Frauen und LGBT

Zur Kopftuch- und Burka-Frage

Auszug aus dem Buch "Anti-Sarrazin" von Sascha Stanicic

Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir hier den Abschnitt zur Kopftuchfrage aus dem 2011 erschienen Buch “Anti-Sarrazin” des SAV-Bundessprechers Sascha Stanicic. Die SAV (Sozialistische Alternative) ist die deutsche Schwesterorganisation der SLP.

Die Kopftuchfrage

Auch die Kopftuchfrage ist weitaus komplexer, als die BefürworterInnen eines Kopftuchverbots sie darstellen. Nachdem in verschiedenen Bundesländern (in Deutschland, anm.) ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen eingeführt wurde, wird nun verstärkt ein solches Verbot auch für Schülerinnen gefordert. Das wird dann als Maßnahme gegen Frauendiskriminierung präsentiert. Hinzu kommen Forderungen nach einem generellen Verbot der Ganzkörperverschleierung in Form der Burka, welche auch das Gesicht verhüllt. Tatsächlich jedoch steckt hinter diesen Forderungen antimuslimischer Rassismus und sie führen zu keiner Verbesserung der Lebenssituation von Migrantinnen.

Für Thilo Sarrazin drückt das Tragen des Kopftuchs niemals nur Religiosität aus, sondern er sieht es als„Zeichen dafür, dass der Islam eine gesellschaftspolitische Dimension jenseits der Religion hat“ und als Bekenntnis zu „einer traditionellen Interpretation des Islam“. (QUELLE Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 314)

Pauschal setzt er es auch mit einer Anerkennung der Unterordnung der Frau unter den Mann gleich. Alice Schwarzer geht weiter: Sie vergleicht das Kopftuch mit dem Judenstern und rückt jede Kopftuch tragende Frau in die fundamentalistische Ecke. (QUELLE Achim Bühl, Islamfeindlichkeit in Deutschland, S. 164/165.)

Die Argumente der VerbotsbefürworterInnen zeichnen sich durch Pauschalisierungen aus. Die Logik ist: Entweder werden Frauen zum Tragen des Kopftuchs gezwungen oder sie sind fundamentalistische Muslima. Damit ist die Forderung nach einem Kopftuchverbot Teil der Diskriminierung und Ausgrenzung der muslimischen Bevölkerung. Sarrazin sagt in seinem Buch unverblümt, er wolle nicht, dass die Frauen in Deutschland ein Kopftuch tragen.

Historisch betrachtet sind weder Schleier noch Kopftuch religiöse Symbole. Der Schleier ist nicht einmal eine spezifisch islamische Tradition, sondern wurde zu tragen begonnen lange bevor Mohammed den Islam begründete. Angefangen bei sumerischen Tempelpriesterinnen vor 5.000 Jahren über das vorislamische Persien bis zu jüdischen und christlichen Traditionen trugen Frauen aus verschiedenen Gründen verschiedene Arten der Verschleierung. Ruksana Mansur von der ‘Sozialistischen Bewegung Pakistans’ schreibt dazu: „Es ist eine historische Tatsache, dass der Schleier ein Brauch und keine religiöse Verpflichtung ist. Er ist eine jahrhundertealte Stammes- und Feudaltradition, die nun zu einem Teil einer Religion geworden ist.“ (QUELLE http://www.socialistparty.org.uk/articles/1969)

Tatsächlich gab es weder zu Mohammeds Zeiten eine obligatorische Verschleierung muslimischer Frauen noch wird diese im Koran gefordert. Vielmehr übernahmen Muslime mit der Ausbreitung der Religion regionale Traditionen. Interessanterweise finden sich jedoch in der Bibel Stellen, die auf einen Zwang zur Verschleierung von Frauen hinweisen. In der Lutherbibel (Genesis 24,65 ) muss Rebekka sich verschleiern, als sie ihrem zukünftigen Gatten Isaak begegnet. (QUELLE http://www.die-bibel.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/quelle/bibel/bibelstelle/1.mose%2024/cache/2d3564e8cd12c9a150e917a777030188/)

Das Kopftuch war in vielen Gesellschaften ein traditionelles Kleidungsstück. Auch in Deutschland haben bis in die 1950er Jahre viele Frauen, vor allem Bäuerinnen, ein Kopftuch getragen. Meine jugoslawische Großmutter, weder gläubige Katholikin noch Muslima, sondern antifaschistische Partisanin, habe ich selten ohne Kopftuch gesehen. Bei körperlicher Arbeit auf Feldern und bei heißem Wetter hatte das Kopftuch einen praktischen Sinn.

Die Motivation, das Kopftuch anzulegen, ist heute vielfältig. Während es zweifellos Frauen gibt, die durch Väter oder Ehemänner dazu gezwungen werden, ist davon auszugehen, dass in Deutschland die Mehrzahl von ihnen diese Entscheidung freiwillig getroffen hat – wobei Freiwilligkeit nicht absolut zu verstehen ist, da sie im Rahmen von gesellschaftlichen Normen, Traditionen und mehr oder weniger direkt geäußerten Erwartungshaltungen im sozialen Umfeld stattfindet. Aber die Entscheidungen von deutschen oder christlichen Frauen, sich die Beine zu rasieren oder Diäten durchzuführen, um im Bikini eine „gute Figur“ zu machen, basieren auf einer ähnlich relativen Freiwilligkeit.

Für viele Muslima ist das Kopftuch nicht nur ein Zeichen ihrer Religiosität, sondern ein Symbol kultureller Identität, nicht selten auch für eine Abgrenzung von einer Gesellschaft, die sie als rassistisch und sexistisch wahrnehmen. Es ist für viele ein Mittel, Selbstbewusstsein als Migrantinnen zum Ausdruck zu bringen. Das Bild der Kopftuch tragenden Frau als unterdrückte und unselbstständige Muslima könnte falscher nicht sein. Gerade unter den gebildeteren Muslima ist das Kopftuch weiter verbreitet. 71 Prozent der muslimischen Kopftuchträgerinnen ist es wichtig, in ihrem Leben etwas zu erreichen. (QUELLE: Sineb El Masrar, Muslim Girls, S. 32)

Natürlich ist das Kopftuch auch ein Symbol für eine männerdominierte Religionsgemeinschaft, und die Ablehnung des Kopftuchs durch viele Frauen aus muslimischen Ländern ist gerechtfertigt, gerade aufgrund der Erfahrungen in frauenfeindlichen Diktaturen wie in Saudi-Arabien und im Iran, wo Schleier bzw. Kopftuch gesetzlich vorgeschrieben sind und Frauen keinerlei Wahl haben. Aber gegen das Kopftuch zu sein, bedeutet nicht automatisch, für ein Verbot einzutreten, so wie gegen das Kopftuchverbot zu sein auch nicht bedeutet, das Kopftuch in dieser Symbolik zu unterstützen. Niemand fordert das Verbot der Lederhose, weil sie als Symbol für reaktionäre Deutschtümelei oder bayrischen Separatismus interpretiert werden kann.

Ruksana Mansur weist darauf hin, dass „die politische und religiöse Rechte das Thema in ihrem eigenen Interesse ausnutzen. Die einen fordern Frauen auf, den Schleier abzulegen, während die anderen die Frauen dazu zwingen wollen, es zu tragen.“ (QUELLE http://www.socialistparty.org.uk/articles/1969)

Als SozialistIn sollte man gegen das Kopftuch- und Burkaverbot sein, egal wo. Und für das Recht eines jeden Menschen, selber zu bestimmen, was er oder sie für eine Kleidung trägt. Das bedeutet auch, dass SozialistInnen aktiv gegen den Zwang, das Kopftuch zu tragen, eintreten und Frauen dabei helfen sollten, sich gegen entsprechende Zwänge zu organisieren und zu wehren.

