Hausarbeit und marxistische Wirtschaftstheorie

Die „Haussklaverei“ der Frauen wird durch die aktuelle Krise des Kapitalismus verstärkt – sozialistische Analyse und Antworten.
Sonja Grusch

Gerade ältere Frauen sind oft von Armut betroffen. Ein großer Teil der von ihnen geleisteten Arbeit findet nur geringe Wertschätzung (v.a. finanziell), nämlich Hausarbeit und Kindererziehung, was sich in mageren Frauenpensionen ausdrückt. Auch 2017, auch im „aufgeklärten“ Österreich wird Frauenarbeit egal ob bezahlt oder unbezahlt in Haushalt und Familie gering geschätzt und noch weniger bezahlt.

Die Fakten:

  • Österreichische Frauen leisten 22 Stunden/ Woche Hausarbeit, im Schnitt mindestens doppelt soviel wie Männer.

  • Insgesamt werden in Österreichs Haushalten 5 Wochen im Jahr mit Hausarbeit ausgefüllt.

  • Die meiste Zeit nimmt das Kochen mit 4,2 Stunden in der Woche in Anspruch. Dahinter reihen sich Geschirrreinigen (3,5 Stunden) und Aufräumen (3 Stunden). Eine Stunde bis eineinhalb Stunden werden jeweils fürs Bügeln, Wäschewaschen, Staubsaugen und Bettenmachen verwendet.

  • 9,7 Milliarden Stunden werden jährlich für unbezahlte Tätigkeiten, wie Hausarbeit, Kinderbetreuung, die Pflege von Kranken oder ehrenamtlicher Arbeit aufgewendet. Zwei Drittel davon leisten Frauen, ein Drittel Männer.

  • Hausfrauen sind besonders oft von Burn-Out und Depressionen betroffen und oft unzufrieden mit ihrem Leben. Das liegt auch in der Art der Hausarbeit, die eintönig und isoliert ist. Es wird im Wesentlichen ein Zustand erhalten (Sauberkeit), die meist beliebteste Tätigkeit ist nicht zufällig auch die schöpferischste, nämlich das Kochen. Auch bekommt „die Hausfrau“ noch am ehesten Anerkennung für ein gutes Essen, dass die Wäsche sauber im Kasten liegt wird meist einfach zur Kenntnis genommen. Es ist daher auch kein Wunder, wenn „nur“ Hausfrauen sich Felder suchen, in denen sie sich „verwirklichen“ können. Sei das ein Schmücken der Wohnung, ein kreatives „Hobby“ etc. Und es ist auch kein Wunder, wenn Phobien und Zwangsstörungen zu den typischen „Hausfrauenkrankheiten“ gehören.

Das „junge“ Bild der Hausfrau

Historisch war die Arbeit von Frauen zum Erhalt der Familie eine sehr weit gestreute. Es gab meist keine Trennung von Haus- und Warenproduktion. Es wurde gleichzeitig und dasselbe und von denselben Menschen (also auch Frauen) das für das Überleben nötige sowie auch Waren für den Verkauf produziert (v.a. in Bezug auf Nahrung und Kleidung). Auch in Handwerksbetrieben waren die Grenzen weit fließender als heute. Auch räumlich waren daher Hausarbeit und „Erwerbsarbeit“ nicht bzw. kaum getrennt. Die Familie stellte also quasi eine Produktionseinheit dar. Mit der Industrialisierung wurden große Teile dieser Arbeit aus dem Haushalt ausgelagert und zugekauft. V.a Nahrung und Kleidung wird zunehmend industriell produziert und als fertiges Produkt zugekauft. Die Hausarbeit wird auch räumlich völlig vom Beruf getrennt (Ausnahmen gibt es, auch in manchen Bereichen einen Trend in die andere Richtung, aber im Großen und Ganzen sind heute beide Bereiche getrennt).

