Frauen und LGBT

Our Body, Our Fight!

Aktionen in Linz, Salzburg und Wien anlässlich des internationalen Aktionstages für sichere Abtreibung.
Aktivistin der SLP

Seit 2011 findet jeden 28. September ein Internationaler Aktionstag für das Recht auf sichere Abtreibung statt. In Österreich initiierte bzw. organisierte die SLP mehrere Kundgebungen. In Wien organisierte wir mit unserer Initiative „Nicht mit mir“ gemeinsam mit Aufbruch eine Aktion bei der Mariahilferstraße. Hier gab es neben kämpferischen Reden auch ein Solidaritätsfoto für die irische Organisation Rosa und den „March4choice“.

In Linz bekamen wir für unsere Aktion auf der Landstraße überwiegend positives Feedback sowohl für Frauenrechte, als auch für LGBT-Forderungen, die wir ebenfalls thematisieren. „Gerade, weil die Angriffe durch eine drohende ÖVP-FPÖ-Regierung auf das Abtreibungsrecht die ohnehin schwierige Situation weiter verschärfen werden, war und ist unsere zentrale Botschaft: Es braucht ein sozialistisches Programm und eine linke Massenbewegung, um Frauenrechte durchzusetzen“. stellte eine Aktivistin klar.

In Salzburg konnten wir PassantInnen mit unseren Forderungen, wie kostenlose, anonyme Abtreibung und gratis Verhütungsmittel und Ausbau der Kinderbetreuungsplätze ansprechen. „Cool, dass ihr euch für Frauenrechte einsetzt und diese Aktion macht“, so zwei begeisterte Passantinnen, die mit uns sogar noch ein Solidaritätsfoto machten. Auch nach diesem gelungenen Aktionstag werden wir weiter für unsere Rechte kämpfen!

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frauenbefreiung und LGBTQI+-Rechte im revolutionären Russland

EMMA QUINN, Socialist Party Irland

Frauenbefreiung und LGBTQI+-Rechte im revolutionären Russland

Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache am 14. Jänner 2016 auf der Homepage der „Socialist Party“, der irischen Sektion des „Committee for a Workers‘ International/Komitee für eine ArbeiterInneninternationale“ (CWI), der internationalen Organisation der Sozialistischen Linkspartei. Die Quellenangaben beziehen sich auf die Quellen in englischer Sprache, die für den Original-Artikel verwendet wurden.

http://socialistparty.ie/2016/01/womens-lgbt-liberation-in-revolutionary-russia/

International politisieren sich junge Menschen über die Unterdrückung von Frauen und LGBTQI+-Personen und beginnen Debatten darüber, wie diese Diskriminierung und Ungleichheit beendet werden kann. EMMA QUINN geht auf die Erfahrungen der Russischen Revolution und die radikalen, fortschrittlichen Maßnahmen, die von den Bolschewiki eingeführt wurden und als erste Schritte gesehen wurden, mit denen die volle Befreiung dieser beiden unterdrückten Gruppen eingeleitet werden sollte.

Kein anderes Ereignis in der Geschichte wurde vom kapitalistischen Establishment verzerrter dargestellt als die Russische Revolution. In ihren Darstellungen der Revolution wird die Rolle von Frauen kaum erwähnt, die massiven Verbesserungen, die durch die Revolution für Frauen erreicht wurden, sogar noch weniger.

Der völlige Sturz des Kapitalismus und Großgrundbesitzes durch die bolschewistische Partei und die ArbeiterInnenklasse 1917 hat eine radikalere Veränderung der Gesellschaft vorangetrieben als jemals zuvor oder danach. Die BolschewistInnen konnten die Macht übernehmen, weil sie die Stimme der unterdrückten Massen, ArbeiterInnen, Armen und Frauen waren. Ungleiche Reichtumsverteilung und Unterdrückung waren nie krasser als heute, der Reichtum des reichsten 1% der Weltbevölkerung wird ab 2016 höher sein als der der anderen 99% miteinander. Mitten in dieser steigenden Ungleichheit bleibt die Unterdrückung von Frauen und der LGBTQI+Community weltweit, selbst in den am meisten entwickelten Ländern, bestehen und ist ein großes, politisierendes Thema, besonders für junge Menschen – in Irland und international. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Und es gibt keine wichtigeren, als jene, die wir aus der Russischen Revolution lernen können.

Die Bolschewiki betonten die Rolle der gesamten ArbeiterInnklasse für die Veränderung der Gesellschaft und erkannten, dass Frauen unter einer doppelten Unterdrückung litten, die ihre Wurzeln im Kapitalismus und im bäuerlichen Patriarchat hatte. Für die Bolschewiki war die Befreiung der Frauen entscheidend im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft. Lenin fasste die Wichtigkeit davon 1920 zusammen, als er erklärte: „Das Proletariat kann die Freiheit nicht erlangen, bis es die völlige Freiheit für Frauen gewonnen hat“. [i] Frauen spielten eine führende Rolle in der bolschewistischen Partei, sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene. Und die Auswirkungen der Revolution veränderten das Bewusstsein und die Leben von Frauen aus der ArbeiterInnenklasse auf einer breiten Ebene.

Anti-Kriegs-Agitation und die bolschewistischen Frauen

Im Vorfeld der Revolution spielten Frauen eine wichtige Rolle, sowohl beim Niedergang des zaristischen Regimes als auch beim Sieg der Bolschewiki. Mehr als jede andere politische Kraft zu dieser Zeit verstanden die Bolschewiki die Bedeutung davon. Als zehntausende Frauen im Februar 1917 auf die Straße gingen, waren ihre Forderungen Gerechtigkeit, Frieden und Brot. Diese Ereignisse lösten die Februarrevolution aus. Der Protest brach am internationalen Frauentag aus. Dieser wurde in Russland von der bolschewistischen Aktivistin Konkordia Samoilova vier Jahre zuvor, 1913, eingeführt. [ii] Bolschewistische Frauen spielten eine Schlüsselrolle bei der Organisierung der Demonstrationen. Sie bauten einen stadtweiten Frauenzirkel auf, der unter arbeitenden Frauen und Frauen von SoldatInnen mobilisierte und agitierte, trotz ständiger Schikanen des Staatsapparates. Die bolschewistische Partei, inklusive ihrer weiblichen Mitgliedschaft, hatte wegen ihrer entschiedenen Opposition zum ersten Weltkrieg seit 1914 unter heftiger Repression gelitten, viele wurden gefangen genommen oder mussten ins Exil fliehen. Das, und die Brutalität, welcher die ArbeiterInnenklasse durch den Krieg ausgesetzt war, inspirierte sie, am internationalen Frauentag eine Anti-Kriegs-Demonstration zu organisieren. Am 23. Februar flutete die ArbeiterInnenklasse Petrograds auf die Straßen, angeführt von Frauen, die die Bevölkerung aufriefen, sich anzuschließen und an die Soldaten appellierten, nicht zu schießen und mit ihnen zu marschieren.

Der Internationale Frauentag 1917

„Am Frauentag, am 23. Februar 1917, wurde in einer Mehrheit der Fabriken und Werke ein Streik erklärt. Unter den Frauen herrschte eine sehr kämpferische Stimmung – nicht nur unter den Arbeiterinnen, sondern auch unter den Massen der Frauen, die sich in Schlangen für Brot und Kerosin anstellten. Sie hielten politische Treffen ab, dominierten die Straßen, bewegten sich zur Stadtduma mit der Forderung nach Brot, hielten Straßenbahnen an. „GenossInnen, kommt heraus“, riefen sie enthusiastisch. Sie gingen zu Fabriken und Werken und riefen die ArbeiterInnen auf, die Werkzeuge niederzulegen. Alles in allem war der Frauentag ein enormer Erfolg und beflügelte den revolutionären Geist“, schrieben Anna und Maria Uljanow in der Pravda vom 5. März 1917. [iii]

Die BolschewistInnen erkannten das Ausmaß der Radikalisierung von Frauen im Sommer, der auf die Februarrevolution folgte, als eine Welle von Streiks unter anderem WäscherInnen, Dienstleistungssektor, Hausangestellte, VerkäuferInnen und KellnerInnen erfasste. Während dieser Periode ragten die Bolschewiki heraus bei der Organisierung von Arbeiterinnen. Die Bolschewiki, besonders die weiblichen Mitglieder, wendeten massive Anstrengungen auf, um Arbeiterinnen und Frauen von Soldaten zu erreichen und waren erfolgreich dabei, eine Basis unter diesen neu politisierten Schichten von Frauen aufzubauen – trotz der Schwierigkeit von tief verwurzeltem Sexismus und der Haushaltsverantwortung und des Analphabetismus von vielen. Sofia Goncharskaia, ein Mitglied der bolschewistischen Partei, leitete die Gewerkschaft der WäscherInnen und spielte eine Schlüsselrolle in ihrer Aktivität. [iv] Revolutionäre Frauen gründeten weibliche Lesekreise unter Streikenden, um die Frauen zu politisieren und auszubilden. Durch die Streiks wurden Frauen in breitere ArbeiterInnenkämpfe gezogen und ihr Klassenbewusstsein gefestigt. Als die Bolschewiki im Oktober die Macht ergriffen und die provisorische Regierung stürzten, waren mehr Frauen am Sturm des Winterpalais beteiligt als bei seiner Verteidigung, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird.

Die fortschrittlichsten Gesetze der Geschichte

Am 17. Dezember 1917, nur sieben Wochen nach der Formung des ersten ArbeiterInnenstaats der Welt, wurden religiöse Ehen abgeschafft und eine sehr einfach zugängliche Scheidung legalisiert. Im folgenden Monat wurde das Familiengesetzbuch eingeführt. Es schrieb die gesetzliche Gleichstellung von Frauen fest und schaffte die „Unrechtmäßigkeit“ von Kindern ab. Herausragend ist - und das streicht hervor, wie wichtig das Thema eingeschätzt wurde - dass das Familiengesetzbuch von den Bolschewiki eingeführt wurde, während sie gleichzeitig versuchten, den Weltkrieg zu beenden, einen BürgerInnenkrieg zu verhindern, die Bauernschaft zu befreien und die Industrie und Wirtschaft so schnell wie möglich anzukurbeln.

 

Während der gesamten 1920er wurde das Familiengesetzbuch erweitert und jede Änderung wurde von einer breiten, öffentlichen Diskussion begleitet. Von ihren ersten Tagen an argumentierte die Propaganda des sozialistischen Russlands für die Gleichstellung von Frauen, aber der Dreh- und Angelpunkt war für die Bolschewiki die Versklavung der Frauen in der traditionellen Familie. Vor der Revolution war das Leben einer Frau strikt vorgegeben: Heiraten, monogam sein, Kinder bekommen und an die „ewige Schinderei der Küche und Kinderstube“ gekettet sein. [v] Die Lebensqualität von Frauen wurde nie in Betracht gezogen und ob sie glücklich waren oder nicht, war irrelevant. Die Bolschewiki begannen sofort, das zu bekämpfen und die Rolle der russischen orthodoxen Kirche und des Patriarchats gleich mit.