Kopftuchstreit, „Ehrenmord“-Debatte und die Situation von Muslimas im allgemeinen werden von den selbst ernannten IslamkritikerInnen in einer Art und Weise geführt, die ein pauschales Bild höchster Unterdrückung von muslimischen Frauen zeichnet. Achim Bühl zitiert in seinem Buch einen muslimischen Sketch, der das auf den Punkt bringt: „Erste Szene: Eine Frau mit Kopftuch sitzt im Auto hinten, ein Mann fährt. Ein Vertreter der so genannten Mehrheitsgesellschaft: ‘Selber fahren dürfen die wohl nicht.’ Zweite Szene: Eine Frau mit Kopftuch fährt, ein Mann sitzt daneben. Ein Vertreter der Mehrheitsgesellschaft: ‘Jetzt lassen die sich auch noch fahren’. Dritte Szene: Eine Frau mit Kopftuch sitzt vorne neben ihrem Mann, der fährt, eine Frau ohne Kopftuch sitzt hinten. Ein Vertreter der Mehrheitsgesellschaft: ”Jetzt kommen die auch noch mit mehreren Frauen.’“ (QUELLE Achim Bühl, Islamfeindlichkeit in Deutschland, S. 180) Dieser Sketch macht deutlich, dass die Lebensrealität muslimischer Frauen komplex ist und eine konkrete Auseinandersetzung mit Diskriminierung, Benachteiligung und Unterdrückung nötig ist – statt pauschaler Verurteilungen, die zu Forderungen nach Kopftuchverbot oder ähnlichem führen.

Hilfe für diskriminierte Frauen muss anders aussehen. Ein Kopftuch- oder Burkaverbot würde diejenigen Frauen, die zum Tragen desselben gezwungen werden, ohnehin nur weiter von der Gesellschaft isolieren. Die Frauen, die es freiwillig tragen, wären durch ein Verbot nur von ihrer Freiheit befreit, also unterdrückt und diskriminiert. Frauen, die tatsächlich häuslicher Gewalt, Zwang und Unterdrückung ausgesetzt sind, brauchen vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze, um wirtschaftlich selbstständig zu sein, und ausreichende Angebote an Beratungsstellen und Frauenhäusern, in denen die Betreuung auch in türkischer, arabischer und anderen Sprachen stattfindet.

 

Matura: Zensur bei der VWA

Schüler darf Arbeit über Schwangerschaftsabbruch und Fristenlösung nicht schreiben!
Stefan R.

Schüler darf Arbeit über Schwangerschaftsabbruch und Fristenlösung nicht schreiben!

Schwangerschaftsabbruch und Fristenlösung werden in Österreich noch immer mit Handschuhen angefasst. Das zeigt sich v.a. im Umgang mit diesem Thema an Schulen. An meinem Gymnasium in Salzburg sollte ich in der 7. Klasse wie alle angehenden MaturantInnen ein Thema für meine Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) aussuchen. Schnell habe ich mich für die Fristenlösung, also die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich, entschieden. Zunächst hat es ausgesehen als wäre meine Geschichtslehrerin offen für dieses Thema. Ich hätte lediglich den Titel „Die Geschichte der Einführung der Fristenlösung in Österreich“ genauer ausführen sollen, damit ich bei der Präsentation keine Probleme bekomme. Doch dann führte sie ein Gespräch mit einem römisch-katholisch Religionslehrer an der Schule, ob das Thema so in Ordnung gehe. Danach ist sie nochmals an mich herangetreten, um mir zu erklären, dass sie die VWA mit dem vorliegenden Erwartungshorizont nicht betreuen will. Der Grund dafür sei die Sorge, die VWA könnte alleine wegen der Themenwahl bei der Präsentation negativ bewertet werden. Zum einen ist das ein klarer Fall von Zensur. Zum anderen zeigt das Verhalten der Lehrerin, wie stark konservative und frauenfeindliche Ansichten gerade in ÖVP-dominierten Schulen, wie jene in die ich gegangen bin, vorherrschen und den SchülerInnen aufgezwungen werden.

 

Mistelbach: Falschaussage und Pauschalverurteilung

Warum die Opfer von sexueller Gewalt trotzdem ernst zu nehmen sind
Theresa Reimer

Am 22. Juni machte eine 13-jährige eine Anzeige bei der Polizei aufgrund sexueller Belästigung im Mistelbacher Weinlandbad (NÖ). Sie sei von einem Mann bis in die Kabine verfolgt worden und dort zu sexuellen Handlungen gezwungen worden. Nach eigener Aussage konnte sie sich verteidigen und durch Hilfeschreie andere Personen auf den Vorfall aufmerksam machen und somit schlimmeres verhindern.

Am Tag darauf entschied sich die Mistelbacher Stadtregierung dazu, das Bad für Flüchtlinge zu sperren. In der Bezirkshauptstadt leben über 11 000 Menschen, trotzdem wurden ausschließlich die 180 Flüchtlinge, die hier leben, pauschal verdächtigt, da es sich nach der Beschreibung des Mädchens bei dem Übergriff um einen Mann, „südländischen Typs“, handelte. Die Polizei machte darauf hin angeblich Fotos von allen Asylwerbern, um herauszufinden, ob diese dem Phantombild entsprachen und sie anschließend zu verhören. AktivistInnen, die in Hilfsorganisationen wie Caritas oder Bewegung Mitmensch aktiv sind, sprachen zu Recht von einer Vorverurteilung.

Später gab die Stadtregierung bekannt, dass sie mit der Maßnahme das Freibad für Flüchtende zu sperren, diese nicht ausschließen, sondern lediglich vor rassistischen Übergriffsreaktionen schützen wollte. Gleichzeitig wurde vorübergehend Securitys im Weinlandbad angestellt.

Am 3. Juli gab die 13-jährige zu, den Vorfall frei erfunden zu haben. Ein paar Tage zuvor hatte sie bereits ihre Aussage abgeschwächt. Sie sei nicht zu sexuellen Handlungen gezwungen worden, sondern den Gang zu den Kabinen entlang gegangen, als ihr jemand auf den Hintern geschlagen hat. Die Reaktionen, die die Falschaussage des Mädchens ausgelöst hat, sind auf vielen Ebenen fatal.

Zuerst einmal stellt sich die Frage, was eine 13-jährige dazu bewegt, eine Vergewaltigung zu erfinden. Hier müssten sicher sehr viele Faktoren berücksichtigt werden. Welche Rolle spielen die Eltern und das Umfeld? Welche die Medien? Jeden Tag bekommen wir von „Medien“ wie „Heute“, „Krone“ und „Österreich“ (die z.B. am 14. Juli titelte: „Wiens Frauen in Angst“) eingetrichtert, dass uns jederzeit etwas passieren könnte. Dass wir in ständiger Gefahr sind. Dass wir am besten nicht mehr ohne Begleitung nachts unterwegs sein sollten. Dass Flüchtlinge regelrecht über uns herfallen würden, einfach nur, weil wir Frauen sind. Es ist verständlich, dass damit bei manchen Frauen wirklich Angst geschürt wird. Der in der Gesamtheit der Fälle von sexuellen Übergriffen seltene Fall, bei dem eine Frau nachts alleine unterwegs ist und von Männern belästigt oder vergewaltigt wird, wurde zum Paradebeispiel der Rechten. Seit Sommerbeginn wird dieses Szenario durch Übergriffe in Freibädern ergäntzt. Diese gibt es zwar leider, doch sind auch sie sehr selten - insbesondere im Vergleich zur weit höheren Anzahl von sexuellen Übergriffen in den vermeintlich "sicheren vier Wänden" durch Verwandte oder Bekannte. Ist es bei dieser tagtäglichen Angstmache wirklich ein Wunder, dass manche Frauen dies auch glauben und sogar wiederholen? Ob die Falschaussage nun psychisch, aufgrund des familiären Umfelds oder gar politisch motiviert war, darüber lassen sich ohnehin nur Vermutungen anstellen.

