Frauen und LGBT

8. März USA: Arbeiter*innenklasse-Frauen in der ersten Reihe

Erin Brightwell, Socialist Alternative (US-amerikanische Schwesterorganisation der SLP)

Frauen aus der Arbeiter*innenklasse haben in vielerlei Hinsicht die Hauptlast des katastrophalen Missmanagements der Coronavirus-Pandemie und der durch die Pandemie ausgelösten Rezession in den USA getragen. Frauen stehen als Krankenhausarbeiter*innen und Pflegekräfte an vorderster Front der Pandemie, sie haben unverhältnismäßig viele Arbeitsplätze verloren, und in vielen Gemeinden sind die Schulen seit fast einem Jahr nicht geöffnet, was eine Kinderbetreuungskrise für Millionen verursacht hat. Die Pandemie hat ein Licht darauf geworfen, welche Arbeiter*innen in der Gesellschaft wirklich unverzichtbar sind, und vor allem Arbeiter*innen im Gesundheits- und Bildungssektor führen Proteste an, um für notwendige Sicherheitsmaßnahmen sowohl für Arbeiter*innen als auch für ihre Patient*innen oder Schüler*innen zu kämpfen.

Für Menschen aus der Arbeiter*innenklasse und insbesondere für Frauen ist die Gründung einer Familie aus wirtschaftlicher Sicht schon immer katastrophal gewesen. Es gibt keinen garantierten bezahlten Erziehungsurlaub, keine universelle Kinderbetreuung oder Vorschule in den USA, und Frauen, die Kinder haben, sehen sich mit einem erheblichen finanziellen Nachteil für ihr zukünftiges Einkommen konfrontiert. Die Kinderbetreuungskrise durch die Pandemie hat in vielen Regionen die einzige universelle, kostenlose Dienstleistung, die Kinderbetreuung bietet, weggenommen: öffentliche Schulen, die Bildung, Mahlzeiten, körperliche Betätigung etc. anbieten.

Millionen von Menschen versuchen, von zu Hause aus zu arbeiten und sich gleichzeitig um die Kinder zu kümmern - oft eine unmögliche Aufgabe. Die anhaltende Krise der psychischen Gesundheit erschwert die Elternschaft, da die Kinder unter Isolation und Stress leiden, und unter den Müttern grassiert der Burnout. Für "systemrelevante" Arbeiter*innen, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, gibt es nur sehr wenige Möglichkeiten. Höher bezahlte Arbeiter*innen können sich vielleicht eine bezahlte Kinderbetreuung leisten, und manche haben Hilfe von weiteren Familienmitgliedern. Aber es gibt auch viele Kinder, die allein zu Hause bleiben, und sogar Berichte von Eltern, die ihre Kinder mit zur Arbeit bringen und sie in unbenutzten Räumen vor den Vorgesetzten verstecken müssen.  

Frauen wurden durch die hohe Arbeitslosigkeit und die fehlende Kinderbetreuung aus dem Berufsleben gedrängt, was die prozentuale Erwerbsbeteiligung von Frauen auf den Stand von 1988 zurückwirft. Die New York Times schätzt, dass eine Million Frauen aufgrund mangelnder Kinderbetreuung ihren Job aufgeben mussten. Frauen, die aus dem Berufsleben ausscheiden mussten verlieren ihr Einkommen - und die Zeit, die sie wegen der Kinderbetreuung nicht arbeiten, ist einer der Hauptgründe für das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Frauen werden für diese Krise noch jahrelang mit Lohneinbußen und verlorenen Aufstiegschancen im Job bezahlen.

Arbeitslosigkeit und die Kinderbetreuungskrise trifft Schwarze und Latina-Frauen härter als weiße Frauen. Schwarze und Latina-Mütter sind in höherer Zahl aus dem Berufsleben ausgeschieden - entweder weil fehlende Kinderbetreuung sie zum Aufhören zwingt oder weil sie entlassen wurden. Schwarze Frauen arbeiten auch häufiger an vorderster Front, was bedeutet, dass sie nicht die Möglichkeit haben, von zu Hause aus zu arbeiten.

Arbeiter*innen an vorderster Front

Vom Mangel an Schutzausrüstung bis hin zum Umgang mit dem emotionalen Trauma der Pflege von so vielen sterbenden COVID-Patient*innen waren die Arbeiter*innen im Gesundheitswesen während der Pandemie mit schrecklichen Bedingungen konfrontiert. Mindestens dreitausend Beschäftigte im Gesundheitswesen sind an COVID gestorben, aber die wahre Zahl ist nicht bekannt, da beschämenderweise keine zuverlässigen landesweiten Statistiken geführt werden. Inmitten der kriminellen und unmenschlichen Bedingungen haben die Arbeiter*innen, vor allem Krankenpfleger*innen, den Kampf für die Sicherheit am Arbeitsplatz angeführt. Krankenpfleger*innen haben Demonstrationen und Streiks abgehalten, und die Gewerkschaft National Nurses United berichtet von fast doppelt so vielen neuen Mitgliedern im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019. In einem Land, in dem die privatisierte Gesundheitsversorgung eine atemberaubende Ungleichheit schafft, werden Arbeitnehmer*innen und Patient*innen von einer stärker gewerkschaftlich organisierten Belegschaft im Gesundheitswesen profitieren. Die Krankenpfleger*innen-Gewerkschaft hat sich an die Spitze des Kampfes für ein Medicare-For-All-Gesundheitssystem gestellt, das eine kostenlose Gesundheitsversorgung für alle bieten würde und in der Gesellschaft auf breite Zustimmung stößt.

Der Aufschwung an Streiks der letzten Jahre wurde durch Schließungen und Arbeitsplatzverluste im Jahr 2020 durchkreuzt. Dennoch standen Frauen an der Spitze der Streikenden, wobei Arbeiter*innen aus dem Bildungs- und Gesundheitswesen 75% der Arbeiter*innen in größeren Streiks im Jahr 2020 stellten. Dies ist Teil eines weltweiten Trends, bei dem Frauen an der Spitze der Beschäftigten stehen, die sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehren, die das Ergebnis von jahrzehntelangen neoliberalen Kürzungen im Sozialbereich sind.  

Kämpfe für Reproduktionsrechte

Zusätzlich zu den vielfältigen Härten für Frauen*, die durch die Pandemie und die Finanzkrise verursacht wurden, werden die Rechte auf Abtreibung immer weiter beschnitten. Anfang des Jahres hat der Oberste Gerichtshof den Apotheken die Möglichkeit genommen, Rezepte für Abtreibungspillen zu verschicken - eine Maßnahme, die angesichts der Gefahr der Übertragung des Coronavirus und der fehlenden Kinderbetreuung besonders wichtig ist. Der Bundesstaat South Carolina hat vor kurzem praktisch alle Abtreibungen geächtet. Obgleich das Gesetz in South Carolina ausgesetzt wurde, da es vor Gericht angefochten wird, ist dies Teil eines langjährigen Angriffs auf reproduktive Rechte von rechts. Schon jetzt ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen extrem eingeschränkt: 38% der Frauen in den USA leben in Landkreisen, in denen es keine Abtreibungsklinik gibt.

Während das Leben von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse und insbesondere von Müttern extrem schwierig ist, sind Frauen, die sich in ihren Gewerkschaften wehren, eine echte Inspiration. Mit dem Amtsantritt des Demokraten Biden und der ersten weiblichen Vizepräsidentin Kamala Harris wird es Erwartungen geben, dass sich die Bedingungen für Frauen und LGBTQ-Menschen verbessern werden. Die Geschichte des feministischen Kampfes zeigt jedoch, dass Frauenrechte und soziale Rollen viel stärker aufgrund von Basis-Organisationen und Massenkämpfen einen transformativen Wandel erfahren haben. Die Aufgabe Abtreibungen als einen legalen, zugänglichen und kostenlosen Teil der Gesundheitsversorgung zu festigen, wird von zukünftigen feministischen Bewegungen übernommen werden müssen. Eine neue Bewegung für reproduktive Rechte, kostenlose und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und garantierten bezahlten Erziehungsurlaub kann sich an den Errungenschaften der feministischen Massenbewegungen in Irland, Polen und Argentinien orientieren.

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8. März Australien: Australische Bundesregierung schafft spezialisierte Familiengerichte ab

von David Elliott

Die Regierung hat beschlossen, das Familiengericht mit dem Bezirksgericht zusammenzulegen, was bedeutet, dass es auf Bundesebene kein spezialisiertes Gericht mehr geben wird, das sich mit Fragen häuslicher Gewalt und des Kindesmissbrauchs beschäftigt.

Der Gesetzesentwurf stand nicht auf der Tagesordnung des Parlaments für die Woche, wurde aber am 16. Februar im Eilverfahren in den Senat durchgereicht und zwei Tage später verabschiedet. Die Liberal-Nationale Koalition konnte das Gesetz mit der Unterstützung von One Nation und dem unabhängigen Senator Rex Patrick durchbringen.

Die Änderung wurde auf der Grundlage einer Untersuchung vorgenommen, die von Richter*innen, Expert*innen und Gemeindeorganisationen abgelehnt wurde. Die Untersuchung wurde eingeleitet, um die One Nation-Senatorin Pauline Hanson zu beschwichtigen, die behauptet, dass Frauen regelmäßig über Missbrauch lügen, um sich vor Familiengerichten das Sorgerecht für Kinder zu sichern. Sie nutzt dies, um ihre Unterstützer*innenbasis zu stärken, zu der auch rechte Aktivist*innen für Männerrechte gehören. (https://thesocialist.org.au/sham-family-law-inquiry-launched/)

Die Regierung behauptet, es ging um Effizienz, aber es ist dieselbe Regierung, die   Änderungen eingeführt hat, die das Familiengerichtssystem überlastet haben, und sich geweigert hat, es angemessen zu finanzieren. Vor der Pandemie kam es bei Fällen im Familiengericht zu Verzögerungen von mehr als einem Jahr. Nun, da es mit dem überlasteten Bezirksgericht zusammengelegt werden soll, werden die Verzögerungen voraussichtlich noch größer werden.

Das Familiengericht verhandelt Fälle im Zusammenhang mit Scheidung, Sorgerecht, Kindesmissbrauch und häuslicher Gewalt. Das sind Fälle bei denen die Opfer oft besondere Unterstützung und Schutz benötigen. Es gibt oft Themen, deren Behandlung besondere Erfahrung und Ausbildung erfordert.

Das spezialisierte Familiengericht war eine der Reformen, die von der Whitlam-Regierung im Jahr 1975 eingeführt wurden. Die Whitlam-Regierung wurde auf dem Rücken von Massenbewegungen gegen den Vietnamkrieg und gegen Rassismus sowie einer wachsenden Welle von Feminismus an die Macht gebracht.

Aber das System hat sich nie angemessen mit Fragen der häuslichen Gewalt und des Missbrauchs befasst, selbst nachdem Verbesserungen errungen worden sind. Überlebende von Missbrauch stoßen routinemäßig auf Hindernisse, wenn sie sich an die Behörden wenden. Es sind Fälle bekannt, bei denen die Polizei die Opfer anwies mit den Tätern in Kontakt zu bleiben, und dass sie die Fälle ganz ignoriert hat.

Im Januar stellte eine gerichtliche Untersuchung fest, dass ein Polizist an der Gold Coast Beschwerden über Gewalttätigkeit sowie Hunderte von Droh-SMS gegen Tara Brown aus Queensland von einem gewalttätigen Ex-Partner ignoriert hat. Wenige Tage später wurde sie von dem Mann ermordet. Als Entschuldigung sagte der Beamte bei einer internen Untersuchung, dass er glaube, es sei "üblich, dass Frauen falsche Anschuldigungen machen, um ihre Position in Familiengerichtsangelegenheiten zu stärken."

Selbst wenn Gesetze existieren, um angeblich Opfer zu schützen, werden sie von Menschen verwaltet, die in einer sexistischen kapitalistischen Gesellschaft eingebettet sind. Das Versagen des Rechtssystems, diese Fälle zu bearbeiten, ist einer der Gründe dafür, dass diese Art von Verbrechen oft nicht angezeigt wird.