Somit ist auch das „moderne“ Bild der Hausfrau, die mit einem Voll-Berufstätigen Mann und Kindern lebt, zuhause bleibt und den Haushalt führt ist relativ jung. So lebt(e)(e) immer nur eine relativ kleine Schicht von Frauen der Bourgeoise wobei hier viele auch die Hausarbeit an Dienstboten auslagerten, und nur in einer kurzen Ausnahmeperiode im Nachkriegsboom auch Frauen der ArbeiterInnenklasse in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Die US-amerikanische Sozialistin Angela Davis führt z.B. an, dass schwarze Frauen in den USA eigentlich nie „nur“ Hausfrauen waren, sondern stets auch Sklaven- bzw. Lohnarbeit verrichtet haben. Auch die Aufgaben dieser Hausfrau, die perfekte saubere Wohnung, die perfekten wohlerzogenen Kinder etc. sind ein relativ junges Bild, das durchaus auch künstlich geschaffen wurde. Die Ansprüche an z.B. Sauberkeit steigen laufend und führen dazu, dass im Haushalt trotz technischer Hilfsmittel wie Waschmaschine, Geschirrspüler oder Staubsauger mehr und nicht weniger Stunden gearbeitet wird. Studien zeigen auch, dass die Hausarbeit sogar zunimmt, auch durch die kleineren Haushaltsgrößen, wo in jedem kleinem Haushalt jede Arbeit separat geleistet werden muss. Das Kapital befindet sich durch Industrialisierung und Kapitalismus bezüglich Frauenarbeit in einem Dilemma: einerseits wird weibliche Arbeitskraft in Form von Lohnarbeit (also als Arbeiterin oder Angestellte in einem Unternehmen) benötigt. Andererseits zerstört genau das die Familie in ihrer für das Kapital notwendigen Form (mehr dazu später). Darum wird von Seiten des Kapitals durchaus auch ein Aufwand betrieben, um ideologisch das Bild von Frauen und Familie aufrecht zu erhalten. Denken wir nur an unzählige Magazine, Serien und Filme die trotz aller Modernheit letztlich doch die Vater-Mutter-Kind(er) Kleinfamilie als das zum Glücklichsein nötige Modell anpreisen.

Die Debatte beginnt

Auch in der ArbeiterInnenbewegung herrscht(e) lange ein sexistisches Klima, die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen war kaum ein Thema, Frauen wurden als Konkurrenz oder auch unreif verstanden. Die Doppel- und Dreifachbelastung von Frauen mit Arbeit, Haushalt und Familie wurde kaum thematisiert, in den linken Organisationen sogar weiter betrieben. Auch der Stalinismus setzte bewusst auf ein „bürgerliches“ Frauenbild, der Frau als Mutter und auf ein patriachales Familienbild das im Interesse der Bürokratie war, die sie als Instrument zur sozialen Kontrolle brauchte.

Dem stand ein wachsendes Selbstbewußtsein von Frauen gegenüber, die im Zuge des Nachkriegsaufschwunges in Massen in die Erwerbsarbeit eingetreten waren. Der Aufschrei von linken Frauen die auch im Zuge der `68er Bewegung, der Teilnahme an Bewegungen wie der Bürgerrechtsbewegung in den USA oder der Unterstützung für nationale Befreiungsbewegungen politisiert worden waren ist also absolut verständlich. In dieser Zeit entstand auch eine Debatte über die „Hausarbeit“ und ihre soziale und ökonomische Bedeutung sowie die daraus entstehenden politischen Konsequenzen.

Ausgang der Debatte ist der 1972 von der italienischen Feministin Mariarosa Dalla Costa veröffentlichte Artikel „Die Frau und der Umsturz der Gesellschaft“. Eine zweite Ebene der Debatte fand rund um einige ab 1974 erschienene Artikel von Wally Secombe, Jane Gardiner u.a. im Theoriemagazin New Left Review statt. Eine dritte Ebene durch die Gruppe der Bielefelderinnen, eine Gruppe von Entwicklungssoziologinnen. Ein wesentlicher Teil der Debatte war der Versuch, Hausarbeit in die marxistische Wirtschaftstheorie zu integrieren bzw. aufzuzeigen, dass diese hier einen „blinden Fleck“ hätte. Hausarbeit ist „unbezahlt, unsichtbar und isoliert“ – und das würde im Marxismus fortgeführt. Die Debatte war stark vom Erleben eines stalinistisch geprägten Marxismusbildes geprägt, dass Frauenfragen zum „Nebenwiederspruch“ degradierte. Mit der Arbeit von Marx und Engels bzw. jener der Bolschewiki unmittelbar nach der Oktoberrevolution hat das allerdings wenig zu tun. Der Stalinismus ist daher auch mitverantwortlich für die Trennung der Frauenbewegung von der ArbeiterInnenbewegung! Die Debatte stieß sich auch an der marxistischen Terminologie, die scheinbar zu einer Entwertung der von Frauen geleisteten Hausarbeit führt.