Eine Statistik vom Bundesministerium für Inneres Deutschland zeigt, dass an dem Scheinargument der Rechten nichts dran ist. Ein Anstieg an Migration ist nicht automatisch mit einem Anstieg an Kriminalität verbunden. Bundesinnenminister de Maizière meinte dazu: "Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenzaussagen, dass Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung. Der Großteil von ihnen begeht keine Straftaten, sie suchen vielmehr in Deutschland Schutz und Frieden."1 In Österreich sieht die Lage ähnlich aus, die Gesamtkriminalität ist im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent gesunken. Es gibt also keinen Anstieg an Kriminalität und Gewalt mit steigender Migration, aber einen Anstieg an Gewalt gegen MigrantInnen und Geflüchtete. Im Jahr 2015 wurden in Österreich insgesamt 1691 rechtsextremer Straftaten angezeigt, was einer Steigerung von 40,8 Prozent zum Vorjahr entspricht. Darunter fallen die Überschreitung des Verbotsgesetzes, Verhetzung und rassistische Übergriffe.2

Den Rechten geht es nicht um Frauenrechte

Auch nach der Meldung der Vergewaltigung im Mistelbacher Freibad wurde eine virale Hetzkampagne gestartet, beispielsweise vom ehemaligen FPÖ-Gemeinderat Manfred Platschka. Er hielt auch noch am selben Tag vor dem Rathaus Mistelbach eine „Mahnwache“ ab, obwohl noch nicht mal klar war, wer in dem Vorfall involviert war und der sich ohnehin als falsch herausstellte. Platschka ist Mitglied der deutschnationalen, schlagenden Burschenschaft Germania Libera und hat es mit Sätzen wie „Manch großer Nazi hat auch was Gescheites gesagt!“3 auch schon zu Einträgen beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) geschafft. Er pflegt auch gute Kontakte zu der neofaschistischen Gruppierung der Identitären, die neben Theatervorführungen zu stürmen auch gerne an Platschka's „Stopp dem Asylwahnsinn“-Demos teilnehmen. Von ihnen und ihrem Umfeld geht eine hohe Gewaltbereitschaft aus, gegen MigrantInnen, aber auch gegen Linke. Von vielen dieser selbst ernannten „Frauenschützer“ geht eine echte Bedrohung aus, sie schrecken beispielsweise nicht davor zurück Antifaschistinnen Gewalt anzudrohen. Auf der frauenfeindlichen und rechtsextreme Seite „Linke Weiber ausknocken“ konnten monatelang ungehindert Gewaltandrohungen veröffentlicht werden. Die Burschenschaft Hansea, die enge Verbindungen zu den Identitären hat, postete ein paar Wochen später ein Bild mit einer Anspielung auf diese Seite.4 Von den Identitären selbst ging so eine Bedrohung von Frauenhäusern aus, dass sogar die Polizei aktiv wurde. 5

Männer, die in reaktionären, rechtsextremen Burschenschaften aktiv sind wie Platschka, wo Frauen nicht einmal aufgenommen werden. Alte Männer wie er, der lange Zeit statt einem Profilbild auf Facebook nur den frauenverachtenden Spruch hatte „Ein Bild von mir würde dich nur unnötig geil machen“. Männerdominierte Organisationen wie die Identitären, die Frauenhäuser und Antifaschistinnen bedrohen, wollen also Österreichs Frauen schützen?!?

Ende Mai veranstaltete Platschka seine zweite Protestaktion, bei der er unter anderem ein Freibadverbot für Flüchtlinge forderte. Damals hatten wir als SLP mit Menschen aus der Mistelbacher Flüchtlingshilfe, im Bezirk lebenden Geflüchteten und AnrainerInnen einen Gegenprotest veranstaltet. Die Rechten, die zu 90 Prozent aus Männern bestanden, schwafelten unentwegt davon, dass es „unsere“ Frauen zu schützen gelte. Sie selbst hatten keine einzige Frau auf der Bühne, auf unserer Seite waren 10 der 15 RednerInnen Frauen.

Als das Mädchen am 3. Juli die Aussage bezüglich der Vergewaltigung zurück zog, hielt Platschka trotzdem an seinen rassistischen Behauptungen fest. Ihm sei letzten Endes ohnehin „egal, ob der Vorfall passiert sei oder nicht, er habe von Anfang an präventive Maßnahmen gefordert“. Was er hier mehr oder weniger unterschwellig sagt ist, dass es ihn ohnehin nicht interessiert, wenn Frauen sexualisierte Gewalt und Übergriffe erfahren, die Instrumentalisierung von Frauenrechten und die Hetze gegen Geflüchtete ist nur etwas, woraus er politisches Kapital schlagen will. Menschen wie er haben sich schon bis jetzt nie wirklich für die Rechte von Frauen stark gemacht. Im Gegenteil, den die FPÖ ist eine Partei der Frauenfeinde und Sexisten! Alte Männer, die die strukturelle Diskriminierung von Frauen belächeln. Parteifunktionäre, die im Gesundheitsbereich kürzen wollen, wo besonders viele Frauen einerseits beschäftigt sind und andererseits meistens Frauen die weggekürzte Arbeit daheim übernehmen. Und auch die Chefin der FPÖ-Amstetten, Brigitte Kashofer, die meint, dass Frauenhäuser die Ehe zerstören und Männer benachteiligen würden.6

Es wird immer klarer, dass es Platschka und Co. nicht darum geht, „unsere“ Frauen vor sexualisierter Gewalt zu schützen, sondern einen Eigentumsanspruch geltend zu machen und Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper abzusprechen. Die FPÖ steht auch meistens in der ersten Reihe, wenn es darum geht, Frauen das Recht auf Abtreibung abzusprechen. Und viele der Rechten sind auch gegen Aufklärung und Verhütung. Oft argumentieren die Rechten damit, dass es die „natürliche Rolle“ der Frau sei einfach nur Kinder zu bekommen, den Haushalt zu führen und den Mann nach der Arbeit zu bekochen. Und im Regelfall steckt auch hier ein rassistischer Ansatz dahinter: den Rechten geht es auch darum, möglichst viele blonde, blauäugige Babys in die Welt zu setzen. Französische Rechtsextreme benennen Abtreibungen bei französischen Frauen sogar als „Genozid am französischen Volk“.

Trotzdem muss das Aufzeigen von (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen sehr ernst genommen werden

Es ist aber klarzustellen, dass Anzeigen, die Frauen aufgrund von erfahrener sexualisierter Gewalt machen, grundsätzlich immer ernstzunehmen sind und klarerweise den Fällen nachgegangen werden muss. Die Quote an Falschaussagen ist gerade bei Sexualdelikten mit 0,1 Prozent wahnsinnig gering. Im Falle Mistelbach wurden nach dem Vorfall auch Stimmen laut, dass einem 13-jährigen Mädchen ohnehin noch kein Glauben zu schenken sei. Sie wäre doch noch ein Kind und hätte sich schon einmal eine Vergewaltigung ausgedacht. Außerdem sei sie „nicht die erste Pubertierende, die einen Sexualdelikt erfunden hat“. Leute, die solche Dinge behaupten, waren aber schon immer genau die, die Frauen Vergewaltigungen nicht glauben, diese selbst beschuldigen oder ihnen sogar sexuelle Übergriffe wünschen. Es ist klar, dass das Mädchen mit ihrer Falschaussage großen Schaden angerichtet hat. Nun ist es für Frauenhasser noch leichter echte Übergriffe zu bagatellisieren oder von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen als LügnerInnen abzutun.

