Frauen und LGBT

Feminismus: Auch für dich, Mann!

Gewalttätige Männer sind nichts Natürliches, sondern Effekte eines gewalttätigen Systems
Thomas Hauer

Ein Mann zu werden ist kompliziert. Um der systematischen Benachteiligung von Frauen und queeren Menschen zu entgehen, muss Mann sich entsprechend benehmen. Das heißt, spielen mit Puppen ist Tabu, genauso wie rosa und Nagellack. Wenn du ein Mann werden willst, zeigst du besser wenig Gefühle. Mann lernt auch schnell, wie “richtiger” Sex geht und dass man besser nur auf Frauen steht. Mädchen sind zuerst doof, dann Trophäen und wenn man sie später mal gern hat, sollst du deinen “Besitz” verteidigen.

Wo dieses „Erziehen“ von Männern hinführt, zeigten in Österreich letztes Jahr 31 Frauenmorde. Die meisten Täter sind Ex-Partner. Woher kommt dieses Bild vom Besitz der Partnerin, das so oft in Gewalt endet? Die dominante, gesellschaftliche Rolle von Männern etablierte sich mit der Entstehung von Klassengesellschaften. Angehäufter Reichtum sollte vererbt werden und so wurde es relevant, Kontrolle über den eigenen Nachwuchs zu erlangen. Das ist auch der ganze Zauber hinter der Monogamie-Kontrolle. Zur Legitimierung der Unterdrückung von Frauen wurde der Mythos vom unselbstständigen “schwachen Geschlecht” geschaffen. Männer sollen die “Herren” der Familie sein und diese ernähren, sich aber gleichzeitig im Job den Kapitalist*innen unterordnen. In der Realität von Familien der Arbeiter*innenklasse müssen beide Elternteile arbeiten gehen, um alle Kosten zu decken. Männer stehen unter dem Druck eines für die Mehrheit der Bevölkerung unerfüllbaren Ideals des Familienernährers. Gleichzeitig treffen Frauen aus der Arbeiter*innenklasse, die arbeiten müssen, damit genug Geld vorhanden ist, absolut unrealistische Erwartungen bezüglich Erziehung, Haushalt & Co.

Es sind diese sexistischen Rollenbilder, die der Kapitalismus zum Überleben braucht, gepaart mit wachsendem Stress und unerfüllbaren Erwartungen in einer Klassengesellschaft, die dazu führen, dass Frust und Spannungen sich - viel zu oft - in (Männer)Gewalt in der Partnerschaft entladen. Reduzierung der Arbeitszeit, Besserstellung von prekären, oft frauendominierten, Berufen, Mieten, die nur 10% des Einkommens ausmachen, ganztägige, kostenlose Kinderbetreuung würden nicht nur Frauen entlasten und Trennungen aus gewalttätigen Beziehungen erleichtern. Sie würden auch den Erwartungsdruck von Männern nehmen und bessere Voraussetzungen für die Arbeitsteilung in Familien schaffen. Wenn Männer gegen Sexismus angehen, geht es daher auch nicht nur um Solidarität. Eben weil auch Männer in ein Rollenbild mit all seinen Nachteilen gepresst werden, das zur Aufrechterhaltung eines Systems dient, das von der Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse im Allgemeinen und von Frauen im Besonderen lebt, ist der Kampf für Verbesserungen von Frauen immer ein Kampf für die gesamte Arbeiter*innenklasse und muss deshalb von dieser geschlossen geführt werden. Sexismus ist daher auch weit mehr als dumm oder ein Kavaliersdelikt, es spaltet uns und hilft den Herrschenden, an der Macht zu bleiben.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Zahlen und Fakten: Die Russische Revolution und Frauenbefreiung

  • Das vor 1917 erzkonservative Land führte unmittelbar nach der Revolution das Frauenwahlrecht ein - als einer der ersten Staaten weltweit.
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit wurde festgelegt, Frauen stand 16 bzw. 12 Wochen bezahlter Mutterschutz zu und für stillende Frauen wurde die Arbeitswoche auf vier Werktage reduziert.
  • Die neuen Ehegesetze waren vollständig säkular, Scheidung beschränkte sich auf eine einseitige Erklärung. 1918 gab es in Moskau 7.000 Scheidungen im Vergleich zu nur 6.000 Eheschließungen.
  • Schwangerschaftsabbrüche wurden legalisiert (als erstes Land der Welt!) und konnten kostenlos vorgenommen werden.
  • Homosexualität wurde entkriminalisiert, 1922 alle homophoben Gesetze aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Die gleichgeschlechtliche Ehe war legal und 1926 wurde auch die Änderung des Geschlechts in den Reisepässen legal. 
  • Inter- und transsexuelle Menschen erhielten medizinische Versorgung und wurden nicht verteufelt. Die Forschung zu diesen Themen wurde staatlich finanziert, und Operationen zur Geschlechtsumwandlung auf Wunsch der Patient*innen genehmigt.
  • Die Bolschewiki begannen mit der Umsetzung von Plänen für ein System der sozialen Fürsorge, das Entbindungshäuser, Kliniken, Schulen, Kinderkrippen und Kindergärten, Speisesäle und Wäschereien umfasste.
  • Prostitution wurde 1922 bewusst entkriminalisiert, aber Zuhälterei verboten. Es wurden Kliniken eröffnet, die Frauen mit Geschlechtskrankheiten behandelten und Sexualerziehung und Berufsausbildung anboten.
  • Im Gesetz wurden Sexualverbrechen als "Verletzung der Gesundheit, Freiheit und Würde" des Opfers verankert. Vergewaltigung wurde gesetzlich definiert als "nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr unter Anwendung physischer oder psychischer Gewalt”.
  • Nicht alles, was auf dem Papier beschlossen wurde, konnte auch umgesetzt werden. Oft fehlten Mittel und Fachkräfte, Russland war geprägt von rückschrittlichen Ideen und reaktionären Einflüssen. Oft kamen die Bolschewiki angesichts der objektiven Situation und des Bewusstseins der breiten Bevölkerung auch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Später wurden viele dieser Fortschritte unter der stalinistischen Bürokratie zurückgenommen.
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

VORWÄRTS-Schwerpunkt: 150 Jahre Alexandra Kollontai

“Ich bin nicht die Frau für dich, denn ich bin zuerst ein Mensch und dann eine Frau.”

Alexandra Kollontai, geboren am 31. März 1872 in St. Petersburg/Russland, war wohl die bekannteste Frau unter den russischen Revolutionär*innen. Sie war die erste Frau, die als vollwertiges Mitglied ins Zentralkomitee der Bolschewiki und nach der Oktoberrevolution 1917 zur “Ministerin” gewählt wurde. Die zentralen Anliegen für Kollontai waren dabei Fragen, die sich damit beschäftigten, wie Frauen aus der Arbeiter*innenklasse in den Kampf für eine Veränderung der Gesellschaft miteinbezogen werden können, welche Rolle dabei die revolutionäre Partei spielt und wie geschlechtsspezifische Unterdrückung in einer neuen, gleichberechtigten Gesellschaft aufgelöst werden kann. Kollontai brach dafür nicht nur mit ihrem bürgerlichen Klassenhintergrund, sondern auch mit den Erwartungen, die an Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft herangetragen wurden.

Kollontai selbst beschrieb als einen entscheidenden Punkt ihrer Politisierung den Besuch in einer Textilfabrik 1895. Die Bedingungen, die sie dort sah, waren fatal. Arbeiter*innen, die täglich 12-18 Stunden am Tag schufteten, viele von ihnen so ausgehungert, dass sie nicht älter als 30 Jahre wurden. Gleichzeitig aber entwickelten sich zu der Zeit viele Revolten von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse. So streikten im selben Jahr mehrere tausend Frauen in einer Zigarettenfabrik in St. Petersburg gegen sexuelle Übergriffe durch ihre Chefs. 1903 schloss Kolontai sich der marxistischen “Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei” (RSDLP) an. Eines der Hauptanliegen von Kollontai war, das Bewusstsein der arbeitenden Frauen zu stärken und die Mehrfachbelastung, der sie durch Haushalt, Kindererziehung und Lohnarbeit ausgesetzt waren, und die sie an der Teilnahme an politischer Arbeit abhielt, abzuschaffen.

Bürgerliche Feminist*innen zu der Zeit behaupteten, dass sie für die Rechte aller Frauen unabhängig ihrer Klassenzugehörigkeit kämpften und dass Gleichberechtigung für Frauen innerhalb des kapitalistischen Systems erlangt werden könne. Dies stand im Gegensatz zur Realität und zur Position der RSDLP, die vertrat, dass die Befreiung der Frauen nur durch einen grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Wandel möglich sei, der die Abschaffung des Privateigentums und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft einschließt. 

Nach dem Studium in Zürich war Kollontai 1908 anlässlich eines Frauenkongresses nach Russland zurückgekehrt und die Rede, die sie dort hielt, war so gewagt, dass die im Saal anwesende Geheimpolizei sie sofort in Haft nehmen wollte. In letzter Minute konnte sich Kollontai der Verhaftung entziehen und landete in Deutschland. Die Reichstagsfraktion der SPD trug aber 1914 den Kriegskurs der eigenen Regierung mit - die 2. Internationale zerfiel. Kollontai organisierte daraufhin in Deutschland Antikriegs-Treffen für Arbeiter*innen. Sie war damit im Visier der Polizei, die sie nach Russland abschieben wollte, wo ihr Haft und Repression drohten. Durch Karl Liebknechts Intervention war es ihr möglich, nach Norwegen auszureisen. Dort schloss sie sich der Opposition zum Kriegskurs der Sozialdemokratie an und baute sie mit auf.