Inessa Armand, die Direktorin des Zhenotdel, des Frauenbüros, das gegründet wurde, sagte „solange die alten Formen der Familie, des Haushalts und der Kindererziehung nicht abgeschafft sind, wird es unmöglich sein, Ausbeutung und Versklavung zu zerstören, es würde unmöglich sein, den Sozialismus aufzubauen“. [vi]

Der Kampf gegen die „traditionelle Familie“

Die Revolution unternahm enorme Anstrengung, um den sogenannten „Familienherd“ zu zerstören und begann, Pläne für gesellschaftliche Betreuung umzusetzen. Das beinhaltete Wöchnerinnenheime, Kliniken, Schulen, Kinderkrippen und Kindergärten, Sozialkantinen und -wäschereien. All das zielte darauf ab, Frauen von den Zwängen der Hausarbeit zu befreien. Bezahlte Schwangerschaftskarenz, sowohl vor als auch nach der Geburt, wurde eingeführt. Zugang zu Wickelräumen an den Arbeitsplätzen, um Stillen zu ermöglichen, und Pausen alle drei Stunden für junge Mütter wurden im Arbeitsgesetz festgeschrieben.

Abtreibung wurde 1920 legalisiert und von Trotzki als eines der „wichtigsten zivilen, politischen und kulturellen Rechte“ von Frauen beschrieben. [vii] Abtreibungen waren kostenlos und wurden vom Staat zugänglich gemacht, wobei Arbeiterinnen erste Priorität hatten.

Im November 1918 trat die erste all-russische Konferenz der Arbeiterinnen zusammen, organisiert von Alexandra Kollontai und Inessa Armand, mit über 1.000 Teilnehmerinnen. Die Organisatorinnen bekräftigten, dass die Emanzipation von Frauen Hand in Hand mit dem Aufbau des Sozialismus geht. [viii]

 

Nicht lange nachdem diese Veränderungen durchgeführt wurden, begannen die Kräfte der Reaktion einen BürgerInnenkrieg im Land, das bereits vom ersten Weltkrieg verwüstet war. Kurz nachdem der Krieg begann, wurde das Frauenbüro, das „Zhenotdel“, gegründet. Sein Ziel war es, Frauen zu erreichen, sie in die Aktivität zu bringen und auszubilden und sie über ihre neuen Rechte zu informieren. Das Büro organisierte Literaturkurse, politische Diskussionen und Workshops darüber, wie man Einrichtungen, die man am Arbeitsplatz braucht, organisiert, zum Beispiel Tagesstätten für Kinder usw. Delegierte Frauen aus Fabriken nahmen an Bildungskursen, die vom Büro organisiert wurden, teil. Die Kurse dauerten drei bis sechs Monate, dann kehrten sie zu ihren KollegInnen zurück, um zu berichten.

Das Frauenbüro war erfolgreich darin, das Bewusstsein unter Massen von Arbeiterinnen bei einer ganzen Reihe von Themen, wie Kindererziehung, Wohnen und öffentliches Gesundheitssystem, zu stärken und erweiterte den Horizont von tausenden Frauen. 1922 überstieg die Zahl der weiblichen Mitglieder der Kommunistischen Partei 30.000.

Trotz des Mangels wegen des Krieges stellte die Rote Armee dem Frauenbüro einen Zug und Zugang zum Eisenbahnsystem zur Verfügung, um durch das Land reisen und lokale Gruppen aufbauen zu können. Tausende Frauen traten bei. Die Ortsgruppen hielten sowohl kleine als auch große Treffen ab, außerdem Diskussionszirkel, die sich spezifisch mit Themen befassten, die Frauen betreffen.

Kristina Suvorova, eine Hausfrau aus einer kleinen Stadt im Norden des Landes, beschrieb die Beziehung und das Gefühl der Einbindung während der wöchentlichen Treffen zwischen Frauen von Soldaten und dem örtlichen Sekretär der bolschewistischen Partei: „Wir redeten über Freiheit und Gleichberechtigung von Frauen, über Warmwasser zum Waschen der Kleidung; wir träumten von fließendem Wasser in der Wohnung… das örtliche Parteikomitee behandelte uns mit aufrichtiger Aufmerksamkeit, hörte uns respektvoll zu, machte uns behutsam auf unsere Irrtümer aufmerksam, brachte uns Stück für Stück Weisheit und Vernunft bei. Es fühlte sich an, als wären wir eine glückliche Familie.[ix]

 

Sexuelle Freiheit

Während der gesamten Periode nach der Revolution stellten die Bolschewiki weitreichende und freie Debatten über Sexualität sicher, eine grundlegende Veränderung zum vorherigen Regime – sogar, als sie darum rangen, bis zur sozialistischen Revolution in anderen Ländern durchzuhalten. Und das entsprang direkt aus ihrer Philosophie der Selbstermächtigung der ArbeiterInnenklasse.

Die Veränderungen bei Familien und Familienstrukturen führten dazu, dass viele ihren Zugang zu Beziehungen völlig veränderten. 1921 zeigte eine Studie der Kommunistischen Jugend, dass 21% der Männer und 14% der Frauen die Ehe ideal fanden. 66% der Frauen bevorzugten langfristige Beziehungen, die auf Liebe basieren und 10% bevorzugten Beziehungen mit verschiedenen PartnerInnen. 1918 gab es in Moskau 7.000 Scheidungen und nur 6.000 Eheschließungen.

Alexandra Kollontai verteidigte die radikalen Veränderungen und erklärte, dass sich „die alte Familie, in der der Mann alles und die Frau nichts war, die typische Familie, in der die Frau keinen eigenen Willen, keine Zeit für sich selbst und kein eigenes Geld hatte, vor unseren Augen verändert...“ [x]

Die Bolschewiki glaubten, dass Beziehungen auf freier Entscheidung und persönlichem Zueinander-passen basieren sollten – und nicht auf finanzieller Abhängigkeit. Sie versuchten, die patriarchische Familie zu untergraben, indem sie öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung stellten, die die Haushaltsarbeit ersetzen und freie Mußezeit ermöglichen. Das sahen sie als Element zum Aufbau des Sozialismus.

Von 1917 bis 1920 verbreiteten sich Sex-Debatten, -Forschungen und -Experimente über das ganze Land. Hunderte Broschüren, Magazine und Romane wurden über Sex geschrieben. Die Radikalisierung der Gesellschaft hörte nach der Revolution nicht auf. Die „Pravda“ druckte viele Artikel und Briefe, die Sex thematisierten. Vor allem junge Menschen waren begierig, ihre Sexualität zu erkunden, eine junge Frau, Berakova, schrieb „Roten Studenten“ 1927:

„Ich fühle, dass Frauen wie wir, obwohl wir noch immer nicht die volle Gleichstellung mit Männern erreicht haben, trotzdem Sinne und Vorstellungen haben. Die „Cinderellas“ sind alle verschwunden. Unsere Frauen wissen, was sie von einem Mann wollen. Ohne sich Sorgen machen zu müssen, schlafen viele von ihnen mit Männern, weil sie sich von ihnen angezogen fühlen. Wir sind keine Objekte oder Dummköpfe, die Männer umwerben sollten. Frauen wissen, wen sie sich aussuchen und mit wem sie schlafen.“ [xi]

Das wurde in einem Land geschrieben, in dem ein Jahrzehnt davor Abtreibung, Scheidung und Homosexualität gesetzlich verboten waren.

Prostitution wurde 1922 gezielt entkriminalisiert, aber Zuhälterei wurde gesetzlich verboten. Kliniken, die Frauen mit sexuell übertragbaren Krankheiten behandelten und sexuelle Aufklärung sowie Arbeitsausbildungen anboten, wurden eröffnet. Trotzki beschrieb Prostitution als „die extreme Degradierung von Frauen im Interesse von Männern, die dafür bezahlen können“. [xii]

Bolschewistische Sexualverbrechens-Gesetze waren unverkennbar in ihrer Geschlechtsneutralität und ihrer Ablehnung von Moral und moralischer Sprache. Das Gesetz schrieb fest, dass Sexualverbrechen „die Gesundheit, Freiheit und Würde“ des Opfers verletzen. Vergewaltigung wurde per Gesetz definiert als „nicht-einvernehmlicher Geschlechtsverkehr durch den Einsatz von physischer oder psychischer Gewalt.“ [xiii]

1921 war der BürgerInnenkrieg vorbei, Millionen von Leben verloren, Industrien zerstört, Hungerkatastrophen und Krankheiten weit verbreitet. Die wirklichen Ressourcen des Staates stimmten nicht mit den Visionen und Vorhaben der RevolutionärInnen überein. Die Wirtschaft bewegte sich am Rande des Kollaps. 1921 waren radikale Maßnahmen notwendig und die Regierung führte die „Neue Ökonomische Politik“ (NEP) ein. Das beinhaltete eine begrenzte Einführung von Marktmechanismen, der Versuch, die Wirtschaft am Leben zu erhalten, um durchhalten zu können bis zur Unterstützung der internationalen ArbeiterInnenklasse durch eine weitere Revolution in Deutschland, einer großen kapitalistischen Wirtschaft, in der es eine sozialistische ArbeiterInnenmassenbewegung und revolutionäre Bewegungen gab. Die NEP war ein Versuch, die Produktion unter diesen Umständen wiederherzustellen, aber resultierte in Leistungskürzungen, um den ArbeiterInnenstaat aufrechtzuerhalten, während für eine internationale Ausbreitung der Revolution agitiert wurde.

Angesichts der Tatsache, dass der Staat die Versorgung für Kinder nicht finanziell sicherstellen konnte und es unter Männern üblich war, Mütter zu verlassen, begann der Staat Unterstützung für Frauen, die mit der Versorgung der Familie zu kämpfen hatten, zur Verfügung zu stellen. Der Staat druckte Broschüren und Flugblätter, damit Frauen ihre Rechte kannten. Die Gerichte waren parteilich zugunsten von Frauen und priorisierten das Kind über die finanziellen Interessen des Mannes. In einem Fall teilte der Richter die Zahlung durch drei, weil eine Mutter in Beziehungen mit drei möglichen Vätern war.

Grundlegende Veränderungen im Leben von LGBTQI+-Personen

Die Russische Revolution veränderte auch die Leben von LGBTQI+-Personen. Unter dem Zaren war Homosexualität verboten, „Sodomie“ illegal; lesbische Liebe, wie weibliche Sexualität insgesamt, wurde völlig ignoriert. Nach der Revolution wurde Homosexualität entkriminalisiert, als 1922 alle Anti-Homosexuellen-Gesetze aus dem Gesetzbuch entfernt wurden.