Die Realität zeigt, wie wenig sexualisierte Übergriffe überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Die Zahlen dazu sind nach wie vor erschreckend. Nicht einmal eine von zehn Vergewaltigungen wird zur Anzeige gebracht, nicht einmal jede fünfte Anzeige führt zu einer Verurteilung. In einer Gesellschaft, in der ein „Nein“ nicht akzeptiert wird, Betroffenen nachgesagt wird, selbst Schuld an einer Vergewaltigung zu sein und die Justiz ohnehin macht, was sie will, ist es verständlich, warum viele Frauen Übergriffe verschweigen. Das zeigt auch der Fall des deutschen Models Gina-Lisa Lohfink. Schon im Jahr 2012 tätigte sie eine Anzeige gegen zwei Männer, die sie vergewaltigten und dabei filmten. In diesem Video sagt sie klar die Worte „Hör auf“, trotzdem wurde die Anklage fallen gelassen und sie wegen Falschaussage auf 24 000 Euro verurteilt. Wo sind die selbst ernannten „Frauenschützer“ bei Fällen wie diesen?

Die Reaktionen nach der Falschaussage in Mistelbach zeigen, dass die Rechten keine Gelegenheit auslassen, um gegen Geflüchtete zu hetzen. Auch künftig werden sie Fälle für ihre Zwecke missbrauchen. In diesem Fall sind sie aber noch viel widerlicher als normalerweise. Platschka und Identitäre wollen uns nicht nur gegen MigrantInnen aufhetzen. Als reaktionäre Frauenhasser nutzen sie zusätzlich auch noch Übergriffe, die Frauen, hauptsächlich in Ehe und Familie, erfahren, für ihre politischen Zwecke.

Es braucht Antisexismus und Antirassismus. Denn nur gemeinsam, Frauen und Männer, ÖsterreicherInnen und Nicht-ÖsterreicherInnen, können wir gegen die wahren Grenzen, die zwischen Oben und Unten verlaufen, kämpfen. Wir lassen uns nicht spalten!

 

1http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/11/lagebild1-im-kontext-zuwanderung-2015.html

2http://www.mkoe.at/alarmierende-zunahme-rechtsextremer-straftaten-zehn-jahren-verfuenffacht

3http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/november-2002/nazi-spruch-auf-fpoe-homepage

4http://derstandard.at/2000039182460/Burschenschaft-mit-Identitaeren-will-auf-Facebook-linke-Weiber-ausknocken

5http://www.vice.com/alps/read/identitaere-frauenhaus-graz

6http://kurier.at/politik/fpoe-frauenhaeuser-zerstoeren-ehen/804.660

 

Richtigstellung

zum Artikel „Mistelbach: Falschaussage und Pauschalverurteilung“

https://www.slp.at/artikel/mistelbach-falschaussage-und-pauschalverurteilung-7726

Herr Platschka schreibt uns:

„Am 28.7.2016 schrieb Fr. Reimer (neben vielen anderen Unsinnigkeiten, Unterstellungen und Halbwahrheiten) auf ihrer Heimseite, dass ich Mitglied einer Burschenschaft "Germania Liberia" sei (Verweis unten angeführt). Dies entspricht nicht den Tatsachen und ersuche sie, dass diese Falschmeldung korrigiert wird.“

Dem kommen wir sehr gerne nach und stellen richtig:

Herr Platschka ist nicht Mitglied einer Burschenschaft "Germania Liberia".

Wahr ist vielmehr:

Herr Platschka ist Obmann von "GERMANIA LIBERA" zu MISTELBACH " Verein zur Förderung von Kultur-, Volkstums- und Kameradschaftspflege". Die Germania Libera ist eine deutschnationale Burschenschaft.

Wir bedauern es, den strammen deutschnationalen Mistelbacher Burschis irrtümlich ein „i“ untergeschoben zu haben. Ein Rechtsschreibfehler ändert aber nichts an seiner Mitgliedschaft in einer deutschnationalen Burschenschaft und seiner gefährlichen Gesinnung.

 

Queer stellen gegen FundamentalistInnen und Rechtsextremen!

Lucia

Die SLP hat im letzten Monat in verschiedenen Bundesländern bei einigen LGBT+ Veranstaltungen interveniert und dafür mobilisiert. In Wien gab es eine zentral von der SLP organisierte Protestaktion gegen den sogenannten „Marsch für die Familie“. Dieser wird jährlich von religiösen FundamentalistInnen und Rechtsextremen veranstaltet und besucht, um die Regenbogenparade zu stören. Diese reaktionären FundamentalistInnen sind nicht nur gegen Abtreibung und Homosexualität, sondern auch gegen Verhütung, Aufklärung und Kindergärten. Die SLP setzte unter dem Banner „Nicht mit mir“ durch eine Demonstration und drei Kundgebungen mit Redebeiträgen ein starkes Zeichen gegen die Rechten und für ein selbstbestimmtes Leben.

Aktivistin Theresa Reimer forderte unter anderem in ihrer Rede:“Schwangerschaftsabbruch muss in jedem Spital möglich und kostenlos sein! Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten, führt zu illegalen Abtreibungen und damit zu einem hohen Gesundheitsrisiko für Frauen.“ Um aber mehr Selbstbestimmung zu erreichen und damit sich Frauen frei entscheiden können ob sie Kinder wollen, ist es auch wichtig für ökonomische Unterstützung zu sorgen. Ein Ausbau öffentlicher Betreungsmöglichkeiten ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Volle Selbstbestimmung können wir aber nur durch die Überwindung des kapitalistischen Wirtschaftssystems erreichen, damit niemand mehr materielle Sorgen haben muss und Frauen wirklich alle Möglichkeiten haben, Entscheidungen zu treffen.

Beim Protest beteiligten sich mehr als 200 Menschen, wir bekamen von Passantinnen durchwegs positive Zustimmung, einige bedankten sich. Eine Frau, die sich dann sogar auch am Protest beteiligte, erzählte: „Ich kenne Frauen, die nehmen die Pille nur jeden zweiten Tag, das liegt zum einem an mangelnder Aufklärung und zum anderen an den hohen Kosten für Verhütungsmitteln.“ Beispiele wie diese zeigen wie wichtig die Forderungen nach kostenloser Abgabe von Verhütungsmitteln und nach ausreichendem Aufklärungsunterricht sind. Denn wie in den Reden auch immer betont wurde, haben diese FundamentalistInnen und Rechtsextreme wesentlichen Einfluss in die Mitte unserer Gesellschaft: „Während meiner Schulzeit wurde bei uns immer wieder Unterrichtsmaterial gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gezeigt und Homophobie ist alltäglich an Schulen... Dagegen müssen wir Widerstand organisieren..“, berichtete auch ich in meiner Rede.

In Linz machte die SLP anlässlich des CSD eine Kampagne für eine politische LinzPride. Die SLP-Linz intervenierte auch als einzige linke Organisation mit ihrem Stand bei der alljährlichen LinzPride. Die Stimmung dort war gemütlich, dennoch führten wir politische Diskussionen und unsere Flyer kamen sehr gut an, auf der Pride sprachen auch zwei homosexuelle Männer die aus dem Irak geflüchtet waren über ihre persönliche Situation. Außerdem veranstaltete die SLP Linz einen Informationsabend über „Internationale Beispiele im Kampf gegen Homophobie“. Beim Flyern vor einer Schule, sowie der Kundgebung am Taubenmarkt thematisierten wir die Situation von Lesben, Schwulen und Transpersonen im Alltag. Viele Leute zeigten sich interessiert, jemand sagte: “In meiner Familie gibt es einen Homosexuellen, aber er kann es nicht nach außen tragen aus Angst den Arbeitsplatz zu verlieren und vor sozialer Isolation.“ Erzählungen wie diese zeigen wie wichtig der Appel eine aktive LGBT+ Bewegung aufzubauen und gewerkschaftliche Organisierung ist.