Nach der Februarrevolution 1917 kam Kollontai sofort nach Petrograd, unterstütze in Folge die “Aprilthesen” von Lenin, die den Sturz der provisorischen Regierung forderten, sich klar gegen den imperialistischen Krieg positionierten und sich für eine Machtergreifung durch Arbeiter*innen- und Bäuer*innenräte aussprachen. Nachdem der Zar schon im Februar gestürzt worden war, gelang im Oktober 1917 die siegreiche proletarische Revolution. Kollontai wurde Teil der ersten Sowjetregierung, wo sie für die soziale Wohlfahrt zuständig war. Die Verbesserungen für Frauen, die durch die Revolution und ihr Amt erkämpft wurden, waren enorm.

Nach dem Tod von Lenin und dem Aufstieg Stalins schloss sich Kollontai zunächst der “Arbeiteropposition” an und veröffentlichte Schriften für diese Fraktion der Bolschewiki. Ab 1927 jedoch, als sich angesichts von Bürgerkrieg, Mangel und Isolation der Sowjetunion der bürokratische Flügel durchsetzte, Revolutionäre wie Trotzki ins Exil verbannt bzw. ermordet wurden und Stalin die “Linke Opposition” innerhalb der Partei zerschlug, war Kollontai mehr Teil des Regimes als der Opposition. Sie beugte sich dem Terror. Das führte dazu, dass viele Errungenschaften wie das Scheidungsrecht erschwert oder das Recht auf Abtreibung abgeschafft wurden und das “traditionelle” Familienbild wieder propagiert wurde. Auch die Frauenabteilung im Zentralkomitee der Bolschewiki wurde durch Stalin aufgelöst. Anders als Revolutionäre wie Zetkin und Trotzki, die öffentlich gegen die Repression des Stalin-Regimes protestierten, sah Kollontai untätig zu, als die Parteibürokratie rund um Stalin die Errungenschaften der Oktoberrevolution zerstörte. Trotz dessen, dass sie sich letztlich mit dem Stalinismus arrangierte, schmälert dies nicht Kollontais enorme Bedeutung und Rolle für die Russische Revolution und die internationale proletarische Frauenbewegung.

Kajal

 

Zahlen und Fakten: die Russische Revolution und Frauenbefreiung

  • Das vor 1917 erzkonservative Land führte unmittelbar nach der Revolution das Frauenwahlrecht ein - als einer der ersten Staaten weltweit.
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit wurde festgelegt, Frauen stand 16 bzw. 12 Wochen bezahlter Mutterschutz zu und für stillende Frauen wurde die Arbeitswoche auf vier Werktage reduziert.
  • Die neuen Ehegesetze waren vollständig säkular, Scheidung beschränkte sich auf eine einseitige Erklärung. 1918 gab es in Moskau 7.000 Scheidungen im Vergleich zu nur 6.000 Eheschließungen.
  • Schwangerschaftsabbrüche wurden legalisiert (als erstes Land der Welt!) und konnten kostenlos vorgenommen werden.
  • Homosexualität wurde entkriminalisiert, 1922 alle homophoben Gesetze aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Die gleichgeschlechtliche Ehe war legal und 1926 wurde auch die Änderung des Geschlechts in den Reisepässen legal. 
  • Inter- und transsexuelle Menschen erhielten medizinische Versorgung und wurden nicht verteufelt. Die Forschung zu diesen Themen wurde staatlich finanziert, und Operationen zur Geschlechtsumwandlung auf Wunsch der Patient*innen genehmigt.
  • Die Bolschewiki begannen mit der Umsetzung von Plänen für ein System der sozialen Fürsorge, das Entbindungshäuser, Kliniken, Schulen, Kinderkrippen und Kindergärten, Speisesäle und Wäschereien umfasste.
  • Prostitution wurde 1922 bewusst entkriminalisiert, aber Zuhälterei verboten. Es wurden Kliniken eröffnet, die Frauen mit Geschlechtskrankheiten behandelten und Sexualerziehung und Berufsausbildung anboten.
  • Im Gesetz wurden Sexualverbrechen als "Verletzung der Gesundheit, Freiheit und Würde" des Opfers verankert. Vergewaltigung wurde gesetzlich definiert als "nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr unter Anwendung physischer oder psychischer Gewalt”.
  • Nicht alles, was auf dem Papier beschlossen wurde, konnte auch umgesetzt werden. Oft fehlten Mittel und Fachkräfte, Russland war geprägt von rückschrittlichen Ideen und reaktionären Einflüssen. Oft kamen die Bolschewiki angesichts der objektiven Situation und des Bewusstseins der breiten Bevölkerung auch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Später wurden viele dieser Fortschritte unter der stalinistischen Bürokratie zurückgenommen.

 

Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau, ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus

Die Revolution zeigte, wie die unterdrücktesten Arbeiter*innen an der Spitze des Kampfes stehen. Kollontai forderte spezielle Agitation unter Arbeiterinnen, um sie für den Sozialismus zu gewinnen.

Eine Revolution ist so lange undenkbar, bis sie stattfindet, dann gilt sie als unausweichlich, schrieb schon Rosa Luxemburg. Dasselbe galt für die Russische Revolution, in der Frauen eine zentrale Rolle spielten. Russland war vor der Revolution 1917 ein rückständiges Land. Frauen machten zwar einen immer größeren Anteil der Arbeiter*innenklasse aus, verdienten aber deutlich weniger als Männer, arbeiteten in den am wenigsten qualifizierten Berufen, waren mit Schwangerschaft, Kindererziehung und Hausarbeit neben dem Beruf mehrfach belastet, von Bildung weitestgehend ausgeschlossen und per Gesetz ihrem Ehemann unterstellt.

1905 machten Frauen fast 40 % der russischen Beschäftigten aus, der Anteil stieg im Zuge des 1. Weltkriegs. Frauen galten aber im Allgemeinen, auch bei den Revolutionär*innen, als "rückständig", was ihr Bewusstsein betraf. Kollontai schrieb: „Die arbeitenden Frauen gehen dem Leben und dem Kampf aus dem Weg, weil sie glaubten, ihr Schicksal sei der Kochtopf, der Waschzuber und die Wiege".

Bereits 1903 nahm die RSDLP die Gleichstellung der Geschlechter in ihr Programm auf. Sie fordert u.a. 10 Wochen Mutterschaftsurlaub, Betreuung vor und nach der Geburt sowie die Einrichtung von Kinderkrippen. Es wurde jedoch kaum systematisch daran gearbeitet, diese Forderungen mit den Frauen am Arbeitsplatz zu verbinden. Dies änderte sich mit der Streikwelle 1905, Arbeiterinnen begannen das traditionelle Bild abzulegen und sich zu organisieren. So beteiligten sich 11.000 Textilarbeiterinnen an einem der längsten Streiks. In den Streiks wurden auch bezahlter Mutterschaftsurlaub, Freistellung zum Stillen und betriebliche Kinderkrippen gefordert.

In ihrer Geschichte der Bewegung der Arbeiterinnen in Russland schrieb Kollontai 1920: „…je aktiver sie wurde, desto schneller vollzog sich der Prozess ihres geistigen Erwachens. Die Arbeiterin begann, die Welt um sich herum wahrzunehmen, die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems. Sie wird sich der Bitterkeit all ihrer Leiden und Sorgen immer schmerzhafter und schärfer bewusst. Neben den allgemeinen proletarischen Forderungen hört man immer deutlicher die Stimmen der Frauen der Arbeiterklasse, die an die Bedürfnisse und Forderungen der Arbeiterinnen erinnern.”

Durch die Ereignisse von 1905 politisierten sich viele Frauen und schlossen sich auch der Bolschewistischen Partei an. Die Revolution von 1905 hinterließ ihr ein Netzwerk engagierter Aktivistinnen in einigen der riesigen Fabriken von St. Petersburg. Es entstand auch eine bürgerliche Frauenbewegung an der Seite der entstehenden bürgerlichen Parteien. Kollontai war eine der Ersten, die die Gefahren des bürgerlichen Feminismus, der im kapitalistischen System verhaftet bleibt, erkannte. Gleichzeitig fanden die bürgerlich-feministischen Ideen allmählich ein gewisses Echo bei Arbeiterinnen, weil sie auf ihre Bedürfnisse einzugehen schienen.

In der Praxis hatten die bürgerlichen Feministinnen oft wenig Verständnis oder Willen, die Probleme der arbeitenden Frauen anzusprechen. Ihre Forderungen nach demokratischen Rechten griffen zu kurz - Sozialist*innen erkannten, dass beispielsweise das reine Frauenwahlrecht nicht ausreicht, wenn Frauen und die gesamte Arbeiter*innenklasse weiterhin unter Armut, Hunger und Elend leiden. Kollontai leistete Pionierarbeit mit einer Taktik, bürgerliche Feministinnen auf Versammlungen in die Zange zu nehmen, um Forderungen zu stellen, die das Leben der arbeitenden Frauen verbessern sollten und denen die bürgerlichen Feministinnen kaum zustimmen konnten, da sie ihren eigenen Klasseninteressen widersprachen - so wurde deutlich, wo die Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede lagen. In den Wochen vor dem russischen Frauenkongress 1908 organisierte Kollontai arbeitende Frauen, um ihre Forderungen nach sozialen Reformen vorzubringen und innerhalb der feministischen Bewegung für Sozialismus zu organisieren.