In seiner Arbeit „Geschlecht und Sexualität in Russland“ beschreibt Jason Yanowitz den Einfluss, den die Revolution auf lesbische, schwule und Transgenderpersonen hatte. Erhaltene Memoiren zeigen, dass viele Schwule und Lesben die Revolution als Chance, offene Leben zu führen, wahrnahmen. Gleichgeschlechtliche Ehen waren legal, wie weit sie verbreitet waren, ist wegen unzureichender Untersuchungen unbekannt, aber mindestens ein Gerichtsfall etablierte die Legalität. Es gab Menschen, die nach der Revolution entschieden, als das andere Geschlecht zu leben und 1926 wurde es legal, das Geschlecht im Pass zu ändern. Inter- und transsexuelle Menschen erhielten medizinische Behandlung und wurden nicht dämonisiert. Forschungen zu diesen Themen wurde staatlich finanziert und es wurde erlaubt, Geschlechtsumwandlungen auf Wunsch des/der PatientIn durchzuführen. Offen homosexuelle Menschen konnten in Regierungsämtern und öffentlichen Positionen arbeiten. Georgy Chicherin zum Beispiel wurde 1918 als Außenminister eingesetzt. Er war ein offen homosexueller Mann mit einem ausgefallenen Stil. Es ist undenkbar, dass ein solches Individuum diese Rolle von einem kapitalistischen Land zuerkannt bekommen hätte.

1923 führte der Gesundheitsminister eine Delegation zum Institut für sexuelle Forschung in Berlin und beschrieb die neuen Gesetze zur Homosexualität als „bewusst emanzipatorisch, in der Gesellschaft breit akzeptiert und niemand versucht, sie zurückzunehmen. [xiv]

Die stalinistische Konterrevolution greift die Errungenschaften an

Jahre des Krieges gegen die UnterstützerInnen des Zaren und imperialistischer Armeen, die beabsichtigten, den ArbeiterInnenstaat zu zerschlagen – und die ausschlaggebende Isolation der Revolution durch die Niederlagen der Deutschen Revolution und anderer Aufstände der ArbeiterInnenklassen in Europa, schufen Bedingungen, die die Machtergreifung einer Bürokratie unter Stalin ermöglichten. Das drückte eine politische Konterrevolution aus, bei der Stalin und die Bürokratie autoritäre Maßnahmen anwandten, um das Bewusstsein, den Aktivismus und die Demokratie der ArbeiterInnen zu Hause in Russland zu zerstören und ihre Autorität nutzten, um Siege der sozialistischen Bewegung in anderen Ländern zu verhindern. Alles das mit dem Ziel, die Privilegien einer Bürokratie an der Spitze einer geplanten Wirtschaft zu zementieren. Diese Konterrevolution bewegte sich nicht nur weg vom Kampf für Sozialismus, eine Gesellschaftsform, deren Kern die Demokratie in allen Bereichen des Lebens ist, sondern attackierte auch bewusst die Errungenschaften, die von Frauen erkämpft wurden – mit dem Ziel, das Bewusstsein, den Aktivismus und die Interessen der ArbeiterInnenklasse als Ganzes zurückzuwerfen.

Unglaublich Inspirierendes Erbe

Der Aufstieg der Bürokratie, Stalins Verrat der Revolution und die Rücknahme der Errungenschaften vermindern nicht die Bedeutung der Bolschewiki und ihres Programms. Nie zuvor spielten Frauen eine solche Rolle in der Politik. Nie zuvor hatte eine Führung oder politische Kraft Anstalten gemacht, die Unterstützung von Frauen oder der LGBTQI+-Community zu sichern und die Qualität von deren Leben und ihr Glück in Betracht gezogen. Manche der Errungenschaften der Russischen Revolution vor fast einem Jahrhundert existieren heute in vielen Ländern noch immer nicht, wie in Irland, wo Kirche und Staat noch immer verbunden sind und ein schändliches verfassungsrechtliches Abtreibungsverbot weiterbesteht. Die Oktoberrevolution bleibt ein unbestreitbares und inspirierendes Zeugnis für die unlösbare Verbindung des Kampfes gegen alle Formen der Unterdrückung mit dem Kampf der ArbeiterInnenklasse für eine sozialistische Veränderung. Es ist absolut unglaublich, dass beispielsweise manche Transgender-Rechte anerkannt wurden, Jahrzehnte bevor sich die Frauen- und Homosexuellen-Befreiungsbewegungen entwickelten.

Die Wiedereinführung des Kapitalismus in Russland war ein Desaster. Neoliberaler Kapitalismus hat eine Ära von schnellem Verfall des Lebensstandards eingeleitet. Das und die entsetzliche und massive Unterdrückung der LGBTQI+-Community in Russland heute weisen auf die zutiefst reaktionäre Natur des kapitalistischen Systems hin. Kapitalismus in Russland steht für alles andere als Fortschritt und Demokratie. Errungenschaften, die vor einem Jahrhundert von der marxistischen Bewegung erreicht wurden sind für das reaktionäre Putin-Regime ein Gräuel. Es ist eines der für LGBTQI+-Menschen gefährlichsten Regimes der Welt.

Die Bewegung, die sich im Süden Irlands rund um das Ehegleichstellungs-Referendum im Frühling 2015 Bahn brach und die wachsende Bewegung im Norden für dieses Recht, belegen, dass ArbeiterInnenklasse-Gemeinden soziale und ökonomische Gleichstellung wollen und bereit sind, das Establishment herauszufordern. Frauen in Irland haben die Rechnung für ein brutales Kürzungs-Regime bezahlt und es waren diese Frauen, die nach vorne traten, um eine zentrale Rolle sowohl im Referendum als auch im Kampf gegen die Wasserabgaben im Süden zu spielen.

Die Russische Revolution zeigt, dass die ArbeiterInnenklasse die mächtigste Kraft in der Gesellschaft ist. Und nur der bewusste Aufbau einer Bewegung der 99% kann der aufblühenden Ungleichbehandlung von Frauen, LGBTQI+-Personen und Armen ein Ende setzen. Und so wie die Bolschewiki müssen auch wir erkennen, dass der Kapitalismus einfach nicht besiegt werden kann ohne Frauen - und besonders Frauen aus der ArbeiterInnenklasse, die an der Spitze des Kampfes gegen das 1% stehen.

[i] VI Lenin, On the emancipation of Women, Progress Publishers, 1977, Pg 81

[ii] Jane McDermid and Anna Hillyar, Midwives of the Revolution – Female Bolsheviks and Women workers in 1917, UCL Press, 1999, pg 67-68

[iii] Ibid. pg 8

[iv] Ibid. pg 9

[v] VI Lenin, On the emancipation of Women, Progress Publishers, 1977, Pg 83

[vi] Karen M Offen, European Feminism 1700-1950, Standford University Press 2000, Pg 267

[vii]  Leon Trotsky, The Revolution Betrayed, Dover Publications 2004, Pg 113

[viii] Barbara Alpern Engel, Women in Russia 1700-2000, Cambridge University Press 2004, pg 143

[ix] Ibid. pg 142

[x] Alexandra Kollontai, Communism and the Family, 1920

[xi] From Jason Yanowitz’s podcast, “Sex and Sexuality in Soviet Russia, http://wearemany.org/a/2013/06/sex-and-sexuality-in-soviet-russia

[xii] Leon Trotsky, The Revolution Betrayed, Dover Publications 2004, Pg 112

[xiii] http://wearemany.org/a/2013/06/sex-and-sexuality-in-soviet-russia

[xiv] Ibid.

 

 

 

Aktionstag für sichere Abtreibung

Bunter Protest in Wien als Teil der internationalen Bewegung
Sonja Grusch

 

Am 28. September war der Aktionstag für sichere Abtreibung. Ein wichtiger Tag weil international jedes Jahr zehntausende Frauen sterben weil ihnen der Zugang zu sicherer Abtreibung verwehrt wird, weil unzählige Frauen verletzt und kriminalisiert werde und weil auch in Österreich der Zugang zu Abtreibung alles andere als leicht ist. Und weil eine künftige Regierung das auch noch verschlechtern kann.

Die Kampagne Nicht mit mir hatte daher die Initiative für eine Protest in Wien gesetzt. Gemeinsam mit Aufbruch wurde zu einer Aktion am 28. September beim Omofuma-Denkmal Ecke Babenbergerstrasse/Museumsquartier mobilisiert. Die Kundgebung selbst gestaltete sich dann sehr bunt: Neben mehreren dutzenden TeilnehmerInnen kamen trotz Wahlkampf VertreterInnen verschiedener Organisationen anwesend um gemeinsam zu demonstrieren und steuerten auch Redebeiträge bei, darunter der Kongress polnischer Frauen in Wien, das Frauenvolksbegehren, 20.000 Frauen, KPÖ+ und natürlich Aufbruch, Nicht mit mir und die SLP. Ein gemeinsames Solidaritätsfoto für die Frauen in Irland, die dort am Samstag den 30. September eine Demonstration für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch durchführen wurde gemacht. Und die Umrisse von Leichen wurden mit Kreide auf den Boden gemalt – als Symbol dafür, dass alle sieben Minuten eine Frau sterben muss, weil ihr der Zugang zu sicherer Abtreibung verwehrt wird. Für alle TeilnehmerInnen war klar: es geht nicht nur um das Selbstbestimmungsrecht über unseren Körper, sondern auch um die anderen Angriffe, die von einer künftigen Regierung drohen. Wir werden also nicht das letzte Mal auf der Straße gewesen sein!

Zeitgleich fand auch in Linz eine Aktion statt und am Freitag den 29. September organisierte die SLP auch in Linz einen Protest.

Am 10.10 findet eine Veranstaltung zum Thema statt: https://www.slp.at/termine/kurz-strache-trump-das-recht-auf-schwangerschaftsabbruch-unter-beschuss

 

28. September: Internationaler Aktionstag für sichere Abtreibung

An den Händen der “pro life” Bewegung klebt Blut!
Sonja Grusch

Am 28. September finden auch in Österreich Aktionen für das Recht auf sichere Abtreibung statt. In Wien organisiert Nicht mit Mir gemeinsam mit Aufbruch eine Aktion: https://www.facebook.com/events/294567117692871/?acontext=%7B%22action_history%22%3A%22[%7B%5C%22surface%5C%22%3A%5C%22page%5C%22%2C%5C%22mechanism%5C%22%3A%5C%22page_upcoming_events_card%5C%22%2C%5C%22extra_data%5C%22%3A[]%7D]%22%2C%22has_source%22%3Atrue%7D

Der 28. September ist der internationale Aktionstag für sichere Abtreibung. Ursprünglich kommt er von der  Campaña 28 Septiembre, einer Kampagne, die 1990 in Lateinamerika und der Karibik für die Entkriminalisierung der Abtreibung gestartet wurde. Das Globale Frauennetzwerk für Reproduktive Rechte ( Women’s Global Network for Reproductive Rights) hat im Jahr 2011 den 28. September zum internationalen Aktionstag gemacht und seither gab es jedes Jahr auf der ganzen Welt Aktionen. In den letzten Jahren hat das Thema Abtreibung wieder zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die religiösen Fundamentalisten, die selbsterklärten “pro life” Aktivisten und ihre UnterstützerInnen in den Regierung – sie alle waren immer da, aber es scheint, als ob sie in den letzten Jahren lauter und gefährlicher geworden sind.

