Pride is a protest! Gemeinsam kämpfen & gewinnen!

Noah Koinig, ISA- und ROSA-Aktivist in Graz

Photograph: Colin Clews

Der Pride-Month findet in diesem Jahr im Kontext einer tiefen Krise des Kapitalismus mit all seinen Auswirkungen statt: Klimakrise, Krieg, Pandemie, weltweite Angriffe auf Abtreibungsrechte und die LGBTQIA+ Community. Wenn in Österreich wieder die großen Pride-Paraden stattfinden, auf denen Konzerne und alle Parteien von NEOS bis ÖVP sich versuchen ein queeres Image zu verleihen müssen wir uns erinnern, welchen radikalen Ursprung die Pride eigentlich hat. Die Stonewall-Proteste im Jahr 1969 waren eine Reihe von Aufständen von LGBTQIA+ Personen nach einer brutalen Polizei Razzia im Stonewall-Inn – einer Bar mit homosexuellem und transidentem Zielpublikum in der Christopher Street (New York). In den letzten Jahren ist sich dieser Kampf jedoch stark entradikalisiert und das in einer Zeit mit täglichen Angriffen auf LGBTQIA+ Rechten. Grund dafür ist unter anderem die starke Kommerzialisierung der Pride bzw. des Pride Months für Profite von großen Unternehmen.

Angriffe auf LGBTQIA+ Rechte

Neben einigen gewonnenen Rechten in den letzten Jahren, wie die Ehe für alle, gab es auch einige Angriffe. Einer der aktuellsten Angriffe war vor wenigen Monaten in Florida, USA. Dort wurde die „Don’t say gay bill“ unterzeichnet und somit wurde das neue Gesetz in Kraft getreten, das nun verbietet an Grundschulen über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentitäten zu sprechen. Dies schränkt nicht nur jeglichen Aufklärungsunterricht ein, sondern bildet auch ein gefährliches Umfeld für Lehrer*innen und Schüler*innen, die Teil der LGBTQIA+ Community sind, sei es durch Mobbing oder in schlimmeren Fällen durch gewalttätigen Auseinandersetzungen. Es sind auch schon Fälle bekannt, bei denen Queere Lehrer*innen ihren Job dadurch verloren hatten.

Auch in Europa gab es in den letzten Jahren Angriffe auf LGBTQIA+ Rechte. Im Jahr 2019 erklärte die polnische Regierung mehr als 80 Städte, Gemeinden, Landkreise oder Provinzen im Land zu „LBGT-freien Zonen“. Auch wenn diese Zonen juristisch nicht durchsetzbar sind, werden sie trotzdem genutzt, um unter anderenLGBTQIA+ Personen zu stigmatisieren und auszuschließen und es werden Proteste und Aktionen, wie die Gay Pride, in diesen Gebieten komplett verboten.

Auch die österreichische Regierung bleibt hier nicht ganz unschuldig. Neben den mehrmaligen Versuchen der FPÖ in den letzten Jahren die Ehe für alle zu kriminalisieren, hat sich auch die türkis-grüne Regierung nicht für LGBTQIA+ Rechte eingesetzt. Schon bei vergangenen Abstimmungen für das Aus des Blutspendeverbots von homosexuellen Männern und Trans*personen haben ÖVP und Grüne dagegen gestimmt. Und so blockieren Türkis-Grün wieder die Aufhebung bei der Abstimmung am 27. April 2022, trotz großer Ankündigung einer Einigung des Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ein paar Tage zuvor. Dieses veraltete Blutspendeverbot hat keinen medizinischen Hintergrund, sondern zeigt nur, wie die Regierung in der Vergangenheit mehrmals versuchte offen homophobe Gesetze aufrecht zu erhalten. Nur 23 Tage nach der letzten Abstimmung aber gaben Gesundheitsminister Rauch und Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm eine Pressekonferenz, bei der sie die erneute Aufhebung des Blutspendeverbots ankündigten. Es soll eine neue Novelle der Blutspendeverordnung vorliegen, bei dem Menschen nicht aufgrund von Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung ausgeschlossen werden können, denn mit der neuen Verordnung soll nun individuell bewertetes Risikoverhalten zum Ausschlussgrund führen. Diese Novelle der Blutspendeverordnung soll noch im Sommer 2022 kundgemacht werden und damit sollen auch neue Fragebögen zur Blutspende ausgestellt werden, die Diskriminierung verhindern sollen. Ob die türkis-grüne Regierung das Blutspendeverbot nun dieses Mal endgültig aufhebt wird sich noch zeigen.

