sexismus organisieren.

-> Queerfreundliche Aufklärung in Schulen organisiert von Organisationen aus der Community.

-> Das alles und auch die soziale und medizinische Versorgung von Betroffenen brauchen Geld. Deshalb fordern wir Milliarden-Investitionen in Bildung, Soziales und Gesundheit statt für Konzerne und Aufrüstung!

-> Schluss mit konservativen Rollenbildern und Diskriminierung in Staat und Gesellschaft! Schaffen wir das System ab, in dem Reiche und Konservative über unser Leben bestimmen, uns spalten, unterdrücken und nichts für uns übrig haben. Alle Menschen müssen die Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, die sie brauchen!

Wir haben schon auf der Pride gerufen: When our rights are under attack - Stand up! Fight back!

 

Bitte teile diesen Beitrag, wenn du die Forderungen unterstützt!

 

USA: Wir müssen JETZT handeln, um Abtreibungsrechte zu verteidigen

Stellungnahme von Kshama Sawant, Mitglied des Stadtrats von Seattle

An dem Tag, an dem der Oberste Gerichtshof die Aufhebung des Urteils Roe vs. Wade verkündete, gingen Zehntausende im ganzen Land auf die Straße. Das beschämende, rechte Urteil steht im Widerspruch zur Unterstützung von legaler Abtreibung durch die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung Amerikas. Die Proteste machten aber auch deutlich, dass Millionen Menschen wütend sind über das völlige Versagen der Demokraten sich zu wehren, und über die Vorstellung, dass alles was wir jetzt tun müssen ist im November blau  (Anmerkung: blau ist die Farbe der Demokratischen Partei) zu wählen.

In New York marschierten über 20.000 Menschen wütend durch Manhattan, angeführt von der Socialist Alternative (Anmerkung: Schwersterorganisation der ISA/SAV in den USA) und anderen linken Gruppen und Gewerkschaften. Die Energie bei der Demonstration war so heftig, dass der Marsch vier Stunden lang dauerte. In Fayetteville, Arkansas, protestierten Hunderte im Stadtzentrum und forderten eine sozialistische, feministische Alternative zum bankrotten Girlboss-Feminismus.

In Houston, wo die Sozialistische Alternative zu Massenprotesten vor dem Bundesgerichtshof aufrief, kamen fünftausend Menschen. In einem mittlerweile viralen Video von der Demonstration ist der Demokrat Beto O'Rourke zu sehen, der um einen Redeplatz bat und beschämt den Kopf hängen lässt, während die Menge um ihn herum skandiert: "Voting blue is not enough" Democrats we call your bluff" (Blau wählen reicht nicht - Demokraten wir wissen dass ihr groß redet aber nichts tut!") In jeder Stadt, in der die Sozialistische Alternative Demonstrationen organisierte, berichteten unsere Mitglieder, dass es viele und v.a. junge Menschen waren, die nicht nur über die offensichtliche Barbarei der Rechten wütend waren, sondern auch über die Unfähigkeit und Weigerung der Demokraten, selbst grundlegende Rechte zu verteidigen.

"Untätige Demokraten"

Es ist nicht zu übersehen, dass die Regierungspartei unmittelbar nach dem Urteil nicht dafür kämpfte, Roe zu kodifizieren oder Durchführungsverordnungen zum Schutz der Abtreibungsrechte zu erlassen, die von der großen Mehrheit der Gesellschaft unterstützt werden, sondern stattdessen auf den Stufen des Obersten Gerichtshofs "God Bless America" sang. So absurd das auch klingen mag, genau das ist geschehen. Bereits Stunden nach dem Urteilsspruch kamen die E-Mails der Demokraten mit Spendenaufrufen wie eine Lawine herein.

"Bitte, ich habe Ihre Unterstützung noch nie so sehr gebraucht wie heute. Können Sie 15 Dollar beisteuern, damit wir diese Zwischenwahlen gewinnen und die reproduktiven Rechte endlich gesetzlich verankern können?" schrieb Nancy Pelosi. "Können Sie einen beliebigen Betrag spenden, um die Rechtsextremen zu stoppen und dieses Jahr einen Kongress zu wählen, der sich für Abtreibungsrechte einsetzt", fragte der Abgeordnete David Cicilline. Diese beleidigenden Bitten der Demokraten um Geld und Stimmen stoßen bei jungen Menschen auf breite Empörung. Eine junge Frau sagte: "Es ist, als würde man uns bitten, ein kaputtes System noch einmal zu kaufen, in der Hoffnung, dass es sich selbst repariert; das wird es nicht".

Wir müssen JETZT handeln

Die Demokraten haben mit ihrer Kontrolle über das Weiße Haus und ihrer Mehrheit im Kongress die Möglichkeit, durchaus sinnvolle Schritte zu setzten - wenn sie den politischen Willen hätten - um diesen Angriff von rechts zu stoppen. Noch in dieser Sekunde könnte Biden das folgende tun:

  1. Einen Erlass unterzeichnen, der die Eröffnung von Abtreibungskliniken auf Grundstücken die dem US-Bundesstaat gehören in jenen mehr als 20 Staaten mit Abtreibungsverboten erlaubt. Die Kliniken könnten dann in bzw. aus Gebäuden des Bundes arbeiten, oder mobile Kliniken könnten auf jedem Land das dem Bund gehört eingerichtet werden.

  2. Ermöglichung des Zugangs zu Abtreibungspillen im ganzen Land, indem die Richtlinien der F.D.A. (Anmerkung: US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel) genutzt werden, um alle staatlichen Beschränkungen aufzuheben.

  3. Ausweitung des Zugangs zu telemedizinischen Diensten für Schwangerschaftsabbrüche und Nutzung der Bundeskontrolle über das Postsystem, um zu gewährleisten, dass der Versand von Abtreibungspillen nicht eingeschränkt wird.

Darüber hinaus können Biden und die Führung der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat mit allen Mitteln für eine Kodifizierung von Roe kämpfen. Sie können jede ihnen zur Verfügung stehende Taktik nutzen, um Joe Manchin und Kyrsten Sinema zu zwingen, sich für die Abschaffung des Filibusters (Anmerkung: der Filibuster/Dauerrede wird benützt um die Verabschiedung von Gesetzen zu verhindern) und die Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit von Frauen einzusetzen. Sie können auch dringend das Hyde Amendment (Anmerkung: ein Bundesgesetz das verhindert das staatliche Mittel für Schwangerschaftsabbrüche verwendet werden können) aufheben und die Milliardär*innen besteuern, um die Finanzierung der Kliniken, die jetzt unter der gestiegenen Nachfrage leiden, massiv auszuweiten.

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen, die den Zugang zu Abtreibungen dramatisch verbessern würden, brauchen wir auch eine Reihe von Sozialleistungen, um sicherzustellen, dass die Menschen sich Kinder leisten können, wenn sie sie wollen. Dies bedeutet einen sofortigen Übergang zu Medicare for All auf Bundesebene, damit alle reproduktiven und geschlechtsspezifischen Behandlungen kostenlos sind. Es bedeutet, die Steuergutschriften für Kinder aus der Pandemiezeit wieder einzuführen und für eine universelle Kinderbetreuung und voll finanzierte öffentliche Schulen zu kämpfen, wobei all dies durch die Besteuerung der Wohlhabenden finanziert wird.

Keine Ausreden mehr

AOC (Anmerkung: linke demokratische Abgeordnete) hat Recht, wenn sie sagt: "Der Präsident und die Demokraten können nicht länger mit der bekannten Taktik der 'Ausschüsse' und 'Studien' davonkommen, um zu verhindern, dass unsere Krisen direkt angegangen werden."

Sie hat Biden aufgefordert, sofortige Exekutivmaßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zur Abtreibung zu schützen, und ich stimme ihr von ganzem Herzen zu. Aber wie wir durch die Erfahrung von AOC und des Squad (Anmerkung: Gruppe linker demokratischer Abgeordneter) gelernt haben, wird es nie ausreichen, nur die korporativen Demokraten zu bitten, zu handeln. Die fast neun Jahre, die Socialist Alternative in Seattle im Amt ist, haben gezeigt, dass wir eine Bewegung aufbauen müssen, die stark genug ist, um demokratische Politiker*innen zu zwingen, trotz ihres Widerstands zu handeln.