Die Fakten: eine gefährliche Situation für Frauen

Jede dritte Frau hat in ihrem Leben eine Abtreibung – es handelt sich also um “eine der häufigsten medizinischen Eingriffe der Welt” erklärt Ruth Coppinger, eine irische Sozialistin und Aktivistin für Frauenrechte. Aber international gibt es nur in einer Minderheit der Staaten einen legalen Zugang zu Abtreibung. 25% aller Frauen leben in Ländern, wo Abtreibung verboten ist und mit Gefängnis oder Schlimmerem bestraft wird. Weitere 40% leben in Staaten, wo Abtreibung verboten ist oder nur in speziellen Fällen erlaubt ist, oder wo der Zugang schwierig ist. Und selbst dort, wo es formal legal ist, ist der Zugang in der Praxis oft schwierig und teuer.

In Österreich hat es die Sozialdemokratische Regierung im Jahr 1975 straffrei gestellt, einen Abbruch zu bekommen. Doch sie hat sich nicht darum gekümmert, dass auch Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Die PrimarärztInnen in Spitälern können entscheiden, ob Abbrüche durchgeführt werden – was in der Praxis bedeutet, dass es kaum Spitäler gibt, die das auch tun. Das betrifft auch Spitäler, die mit Steuergeldern oder Geldern der Krankenversicherung finanziert werden sowie auch Spitäler in Bundesländern, die von der SPÖ regiert werden. Die Realität in Österreich bedeutet, dass Frauen für einen Abbruch weit reisen und viel Geld zahlen müssen.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO werden jährlich rund 22 Millionen Abtreibungen unter unsicheren Bedingungen durchgeführt, das sind mehr als die Hälfte aller weltweit durchgeführten Abbrüche. 47.000 bis 60.000 Frauen sterben jedes Jahr an unsicheren Abtreibungen – das ist eine Frau alle sieben Minuten! Viele dieser Frauen haben bereits Kinder und diese bleiben dann ohne Mutter und oft auch auch ohne Vater zurück. Schätzungen zufolge haben 8.5 Millionen Frauen dauerhafte gesundheitliche Probleme nach solchen unsicheren Abtreibungen. Es ist eine Tatsache, dass das Verbot von Abtreibungen deren Zahl nicht reduziert, sondern nur dazu führt, dass mehr Frauen dabei verletzt oder getötet werden.

Die tödliche Politik der sogenannten “Pro life” Bewegung

Die Zahlen zeigen auch, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kinder pro Frau und dem Zugang zu Abtreibung gibt. In Ländern mit sehr strikten Anti-Abtreibungsgesetzen wie Malta oder Polen haben Frauen durchschnittlich 1.38 bzw. 1.29 Kinder. Andererseits haben Frauen in Schweden und Norwegen durchschnittlich 1.89 und 1.79 Kinder. Dort ist Abtreibung legal und es gibt eine bessere soziale Situation für Frauen, beispielsweise beim Zugang zu leistbarer Kinderbetreuung. Doch es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibungen. Je besser die Sexualkunde in Schulen, je einfacher und billiger der Zugang zu Verhütungsmitteln, desto geringer ist die Zahl unerwünschter Schwangerschaften und somit von Abtreibungen. Österreich, eines der europäischen Länder, in denen junge und/oder alte Menschen den vollen Preis für Verhütungsmittel zahlen müssen, hat ExpertInnen zufolge eine der höchsten Schwangerschaftsraten unter Teenagern. Hier zeigt sich der reaktionäre Charakter der so genannten „Lebensschützer“-Organisationen: Die meisten von ihnen sind sowohl gegen Sexualkunde als auch Verhütung. Sie hängen an einem ultra-konservativen Familienbild und sehen die Rolle von Frauen ausschließlich als Geburtsmaschinen für Babies. Sie haben nicht nur Verbindungen zu Kirchen und religiösen Organisationen, sondern auch zu RechtsextremistInnen und FaschistInnen. Regelmäßig spielen sie den Holocaust hinunter und verwenden antisemitische Motive. Sie halten die Geburt von mehr weißen, christlichen Babies für nötig - im Gegensatz zu jenen von Flüchtlingen oder (muslimischen) MigrantInnen. FaschistInnen und Nazis nehmen an den „Lebensschützer“-Demonstrationen nicht nur teil, sie greifen AktivistInnen, die für die Wahlfreiheit eintreten auch körperlich an. In den USA bedrohen radikale Anti-AbtreibungsaktivistInnen nicht nur die MitarbeiterInnen von Kliniken, die Abtreibungen durchführen, sie töten sie auch.

Dabei handelt es sich nicht nur um einige verrückte Individuen. Es geschieht regelmäßig und ist im reaktionären Charakter des Ganzen verwurzelt. Die Wahrheit ist, dass die so genannte „Lebensschützer“-Bewegung, finanziert von Kirchen, Konservativen und reaktionären Organisationen, für unerwünschte Schwangerschaften und den Tod von Frauen, die durch unsichere Abtreibungen sterben, verantwortlich ist. Es handelt sich um MörderInnen.

Warum werden sie stärker?

Wären die Kräfte der „LebensschützerInnen“ nur einige Freaks, die mit Kerzen und Kreuzen herumwandern, könnte man sie ignorieren. Doch sie beeinflussen die tägliche Politik. Durch ihren Einfluss haben die US-VertreterInnen beim UN-Kindergipfel alle Formulierungen abgeblockt, die als Akzeptanz von Abtreibungen durch sehr junge schwangere Mädchen interpretiert werden könnte. 2012 haben sie eine europäische Bürgerinitiative „einer von uns“ angemeldet, die fast zwei Millionen Unterschriften in Europa gesammelt hat. Ihr Ziel war es, die Finanzierung von Familienplanungszentren durch die EU zu stoppen. Der Druck war so groß, dass die EU eine geplante Entscheidung des EU-Parlamentes für ein europäisches Abtreibungsrecht gestoppt hat. Eine solche Entscheidung hätte Millionen von Frauen in Orten wie Polen, wo Abtreibungen faktisch unmöglich sind, oder in Malta, wo Abtreibungen abgelehnt werden, selbst wenn das Leben der Frau gefährdet ist, helfen können.

Um ultra-konservative WählerInnen zufrieden zu stimmen, hat Trump die Finanzierung für internationale Organisationen, die mit Verhütung helfen und es dabei wagen, Abtreibung als eine Möglichkeit zu nennen, gestoppt. Dadurch haben Millionen von Frauen in Afrika und Asien keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, medizinischer Hilfe oder Kondomen zur Verhinderung von AIDS. An der Abtreibungsfrage zeigt sich auch, wie der Kapitalismus und seine ideologische Basis – wenn auch manchmal widersprüchlich – eine Barriere für die Entwicklung der Menschheit sind.

1980 wurde die erste Abtreibungspille entwickelt – eine viel einfachere und billigere Abtreibungsmethode für Frauen, insbesondere für jene, die keinen Zugang zu ÄrztInnen und Kliniken haben. Doch deren Akzeptanz und Legalisierung hat in zahlreichen Ländern sehr lange gedauert, selbst in solchen, in denen ärztliche Abtreibungen legal sind. In vielen Ländern ist der Zugang immer noch an einen Arztbesuch geknüpft. Von einem medizinischen Standpunkt aus ist das unnötig. Die Kontrolle über weibliche Körper und der Erhalt der traditionellen Familie sind hier viel stärker als das Profitinteresse der Pharmakonzerne gewichtet. Diese machen allerdings genug Gewinn mit Frauen, welche die Pillen illegal und somit viel teurer erwerben.

Der wachsende Einfluss dieser FundamentalistInnen reflektiert wirtschaftlichen, und in dessen Folge politischen Wandel. Die traditionelle Familie ist für das herrschende kapitalistische System extrem wichtig. Sie stellt nicht nur unbezahlte Arbeitskräfte (meistens von Frauen) zur Verfügung, sondern stabilisiert auch das herrschende, aber immer stärker unter Druck stehende und weltweit von Millionen Menschen hinterfragte System. Die Familie reproduziert den bürgerlichen Staat: Sie soll die nächste Generation von guten, willigen BürgerInnen und ArbeiterInnen produzieren und dient gleichzeitig als Modell der Autorität und Unterdrückung.

Kapitalistische PolitikerInnen sind nicht notwendigerweise alle reaktionär in ihrer Sichtweise auf Frauen oder die Familie. Doch der konservative Backlash kommt ihnen politisch gelegen. Die „Familie“ wird im Wahlkampf, „Frauenmagazinen“ und den Medien propagiert – vielleicht manchmal in einem moderneren Stil, aber grundsätzlich in ihrer traditionellen Form. Die Politik kürzt bei Gesundheit, Pflege und Bildung. Frauen werden aus dem Arbeitsmarkt gedrängt. Zunehmend müssen sie all jene unbezahlten Pflegearbeiten machen, die durch neoliberale Politik gekürzt werden. Indem die so genannten „Lebensschützer“-FundamentalistInnen die Idee der „traditionellen“ Familie stärken, unterstützen sie die neoliberale Politik ideologisch. Das wird durch einen ihrer Slogans unterstrichen: „Die Wirtschaft ist gesünder durch Vater, Mutter, Kinder“.

Weltweiter Widerstand

Der Kampf für Frauenrechte und die ArbeiterInnenbewegung können historisch nicht voneinander getrennt werden. Es stimmt, dass eine bürgerliche Frauenbewegung existiert und diese oft dominant war und ist. Doch die größten Errungenschaften für Frauen gab es in Zeiten von Revolutionen und intensivem Klassenkampf. Die russische Revolution von 1917 gab Frauen nicht nur das Wahlrecht, sondern auch das Recht auf Abtreibung. Außerdem wurden Schritte zur Sozialisierung der Hausarbeit (inklusive der Kinderbetreuung) unternommen. Dass diese Rechte später zurückgedrängt wurden, unterstreicht den reaktionären Charakter des Stalinismus. Die Legalisierung von Abtreibungen in vielen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern als Ergebnis der zweiten feministischen Welle der 1970er Jahre kann nicht von der Bürgerrechtsbewegung und einer internationalen revolutionären Welle getrennt werden. Der Nachkriegsboom brachte Millionen von Frauen in die Erwerbsarbeit und machte sie zu aktiven Teilen der ArbeiterInnenbewegung und der lebendigen Klassenkämpfe jener Jahre.