Solidarität in der Arbeiter*innenklasse

Der Kampf um LGBTQIA+ Rechte ist ein Kampf der Arbeiter*innenklasse und kann nicht mit der „Unterstützung“ der großen Konzerne gewonnen werden. Denn für sie ist die LGBTQIA+ Community nur relevant, wenn damit Profit gemacht oder ihr Ansehen verbessert werden können, sei es mit dem Verkauf von Pride Merchandise oder ganz klassisch mit einem Regenbogen auf Social Media während des Pride Months. Hinter der Fassade schauts aber ganz anders aus: Ein Beispiel hierfür ist Walmart, ein Multi-Milliarden schwerer Handelskonzern, der auf seiner Website mit einer „Pride & Joy“ Rubrik posiert, aber im Gegenzug spendete Walmart 442.000$ an Anti-LGBTQIA+ Politiker*innen in den USA. Im Gegensatz wird aber die queer-feindliche Politik genutzt, um wieder daraus Profit zu machen. Beispielsweise Starbucks in den USA, die angekündigt hatten, geschlechtsangleichende Operationen für Trans* Beschäftigte zu finanzieren. Durch das kaum vorhandene Gesundheitssystem, speziell in diesem Bereich, sind Geschlechtsangleichungen schwer finanzierbar, was dazu führt, dass Trans* Personen auf den „guten Willen“ der Chef*innen zurückgreifen müssen und somit sind sie an das Unternehmen und einen schlecht bezahlten Job bei Starbucks gebunden. In Österreich werden die Kosten für Hormontherapien und geschlechtsangleichende Operationen zwar in der Regel von der Krankenkasse übernommen, doch beispielsweise die verpflichtenden Therapiestunden für Kinder und Jugendliche sind ein weiterer hoher Kostenfaktor, wo meistens nur ein geringer Zuschuss beantragt werden kann. Ebenso ist es verpflichtend, dass für jegliche Anpassung (Namensänderung, Hormontherapien etc.) eigene Befunde von spezialisierten Psychologen, Psychiatern etc. vorgezeigt werden müssen. In Österreich gibt es aber zu wenige dieser Spezialisten, und wenn haben sie ihren Sitz nur in Großstädten, was zu weiteren Kosten, lange Wartezeiten und starken psychischen Druck auf die Trans*person führt.

Nur durch Solidarität in der Arbeiter*innenklassen kann der Kampf um LGBTQIA+ Rechte gewonnen werden. Ein historisches Beispiel hierfür ist der britische Bergarbeiter*innenstreik 1984/1985 während der Regierung unter Margaret Thatcher. Der Auslöser für den Streik war die Ankündigung, dass mehrere Bergwerke geschlossen und die restlichen privatisiert werden sollten, wobei einige Zehntausende Arbeitsplätze verloren und Kohleförderung um mehrere Millionen Tonnen jährlich reduziert werden sollten. Dies führte zu einem harten Arbeitskampf und einem einjährigen Streik unter der Führung der Bergarbeiter*innengewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM). Der Großteil der Streikenden konnten nur wenige Tage von der Streikkasse bezahlt werden, weil die Thatcher Regierung die Auszahlung sperrte und die staatliche Beihilfe für Familien von Streikenden wurde ebenso gekürzt. Zur Unterstützung der Streikenden wurden Solidaritätsgruppen gegründet, so auch wurde von Mark Ashton Ende Juni 1984 die Gruppe Lesbians and Gays Support the Miners (LGSM) aufgebaut. Sie organisierten Sammlungen in von LGBTQIA+ Personen besuchten Lokalen und Bars sowie Straßensammlungen, Verlosungen, Trödelmärkte und Kulturveranstaltungen, und konnten somit Geld sammeln, um damit den Streik zu fördern. Am Ende hat die Londoner LGSM-Gruppe während des Streiks ein Viertel der Kosten für den Lebensunterhalt der Bergarbeiter*innen von Dulais getragen. Die Zusammenarbeit zwischen LGSM und der mächtigen Bergarbeiter*innengewerkschaft beeinflusste die politischen Positionen zu LGBTQIA+ Rechten in Großbritannien. Nach dem Streik unterstützten so verschiedene Minenarbeiter*innengruppen ihrerseits die Schwulen- und Lesbenbewegung, beispielsweise beim Lesbian and Gay Pride 1985, als Mitglieder von LGSM mit etwa 80 Minenarbeiter*innen und Unterstützer*innen der NUM eine Gruppe bildeten, gemeinsam marschierten und ihre Flaggen und Transparente zeigten.

Diese Solidarität können wir auch in Österreich erreichen. Aktuell gibt es Proteste unter anderem im Gesundheits- und Sozialbereich und dieser Kampf um bessere Arbeitsbedingungen kann und muss aktiv mit dem Kampf um Rechte von queeren Personen verbunden werden. Dabei wären auch die Gewerkschaften in der Pflicht, an dieser Front in die Offensive zu kommen. Verschiedene Teilgewerkschaften des ÖGB tauchen zwar bei den Pride-Paraden auf, macht aber darüber hinaus de facto nichts. Dabei wäre es möglich, auch konkrete Kämpfe am Arbeitsplatz mit dem Kampf um LGBTQIA+ Befreiung zu verbinden. ROSA organisiert aktuell in Wien eine Kampagne in der Gastronomie gegen Sexismus und Ausbeutung. Dabei geht es auch um den Kampf gegen Queerfeindlichkeit in der Gastro, wovon sowohl Beschäftigte als auch Kund*innen betroffen sind. Nur mit einem gemeinsamen Kampf können wir LGBTQIA+ Rechte erkämpfen und weitere Angriffe abwehren.