Alexandra Kollontai erkannte, dass ein Wettstreit zwischen Feminismus und Sozialismus um die Organisierung der politisierten Arbeiter*innen entstand. Feministische Bewegungen in ganz Europa versuchten, alle Frauen, unabhängig von ihrer sozialen Klasse zu vereinen, um für ihre politischen Rechte zu kämpfen, anstatt sich gegen das System, das sie unterdrückte zu wenden. Kollontai betonte, dass die Partei auf die besonderen Probleme der Frauen eingehen muss, wenn sie sie für die Ideen des Sozialismus und gegen die falschen Versprechungen des bürgerlichen Feminismus gewinnen will.

Kollontai forderte die RSDLP auf, spezielle Propaganda für die Frauen der Arbeiter*innenklasse zu entwickeln und sich für Reformen einzusetzen, die ihnen direkt zugutekommen. Sie sprach sich auch für die Einrichtung eines Frauenbüros unter der allgemeinen Leitung und dem Programm der Partei aus, das die Arbeit unter Frauen organisieren und die Gewinnung und Integration von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse in die Partei erleichtern sollte. Hieraus entstand nach der Revolution 1917 das Frauenbüro, Zhenotdel - eine große Struktur mit vielen Aktivist*innen.

Viele Parteimitglieder lehnten nicht nur die Idee eines Frauenbüros ab, sondern auch Propaganda oder Kampagnen, die sich speziell an arbeitende Frauen richteten. Kollontai stimmte zu, dass die Einheit der Arbeiter*innenklasse unerlässlich sei, argumentierte jedoch, dass sie nicht verwirklicht werden könne, ohne die spezifische Unterdrückung von Frauen zu thematisieren. Sie wandte sich energisch gegen diejenigen, die behaupteten, Frauen bräuchten keine "spezielle Aufmerksamkeit” und würden sich automatisch der allgemeinen Bewegung anschließen. Sie wandte sich auch gegen diejenigen (darunter viele weibliche Mitglieder), die die Arbeit unter Frauen für unwichtig, zweitrangig, eine Verschwendung von Ressourcen oder eine Ablenkung vom allgemeinen Klassenkampf hielten.

Nur durch eine systematische, bewusste und organisierte Kampagnenarbeit könne die Beteiligung von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse in der Partei und somit dem Kampf zur Umgestaltung der Gesellschaft geschehen. Der Kampf für die Befreiung der Frau wurde damit an zwei Fronten geführt, einerseits innerparteilich, um die Wichtigkeit der Organisierung von Frauen in eigenen Kampagnen und Material widerzuspiegeln und gleichzeitig innerhalb der Frauenbewegung, um Frauen für Sozialismus und den geeinten Kampf der Arbeiter*innenklasse zu gewinnen.

Alexandra Kollontais politische Geschichte ist bestimmt nicht unumstritten, vor allem ab dem Übergang zum Stalinismus. Aber was sie unzweifelhaft erkannte, wohl auch aus ihrer eigenen Politisierung heraus, ist, dass politisches Bewusstsein und Radikalisierung vor allem eines sind: Ein Prozess. Ein Prozess, der keineswegs linear verläuft, sondern sich auch in Sprüngen entwickelt, wie beispielsweise nach der Streikwelle 1905. Es war essentiell, zu erkennen, welche zentrale Rolle der Kampf um die Befreiung der Frau im Kampf um eine geeinte Arbeiter*innenklasse spielen musste. Es reichte nicht, „Sozialismus“ und „sind eh mitgemeint“ zu hämmern, das gilt auch für heute. Die Strategie der Bolschewiki zur Organisierung arbeitender Frauen mittels eigenem Material und einem eigenen Frauenbüro - aber im Rahmen der revolutionären Partei - war und ist unerlässlich.

Martina Gergits

 

Marx Aktuell: Prostitution und die Klassengesellschaft

Eines der Themen, denen sich Kollontai widmete, war Prostitution. Zu ihren Lebzeiten waren viele Frauen gezwungen, ihren Körper zu verkaufen, um ihre Familien zu ernähren. Die sozialistische Revolution hatte die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen verbessert, doch Prostitution war noch nicht verschwunden. Im Kapitalismus ist Prostitution das Ergebnis von Ungleichheit und Armut, die der Klassengesellschaft eigen sind. Die bürgerliche Moral verurteilt die Prostitution nicht, weil sie die Frauen gefährdet oder weil sie den Sexismus verewigt, sondern weil sie augenscheinlich der monogamen Ordnung widerspricht. Wie schon Marx und Engels erklärt auch Kollontai, dass eine Ehe, in der eine Frau finanziell von ihrem Partner abhängig ist, sich nicht wesentlich von der Prostitution unterscheidet, da beide Beziehungen auf materiellem Tausch beruhen.

Die Bolschewiki entkriminalisierten Prostitution nach der Revolution rasch, wobei sie auch versuchten, die Frauen von dem Stigma zu befreien. Kollontai vertrat die Ansicht, dass Prostitution Ungleichheit hervorruft und die Solidarität innerhalb der Arbeiter*innenklasse bedroht: Ein Mann, der den Körper einer Frau kauft, denkt schlechter von allen Frauen. Kollontai und die Bolschewiki arbeiteten daran, im gesamten Arbeiter*innenstaat Programme zur Unterstützung von Frauen einzurichten, die aus der Prostitution aussteigen wollten, einschließlich Wohnungen und Berufsausbildung. Kollontai wies darauf hin, dass zwar einige Faktoren, die zur Prostitution beitragen im Arbeiter*innenstaat abgeschafft wurden, andere jedoch weiterhin bestehen. Sie verwies auf Obdachlosigkeit, Vernachlässigung, schlechte Wohnverhältnisse, Einsamkeit und niedrige Löhne - die Bolschewiki arbeiteten daran, diese Faktoren zu beseitigen, was angesichts der objektiven Lage (Krieg, Bürgerkrieg, Isolation der Revolution) nicht von heute auf morgen möglich war. Kollontai war der Ansicht: Um freie Entfaltung von Liebe und Sexualität zu erreichen, ist die Verbesserung der materiellen Bedingungen unabdingbar, aber sie reicht nicht aus, es muss eine neue Moral gefördert werden. Sie plädierte für Sexualerziehung in den Schulen und für Diskussionen über Ehe, Familie und die Geschichte der Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Obwohl Prostitution später unter Stalin kriminalisiert wurde, hatten die Bolschewiki einen nüchternen Klassenansatz gegenüber der Prostitution - sie erkannten ihre materiellen Ursachen und arbeiteten daran, sie zu beseitigen, und wiesen auf die Notwendigkeit hin, sexistische und vorurteilsbehaftete Wahrnehmungen, die aus der bürgerlichen Moral stammen, zu verlernen und eine neue Moral für eine gleichberechtigte, sozialistische Gesellschaft zu schaffen.

Lesetipp: “Prostitution und Wege, sie zu bekämpfen” von Alexandra Kollontai, Rede auf der dritten gesamtrussischen Konferenz der Leiterinnen der regionalen Frauenabteilungen, aus dem Jahr 1921 (https://www.marxists.org/archive/kollonta/1921/prostitution.htm)

Yasmin Morag

 

Wie eine proletarische Frauenbewegung aufbauen?

Wir brauchen einen Feminismus der Arbeiter*innenklasse statt mehr Frauen in den Chefetagen.

Die Geschichte der Russischen Revolution und Kollontais Rolle kann uns dabei helfen, zu verstehen, welche Aufgaben heute vor uns liegen im Kampf gegen Sexismus, Gewalt an Frauen und jede Form von Unterdrückung. In den letzten Jahren haben wir eine neue Welle von feministischen (Massen)bewegungen in verschiedenen Teilen der Welt gesehen. Einige dieser Bewegungen haben auch Erfolge erringen können - wie der Kampf um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Argentinien oder Irland. Aber egal welche Verbesserungen wir erkämpfen - innerhalb dieses System können sie uns jederzeit wieder genommen werden. Die Geschichte der Russischen Revolution zeigt, dass der Kampf gegen die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verbunden ist. Das gilt heute genauso wie zu Kollontais Zeit. Kollontai und die Bolschewiki handelten auf der Basis der Analyse, dass die Klassengesellschaft die systematische Unterdrückung der Frauen braucht: Ihre Rolle in der Ehe und Familie, um unbezahlte Haus- und Pflegearbeit zu leisten und damit doppelt ausgebeutet zu werden. Sie wussten, dass nur in einer sozialistischen Gesellschaft, in der die Wirtschaft demokratisch organisiert und geplant wird, eine Emanzipation der Frauen überhaupt erst möglich wird. Wir sehen heute, wie abhängig der globale Kapitalismus von der bezahlten und unbezahlten Arbeit von Frauen ist. Sexismus und Gewalt sind integraler Bestandteil dieses Systems, das Gewalt, veraltete Rollenbilder und die Objektifizierung von Frauen in vielerlei Hinsicht reproduziert. 