Heute sehen wir eine neue internationale Welle von Frauenkämpfen gegen Sexismus, Gewalt und für Frauenrechte. Frauen haben für ihre Rechte gekämpft und dadurch ihre Stärke erfahren. Seit einigen Jahren gibt es in Indien Massenproteste gegen Vergewaltigungen, an denen Frauen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Hintergründe beteiligt sind. In Lateinamerika gibt es in vielen Ländern den Schlachtruf „nicht eine mehr“ gegen den Mord an Frauen. In Polen und Irland gab es Massenproteste und Kämpfe für Abtreibungsrechte. Der Zeitpunkt dieser neuen Kämpfe ist nicht zufällig. Er geht Hand in Hand mit einer zunehmenden Zurückweisung des Kapitalismus und seines Familienkonzepts sowie einer Zunahme an Klassenkämpfen. Hier handelt es sich nicht um „Randkämpfe“ ohne große Bedeutung. Sie müssen aber mit Klassenkämpfen und antikapitalistischen Bewegungen verknüpft werden. Das Recht der Frauen auf die Kontrolle ihres eigenen Körpers ist Teil des Menschheitskampfes zur Befreiung aller Körper von kapitalistischer Ausbeutung.

Der Kampf der Frauen in Polen gegen die Versuche der Regierung, Abtreibung komplett zu verbieten (obwohl sie ohnehin in den meisten Fällen bereits illegal ist und selbst in den verbleibenden wenigen legalen Fällen kaum zu bekommen ist) war großartig – aber die Bewegung stoppte am Höhepunkt, sie ging nicht in die Offensive, um einen leichteren Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibung zu fordern. Die zehntausenden Frauen und Mädchen, die in der Bewegung aktiv geworden waren, wurden nicht organisiert, sondern gingen nach den Protesten einfach wieder nach Hause. Es gab keine nächsten Schritte, nichts wurde geplant, kein Angebot gemacht, aktiv zu bleiben. Das führte dazu, dass die Regierung einen anderen Angriff auf Frauenrechte durchbrachte – seit Juni 2017 brauchen Frauen in Polen für die Pille danach ein ärztliches Rezept, was die Anwendung in den meisten Fällen de facto unmöglich macht. Das zeigt, wie polnische SozialistInnen auch argumentiert haben, dass der Kampf für Frauenrechte organisiert werden muss. Es braucht demokratische Strukturen, die UnterstützerInnen und AktivistInnen in Diskussionen und die Entscheidung über Forderungen und die nächsten Schritte einbeziehen. Und die Bewegung braucht ein Programm, das den Kampf für die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper mit dem Kampf gegen Kapitalismus verbindet, denn dieser ist ein System, das von der Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen profitiert und darauf aufbaut.

SozialistInnen des CWI sind überall auf der Welt Teil dieses Kampfes – von Chile bis Irland, von Polen bis Indien, von den USA bis Österreich. Eine Reihe von Sektionen und Gruppen des CWI wie z.B. in Irland, Schweden, Belgien, Quebec, Österreich und anderen Ländern werden am und um den 28. September aktiv sein. Wir beteiligen uns und organisieren Kampagnen und Aktivitäten und treten für ein sozialistisches Programm rund um folgende Forderungen ein:

  • Freier und kostenloser Zugang zu Verhütung und Abtreibung.
  • Ein öffentliches Gesundheitswesen, das in allen Teilen des Landes Zugang zu Abtreibung ohne Hürden ermöglicht.
  • Ein öffentliches Bildungswesen, das Aufklärungsunterricht für Kinder und Jugendliche jeden Alters organisiert.
  • Ein öffentliches Sozialsystem, das kostenlose, hochwertige Kinderbetreuung zur Verfügung stellt sowie günstiger öffentlicher Wohnraum und ordentliche Jobs für alle Frauen, damit Frauen die Entscheidung über Kinder frei von ökonomischen Zwängen fällen können.

Mehr Informationen zur Situation in Österreich in der Broschüre der SLP: https://www.slp.at/broschueren/volle-selbstbestimmung-f%C3%BCr-frauen-gegen-den-terror-der-abtreibungsgegner-4849

Hausarbeit und marxistische Wirtschaftstheorie

Die „Haussklaverei“ der Frauen wird durch die aktuelle Krise des Kapitalismus verstärkt – sozialistische Analyse und Antworten.
Sonja Grusch

Gerade ältere Frauen sind oft von Armut betroffen. Ein großer Teil der von ihnen geleisteten Arbeit findet nur geringe Wertschätzung (v.a. finanziell), nämlich Hausarbeit und Kindererziehung, was sich in mageren Frauenpensionen ausdrückt. Auch 2017, auch im „aufgeklärten“ Österreich wird Frauenarbeit egal ob bezahlt oder unbezahlt in Haushalt und Familie gering geschätzt und noch weniger bezahlt.

Die Fakten:

  • Österreichische Frauen leisten 22 Stunden/ Woche Hausarbeit, im Schnitt mindestens doppelt soviel wie Männer.

  • Insgesamt werden in Österreichs Haushalten 5 Wochen im Jahr mit Hausarbeit ausgefüllt.

  • Die meiste Zeit nimmt das Kochen mit 4,2 Stunden in der Woche in Anspruch. Dahinter reihen sich Geschirrreinigen (3,5 Stunden) und Aufräumen (3 Stunden). Eine Stunde bis eineinhalb Stunden werden jeweils fürs Bügeln, Wäschewaschen, Staubsaugen und Bettenmachen verwendet.

  • 9,7 Milliarden Stunden werden jährlich für unbezahlte Tätigkeiten, wie Hausarbeit, Kinderbetreuung, die Pflege von Kranken oder ehrenamtlicher Arbeit aufgewendet. Zwei Drittel davon leisten Frauen, ein Drittel Männer.

  • Hausfrauen sind besonders oft von Burn-Out und Depressionen betroffen und oft unzufrieden mit ihrem Leben. Das liegt auch in der Art der Hausarbeit, die eintönig und isoliert ist. Es wird im Wesentlichen ein Zustand erhalten (Sauberkeit), die meist beliebteste Tätigkeit ist nicht zufällig auch die schöpferischste, nämlich das Kochen. Auch bekommt „die Hausfrau“ noch am ehesten Anerkennung für ein gutes Essen, dass die Wäsche sauber im Kasten liegt wird meist einfach zur Kenntnis genommen. Es ist daher auch kein Wunder, wenn „nur“ Hausfrauen sich Felder suchen, in denen sie sich „verwirklichen“ können. Sei das ein Schmücken der Wohnung, ein kreatives „Hobby“ etc. Und es ist auch kein Wunder, wenn Phobien und Zwangsstörungen zu den typischen „Hausfrauenkrankheiten“ gehören.

Das „junge“ Bild der Hausfrau

Historisch war die Arbeit von Frauen zum Erhalt der Familie eine sehr weit gestreute. Es gab meist keine Trennung von Haus- und Warenproduktion. Es wurde gleichzeitig und dasselbe und von denselben Menschen (also auch Frauen) das für das Überleben nötige sowie auch Waren für den Verkauf produziert (v.a. in Bezug auf Nahrung und Kleidung). Auch in Handwerksbetrieben waren die Grenzen weit fließender als heute. Auch räumlich waren daher Hausarbeit und „Erwerbsarbeit“ nicht bzw. kaum getrennt. Die Familie stellte also quasi eine Produktionseinheit dar. Mit der Industrialisierung wurden große Teile dieser Arbeit aus dem Haushalt ausgelagert und zugekauft. V.a Nahrung und Kleidung wird zunehmend industriell produziert und als fertiges Produkt zugekauft. Die Hausarbeit wird auch räumlich völlig vom Beruf getrennt (Ausnahmen gibt es, auch in manchen Bereichen einen Trend in die andere Richtung, aber im Großen und Ganzen sind heute beide Bereiche getrennt).

Somit ist auch das „moderne“ Bild der Hausfrau, die mit einem Voll-Berufstätigen Mann und Kindern lebt, zuhause bleibt und den Haushalt führt ist relativ jung. So lebt(e)(e) immer nur eine relativ kleine Schicht von Frauen der Bourgeoise wobei hier viele auch die Hausarbeit an Dienstboten auslagerten, und nur in einer kurzen Ausnahmeperiode im Nachkriegsboom auch Frauen der ArbeiterInnenklasse in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Die US-amerikanische Sozialistin Angela Davis führt z.B. an, dass schwarze Frauen in den USA eigentlich nie „nur“ Hausfrauen waren, sondern stets auch Sklaven- bzw. Lohnarbeit verrichtet haben. Auch die Aufgaben dieser Hausfrau, die perfekte saubere Wohnung, die perfekten wohlerzogenen Kinder etc. sind ein relativ junges Bild, das durchaus auch künstlich geschaffen wurde. Die Ansprüche an z.B. Sauberkeit steigen laufend und führen dazu, dass im Haushalt trotz technischer Hilfsmittel wie Waschmaschine, Geschirrspüler oder Staubsauger mehr und nicht weniger Stunden gearbeitet wird. Studien zeigen auch, dass die Hausarbeit sogar zunimmt, auch durch die kleineren Haushaltsgrößen, wo in jedem kleinem Haushalt jede Arbeit separat geleistet werden muss. Das Kapital befindet sich durch Industrialisierung und Kapitalismus bezüglich Frauenarbeit in einem Dilemma: einerseits wird weibliche Arbeitskraft in Form von Lohnarbeit (also als Arbeiterin oder Angestellte in einem Unternehmen) benötigt. Andererseits zerstört genau das die Familie in ihrer für das Kapital notwendigen Form (mehr dazu später). Darum wird von Seiten des Kapitals durchaus auch ein Aufwand betrieben, um ideologisch das Bild von Frauen und Familie aufrecht zu erhalten. Denken wir nur an unzählige Magazine, Serien und Filme die trotz aller Modernheit letztlich doch die Vater-Mutter-Kind(er) Kleinfamilie als das zum Glücklichsein nötige Modell anpreisen.