Um wirklich eine Gesellschaft zu schaffen, in der wir frei von familiärer Gewalt und Missbrauch sein können, müssen wir das kapitalistische System selbst in Frage stellen. Der Kapitalismus entmenschlicht routinemäßig vor allem Frauen, um uns alle effektiver ausbeuten zu können. (https://internationalsocialist.net/en/2021/01/socialist-feminism)

In derselben Woche, in der die Regierung den Angriff auf das Familiengericht auf die Tagesordnung setzte, tauchte die Geschichte der jungen Mitarbeiterin der Liberalen Partei, Brittany Higgins, auf, die im Parlamentsgebäude angegriffen wurde. Higgins sagte, sie habe sich unter Druck gesetzt gefühlt, ihren Job zu kündigen. Vier weitere Frauen haben sich seither gemeldet, weil sie von demselben Mann sexuell belästigt oder angegriffen wurden. Während sie mit einer sexistischen Gegenreaktion konfrontiert wurde, gab es auch aus weiten Teilen der Bevölkerung Sympathie für Brittany Higgins, da die meisten Menschen das Leid verstanden, das sie ertragen musste.

Am 8. März werden Menschen auf der ganzen Welt zum Internationalen Frauentag auf die Straße gehen. Es gibt eine echte Stimmung in der Gesellschaft, diese Themen zu thematisieren.

Der Angriff auf das Familiengericht ist ein Rückschlag für alle arbeitenden Menschen. Der Weg, diesen Angriff zu bekämpfen, ist durch eine sozialistische, feministische Bewegung. Die arbeitenden Menschen produzieren den gesamten Reichtum der Gesellschaft, und durch gemeinsamen Protest können wir das System zum Stillstand bringen und Reformen erzwingen. Aber wie wir sehen, können uns die Reformen von der herrschenden Klasse immer wieder weggenommen werden. Wir müssen eine Bewegung für eine demokratische, sozialistische Gesellschaft aufbauen, die dieses sexistische System vollständig abschafft.

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8. März Spanischer Staat: Der Kampf der arbeitenden Frau* ist notwendiger denn je

Viki Lara, Socialismo Revolucionario (ISA im spanischen Staat)

Am 8. März letzten Jahres gab es zwar keinen weiteren Feministischen Streik im Ausmaß von 2018 und 2019, aber es war ein weiterer massiver Kampftag, in einigen Gebieten sogar mit Streiks, die zwischen Sonntag, dem 8. März selbst und dem darauffolgenden Montag ausgerufen wurden. Millionen von Frauen* und Männer protestierten gegen Macho-Gewalt und gegen den Machismo und die Diskriminierung, die wir arbeitenden Frauen* als Pfleger*innen, auf der Straße, in unseren Jobs, vor Gericht usw. erleiden.

In der folgenden Woche sahen wir nicht nur, wie sich die Fälle von COVID-19 vervielfachten, sondern die Krankenhäuser waren auch schnell überlastet und die Restriktionen trafen kaskadenartig ein, bis hin zu der über den ganzen Staat verhängten Ausgangssperre, eine der restriktivsten in Europa und der Welt. Auch mussten wir als Feminist*innen die üblichen Angriffe der Rechten über uns ergehen lassen, die uns diesmal wegen der Proteste am 8. März für die Ausbreitung der Pandemie verantwortlich machten. Das waren besonders heuchlerische Angriffe, da gerade wir Frauen* es waren, die am entschiedensten gegen die Pandemie kämpften.

Schließlich sind wir Frauen* im Gesundheitswesen in der Mehrheit (Krankenpfleger*innen natürlich mit überwältigender Mehrheit, aber auch Ärzt*innen sind in der Mehrheit gegenüber männlichen Ärzten), ebenso wie in vielen anderen Bereichen, die an vorderster Front im Kampf gegen das Coronavirus stehen oder während der Zeit der Lockdowns unverzichtbar waren, wie zum Beispiel Supermarktkassierer*innen.

Die Pandemie deckte Lücken in wesentlichen Pflegeleistungen auf, die öffentlich bereitgestellt werden sollten, wie Pflegeheime und Haushaltshilfen. Diese Arbeiten sind in vielen Fällen privatisiert und unter der Kontrolle von Unternehmen, die ihre Arbeiter*innen mit miserablen Löhnen und Bedingungen ausbeuten, während die Patient*innen unzureichende Pflegeerhalten. Diese Arbeiter*innen hatten auch kaum Schutzausrüstung gegen das Coronavirus. Aber es wurde auch aufgedeckt, dass es selbst im öffentlichen Gesundheitswesen kaum Schutzausrüstung gab, sowie sehr prekäre Verträge bei den Krankenpfleger*innen.

Frauen* sind auch die Hauptopfer der Wirtschaftskrise, die durch die Pandemie zwar nicht verursacht, aber doch massiv verschärft wurde. Während des Lockdowns gingen mehr als 900.000 Arbeitsplätze verloren, ohne dass den Betroffenen Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe gezahlt wurde, und die meisten von ihnen waren Frauen*, da wir in der Regel die prekärsten Arbeitsplätze und schlechtere Bedingungen haben, oft nicht einmal mit einem Vertrag. Auch heute gibt es etwa eine halbe Million Beschäftigte mit ERTE-Status (die also als aktiv zählen, obwohl sie nicht arbeiten), aber die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei über 16 %, bei Frauen* sogar bei über 18 %. Diese Bedingungen der Prekarität und der Massenarbeitslosigkeit führen zu einer Zunahme der extremen Armut, einschließlich Hungerschlangen vor den Suppenküchen.

Und so, wie während des Lockdowns die männliche Gewalt zunahm und die Opfer aufgrund der Situation 24 Stunden am Tag mit dem Täter verbrachten, so wird auch nach der Öffnung eine sehr ähnliche Situation vorherrschen, aber verursacht durch Armut, wirtschaftliche Abhängigkeit und Arbeitslosigkeit, die vor allem Frauen* und Ein-Eltern-Familien (meist von einer Frau geleitet) betreffen.

Regierungen aller Couleur auf kommunaler und regionaler Ebene und auch die Landesregierung von PSOE-Unidas Podemos (die von sich behauptet, fortschrittlich und feministisch zu sein) haben sich als völlig unfähig erwiesen, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Sie stellten die wirtschaftliche Öffnung über die Gesundheit, sie versäumten es das Personal im Gesundheits- und Bildungswesen aufzustocken, und sie versäumten, die extreme Armut zu verhindern. Während einige Maßnahmen wie die Einführung eines Existenzminimums oder die Erhöhung des Mindestlohns von den Arbeiter*innen begrüßt wurden, kommen diese Verbesserungen aufgrund bürokratischer Hürden oft nicht an oder weitere Erhöhungen des Mindestlohns werden auf Druck der Bosse verzögert.

Es ist notwendiger denn je, den Kampf der feministischen Bewegung fortzusetzen, in einer entschlossenen und koordinierten Weise auf staatlicher Ebene, um diese Realitäten zu ändern. Es reicht nicht aus, dass wir auf die verspäteten und unzureichenden Reformen der Regierung warten, sondern wir brauchen einen Systemwechsel, der die Bedürfnisse der Menschen über die Profite der Unternehmen stellt und alle Arten von Diskriminierung und Unterdrückung beendet.

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8M POLEN: Die Welle der Bewegung ebbt ab, bereiten wir uns auf die nächste vor!

von Tiphaine Soyez, ROSA Polska

Im Herbst 2020 wurde Polen von einer Massenbewegung gegen die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung bei Missbildungen erschüttert. Angesichts des Widerstands entschied sich die konservative Regierung zu warten, bis die Bewegung abebbt. Im Januar, zweieinhalb Monate nach einer Demonstration mit 100.000 Teilnehmer*innen in Warschau, trat die Entscheidung schließlich in Kraft.

Innerhalb weniger Stunden, und trotz der eisigen Kälte, wurden in den großen Städten Demonstrationen organisiert. Aber sie waren nicht der Beginn einer neuen Welle.

Das Phänomen von spontanen Demonstrationen in kleinen Provinzstädten und Arbeiter*innenvierteln, das im Herbst zu beobachten war, hat sich aber nicht wiederholt.

Die Stimmung ist aber auch nicht die einer endgültigen Niederlage. Es gibt sicherlich eine gewisse Demoralisierung unter einigen der Aktivist*innen, aber der Hauptgrund, warum die Bewegung nicht wieder aufgeflammt ist, ist, dass sie nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Anstatt die eigenen Truppen aufzurütteln und zu mobilisieren, wenden sich die Anführer*innen der Bewegung (OSK) immer weiter vom Kampf ab.

Während sie skandieren "Wir werden nicht in den Untergrund gehen", promoten sie eine Organisation - Abtreibung ohne Grenzen -, welche einzelnen Schwangeren die eigentlich gesetzlich verbotene Abtreibung verschaffen kann. Diese temporäre Lösung wird zwar Leben retten - und in ihren Anfängen bot die ROSA Irland mit den "Abortion Buses" und dem "Abortion Train" auch illegale Mittel zur Abtreibung an. Aber das war Teil einer in den Arbeiter*innenvierteln verwurzelten Kampagne, die Legalisierung der Abtreibung zu erkämpfen, und auf diese Weise konnte das irische Referendum im Jahr 2018 gewonnen werden.

Im Gegensatz dazu schlagen die OSK-Führer*innen die extralegale Abtreibung als Übergangslösung vor, während sie auf Wahlerfolge von Abtreibungsbefürworter*innen warten. Sie nähern sich Karrierepolitiker*innen und Parlamentarier*innen an und ignorieren die Bedürfnisse und Hoffnungen der Basis.

Ein "Bürgerprojekt" wurde ins Leben gerufen - eine Petition für einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Abtreibung, der im Parlament diskutiert werden soll. Aber dies wurde bereits in der Vergangenheit versucht und das Parlament hat den Text damals abgelehnt, ohne ihn überhaupt zu lesen. Um solch ein Gesetz zu verabschieden, müsste die Petition nicht nur die nötige Anzahl Unterstützer*innen finden, sondern auch durch eine Bewegung unterstützt werden, die Druck auf die Parlamentarier*innen ausübt.

Mangels richtiger Führung hat die Bewegung jetzt also den Rückwärtsgang eingelegt und ihre Energie ist verpufft. Aber sie könnte jederzeit neu ausbrechen, zum Beispiel wenn sich wegen der Politik der sexistischen, konservativen Politiker*innen eine Tragödie ereignet.

 

Das Abtreibungsverbot und die "Gewissensklausel" (die Tatsache, dass Ärzt*innen sich auch in gesetzlich vorgesehenen Fällen weigern können Abtreibungen durchzuführen) haben dramatische Folgen. Frauen sind gestorben oder erlitten dauerhafte Schäden, weil Ärzt*innen sie über ihre Schwangerschaft belogen haben, um sie von einer Abtreibung abzuhalten. Andere sind durch ungeplante Schwangerschaften in schrecklich prekären Verhältnisse gekommen und sehen ihre Lebenspläne ruiniert. "Hölle für Frauen" ist einer der beliebtesten Slogans der Bewegung, und auch "Die PiS hat Blut an den Händen" ist zu hören.

Die Hölle für LGBTQI+.

Polen ist auch für LGBTQI+ Menschen die Hölle. Etwa ein Viertel des Landes wurde von lokalen Politiker*innen zur "LGBT-Ideologie freien Zone" erklärt. Homophobie wird offiziell gefördert und homophobe Angriffe sind an der Tagesordnung. In diesem Sommer wurden LGBTQI+-Aktivist*innen von der Polizei schikaniert, während die reaktionär-katholische Organisation Ordo Iuris ungestraft eine abscheuliche, homophobe Kampagne durchführte.

Ordo Iuris stand bereits 2016 hinter dem Gesetzesentwurf zum Abtreibungsverbot. Im Februar 2021 griffen sie erneut an, mit einem Projekt, das "Ja zur Familie, nein zum Gender!" heißt. Deren Ziel ist Polens Austritt aus der Istanbul-Konvention, einer Konvention des Europarates gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt.