Wie Cori Bush es mit dem Räumungsmoratorium getan hat, sollten AOC, Bernie (Anmerkung: Bernie Sanders) und andere Mitglieder des Squad zu einer Besetzung vor dem Weißen Haus aufrufen und Biden auffordern, durch exekutive Maßnahmen Abtreibungskliniken auf Bundesland zu eröffnen und den Zugang zu Abtreibungspillen zu erweitern. Wir können zur Unterstützung Proteste vor Bundesgebäuden in Städten im ganzen Land organisieren.

Sollte sich die Führung der Demokraten dann immer noch weigern zu handeln, müssen wir durch Proteste und direkte Aktionen den Druck auf die Büros der führenden Demokrat*innen wie Chuck Schumer und Nancy Pelosi erhöhen. Nachdem im Mai durch eine Leak das Urteil bekannt geworden war organisierte Socialist Alternative in New York und in der Bay Area Sit-ins vor den Büros von Pelosi und Schumer. Tausende von Menschen verfolgten die Live-Streams und feuerten sie eifrig an. Das ist die Art von Aktionen, die wir durchführen müssen, wenn wir die Demokraten ernsthaft zum Handeln zwingen wollen.

Kampf für "Sanctuary Cities” - für Städte die Zuflucht bieten

Während wir unsere Forderungen an die Demokraten, auf Bundesebene sofortige Maßnahmen zu ergreifen, verstärken, gibt es entscheidende Kämpfe, die wir auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene führen können, um den Zugang zur Abtreibung sowohl für die Einwohner*innen als auch für Besucher*innen aus anderen Staaten zu gewährleisten.

In Seattle bringt mein Büro, das Büro einer sozialistischen Abgeordneten, im Stadtrat eine Gesetzgebung ein, die Seattle zu einer "sanctuary city", einer Zuflucht, für jedeN macht, dem/der in seinem/ihrem Heimatstaat eine gesetzliche Strafe droht, wenn er/sie eine Abtreibung wünscht oder anbietet. Im Falle einer Verabschiedung würde das Gesetz die Polizei von Seattle daran hindern, Menschen, entweder Patient*innen oder Ärzt*innen und andere Leistungserbringer*innen, wegen anstehender Haftbefehle im Zusammenhang mit Anti-Abtreibungsgesetzen in anderen Staaten zu verhaften. Wir werden auch ein Gesetz für ein Budget der Bevölkerung einbringen, um Abtreibungen in Seattle für Menschen, die aus Staaten mit Anti-Abtreibungsgesetzen anreisen, sowie für Einwohner*innen von Seattle kostenlos zu machen, finanziert durch die Erhöhung der Amazon-Steuer, die wir im Jahr 2020 gewonnen haben.

Gewählte Vertreter*innen der DSA (Anmerkung: linke Demokrat*innen) in anderen Städten sollten ähnliche Gesetze einbringen und dafür kämpfen. Unser Ratsbüro ist gerne bereit, Gesetzesentwürfe zur Verfügung zu stellen und die besten Strategien zu erörtern, um Druck von der Basis aufzubauen, damit das Gesetz unterzeichnet werden kann.

Wir brauchen eine unabhängige Massenbewegung

Um auf den Ansturm übler Angriffe von rechts zu reagieren, brauchen wir eine unabhängige Massenbewegung, die jungen Menschen und Arbeiter*innen, die nach einer Möglichkeit suchen, sich zu wehren, eine Heimat bieten kann. Wie Socialist Alternative am Tag des Urteils des Obersten Gerichtshofs schrieb: "Da die Demokratische Partei oder liberale NGOs keine Führung haben, ist eine völlig unabhängige Bewegung junger Menschen und der Arbeiter*innenklasse erforderlich, um die Rechten zu stoppen. Diese Bewegung muss klar definierte politische Ziele, demokratische Strukturen und völlige Unabhängigkeit von den Demokraten haben."

Wir müssen unabhängige sozialistische Kandidat*innen und Kandidat*innen der Arbeiter*innenklasse aufstellen, als unmittelbaren Schritt zum Aufbau einer neuen Partei für arbeitende Menschen und Jugendliche, die ohne wenn und aber für unsere Interessen kämpfen wird.

Ich rufe jedeN andereN gewählteN Sozialisten/in, jedeN Gewerkschaftsführer*in und jedeN Anführer*in einer sozialen Bewegung auf, sich meiner Forderung nach einer demokratischen Massenbewegung, neuen Massenorganisationen des Kampfes und einem endgültigen Bruch mit der verrotteten Demokratischen Partei anzuschließen, die den Krieg der Rechten gegen unsere körperliche Autonomie ermöglicht hat.

Abtreibungsrecht in den USA gekippt: Gehen wir auf die Straße und bauen wir eine Massenbewegung gegen Rechts auf!

Stellungnahme von Socialist Alternative (Internationale Sozialistische Alternative in den USA)

Dieser Artikel erschien am 24.06.2022 zuerst auf der Website der Socialist Alternative (ISA in den USA).

Roe v Wade wurde gekippt. Das ist eine historische Niederlage für die Frauenbewegung und ein Sieg der Kampagne der Rechten zur Untergrabung der sexuellen Selbstbestimmung und Autonomie von Frauen und queeren Menschen im ganzen Land.  Trotz der überwältigenden Unterstützung für einen legalen Schwangerschaftsabbruch leben Millionen von Menschen in Bundesstaaten, in denen die Inanspruchnahme eines solchen Eingriffs eine Gesetzesübertretung bedeutet. Dies wird in erster Linie auf dem Rücken armer Frauen ausgetragen, die jetzt noch häufiger Hunderte von Kilometern zurücklegen und mehrere Tage auf ihren Lohn verzichten müssen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Während die Rechte jahrzehntelang eine entschlossene Kampagne geführt hat, um Roe rückgängig zu machen, waren es die Demokraten und ihre nahestehenden NGOs, die dies ermöglicht haben.

Es hätte nicht so kommen müssen. Angesichts der weit verbreiteten Unterstützung für die Beibehaltung von Roe hätten die liberal geführten Frauenorganisationen einen massenhaften Kampf zur Verteidigung von Roe führen können. Der durchgesickerte Entwurf des Gutachtens im Mai hätte als Startpunkt für eine monatelange Kampagne mit Protesten, Versammlungen und direkten Aktionen dienen können. Stattdessen haben sie die Bewegung aktiv demobilisiert und sie stattdessen in eine fruchtlose "Geht raus und wählt"-Scharade gelenkt.

EMILY's List, Planned Parenthood und NARAL Pro-Choice haben Ausgaben in Höhe von 150 Millionen Dollar für die Demokraten bei den Zwischenwahlen 2022 angekündigt. Heather Williams, Geschäftsführerin des Democratic Legislative Campaign Committee, sagte über die Wähler*innen der Demokraten: "Das Fallen von Roe gibt ihnen sicherlich zusätzliche Motivation und Dringlichkeit [zu wählen]." Das ist ein beleidigender Schlag ins Gesicht der Hunderttausenden, wenn nicht gar Millionen von Menschen, die etwas unternehmen wollten, um die Verabschiedung dieses Urteils zu verhindern. 

"Blau [Demokraten] zu wählen, um Abtreibungsrechte zu schützen" bedeutet nichts, wenn die Demokraten sich weigern, etwas zu unternehmen. Joe Biden sitzt auf einem Stapel von Durchführungsverordnungen, die er sofort unterzeichnen könnte, um den Zugang zu medikamentöser Abtreibung im ganzen Land auszuweiten und zu garantieren. Inmitten eines schockierend barbarischen Angriffs auf transidente und nicht-binäre Kinder im ganzen Land sagt die Chefin der Demokratischen Partei Hillary Clinton, dass die "Transgender-Debatte" keine Priorität für die Demokraten sein sollte. Dies ist ein weiterer Punkt auf der langen Liste der Dinge, die die Demokraten lieber ignorieren, als dafür zu kämpfen.