Die Debatte beginnt

Auch in der ArbeiterInnenbewegung herrscht(e) lange ein sexistisches Klima, die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen war kaum ein Thema, Frauen wurden als Konkurrenz oder auch unreif verstanden. Die Doppel- und Dreifachbelastung von Frauen mit Arbeit, Haushalt und Familie wurde kaum thematisiert, in den linken Organisationen sogar weiter betrieben. Auch der Stalinismus setzte bewusst auf ein „bürgerliches“ Frauenbild, der Frau als Mutter und auf ein patriachales Familienbild das im Interesse der Bürokratie war, die sie als Instrument zur sozialen Kontrolle brauchte.

Dem stand ein wachsendes Selbstbewußtsein von Frauen gegenüber, die im Zuge des Nachkriegsaufschwunges in Massen in die Erwerbsarbeit eingetreten waren. Der Aufschrei von linken Frauen die auch im Zuge der `68er Bewegung, der Teilnahme an Bewegungen wie der Bürgerrechtsbewegung in den USA oder der Unterstützung für nationale Befreiungsbewegungen politisiert worden waren ist also absolut verständlich. In dieser Zeit entstand auch eine Debatte über die „Hausarbeit“ und ihre soziale und ökonomische Bedeutung sowie die daraus entstehenden politischen Konsequenzen.

Ausgang der Debatte ist der 1972 von der italienischen Feministin Mariarosa Dalla Costa veröffentlichte Artikel „Die Frau und der Umsturz der Gesellschaft“. Eine zweite Ebene der Debatte fand rund um einige ab 1974 erschienene Artikel von Wally Secombe, Jane Gardiner u.a. im Theoriemagazin New Left Review statt. Eine dritte Ebene durch die Gruppe der Bielefelderinnen, eine Gruppe von Entwicklungssoziologinnen. Ein wesentlicher Teil der Debatte war der Versuch, Hausarbeit in die marxistische Wirtschaftstheorie zu integrieren bzw. aufzuzeigen, dass diese hier einen „blinden Fleck“ hätte. Hausarbeit ist „unbezahlt, unsichtbar und isoliert“ – und das würde im Marxismus fortgeführt. Die Debatte war stark vom Erleben eines stalinistisch geprägten Marxismusbildes geprägt, dass Frauenfragen zum „Nebenwiederspruch“ degradierte. Mit der Arbeit von Marx und Engels bzw. jener der Bolschewiki unmittelbar nach der Oktoberrevolution hat das allerdings wenig zu tun. Der Stalinismus ist daher auch mitverantwortlich für die Trennung der Frauenbewegung von der ArbeiterInnenbewegung! Die Debatte stieß sich auch an der marxistischen Terminologie, die scheinbar zu einer Entwertung der von Frauen geleisteten Hausarbeit führt.

Hausarbeit bei Marx und Engels

Bei Marx und Engels findet sich wenig und kaum explizites zur Hausarbeit. Die Lage von Frauen, sowohl im Haushalt als auch in der Erwerbsarbeit findet sich allerdings sehr wohl wie z.B. in der „Lage der arbeitenden Klasse in England“, der „Deutschen Ideologie“ und natürlich im „Ursprung der Familie“. Beide haben die veränderten Familien- und Lebensumstände auch von Frauen behandelt, waren sich des Themas also bewusst.

Das ökonomische Hauptwerk von Marx und Engels beschäftigt sich v.a. mit einer Analyse des Kapitalismus und nicht der einfachen Warenproduktion. Die Hausarbeit wird hier im Wesentlichen indirekt, im Rahmen der Frage der Reproduktion der Arbeitskraft, behandelt. Da Marx und Engels ihr Hauptwerk, das „Kapital“ nicht fertigstellen konnten ist offen, ob eine intensivere Auseinandersetzung mit Reproduktion bzw. Hausarbeit vorgesehen war.

Die feministische Kritik stößt sich an mehreren Punkten:

  • Oberflächlich daran, dass Marx und Engels einfach wenig dazu gesagt haben. Die Kritik wird hier formuliert z.B. dass hier „ein blinder Fleck“ existiere, dass das Thema „in Fußnoten“ ausgelagert sei oder dass nur von Reproduktion, aber nicht von „Reproduktionsarbeit“ die Rede ist.

  • An der „Wert“frage, also ob Hausarbeit Mehrwert erzeugt bzw. an der Mehrwertproduktion beteiligt ist.

  • An der „Ausbeutungs“frage, also ob Frauen als Hausfrauen ausgebeutet werden.

Zum Verständnis der Debatte bzw. der Materie folgend einige Eckpunkte marxistischer Theorie:

Als Arbeit wird im Marxismus nicht einfach nur die Verausgabung von Arbeitskraft definiert, sondern es geht um allgemein nützliche Arbeit. Es geht also v.a. auch um die Vergrößerung des gesellschaftlichen Reichtums (und damit verbunden natürlich auch die Frage der Verteilung desselben). Bei der einfachen Warenproduktion ist die Vergrößerung des gesellschaftlichen Reichtums im Vergleich zur kapitalistischen Warenproduktion kaum vorhanden.

Nützliche Arbeit wird definiert als solche, die zur Herstellung von Gebrauchswerten dient. Das „angenehme“ Zuhause das eine Hausfrau schafft ist kein Gebrauchswert und ist somit im Sinne von Marx und Engels keine „nützliche“ Arbeit.

Produktive Arbeit wird als solche definiert, die in den kapitalistischen Produktionsprozess eingebunden ist und Mehrwert erzeugt. Ein großer Teil der ArbeiterInnenklasse ist also „unproduktiv“ im Marxschen Sinne, wie z.B. alle Bediensteten, und eben auch Hausfrauen da keine zusätzlicher, kein Mehrwert erzeugt wird.

Der Wert einer Ware definiert sich durch die darin geronnene gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Dieser drückt sich in der vergegenständlichten abstrakten Arbeit aus (also der zur Erzeugung nötigen Arbeit). Das gilt auch für die Ware Arbeitskraft. Der Wert der Ware Arbeitskraft drückt sich in den Reproduktionskosten aus. Also der zur Herstellung der Klasse der ArbeiterInnen (also auch ihrer Kinder) nötigen Arbeit (die Reproduktionskosten beinhalten ein physisches Element, dass quasi nur das physische Überleben der Arbeitskraft sichert sowie ein historisches Element, dass den in Klassenkämpfen darüberhinaus erkämpften Lebensstandard bezeichnet). Der Begriff „Reproduktion‘“ weißt auch darauf hin, dass hier kein zusätzlicher Wert geschaffen wird, sondern nur der vorherige Wert wieder hergestellt wird – im Unterschied zur Lohnarbeit in einem kapitalistischen Produktionsverhältnis.

Hier wird darüber diskutiert, ob Marx auch die Arbeit der Hausfrau zu den Reproduktionskosten zählt oder nur zugekaufte Waren wie Kleidung, Lebensmittel etc. Marx merkt in einer Fußnote an, dass die Löhne höher sein müssen, wenn mehr „Hausarbeit“ zugekauft werden muss weil z.b. mehr Frauen berufstätig sind. Auch gehört zu den Reproduktionskosten der Erhalt der Familie, nicht nur der unmittelbaren Arbeitskraft – wobei das auch nicht immer stimmt, es kann auch billiger sein, diese Leistung durch z.B. billige ausländische Arbeitskräfte zuzukaufen (Au Pair Mädchen, Putzfrauen, Hausangestellte etc.).

Secombe argumentiert, dass die Arbeit der Hausfrau notwendig ist um die Ware Arbeitskraft aufrecht zu erhalten und insofern auch Werte schafft (auch wenn sie nicht in direkter Beziehung zum Kapital steht). Hausarbeit sei in diesem Sinne unproduktive, aber wertschaffende Arbeit wie auch jene von z.B. Köchen, Putz- und Haushaltsbeschäftigte. Gardiner stellt die sehr starke Abhängigkeit der Frau von ihrem Ehemann ins Zentrum erklärt aber auch, Hausarbeit selbst schaffe keinen Wert, leiste aber einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung von Mehrwert, weil sie die Reproduktionskosten senkt. Coulson, Magas und Wainwright argumentieren, dass durch Hausarbeit keine Waren, sondern Gebrauchswerte produziert werden die unmittelbar konsumiert werden, also kein Wert produziert wird (sie gehen die Sache also über die von der Hausfrau produzierten unmittelbaren Produkte wie Essen etc an, nicht über die Ware Arbeitskraft). Verwirrend ist in der gesamten Debatte, dass die Begriffe Wert Mehrwert, Gebrauchswert, Tauschwert oft unklar verwendet werden und ein starkes moralisches Element mitschwingt ganz nach dem Motto „wenn die Arbeit von Hausfrauen doch so anstrengend ist, wie kann sie denn dann keinen Wert schaffen?“.

Der Marxismus zeigt auf, dass die Ware Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit gekauft wird, aber nur die zur Reproduktion nötige Geldsumme als Lohn (dessen Höhe neben dem physischen auch ein historisches Element hat) bezahlt bekommt – die Differenz ist der Mehrwert. Die Ware Arbeitskraft schafft somit als einzige Ware einen zusätzlichen Wert. Hausarbeit im Gegensatz dazu stellt im wesentlichen den vorherigen Zustand wieder her, sie reproduziert die Ware Arbeitskraft, schafft aber selbst keine zusätzlichen Werte.

Die Rate der Ausbeutung hängt vom Verhältnis der unbezahlten Mehrarbeit zur bezahlten Arbeit (=Reproduktionskosten) ab. In diesem Sinne findet bei Hausarbeit keine Ausbeutung statt. Dass Frauen auch im Haushalt und in der Familie in ausbeuterischen Verhältnissen leben wird von MarxistInnen nicht bestritten, im Gegenteil wird ja die Befreiung von dieser gefordert und erkämpft.

Die „Bielefelderinnen“, also Veronika Brennholdt-Thomsen, Maria Mies, Claudia von Werlhof, finden das Marxsche Vokabular für ungeeignet und definieren daher neue Begrifflichkeiten wobei sie gleichzeitig auch die Haus- und Reproduktionsarbeit ins Zentrum rücken (statt der Lohnarbeit bei Marx). Argumentiert wird dies u.a. damit, dass Lohnarbeit weltweit nicht die häufigste Form von Arbeit ist. Das stimmt zwar , ändert aber nichts daran, dass kapitalistische Lohnarbeit dennoch die zentrale weil einzige mehrwertschaffende Form ist. Die neuen von ihnen geschaffenen Begriffe (Substistenproduktion=Schaffung und Erhalt von Leben und Hausfrauisierung=Entwertung auch weiblicher Erwerbsarbeit als leicht, Freizeitbeschäftigung etc) halten sie aber nicht für klar definiert und damit unveränderlich, sondern „sie entfalten sich lebendig mit unseren Kämpfen und unserem Nachdenken darüber“. Sie stehen im Gegensatz zu orthodoxen „ewig wahren“ (männlichen) Auffassungen von Begriffen. Eine unklare und sogar sexistische Argumentation.