Hausarbeit bei Marx und Engels

Bei Marx und Engels findet sich wenig und kaum explizites zur Hausarbeit. Die Lage von Frauen, sowohl im Haushalt als auch in der Erwerbsarbeit findet sich allerdings sehr wohl wie z.B. in der „Lage der arbeitenden Klasse in England“, der „Deutschen Ideologie“ und natürlich im „Ursprung der Familie“. Beide haben die veränderten Familien- und Lebensumstände auch von Frauen behandelt, waren sich des Themas also bewusst.

Das ökonomische Hauptwerk von Marx und Engels beschäftigt sich v.a. mit einer Analyse des Kapitalismus und nicht der einfachen Warenproduktion. Die Hausarbeit wird hier im Wesentlichen indirekt, im Rahmen der Frage der Reproduktion der Arbeitskraft, behandelt. Da Marx und Engels ihr Hauptwerk, das „Kapital“ nicht fertigstellen konnten ist offen, ob eine intensivere Auseinandersetzung mit Reproduktion bzw. Hausarbeit vorgesehen war.

Die feministische Kritik stößt sich an mehreren Punkten:

  • Oberflächlich daran, dass Marx und Engels einfach wenig dazu gesagt haben. Die Kritik wird hier formuliert z.B. dass hier „ein blinder Fleck“ existiere, dass das Thema „in Fußnoten“ ausgelagert sei oder dass nur von Reproduktion, aber nicht von „Reproduktionsarbeit“ die Rede ist.

  • An der „Wert“frage, also ob Hausarbeit Mehrwert erzeugt bzw. an der Mehrwertproduktion beteiligt ist.

  • An der „Ausbeutungs“frage, also ob Frauen als Hausfrauen ausgebeutet werden.

Zum Verständnis der Debatte bzw. der Materie folgend einige Eckpunkte marxistischer Theorie:

Als Arbeit wird im Marxismus nicht einfach nur die Verausgabung von Arbeitskraft definiert, sondern es geht um allgemein nützliche Arbeit. Es geht also v.a. auch um die Vergrößerung des gesellschaftlichen Reichtums (und damit verbunden natürlich auch die Frage der Verteilung desselben). Bei der einfachen Warenproduktion ist die Vergrößerung des gesellschaftlichen Reichtums im Vergleich zur kapitalistischen Warenproduktion kaum vorhanden.

Nützliche Arbeit wird definiert als solche, die zur Herstellung von Gebrauchswerten dient. Das „angenehme“ Zuhause das eine Hausfrau schafft ist kein Gebrauchswert und ist somit im Sinne von Marx und Engels keine „nützliche“ Arbeit.

Produktive Arbeit wird als solche definiert, die in den kapitalistischen Produktionsprozess eingebunden ist und Mehrwert erzeugt. Ein großer Teil der ArbeiterInnenklasse ist also „unproduktiv“ im Marxschen Sinne, wie z.B. alle Bediensteten, und eben auch Hausfrauen da keine zusätzlicher, kein Mehrwert erzeugt wird.