Es ist sonnenklar, dass wir völlig neue, von der Demokratischen Partei unabhängige Massenorganisationen brauchen, die sich dem Ansturm der Angriffe von rechts entschieden entgegenstellen werden.

Wir brauchen neue Massenorganisationen des Kampfes

In vielen Bundesstaaten sind die Einschränkung des Zugangs zur Abtreibung, Angriffe auf die Rechte von Transkindern und Angriffe auf antirassistische Lehrpläne in den Schulen zu den bevorzugten Methoden republikanischer Politiker*innen geworden, um ihre Basis aufzupeitschen. Da die Demokratische Partei und liberale NGOs keine Führungsrolle übernehmen, ist eine völlig unabhängige Bewegung von Jugendlichen und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse erforderlich, um die Rechten zu stoppen. 

Wir brauchen eine Massenbewegung mit demokratischen Strukturen, die ein Zentrum für den Kampf gegen die Rechten und für den Schutz (oder die Rückgewinnung) unseres Rechts auf körperliche Selbstbestimmung bieten kann. Diese Bewegung muss klar definierte politische Ziele, demokratische Strukturen und völlige Unabhängigkeit von den Demokraten haben.

Sozialistische Organisationen, Gewerkschaften und Gruppen für soziale Gerechtigkeit sollten ihre Kräfte bündeln, um eine solche Organisation ins Leben zu rufen. Die notwendigen Strukturen für unsere Bewegung müssen aufgebaut werden, damit Forderungen, Taktik und Strategie demokratisch beschlossen werden.  Leider hat die größte sozialistische Organisation in den USA, die Democratic Socialists of America, lediglich eine Website eingerichtet, auf der zu Spenden für Abtreibungsfonds und zum Beitritt zur DSA aufgerufen wird. Dies ist eine Abkehr von ihrer Verantwortung inmitten dieses historischen Angriffs.

Wenn eine neue Massenorganisation zustande käme, was wir für absolut notwendig halten, würde Socialist Alternative sie mit Begeisterung aufbauen und dafür kämpfen, dass sie ein sozialistisches, feministisches Programm hat. Dies würde eine Reihe von Forderungen bedeuten, die die weitreichenden Bedürfnisse von Frauen und queeren Menschen ansprechen. Forderungen, die sowohl auf körperliche Autonomie abzielen als auch darauf, dass Menschen die Möglichkeit haben, eine Familie zu gründen, wenn sie dies wollen. Dazu gehören: Ein transinklusives "Medicare for All" mit kostenloser Abtreibung, universelle Kinderbetreuung, voll finanzierte öffentliche Bildung, hochwertiger, dauerhaft erschwinglicher öffentlicher Wohnraum, Enteignung und demokratische Kontrolle der Unternehmen für Babynahrung und Windeln sowie aller anderen parasitären Megakonzerne.

Wir würden dafür kämpfen, dass eine solche Organisation Taktiken anwendet, die im Klassenkampf verwurzelt sind, anstatt sich auf individuelle Widerstandsaktionen zu verlassen. Nach der Aufhebung des Urteils in der Rechtssache Roe werden die Menschen tun, was sie tun müssen, um Zugang zu Abtreibungen zu erhalten, einschließlich der Nutzung von Untergrundnetzwerken, Abtreibungsfonds und Crowdfunding durch Freund*innen und Verwandte. Aber die Konzentration auf gegenseitige Hilfe allein und nicht auf den Aufbau eines Massenkampfes wird nicht ausreichen, um Abtreibung als legales Recht in diesem Land zurückzugewinnen. Das kann nur durch einen Massenkampf erreicht werden. Das bedeutet: Massenmärsche und Proteste, Arbeitsniederlegungen, direkte Aktionen und sogar Streiks. Wir können uns von den historischen feministischen Bewegungen in Lateinamerika und Irland inspirieren lassen. 

Der liberale Feminismus hat sich als völlig bankrott erwiesen. Für unsere Rechte zu kämpfen und die, die wir verloren haben, zurückzugewinnen, bedeutet, für einen sozialistischen Feminismus zu kämpfen. Wir brauchen eine neue Partei für arbeitende Menschen, Frauen, queere und alle unterdrückten Menschen, die sich auf soziale Bewegungen stützt und unmissverständlich für unsere Interessen kämpft. Nur auf der Grundlage eines entschlossenen Kampfes der Jugend, der Arbeiter*innenklasse und all derer, die unter diesem brutalen System unterdrückt werden, können wir der gefährlichen Eskalation der Rechten Einhalt gebieten.

 

Pride is a protest! Gemeinsam kämpfen & gewinnen!

Noah Koinig, ISA- und ROSA-Aktivist in Graz

Photograph: Colin Clews

Der Pride-Month findet in diesem Jahr im Kontext einer tiefen Krise des Kapitalismus mit all seinen Auswirkungen statt: Klimakrise, Krieg, Pandemie, weltweite Angriffe auf Abtreibungsrechte und die LGBTQIA+ Community. Wenn in Österreich wieder die großen Pride-Paraden stattfinden, auf denen Konzerne und alle Parteien von NEOS bis ÖVP sich versuchen ein queeres Image zu verleihen müssen wir uns erinnern, welchen radikalen Ursprung die Pride eigentlich hat. Die Stonewall-Proteste im Jahr 1969 waren eine Reihe von Aufständen von LGBTQIA+ Personen nach einer brutalen Polizei Razzia im Stonewall-Inn – einer Bar mit homosexuellem und transidentem Zielpublikum in der Christopher Street (New York). In den letzten Jahren ist sich dieser Kampf jedoch stark entradikalisiert und das in einer Zeit mit täglichen Angriffen auf LGBTQIA+ Rechten. Grund dafür ist unter anderem die starke Kommerzialisierung der Pride bzw. des Pride Months für Profite von großen Unternehmen.

Angriffe auf LGBTQIA+ Rechte

Neben einigen gewonnenen Rechten in den letzten Jahren, wie die Ehe für alle, gab es auch einige Angriffe. Einer der aktuellsten Angriffe war vor wenigen Monaten in Florida, USA. Dort wurde die „Don’t say gay bill“ unterzeichnet und somit wurde das neue Gesetz in Kraft getreten, das nun verbietet an Grundschulen über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentitäten zu sprechen. Dies schränkt nicht nur jeglichen Aufklärungsunterricht ein, sondern bildet auch ein gefährliches Umfeld für Lehrer*innen und Schüler*innen, die Teil der LGBTQIA+ Community sind, sei es durch Mobbing oder in schlimmeren Fällen durch gewalttätigen Auseinandersetzungen. Es sind auch schon Fälle bekannt, bei denen Queere Lehrer*innen ihren Job dadurch verloren hatten.

Auch in Europa gab es in den letzten Jahren Angriffe auf LGBTQIA+ Rechte. Im Jahr 2019 erklärte die polnische Regierung mehr als 80 Städte, Gemeinden, Landkreise oder Provinzen im Land zu „LBGT-freien Zonen“. Auch wenn diese Zonen juristisch nicht durchsetzbar sind, werden sie trotzdem genutzt, um unter anderenLGBTQIA+ Personen zu stigmatisieren und auszuschließen und es werden Proteste und Aktionen, wie die Gay Pride, in diesen Gebieten komplett verboten.