Kollontais enorme Leistung als Revolutionärin bestand darin, die zentrale Rolle der Arbeiter*innenklasse im Kampf gegen die Unterdrückung der Frau und andersherum, die zentrale Rolle des weiblichen Teils der Arbeiter*innenklasse im Kampf für den Sozialismus zu erkennen und daraus praktische Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie leistete einen entscheidenden Beitrag zur Verankerung der Partei der Bolschewiki unter Arbeiterinnen, was eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Revolution 1917 unter ihrer Führung war. Kollontai befürwortete keine separaten Organisationen, nur für Frauen, da sie davon ausging, dass die Emanzipation der arbeitenden Frauen nur zusammen mit der übrigen Arbeiter*innenklasse möglich sein würde. Sie hatte Vertrauen darin, dass der gemeinsame Kampf Spaltungen zwischen den Geschlechtern zurückdrängen würde. Dennoch betonte sie die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen zur Gewinnung von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse für den revolutionären Kampf.

Kollontai setzte sich vor, während und nach der Revolution unermüdlich für die Rechte der arbeitenden Frauen, für deren praktische Organisation und deren Beteiligung am Aufbau der neuen sozialistischen Gesellschaft ein. Gemeinsam mit anderen Bolschewiki gelang es ihr, durch den aus der Revolution hervorgegangenen neuen Staat soziale Fortschritte im Interesse der Frauen umzusetzen. Sie wusste aber auch, dass es für ein Ende von Frauenunterdrückung und die jahrhundertelang gewachsenen reaktionären Rollenbilder mehr brauchte. Natürlich konnte all das nicht von heute auf morgen beseitigt werden. Die soziale Basis für Emanzipation wurde mit der Revolution gelegt, doch nicht umsonst kämpfte Kollontai auch für eine Umwälzung der bestehenden Moralvorstellungen. Die Basis war geschaffen - doch tief verwurzelte Ideen verschwinden nicht auf einen Schlag. Das gilt auch heute. Als Sozialist*innen müssen wir an der vordersten Front in diesem Kampf stehen und ihn stets mit einer Perspektive für eine grundlegende Umwälzung der Gesellschaft verbinden. UND es braucht auch schon heute einen bewussten Kampf gegen jede Form von Sexismus, Rassismus, LGBTQI+ Feindlichkeit und Diskriminierung - ob am Arbeitsplatz, in der Schule oder anderswo.

Für den Aufbau einer proletarischen, sozialistisch-feministischen Bewegung heute brauchen wir Klarheit darüber, dass es innerhalb des kapitalistischen Systems keine Emanzipation geben kann. Viele Menschen bezeichnen sich heute als “Feminist*innen”, viele Marken und Konzerne haben dieses Label für sich entdeckt und vermarkten es unermüdlich. Das ist Ausdruck einer veränderten Stimmung innerhalb der Gesellschaft, befeuert durch die zahlreichen feministischen Kämpfe der letzten Jahre. Doch der Feminismus, der von den Herrschenden und Regierenden genutzt wird, hat uns nichts zu bieten: Er verspricht uns angebliche Befreiung in einem System, das auf Ungleichheit und Unfreiheit basiert. Kollontai und andere Sozialist*innen haben stets gegen den bürgerlichen Feminismus gekämpft, weil sie wussten, dass er Augenauswischerei ist. Stattdessen muss sich ein sozialistischer Feminismus daran orientieren, was im Interesse der Arbeiter*innenklasse ist und eine klare Grenze ziehen zu den Interessen der Reichen und Mächtigen, egal welches Geschlecht diese haben. Wir müssen innerhalb der Arbeiter*innenbewegung und der Gewerkschaften um einen kämpferischen Kurs gegen Sexismus und Ungleichheit kämpfen und eine Bewegung aufbauen, die nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern den Kampf gegen das gesamte kapitalistische System aufnimmt.

Sarah Moayeri

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Marx Aktuell: Prostitution und die Klassengesellschaft

Yasmin Morag

Eines der Themen, denen sich Kollontai widmete, war Prostitution. Zu ihren Lebzeiten waren viele Frauen gezwungen, ihren Körper zu verkaufen, um ihre Familien zu ernähren. Die sozialistische Revolution hatte die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen verbessert, doch Prostitution war noch nicht verschwunden. Im Kapitalismus ist Prostitution das Ergebnis von Ungleichheit und Armut, die der Klassengesellschaft eigen sind. Die bürgerliche Moral verurteilt die Prostitution nicht, weil sie die Frauen gefährdet oder weil sie den Sexismus verewigt, sondern weil sie augenscheinlich der monogamen Ordnung widerspricht. Wie schon Marx und Engels erklärt auch Kollontai, dass eine Ehe, in der eine Frau finanziell von ihrem Partner abhängig ist, sich nicht wesentlich von der Prostitution unterscheidet, da beide Beziehungen auf materiellem Tausch beruhen.

Die Bolschewiki entkriminalisierten Prostitution nach der Revolution rasch, wobei sie auch versuchten, die Frauen von dem Stigma zu befreien. Kollontai vertrat die Ansicht, dass Prostitution Ungleichheit hervorruft und die Solidarität innerhalb der Arbeiter*innenklasse bedroht: Ein Mann, der den Körper einer Frau kauft, denkt schlechter von allen Frauen. Kollontai und die Bolschewiki arbeiteten daran, im gesamten Arbeiter*innenstaat Programme zur Unterstützung von Frauen einzurichten, die aus der Prostitution aussteigen wollten, einschließlich Wohnungen und Berufsausbildung. Kollontai wies darauf hin, dass zwar einige Faktoren, die zur Prostitution beitragen im Arbeiter*innenstaat abgeschafft wurden, andere jedoch weiterhin bestehen. Sie verwies auf Obdachlosigkeit, Vernachlässigung, schlechte Wohnverhältnisse, Einsamkeit und niedrige Löhne - die Bolschewiki arbeiteten daran, diese Faktoren zu beseitigen, was angesichts der objektiven Lage (Krieg, Bürgerkrieg, Isolation der Revolution) nicht von heute auf morgen möglich war. Kollontai war der Ansicht: Um freie Entfaltung von Liebe und Sexualität zu erreichen, ist die Verbesserung der materiellen Bedingungen unabdingbar, aber sie reicht nicht aus, es muss eine neue Moral gefördert werden. Sie plädierte für Sexualerziehung in den Schulen und für Diskussionen über Ehe, Familie und die Geschichte der Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Obwohl Prostitution später unter Stalin kriminalisiert wurde, hatten die Bolschewiki einen nüchternen Klassenansatz gegenüber der Prostitution - sie erkannten ihre materiellen Ursachen und arbeiteten daran, sie zu beseitigen, und wiesen auf die Notwendigkeit hin, sexistische und vorurteilsbehaftete Wahrnehmungen, die aus der bürgerlichen Moral stammen, zu verlernen und eine neue Moral für eine gleichberechtigte, sozialistische Gesellschaft zu schaffen.

Lesetipp: “Prostitution und Wege, sie zu bekämpfen” von Alexandra Kollontai, Rede auf der dritten gesamtrussischen Konferenz der Leiterinnen der regionalen Frauenabteilungen, aus dem Jahr 1921 (https://www.marxists.org/archive/kollonta/1921/prostitution.htm)

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wie eine proletarische Frauenbewegung aufbauen?

Wir brauchen einen Feminismus der Arbeiter*innenklasse statt mehr Frauen in den Chefetagen.
Sarah Moayeri

Die Geschichte der Russischen Revolution und Kollontais Rolle kann uns dabei helfen, zu verstehen, welche Aufgaben heute vor uns liegen im Kampf gegen Sexismus, Gewalt an Frauen und jede Form von Unterdrückung. In den letzten Jahren haben wir eine neue Welle von feministischen (Massen)bewegungen in verschiedenen Teilen der Welt gesehen. Einige dieser Bewegungen haben auch Erfolge erringen können - wie der Kampf um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Argentinien oder Irland. Aber egal welche Verbesserungen wir erkämpfen - innerhalb dieses System können sie uns jederzeit wieder genommen werden. Die Geschichte der Russischen Revolution zeigt, dass der Kampf gegen die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verbunden ist. Das gilt heute genauso wie zu Kollontais Zeit. Kollontai und die Bolschewiki handelten auf der Basis der Analyse, dass die Klassengesellschaft die systematische Unterdrückung der Frauen braucht: Ihre Rolle in der Ehe und Familie, um unbezahlte Haus- und Pflegearbeit zu leisten und damit doppelt ausgebeutet zu werden. Sie wussten, dass nur in einer sozialistischen Gesellschaft, in der die Wirtschaft demokratisch organisiert und geplant wird, eine Emanzipation der Frauen überhaupt erst möglich wird. Wir sehen heute, wie abhängig der globale Kapitalismus von der bezahlten und unbezahlten Arbeit von Frauen ist. Sexismus und Gewalt sind integraler Bestandteil dieses Systems, das Gewalt, veraltete Rollenbilder und die Objektifizierung von Frauen in vielerlei Hinsicht reproduziert. 

Kollontais enorme Leistung als Revolutionärin bestand darin, die zentrale Rolle der Arbeiter*innenklasse im Kampf gegen die Unterdrückung der Frau und andersherum, die zentrale Rolle des weiblichen Teils der Arbeiter*innenklasse im Kampf für den Sozialismus zu erkennen und daraus praktische Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie leistete einen entscheidenden Beitrag zur Verankerung der Partei der Bolschewiki unter Arbeiterinnen, was eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Revolution 1917 unter ihrer Führung war. Kollontai befürwortete keine separaten Organisationen, nur für Frauen, da sie davon ausging, dass die Emanzipation der arbeitenden Frauen nur zusammen mit der übrigen Arbeiter*innenklasse möglich sein würde. Sie hatte Vertrauen darin, dass der gemeinsame Kampf Spaltungen zwischen den Geschlechtern zurückdrängen würde. Dennoch betonte sie die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen zur Gewinnung von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse für den revolutionären Kampf.