Auch wenn viele, fragliche und auch widersprüchliche Analysen gezogen wurden, so gibt es doch einige für die praktische Arbeit und das Verständnis der Lage von Hausfrauen wichtige Erkenntnisse:

  • Wieviel Zeit die Hausfrauen für ihre Arbeit brauchen ist weitgehend irrelevant (außer in Aufschwungzeiten wo sie als Arbeitskraft benötigt werden). Technischer Fortschritt ist in diesem Bereich daher gering bzw. wiegt die gesteigerten Anforderungen nicht auf. Auch mit den modernsten technischen Hilfsmittel endet der Arbeitstag der Hausfrau nie. Auch ist eine Automatisierung der Hausarbeit von Seiten des Kapitals nicht erwünscht, weil diese zumindest teilweise mit einer Vergesellschaftung einherginge, die die Kleinfamilie überwinden würde. Eine Automatisierung z.B. von Putzen, Waschen, Kochen rechnet sich nicht für einzelne Haushalte, sondern nur in größeren Einheiten. Die Kleinfamilie ist außerdem ein Absatzmarkt – wenn jede Familie einen eigenen Staubsaug-Roboter hat, werden viel mehr verkauft!

  • Hausfrauenarbeit wird als „leicht“ und „ungelernt“ diffamiert und abgewertet und damit werden auch die Beschäftigten in diesen Bereichen (meist ebenfalls Frauen) mit Hungerlöhnen abgespeist. Oft wird Frauenarbeit als „Dazuverdienst“ abgewertet, die 1) nicht ordentlich bezahlt werden „muss“ und 2) werden so Rollenbilder verfestigt weil z.B. Entwicklungshilfe für Frauen so aussieht, dass diese Mikrokredite für einen „Zuverdienst“ bekommen.

  • Die Systemstabilisierung durch die Hausarbeit: 1) nicht nur weil sie billig und kritiklos arbeiten, sondern auch, weil sie in Krisenzeiten helfen, trotz geringerem Lohn bzw. bei Arbeitslosigkeit die Ware Arbeitskraft fit zu halten. Reicht der Lohn des Mannes nicht mehr aus, dann wird wieder mehr selbstgemacht und weniger zugekauft, die Hausfrau muss dann noch mehr arbeiten. 2) in ihrer Funktion als „Sicherheitsventil“ um die Wut des Mannes über den Job aufzufangen und sogar ihn zum Arbeiten zu bringen um die Familie zu ernähren (Streikbrecher!). 3) weil sie Kinder zu künftigen Arbeitskräften erzieht die als Rädchen im System funktionieren.

Was heißt das für die Praxis?

Zentral ist, welche politischen Schlussfolgerungen aus der Debatte gezogen wurden:

  • Was muss verändert werden?

Wenn die Hausarbeit quasi als eigene, nicht durch den Kapitalismus bestimmte Produktionsweise verstanden wird dann werden Frauen als eigene quasi Klasse verstanden, die sich eigenständig und auch gegen die Männer organisieren muss. Die Hausarbeit ist z.B. für die Bielefelderinnen die zentrale Form im Kapitalismus neben der Lohnarbeit. Daraus ergibt sich auch ein anderes Ziel – ist die Abschaffung der Lohnarbeit und des Kapitalismus ist nicht mehr das zentral Kampfziel.

  • Wer ist das revolutionäre Subjekt?

Dalla Costa „alle Frauen sind Hausfrauen, unabhängig davon ob sie auch Lohnarbeit verrichten“ und gehören damit zur ArbeiterInnenklasse.

Auch andere argumentieren, dass Hausarbeit nicht mit dem Konzept der Arbeitswertlehre verstanden werden kann, darum quasi außerhalb des Kapitalismus stehe und daher auch die Frauenunterdrückung eine „relative Autonomie von der zentralen Axe kapitalistischer Produktion hat“. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der eigentständigen Organisierung von Frauen. Für die Bielefelderinnen sind Hausfrauen und SubsistenzarbeiterInnen das revolutionäre Subjekt (im Gegensatz zur ArbeiterInnenklasse für SozialistInnen), auch weil sie aufgrund der Gebährfähigkeit lebensbejahrender wären als Männer (was eine biologistische Erklärung ist). Im Zentrum steht als Folge die eigenständige Organisierung von Frauen und nicht der gemeinsame Klassenkampf.

Bei Hausfrauen sind Arbeitsplatz und Wohnung nicht getrennt, was zu Frustration führt und zu Isolierung und sich auch negativ aufs Klassenbewusstsein auswirken kann, da das gemeinsame Erleben, das Erkennen der Gleichheit der Probleme fehlt. Auch die Tatsache, dass es keine „Bezahlung“ für die eigene Leistung gibt wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein aus.

Hausfrauen stehen nicht an der Speerspitze der revolutionären Bewegung, eben weil sie isoliert sind und nicht Teil der gemeinschaftlichen Produktion (was sich auch auf das Bewusstsein ausdrückt). Eine ähnliche Frage stellte sich 1917 in Russland bezüglich der Frage des revolutionären Subjektes: können die Bauern, die ja viel mehr sind, nicht das revolutionäre Subjekt (also die Träger der Revolution) sein. Sie konnten es nicht, weil sie isoliert auf ihrem Land waren, ihnen das kollektive Erleben auch der eigenen Kampfkraft fehlte, dass die ArbeiterInnenklasse hat und das entscheidend für die Entwicklung auch ihres Klassenbewußtseins ist. Diese Analyse bedeutet allerdings nicht, dass Hausfrauen nicht auch ein wichtiger Teil des antikapitalistischen Kampfes sein können! Zahlreiche auch eigenständige Mobilisierungen von Frauen im Rahmen von größeren Klassenkämpfen zeigen das.

Übersehen werden darf auch nicht, dass der Großteil der Frauen der ArbeiterInnenklasse keineswegs „nur“ Hausfrauen sind, sondern eben auch LohnarbeiterInnen.

Die Forderung von Hausfrauenlohn (oder auch eines Bedinungslosen Grundeinkommens BGE) muss auch in Bezug auf das Bewusstsein betrachtet werden. Als SozialistInnen steht für uns die Forderung nach dem Recht auf einen Vollzeitjob im Zentrum, da das eine aktive Eingliederung in die ArbeiterInnenklasse bedeutet und sich positiv auch auf das Selbst- und Klassenbewusstsein auswirkt. Dalla Costa und mit ihr die „Lotta Feminista“ Gruppen in Italien führten eine Bewegung für einen staatlichen Hausfrauenlohn, Ziel war es die Hausarbeit damit zu verteuern. Ähnlich wie beim BGE besteht hier die Gefahr, die Hausarbeit bei den Frauen zu belassen und diese billig und damit gesellschaftlich nicht wertgeschätzt zu halten, anstatt diese insgesamt zu minimieren und zu vergesellschaften. Die Rollenbilder werden durch die Bezahlung von Hausarbeit nicht verändert.

  • Welche Kampfformen?

Dalla Costa ruft auf zum „Frauenkampf, innerhalb der Familie“, zur Verweigerung der Hausarbeit („Hausfrauenstreik“). Das Konzept ist, dass auch das Kapital ins Wanken gebracht werden soll, weil dann die Reproduktion der Arbeitskraft nicht mehr funktioniert. Der unmittelbare Adressat dieses Kampfes ist allerdings die eigene Familie, Mann und Kinder. Eine solche Kampfform legt die Verantwortung auf das Individuum. Aus der Arbeitswelt wissen wir: Streiks sind in Großbetrieben leichter als in kleinen, es hilft, den Kampf gemeinsam vorzubereiten, KollegInnen zu haben, die einen den Rücken stärken und auch eine Gewerkschaft. All das fehlt aber wenn die eigene Familie bestreikt wird. Der gesamte Druck, der auf kämpfende ausgeübt wird, muss mit einer solchen Kampfform von jeder einzelnen Hausfrau alleine bewältigt werden. Dass Gemeinsame, das die ArbeiterInnenklasse stark macht, fehlt.

Die Auseinandersetzung mit der Lebens- und Arbeitssituation von Frauen ist für SozialistInnen zentral. Es wird keinen erfolgreichen Kampf gegen Kapitalismus geben ohne Frauen. Die Debatte über Hausarbeit ist allerdings stark von den negativen Erfahrungen mit dem stalinistischem Sexismus und moralischen Bewertungen geprägt. Psychologische statt materialistischer Erklärungen dominieren bei einigen der AutorInnen. Die Debatte hat den Fokus auf die Lage von Hausfrauen gelegt und damit wichtige Erkenntnisse gebracht. In ihren Erklärungs- und Lösungsansätzen hat sie allerdings nicht geholfen, die Spaltung der ArbeiterInnenklasse entlang von Geschlechterlinien fortzusetzen. Sie ist letztlich die andere Seite der Medaillie des reformistischen bzw. bürgerlichen Sexismus der die ArbeiterInnenklasse gespalten hat. Doch diese Spaltung stellt eine Schwächung dar – eine Schwächung der ArbeiterInnenklasse als Ganzes und letztlich auch der Frauen der ArbeiterInnenklasse weil die Spaltung hilft, das existierende kapitalistische System zu stabilisieren.

Um die Frau aus ihrer Rolle als „Haussklavin“ (Lenin) zu befreien braucht es die Vergesellschaftung der Haus- und Erziehungsarbeit. Als SozialistInnen kämpfen wir daher dafür, dass es umfassende gesellschaftliche Angebote für die diversen Hausarbeiten gibt die Frauen (und auch Männern) die Möglichkeit gibt, sich davon zu befreien und sich mehr ins berufliche, gesellschaftliche und politische Leben einzubringen. Dazu gehören:

  • Kostenlose umfassende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung für jedes Kind mit Öffnungszeiten die an die Berufstätigkeit angepasst ist.

  • Das Recht auf ordentlich bezahlte Vollzeitjobs.

  • Kostenlose umfassende und qualitativ hochwertige Pflege – stationär, ambulant und in Wohnprojekten – um die Familien bei der Pflege von kranken und alten Familienangehörigen zu entlasten und um alten und pflegebedürftigen Menschen ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

  • Aufbau von preiswerten sozialen Einrichtungen in guter Qualität: Kantinen und Restaurants, aber auch Gemeinschaftswaschküchen und öffentliche Infrastrukturunternehmen die sich um Reinigung etc kümmern und wo qualifiziertes Personal mit ordentlicher Bezahlung arbeitet.