Stattdessen schlägt Ordo Iuris einen Text vor, der das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe bekräftigt, "exzessive staatliche Eingriffe" in die Familie verbietet und die Rolle der Frau als Mutter im Haushalt fördert. All das, während sie das Schreckgespenst "Gender" an die Wand malen und homophoben Unfug propagieren.

Ihre Thesen wären nur lächerlich, wenn die polnische Regierung nicht unter dem Einfluss dieser Lobby stehen würde - und wenn diese Lobby nicht über enorme finanzielle Mittel verfügen würde, um ihr Gift zu versprühen. Sozialistische Feminist*innen müssen aber nicht nur gegen diese Angriffe kämpfen, sondern auch gegen LGBTQI+-Phobie in der Linken (wo Transphobie mit der "TERF"-Ideologie hineingebracht wird) eintreten.

Bereiten wir uns auf die nächste Phase des Kampfes vor

Auch wenn die Bewegung für den Moment eine Pause einlegt, könnte ein Drama, das durch die Anti-Choice-Politik ausgelöst wird, oder eine x-te PiS-Provokation, die Bewegung wiederbeleben.

Letzten Herbst haben wir durch unsere ROSA Polska Kampagne gesagt, dass ein Generalstreik möglich bzw. notwendig sei, um das Recht auf kostenlose Abtreibung auf Nachfrage zu erkämpfen. Um diesen Generalstreik aufzubauen, riefen wir zur Bildung von demokratischen Streikkomitees auf, die die Bewegung von unten organisieren und ihr eine echte Führung geben sollten.

Zurzeit ist die Atmosphäre in der polnischen Arbeiter*innenklasse nicht mehr geeignet für einen Generalstreik mit dem Recht auf Abtreibung als zentrale Forderung. Der Moment, in dem eine Bewegung einen Rückzieher macht, kann frustrierend und demoralisierend sein. Aber eine Analyse des Kampfes, die fortlaufend diskutiert und aktualisiert wird, macht es möglich, diesen Bewusstseinsstand zu überwinden und diese ruhigere Periode zu nutzen, um sich auf den nächsten Aufschwung der Bewegung vorzubereiten. Deshalb organisiert ROSA Polska am 13. März ein öffentliches Treffen, um all diejenigen einzuladen, die unsere feministisch-sozialistische Vision teilen, um mit uns für den Aufbau eines Arbeiter*innenflügels der Abtreibungsrechtsbewegung zu kämpfen.

 

 

Heraus zum 8. März!

Covid und Wirtschaftskrise bedrohen die Errungenschaften in der Gleichberechtigung von Frauen: Organise, Fight Back!
Gemeinsame Erklärung von International Socialist Alternative und ROSA International

Während 2019 ein Jahr gewaltiger Revolten war, in dem Frauen und insbesondere junge Frauen – und ihre Forderungen – einen maßgeblichen Teil bildeten und oft an vorderster Front standen, was Frauen auf der ganzen Welt Hoffnung gab, stellen die Pandemie und die sich entwickelnde Wirtschaftskrise, die 2020 durch sie ausgelöst wurde, eine echte Bedrohung für die Errungenschaften dar, die Frauen in den vergangenen Jahrzehnten erreicht haben.

Die stellvertretende Exekutivdirektorin der Einheit der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen (UN Women), Anita Bhatia, verweist auf die Zunahme von Hausarbeit und familiärer Pflege: „Die Coronavirus-Pandemie könnte 25 Jahre zunehmender Gleichberechtigung der Geschlechter zunichte machen.“ Es bestehe ein „reales Risiko, zu den Geschlechterstereotypen der 1950er Jahre zurückzukehren.“ (BBC, 26. November)

Mehr unbezahlte Arbeit, weniger bezahlte Arbeit – Finanzielle Unabhängigkeit von Frauen unter Beschuss

Vor dem Ausbruch der Pandemie leisteten Frauen im Durchschnitt dreimal so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Diese Ungleichheit ist im letzten Jahr noch größer geworden. „Noch alarmierender ist die Tatsache, dass viele Frauen tatsächlich nicht wieder arbeiten gehen. Allein im Monat September sind in den USA etwa 865.000 Frauen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, verglichen mit 200.000 Männern, und zum Großteil lässt sich das durch die Tatsache erklären, dass es eine vermehrte Belastung durch Betreuung und Sorgearbeit gab und niemand sonst da ist,“ erklärt A. Bhatia weiter.

Die Internationale Arbeitsorganisation geht davon aus, dass das Äquivalent von 140 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen aufgrund von Covid 19 verloren gehen könnte, wobei die Arbeitsplätze von Frauen um 19 % mehr gefährdet sind als die von Männern. Der Schaden im so genannten informellen Sektor, in dem weltweit 58 % der Frauen arbeiten, ist massiv. Laut UN Women haben informelle Arbeiter*innen im Durchschnitt 60 % ihres Einkommens verloren. Erschütternde 72% der Hausangestellten, 80% davon Frauen, haben ihren Job verloren, wobei diesen Jobs ein grundlegender Arbeitnehmer*innenschutz wie bezahlter Urlaub, Kündigungsfrist oder Abfindungszahlungen fehlt.

„Aber selbst im formellen Sektor scheint der Virus die Ungleichheit zu vergrößern, so der Bericht (von UN Women), wonach Frauen in Bangladesch sechsmal häufiger bezahlte Arbeitszeit verlieren als Männer.“ (The Telegraph, 26. November). Laut einer Zensus-Umfrage im September 2020 sind fast 7 Millionen Amerikaner*innen aufgrund von Kinderbetreuung nicht erwerbstätig. „Da Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, sind es oft die Mütter, die zurückstecken. Frauen verlieren in der Zeit, in der sie nicht arbeiten, wertvolle Fähigkeiten, was die Suche nach einem Job in der Zukunft erschweren und die Familienfinanzen schädigen kann, so der Analyst Malik des Center for American Progress.“ (Bloomberg, 30. September)

Zahlen in Indien zeigen, dass sich die ohnehin schon alarmierend niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen – nur 20 % – sogar noch verschlimmert hat. Im April und Mai haben mindestens 4 von 10 Frauen ihre Arbeit verloren, 39% im Vergleich zu 29% der Männer, so das Centre for Monitoring Indian Economy.

Offiziellen Angaben zufolge wird in Brasilien mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung über 14 Jahren dem Arbeitsmarkt fernbleiben. Die Erwerbsquote liegt bei 45,8 %. Nach Daten des Allgemeinen Registers für Beschäftigte und Arbeitslose wurden 2020 230.200 frei gewordene Stellen von Männern besetzt, während Frauen 87.600 Arbeitsplätze verloren. Von April bis Dezember wurden 94.900 Arbeitsstellen für Frauen gestrichen.

Die derzeitige Wirtschaftskrise ist für arbeitende Menschen auf der ganzen Welt verheerend, und ihre unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Frauen könnten lang anhaltende Rückschläge mit sich bringen. UN Women warnt, dass der Armutsschub Frauen am härtesten treffen wird, insbesondere Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren. „Im Jahr 2021 wird erwartet, dass weltweit 118 Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren auf 100 Männer im Alter von 25 bis 34 Jahren in extremer Armut leben werden, und dieses Verhältnis könnte bis 2030 auf 121 arme Frauen auf 100 arme Männer steigen.“

Der plötzliche Anstieg der strukturellen Massenarbeitslosigkeit wird ein weiblicheres Gesicht haben als je zuvor. Dies wird viele Frauen in Armut und Abhängigkeit stürzen. Wie wir in den 1930er Jahren gesehen haben, kann es aber auch zu entschlossenen Kämpfen um Forderungen nach sozialen Hilfen und sozialen Sicherungssystemen führen – mit einer guten Chance, Zugeständnisse zu erringen – und auf längere Sicht zu Kämpfen für eine kürzere Arbeitswoche ohne Lohneinbußen.

Wirtschaftliche Depression wird die Schattenpandemie der geschlechtsspezifischen Gewalt verschlimmern

Der erste Lockdown in China führte zu einem enormen Anstieg der häuslichen Gewalt. Mit der Ausbreitung der Pandemie wurde dies zu einem internationalen Phänomen. Im Jahr 2019 berichteten laut UN Women 243 Millionen Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren (18 %), dass sie im vergangenen Jahr sexuelle und/oder körperliche Gewalt durch einen Intimpartner erlebt haben, was auf 30 % ansteigt, wenn man es aufs ganze Leben hochrechnet. Dies hat im Jahr 2020 erheblich zugenommen, für Regionen wie Südostasien schätzt die Weltgesundheitsorganisation einen Anstieg auf nunmehr 40 %.

Ein Weltbank-Blog, der am 1. Oktober 2020 veröffentlicht wurde, weist darauf hin, dass sich die Zahl der Tötungen durch häusliche Gewalt in Großbritannien in den ersten 2 Monaten des Lockdowns mehr als verdoppelt hat. Untersuchungen in den USA zeigten einen Anstieg der häuslichen Gewalt sowie eine Zunahme der Schwere der Verletzungen, die gemeldet wurden. In Kamerun und Nigeria sind Arbeiter*innen verstärkt sexueller Belästigung und Missbrauch ausgesetzt, da der Verlust wirtschaftlicher Möglichkeiten Frauen noch mehr in den informellen Sektor gedrängt hat, wo sie sich weniger vor Übergriffen schützen können. In Indien berichteten Frauengruppen, dass auf Mädchen Druck ausgeübt wird, die Kinderehe zu erwägen, da der Zugang zu Bildung und Lebensunterhalt unsicher ist.

Eine im Oktober veröffentlichte Studie des UN-Treuhandfonds zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen zeigte, dass alle Arten von Gewalt gegen Frauen und Mädchen während der Pandemie zugenommen haben. Dies gilt vor allem für häusliche Gewalt, da viele Frauen mit misshandelnden Partnern in ihrem Zuhause festsitzen. Dieser Anstieg wird durch Gesundheits- und Geldsorgen angeheizt und führt zu Spannungen, die durch die beengten Wohnverhältnisse noch verstärkt werden, während soziale Dienste, Betreuung und Unterstützung für die Opfer schon vor den Lockdowns weitgehend unzureichend waren.

UN Women weist auch auf einen Anstieg der Online-Gewalt überall dort, wo Frauen Zugang zu Technologie haben. Vor der Pandemie gab eine von zehn Frauen in der EU an, seit ihrem 15. Lebensjahr Opfer von Cyber-Belästigung geworden zu sein. Die Nutzung von Online-Plattformen hat im letzten Jahr deutlich zugenommen. Millionen von Frauen nutzen häufig Videokonferenzen, um zu arbeiten oder zu lernen. Zahlreiche Expert*innen sprechen von einem Anstieg von Online-Stalking, Mobbing, sexueller Belästigung und Sex-Trolling.

Es gibt nur eine Möglichkeit, das Zurückdrängen der Position von Frauen zu verhindern: Organisieren und zurückschlagen!

Gleichzeitig zeigte die Frauenbewegung jedoch eine bemerkenswerte Ausdauer und das Ausbremsen durch die Entwicklung der Pandemie war nur von kurzer Dauer. Ende Januar errangen Aktivist*innen in Argentinien einen Sieg in ihrem jahrelangen und massiven Kampf für einen legalen Schwangerschaftsabbruch bis zu 14 Wochen.

Ungeachtet des hohen Infektionsrisikos und der Ausgangsbeschränkungen reagierten die polnischen Frauen massiv auf den neuen Schritt in Richtung eines totalen Abtreibungsverbots und erhielten mehr Unterstützung aus breiteren Gesellschaftsschichten als zuvor. Dieser Kampf wird weitergehen und zukünftige Proteste gegen die rechtsgerichtete polnische Regierung sind durch die Kampfkraft der Frauen gesichert.