Kollontai setzte sich vor, während und nach der Revolution unermüdlich für die Rechte der arbeitenden Frauen, für deren praktische Organisation und deren Beteiligung am Aufbau der neuen sozialistischen Gesellschaft ein. Gemeinsam mit anderen Bolschewiki gelang es ihr, durch den aus der Revolution hervorgegangenen neuen Staat soziale Fortschritte im Interesse der Frauen umzusetzen. Sie wusste aber auch, dass es für ein Ende von Frauenunterdrückung und die jahrhundertelang gewachsenen reaktionären Rollenbilder mehr brauchte. Natürlich konnte all das nicht von heute auf morgen beseitigt werden. Die soziale Basis für Emanzipation wurde mit der Revolution gelegt, doch nicht umsonst kämpfte Kollontai auch für eine Umwälzung der bestehenden Moralvorstellungen. Die Basis war geschaffen - doch tief verwurzelte Ideen verschwinden nicht auf einen Schlag. Das gilt auch heute. Als Sozialist*innen müssen wir an der vordersten Front in diesem Kampf stehen und ihn stets mit einer Perspektive für eine grundlegende Umwälzung der Gesellschaft verbinden. UND es braucht auch schon heute einen bewussten Kampf gegen jede Form von Sexismus, Rassismus, LGBTQI+ Feindlichkeit und Diskriminierung - ob am Arbeitsplatz, in der Schule oder anderswo.

Für den Aufbau einer proletarischen, sozialistisch-feministischen Bewegung heute brauchen wir Klarheit darüber, dass es innerhalb des kapitalistischen Systems keine Emanzipation geben kann. Viele Menschen bezeichnen sich heute als “Feminist*innen”, viele Marken und Konzerne haben dieses Label für sich entdeckt und vermarkten es unermüdlich. Das ist Ausdruck einer veränderten Stimmung innerhalb der Gesellschaft, befeuert durch die zahlreichen feministischen Kämpfe der letzten Jahre. Doch der Feminismus, der von den Herrschenden und Regierenden genutzt wird, hat uns nichts zu bieten: Er verspricht uns angebliche Befreiung in einem System, das auf Ungleichheit und Unfreiheit basiert. Kollontai und andere Sozialist*innen haben stets gegen den bürgerlichen Feminismus gekämpft, weil sie wussten, dass er Augenauswischerei ist. Stattdessen muss sich ein sozialistischer Feminismus daran orientieren, was im Interesse der Arbeiter*innenklasse ist und eine klare Grenze ziehen zu den Interessen der Reichen und Mächtigen, egal welches Geschlecht diese haben. Wir müssen innerhalb der Arbeiter*innenbewegung und der Gewerkschaften um einen kämpferischen Kurs gegen Sexismus und Ungleichheit kämpfen und eine Bewegung aufbauen, die nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern den Kampf gegen das gesamte kapitalistische System aufnimmt.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau, ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus

Die Revolution zeigte, wie die unterdrücktesten Arbeiter*innen an der Spitze des Kampfes stehen. Kollontai forderte spezielle Agitation unter Arbeiterinnen, um sie für den Sozialismus zu gewinnen.
Martina Gergits

Eine Revolution ist so lange undenkbar, bis sie stattfindet, dann gilt sie als unausweichlich, schrieb schon Rosa Luxemburg. Dasselbe galt für die Russische Revolution, in der Frauen eine zentrale Rolle spielten. Russland war vor der Revolution 1917 ein rückständiges Land. Frauen machten zwar einen immer größeren Anteil der Arbeiter*innenklasse aus, verdienten aber deutlich weniger als Männer, arbeiteten in den am wenigsten qualifizierten Berufen, waren mit Schwangerschaft, Kindererziehung und Hausarbeit neben dem Beruf mehrfach belastet, von Bildung weitestgehend ausgeschlossen und per Gesetz ihrem Ehemann unterstellt.

1905 machten Frauen fast 40 % der russischen Beschäftigten aus, der Anteil stieg im Zuge des 1. Weltkriegs. Frauen galten aber im Allgemeinen, auch bei den Revolutionär*innen, als "rückständig", was ihr Bewusstsein betraf. Kollontai schrieb: „Die arbeitenden Frauen gehen dem Leben und dem Kampf aus dem Weg, weil sie glaubten, ihr Schicksal sei der Kochtopf, der Waschzuber und die Wiege".

Bereits 1903 nahm die RSDLP die Gleichstellung der Geschlechter in ihr Programm auf. Sie fordert u.a. 10 Wochen Mutterschaftsurlaub, Betreuung vor und nach der Geburt sowie die Einrichtung von Kinderkrippen. Es wurde jedoch kaum systematisch daran gearbeitet, diese Forderungen mit den Frauen am Arbeitsplatz zu verbinden. Dies änderte sich mit der Streikwelle 1905, Arbeiterinnen begannen das traditionelle Bild abzulegen und sich zu organisieren. So beteiligten sich 11.000 Textilarbeiterinnen an einem der längsten Streiks. In den Streiks wurden auch bezahlter Mutterschaftsurlaub, Freistellung zum Stillen und betriebliche Kinderkrippen gefordert.

In ihrer Geschichte der Bewegung der Arbeiterinnen in Russland schrieb Kollontai 1920: „…je aktiver sie wurde, desto schneller vollzog sich der Prozess ihres geistigen Erwachens. Die Arbeiterin begann, die Welt um sich herum wahrzunehmen, die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems. Sie wird sich der Bitterkeit all ihrer Leiden und Sorgen immer schmerzhafter und schärfer bewusst. Neben den allgemeinen proletarischen Forderungen hört man immer deutlicher die Stimmen der Frauen der Arbeiterklasse, die an die Bedürfnisse und Forderungen der Arbeiterinnen erinnern.”

Durch die Ereignisse von 1905 politisierten sich viele Frauen und schlossen sich auch der Bolschewistischen Partei an. Die Revolution von 1905 hinterließ ihr ein Netzwerk engagierter Aktivistinnen in einigen der riesigen Fabriken von St. Petersburg. Es entstand auch eine bürgerliche Frauenbewegung an der Seite der entstehenden bürgerlichen Parteien. Kollontai war eine der Ersten, die die Gefahren des bürgerlichen Feminismus, der im kapitalistischen System verhaftet bleibt, erkannte. Gleichzeitig fanden die bürgerlich-feministischen Ideen allmählich ein gewisses Echo bei Arbeiterinnen, weil sie auf ihre Bedürfnisse einzugehen schienen.

In der Praxis hatten die bürgerlichen Feministinnen oft wenig Verständnis oder Willen, die Probleme der arbeitenden Frauen anzusprechen. Ihre Forderungen nach demokratischen Rechten griffen zu kurz - Sozialist*innen erkannten, dass beispielsweise das reine Frauenwahlrecht nicht ausreicht, wenn Frauen und die gesamte Arbeiter*innenklasse weiterhin unter Armut, Hunger und Elend leiden. Kollontai leistete Pionierarbeit mit einer Taktik, bürgerliche Feministinnen auf Versammlungen in die Zange zu nehmen, um Forderungen zu stellen, die das Leben der arbeitenden Frauen verbessern sollten und denen die bürgerlichen Feministinnen kaum zustimmen konnten, da sie ihren eigenen Klasseninteressen widersprachen - so wurde deutlich, wo die Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede lagen. In den Wochen vor dem russischen Frauenkongress 1908 organisierte Kollontai arbeitende Frauen, um ihre Forderungen nach sozialen Reformen vorzubringen und innerhalb der feministischen Bewegung für Sozialismus zu organisieren.

Alexandra Kollontai erkannte, dass ein Wettstreit zwischen Feminismus und Sozialismus um die Organisierung der politisierten Arbeiter*innen entstand. Feministische Bewegungen in ganz Europa versuchten, alle Frauen, unabhängig von ihrer sozialen Klasse zu vereinen, um für ihre politischen Rechte zu kämpfen, anstatt sich gegen das System, das sie unterdrückte zu wenden. Kollontai betonte, dass die Partei auf die besonderen Probleme der Frauen eingehen muss, wenn sie sie für die Ideen des Sozialismus und gegen die falschen Versprechungen des bürgerlichen Feminismus gewinnen will.

Kollontai forderte die RSDLP auf, spezielle Propaganda für die Frauen der Arbeiter*innenklasse zu entwickeln und sich für Reformen einzusetzen, die ihnen direkt zugutekommen. Sie sprach sich auch für die Einrichtung eines Frauenbüros unter der allgemeinen Leitung und dem Programm der Partei aus, das die Arbeit unter Frauen organisieren und die Gewinnung und Integration von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse in die Partei erleichtern sollte. Hieraus entstand nach der Revolution 1917 das Frauenbüro, Zhenotdel - eine große Struktur mit vielen Aktivist*innen.