Auch die österreichische Regierung bleibt hier nicht ganz unschuldig. Neben den mehrmaligen Versuchen der FPÖ in den letzten Jahren die Ehe für alle zu kriminalisieren, hat sich auch die türkis-grüne Regierung nicht für LGBTQIA+ Rechte eingesetzt. Schon bei vergangenen Abstimmungen für das Aus des Blutspendeverbots von homosexuellen Männern und Trans*personen haben ÖVP und Grüne dagegen gestimmt. Und so blockieren Türkis-Grün wieder die Aufhebung bei der Abstimmung am 27. April 2022, trotz großer Ankündigung einer Einigung des Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ein paar Tage zuvor. Dieses veraltete Blutspendeverbot hat keinen medizinischen Hintergrund, sondern zeigt nur, wie die Regierung in der Vergangenheit mehrmals versuchte offen homophobe Gesetze aufrecht zu erhalten. Nur 23 Tage nach der letzten Abstimmung aber gaben Gesundheitsminister Rauch und Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm eine Pressekonferenz, bei der sie die erneute Aufhebung des Blutspendeverbots ankündigten. Es soll eine neue Novelle der Blutspendeverordnung vorliegen, bei dem Menschen nicht aufgrund von Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung ausgeschlossen werden können, denn mit der neuen Verordnung soll nun individuell bewertetes Risikoverhalten zum Ausschlussgrund führen. Diese Novelle der Blutspendeverordnung soll noch im Sommer 2022 kundgemacht werden und damit sollen auch neue Fragebögen zur Blutspende ausgestellt werden, die Diskriminierung verhindern sollen. Ob die türkis-grüne Regierung das Blutspendeverbot nun dieses Mal endgültig aufhebt wird sich noch zeigen.

Solidarität in der Arbeiter*innenklasse

Der Kampf um LGBTQIA+ Rechte ist ein Kampf der Arbeiter*innenklasse und kann nicht mit der „Unterstützung“ der großen Konzerne gewonnen werden. Denn für sie ist die LGBTQIA+ Community nur relevant, wenn damit Profit gemacht oder ihr Ansehen verbessert werden können, sei es mit dem Verkauf von Pride Merchandise oder ganz klassisch mit einem Regenbogen auf Social Media während des Pride Months. Hinter der Fassade schauts aber ganz anders aus: Ein Beispiel hierfür ist Walmart, ein Multi-Milliarden schwerer Handelskonzern, der auf seiner Website mit einer „Pride & Joy“ Rubrik posiert, aber im Gegenzug spendete Walmart 442.000$ an Anti-LGBTQIA+ Politiker*innen in den USA. Im Gegensatz wird aber die queer-feindliche Politik genutzt, um wieder daraus Profit zu machen. Beispielsweise Starbucks in den USA, die angekündigt hatten, geschlechtsangleichende Operationen für Trans* Beschäftigte zu finanzieren. Durch das kaum vorhandene Gesundheitssystem, speziell in diesem Bereich, sind Geschlechtsangleichungen schwer finanzierbar, was dazu führt, dass Trans* Personen auf den „guten Willen“ der Chef*innen zurückgreifen müssen und somit sind sie an das Unternehmen und einen schlecht bezahlten Job bei Starbucks gebunden. In Österreich werden die Kosten für Hormontherapien und geschlechtsangleichende Operationen zwar in der Regel von der Krankenkasse übernommen, doch beispielsweise die verpflichtenden Therapiestunden für Kinder und Jugendliche sind ein weiterer hoher Kostenfaktor, wo meistens nur ein geringer Zuschuss beantragt werden kann. Ebenso ist es verpflichtend, dass für jegliche Anpassung (Namensänderung, Hormontherapien etc.) eigene Befunde von spezialisierten Psychologen, Psychiatern etc. vorgezeigt werden müssen. In Österreich gibt es aber zu wenige dieser Spezialisten, und wenn haben sie ihren Sitz nur in Großstädten, was zu weiteren Kosten, lange Wartezeiten und starken psychischen Druck auf die Trans*person führt.

Nur durch Solidarität in der Arbeiter*innenklassen kann der Kampf um LGBTQIA+ Rechte gewonnen werden. Ein historisches Beispiel hierfür ist der britische Bergarbeiter*innenstreik 1984/1985 während der Regierung unter Margaret Thatcher. Der Auslöser für den Streik war die Ankündigung, dass mehrere Bergwerke geschlossen und die restlichen privatisiert werden sollten, wobei einige Zehntausende Arbeitsplätze verloren und Kohleförderung um mehrere Millionen Tonnen jährlich reduziert werden sollten. Dies führte zu einem harten Arbeitskampf und einem einjährigen Streik unter der Führung der Bergarbeiter*innengewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM). Der Großteil der Streikenden konnten nur wenige Tage von der Streikkasse bezahlt werden, weil die Thatcher Regierung die Auszahlung sperrte und die staatliche Beihilfe für Familien von Streikenden wurde ebenso gekürzt. Zur Unterstützung der Streikenden wurden Solidaritätsgruppen gegründet, so auch wurde von Mark Ashton Ende Juni 1984 die Gruppe Lesbians and Gays Support the Miners (LGSM) aufgebaut. Sie organisierten Sammlungen in von LGBTQIA+ Personen besuchten Lokalen und Bars sowie Straßensammlungen, Verlosungen, Trödelmärkte und Kulturveranstaltungen, und konnten somit Geld sammeln, um damit den Streik zu fördern. Am Ende hat die Londoner LGSM-Gruppe während des Streiks ein Viertel der Kosten für den Lebensunterhalt der Bergarbeiter*innen von Dulais getragen. Die Zusammenarbeit zwischen LGSM und der mächtigen Bergarbeiter*innengewerkschaft beeinflusste die politischen Positionen zu LGBTQIA+ Rechten in Großbritannien. Nach dem Streik unterstützten so verschiedene Minenarbeiter*innengruppen ihrerseits die Schwulen- und Lesbenbewegung, beispielsweise beim Lesbian and Gay Pride 1985, als Mitglieder von LGSM mit etwa 80 Minenarbeiter*innen und Unterstützer*innen der NUM eine Gruppe bildeten, gemeinsam marschierten und ihre Flaggen und Transparente zeigten.

Diese Solidarität können wir auch in Österreich erreichen. Aktuell gibt es Proteste unter anderem im Gesundheits- und Sozialbereich und dieser Kampf um bessere Arbeitsbedingungen kann und muss aktiv mit dem Kampf um Rechte von queeren Personen verbunden werden. Dabei wären auch die Gewerkschaften in der Pflicht, an dieser Front in die Offensive zu kommen. Verschiedene Teilgewerkschaften des ÖGB tauchen zwar bei den Pride-Paraden auf, macht aber darüber hinaus de facto nichts. Dabei wäre es möglich, auch konkrete Kämpfe am Arbeitsplatz mit dem Kampf um LGBTQIA+ Befreiung zu verbinden. ROSA organisiert aktuell in Wien eine Kampagne in der Gastronomie gegen Sexismus und Ausbeutung. Dabei geht es auch um den Kampf gegen Queerfeindlichkeit in der Gastro, wovon sowohl Beschäftigte als auch Kund*innen betroffen sind. Nur mit einem gemeinsamen Kampf können wir LGBTQIA+ Rechte erkämpfen und weitere Angriffe abwehren.

Aufruf: Pride is a protest!

Organisier dich mit ROSA gegen Sexismus, Queerfeindlichkeit und Kapitalismus
ROSA - kämpferisch.sozialistische.feministisch

Die Pride hat ihren Ursprung in radikalen Protesten. Und obwohl schon vieles erreicht wurde gibt es nicht nur vieles das sich noch ändern muss, sondern viel Erkämpftes muss auch immer wieder verteidigt werden. So erlebten wir in der Pandemie Schließungen von queeren Jugendzentren. Geschlechtsangleichende Operationen (und Abtreibungen) wurden als nicht notwendige Operationen eingestuft. In Ungarn, Polen und anderen Ländern sehen wir dramatische Angriffe auf die queere Community - und in den USA könnte der Fall von Roe v. Wade der Türöffner sein für z.B. Angriffe auf die gleichgeschlechtliche Ehe.

Der Kapitalismus lebt von Rollenbildern. Gleichzeitig versucht er sich auch ein queeres Image zu verleihen. In den USA hat Starbucks z.B. angekündigt, die Geschlechtsangleichung für Trans Beschäftigte zu zahlen, genauso wie Amazon für Abtreibungen. Diese Konzerne gehen gleichzeitig gegen Gewerkschaftsgründungen in ihren Betrieben vor. Es ist eigentlich ein Skandal, dass queere Menschen und Frauen in den USA abhängig sind vom “guten Willen” ihrer Chefs, anstatt dass es öffentliche kostenlose und umfassende Gesundheitsversorgung gibt!