In jeder großen Revolte der letzten zwei Jahre haben Frauen, und besonders junge Frauen, eine massive Rolle gespielt, oft an vorderster Front des Kampfes. Das wurde auch bei den Aufständen in Thailand und Weißrussland erneut deutlich. Ihre spezifischen Forderungen verschmolzen organisch mit den wirtschaftlichen und sozialen Forderungen der Bewegungen gegen die massive Ungleichheit, die schon vor der Pandemie überall vorhanden war und durch sie nur noch verschärft wurde. Sie verschmolzen mit den politischen Forderungen, die Regierungen loszuwerden, die sowohl für diese wachsende Ungleichheit als auch für den katastrophalen Umgang mit der Pandemie verantwortlich sind, bei dem die Interessen der Kapitalist*innenklasse über die Interessen der Massen herrschen.

Für viele Arbeiter*innen in hochgradig feminisierten essentiellen Diensten wie dem Gesundheits- und Bildungswesen war von Anfang an klar, dass die jahrzehntelangen Kürzungen und die Unterfinanzierung ihrer Sektoren, einschließlich der Kommerzialisierung und Privatisierung, einen massiven Einfluss auf die Fähigkeit zur Bewältigung dieser Gesundheitskrise hatten, und zwar in Bezug auf die Zahl der Todesfälle, aber auch in Bezug auf die unmöglichen Arbeitsbedingungen und die massiven Opfer, die dem Personal abverlangt wurden. Schon vor Covid waren diese Sektoren weltweit im Kampf gegen die Auswirkungen der neoliberalen Politik auf ihre Arbeitsbedingungen und auf die Qualität und Zugänglichkeit ihrer Dienstleistungen. Ihre Unterstützung in der Gesellschaft ist immens gewachsen. In diesen wesentlichen Diensten wird der Kampf weitergehen, um sicherzustellen, dass es keine Rückkehr zum „Normalzustand“ von früher gibt: unterbezahlt, unterbewertet und überarbeitet zu sein.

Der katastrophale Umgang mit der Pandemie wiederholt sich nun bei der Impfung. International gesehen besteht durch die schleppende Impfung und die ungleiche Verteilung die sehr reale Gefahr, dass COVID-19 noch lange unser Leben beherrscht, da sich immer neue Varianten entwickeln. Die Freigabe des Patents und die Verbreitung der Technologie und des Know-hows, um sicherzustellen, dass der Impfstoff überall produziert werden kann, wäre ein logischer und notwendiger Schritt, aber dies kollidiert mit den Interessen der großen Pharmakonzerne. Um den Impfstoff in der ganzen Welt mit ausreichender Geschwindigkeit zu verteilen, muss außerdem ein Gesundheitswesen geschaffen werden, das in der Lage ist, eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten, und dem genügend Infrastruktur, Personal und Mittel zur Verfügung stehen. Die heutigen Probleme der Impfung weisen auf die gleiche Notwendigkeit hin wie die gesamte Bewältigung dieser Gesundheitskrise: Wir müssen uns grundsätzlich von dieser Logik befreien, die den privaten Profit über die menschlichen Bedürfnisse stellt.

Massive Investitionen in eine öffentliche, qualitativ hochwertige und für alle zugängliche Gesundheitsversorgung sind dringend notwendig. Arbeiter*innen des Gesundheitswesens auf der ganzen Welt haben für mehr Mittel für ihren Sektor gekämpft und konnten vielerorts zusätzliche Investitionen und Lohnerhöhungen durchsetzen, von denen man in der Zeit vor Covid nur träumen konnte. Unter dem Druck des Kampfes am Arbeitsplatz in diesem Sektor und der massiven Unterstützung für die Arbeiter*innen im Gesundheitswesen in der Gesellschaft gaben die föderalen und regionalen Regierungen in Belgien etwa 3 Milliarden Euro frei, von denen der größte Teil in Lohnerhöhungen und Boni floss; in Frankreich erhielten die Arbeiter*innen im Gesundheitswesen im letzten Sommer 7,5 Milliarden Euro in der Tarifvereinbarung. Enorme Summen, aber nicht annähernd genug, um die Defizite in der Infrastruktur und den Personalmangel zu beheben. Auch das Problem der Kommerzialisierung und Privatisierung bleibt auf dem Tisch und wird Teil des Kampfes in den nächsten Jahren sein: Nirgendwo waren die Todeszahlen so hoch wie in der kommerzialisierten stationären Pflege.

Der Kampf gegen Sexismus in all seinen Formen wurde fortgesetzt. Im letzten Jahr hat sich „Me Too“ auf neue Regionen wie den Balkan und China ausgeweitet, wo im Herbst letzten Jahres zwei Fälle von häuslicher Gewalt zu großer öffentlicher Empörung in den sozialen Medien und zur Zensur der sozialen Medien führten. Im Fall von Fang, die von ihrem Ehemann und seinen Eltern wegen ihrer Unfruchtbarkeit zu Tode geprügelt wurde, veranlasste die Welle der öffentlichen Wut über die milde Strafe für die Mörder die Justizbehörden dazu, ein Wiederaufnahmeverfahren zu versprechen. In anderen Ländern erleben wir gerade eine zweite Welle. In Frankreich gab es „Je dis non chef!“ bei dem Tausende von Arbeiter*innen im Gastgewerbe sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz anprangerten, aber auch ein spezifisches „MeToo“, das Aufmerksamkeit für das Problem des Inzests forderte.

Der Kampf der Arbeiter*innen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz konnte nicht gestoppt werden, auch nicht durch die angezogene Bremse der Gewerkschaftsführungen. Aber während der Kampf an den meisten Orten coronasicher blieb, brachen bei direkten Angriffen Massenbewegungen aus, auch trotz der Ansteckungsgefahr oder der Einschränkungen durch den Lockdown. Weder die Frauen, die in den letzten 10 Jahren in der Frauenbewegung aktiv waren, noch diejenigen, die in den Kämpfen hochgradig feminisierter Sektoren wie dem Gesundheitswesen und der Bildung für die Aufwertung ihrer Arbeit oder im Einzelhandel und in der Reinigung für menschenwürdige Verträge und Löhne beteiligt waren, werden aufhören. Wir werden diese Bedrohung nicht einfach so hinnehmen!

Sozialistischer Feminismus wird mehr denn je gebraucht!

Im letzten Jahr haben Sektionen der ISA und Rosa-Gruppen in Ländern wie Irland, Russland, Brasilien, Österreich und Belgien eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Wut der Frauen auf der Straße, in den Schulen und an den Arbeitsplätzen in aktiven Kampf umzusetzen. Wir kämpfen dafür, Solidarität aufzubauen und Organisationen der Arbeiter*innenklasse in den Kampf gegen alle Formen von Diskriminierung einzubeziehen, in dem Verständnis, dass der Kapitalismus die Wurzel jeder einzelnen von ihnen ist. Indem wir gegen jeden Angriff und für jede Reform oder jedes Zugeständnis kämpfen, das wir in der gegenwärtigen Situation erreichen können, weisen wir auch auf die Notwendigkeit hin, die Gesellschaft grundlegend zu verändern, um die profithungrige Elite loszuwerden, die die Gesellschaft im eigenen Interesse regiert – auf Kosten von Hunderttausenden von Menschenleben.

Die Proteste am 8. März des letzten Jahres führten zu dem großartigen und riesigen Streik in Mexiko und zu massiven Demonstrationen in einer ganzen Reihe von Ländern. Dieses Jahr werden viele Mobilisierungen durch die Virussituation und die Lockdowns eingeschränkt sein, aber wir rufen alle auf, die für eine Welt kämpfen wollen, in der Frauen nicht länger Bürgerinnen zweiter Klasse sind und ihren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft einnehmen können, dieses Datum mit Aktionen rund um die Forderungen zu begehen, die sich aus der schrecklichen Krise ergeben, in die uns der Kapitalismus gebracht hat.

Dazu gehört eine Impfstrategie, die sicherstellt, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt: Schnelle und flächendeckende Impfungen, indem die Gesundheits- und Pharmakonzerne in die öffentliche Hand überführt und unter Arbeiter*innenkontrolle gestellt werden, damit sichergestellt werden kann, dass sie entsprechend der Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung funktionieren. Massive Investitionen sind notwendig, um ein qualitativ hochwertiges öffentliches Gesundheitswesen wiederherzustellen, das für alle zugänglich ist und sein Personal nicht als Märtyrer*innen benutzt, sondern anständige Arbeitsbedingungen und Löhne bietet.

Das Gleiche gilt für wichtige Dienstleistungen wie Bildung und Kinderbetreuung. Schulen mussten nicht nur wegen der Ausbreitung des Virus geschlossen werden, sondern auch, weil jahrzehntelange Unterinvestitionen und Kürzungen dazu führten, dass es nicht die Art von Infrastruktur und Personal gab, um sicher öffnen zu können. Massive Investitionen sind nötig, um sichere Schulen zu schaffen, und auch, um durch Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr sichere Wege zur Schule zu schaffen.

Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt hat im letzten Jahrzehnt überall auf der Welt an Bedeutung gewonnen. Regierungen haben vorübergehend Schutzräume für Opfer häuslicher Gewalt – Frauen, Kinder, LGBTQI-Jugendliche – zur Verfügung gestellt, aber es ist so viel mehr notwendig. Geschlechtsspezifische Gewalt ist nicht als Folge der Pandemie entstanden und wird auch nicht mit temporären Maßnahmen gelöst werden. Anständige öffentliche Dienstleistungen wie Schutzräume, soziale und psychologische Hilfe für die Opfer, Schulungen für das Personal in allen Diensten, die mit diesem Problem zu tun haben, einschließlich der Polizei und des Personals im Justizsystem, vernünftige LGBTQI-inklusive Sexualerziehung in den Schulen, die das Einverständnis betont, die Erarbeitung von Therapien für die Täter, um Rückfällen entgegenzuwirken, sind unmittelbare Forderungen, für die wir kämpfen müssen, um auf das Problem zu reagieren, wie es sich heute darstellt.

Aber um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern, bedarf es eines entschlossenen Kampfes für die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen: Ordentliche Arbeitsplätze mit sicheren Verträgen und anständigen Löhnen für alle, einschließlich des Kampfes für einen Mindestlohn, von dem man leben kann; Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbußen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen; öffentliche Dienstleistungen, die sicherstellen, dass Frauen voll an der Gesellschaft teilhaben können, indem sie große Teile dessen kollektivieren, was als häusliche Arbeit angesehen wird; soziale Sicherungssysteme, die sicherstellen, dass Menschen, die nicht arbeiten können, Leistungen erhalten, die sie nicht zur Armut verurteilen; bezahlbarer Wohnraum, der nur durch massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau zustande kommt.

Die Lockdowns haben das soziale Leben nahezu zum Erliegen gebracht, was zu massiven psychischen Gesundheitsproblemen führt, da der Mensch nicht dazu bestimmt ist, die ganze Zeit allein zu sein. Ganze Sektoren wie das Gastgewerbe, der Kultur- und Veranstaltungssektor erleben jetzt eine Pleitewelle, die sich noch verschärfen wird, wenn die staatliche Förderung endet. Diese Sektoren haben eine große Bedeutung für das Freizeit- und Sozialleben der Menschen, aber sie wurden in den Jahrzehnten neoliberaler Dominanz fast vollständig privatisiert, sodass junge Menschen und einfache Arbeiter*innen in den Städten nur noch ihre eigenen vier Wände haben. Die Unterstützung von Kleinbetrieben in diesen Sektoren auf der Grundlage eines nachgewiesenen Bedarfs sollte ebenso erkämpft werden wie die Schaffung von öffentlichen Freizeiteinrichtungen, um diese Dienstleistungen für die Bevölkerung bereitzustellen, aber auch um Arbeitsplätze für eine von Massenarbeitslosigkeit bedrohte Arbeiter*innenschaft zu schaffen.

Um die Mittel für ein solches Programm zu haben, kämpfen wir für die Verstaatlichung des Finanzsektors und der Schlüsselsektoren der Wirtschaft, damit die Mittel, die von der internationalen Arbeiter*innenklasse produziert werden, tatsächlich für eine demokratische Planung der Produktion im Interesse der Mehrheit der Weltbevölkerung verwendet werden können. In einer kapitalistischen Gesellschaft geht es in erster Linie um Profite, was sowohl zu Prekarität und Elend für breite Bevölkerungsschichten – mit systematischer Diskriminierung aller Art als fester Bestandteil der Gesellschaft – als auch zu Umweltzerstörung führt.