Auch in Graz gab es einen CSD bei dem sich 500 Menschen zund auch die SLP beteiligte.

In Salzburg wurde eine Mahnwache für die Opfer des furchtbaren Anschlages in Orlando abgehalten und auch beim alljährlichen Walk4IDAHOT nahm die SLP-Salzburg teil.

 

#Heforshe und Panama

Der bürgerliche Feminismus als Moralapostel schützt die wahre Grundlage von Sexismus: den Kapitalismus.
Theresa Reimer

Immer wieder machen sich Promis für Frauenrechte stark, so auch die Schauspielerin Emma Watson, die über UN Women #HeforShe ins Leben gerufen hat. Bei dieser Kampagne liegt der Fokus hauptsächlich darin, Männern zu vermitteln, dass auch sie nicht von der Ungleichheit von Frauen profitieren und Männer somit aufzurufen, solidarisch zu sein. Natürlich braucht es einen gemeinsamen Kampf von Frauen und Männern, um Gleichberechtigung zu erlangen.
Aber von welcher Gleichheit redet sie da überhaupt? Sind wir etwa gleich, wenn wir alle netter miteinander umgehen? Women of Color, arme und kranke Frauen bleiben ausgeschlossen von diesem „white feminism“. Emma Watson geht von ihrem eigenen Standpunkt als weiße, privilegierte Frau aus. Ihr Privatvermögen wird auf ca. 25 Mio. US Dollar geschätzt, auch sie war scheinbar in Panama Papers involviert, angeblich um eine Immobilie anonym zu kaufen. Eine Frau, die selbst enormen Reichtum besitzt, ist also der Meinung, dass Rücksichtnahme von Männern reicht, um Gleichheit zu erlangen?
Die Gleichheit, die wir, Frauen und Männer gemeinsam, erkämpfen müssen, ist nicht nur die Gleichheit der Geschlechter. Um echte Geschlechtergleichheit zu erreichen, müssen auch die enormen Gegensätze zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft bekämpft und überwunden werden.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Queer gestellt gegen reaktionäre Fundis

m Samstag dem 18. Juli war es wieder einmal so weit: die Regenbogenparade brachte rund 130.000 Menschen auf die Straße. Es wurde laut und bunt gefeiert, aber auch der Toten von Orlando gedacht. Auch Politprominenz wie Kern gaben sich die Ehre – eine einfache Übung beim Sammeln von Sympathiepunkten. Bei der praktischen Umsetzung von wirklicher Gleichstellung von LGBTQI-Personen hapert es dann aber leider doch: im Job, am Arbeitsmarkt, in der Politik. Da braucht es mehr als eine Rede. Die SLP fordert die vollständige Gleichstellung aller Beziehungen und Partnerschaften sowie eine offensive Kampagne u.a. der Gewerkschaften gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Gegen die Pride, aber auch gegen Frauenrechte, gingen auch dieses Jahr christliche religiöse FundamentalistInnen gemeinsam mit rechts-rechts-außen Strukturen auf die Straße. Der „Marsch für die Familie“ wettert nicht nur gegen Abtreibung und Homosexualität, sondern auch gegen Verhütung, Aufklärung und Kindergärten. Sie wollen, dass Frauen zu hause bleiben und (möglichst viele) Kinder bekommen und dann betreuen. Kindergärten lehnen sie ab obwohl längst erwiesen ist, dass es auch für die Kinder besser ist, schon früh breitere soziale Kontakte und professionelle Betreuung zu bekommen. Sie reduzieren Sexualität aufs Kinder erzeugen, Spaß und Lust lehnen sie ab und daher auch Verhütung. Entsprechend wollen sie auch Informationen über Sexualität von Kindern und Jugendlichen fernhalten. Auch hier ist aber schon lange bekannt, dass nicht-wissen eine der zentralen Ursachen für ungewollte Teenager-Schwangerschaften ist. Österreich hat hier, auch wegen der teuren Verhütungsmittel, sehr hohe Werte. Abtreibung lehnen die FundamentalistInnen ebenfalls ab und sprechen Frauen somit das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper ab. Schwangerschaftsabbrüche werden nicht verhindert, wenn sie verboten werden: sie werden nur gefährlicher für die Frauen.

Die SLP fordert daher nicht nur umfassenden Aufklärungsunterricht und kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln sondern auch, das in jedem Spital kostenlos Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Bei den teilnehmenden bzw. aufrufenden Organisationen/Personen finden sich solche, die den Holocaust verharmlosen, das Verbotsgesetzes aufheben wollen und antisemitisch sowie anti-islamisch sind. Auch heuer haben wieder Aktivisten der polnischen Organisation Wiedeńska Inicjatywa Narodaowa (Nationale Initiative Wien) teilgenommen, die 2015 einen Vortrag des jüdischen Holocaust-Überlebenden Zygmunt Bauman störten. Zu den Rednern gehörten ex-Pegida-Sprecher Nagel an dessen Demonstrationen gewalttätige Neonazis teilnahmen sowie der Sexist und am Parlaments-Sessel-klebende Marcus Franz. Letzterer war bekannt geworden weil er meinte „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun bestraft.“ Er wechselte vom Team Stronach zur ÖVP und sitzt nun als Parteifreier auf dem gut bezahlten Nationalratsmandat.

Ein Redner kritisierte das Kinder in der Schule mit „falschen Ideologien indoktriniert“ würden und meinte damit Aufklärungsunterricht. Gegen die „richtige“ Ideologie, die im durch Steuergelder finanziertem Religionsunterricht Kindern aufgezwungen wird, hat er offensichtlich nichts! Überhaupt sehen diese FundamentalistInnen Kindern nicht als eigenständige Menschen, mit dem Recht auf Selbstbestimmung und Schutz vor Übergriffen (die zum überwiegenden Teil durch Familie und näheres Umfeld erfolgen) sondern als de facto Besitz der Eltern. Manche haben daher auch die wirre Idee, das Eltern für „ihre“ Kinder bei Wahlen zusätzlich Stimmen bekommen sollen. Eine ähnlich bevormundende Haltung, wie es solche Reaktionäre früher (?) auch in Bezug auf Frauen eingenommen haben. Diese so „indoktrinierten“ Jugendlichen könnten dann „leicht als Gegendemonstranten eingesetzt“ werden war dann auch die wehleidige Beschwerde von Emanuel Aydin, dem Seelsorger der Syrisch-orthodoxen Christen in Österreich.

Und tatsächlich waren viele GegendemonstrantInnen gekommen. „Nicht mit mir“, eine Kampagne der SLP, hatte zu Kundgebung und Demonstration unter dem Motto „Queer stellen gegen FundamentalistInnen und Rechtsextreme“ aufgerufen und startete ab 13.00 am Stephansplatz mit einer Kundgebung. Thematisiert wurden die Verbindungen der christlichen FundamentalistInnen nach rechts und in die Regierung (ÖVP) bzw. Opposition (FPÖ) aber auch der wirtschaftlich-gesellschaftliche Hintergrund. Der Spruch der FundamentalistInnen „Die Wirtschaft ist gesünder durch Vater, Mutter, Kinder“ mag absurd klingen – doch er trifft den Kern der Unterstützung, den diese Kräfte in der etablierten Politik haben. Denn wenn bei Kinderbetreuung, Bildungswesen, Gesundheitswesen gekürzt wird – und das machen alle etablierten Parteien – dann muss diese Arbeit doch weiterhin geleistet werden. Und zwar statt bisher durch bezahlte professionelle und geschulte Kräfte dann durch unqualifiziertes und unbezahltes „Personal“: und das sind in der Regel Frauen. Dass sie wegen dieser Aufgaben dann weniger arbeiten gehen können „entlastet“ zusätzlich den Arbeitsmarkt. In Krisenzeiten ein durchaus erwünschtes Phänomen und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für die Unterstützung solcher konservativ-reaktionärer Ideen aus Wirtschaft und etablierter Politik.