ROSA kämpft dafür, dass die PRIDE wieder zu einem Kampftag gegen jede Unterdrückung und dem System dahinter wird - international. Aktuell gibt es in Österreich viele Proteste: Pflege, Elementarpädagogik etc. Die Kämpfe im Gesundheits- und Sozialbereich für bessere Arbeitsbedingungen sind eng mit dem Kampf um queere Rechte verbunden - deswegen müssen wir sie auch praktisch miteinander verbinden. Wir müssen eine Bewegung von Beschäftigten, Jugendlichen & allen Unterdrückten aufbauen um echte Verbesserungen und ein grundlegend anderes System zu erkämpfen.

Dafür ist es notwendig, sich zu organisieren. ROSA ist ein Angebot für alle, die sich gegen Ungleichheit, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus und Ausbeutung wehren wollen. Wir organisieren uns in Schulen und Betrieben, sind aktiv auf der Straße. Wir haben dieses Jahr am 8.März den ersten Schulstreik gegen Sexismus organisiert. Wir wollen in den nächsten Monaten Kampagnen gegen Gewalt an Frauen und queere Personen zum 25.11., gegen Sexismus und Ausbeutung in der Gastronomie und für bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen im Gesundheits- und Sozialbereich organisieren.

  • Für öffentliche Gesundheitsversorgung mit ausreichend Ressourcen und Personal: Für kostenlosen und flächendeckenden Zugang zu Abtreibungen, Therapieplätzen und Geschlechtsumwandlungen
  • Für die volle Trennung von Kirche und Staat & queere Sexualaufklärung in allen Bildungseinrichtungen
  • Für leistbaren Wohnraum für alle, Freizeiteinrichtungen und Jugendzentren in allen Stadtteilen und Regionen
  • Der Kapitalismus hat uns nichts zu bieten außer Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung und Diskriminierung: Holen wir uns das Geld das wir so dringend für Gewaltschutz, Gesundheit und Soziales brauchen von den Reichen und Superreichen und kämpfen wir gemeinsam für eine sozialistische Alternative - weltweit!

Melde dich, wenn du an deiner Schule, Uni oder Betrieb eine Aktion oder Flyerverteilung organisieren willst!

 

Komm mit ROSA zur PRIDE!

Wien: 11. Juni * ab 10:30 * Maria-Theresien-Platz (zwischen den Museen)

Linz: 25. Juni

Graz: 2. Juli

Salzburg: 3. September * 16:00 * Hauptbahnhof

 

“Entmenschlicht” von Huschke Mau - Leseempfehlung und Rezension

Sarah Moayeri

Die Aktivistin und Feministin Huschke Mau, die sich seit Jahren gegen Prostitution und ihre Auswirkungen einsetzt, hat mit der Veröffentlichung ihres Buches “Entmenschlicht - Warum wir Prostitution abschaffen müssen” eine erschütternde Dokumentation über sexuelle Ausbeutung, Gewalt und die Zustände in der Prostition in Deutschland vorgelegt. Das Buch legt all das über Prostitution auf den Tisch, was in der bürgerlichen Gesellschaft tabuisiert und beschönigt wird. “Ohne die volle Wahrheit lässt sich keine Debatte führen” schreibt Huschke Mau selbst. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit diesem Buch schwarz auf weiß Tatsachen zu beschreiben, die für Leser*innen stellenweise kaum zu ertragen sind. Immer wieder erinnert sie im Buch daran, nicht aufzuhören zu lesen - sie erkennt an, wie schwer erträglich das Lesen der Zeilen sein muss - und sie appelliert, dennoch weiterzulesen, um zu erkennen, was tatsächlich das Wesen von Prostitution ist. 

Das Buch beginnt mit Huschke Maus eigenem Weg in die Prostitution, der ein typischer ist. Als Kind und Jugendliche vom eigenen Stiefvater misshandelt, lernt sie schon früh was es heißt ausgebeutet und gedemütigt zu werden. Sie muss die Gewalt, die er ihr und ihrer Mutter antut jahrelang ertragen, als sie älter wird kommt zur physischen und psychischen Gewalt sexueller Missbrauch, ständige Objektifizierung und frauenfeindliche Abwertung dazu. Als sie mit 17 von Zuhause wegläuft hat sie schon gut gelernt, zu “dissoziieren” - also in Gewaltsituationen “aus dem eigenen Körper auszusteigen” - um es überleben zu können. Eine Strategie, die sie in der Prostitution täglich brauchen wird. Sie erklärt, wie Missbrauch häufig ein zentraler Faktor für den Einstieg in die Prostitution ist. Die ersten Kapitel sind eine bemerkenswerte Einordnung von Prostitution im Kontext einer sexistischen, frauenfeindlichen Gesellschaft. “Prostitution kommt nicht aus dem Nichts - findet nicht im luftleeren Raum statt”. Diese Analyse ist besonders eindrucksvoll an einer Stelle, an der Huschke Mau beschreibt wie sie das erste Mal darüber nachdenkt, in die Prostitution zu gehen:

“Und so fange ich an, auf Belästigungen rotzfrech mit ‘Verpiss dich, bei mir kostet es, und zwar zu viel für dich’ zu kontern, um sie mir vom Leib zu halten. Es ist für mich eine Möglichkeit, den Zugang zu mir zu regulieren und zugleich keine Aggressionen auf mich zu lenken - denn ich habe ja nicht Nein gesagt.”

Traumata, Gewalt, ein zerstörtes Sicherheitsgefühl sind neben Armut und soziale Not Risikofaktoren für Prositution - so war es bei Huschke Mau eine Kombination dieser Faktoren und ein Polizist, der ihre Situation ausnutzt und ihr erster Zuhälter wird. Für sie beginnen damit Jahre von Misshandlungen, Erniedrigungen, Angst und Ausbeutung. Immer wieder erklärt sie, dass die Umstände unter denen sie in der Prostitution gearbeitet hat keineswegs die katastrophalsten sind, spricht vom eher “oberen Durchschnitt”- sie war beispielsweise nie auf dem Straßenstrich - aber sie betont, dass Prostitution eben immer gefährlich ist, ob im Wohnungsbordell, im Escort oder auf der Straße. Es geht um die Frage von Abhängigkeit, “Grenzen beim Service kann man in der Prostitution eh nur ziehen, wenn man es sich leisten kann!” schreibt sie. Und so beschreibt Huschke Mau seitenlang das, womit wir uns im Kern bei der Frage von Prostitution auseinandersetzen müssen: Was es mit der Gesellschaft - insbesondere Freiern, Männern macht und was das für die sexistische Spaltung der Arbeiter*innenklasse bedeutet, wenn Männer Frauenkörper kaufen. 

Das, was Huschke Mau hier anhand von eigenen Erfahrungen, aber auch Studien, Auszügen aus Freierforen etc. über die Einstellungen von Männern, die Prostitution in Anspruch nehmen berichtet, ist zutiefst erschütternd. Die detaillierte Darstellung von den Gedanken dieser Freier bleibt jede*r Leser*in im Gedächtnis. Der Gipfel dieser Frauenfeindlichkeit ist Mord, Gewaltsituationen sind Alltag. Ein Kapitel ist besonders erschreckend - das in welchem sie beschreibt wie Rassismus und Sexismus ineinder fließen und sich gegenseitig befeuern - über 80% der Frauen in der Prostitution in Deutschland sind Migrant*innen. Prostitution hat sehr viel mit Imperialismus und der besonderen Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse in ärmeren Staaten zu tun. Es ist kein Zufall, dass einige Studien zeigen, dass ein großer Teil von Freiern in Deutschland AfD-Anhänger sind. Sie schreibt:

“Sich mal fühlen und aufführen wie ein Kolonialherr? In Deutschland im Jahr 2022 noch immer möglich. Ein Blick in den Prostitutionsannoncenteil der Zeitung, ein Anruf im Bordell und ein Gang ins nächste Laufhaus genügen.”