Das sind Forderungen, die wir am Internationalen Frauentag stellen wollen und Kämpfe, denen wir uns widmen. Um sie zu erreichen, brauchen wir die größtmögliche Einheit der Arbeiter*innenklasse und der unterdrückten Schichten der Gesellschaft: Arbeiter*innen, Frauen, Jugendliche, People of Color, LGBTQI-Menschen und andere unterdrückte Minderheiten. Um sie alle zu gewinnen, müssen wir den herrschenden Eliten, die auf dem Rücken dieser massiven Krise, die die Menschheit im letzten Jahr getroffen hat, noch reicher geworden sind, die Macht und die Kontrolle entreißen und die Staatsmacht in die Hände der Mehrheit der Bevölkerung bringen, um sie vollständig zu reorganisieren, damit sie den Interessen der Mehrheit und des Planeten dient – nur die Arbeiter*innenklasse, geeint in ihrer großen Vielfalt, hat die potenzielle Macht in der Produktion und in der Gesellschaft als Ganzes, um das zu tun.

Wir verpflichten uns zum Kampf für den Sozialismus, eine Gesellschaft, in der sich Demokratie nicht darauf beschränkt, alle paar Jahre wählen zu können, sondern bedeutet, dass die Mehrheit der Bevölkerung an der Entscheidung darüber beteiligt ist, was und wie produziert wird. Wir rufen alle, die kämpfen wollen, auf, sich uns in diesem Kampf anzuschließen und die Bewegungen und Organisationen aufzubauen, die wir zum Sieg brauchen.

 

Streiken gegen Sexismus und Unterdrückung! Aber wie?

Der 8. März muss wieder zu einem Kampftag der Arbeiter*innenbewegung und der Gewerkschaften werden!
Sarah Moayeri

Seit ein paar Jahren gibt es in der feministischen Bewegung Diskussionen über die Möglichkeiten feministischer Streiks. Am 8.3.2018 beteiligten sich im spanischen Staat 5 Millionen am “Generalstreik für Gleichberechtigung” - eine der größten Mobilisierungen in der Geschichte des Landes. Davon inspiriert griffen Bewegungen in Polen, Lateinamerika, der Schweiz und in anderen Ländern die Idee eines feministischen Streiks, aber auch des Frauenstreiks, immer stärker auf.Das Aufgreifen von Kampfmethoden der Arbeiter*innenklasse durch feministische Bewegungen ist eine wichtige Entwicklung, die auch im Zusammenhang damit steht, dass Frauen immer stärker an vorderster Front in sozialen Bewegungen und Kämpfen der Arbeiter*innenklasse stehen. Trotzdem gibt es sehr viele unterschiedliche Vorstellungen davon, was Streiken eigentlich bedeutet - und wie massenhafte Streiks für Frauenrechte organisiert werden können. Diffuse Vorstellungen von symbolischen “Streiks”, Hausfrauenstreiks, Sexstreiks usw., die stark individualisiert werden und keine wirkliche Massenkraft entfalten, hängen mit der gesamten Schwäche von Arbeiter*innenbewegung und Gewerkschaften zusammen. Ein Streitpunkt ist: Frauenstreik (nur mit der Beteiligung von Frauen) oder feministischer Streik (alle streiken für feministische Forderungen)? Die große Stärke der Mobilisierungen im spanischen Staat lag zwar darin, dass sich die Streikaufrufe nicht nur an Frauen richteten, doch es blieb trotzdem umstritten, ob Männer an dem Tag mitstreiken, oder Haushalt und Notversorgung in “systemrelevanten” Branchen wie Gesundheit & Soziales übernehmen sollten.Die Idee von “Hausfrauenstreiks” gibt es in der Frauenbewegung schon lange. Aus marxistischer Sicht gibt es einiges an diesen Konzepten zu kritisieren, und zwar sowohl an Methode als am Ziel. Die Forderung nach bezahlter Hausarbeit verstärkt nur die Isolation von Frauen durch Haus- und Reproduktionsarbeit an sich. Für echte Frauenbefreiung brauchen wir nicht mehr Anerkennung oder nur bessere Aufteilung von Hausarbeit - wir wollen grundlegend etwas daran ändern, dass diese unbezahlte Arbeit überhaupt individuell verrichtet werden muss. Dafür braucht es Kämpfe um öffentliche und kostenlose Kinderbetreuung und Pflege, öffentliche und kostenlose Kantinen und Stadtteilzentren, Innovationen für “menschenloses Putzen”, leistbaren Wohnraum, Jobs, höhere Löhne und Sozialleistungen für echte Möglichkeiten eines unabhängigen Lebens für Frauen.Individualistische Streikaufrufe - wie dafür, die Haus- und Carearbeit für einen Tag niederzulegen oder keinen Sex zu haben, erreichen einerseits nur Frauen, die sich so etwas “leisten” können, also z.B. nicht in einer gewalttätigen Partnerschaft stecken oder alleinerziehend sind, und bauen gleichzeitig die Illusion auf, wir könnten Verbesserungen gegen oder ohne Männer aus der Arbeiter*innenklasse erkämpfen. Aufgrund der oft massiven Erniedrigung und Ausbeutung, die Frauen im “Privaten” erleben müssen, wirken solche “Streik”konzepte im ersten Moment radikal. Aber echte Verbesserungen oder grundlegende Veränderungen erreichen wir durch sie nicht - weil es nicht die wahren Verantwortlichen für Ungleichheit und die Unterdrückung von Frauen, die Herrschenden und Regierenden, trifft, sondern eher die Idee verstärkt, der Feind seien “die Männer” und nicht das System.Echte Streiks der Arbeiter*innenklasse - ein Niederlegen der Arbeit in den Betrieben -, haben dagegen das Potential, den nötigen wirtschaftlichen Druck aufzubauen, um wirtschaftliche und politische Forderungen tatsächlich erkämpfen zu können (und schaffen Bewusstsein bei den Beteiligten). In Österreich haben beispielsweise Kolleg*innen im Gesundheits- und Sozialbereich (über 70% Frauenanteil!) Kampfbereitschaft bewiesen. Würden die Gewerkschaften darauf aufbauen und am 8. März zu Streiks aufrufen und diese organisieren, wäre das ein wichtiger Schritt zum Aufbau von politischem Klassenkampf. Dafür müsste es jetzt Kampagnen in den Betrieben zum Thema geben und Vorbereitungen für Betriebsversammlungen und Streiks an dem Tag. Ein Ansatzpunkt kann die Forderung nach einem echten Corona-Bonus für alle Beschäftigten sein, weil viele Kolleg*innen in “systemrelevanten” und frauendominierten Bereichen keinen bekommen haben.Die Gewerkschaften müssen darüber hinaus auch politische Kampagnen gegen Alltagssexismus, Gewalt an Frauen etc. organisieren, kurz: den Kampf um Frauenbefreiung wirklich führen. Denn für Marxist*innen ist klar, dass nur durch die größtmögliche Einheit der Arbeiter*innenklasse - unabhängig von Geschlecht, Herkunft usw. - größtmögliche Kampfkraft erreicht werden kann. Deswegen sind reine Frauenstreiks auch nicht so wirksam wie gemeinsame Streiks unabhängig vom Geschlecht. In Glasgow ist es 2019 städtischen Beschäftigen gelungen, durch einen 48-Stunden-Streik für Lohngleichheit für Frauen und Männer Kompensationszahlungen von 500 Millionen Pfund an die weiblichen Beschäftigten zu erkämpfen. Das war nur durch den gemeinsamen Kampf von männlichen und weiblichen Beschäftigten möglich, die sich nicht haben spalten lassen. Solche Kämpfe müssen wir uns als Beispiel nehmen.     Komm zur Online-Veranstaltung: "Frauenstreik? Feministischer Streik? Streiken für Frauenrechte - aber wie? Am 6.3. um 18 Uhr, Zugangsdaten auf Facebook: https://www.facebook.com/events/731968591080002/?active_tab=discussion    
 

ROSA aktiv gegen Sexismus

ROSA fordert auch vom ÖGB, den Kampf gegen Gewalt an Frauen ernsthaft aufzunehmen.
Katja

ROSA Österreich/ Nicht mit mir, die sozialistisch-feministische Initiative der SLP hat in den letzten Wochen eine Kampagne zum 25.11., dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen organisiert. ROSA sieht den Kampf um soziale Verbesserungen als zentralen Bestandteil der Frauenbewegung und als wichtiges Element im Kampf gegen Gewalt an Frauen.

Unter anderem haben wir präsent nach vorne gestellt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, höhere Löhne in frauendominierten Branchen, Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich und mehr Geld für Gesundheit, Soziales und Schutzeinrichtungen.

Neben mehrerer Online-Diskussionen haben wir am 25.11. eine Kundgebung am Meidlinger Platzl in Wien 12 organisiert, um vor Ort in einem Arbeiter*innenbezirk präsent zu sein, wo Frauen aus der Arbeiter*innenklasse die Mehrfachbelastungen für Frauen in diesem System am härtesten zu spüren bekommen. Es haben mehr als 25 Personen daran teilgenommen und es wurden Reden zu Themen wie dem Gesundheits- und Sozialbereich, zur Situation an den Schulen, Transphobie und Abtreibungsrechten gehalten. Viele Passant*innen waren interessiert und haben sich Material mitgenommen.

Außerdem waren wir zuletzt mit Material von ROSA-Polen bei mehreren Solidaritätskundgebungen in Wien gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in Polen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Situation von Frauen in der Türkei: eine Bilanz zum 8. März

Ecehan Balta

Dieser Artikel erschien zuerst in türkischer Sprache am 4. März 2020 auf der Website von „Sosyalist Alternatif”, der Schwesterorganisation der SLP in der Türkei und Kurdistan.

Link zum Originalartikel auf Türkisch: https://www.sosyalistalternatif.com/8-marta-dogru-turkiyede-kadinin-duru...

 

Wie auf der ganzen Welt arbeiten Frauen in der Türkei verglichen mit Männern mehr und verdienen weniger. Beispielsweise bekommen Frauen durchschnittlich 20 % weniger Gehalt als Männern obwohl sie gleiche Ausbildung haben. 

Während sich die Krise des Kapitalismus vertieft, tritt die Verarmung von Frauen in eine brutale Phase. Sogar in höchst „entwickelten kapitalistischen“ Ländern sind Arbeitslosengeld sowie eine universelle soziale Absicherung, die auch Frauen einschließt, nicht vorhanden. Zudem wird die stetig wachsende Nachfrage nach einem sicheren und gesicherten Arbeitsplatz nicht erfüllt. Im Gegenteil: die allgemeine Unsicherheit über fehlende Jobsicherheit und Prekarität steigt. Einerseits sind eine Verarmung von Frauen und Armut als zunehmend weibliches Phänomen zu sehen, andererseits beobachten wir einen Anstieg der Zeitnot von Frauen infolge steigender Ausbeutung der Arbeitskraft.

In dieser neuen Stufe der Kapitalakkumulation, besteht darüber hinaus eine übermäßige Ausbeutung der Reproduktions- und Kinderbetreuungsarbeit. Ökonomische und ökologische Krisen haben weltweit zur Folge, dass Frauen mehr arbeiten müssen, um Alters- sowie Kinderbetreuung zu gewährleisten, um sich um das Essen zu kümmern und um Wasser aus der Ferne in die Wohnung zu tragen. Frauen verschwenden ihre Zeit mit Wassertransport aus Wasserquellen, die Dutzende Kilometer entfernt sind, mit der Arbeit als Haushälterin (oft pro Dienstleistung), und als Arbeiterinnen in der Landwirtschaft (meistens unentgeltlich), weil es nicht als ernste Arbeit gezählt wirdNicht zuletzt auch dienen sie zur Vermehrung von Arbeitskräften infolge einer Politik, die Bevölkerungswachstum forciert. Das wird als „pronatalistische“ Politik bezeichnet.

Weltweit führen der Pronatalismus und häusliche Arbeit ohne soziale Sicherheit zu einer strengeren Kontrolle über den weiblichen Körper und die Arbeitskraft. Die Kontrolle weiblicher Körper benötigt die Religion sowie den Konservatismus. Neoliberalismus nimmt dabei Hilfe von konservativsten Versionen der Religionen.