Der „Marsch für die Familie“ musste heuer auf den Albertinaplatz ausweichen. Weil der Albertinaplatz angeblich viel größer wäre, so ihre Erklärung. Weil sie den Stephansplatz diesmal einfach nicht bekamen, so die Wahrheit – denn die SLP hat schon vor Monaten mit den Vorbereitungen gegen den Fundi-Aufmarsch begonnen. Überhaupt zeigt sich in ihrer Berichterstattung nicht nur ein verwirrtes Verhältnis zu Zahlen (die TeilnehmerInnenanzahl wurde einfach mal so verdoppelt und eine Jubelstimmung herbeifantasiert) sondern auch ihre menschenverachtende Haltung: die GegendemonstrantInnen wurden als „Asseln“ bezeichnet. Eine auf der extremen Rechten übliche Methode, KritikerInnen oder auch „rassisch Unwerte“ mit Ungeziefer zu vergleichen deren Ausrottung damit explizit oder implizit gefordert wird!

Die Kundgebung von Nicht mit mir „begleitete“ die Redner (ausschließlich Männer) mit Sprechchören und Reden die fast ausschließlich positive Reaktionen der PassantInnen, darunter auch viele TouristInnen, bekamen. Neben den Kundgebungen und Demonstrationen der SLP gab es auch heuer wieder eine Reihe von linken, feministischen und queeren Protesten gegen den FundamentalistInnen-Aufmarsch. Dieser konnte dann auch nur wenige Meter weit gehen und blieb einer weiteren Öffentlichkeit erspart.

Trotz aller Skurilität und Lächerlichkeit der FundamentalistInnen darf nie vergessen werden, dass es leider nicht nur harmlose Spinner sind. Sie haben starke Bündnispartner in Kirche und Staat, sie haben viel Geld, sie haben Unterstützung aus den Reihen der (auch gewaltbereiten) rechten Szene und sie verbreiten eine Ideologie, die die Grundlage für Übergriffe bis hin zu Morden gegen LGBTQI-Personen sind. Und dagegen werden wir uns auch in Zukunft queer stellen.

 

 

Queer stellen – Fundis stoppen.

Gleichberechtigung muss erkämpft, nicht ertanzt werden – für eine aktive, politische Bewegung.
Nikita Tarasov

2014 gewann Conchita den Song Contest. Doch nach wie vor sind LGBTQI-Personen in Österreich weit von Gleichstellung entfernt. Ob Ausgrenzung am Arbeitsplatz, Homophobie in der Schule, komische Blicke auf der Straße oder Hetze seitens FPÖ & Co – das steht für viele auf der Tagesordnung. Damit muss Schluss sein! Dabei reichen weder gut gemeinte Ampelmännchen*, noch formale Gesetzesbeschlüsse aus, um spürbare Verbesserungen zu erlangen.
Nötig ist eine solidarische, kämpferische Bewegung, die klare politische Forderungen stellt, das herrschende Wirtschaftssystem hinterfragt und sich nicht auf EINEN Tag begrenzt. Das war das Stichwort: Die bunte Regenbogen-Parade, die heuer am 18. Juni in Wien stattfindet, hat ihren ursprünglichen Kampfgeist leider gegen laute Partymusik ausgetauscht. Zur gleichen Zeit, ein paar Straßen weiter, ziehen christliche FundamentalistInnen und Rechtsextreme durch die Straßen. Sie fordern Entrechtung und Unterdrückung von allem, was kein weißer, reicher Mann ist. Wer tatsächlich für LGBTQI-Rechte eintritt – also die volle Gleichstellung - sollte an dem Tag nicht nur zu hippen Tunes auf der Parade tanzen, sondern sich auch den Fundis in den Weg stellen. Unabhängig vom Gender und Sexualität.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

18.6. Queer stellen gegen Fundamentalisten, Rechtsextreme und Nazis

Nach Orlando ist Protest gegen "Marsch für die Familie" besonders wichtig!

Am 18. Juni findet in Wien die Regenbogenparade statt. Anlass auch für christliche Fundamentalisten, im Schulterschluss mit rechts-außen Aktivisten ihren als "Marsch für die Familie" getarnten reaktionären Aufmarsch zu veranstalten. Dort wird nicht nur gegen Abtreibung und Homosexualität, sondern auch gegen Verhütung, Aufklärung und Kindergärten demonstriert.

Schon in den letzten Jahren haben an diesen Aufmärschen auch diverse Rechtsextreme teilgenommen, auch zu gewalttätigen Angriffen auf FrauenrechtlerInnen und LGBTQ-Personen ist es gekommen. Die Bluttat in Orlando zeigt, wieder einmal, wohin Homophobie führen kann! Lassen wir nicht zu, dass nächsten Samstag reaktionäre FundamentalistInnen ungehindert durch Wien ziehen.
Heuer ist dieser Aufmarsch für den Albertinaplatz angekündigt - dort befindet sich das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, darunter auch die Bronzefigur „Knieender und straßenwaschender Jude“. Unter den aufrufenden Organisationen sind:

  • „Plattform Leben Vorarlberg“ verlinkt u.a. zu www.babycaust.at

  • „Human Life International“ errichtete eine „Baby Holocaust Gedenkstätte“ und der Gründer von Hli, Paul Marx meinte „Das größte Holocaust-Verbrechen aller Zeiten, den Krieg gegen ungeborene Babies, verüben...jüdische ÄrztInnen und jüdische Feministinnen!“

  • der Wiener Akademikerbund, der sich für die Aufhebung des Verbotsgesetzes aussprach

  • Pegida, an deren Aufmärschen gewaltbereite Neonazis und diverse Rechtsextreme teilgenommen haben

  • diverse christliche bzw. katholische Organisationen, die für ein „christliches“ Österreich eintreten

Darunter finden sich auch solche, die den Holocaust verharmlosen.

Unter den TeilnehmerInnen der letzten Jahre waren auch die neonazistische und antisemitische Europäische Aktion (gegründet vom Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub), Neonazis und Hooligans aus Osteuropa, darunter von der polnischen Organisaton Wiedeńska Inicjatywa Narodaowa (Nationale Initiative Wien), die 2015 einen Vortrag des jüdischen Holocaust-Überlebenden Zygmunt Bauman störten.

Es droht eine ähnliche Situation – oder Schlimmeres - wie am Ballhausplatz, als das Deserteursdenkmal von Rechten als Rednerbühne missbraucht wurde.

Sonja Grusch, Sprecherin der Sozialistischen LinksPartei SLP, zeigt sich besorgt: „Das sind keine harmlosen Spinner, sondern da nehmen auch gewaltbereite Rechtsextreme und Neonazis, Holocaustleugner und Antisemiten teil. Es droht nicht nur eine Schändung des Denkmals, sondern auch Übergriffe auf all jene, die die Rechte von Frauen, LGBTQ-Personen und Nicht-ChristInnen verteidigen.“

Die SLP tritt gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen und Initiativen gegen diesen gefährlichen Aufmarsch auf: Wir treffen uns um 13.00 am Stephansplatz - kommt zahlreich!

https://www.slp.at/broschueren/volle-selbstbestimmung-f%C3%BCr-frauen-das-recht-auf-schwangerschaftsabbruch-und-kostenlose
 

 

Blutige Kleiderbügel

Die Angriffe auf Frauenrechte nehmen zu – in Polen, aber auch hierzulande!