Huschke Mau macht sehr deutlich, dass Sexismus und Gewalt nicht allein auf die Existenz von Prostitution oder der Sexindustrie zurückzuführen sind - aber Prostitution entsteht aus der systematischen Unterdrückung von Frauen und LGBTQI+ Personen in der kapitalistischen Klassengesellschaft. Und aus Huschke Maus Sicht verstärkt die Sexindustrie frauenfeindliche Stereotype und Einstellungen - was sie eindrucksvoll belegt und verdeutlicht.

1,2 Millionen Männer kaufen täglich in Deutschland Sex - Huschke Mau ist es wichtig zu betonen, dass das bedeutet dass wir es überall mit Freiern zu tun haben - dass also die Einstellung, die Freier gegenüber Frauen in der Prostitution haben ihre Einstellung zu allen anderen Frauen genauso prägt. Es geht um das vermeintliche “Recht auf Sex” - die ständige Verfügbarkeit von weiblichen Körpern und die Vorstellung, dass Männer ein Recht darauf haben diese Körper zu kaufen - was durch die Liberalisierungen der letzten Jahre in Deutschland massiv begünstigt wurde. Huschke Mau widerlegt diverse Mythen über Prostitution - besonders jene die behaupten, Prostitution hätte auch nur irgendetwas mit sexueller Befreiung zu tun. Sie schreibt:

“Prostitutiver Sex ist der altbackendste und konservativste Sex, den es überhaupt gibt, weil er der höchste und reinste Ausdruck einer Geschlechterordnung ist, die Frauen weder ein Menschsein noch Bedürfnisse noch einen eigenen Willen oder eine Sexualität zugesteht, die verletzt, missbraucht oder ausgelebt werden könnte.” 

Sie bricht mit dem Mythos der Freiwilligkeit - sie erklärt, dass natürlich jede Arbeit im Kapitalismus letztlich auf Ausbeutung basiert, doch das ist keineswegs ein Argument FÜR Prostitution - ganz im Gegenteil. Prostitution als “Lohnarbeit wie jede andere” einzuordnen oder nicht ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, wie Huschke Mau selbst immer wieder an unterschiedlichen Stellen sinngemäß formuliert: Ist die Existenz von Prostitution für uns, für die Arbeiter*innenklasse, akzeptabel oder nicht. Wollen wir als Jugendliche, Frauen, Beschäftigte, Betroffene von Sexismus usw. akzeptieren, dass es eine solche Form der “Arbeit” gibt oder nicht. Die Tatsache, dass es in diesem System auch abseits der Prostitution Lohnarbeit gibt, in denen Menschen brutal physisch und psychisch ausgebeutet werden (Erntehelfer*innen, Baugewerbe, 24h Pflege usw.) ändert nichts am Charakter und an den Auswirkungen von Prostitution. Sozialist*innen wollen jede Form der Ausbeutung abschaffen. Und es muss nicht jede Form der (Lohn)arbeit wie es sie im heutigen Kapitalismus gibt zwangsläufig geben, die Arbeiter*innenklasse kann darüber urteilen, welche “Jobs” wir tolerieren/brauchen und welche wir abschaffen wollen und müssen, weil sie z.B. die körperliche Unversehrtheit von Menschen antasten oder die Arbeiter*innenklasse sexistisch spalten. 

Freiwilligkeit ist im Kapitalismus immer relativ und die sozialen Verhältnisse in diesem System begünstigen sexuelle Ausbeutung. Das wird besonders deutlich in der aktuellen Situation, wo Zuhälter zahlreich an deutschen und österreichischen Bahnhöfen stehen, um ukrainische Frauen abzufangen. Aber auch die Wirtschaftskrise, steigende Kosten, Inflation begünstigen in einer sexistischen Gesellschaft den Einstieg von Frauen in die Prostitution. Und Huschke Mau beschreibt, wie schwierig es ist dort wieder raus zu kommen.

Sie widerspricht der Idee, dass einzelne Stimmen von Menschen aus der Prostitution die sich für die Sexindustrie aussprechen ein Argument an sich seien. Denn sie sagt beispielsweise “ob Gewalt stattfindet oder nicht, hat auch nicht immer mit dem subjektiven Empfinden der geschädigten Person zu tun” und vor allem:

“Dasselbe wünsche ich mir für die Prostitution: mehr Systemkritik. Kritisches Denken darf nicht beiseite gelegt werden, weil irgendwo in irgendeiner Fernsehsendung mal eine Prostituierte gesagt hat, dass sie das freiwillig macht. Das wäre das gleiche wie zu sagen: ‘Hartz IV ist kein menschenverachtendes System, denn ich kenne einen, der hat seinen ALG-II-Antrag freiwillig ausgefüllt’ [...] Individuelle Narrative können einfach nicht die gesellschaftliche Analyse ersetzen”

Huschke Mau leistet mit diesem Buch einen riesigen Beitrag zu dieser gesellschaftlichen Analyse. Jede*r der*die wissen will, was tatsächlich die Sexindustrie in Deutschland ausmacht, sollte es lesen. Es ist ein Plädoyer für die Abschaffung von Prostitution - ein Ziel, dass Marxist*innen auch anstreben. Das Buch endet mit einer Skizzierung vom sogenannten nordischen Modell - also der Kriminalisierung von Freiertum (+ soziale Maßnahmen, Ausstiegshilfen etc.). Es ist sehr spannend, wie Huschke Mau einige Mythen über dieses Modell widerlegt - wie z.B. die Vorstellung, dass sich Prostitution in Ländern wie Schweden in den “Untergrund” verlagert hätte und damit gefährlicher geworden sei. Denn das Gesetz hat eher dazu geführt, dass es eine relativ großer Transparenz darüber gibt, wo Prostitution stattfindet. Was polizeiliche Repressionen (die eigentlich nur auf die Freier ausgerichtet sein sollten) allerdings defacto für die Frauen in der Prostitution in einem bürgerlichen Staat bedeuten, ist eine andere Frage. 

Doch das Problem mit dem nordische Modell besteht eher darin, dass es Illusionen darin schürt, dass Prostitution innerhalb des Kapitalismus abgeschafft werden könnte - d.h. ohne ihre Wurzeln Armut, Imperialismus, Ausbeutung, Rassismus und Sexismus abzuschaffen. Solange es den Kapitalismus und mit ihm untrennbar verbunden die systematische Unterdrückung von Frauen, Sexismus und Gewalt gibt, wird es auch Prostitution geben. Wir dürfen keine Illusionen darin haben, dass Gesetze ein tiefgehendes gesellschaftliches Problem lösen können. Allerdings können Gesetzesänderungen durch Druck von unten, von Protesten und Bewegungen (wie es beim nordischen Modell in einigen Ländern der Fall war) Ausdruck eines veränderten Bewusstseins und damit veränderter sozialer Normen sein und dadurch ein Schritt in die richtige Richtung. Der entscheidende Weg gegen Prostitution ist der Kampf gegen seine sozialen Ursachen sowie eine bewusste Positionierung der Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsbewegung zu der Frage, also auch ein ideologischer Kampf. Gewerkschaften müssen beispielsweise gezielt gegen Freiertum in ihren Reihen vorgehen, damit verbundene und generell sexistische Ideen entschieden in den eigenen Reihen bekämpfen und Frauen und LGBTQI+ Personen aus der Prostitution in diese Organisationen der Arbeiter*innenklasse integrieren. 