Geschichte, soziale und kulturelle Bedingungen jedes Landes bestimmen Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Bis in die 70er Jahre wurde die Entwicklung der Türkei durch die Landwirtschaft geprägt und war daher auf unbezahlte Familienarbeit angewiesen. Bis vor den 2000er Jahren, als die Türkei zum EU-Beitrittskandidaten wurde, dominierte eine antinatalistische Bevölkerungspolitik. In den 2000er Jahren, bevor der Neoliberalismus weltweit gescheitert ist, brachten heftige Kämpfe von Frauen relativ erfolgreich in kurzer Zeit konkrete Verbesserungen. Dank dieser Kämpfe besitzt die Türkei bei verschiedenen Themen Gesetze und Verordnungen (zumindest auf dem Papier), welche Errungenschaften von Frauen darstellen. Im Jahr 2011 war die Türkei das erste Land, das die Istanbul-Konvention ratifiziert hat, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Doch wir stehen an dem Punkt wo die Auslegung und Umsetzung dieser Gesetze immer noch unter dem Regime des Patriarchats stattfindet und sich so jene Errungenschaften nicht darin wiederspiegeln.

Gewalt an Frauen

Wie in der ganzen Welt stellt Gewalt an Frauen ein Mittel, ein Schlüsselinstrument dar, um weibliche Körper zu kontrollieren. Laut einer Studie von KSGM (Allgemeine Direktion über die Lage der Frauen) vom Jahr 2008 ist jede Frau in der Türkei zumindest einmal sexueller, physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen. Diese Anzahl ist höchstwahrscheinlich noch niedriger als die Realität, wenn man auf Unsicherheiten (die bei der Unterscheidung zwischen Gewaltarten entstehen) Rücksicht nimmt, die meisten Frauen benennen psychische Gewalt, Vergewaltigung in der Ehe oder ökonomische Gewalt nicht eindeutig als Gewalt. Zahlreiche Berichte von STK (Organisation der Zivilgesellschaft) haben eine stetige Zunahme der Gewalt an Frauen seit 2008 bis heute bestätigt. 

Ein anderer kritischer Punkt ist Frauenmord. Zu diesem Thema fehlt die wissenschaftliche Forschung. Trotzdem beträgt, Debatten im Parlament zufolge, die Zunahme der Frauenmorde zwischen den Jahren 2003-13 1.400 %. Im Jahr 2003 wurden 83 Frauen von Männern ermordet, diese Zahl ist 2016 auf 329 angestiegen, und 2019 auf 474. 

Anmerkung der Übersetzerin: In der Türkei sind Gewaltexzesse an Frauen keine Seltenheit. Besonders 2019 machten grausame Frauenmorde - wie der an der 20-jährigen Kunststudentin Ceren Özdemir - Schlagzeilen und sorgten für Empörung in der türkischen Öffentlichkeit. Nach Angaben der Plattform "Wir werden Frauenmorde stoppen" wurden vergangenes Jahr mit 474 Morden an Frauen ein Höchstwert erreicht. Trotz der schockierenden Zahlen scheint die konservative AKP-Regierung wenig Interesse an einer Gewaltbekämpfung zu haben, das zeigt sich besonders an der derzeitigen Debatte um die Istanbul-Konvention: https://www.dw.com/de/frauenschutz-in-der-t%C3%BCrkei-eine-bombe-f%C3%BCr-die-familie/a-53456994

Frauen im Mittelpunkt des sozialen Elends des Kapitalismus 

Durch das Zusammentreffen des Neoliberalismus und der ökonomischen Krise einschließlich der pronatalistischer Bevölkerungspolitik wird eine autoritärere und konservativere Politik unvermeidbar. Eine Sparpolitik aufgrund der ökonomischer Krise hat zur Folge, dass zuallererst Ausgaben für Bildung und Gesundheit reduziert werden.

Im Jahr 2018 geben 12 von 100 Frauen an, dass medizinische Kosten für Reproduktionsgesundheit nicht von Krankenkassen abgedeckt werden. [1]

2019 betrug die Inflation bei Nahrungsmitteln wie Gemüse 94 %. 60 % von Frauen sind ohnehin unterernährt. Hohe Preise erschweren den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aus den genannten Gründen kam es zu einem rasanten Anstieg der Müttersterblichkeitsrate.

Abhängig davon wurde wie auf der ganzen Welt auch in der Türkei die pränatale medizinische Versorgung reduziert und die Rate an Hausgeburt stiegen an. In Asien versterben 920 von 100.000 Frauen, in der Türkei hingegen 400, an Ursachen, die in Verbindung mit einer Schwangerschaft stehen.

Die größte Heuchelei ist, dass diejenigen, die Frauen sagen, sie sollen Kinder gebären, gleichzeitig eine Politik vertreten, die Ausgaben für soziale Sicherheit verringert, um Arbeitskosten herabzusetzen und um die Bindung von Frauen an ihre Familie zu verstärken. Diejenigen, die die Körper von Frauen unter Kontrolle halten und das „Leben des Fetus“ schützen wollen, missachten das Leben von Frauen, anstatt den Gesundheitsschutz von Frauen zur Priorität zu machen.

Die größte Farce, die die Herrschenden betreiben, ist die Darstellung des weiblichen Körpers im Rahmen religiöser Lehre und Ethik, angefangen bei der Debatte um Abtreibung. Der Slogan „Mein Körper, meine Entscheidung!“, den die Frauenbewegung seit Jahren auf der ganzen Welt verwendet, hat noch eine andere, kraftvolle Aussage: universelle Menschenrechte von Frauen. 

Anstieg der Arbeitslosigkeit ist ein anderes wichtiges Merkmal dieser Periode und hat enorme Auswirkungen auf Frauen. 

In der Türkei ist die nicht-landwirtschaftliche Arbeitslosenquote (junge Frauen betreffend) 35,4 %. Zusammen mit den Schwierigkeiten beim Zugang zu Nahrungsmitteln nimmt die Arbeitssuche von Frauen parallel zur Arbeitslosenquote zu.

Die gewaltsame Beseitigung demokratischer Rechte, Unterdrückung und die Frauenbewegung

Der Prozess der Einschränkung der Grundrechte und -freiheiten nimmt seit 2013 aus Angst vor einem möglichen neuen Aufstand zu, insbesondere nach der Unterdrückung des Gezi-Aufstands. Nach dem „Staatsstreich“ vom 15. Juli 2016 hat der zweijährige Ausnahmezustand (OHAL) dies verstärkt, und die nach dem Ende des Ausnahmezustands im Jahr 2018 erlassenen Gesetze führten dazu, dass der Ausnahmezustand wie gewohnt fortgesetzt wird. Gouverneure sind nunmehr dazu berechtigt beinahe alle Demonstrationen zu verbieten, abseits davon werden z.B. Versammlungen oder Filmfestivals von LGBTQ-Gruppen nicht erlaubt. Außerdem kündigte das Gouverneursamt von Istanbul an, dass alle Aktivitäten unter dem Titel "Nein zum Krieg" verboten seien. Das zeigt uns wie gefährlich die politische Lage in der Türkei ist.  

Trotz dieser Untersagungen und des Ausnahmezustands stellt die Frauenbewegung, eindrucksvoll bewiesen durch die 8. März-Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmerinnen, nicht nur die Hauptkraft der Opposition dar, sondern ermutigt auch alle anderen Oppositionsbewegungen. Anfang 2019 scheiterte jedoch die Initiative Kadınlar Birlikte Güçlü („Frauen sind zusammen stark“), die das Potenzial hatte, diese Hoffnung einen Schritt vorwärts zu bringen, aus diversen, aber auch aus subjektiven Gründen innerhalb der Frauenbewegung. 

Frauen und die Zerstörung des Krieges

Der Krieg, den die Türkei in Syrien führt, liegt begründet in einem Albtraum und gleichzeitig einem imperialistischen Traum der Türkei. Ihr Albtraum wäre die Gründung eines autonomen Kurdischen Staates an der Südgrenze der Türkei. Ihr Traum ist hingegen eine imperiale Macht in der Region, durch die neo-osmanische Strategie mithilfe von dschihadistischen Gruppen in Syrien, zu werden.

Eine der Hauptfolgen des Syrienkrieges ist das Flüchtlingsproblem. Dem Krieg in Syrien entkommen Menschen, die in der Türkei Zuflucht suchen wollen. Der schlechten Lebensbedingungen und rassistischen Angriffe in der Türkei entkommen diejenigen, die in Europa Zuflucht suchen möchten. Europa hingegen drängt Flüchtlinge zwischen zwei Grenzen, in dem sie die europäischen Grenzen schließt. 

Krieg macht Frauen, die darin leben und ihm entkommen, das Leben extrem schwer. Verantwortung in der Kinderbetreuung sowie Vergewaltigungen, die nach dem Bosnienkrieg als Kriegsverbrechen bezeichnet wurden, nehmen massiv zu. Neben Vergewaltigungen durch Soldaten ist Frauenhandel eine andere Dimension von Gewalt. [2] Neben dem Kampf gegen Krieg sollte eine sozialistische feministische Bewegung den Aufbau und die Verstärkung von solidarischen Netzwerke für Flüchtlingsfrauen erneut auf die Tagesordnung setzen.

 

www.sosyalistalternatif.com

 

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[1] Diese Zahlen sind Daten von TDHS 2018 und stammen aus der Präsentation von Meltem Çiçeklioğlu auf der Arbeits- und Gesundheitskonferenz für Frauen, die vom 21. bis 23. Februar 2020 von TTB und der Ärtzekammer von Izmir organisiert wurde.

[2] Hinweis der Übersetzerin: Mehr zu diesem Thema in dieser Reportage: https://www.dw.com/de/syrische-fl%C3%BCchtlinge-verkaufen-ihre-t%C3%B6ch...

25.11. – wir brauchen sozialistischen Feminismus gegen kapitalistische Gewalt!

Erklärung des internationalen Frauenbüros der ISA

Am 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, der ursprünglich 1981 als Gedenktag für die in der Dominikanischen Republik vom Militärregime Trujillos ermordeten Schwestern Mirabal geschaffen wurde. Für uns als sozialistische Feminist*innen muss der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen ein antikapitalistischer Kampf sein. Die Gewalt ist nur möglich, weil sie von einem Gesellschaftsmodell legitimiert wird, das Frauen Unterlegenheit und Schwäche zuschreibt und sie letztlich als weniger menschlich definiert. Für uns ist das nicht überraschend, denn der Kapitalismus braucht die “traditionelle” Familie und die Rollenzuschreibungen, um die bezahlte und insbesondere die unbezahlte Arbeit von Frauen auszubeuten. Außerdem ist der Kapitalismus darauf angewiesen, Spaltungen zu erzeugen und Hierarchien zwischen Menschengruppen zu schaffen.

 

In diesem Jahr sehen wir vor dem 25.11. Angriffe auf Frauen und kollektiven Widerstand dagegen in Indien, der Türkei, Polen, Irland und anderen Ländern. Nach der Gruppenvergewaltigung und brutalen Ermordmung einer jungen Dalit-Frau in Uttar Pradesh gab es Proteste in ganz Indien. In Polen haben Frauen nach einer Reihe von Aktionstagen einen Streik gegen verschärfte Beschränkungen des Abtreibungsrechts organisiert, durch die 98% der bisher legalen Abtreibungen verboten würden. Damit würde das bereits sehr eingeschränkte Recht der Frauen auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper weiter verletzt. Die Bewegung dagegen ist die größte Protestbewegung in Polen seit der Wende. Sie wird von jungen Frauen geführt, die Menschen aller Geschlechter aus der Arbeiter*innenklasse mobilisieren und inspirieren.In Irland wurde vor kurzem das Ausmaß enthüllt, in dem die Kirche noch bis vor 30 Jahren unverheirateten Müttern ihre Kinder weggenommen hat. Noch in den 80ern waren hunderte Babies betroffen. Im Oktober wurde ein Untersuchungsbericht vorgelegt, der diese Verbrechen nachweist. Diese Beispiele zeigen die dringende Notwendigkeit, sich zu organisieren um der Gewalt gegen Frauen weltweit ein Ende zu machen!