Auch im Rahmen des Kapitalismus können hier echte Verbesserungen erkämpft werden, wenn diese auch beschränkt sind, keineswegs allen Frauen zugänglich sind und auch wieder zurück genommen werden könnnen. Doch die Möglichkeit (nicht der Zwang) zur vollständigen Vergesellschaftung der Hausarbeit und die dazu notwendigen technischen Entwicklungen, finanziellen Mitteln und gesellschaftlichen Veränderungen sind nur mit der Aufhebung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln möglich. Nur eine Gesellschaft die die Bedürfnisse aller über die Profite weniger stellt kann auch das Ende der häuslichen Sklavenarbeit bringen.

We are queer and we will fight!

Celina Brandstötter

Der Christopher Street Days (CSD) gedenkt dem ersten großen Aufstand von LGBT+ Personen in New York 1969. Auch dieses Jahr fanden weltweit Pride-Paraden statt.

In Österreich wurde erstmals auch in Linz eine Pride veranstaltet. Organisiert wurde sie vom Bündnis „Linz gegen Rechts“. Die SLP spielte dabei eine maßgebliche Rolle: so mobilisierten AktivistInnen unter anderem vor Schulen und Bars für das Event. Und auch die Pride selbst wurde nicht zuletzt wegen der Intervention des SLP-Blockes zu einer lauten, politischen Demonstration, die gegen Homophobie und Sexismus protestierte und für Geschlechtervielfalt und frei ausgelebte Sexualität eintrat.

Mit Demosprüchen wie Was bedeutet Schwarz und Blau Sexismus und Sozialabbau und Racist, Sexist, Anti-Gay Detlef Wimmer go away wurde gezielt die Schwarz-Blaue Landesregierung angegriffen. Ihre diskriminierende Politik und Sozialabbau trifft besonders Minderheiten wie LGBT+ Personen. Aber auch SPÖ & Co setzen dem letztlich nichts entgegen.

Am Tag der Pride in Wien trafen sich religiöse Fundamentalisten und Rechtsextreme erneut beim „Marsch für die Familie“. Sie wollten gegen LGBT+ Personen, Frauenrechte, selbstbestimmte Sexualität und Geschlechtervielfalt hetzen. In den letzten Jahren haben sich auch immer wieder PolitikerInnen von ÖVP und FPÖ daran beteiligt.

Die SLP organisierte, wie schon seit Jahren, eine Gegendemonstration als Antwort gegen diesen Aufmarsch von SexistInnen und homophoben FundamentalistInnen. Dies ist vor allem angesichts des Rechtsrucks in Österreich sehr wichtig: Rechtsextreme werden immer selbstbewusster und immer öfter werden LGBT+ Personen, Frauen und MigrantInnen auf offener Straße angegriffen. Gleichzeitig gibt es noch immer die alltägliche Diskriminierung am Arbeitsplatz, bei der Arbeitssuche, in der Ausbildung und im Alltag. Die Gegenaktion der SLP war nicht nur vor Ort erfolgreich, sondern erregte auch die mediale Aufmerksamkeit des ORF.

Wir werden auch weiterhin die diskriminierende Politik der etablierten Parteien wirklich aktiv bekämpfen. Hilf uns, eine starke linke und antikapitalistische Kraft aufzubauen, die Homophobie und spalterischer Hetze entschlossen entgegentritt!
 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Zahlen und Fakten zum Frauenvolksbegehren

Sarah Krenn

1997 gab es schon einmal ein Frauenvolksbegehren mit 11 essenziellen Forderungen. Nur 2 wurden erfüllt. Prominente Unterstützung von SPÖ und Grünen ist mehr als heuchlerisch: sie sind es, die Gesundheitsreformen durchboxen und als persönliche Erfolge feiern, obwohl diese zu Kürzungen und Verschlechterung in typischen "Frauenberufen" führen.

http://standard.at

Typische "Frauenberufe" wie der Sozial- und Gesundheitsbereich sind seit der Schaffung dieser Arbeitsplätze unterbezahlt und es wird nicht besser. Die Angehörigenpflege wird zumeist von Frauen erledigt. Zum einen, weil dies gesellschaftlich erwartet wird. Zum anderen, weil sie „eh weniger verdienen“. Dies sind nur 2 Erklärungen, warum in Österreich 568.000 (13%) Frauen von Einkommensarmut betroffen sind.

http://www.armutskonferenz.at/aktivitaeten/frauen-und-armut/frauenarmut-in-oesterreich.html

Gewalt an Frauen in Österreich - lassen wir hier mal die Zahlen sprechen: 3 von 4 Frauen werden sexuell belästigt. Jede 3. Frau wird Opfer von sexueller Gewalt. 42,8% leiden langfristig psychisch oder physisch unter den Folgen sexueller Gewalt. Nicht einmal jede 10. Vergewaltigung wird zur Anzeige gebracht und nicht einmal jede 5. Anklage führt zur Verurteilung.

http://frauenberatung.at/?page_id=423

"Erfolge im Nationalrat. Das hilft den Frauen." so betitelt die SPÖ ihre "Erfolgsliste" kürzlicher "Verbesserungen". Stolz sind sie z.B. auf die "Bildungsreform" - denn nun können Schulen selbst entscheiden, wo sie kürzen wollen. Ohne KlassenschülerInnenhöchstzahl werden noch mehr SchülerInnen in einen kleinen Klassenraum gepfercht – so werden Bildungschancen für Mädchen und Frauen verbaut.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frauenvolksbegehren 2.0: Wir brauchen eine Bewegung!

Unterschriften sind nicht genug - breiter Widerstand von unten kann Verbesserungen erkämpfen.
Theresa Reimer

Zwanzig Jahre nachdem etwa 650.000 ÖsterreicherInnen ihre Unterschrift für gleiche Rechte gaben, gibt es ein neues Frauenvolksbegehren. Die Forderungen sind großteils dieselben: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ein Mindesteinkommen, Zugang zu Kinderbetreuungsplätzen usw. Das waren auch schon 1997 wichtige Themen. Ergänzt wurden diese um Punkte wie einen sicheren, kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibung, bessere Aufteilung der unbezahlten Arbeit und dem Loswerden konstruierter Rollenklischees. All dies sind richtige Forderungen – doch wie und mit wem können wir sie erkämpfen?

Für die Initiatorinnen ist auch eine Frauenquote in Aufsichtsräten entscheidend, die „Diversität“ bei Entscheidungsfindungen entstehen lassen soll. Was dabei nicht beachtet wird ist, dass Frauen in Führungspositionen nicht unbedingt für eine fortschrittlichere Frauenpolitik eintreten. Unter den UnterstützerInnen finden sich etwa auch die ehemalige Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehseley, die für Kürzungen in Spitälern hauptverantwortlich ist. Das ist ein Arbeitsbereich, in dem vor allem Frauen arbeiten. Sie sind es meist auch, die die gekürzten Stellen im Privaten ausgleichen müssen. Verbesserungen erreichen wir nicht im Bündnis mit denen, die für Verschlechterungen verantwortlich sind!

Auch das Mittel des Volksbegehrens als politisches Instrument ist zu hinterfragen: so gut wie keine Forderungen des Frauenvolksbegehrens vor 20 Jahren wurden von der Regierung erfüllt. Eher gab es Verschlechterungen und Einschnitte in die Rechte von Frauen. Frauenrechte können durch die Organisierung von breiten Schichten der Bevölkerung erkämpft werden. Das zeigen aktuelle Beispiele in Irland, Polen oder den USA. Dort setzten sich Tausende Frauen und solidarische Männer in Bewegung - mit Aktionen, Demonstrationen und Streiks.

Tausende Menschen haben bis jetzt das Volksbegehren unterzeichnet. Das ist ein guter erster Schritt. Aber nun braucht es eine Kampagne, die Bewegungen anstößt und neue Strukturen aufbaut, um ein starkes politisches Druckmittel zu haben!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Streik für Grundrechte? Bleibt am Ball!

Peter Hauer

Nicht mehr vor Spielen sich in einer öffentlichen Toilette umziehen müssen. Nicht mehr die Trainingsanzüge mit den jüngeren Spielerinnen teilen müssen. Entschädigung für die Tage, die die Spielerinnen nicht arbeiten konnten, da ein Spiel anstand. Das sind 3 der insgesamt 7 Forderungen des irischen Fußball-Frauennationalteams, für die sie kämpfen wollen. „Es ist nicht viel, was wir wollen“, sagt eine der Spielerinnen - und damit haben sie vollkommen recht. Seit 6 Jahren wurde keine Entschädigung mehr gezahlt. Oft musste Urlaub genommen werden, wenn Spiele anstanden. Am 4. April gingen sie damit an die Presse, unterstützt vom männlichen Team und der Öffentlichkeit. Doch die FAI (Football Association of Ireland) meinte nur, dass dafür schlichtweg kein Geld da sei -und dass man sowieso immer auf ihre Wünsche einginge. Die Spielerinnen drohten mit Streik und nahmen aus Protest nicht am Trainingscamp teil. 2 Tage später schrieb die FAI, dass eine Einigung erreicht wurde, in dem alle Punkte der Protestierenden behandelt wurden. Währenddessen sagte der VFL Wolfsburg die Meisterinnenfeier seines Frauenteams ab - aus Rücksicht auf den Abstiegskampf der Männer. Es wird also noch viel Widerstand im Frauenfußball nach Vorbild der Irinnen brauchen!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Keinen Schritt zurück!

Sarah Krenn

Gestern, Heute, Morgen: Für gleiche Rechte - gegen Sexismus und Homophobie!

Seit Jahren müssen wir jedes einzelne noch so kleine Recht, jede kleine Verbesserung hart erkämpfen. Wir tun das, weil Frauen immer noch weniger als Männer für dieselbe Arbeit bezahlt bekommen. Weil Mädchen von (Ex-)Spitzenpolitikern wie Mitterlehner erzählt wird, sie hätten in der Politik nichts zu suchen und sollen am Girls Day lieber in ein Museum rein schnuppern. Doch nicht nur wenn es um grundlegende Frauenrechte geht, wie das Recht, selbst über den eigenen Körper zu bestimmen, leben die politischen Eliten noch im Mittelalter. Auch bei der Frage, ob die Ehe für alle Geschlechter geöffnet werden soll, stellen sie sich dagegen. Die Regenbogenparade in Wien steht jährlich unter dem Angriff einer Gruppe von Rechtsextremen und FundamentalistInnen. Es ist an uns und auch an dir, nicht zuzulassen, dass eine Horde von homophoben "Lebensschützern" ungehindert "herumspaziert" und dabei Menschen verprügelt, weil sie eine andere Sexualität haben. Auf dem „Walk for IDAHOT“ am 20. Mai in Salzburg waren Stimmung und Aussage klar: wir lassen uns nicht zurückdrängen! Wir kämpfen seit Jahren, wir lassen uns nicht nehmen, was wir schon erkämpft haben und wir hören erst auf, wenn wir wirklich gleichgestellt sind!

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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