Der Wert einer Ware definiert sich durch die darin geronnene gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Dieser drückt sich in der vergegenständlichten abstrakten Arbeit aus (also der zur Erzeugung nötigen Arbeit). Das gilt auch für die Ware Arbeitskraft. Der Wert der Ware Arbeitskraft drückt sich in den Reproduktionskosten aus. Also der zur Herstellung der Klasse der ArbeiterInnen (also auch ihrer Kinder) nötigen Arbeit (die Reproduktionskosten beinhalten ein physisches Element, dass quasi nur das physische Überleben der Arbeitskraft sichert sowie ein historisches Element, dass den in Klassenkämpfen darüberhinaus erkämpften Lebensstandard bezeichnet). Der Begriff „Reproduktion‘“ weißt auch darauf hin, dass hier kein zusätzlicher Wert geschaffen wird, sondern nur der vorherige Wert wieder hergestellt wird – im Unterschied zur Lohnarbeit in einem kapitalistischen Produktionsverhältnis.

Hier wird darüber diskutiert, ob Marx auch die Arbeit der Hausfrau zu den Reproduktionskosten zählt oder nur zugekaufte Waren wie Kleidung, Lebensmittel etc. Marx merkt in einer Fußnote an, dass die Löhne höher sein müssen, wenn mehr „Hausarbeit“ zugekauft werden muss weil z.b. mehr Frauen berufstätig sind. Auch gehört zu den Reproduktionskosten der Erhalt der Familie, nicht nur der unmittelbaren Arbeitskraft – wobei das auch nicht immer stimmt, es kann auch billiger sein, diese Leistung durch z.B. billige ausländische Arbeitskräfte zuzukaufen (Au Pair Mädchen, Putzfrauen, Hausangestellte etc.).

Secombe argumentiert, dass die Arbeit der Hausfrau notwendig ist um die Ware Arbeitskraft aufrecht zu erhalten und insofern auch Werte schafft (auch wenn sie nicht in direkter Beziehung zum Kapital steht). Hausarbeit sei in diesem Sinne unproduktive, aber wertschaffende Arbeit wie auch jene von z.B. Köchen, Putz- und Haushaltsbeschäftigte. Gardiner stellt die sehr starke Abhängigkeit der Frau von ihrem Ehemann ins Zentrum erklärt aber auch, Hausarbeit selbst schaffe keinen Wert, leiste aber einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung von Mehrwert, weil sie die Reproduktionskosten senkt. Coulson, Magas und Wainwright argumentieren, dass durch Hausarbeit keine Waren, sondern Gebrauchswerte produziert werden die unmittelbar konsumiert werden, also kein Wert produziert wird (sie gehen die Sache also über die von der Hausfrau produzierten unmittelbaren Produkte wie Essen etc an, nicht über die Ware Arbeitskraft). Verwirrend ist in der gesamten Debatte, dass die Begriffe Wert Mehrwert, Gebrauchswert, Tauschwert oft unklar verwendet werden und ein starkes moralisches Element mitschwingt ganz nach dem Motto „wenn die Arbeit von Hausfrauen doch so anstrengend ist, wie kann sie denn dann keinen Wert schaffen?“.

Der Marxismus zeigt auf, dass die Ware Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit gekauft wird, aber nur die zur Reproduktion nötige Geldsumme als Lohn (dessen Höhe neben dem physischen auch ein historisches Element hat) bezahlt bekommt – die Differenz ist der Mehrwert. Die Ware Arbeitskraft schafft somit als einzige Ware einen zusätzlichen Wert. Hausarbeit im Gegensatz dazu stellt im wesentlichen den vorherigen Zustand wieder her, sie reproduziert die Ware Arbeitskraft, schafft aber selbst keine zusätzlichen Werte.

Die Rate der Ausbeutung hängt vom Verhältnis der unbezahlten Mehrarbeit zur bezahlten Arbeit (=Reproduktionskosten) ab. In diesem Sinne findet bei Hausarbeit keine Ausbeutung statt. Dass Frauen auch im Haushalt und in der Familie in ausbeuterischen Verhältnissen leben wird von MarxistInnen nicht bestritten, im Gegenteil wird ja die Befreiung von dieser gefordert und erkämpft.