Das große Problem am nordischen Modell in einigen Ländern ist, dass die damit einhergehenden sozialen Maßnahmen (leistbarer Wohnraum, Ausstiegshilfen etc.) in den letzten Jahren von den Regierungen weggekürzt wurden. Übrig geblieben ist oft das reine Sexkaufverbot - das Prostitution nicht abschaffen kann. Dort wo das nordische Modell heute existiert, ist es eine (Pseudo)lösung im Rahmen des bürgerlichen Staates. Dabei dürfen wir uns im Kampf gegen Prostitution eben nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen. Huschke Mau beantwortet im Buch die Frage “Warum wir Prostitution abschaffen müssen”. Es ist aber wichtig festzuhalten, wer dieses “wir” ist und sein muss. Das kapitalistische System hat ein Interesse daran, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Die Sexindustrie ist milliardenschwer, mit ganz konkreten Profiteur*innen. Das Interesse von Frauen und LGBTQI+ Personen, die in der Prostitution sind ist nicht das selbe wie das Interesse dieser Zuhälter*innen und Bordellbetreiber*innen oder das bürgerlicher Regierungen und Staaten. Die Arbeiter*innenklasse hat ein Interesse daran, Prostitution zu bekämpfen, während die Herrschenden davon profitieren, wenn diese sexistische Spaltung fortbesteht. Deshalb muss sich dieses “wir” zusammensetzen aus Betroffenen aus der Sexindustrie und der gesamten Arbeiter*innenklasse im gemeinsamen Kampf gegen ein System, das die Verhältnisse die im Buch beschrieben werden hervorbringt. Wir kämpfen als Sozialist*innen für eine Gesellschaft, in der es keine Basis mehr für Prostitution gibt - und dafür brauchen wir die Erfahrungen von Menschen wie Huschke Mau, die “sagen, was ist”.  

Wir beschreiben in unserem neu erschienenen sozialistisch-feministischen Programm, das wir zur weiteren Lektüre empfehlen, wie dieser Kampf aussehen muss: https://www.slp.at/broschueren/k%C3%A4mpfen-um-zu-gewinnen-f%C3%BCr-eine...

Darin heißt es: “Wir kämpfen für:

  • Staatlich finanzierte Ausstiegsprogramme und Ausbildungsangebote mit finanzieller Absicherung für Personen in der Prostitution

  • Flächendeckendes Angebot an Einrichtungen, in denen Personen aus der Prostitution Schutz und kostenlose ärztliche Beratung und Versorgung finden können

  • Weg mit allen rassistischen Gesetzen, Bleiberecht für alle um Migrant*innen den Ausstieg aus der Prostitution zu erleichtern

  • Schluss mit der Heuchelei! Keine Kriminalisierung von Personen in der Prostitution - stattdessen Kampf gegen Bordellbetreiber*innen, Zuhälter*innen und die Profiteure der Sexindustrie

  • Werbeverbot für die Sexindustrie - Nein zur Objektifizierung von Frauen und LGBTQI+ Personen

  • Enteignung der großen Bordellbesitzer und Profiteure von sexueller Ausbeutung, Rechte von Betroffenen stärken und die Profiteure zur (finanziellen) Rechenschaft ziehen

  • Der ÖGB muss Stellung beziehen gegen die Objektifizierung und Vermarktung von Frauen und ihren Körpern und Betroffene in die Gewerkschaften aufnehmen. Es braucht gewerkschaftliche Initiativen zur Organisierung von Sexarbeiter*innen (unabhängig von den Profiteur*innen der Branch) im Kampf um möglichst sichere Arbeitsbedingungen und einen Ausstieg

  • Eine Gesellschaft, in der niemand aus Not gezwungen ist, Körper bzw. Sexualität zu verkaufen”

 

USA: Tausende strömen für Abtreibungsrechte auf die Straßen - Was nun?

Greyson Van Arsdale, Socialist Alternative (ISA in den USA)

Dieser Artikel erschien zuerst am 5. Mai 2022 auf der Website der Socialist Alternative (US-Schwesterorganisation der ISA).

 

 

 

 

 

Am 2. Mai wurde der US-amerikanische Tageszeitung Politico ein Entscheidungsentwurf zugespielt, aus dem hervorgeht, dass der Oberste Gerichtshof der USA kurz davor steht, Roe v. Wade zu kippen, das Grundsatzurteil das Abtreibung legalisiert. Die Socialist Alternative (US Sektion der ISA) ruft auf: "Geht auf die Straße, um Roe zu verteidigen".

Am Abend des 3. Mai versammelten sich Tausende von Demonstrant*innen in vielen Städten der USA um gegen den geleakten Entscheidungsentwurf des Obersten Gerichtshofs zu protestieren, der Roe v. Wade kippen würde. Der Gerichtshof wird voraussichtlich im Frühsommer darüber entscheiden, was der Bewegung ein Zeitfenster gibt sich zu organisieren und gegen die Entscheidung zu kämpfen.

Socialist Alternative führte unter anderem in Philadelphia, Boston, Minneapolis, Madison, Pittsburgh, Chicago, Houston und Seattle große Proteste an und rief zu eskalierenden Aktionen mit Arbeitsniederlegungen und Streiks auf um Druck aufzubauen damit das Urteil gestoppt wird. In anderen Städten führten wir lebhafte sozialistisch-feministische Blöcke im Rahmen breiterer Demonstrationen an. 

"Wichtige Fortschritte in den USA wurden uns nie vom Establishment geschenkt", sagt Rachel Wilder, Mitglied der Socialist Alternative und Studentin an der Temple University in Philadelphia. "Tatsächlich stand das Establishment jedes Mal auf der falschen Seite der Geschichte - bei der Abtreibung, bei der Ehe für Alle, bei der Aufhebung der Rassentrennung - bis Massenbewegungen von arbeitenden Menschen die beiden Parteien des Großkapitals zum Einlenken zwangen. Wir brauchen Millionen von Menschen auf der Straße, um Abtreibungsrechte zu verteidigen und die Rechten zu stoppen!"

Die landesweiten Proteste zeigten eine große Unzufriedenheit mit dem Versagen der Demokratischen Partei bei der Verteidigung der Abtreibungsrechte und dem Kampf für die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen aller Geschlechter. Die Redner*innen wiesen darauf hin, dass nicht nur Joe Biden im Wahlkampf versprochen hatte, Roe v. Wade gesetzlich zu verankern, sondern, dass Obama bereits im Wahlkampf 2008 mit der Legalisierung von Abtreibung geworben hatte und dann selbst mit einer absoluten Mehrheit im Kongress daran scheiterte. Nach dem Bekanntwerden des Leaks am Montag, dem zweiten Mai, sagte Biden in einer Erklärung, dass er seine Regierung gebeten habe "Optionen bereitzuhalten" falls Roe v. Wade gekippt werden sollte. Außerdem unterstütze er die Beendigung der momentanen Filibuster nicht - dies würde eine Möglichkeit für die Demokrat*innen öffnen im Kongress über die Legalisierung der Abtreibung abzustimmen.

Es ist klar, dass die jungen Leute die gebrochenen Versprechen der Demokrat*innen satt haben. In New York City riefen unsere Mitglieder*innen nach dem Ende der organisierten Kundgebung des “Women's March” in einem Sprechchor zu einer weiterführenden Demonstration auf. Die Antwort von der Hauptbühne, die von Funktionären der Demokratischen Partei dominiert wurde, die der Idee direkter Aktionen feindlich gegenüberstanden, war: "Es ist süß, was ihr da hinten versucht, aber das ist nicht das, was wir tun." Anstatt die Energie verpuffen zu lassen, führten wir und andere linke Gruppen fast tausend Menschen durch die Straßen Manhattans zu einer weiteren Kundgebung im Washington Square Park wo wir offen über die nächsten Schritte der Bewegung diskutierten. Auf dem Marsch konnte man Demonstrant*innen hören, die skandierten:  “Voting blue is not enough! Democrats we call your bluff!” ("Blau (demokratisch) wählen ist nicht genug! Demokrat*innen, wir lassen euch auffliegen!")

"So sind wir überhaupt erst hier gelandet - mit einer Partei, die nicht weiß wie man kämpft, die mehr Angst davor hat, dass sich ihre Basis organisiert als vor irgendetwas anderem", sagte Kshama Sawant, Mitglied der Socialist Alternative und Stadträtin Seattles, am vierten Mai bei einer Demonstration in Seattle. "Eine Partei, die alles tun wird, um echte Progressive an den Rand zu drängen oder zu vertreiben, da sie stillschweigend die Stabilität des kapitalistischen Systems und die Profite der Konzerne über alles andere stellt. Über Frauen, Reproduktive Rechte, Arbeiter*innenrechten, LGBTQ-Rechten und sogar über den Fortbestand der menschlichen Zivilisation, während wir einer Klimakatastrophe gegenüberstehen. Wir brauchen eine neue Partei! Eine die mit aller Kraft für Reproduktive Rechte, Arbeiter*innenrechte, LGBTQ-Rechte und gegen Rassismus kämpft!"