Der Kapitalismus ist ein System der Krisen

Das wird in diesem Jahr immer deutlicher. Auf den Ausbruch der Pandemie folgte der wirtschaftliche Zusammenbruch. Arbeiter*innen und Armen tragen den größten Teil der Folgen und Frauenrechte werden um Jahre, vielleicht Jahrzehnte zurückgeworfen. Die Gefahr enormer Rückschritte erkennen sogar jene kapitalistischen Institutionen an, die uns so lange erzählt haben dass Frauen stetige Verbesserungen erreichen könnten indem sie sich innerhalb des Systems hocharbeiten.Im 2. Quartal 2020 ist die Weltwirtschaft um 10% geschrumpft, der Welthandel um 27%. Die Anzahl verlorener Lohnarbeitsstunden weltweit entspricht 500 Millionen Vollzeitjobs. Gleichzeitig ist die Menge unbezahlter Arbeit, die vor allem von Frauen erledigt wird durch Homeschooling und die Überlastung der Gesundheitssysteme gewachsen. Branchen, in denen überwiegend Frauen arbeiten (Einzelhandel, Gastronomie usw.) sind besonders stark von der Krise betroffen und Frauen sind verstärkt von Arbeitslosigkeit bedroht. In der neokolonialen Welt ist die Situation noch schlimmer, weil die Mehrheit der Frauen dort in informellen Bereichen ohne Sozial- oder Krankenversicherung arbeiten. Die Kombination aus Krise und Pandemie hat ihre Situation in allen Bereichen viel prekärer gemacht, auch die Bedrohung durch Gewalt und Übergriffe hat zugenommenWegen des Umgangs der Politik mit der Corona-Krise hat sich die Anzahl der hungernden Menschen in diesem Jahr verdoppelt. Schon seit einigen Jahren nimmt der Hunger weltweit wieder zu, und bald werden eine Milliarde Menschen betroffen sein. Auch die Zahl der Flüchtenden wächst und ist höher als jemals zuvor. Frauen sind auch davon besonders stark betroffen, denn in der neokolonialen Welt gilt als ihre Aufgabe, Nachrung und Wasser zu besorgen, und auf der Flucht werden Frauen öfter Opfer von Menschenhandel.

Nur der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft kann die Voraussetzungen schaffen, um diese perverse Logik zu überwinden und neue gesellschaftliche Beziehungen zu schaffen, durch die Gewalt gegen Frauen beseitigt werden kann. Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen!

In der Pandemie nimmt die Gewalt noch mehr zu

Auch in der Pandemie stehen Frauen an der Spitze des Widerstands. Offizielle Daten zeigen, dass Frauen weltweit mehr als zwei Drittel des Gesundheitspersonals ausmachen. In vielen Ländern wird die Pflege- und Betreuungsarbeit mehrheitlich von schwarzen und anderen gefährdeten Frauen wie Migrantinnen und Indigenen geleistet, die oft die Ernährerinnen der Familie sind.

Es ist gut belegt, dass häusliche Gewalt in Krisenzeiten zunimmt. Während der Lockdowns sind Frauen und andere Missbrauchsopfer gezwungen, in engeren Kontakt mit Missbrauchstätern zu treten, die ihr Verhalten leichter überwachen und Versuche, Unterstützung zu suchen, verhindern können. Der bereits vor der Pandemie bestehende Mangel an erschwinglichem Wohnraum und Sozialarbeit hat jetzt noch tödlichere Auswirkungen. Frauen spüren die Auswirkungen der Pandemie nicht nur am Arbeitsplatz, sonden auch an den gewaltsamen Folgen zu Hause.

Es ist nicht nur interessant, sondern in gewisser Weise auch paradox, dass die Weltbank im Oktober 2020 die Welt auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht hat: gerade die Weltbank gehört zu denjenigen, die für mehr Sparmaßnahmen, Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen und für die weltweite mangelnde Kontrolle dieser Pandemie verantwortlich sind, gerade wegen der Zentralität des Marktes und der Geschäftsinteressen.

Wir können uns nicht der Illusion hingeben, dass die Unterdrückung von Frauen durch die Hand derer gelöst werden kann, die die Gewalt gegen Frauen zulassen und täglich weiterführen. Mit der Pandemie wurde der Kapitalismus völlig ungeschminkt. Die Zunahme von Fällen von Gewalt und Aggression gegen Frauen und der Anstieg von Fällen psychischer Erkrankungen insbesondere berufstätiger Frauen sind Beweise dafür, dass dieses Gesellschaftssystem der Mehrheit kein sicheres und geschütztes Leben bieten kann. Wir wissen, dass auch der liberale, prokapitalistische Feminismus das Thema der Gewalt gegen Frauen aufgreift. Aber während wir es begrüßen, dass das Thema auf breiterer Ebene anerkannt wird, erinnern wir auch daran, dass dieselben liberalen, prokapitalistischen Kräfte für die Politik verantwortlich sind, die dieselbe Gewalt erzeugt und verstärkt. Sie sind also nicht unsere Verbündeten im Kampf gegen dieses Problem, sondern selbst Teil des Problems.

Die Zahlen sind erschreckend

Daten der Vereinten Nationen zeigen, dass im Jahr 2019 weltweit 17,8% der Frauen körperliche oder sexuelle Gewalt erlitten haben: 1 von 5 Frauen wurde im vergangenen Jahr von einem Partner, einem ehemaligen Partner oder jemandem aus ihrer Familie Gewalt ausgesetzt. Unter Gewalt werden alle Arten von Aggressionen verstanden, seien sie physischer, psychischer, sexueller oder emotionaler Natur.

Mit der Isolation und dem noch größeren Mangel an Arbeitsplätzen, Ausrüstung und öffentlichen Dienstleistungen sind die Fälle von Gewalt explodiert. Die Quarantäne zwang viele Frauen dazu, täglich rund um die Uhr mit ihren Aggressoren zu leben. In Brasilien sind mehr als 76% der Täter dem Opfer bekannt, meistens Familienangehörige. Und die Zunahme der Gewalt während der häuslichen Isolation ist nicht nur in Brasilien ein Problem. Die Zahl der Anrufe bei den Notrufzentralen für häusliche Gewalt ist währenddessen weltweit sprunghaft angestiegen. Beispiele dafür sind eine Zunahme von 161% in Italien, 30% in Argentinien, 40% in Brasilien, 65% im Vereinigten Königreich und 500% in Tunesien.

Das ist nicht nur eine Zunahme der Anrufe, sondern tatsächliche Gewalt. In Marokko berichtete das Ennakhil Listening Center, dass die wirtschaftliche Gewalt um 60% und die psychische Gewalt um 55% zugenommen hat. Die Organisation für die Freiheit der Frauen im Irak berichtet von einer Verdoppelung der Aufnahmeanträge seit der Blockade, insbesondere von jungen Frauen. In den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet das Frauenzentrum für Rechtshilfe und -beratung von einer 75%igen Zunahme der sozialen und rechtlichen Konsultationen, vor allem in städtischen und ländlichen Gebieten und in Geflüchtetenlagern. Emotionale, psychologische und wirtschaftliche Gewalt als direkte Folge von Nahrungsmittelknappheit und Arbeitslosigkeit nehmen zu. In Honduras hat die Zahl der Frauenmorde zugenommen, und die Militarisierung des täglichen Lebens hat zu einer verstärkten Unterdrückung durch die Polizeibehörden geführt, insbesondere von Frauen und Mädchen, die ihr Zuhause verlassen, um Brennholz und Wasser für ihre Familien zu sammeln.

Gewalt nimmt in allen Ländern zu

Während des ersten Lockdowns in Irland, von April bis Mai 2020, nahmen die Berichte über häusliche Gewalt um 30% zu. Dies wurde durch eine Reihe von extrem gewalttätigen, schrecklichen Morden unterstrichen. Besonders betroffen waren Frauen zwischen 30 und 49 Jahren und sehr alte Frauen. Dienste, die sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt befassen, wurden in der Vergangenheit ignoriert und unterfinanziert – im irischen Haushalt 2020 waren die Mittel für Windhundrennen so groß wie die Mittel für alle Dienste, die gegen häusliche Gewalt kämpfen, zusammengenommen! Dies hat zu einer enormen Krise für Frauen geführt – es gibt einfach keine Kapazitäten, Frauen dabei zu unterstützen, aus einer Missbrauchsbeziehung auszubrechen. Da es nun einen zweiten Lockdown gibt, ist zu erwarten, dass sich diese Situation weiter verschlechtern wird.

In den Vereinigten Staaten sind die Berichte über häusliche Gewalt in die Höhe geschossen, und das Recht auf Abtreibung wird zurückgedrängt, während für Frauen sowohl die Wahrscheinlichkeit steigt, „systemrelevante“ Arbeitskräfte zu werden, als auch entlassen zu werden. Hinzu kommt, dass Frauen den Großteil der vermehrten Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen, wenn die Kinder statt Schule zu Hause bleiben müssen.

In Schweden gab es im April einen Anstieg der Bewerberinnen für Plätze in Mädchen- und Jugendheimen um zwanzig bis vierzig Prozent. Im Frühjahr wurde der Polizei ähnlich viel Partnerschaftsgewalt gemeldet wie im Jahr zuvor, aber es scheint, dass die Verbrechen der Misshandlung von Frauen in diesem Herbst schneller zunehmen.

In Brasilien hat die Situation der Gewalt gegen Frauen exponentiell zugenommen. Die Zahl der Femizide stieg bereits zu Beginn der Pandemie im April um 22%. Und in einem Kaufhaus mit einem Online-Meldesystem für Gewaltfälle wurde Stand Mai 2020 ein Anstieg von 450% im Vorjahresvergleich verzeichnet.

In Großbritannien werden in „normalen Zeiten“ wöchentlich zwei Frauen von einem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. In den ersten sieben Wochen des nationalen Lockdowns wurden hingegen 26 Frauen und Mädchen von einem Mitglied ihrer Familie getötet. Die Nationale Beobachtungsstelle für Häusliche Gewalt der Regierung hat seit Beginn der Pandemie kein einziges Mal getagt, was zeigt, dass die massive Zunahme häuslicher Gewalt nicht ernst genommen wird. Stattdessen forderte sie Postangestellte und Zustellfahrer*innen auf, „nach Anzeichen von Missbrauch zu suchen“, und bezeichnete die eigentlich dafür zuständigen Mitarbeiter*innen als unwichtig!

In vielen Ländern mit einem überlasteten Gesundheitssystem wurde Abtreibung nicht als „unerlässliche“ medizinische Behandlung eingestuft, wodurch Frauen de facto gezwungen waren, sich zwischen einer gefährlichen und teuren Abtreibung im Privatbereich oder der Geburt eines ungewollten Kindes zu „entscheiden“. Neben dem Angriff auf die Abtreibungsrechte in einer Reihe von Ländern ist dies eine weitere Stufe staatlicher Gewalt gegen Frauen.

Neokolonialer Kapitalismus und Missbrauch durch imperialistische Institutionen: mehr Gewalt gegen die Schwächsten

Am 29. September wurde ein Bericht über sexuellen Missbrauch durch Mitarbeiter der WHO (Weltgesundheitsorganisation) während ihrer Reaktion auf die Ebola-Krise in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) im Jahr 2018 veröffentlicht. Neben der WHO sind auch andere Organisationen und NGOs wie ALIMA, UNICEF, IMC, World Vision, OXFAM und Ärzte ohne Grenzen angeklagt. Viele einheimische Frauen wurden im Tausch gegen Arbeit und Nahrung zum Sex gezwungen.

Die Verwundbarkeit der Frauen, die durch Pandemien noch verschärft wird, wird schließlich als Druckmittel für die Machthaber eingesetzt – ob Männer, Institutionen oder Länder, die ihre Interessen letztlich durch die Ausnutzung von Missbrauchs- und Gewaltsituationen sichern.