Die „Bielefelderinnen“, also Veronika Brennholdt-Thomsen, Maria Mies, Claudia von Werlhof, finden das Marxsche Vokabular für ungeeignet und definieren daher neue Begrifflichkeiten wobei sie gleichzeitig auch die Haus- und Reproduktionsarbeit ins Zentrum rücken (statt der Lohnarbeit bei Marx). Argumentiert wird dies u.a. damit, dass Lohnarbeit weltweit nicht die häufigste Form von Arbeit ist. Das stimmt zwar , ändert aber nichts daran, dass kapitalistische Lohnarbeit dennoch die zentrale weil einzige mehrwertschaffende Form ist. Die neuen von ihnen geschaffenen Begriffe (Substistenproduktion=Schaffung und Erhalt von Leben und Hausfrauisierung=Entwertung auch weiblicher Erwerbsarbeit als leicht, Freizeitbeschäftigung etc) halten sie aber nicht für klar definiert und damit unveränderlich, sondern „sie entfalten sich lebendig mit unseren Kämpfen und unserem Nachdenken darüber“. Sie stehen im Gegensatz zu orthodoxen „ewig wahren“ (männlichen) Auffassungen von Begriffen. Eine unklare und sogar sexistische Argumentation.

Auch wenn viele, fragliche und auch widersprüchliche Analysen gezogen wurden, so gibt es doch einige für die praktische Arbeit und das Verständnis der Lage von Hausfrauen wichtige Erkenntnisse:

  • Wieviel Zeit die Hausfrauen für ihre Arbeit brauchen ist weitgehend irrelevant (außer in Aufschwungzeiten wo sie als Arbeitskraft benötigt werden). Technischer Fortschritt ist in diesem Bereich daher gering bzw. wiegt die gesteigerten Anforderungen nicht auf. Auch mit den modernsten technischen Hilfsmittel endet der Arbeitstag der Hausfrau nie. Auch ist eine Automatisierung der Hausarbeit von Seiten des Kapitals nicht erwünscht, weil diese zumindest teilweise mit einer Vergesellschaftung einherginge, die die Kleinfamilie überwinden würde. Eine Automatisierung z.B. von Putzen, Waschen, Kochen rechnet sich nicht für einzelne Haushalte, sondern nur in größeren Einheiten. Die Kleinfamilie ist außerdem ein Absatzmarkt – wenn jede Familie einen eigenen Staubsaug-Roboter hat, werden viel mehr verkauft!

  • Hausfrauenarbeit wird als „leicht“ und „ungelernt“ diffamiert und abgewertet und damit werden auch die Beschäftigten in diesen Bereichen (meist ebenfalls Frauen) mit Hungerlöhnen abgespeist. Oft wird Frauenarbeit als „Dazuverdienst“ abgewertet, die 1) nicht ordentlich bezahlt werden „muss“ und 2) werden so Rollenbilder verfestigt weil z.B. Entwicklungshilfe für Frauen so aussieht, dass diese Mikrokredite für einen „Zuverdienst“ bekommen.

  • Die Systemstabilisierung durch die Hausarbeit: 1) nicht nur weil sie billig und kritiklos arbeiten, sondern auch, weil sie in Krisenzeiten helfen, trotz geringerem Lohn bzw. bei Arbeitslosigkeit die Ware Arbeitskraft fit zu halten. Reicht der Lohn des Mannes nicht mehr aus, dann wird wieder mehr selbstgemacht und weniger zugekauft, die Hausfrau muss dann noch mehr arbeiten. 2) in ihrer Funktion als „Sicherheitsventil“ um die Wut des Mannes über den Job aufzufangen und sogar ihn zum Arbeiten zu bringen um die Familie zu ernähren (Streikbrecher!). 3) weil sie Kinder zu künftigen Arbeitskräften erzieht die als Rädchen im System funktionieren.

Was heißt das für die Praxis?

Zentral ist, welche politischen Schlussfolgerungen aus der Debatte gezogen wurden:

  • Was muss verändert werden?

Wenn die Hausarbeit quasi als eigene, nicht durch den Kapitalismus bestimmte Produktionsweise verstanden wird dann werden Frauen als eigene quasi Klasse verstanden, die sich eigenständig und auch gegen die Männer organisieren muss. Die Hausarbeit ist z.B. für die Bielefelderinnen die zentrale Form im Kapitalismus neben der Lohnarbeit. Daraus ergibt sich auch ein anderes Ziel – ist die Abschaffung der Lohnarbeit und des Kapitalismus ist nicht mehr das zentral Kampfziel.