Wie geht es weiter im Kampf für Abtreibungsrechte?

Viele der Demonstrant*innen, die gestern Abend auf der Straße waren, haben sich auch an den Aufständen für Gerechtigkeit für George Floyd im Jahr 2020 beteiligt, bei denen noch mehr Menschen als momentan monatelang protestierten. Trotz dieser großen Zahl ist es der Bewegung leider nicht gelungen, größere Reformen auf breiter Ebene durchzusetzen, und die meisten Städte haben ihre Polizeibudgets weiter aufgestockt.

Da es sich um die größte Protestbewegung in der Geschichte der USA handelte, stellt sich die Frage: Was hat gefehlt, und wie können wir dieses Mal gewinnen?

Trotz der großen Teilnehmerzahl blieb "Justice for George Floyd" weitgehend eine Straßenbewegung ohne Strukturen oder klare Forderungen. Die Bewegung entwickelte sich nicht zu einer umfassenden direkten Aktion. Da nur noch wenige Wochen bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verbleiben, müssen wir über die Straßenproteste hinausgehen und unseren Kampf auf Arbeitsniederlegungen, Besetzungen und sogar Streiks ausdehnen. Die Energie der Straßenproteste muss in unsere Gemeinschaften und an unseren Arbeitsplätzen getragen werden, um den Obersten Gerichtshof und den Kongress zum Handeln zu zwingen.

Mit den heroischen Gewerkschaftskampagnen bei Starbucks und Amazon wurde der Arbeiter*innenbewegung neues Leben eingehaucht. Diese neu belebte Arbeiter*innenbewegung muss eine wesentliche Rolle beim Aufbau des Kampfes der Arbeiter*innenklasse für eine kostenlose, leicht zugängliche reproduktive Versorgung spielen. Die Service Employees International Union (SEIU) und National Nurses United (NNU), die beide Beschäftigte im Gesundheitswesen organisieren, haben sich zu den verheerenden Auswirkungen geäußert, die eine Aufhebung von Roe v. Wade auf Arbeiter*innen haben würde. Wir brauchen diese Gewerkschaften, um ihre Mitglieder zu organisieren, damit sie sich für die Abtreibungsrechte einsetzen, und wir brauchen weitere Gewerkschaften, die sich diesem Kampf anschließen. Die neu gegründete Amazon Labor Union hat ein wichtiges Zeichen der Solidarität gesetzt, als ihr Interimspräsident, Chris Smalls, vierten Mai am auf dem Foley Square in New York City zu einer Protestaktion aufrief.

Die Gewerkschaften haben ein besonderes Interesse daran, die vollständige Legalisierung der Abtreibung zu erreichen und Medicare for All mit einer umfassenden reproduktiven und geschlechtergerechten Versorgung durchzusetzen. Die von Unternehmen bereitgestellte Gesundheitsfürsorge ist bei Vertragsverhandlungen ein wichtiges Druckmittel für die Arbeitgeber*innen, die im Falle eines Streiks oft die Gesundheitsfürsorge der Arbeiter*innen streichen.

Für Gewerkschaftsmitglieder*innen, nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen, Studierende und Jugendliche, die bereit und motiviert sind für Abtreibungsrechte und eine kostenlose Gesundheitsversorgung für alle zu kämpfen, brauchen wir öffentliche Organisierungstreffen um einen Plan für eskalierende Aktionen, einschließlich Arbeitsniederlegungen und Streiks, aufzustellen. Die Sozialistische Alternative veranstaltet öffentliche Treffen in Städten im ganzen Land.

Um zu gewinnen, braucht diese Bewegung starke Forderungen, die das Terrain von der Verteidigung zur Offensive zu verlagern. 

Wir fordern:

  • Schlagt das Recht zurück! Der Oberste Gerichtshof muss umkehren und Roe v. Wade aufrechterhalten!

  • Für Massenstreiks und Streiks zur Verteidigung der Abtreibungsrechte!

  • Die Demokrat*innen haben die volle Kontrolle im Kongress, sie sollten sofort das Filibuster beenden und Abtreibung legalisieren!

  • Der Kongress muss Medicare for All verabschieden, mit Abtreibung auf Verlangen, vollständiger reproduktiver Versorgung und vollständiger geschlechtsspezifischer Versorgung für alle!

  • Dieser Angriff auf Roe v. Wade wird die Tür für weitere brutale Angriffe auf die Rechte von queeren Menschen öffnen. Wir brauchen einen vereinten Kampf gegen alle Formen der Geschlechterunterdrückung! Unsere Bewegung muss sowohl für eine umfassende reproduktive Versorgung als auch gegen reaktionäre Anti-Trans-Gesetze kämpfen, die sich in den Staaten des Landes durchsetzen!

  • Beendet das Zweiparteiensystem - wir müssen eine unabhängige Arbeiter*innenpartei gründen, die die Interessen von arbeitenden Frauen, queeren Menschen und People of Color verteidigen wird!

 

Wien, Linz, Graz: ROSA am 8. März

Jan Wottawa

Zum 1. Mal fand in Wien am Frauentag ein Schulstreik statt. Über 150 Schüler*innen versammelten sich am Platz der Menschenrechte. In Reden wurde klargemacht, um was es geht: Protest gegen Krieg, gegen Sexismus an Schulen, Streiken für bessere Bedingungen im Sozialbereich, Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung, Abschaffung des Systems, aus dem Gewalt gegen Frauen hervorgeht. Die Kundgebung wurde weiter zum Ballhausplatz geführt, wo gleichzeitig die Angelobung des neuen Gesundheitsministers stattfand, von dem lautstark “Mehr Personal in Pflege und Spital” gefordert wurde.

Vor Ort ergriffen auch einige Schüler*innen spontan das Mikrofon und hielten kurze Reden. Auch wenn die Direktorin der Rahlgasse meinte, die Schüler*innen wüssten nicht, warum sie hier wären: Es war eindeutig zu erkennen, dass tatsächlich jede Person vor Ort hinter den Themen gestanden ist und die Forderungen unterstützt.

Gemeinsam mit einigen dieser Schüler*innen bildeten Aktivist*innen der SLP und von ROSA einen kämpferischen Block auch auf der Demonstration am Abend in Wien Mitte. Insgesamt über 5.000 Teilnehmer*innen machten die zunehmende Bedeutung dieses Tages klar. Besonders viel Interesse gab es an der neuen ROSA-Zeitung, von der alleine in Wien mehr als 100 Stück verkauft wurden, in ganz Österreich an diesem Tag über 200. Ebenfalls wurde das brandneue SLP-Frauenprogramm erfolgreich über 50 Mal verkauft.

Zum 3. Mal organisierte der Zusammenschluss “Do It Yourself: Frauentag Linz” die Demo. Sie war stark von Jugendlichen geprägt, die teilweise zum ersten Mal auf eine Demo gingen. In einer Rede wurde eingeladen, sich mit Rosa und der ISA international gegen Unterdrückung und Krieg zu organisieren.

Weitere Proteste gab es auch in Graz. Viele Interessierte kamen an den ROSA-Stand und spendeten und redeten mit uns. Der Protestzug selbst war sehr energiegeladen. ROSA hatte auch hier einen Pflege-Block initiiert, der die Aufmerksamkeit auf Fragen wie Personalmangel und Streiks warf.

Auf den Protesten wurde auch zur dann gutbesuchten ROSA-Konferenz am 12. März eingeladen. Auch zwei internationale Gäste waren vor Ort. Motiviert wurde in 2 Plenas und 6 Arbeitskreisen von den Teilnehmer*innen aus 4 Bundesländern diskutiert.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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