Nachdem in Polen die Regierung Abtreibung komplett verbieten wollte, gingen die Frauen in Massen dagegen auf die Straße. Auch in Wien gab es Proteste. Hier hatte die Kampagne „Nicht mit mir“ zur Kundgebung vor der Botschaft aufgerufen. Viele Organisationen und Initiativen, auch der „Kongress polnischer Frauen in Österreich“, hatten sich angeschlossen.
Über 100 Menschen trafen sich, um auf die Gefahr eines Verbotes und die Missstände, die es schon jetzt in Polen gibt, hinzuweisen. Teilnehmerinnen kamen mit Stricknadeln, blutigen Händen und brachten Kleiderbügel mit, die das Symbol der Bewegung in Polen sind.
Denn auch heute noch haben Frauen in Teilen der Welt keinen Zugang zu sicheren Abtreibungen. Hunderttausende Frauen erleiden Jahr für Jahr bleibende Schäden, zehntausende überleben diese nicht. Diese Frauen sind Opfer eines Systems, in dem sie oft noch immer nicht mehr zählen als ein Brutkasten.
Aktivistinnen von “Nicht mit mir” betonten auch, dass viele Frauen, auch solche die abtreiben, sich eigentlich Kinder wünschen. Aber in einer Welt, in der Kinder oft Luxus sind, wird vielen Frauen die Entscheidung genommen.
Deswegen fordern wir neben dem Recht auf kostenlose Verhütung und Abtreibung auch kostenlose Kinderbetreuung, leistbare Wohnungen und gut bezahlte Jobs. Damit die Entscheidung, ob Kinder oder keine, wirklich alleine getroffen werden kann.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Polen: “Frontalangriff auf Frauenrechte”

Interview zu den Protesten für das Recht auf Abtreibung

Spätestens am 9. April wurde es international bekannt, als in zahlreichen Ländern Menschen in Solidarität mit der polnischen Frauenbewegung auf die Straße gingen. Führende Personen aus der rechtspopulistischen Regierungspartei PiS und der katholischen Kirche wollen ein absolutes Abtreibungsverbot. Dagegen hat sich eine neue Bewegung von Fraueninitiativen und Linken gegründet. Als Symbol der Proteste dient ein Kleiderbügel, der für jene illegale Abtreibungsmethode steht, zu der Frauen vor über hundert Jahren gezwungen waren zu greifen.

Wir sprachen mit Basia Poniatowska, einer Frauenrechtsaktivistin aus Warschau und Paul Newberry von Alternatywa Socjalistyczna, der polnischen Schwesterorganisation der SLP.

Basia, um zu verstehen, was gerade bei euch passiert, ist es ersteinmal hilfreich zu wissen, wie die aktuelle rechtliche Situation für Abtreibung in Polen aussieht. Kannst du uns das kurz erklären?

Basia: Das aktuell gültige Abtreibungsgesetz wurde 1993 verabschiedet. Bereits über die vier Jahre zuvor hatte die polnische Kirche kontinuierlich Druck aufgebaut, sodass das Sejm, das polnische Parlament, schließlich eine Entscheidung fällen musste. Damals galt die Einschränkung des Rechts auf Abtreibung bereits als “Kompromiss”. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Versuche, die Gesetzeslage zu verändern. Aber weder Abtreibungsgegner noch -befürworter konnten sich über die Jahre durchsetzen.

In den folgenden drei Fällen ist heute eine Abtreibung legal. Erstens: Wenn die Schwangerschaft das Leben der Frau gefährdert. Zweitens: Wenn festgestellt wird, dass das Kind unheilbar krank oder behindert zur Welt kommt. Beide Punkte gelten bis zu dem Moment, in dem das Kind in der Lage ist, außerhalb des Körpers der Mutter zu überleben. Drittens: Wenn die Frau durch Vergewaltigung oder Inzest schwanger wurde. Das Recht auf Abtreibung besteht letztlich allerdings nur auf dem Papier. Hebammen, Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Apothekerinnen und Apotheker können sich aber auf eine sogenannte “Gewissensklausel” berufen und die Hilfe zur Abtreibung ablehnen. Diese Klausel kann auch dazu genutzt werden, dass Apotheken keine Verhütungsmitteln verkaufen.

Über welche Verschärfung des Abtreibungsgesetzes wird jetzt diskutiert?

Basia: Der Episkupat, also der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, hat von der herrschenden PiS-Regierung ein absolutes Abtreibungsverbot gefordert. Damit wären die eben genannten Ausnahmen hinfällig. Seiner erklärten Vorstellung nach, sollten statt dem Recht auf Abtreibung Maßnahmen getroffen werden, dass sich um die Eltern von behinderten Kindern, die Kinder selbst und die Opfer von Vergewaltigungen gekümmert wird. Die Abtreibungsgegner der Organisation “Pro Prawo do Zycia” (“Recht auf Leben”, Anm. d. Übers.) hatten am selben Tag einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt.

Premierministerin Beata Szydło und Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der Repierungspartei PiS sowie Vertreter der Organisation “Pro Life” erklärten, dass sie den Entwurf grundsätzlich befürworten. Die Ehefrau des Präsidenten Duda hatte trotz mehrfacher Anfragen sich nicht zu dem Gesetzesentwurf geäußert und somit zum Ausdruck gebracht, dass Frauenrechte in Polen sie nicht groß interessieren. Ähnlich ignorant zeigten sich auch die staatlichen Medien, die über die stattfindenden Proteste gegen die Verschärfung alles andere als objektiv berichteten und eine Propagandaoffensive für das Vorhaben von “Recht auf Leben” starteten.

Wir dagegen sehen den Entwurf als einen nicht hinzunehmenden Frontalangriff auf Frauenrechte.

Gegen das Vorhaben hat sich in den letzten Wochen eine neue Bewegung von Frauen entwickelt. Paul, wie ist diese entstanden und welche Rolle spielt die polnische Linke dabei?

Paul NewberryPaul: Als 1993 das Abtreibungsgesetz in Polen eingeführt wurde, gab es bereits Proteste. In Umfragen waren etwa 70 Prozent der Befragten gegen eine Einschränkung des Rechts auf Abtreibung. Sie verteidigten damit auch die damals herrschende Regelung, die Abtreibung “aus sozialen Gründen” grundsätzlich erlaubte. Wie Basia bereits erklärte, gab es über die Jahre immer wieder Versuche, ein umfassendes Verbot durchzudrücken. Aber jedes Mal gingen Frauengruppen und Linke auf die Straße, um das zu verhindern. Bevor PiS im Herbst an die Macht kam, versuchte die PO-Regierung bereits ein absolutes Abtreibungsverbot einzuführen. Auch damals gab es Demonstrationen gegen diese Pläne. Über die Jahre nahmen die Teilnehmerzahlen jedoch immer weiter ab. Auch die öffentliche Meinung veränderte sich – es gab eine wachsende Akzeptanz gegenüber der geltenden restriktiven Gesetzgebung. Das kommt nicht von ungefähr. Jahrelang wurde die öffentliche Debatte über dieses Thema fast ausschließlich durch die Kirche und rechte Parteien geprägt. Der Religionsunterricht, der in den frühen 1990er Jahren eingeführt wurde, hat breitere Schichten der Jugend geprägt. Aber trotz dem, was einige Meinungsumfragen vermuten lassen, ist wahrscheinlich immer noch die Hälfte der Gesellschaft für eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes.