  • Wer ist das revolutionäre Subjekt?

Dalla Costa „alle Frauen sind Hausfrauen, unabhängig davon ob sie auch Lohnarbeit verrichten“ und gehören damit zur ArbeiterInnenklasse.

Auch andere argumentieren, dass Hausarbeit nicht mit dem Konzept der Arbeitswertlehre verstanden werden kann, darum quasi außerhalb des Kapitalismus stehe und daher auch die Frauenunterdrückung eine „relative Autonomie von der zentralen Axe kapitalistischer Produktion hat“. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der eigentständigen Organisierung von Frauen. Für die Bielefelderinnen sind Hausfrauen und SubsistenzarbeiterInnen das revolutionäre Subjekt (im Gegensatz zur ArbeiterInnenklasse für SozialistInnen), auch weil sie aufgrund der Gebährfähigkeit lebensbejahrender wären als Männer (was eine biologistische Erklärung ist). Im Zentrum steht als Folge die eigenständige Organisierung von Frauen und nicht der gemeinsame Klassenkampf.

Bei Hausfrauen sind Arbeitsplatz und Wohnung nicht getrennt, was zu Frustration führt und zu Isolierung und sich auch negativ aufs Klassenbewusstsein auswirken kann, da das gemeinsame Erleben, das Erkennen der Gleichheit der Probleme fehlt. Auch die Tatsache, dass es keine „Bezahlung“ für die eigene Leistung gibt wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein aus.

Hausfrauen stehen nicht an der Speerspitze der revolutionären Bewegung, eben weil sie isoliert sind und nicht Teil der gemeinschaftlichen Produktion (was sich auch auf das Bewusstsein ausdrückt). Eine ähnliche Frage stellte sich 1917 in Russland bezüglich der Frage des revolutionären Subjektes: können die Bauern, die ja viel mehr sind, nicht das revolutionäre Subjekt (also die Träger der Revolution) sein. Sie konnten es nicht, weil sie isoliert auf ihrem Land waren, ihnen das kollektive Erleben auch der eigenen Kampfkraft fehlte, dass die ArbeiterInnenklasse hat und das entscheidend für die Entwicklung auch ihres Klassenbewußtseins ist. Diese Analyse bedeutet allerdings nicht, dass Hausfrauen nicht auch ein wichtiger Teil des antikapitalistischen Kampfes sein können! Zahlreiche auch eigenständige Mobilisierungen von Frauen im Rahmen von größeren Klassenkämpfen zeigen das.

Übersehen werden darf auch nicht, dass der Großteil der Frauen der ArbeiterInnenklasse keineswegs „nur“ Hausfrauen sind, sondern eben auch LohnarbeiterInnen.

Die Forderung von Hausfrauenlohn (oder auch eines Bedinungslosen Grundeinkommens BGE) muss auch in Bezug auf das Bewusstsein betrachtet werden. Als SozialistInnen steht für uns die Forderung nach dem Recht auf einen Vollzeitjob im Zentrum, da das eine aktive Eingliederung in die ArbeiterInnenklasse bedeutet und sich positiv auch auf das Selbst- und Klassenbewusstsein auswirkt. Dalla Costa und mit ihr die „Lotta Feminista“ Gruppen in Italien führten eine Bewegung für einen staatlichen Hausfrauenlohn, Ziel war es die Hausarbeit damit zu verteuern. Ähnlich wie beim BGE besteht hier die Gefahr, die Hausarbeit bei den Frauen zu belassen und diese billig und damit gesellschaftlich nicht wertgeschätzt zu halten, anstatt diese insgesamt zu minimieren und zu vergesellschaften. Die Rollenbilder werden durch die Bezahlung von Hausarbeit nicht verändert.

  • Welche Kampfformen?