Viele Parteimitglieder lehnten nicht nur die Idee eines Frauenbüros ab, sondern auch Propaganda oder Kampagnen, die sich speziell an arbeitende Frauen richteten. Kollontai stimmte zu, dass die Einheit der Arbeiter*innenklasse unerlässlich sei, argumentierte jedoch, dass sie nicht verwirklicht werden könne, ohne die spezifische Unterdrückung von Frauen zu thematisieren. Sie wandte sich energisch gegen diejenigen, die behaupteten, Frauen bräuchten keine "spezielle Aufmerksamkeit” und würden sich automatisch der allgemeinen Bewegung anschließen. Sie wandte sich auch gegen diejenigen (darunter viele weibliche Mitglieder), die die Arbeit unter Frauen für unwichtig, zweitrangig, eine Verschwendung von Ressourcen oder eine Ablenkung vom allgemeinen Klassenkampf hielten.

Nur durch eine systematische, bewusste und organisierte Kampagnenarbeit könne die Beteiligung von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse in der Partei und somit dem Kampf zur Umgestaltung der Gesellschaft geschehen. Der Kampf für die Befreiung der Frau wurde damit an zwei Fronten geführt, einerseits innerparteilich, um die Wichtigkeit der Organisierung von Frauen in eigenen Kampagnen und Material widerzuspiegeln und gleichzeitig innerhalb der Frauenbewegung, um Frauen für Sozialismus und den geeinten Kampf der Arbeiter*innenklasse zu gewinnen.

Alexandra Kollontais politische Geschichte ist bestimmt nicht unumstritten, vor allem ab dem Übergang zum Stalinismus. Aber was sie unzweifelhaft erkannte, wohl auch aus ihrer eigenen Politisierung heraus, ist, dass politisches Bewusstsein und Radikalisierung vor allem eines sind: Ein Prozess. Ein Prozess, der keineswegs linear verläuft, sondern sich auch in Sprüngen entwickelt, wie beispielsweise nach der Streikwelle 1905. Es war essentiell, zu erkennen, welche zentrale Rolle der Kampf um die Befreiung der Frau im Kampf um eine geeinte Arbeiter*innenklasse spielen musste. Es reichte nicht, „Sozialismus“ und „sind eh mitgemeint“ zu hämmern, das gilt auch für heute. Die Strategie der Bolschewiki zur Organisierung arbeitender Frauen mittels eigenem Material und einem eigenen Frauenbüro - aber im Rahmen der revolutionären Partei - war und ist unerlässlich.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationaler Frauentag 2022: Gegen Krieg & Sexismus

1917 begannen die Frauen der Arbeiter*innenklasse jene Revolution, die den Krieg beendete - lasst uns das wieder tun!
ISA und Rosa International

Sozialistische Feminist*innen auf der ganzen Welt demonstrieren und organisieren Arbeitsniederlegungen und Streiks gegen den imperialistischen Krieg, der einmal mehr die Brutalität der kapitalistischen Unterdrückung und Ausbeutung entlarvt.

Am Vorabend des 8. März, des internationalen Kampftages der arbeitenden Frauen, rufen Rosa: Internationale Sozialistische Feminist*innen und die Internationale Sozialistische Alternative ISA die Frauen der Arbeiter*innenklasse auf der ganzen Welt dazu auf, gegen Krieg, Ausbeutung, Unterdrückung und das dahinter stehende System aufzustehen: den Kapitalismus!

Als ob die Frauen der Arbeiter*innenklasse nicht schon genug Gründe hätten, gegen die Belastungen zu kämpfen, die ihnen auferlegt werden, kommt mit dem "Kalten Krieg" zwischen den USA und China um die Weltherrschaft, der sich aktuell mit der aggressiven Intervention und dem grausamen Krieg des russischen Regimes gegen die Ukraine in einen heißen militärischen Konflikt verwandelt, eine weitere existenzielle Bedrohung hinzu.

Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, das Ergebnis zunehmender imperialistischer Spannungen, die auf brutale Weise auf Kosten der Menschen in der Ukraine ausgetragen werden.

Aber der Krieg ist auch die Geburtshelferin der Revolution. Und auch wenn dies im Moment noch in weiter Ferne zu liegen scheint, müssen wir uns an die zahlreichen Beispiele von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse erinnern, die gegenKrieg aufgestanden sind und sich organisiert haben.

Nicht weil Frauen von Natur aus friedlicher wären (zahlreiche pro-kapitalistische Politikerinnen in kriegstreibenden imperialistischen Nationen beweisen das Gegenteil), sondern weil Frauen aus der Arbeiter*innenklasse brutal vom Krieg betroffen sind. Während sie einerseits die düstere Perspektive haben, um ihre Partner und Söhne trauern zu müssen, die an die Front eingezogen werden, müssen sie gleichzeitig die Gesellschaft am Laufen halten obwohl sie selbst und ihre Kinder Hunger und Not erleiden. Und wie Frauen in militärischen Konfliktgebieten aus leidvoller Erfahrung wissen, wird sexuelle Gewalt auch als Kriegswaffe eingesetzt, um das gegnerische Lager zu demoralisieren.

Im gegenwärtigen Krieg gibt es bereits zivile Todesopfer. Als die Menschen in der Ukraine am frühen Morgen des 24. Februar von Raketen und Schüssen in den Straßen geweckt wurden, fanden sie sich zwischen imperialistischen Kräften wieder, die um die Weltherrschaft kämpfen. Dies geschieht nach wochenlanger Kriegstreiberei von Seiten Russlands sowie der Nato und der USA. Die Menschen in der Ukraine, die schon unter wirtschaftlicher Not und Korruption durch die eigene herrschende Elite leidet, hatten keinen Einfluss auf den Konflikt, der zu diesem Krieg geführt hat – aber es sind die Menschen die die Folgen zu spüren bekommen, durch die Todesopfer und wenn die Lebensmittel- und Energiepreise noch weiter in die Höhe schießen.

Der Ruf nach Frieden wird in der ganzen Region laut: Sofort haben Proteste gegen den Krieg begonnen, vor allem auch in Russland. Es sollte nicht überraschen, dass das reaktionäre Putin-Regime mit heftiger Repression reagierte. In den letzten Wochen wurde deutlich, dass es keine Hoffnung auf Frieden gibt, wenn man sich auf die herrschenden Eliten der kapitalistischen Nationen oder internationale Organisationen wie die UNO und die Nato verlässt. Der Kampf für den Frieden kann nur von der Arbeiter*innenklasse selbst ausgehen.

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass Sozialistinnen gegen einen imperialistischen Krieg kämpfen mussten. Im Jahr 1915 organisierten sie die erste internationale sozialistische Konferenz gegen den 1. Weltkrieg, die Sozialistinnen aus Russland, Polen, Deutschland, der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien über die Frontlinien hinweg vereinte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die von Frauen angeführten Proteste und Unruhen gegen Inflation und Krieg in einer Reihe von kriegführenden Ländern bereits begonnen. Ihr Manifest lautete:

"Was ist der Zweck des Krieges, der euch so furchtbare Leiden bringt? Man sagt: das Wohl, die Verteidigung des Vaterlandes. Was ist das Wohl des Vaterlandes? Sollte es nicht das Wohl vieler Millionen bedeuten, das Wohl der Millionen, die der Krieg zu Leichen, zu Krüppeln, zu Arbeitslosen, zu Bettlern, zu Witwen und zu Waisen macht? Wer gefährdet das Wohl des Vaterlandes? Sind es die Männer, die jenseits der Grenze in anderer Uniform stecken, sie, die so wenig wie eure Männer den Krieg gewollt haben, noch wissen, weshalb sie ihre Brüder in anderen Waffenröcken morden sollen? Nein! Gefährdet ist das Vaterland durch alle, die aus der Not der breiten Massen Reichtum schöpfen und ihre Herrschaft auf der Unterdrückung aufbauen. Wem nützt der Krieg? Nur einer kleinen Minderheit in jeder Nation. Zunächst den Fabrikanten von Flinten und Kanonen, von Panzerplatten und Torpedobooten, den Werftbesitzern und den Lieferanten des Heeresbedarfs. Im Interesse ihres Profits haben sie den Hass unter den Völkern geschürt und so zum Ausbruch des Krieges beigetragen. Der Krieg nützt des Weiteren den Kapitalisten überhaupt. Hat nicht die Arbeit der enterbten und ausgebeuteten Massen Waren aufgehäuft, die jene nicht verbrauchen dürfen, die sie erzeugten? Sie sind ja arm, sie können nicht dafür zahlen! Arbeiterschweiss hat diese Waren geschaffen. Arbeiterblut soll ihnen neue Absatzmärkte im Auslande erkämpfen.“

Die Frauen, die hinter diesem Aufruf standen, begannen 1917 die Russische Revolution, jenes Ereignis, das das Ende des 1. Weltkriegs einläutete. Sie verweigerten den herrschenden Eliten der kriegstreibenden imperialistischen Nationen das Recht, über ihr Schicksal zu entscheiden, und begannen den Kampf, der ihre eigene kriegstreibende herrschende Elite stürzte. Entgegen der enormen Propaganda müssen wir heute damit beginnen, eine massive Bewegung gegen Krieg und Imperialismus aufzubauen, indem wir die Arbeiter*innen- und Frauenbewegung dazu aufrufen, sich für den Frieden einzusetzen, da wir wissen, dass das Fortbestehen von Kapitalismus und Imperialismus immer zu Krieg führen wird.