Die Gesetzesvorlage, die auch von der Wortführern der rechten PiS-Regierung befürwortet wird, hat einen wahren Sturm der Empörung ausgelöst. Eine neue Bewegung von Frauen (und auch vieler Männer) ist entstanden, die ihrer Wut gegen die Heuchelei von Pro-Life, PiS und der katholischen Kirche einen Ausdruck verleiht.

Einige Aktivistinnen gründeten eine Facebook-Gruppe, die innerhalb einiger Tage auf 90.000 Mitglieder angewachsen ist – Dziewuchy dziewuchom (“Weiber für Weiber”, Anm. d. Übers.). Diese Gruppe hat ein enormes Mobilisierungspotential. Allerdings ist sie bis jetzt nicht in der Lage, die politische Führung für die Bewegung darzustellen, die diese benötigt.

Die erste Demonstration am 3. April 2016 wurde von der neuen polnischen Linkspartei Razem organisiert, die sich an der spanischen Podemos orientiert. Während in den Vorjahren neben dem alljährlichen Frauentag nur 50 bis 100 Menschen zu Demos kamen, folgten dem Aufruf an diesem Tag 7.000 Menschen! Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren unorganisiert und das erste Mal auf solch einer Demonstration.

Die nächste Demonstration am Samstag, den 9. April, wurde von einem Bündnis linker Organisationen und Frauengruppen auf die Beine gestellt. Über 70 Organisationen sind hier versammelt, auch all jene, die in den letzten Jahren für Frauenrechte gekämpft haben. Das Bündnis “Porozumienie Odzyskaj Wybór” (“Für die Wiedereinführung des Selbstbestimmungsrechts”, Anm. d. Übers.) steht für die Liberalisierung des bestehenden Gesetzes.

Aufgrund der Anti-Parteien-Stimmung und der Angst vieler OrganisatorInnen, dass neoliberale Oppositionskräfte die Bewegung für ihre Zwecke missbrauchen könnten, definiert sich das Bündnis offiziell als unpolitisch. Politische Parteien, Logos, Banner und Fahnen sind auf den Demos nicht erlaubt. Trotzdem sind wir als Alternatywa Socjalistyczna Teil der Bündnisstruktur, weil wir glauben, dass diese einen wichtigen Ansatzpunkt darstellt, eine starke linke Frauenbewegung aufzubauen, die für tatsächliche Veränderungen kämpfen kann.

Ist es möglich PiS und Co. bei ihrem Vorhaben zu stoppen?

Paul: Im Gegensatz zu dem neuen Bündnis Porozumienie Odzyskaj Wybór ist die Facebook-Gruppe Dziewuchy Dziewuchom organisatorisch zwar breiter aufgestellt, aber dafür auch politisch relativ begrenzt.

Es gibt in der Gruppe zahlreiche Diskussionen darüber, was die nächsten Schritte sein könnten. Aber es scheint dort vor allem viel Unklarheit zu geben. So argumentieren manche, dass wir nicht mehr über Liberalisierung des Gesetzes reden sollten, weil das angeblich Leute abschreckt. Oder dass die Bewegung auf den Kampf gegen das absolute Abtreibungsverbot beschränkt sein sollte. Tatsächlich gibt es sogar Leute, die zwar für Abtreibung sind, aber nur unter den bereits heute geltenden Einschränkungen.

Wir meinen hingegen, dass eine Konzentration nur auf die Frage eines völligen Verbots, also die alleinige Verteidigung des Status Quo eine Strategie ist, die nur zu einer Niederlage führen kann. Das wäre wie vor den Argumenten der Rechten zu resignieren, statt den Kampf aufzunehmen. Stattdessen sollte die Verzweiflung all jener Frauen öffentlich gemacht werden, die zu tausenden oder zehntausenden ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen, weil es kein wirkliches Recht auf Abtreibung gibt.

Wir fordern die Aufhebung aller Beschränkungen und kostenlosen Zugang zur Abtreibung. Wir fordern eine gute und kostenlose Gesundheitsversorgung für alle Frauen, ohne dass der Arzt “aus religiöser Überzeugung” eine Behandlung ablehnt. Wir erklären, dass viele ungewollte Schwangerschaften dadurch verhindert werden könnten, wenn es freien Zugang zu Verhütungsmitteln gibt. Statt Religionsunterricht in der Schule sollte es Aufklärung und Sexualkunde geben. Wir fordern, dass Frauen eine freie Wahl haben sollten, ob sie ein Kind bekommen wollen oder nicht. Viele entscheiden sich für eine Abtreibung, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können, ein Kind groß zu ziehen oder weil es an Kindergarten- oder Krippenplätzen mangelt. Wir fordern einen kostenfreien und eine garantierten Platz in einem Kindergarten, einer öffentlichen Krippe und Vorschule sowie den kostenfreien Zugang zu künstlicher Befruchtung durch die Methode der In-Vitro-Fertilisation (IVF).

Natürlich sollte das nicht das Ende eines solchen Forderungskatalog sein, denn es gibt noch mehr, was wir thematisieren sollten. Wichtig ist es aber, dass die Gewerkschaften sich in diese Auseinandersetzung einmischen.

Frauen sind ein essentieller Bestandteil der arbeitenden Bevölkerung in Polen. Immer mehr von ihnen sind gewerkschaftlich organisiert und sie gehören zu den kämpferischsten Schichten. Es ist notwendig männlichen Gewerkschaftsmitgliedern deutlich zu machen, mit welchen Problemen ihre Kolleginnen konfrontiert sein können. Wenn dies geduldig und ausführlich erklärt wird, verbunden mit dem oben ausgeführten Programm, dann ist es möglich, viele Gewerkschaftsmitglieder davon zu überzeugen, sich dem Kampf für Frauenrechte anzuschließen.

Wir von Alternatywa Socjalistyczna sind der Auffassung, dass eine Massenkampagne rund um dieses Thema schon bald die Mehrheit der Gesellschaft überzeugen könnte, die Forderung nach Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes zu unterstützen. Kaczyński und seine PiS-Partei würden gezwungen sein, ihre Pläne für ein völliges Abtreibungsverbot fallen zu lassen. Und die Bewegung würde weitergehen und für das uneingeschränkte Recht auf Abtreibung kämpfen.

Natürlich wird die Regierung nicht einfach so für die Liberalisierung stimmen, aber eine massenhafte Bewegung hinter einem solchen Programm wäre ein riesiger Schritt vorwärts um solche Veränderungen in der Zukunft durchzusetzen.

Wie können wir die Bewegung für das Recht auf Abtreibung unterstützen?

Paul: Internationale Unterstützung jeglicher Art, Proteste im Ausland vor polnischen Botschaften oder eine einfache Nachricht in Richtung der Bewegung können einen großen Effekt haben, die Moral zu stärken oder dazu beitragen, die Isolation zu durchbrechen, der einige Aktivistinnen und Aktivisten im Alltag ausgesetzt sind.

Es bestärkt uns und kann uns Kraft geben, wenn wir sehen, dass auch in anderen Ländern Leute es gut finden, was wir hier leisten. Am 9. April, als es in zahlreichen Ländern internationale Protesten in Solidarität mit der Bewegung hier gab, waren wir sehr beeindruckt.

Die Beispiele aus anderen Ländern, wie die irische ROSA-Kampagne zur Abschaffung des Abtreibungsverbots durch das sogenannte “8th Amendement”, inspirieren uns und geben Kraft, auch in dunklen Zeiten für Verbesserungen im Hier und Jetzt zu kämpfen. Tatsächlich können sich dadurch die Dinge veränderen, so wie wir es auch gerade miterleben.

Die Fragen stellten Marta Mykietyszyn und Sebastian Förster.

Weitere Infos auch hier:

Facebook-Gruppe des Bündnisses Porozumienie Odzyskaj Wybór

Website von Alternatywa Socjalistyczna

 

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