Dalla Costa ruft auf zum „Frauenkampf, innerhalb der Familie“, zur Verweigerung der Hausarbeit („Hausfrauenstreik“). Das Konzept ist, dass auch das Kapital ins Wanken gebracht werden soll, weil dann die Reproduktion der Arbeitskraft nicht mehr funktioniert. Der unmittelbare Adressat dieses Kampfes ist allerdings die eigene Familie, Mann und Kinder. Eine solche Kampfform legt die Verantwortung auf das Individuum. Aus der Arbeitswelt wissen wir: Streiks sind in Großbetrieben leichter als in kleinen, es hilft, den Kampf gemeinsam vorzubereiten, KollegInnen zu haben, die einen den Rücken stärken und auch eine Gewerkschaft. All das fehlt aber wenn die eigene Familie bestreikt wird. Der gesamte Druck, der auf kämpfende ausgeübt wird, muss mit einer solchen Kampfform von jeder einzelnen Hausfrau alleine bewältigt werden. Dass Gemeinsame, das die ArbeiterInnenklasse stark macht, fehlt.

Die Auseinandersetzung mit der Lebens- und Arbeitssituation von Frauen ist für SozialistInnen zentral. Es wird keinen erfolgreichen Kampf gegen Kapitalismus geben ohne Frauen. Die Debatte über Hausarbeit ist allerdings stark von den negativen Erfahrungen mit dem stalinistischem Sexismus und moralischen Bewertungen geprägt. Psychologische statt materialistischer Erklärungen dominieren bei einigen der AutorInnen. Die Debatte hat den Fokus auf die Lage von Hausfrauen gelegt und damit wichtige Erkenntnisse gebracht. In ihren Erklärungs- und Lösungsansätzen hat sie allerdings nicht geholfen, die Spaltung der ArbeiterInnenklasse entlang von Geschlechterlinien fortzusetzen. Sie ist letztlich die andere Seite der Medaillie des reformistischen bzw. bürgerlichen Sexismus der die ArbeiterInnenklasse gespalten hat. Doch diese Spaltung stellt eine Schwächung dar – eine Schwächung der ArbeiterInnenklasse als Ganzes und letztlich auch der Frauen der ArbeiterInnenklasse weil die Spaltung hilft, das existierende kapitalistische System zu stabilisieren.

Um die Frau aus ihrer Rolle als „Haussklavin“ (Lenin) zu befreien braucht es die Vergesellschaftung der Haus- und Erziehungsarbeit. Als SozialistInnen kämpfen wir daher dafür, dass es umfassende gesellschaftliche Angebote für die diversen Hausarbeiten gibt die Frauen (und auch Männern) die Möglichkeit gibt, sich davon zu befreien und sich mehr ins berufliche, gesellschaftliche und politische Leben einzubringen. Dazu gehören:

  • Kostenlose umfassende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung für jedes Kind mit Öffnungszeiten die an die Berufstätigkeit angepasst ist.

  • Das Recht auf ordentlich bezahlte Vollzeitjobs.

  • Kostenlose umfassende und qualitativ hochwertige Pflege – stationär, ambulant und in Wohnprojekten – um die Familien bei der Pflege von kranken und alten Familienangehörigen zu entlasten und um alten und pflegebedürftigen Menschen ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

  • Aufbau von preiswerten sozialen Einrichtungen in guter Qualität: Kantinen und Restaurants, aber auch Gemeinschaftswaschküchen und öffentliche Infrastrukturunternehmen die sich um Reinigung etc kümmern und wo qualifiziertes Personal mit ordentlicher Bezahlung arbeitet.

Auch im Rahmen des Kapitalismus können hier echte Verbesserungen erkämpft werden, wenn diese auch beschränkt sind, keineswegs allen Frauen zugänglich sind und auch wieder zurück genommen werden könnnen. Doch die Möglichkeit (nicht der Zwang) zur vollständigen Vergesellschaftung der Hausarbeit und die dazu notwendigen technischen Entwicklungen, finanziellen Mitteln und gesellschaftlichen Veränderungen sind nur mit der Aufhebung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln möglich. Nur eine Gesellschaft die die Bedürfnisse aller über die Profite weniger stellt kann auch das Ende der häuslichen Sklavenarbeit bringen.