Es sind die Frauen der Arbeiter*innenklasse in der Ukraine, in Russland, in Belarus, in Rumänien und in anderen Ländern der Region; es sind die Frauen der Arbeiter*innenklasse im "Westen", in Europa und in den USA; es sind die Frauen der Arbeiter*innenklasse in China, Hongkong und Taiwan, die am meisten unter den imperialistischen Spannungen leiden - ebenso wie es die Frauen der Arbeiter*innenklasse und der armen Massen in Syrien, im Irak, im Jemen und in Afghanistan sind, deren Leben durch die brutalen imperialistischen Bombardierungen und Besetzungen am stärksten erschüttert wird. Und es sind die Frauen der Arbeiter*innenklasse, die vereint die Macht haben, sich dagegen zu wehren.

Wenn Arbeiter*innen, Jugendliche und Frauen in Russland ihre Proteste ausweiten und verbinden mit Streiks gegen die russische Invasion und das verbinden mit dem längst überfälligen Kampf für den Sturz des autoritären, korrupten und frauenfeindlichen Regimes von Putin und seiner Kumpan*innen ausweiten, wäre das die stärkste Waffe, um alle russischen Truppen aus der Ukraine abzuziehen.

Wir sind solidarisch mit unseren Genossinnen und Genossen in Russland, die sich während der Erstellung dieses Textes mutig am Aufbau der Antikriegsbewegung in Russland selbst beteiligen - so wie wir früher vor den russischen Botschaften protestiert haben, wenn sie verhaftet wurden, nachdem sie Proteste gegen andere Kriege oder gegen geschlechtsspezifische Gewalt und für LGBTQ+-Rechte organisiert hatten.

Wenn die Arbeiter*innen in der Ukraine protestieren und streiken um die Macht in ihre eigenen Hände zu nehmen, die korrupten Eliten zu vertreiben und ihre eigene Verteidigung in ihrem eigenen Interesse gemeinsam zu organisieren und sich mit dem Kampf für volle Rechte für Minderheiten bis hin zur Selbstbestimmung zu verbinden, dann ist ihnen die Solidarität und Unterstützung aus der Arbeiter*innenklasse und der Jugend auf der ganzen Welt sicher.

Bevor ihr sagt "das ist unmöglich", erinnert euch an die Rolle von Frauen und der Arbeiter*innenklasse in den Kämpfen der letzten Jahre, auch in Belarus und Kasachstan, an die Millionen von Jugendlichen auf der Straße, die für "Systemchange, not Climate change" protestieren, an die Millionen von Beschäftigten im Gesundheits- und Bildungswesen, die sich organisieren und für ihre eigenen Arbeitsbedingungen sowie für grundlegende, qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen kämpfen, die für alle zugänglich sind, um die Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung zu befriedigen - das ist die mächtige Kraft, auf der eine Antikriegsbewegung aufbauen kann!

Wir rufen zu Antikriegsprotesten am Internationalen Frauentag auf, weil wir wissen, dass Krieg nur eine weitere Belastung, ein weiteres Risiko für die Leben von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse ist.

Dies kommt zu all den Härten hinzu, die wir während der Pandemie erlebt haben, die das Einkommen von 99% der Menschheit sinken ließ und weitere 160 Millionen Menschen in die Armut zwang. Und das alles, während die 10 reichsten Männer der Welt ihr Vermögen verdoppelt haben!

Frauen gehörten zu den am härtesten Betroffenen, mit lang anhaltenden Folgen: Laut dem Global Gender Gap Report 2021 des Weltwirtschaftsforums hat sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in nur einem Jahr um 36 Jahre vergrößert. Im Bericht von 2020 war die Prognose, dass es 99,5 Jahre dauern würde, bis Frauen ein gewisses Maß an Gleichberechtigung erreicht hätten, heute lautet die Prognose 135,6 Jahre!

Aber die Pandemie hat auch gezeigt, dass Frauen für das Funktionieren der Gesellschaft absolut unverzichtbar sind: Sie stellen die Mehrheit der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, die im Kampf gegen das lebensbedrohliche Virus an vorderster Front stehen. Nicht Banker*innen oder Politiker*innen, nicht die Waffenindustrie oder das Großkapital, sondern Frauen der Arbeiter*innenklasse nahmen diesen Kampf auf und riskierten dabei ihre eigene Gesundheit und ihr Leben. Das gab ihnen das Selbstvertrauen, noch härter als zuvor und mit mehr Unterstützung in der Gesellschaft für ihren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft zu kämpfen, gegen ihre niedrigen Löhne und gegen die unerträgliche Arbeitsbelastung nach Jahrzehnten neoliberaler Kürzungspolitik, gegen Sexismus und geschlechtsspezifische Gewalt, für eine fürsorgliche Gesellschaft, die niemals auf den Grundlagen des Kapitalismus aufgebaut werden kann.

Mit dem Aufbau einer starken Frauenbewegung ist es auch unsere Aufgabe, starke, kämpferische und demokratische Gewerkschaften aufzubauen, die Gewerkschaftsführungen dazu zu bringen, ihre Verbindungen zu jenen Parteien zu kappen, die die Rechte von Beschäftigten und Frauen untergraben, und den Kampf für die gewerkschaftliche Organisierung auch der am stärksten unterdrückten Schichten der Arbeiter*innenklasse, einschließlich Frauen, schwarzer und migrantischer Beschäftigter, aufzunehmen.

Es wird immer deutlicher, dass Krieg, Elend und Unterdrückung im kapitalistischen System kein Ende haben. Wir kämpfen nicht für Gleichheit in der Armut, eine Gleichheit, die darauf beruht, dass wir die - im Durchschnitt vergleichsweise - besseren Löhne und Arbeitsbedingungen der männlichen Beschäftigten auf unsere eigenen herunterdrücken. Wir glauben nicht, dass mehr Politikerinnen oder Managerinnen irgendetwas in unserem Leben ändern werden. Wir werden uns nicht mit der einen oder anderen winzigen Verbesserung zufrieden geben. Wir kämpfen dafür, die Art und Weise zu ändern, wie und in wessen Interesse die Gesellschaft und die Wirtschaft geführt werden.

Nur eine geplante Wirtschaft, die auf öffentlichem Eigentum an den großen Monopolen basiert, die das Leben von Millionen von Menschen beherrschen, und die unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter*innenklasse und der unterdrückten Massen steht, kann die Menschheit vor Armut, Krieg und Krankheit bewahren und die Natur und alle ihre Bewohner*innen schützen. Der Planet kann nicht mehr so viel Verwüstung verkraften. Die Auswirkungen der Klimakrise haben sich bisher v.a. auf die Ärmsten sehr unmittelbar ausgewirkt, aber sie beginnen bereits, alle zu treffen. Wir sozialistischen Feminist*innen treten auch deshalb für die Enteignung der großen Vermögen ein, die im Schweiße unserer unterbezahlten oder unbezahlten Arbeit angehäuft wurden. Und wir treten für die Enteignung der Reichen ein, um den von uns, der Arbeiter*innenklasse, geschaffenen Reichtum zu unseren Gunsten zu verwenden - auch um die vom kapitalistischen System verursachten Zerstörungen zu reparieren und die Grundlage für eine Welt in Frieden, Sicherheit und Würde zu schaffen. Es ist abscheulich, dass 252 Männer mehr besitzen als alle 1 Milliarde Mädchen und Frauen Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik zusammen, aber es sind wir, die Frauen der Arbeiter*innenklasse und die armen Frauen, die die Rechnung für die kapitalistische Krise bezahlen.

Arbeiterinnen, arme und junge Frauen auf der ganzen Welt haben sich erhoben, um ihre schrecklichen Lebensbedingungen und all die Unterdrückung, der sie ausgesetzt sind, in Frage zu stellen. Vom Kampf für den Zugang zu Arbeit und Bildung in Afghanistan, für sexuelle und reproduktive Rechte in Irland, Mexiko, Argentinien, Kolumbien und Südkorea, für Beschäftigung unter menschenwürdigen Bedingungen in Afrika, Asien und Lateinamerika, für das Recht auf Land und eine gesunde Umwelt in Brasilien, gegen strukturellen Rassismus in den USA und anderen Ländern, gegen die Explosion der häuslichen und familiären Gewalt in der Pandemiezeit, die die Realität der Frauenmorde ans Licht brachte, für den Kampf um demokratische Rechte im Sudan, in China, im Libanon, in Myanmar und in Weißrussland, für die Kämpfe der Beschäftigten im Gesundheitswesen, der Lehrer*innen und vieler anderer, die besonders vom arbeiten unter Covid betroffen waren, bei der die Frauen oft in vorderster Reihe standen. All diese Beispiele zeigen, dass wir nicht passiv sind.

Auf der ganzen Welt stellen immer mehr Frauen und Jugendliche den Kapitalismus in Frage, der nur patriarchal sein kann. Sie stellen die restriktiven und rückständigen Geschlechterrollen in Frage, die Menschen aller Geschlechter um der Klassengesellschaft willen auferlegt werden. Sie stellen die vielfältigen Verletzungen, die wir erleiden, verstärkt durch die verschiedenen Formen der systematischen Unterdrückung aufgrund von Geschlecht, Sexualität und Rasse, die integrale Bestandteile des kapitalistischen Systems sind, in Frage. Diese neue und radikalisierte Generation kommt immer mehr zu dem Schluss, dass es nicht sein muss, wie es ist!

Das Establishment fürchtet die feministischen Massenbewegungen, die sich international entwickelt haben – und zwar besonders wenn sie in die Offensive gehen und vor allem, wenn sie die Methoden der Arbeiter*innenklasse wie den Streik aufgreifen und anwenden und den Kapitalismus als solchen in Frage stellen. Deshalb versuchen Teile des kapitalistischen Establishments ganz bewusst, die Bewegung aufzugreifen, die Führung für sich zu beanspruchen und sie zu demobilisieren. Für uns arbeitende Frauen ist ein "Feminismus", der nur darauf abzielt, Frauen aus der Elite in Regierungen und in Führungspositionen kapitalistischer Unternehmen zu bringen, nicht zielführend und kein Weg, die Unterdrückung der Frau als solche zu bekämpfen. Das individuelle "Empowerment" der liberalen Feminist*innen ist nicht in der Lage, eine qualitative Veränderung in unserem Leben und im Leben der zahllosen Frauen der Arbeiter*innenklasse und der Armen zu bewirken.

Der liberale Feminismus versucht uns mit der Illusion eines humanen Kapitalismus einzulullen während wir uns mit der Aussicht auf Geschlechterparität in mehr als einem Jahrhundert begnügen sollen! So viel Zeit haben wir nicht, aber selbst wenn wir sie hätten, wird das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern im Kapitalismus nie ganz verschwinden, da Frauen ihre außerhäusliche Arbeit mit der unbezahlten Arbeit im Haus kombinieren müssen. Die Gleichstellung der Geschlechter an der Spitze der Gesellschaft bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse, einschließlich der unbezahlten und schlecht bezahlten Arbeit von Frauen, würde nichts Grundlegendes an der Unmenschlichkeit und Brutalität des Systems gegenüber Frauen, gegenüber der gesamten Arbeiter*innenklasse und gegenüber den armen Massen der Welt ändern – das ist eine Realität, mit der wir jede Minute eines jeden Tages konfrontiert sind.

Heute leiden unzählige Frauen auf der ganzen Welt unter irgendeiner Form von Gewalt und Entbehrung. Der sozialistische Feminismus kämpft für die Befreiung aller. Um uns alle zu emanzipieren, müssen wir eine neue Gesellschaft aufbauen, in der die Arbeiter*innenklasse die Wirtschaft übernimmt und sie auf Grundlage von Bedürfnissen und nicht von Profit demokratisch führt. Dieser Kampf für eine neue, eine sozialistische Gesellschaft ist in sich selbst schon ein Schritt zur Überwindung der Frauenunterdrückung und legt die Grundlage für ihre völlige Abschaffung, da er auf einer neuen und höheren Solidarität und Geschwisterlichkeit mit den arbeitenden Männern beruht, in der kein Platz für irgendeine Art von Unterdrückung ist.

Wir rufen nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer der Arbeiter*innenklasse auf, die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen, die linken Parteien: Protestiert und streikt mit uns am 8. März, aber haltet jeden Tag des Jahres die Fahne des sozialistischen Feminismus hoch! Viele Errungenschaften der letzten Jahre waren möglich, weil Frauen die besten Kampfmethoden der Arbeiter*innenklasse zum Einsatz gebracht haben. Das in den letzten Jahren immer häufiger zum internationalen Streik aufgerufen wurden, speziell von Frauen anlässlich des 8. März, ist ein praktisches Beispiele dafür. Wir dürfen nicht vergessen, dass der 8. März Streiks und Forderungen von Frauen der Arbeiter*innenklasse nach Brot, Land und Frieden in seiner DNA hat – jene Forderungen die 1917 zur Russischen Revolution führten. Das können wir wiederholen, international besser organisiert, mit einem gemeinsamen Programm, das in unseren Kämpfen in jedem Winkel dieser Welt entwickelt wird – und dazu gehört auch die Unterstützung unserer Schwestern und Brüder aus der Arbeiter*innenklasse in der Ukraine und Russland, die sich gegen den imperialistischen Krieg und diejenigen, die ihn unterstützen und davon profitieren, zur Wehr setzen.

Wir sind solidarisch mit den Frauen - und Männern - der Arbeiter*innenklasse in all ihren Kämpfen für Frieden und Würde, gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Für uns von ROSA ist es unerlässlich, dass wir über den 8. März hinaus aktiv sind. Wir werden in Corona-sicherer Art die Straßen füllen um unsere Botschaft zu verbreiten, wir organisieren Streiks und Arbeitsniederlegungen, wo immer wir können, und wir rufen euch auf: schließt euch unseren Reihen an und baut mit uns eine sozialistische feministische Bewegung auf, die die Dringlichkeit einer neuen Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung betont!

Für einen internationalen sozialistischen und antirassistischen Feminismus!

● Für einen internationalen Kampf gegen den Krieg – Arbeiter*innen der Ukraine, Russlands und der Welt vereinigt euch gegen Krieg und Imperialismus!

● Für die Enteignung der Großen Vermögen - die Wirtschaft muss durch demokratische Strukturen der Arbeiter*innenklasse organisiert werden!

● Für das Ende der sozialen Ungleichheit - nur wenn wir die Wirtschaft besitzen, können wir die Ausbeutung beenden!

● Für das Brechen von Patenten und die Verstaatlichung der Pharmaindustrie - als Ausweg aus der Pandemie und anderen mit Armut verbundenen gesundheitlichen Problemen!

● Für volle sexuelle und reproduktive Rechte - ausreichende Mittel für Sexualerziehung, Verhütung und Zugang zu kostenlosen und sicheren Abtreibungen sowie die Möglichkeit, Kinder ohne ein Leben in Armut aufzuziehen!

● Für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen und für die Beendigung aller Formen von Homo- und Transphobie - eine sofortige Erhöhung der öffentlichen Ausgaben und die Entwicklung einer Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich Schutzräumen und Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt, die für alle zugänglich sind. Es braucht Lohn/Gehalt von dem man leben kann und einen garantierten Arbeitsplatz für jedeN, um ein unabhängiges Leben zu ermöglichen.

● Für ein Leben in Würde und ohne Gewalt und mit vollen Rechten - während wir für jedes Gramm an Verbesserung in der heutigen kapitalistischen Welt kämpfen, sind wir uns bewusst, dass es zum Erreichen dieses Zieles den Sturz des Kapitalismus braucht!

12.3. Rosa Konferenz

Die sozialistisch-feministische Initiative Rosa organisiert am 12.3. eine Konferenz. Diskutiert werden aktuelle, historische und theoretische Fragen sowie die nächsten Kampagnenschritte.

12.3. ab 10.00

Wien 7, Amerlinghaus – Stiftg. 8

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Für Streiks und Walk-Outs am 8.März!

Gegen Sexismus und Gewalt an Frauen hilft nur gemeinsam kämpfen und sich organisieren!
Sarah Moayeri

In den letzten Monaten haben unzählige Proteste gegen Gewalt an Frauen stattgefunden, in Österreich und international. Sie waren Ausdruck dafür, wie viele Menschen die Pandemie der Gewalt und die katastrophale Situation gerade in “Frauen”berufen nicht länger dulden wollen. Wir müssen auch in diesem Jahr diese Proteste ausweiten und auf eine höhere Ebene bringen: Denn die Regierung und alle etablierten Parteien haben bewiesen, dass sie nicht bereit sind, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um Frauen zu schützen. Es ist also an der Zeit, dass wir den Druck von unten erhöhen.

Der 8. März, der internationale Frauentag, hat seinen Ursprung in der Arbeiter*innenbewegung. Zu diesen kämpferischen Wurzeln müssen wir zurück - die sozialistisch-feministische Initiative ROSA organisiert eine Kampagne, um Streiks und Walk-Outs in Schulen und Universitäten am 8.3. zu organisieren, auch um Aktionen in Betrieben zu inspirieren. Denn Demos reichen nicht mehr aus - die Klimastreiks haben es vorgemacht, Streiken baut den Druck auf, den es braucht!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sexismus und Ausbildung

Sexismus hat System: Werde aktiv gegen „Scherze“, Anmache und Übergriffe!
Moritz Bauer

Ob Schule, Lehre oder Uni: Sexismus gibt’s auch in der Ausbildung. Von Lehrenden, die “starke Burschen zum Tragen” brauchen, über Unterrichtsgestaltung und Weiterempfehlungen danach, dass “Mädchen einfach sozialer sind”, bis hin zu Übergriffen. In einer SORA-Umfrage 2018 zu den 3 Jahren davor berichteten 7% aller Frauen in Österreich von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, im Bildungsbereich waren es 17% aller 14-25–Jährigen. Insgesamt berichteten 46% aller Frauen von Diskriminierung, davon ⅓ explizit geschlechtsspezifisch - wobei Dunkelziffer und Krise das wohl weiter erhöhen.

Deutlich wird in der Studie, wie verwoben Sexismus mit (Ohn)macht ist: Menschen der sozialen Stellung “unten” haben doppelt so oft Diskriminierungserfahrungen, wie Menschen “oben”. 73% der Übergriffe am Arbeitsplatz gehen von Vorgesetzten oder Ausbildenden aus, ebenso im Bildungsbereich, wo 51% von Lehrenden und 12% von Leiter*innen ausgehen. Viele misstrauen den beschränkten Beschwerdemöglichkeiten, die Probleme oft ignorieren oder beschwichtigen und auch in anderen Fragen (Arbeitszeit, Löhne, Prüfungen) oft wenig helfen. ⅓ der Betroffenen macht daher “gar nichts”. Aber wir dürfen uns das nicht gefallen lassen und können aktiv werden: Gut vernetzte Schulkomittees, starke Betriebsräte und aktive Belegschaften sind die Grundlage, um existierende Regelungen durchzusetzen und echte Verbesserungen in Ausbildung und Beruf zu erkämpfen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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