Dieser Skandal enthüllt die Farce der so genannten „sozialen Hilfe für die Opfer“, die diese Organisationen in Verbindung mit imperialistischen Interessen in neokolonialen Ländern leisten, und zeigt ihre Rolle als Verstärker der Beziehungen von Kolonialismus, Kontrolle und Macht. Diese Elemente verstärken auch die Gewalt gegen Frauenkörper.

Wir müssen die falschen Lösungen ablehnen, die von Organisationen dieser Art präsentiert werden, die über die Diagnose der Probleme hinaus nicht in der Lage sind, Sicherheit und bessere Lebensbedingungen für die Frauen der Arbeiterklasse zu garantieren. Stattdessen müssen wir dafür kämpfen, die Schulden dieser Länder zu erlassen und die imperialistische Ausbeutung sowie den ständigen Druck auf ihre Regierungen, die staatlichen Subventionen für Nahrungsmittel zu reduzieren, zu beenden, um nur einige der zentralen Forderungen zu nennen.

Nationalismus und reaktionäre Angriffe: das „neue“ Gesicht der Gewalt gegen Frauen

Überall auf der Welt nimmt – als Folge der globalen Situation im Allgemeinen und des Handelskrieges zwischen den USA und China im Speziellen – der Nationalismus zu. Rechtspopulistische Führer und hasserfüllte Politiker wie Trump, Bolsonaro, Erdogan, Putin, Xi Jingping und andere fördern sexistische Ansichten. Zusammen mit schwerwiegenden Einschränkungen oder Drohungen gegen das Recht auf Abtreibung (USA, Polen, Slowakei usw.) wird die Auffassung vertreten, dass nicht die Frau selbst über ihren Körper entscheiden sollte. Frauen wird ein noch größerer Teil ihrer Würde genommen. Diese Auffassung wird dann auch zu einer Zunahme der Gewalt gegen Frauen führen, da ihre Stellung in der Gesellschaft geschwächt wird und gewalttätige Männer grünes Licht erhalten.

Diese rechtsextremen Regierungen haben einen Krieg gegen unsere Rechte organisiert. Zweiunddreißig Länder haben eine „Liga gegen Abtreibungsrechte“ gegründet. Unter ihnen sind die USA, Brasilien, Ägypten, Indonesien, Pakistan, Polen und Ungarn. Dies ist eine klare Antwort auf die Welle von Frauen*kämpfen in der Welt und ein Beweis dafür, dass die Gewalt des kapitalistischen Staates nach wie strategisch-gezielt zur Beherrschung und Kontrolle dieses Systems eingesetzt wird. Wir müssen dem Beispiel der polnischen Arbeiter*innenklasse folgen und mit noch mehr Kampf antworten.

Kollektive Kämpfe und Organisierung als Ausweg

Die Pandemie ist noch nicht vorbei! Und in einem Teil der neokolonialen Länder, vor allem in Lateinamerika und Indien, nimmt die Zahl der Infizierten sowie die Gewalt gegen Frauen weiter zu.

Zwischen 2016 und 2020 waren wir Zeugen massiver Kämpfe auf den Straßen, angeführt von Frauen, meist jungen Frauen, gegen den Sexismus, der uns auf verschiedene Weise betrifft. Diese Energie des Kampfes und Widerstands ist nicht verschwunden. Die Pandemie hat eine konkrete Situation verschlimmert, die bereits sehr schwierig war, und hat bereits Tausende von Frauen auf die Straße gebracht.

Dieser Widerstand muss wieder aufgenommen werden, um das Leben Tausender Frauen zu verteidigen, insbesondere von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse, die von dieser Welle der Barbarei und Gewalt betroffen sind.

Am 23. August fand in Israel ein feministischer Streik gegen eine brutale Gruppenvergewaltigung eines 16 Jahre alten Mädchens statt, an dem sich Tausende von Menschen beteiligten. Die Demonstrationen fanden vom 20. bis 23. August statt und dauerten bis spät in die Nacht hinein. Mehrere Straßen wurden blockiert, als die Demonstrant*innen an spontanen Märschen in Tel Aviv und Haifa teilnahmen. Jugendliche und Frauen waren bei diesen Initiativen am aktivsten: für viele war es das erste Mal, dass sie sich am Kampf beteiligten.

Als #metoo sich in der ganzen Welt verbreitete, hatte es einen großen Einfluss auf die Diskussion über sexuellen Missbrauch in vielen Ländern. In Dänemark zum Beispiel war die Bewegung gegen Sexismus sehr begrenzt, bis Anfang des Jahres der amerikanische Filmproduzent Harvey Weinstein zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, was Massendiskussionen über Zustimmung, Missbrauch und Frauenrechte in Gang setzte. Seit Anfang Oktober hat eine #metoo-Bewegung begonnen, sich im ganzen Land auszubreiten. Sowohl in der Filmindustrie als auch in der Politik und in verschiedenen anderen Bereichen melden sich Frauen zu Wort und berichten von Misshandlungen, denen sie ausgesetzt waren. Tausende Dän*innen haben eine Reihe verschiedener Petitionen unterzeichnet, in denen sie auf den Sexismus am Arbeitsplatz in verschiedenen Branchen aufmerksam machen.

Wir haben auch den Ausbruch von Streiks des Gesundheitspersonals, insbesondere von Frauen, erlebt, die in vielen Teilen der Welt für sichere Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen kämpfen. In Nigeria sind Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen die Brutalität der Polizei zu kämpfen. Bei all diesen Aktionen standen Frauen an der vordersten Front der Demonstrationen.

Sozialistisches Programm für ein Ende der Gewalt

Die offizielle UN-Kampagne zum globalen Thema des 25. November lautet „Orange the World“: Finanzieren, Reagieren, Vorbeugen, Sammeln!“. Sie fordern die Menschen auf, Orange zu tragen und orangefarbene Plakate an ihre Fenster zu hängen. Sie fordern, dass die Finanzierung von Dienstleistungen für Frauen in die staatlichen Covid-Konjunkturpakete aufgenommen wird, dass auf die zunehmende Gewalt mit der Aufrechterhaltung grundlegender Dienstleistungen reagiert wird, dass eine Kampagne über die Einstellung zur Gewaltprävention durchgeführt wird und dass Daten darüber gesammelt werden, wie schlimm es ist. Zu sagen, dass dies nicht weit genug geht, wäre eine Untertreibung!

Wir können uns nicht auf kapitalistische Regierungen oder gar NGOs und liberale Kampagnengruppen verlassen. Um die Art von Dienstleistungen und Unterstützung zu erreichen, die notwendig sind, um das Leben von Frauen in dieser Krise zu retten, bedarf es einer Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse und der Armen aller Geschlechter.

Aus der Perspektive des sozialistischen Feminismus ruft die ISA alle Frauen dazu auf, ein Netzwerk internationaler Kämpfe und Aktionen zu organisieren, um politische Programme und Sofortmaßnahmen zu erkämpfen, die die Verteidigung unserer Leben gewährleisten.

Wir kämpfen jedoch nicht nur für eine Rückkehr zur „alten Normalität“, denn auch diese war unerträglich. Wir müssen über Forderungen, die sich nur auf die heutige Situation konzentrieren, hinausgehen und international für eine neue Zukunft für die Massen kämpfen.

Die Organisation dieser Kämpfe muss gemeinsam, kollektiv und international erfolgen. Trotz der Unterschiede in den Organisations- und Reaktionsebenen des Kapitalismus in jedem Land ist es unbestreitbar, dass es dasselbe System ist, das uns verletzt. Arbeiterinnen und junge Menschen aus der ganzen Welt müssen einen kraftvollen antikapitalistischen Kampf aufbauen, da dies die einzige Möglichkeit ist, ein Ende der Unterdrückung zu erreichen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, allen Frauen, die gegen Gewalt aktiv werden, ein Programm vorzuschlagen, das über die Appelle an die Machthaber hinausgeht: Wir schlagen ein Programm vor, das direkt zum Kern des Problems – dem kapitalistischen System – geht. Historische Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass gemessen an den Forderungen der Frauen der Arbeiterklasse kein kapitalistisches Land Fortschritte wie die der Russischen Revolution von 1917 umgesetzt hat.

In Augenblicken intensiver Krisen wie dieser verstehen Sozialist*innen, dass wir Sofortmaßnahmen mit Kämpfen und Forderungen verbinden müssen, die es uns ermöglichen, eine Bewegung aufzubauen, die tatsächlich mit diesem unterdrückenden und ausbeuterischen System brechen kann, das nicht in der Lage ist, ein würdiges Leben zu gewährleisten und unsere Interssen zu verteidigen!

Deshalb rufen wir an diesem 25N zum Aufbau einer sozialistischen feministischen Bewegung und zum Kampf für eine internationale sozialistische Alternative auf, um das Ende der Gewalt gegen Frauen zu erkämpfen!

  • Ni Una Menos – Keine weniger – es dürfen keine Menschenleben mehr durch geschlechtsspezifische Gewalt verloren gehen; es darf keine psychische oder physische Gesundheit mehr geschädigt werden. Wir kämpfen dafür, geschlechtsspezifische Gewalt, Missbrauch und Belästigung in all ihren Formen und überall dort zu beenden, wo sie stattfindet: am Arbeitsplatz, zu Hause, in Schulen und Universitäten, in staatlichen Institutionen, auf der Straße und online.

  • Politiker retten Banken und Unternehmen, aber das Leben von Frauen wird geopfert. Diese Pandemie der Gewalt erfordert Sofortmaßnahmen. Wir brauchen eine sofortige Erhöhung der öffentlichen Ausgaben und die Entwicklung eines staatlichen Programms zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Dies sollte den Bau von Schutzräumen und Netzwerken für Frauen und Kinder in Gewaltsituationen sowie spezielle Dienste für Fälle häuslicher Gewalt und sexueller Gewalt umfassen, die allen, die sie brauchen, vor Ort zur Verfügung stehen. Psychiatrische Gesundheitsdienste sollten den lokalen Zugang zu der von den Opfern benötigten Beratung und Therapie sowie spezialisierte psychologische Beurteilungen und Behandlungen für die Täter einschließen. Es sollte einen existenzsichernden Lohn und einen garantierten Arbeitsplatz für alle geben, um ein unabhängiges Leben zu ermöglichen.

  • Die Coronakrise hat die grundlegende Notwendigkeit hervorgehoben, das Wohlergehen aller Menschen an die erste Stelle zu setzen. Wir müssen den Reichtum der kapitalistischen Elite nutzen, um eine massive Ausweitung der öffentlichen Dienstleistungen zu finanzieren; von der kostenlosen Gesundheitsversorgung bis zur kostenlosen Kinderbetreuung. Es gibt überhaupt keinen Grund für Massenarbeitslosigkeit, wenn es so viel zu tun gibt. Mit verkürzten Arbeitstagen bei vollem Lohnausgleich, mit mehr Wohlstand und der Schaffung von grünen und sozial nützlichen Arbeitsplätzen kann die Arbeitslosigkeit auf Null reduziert werden.

  • Niemand sollte hungrig sein. Für einen Notfallplan zur Bekämpfung der Zunahme des Hungers – unter der Kontrolle der lokalen Gesellschaften, der Arbeitnehmerorganisationen, der Armen und Kleinbauern – als erster Schritt zu einer Neuplanung der Landwirtschaft. Beendigung der schädlichen kapitalistischen Produktionsmethoden, die Krankheiten und Hunger verursachen, und Aufbau einer Landwirtschaft in Gemeinschaftsbesitz im Einklang mit der Natur.

  • Arbeiterinnen und Arbeiter müssen Arbeitsplätze, die sicher vor der Verbreitung von Infektionen, sexueller Belästigung und Stress sind, haben. Nötig sind sichere Arbeitsplätze, die Kontrolle der Arbeit*innen über Gesundheits- und Sicherheitsfragen und eine Aufstockung des Personals, um den Arbeitsstress zu verringern.

  • Reale Mietkontrollen und der Bau von Sozialwohnungen in Massen – jede*r hat das Recht auf ein sicheres, erschwingliches und friedliches Zuhause. Enteignung und öffentliches Eigentum an Häusern, die aufgrund von Spekulationen leer stehen!

  • Für eine kostenlose, qualitativ hochwertige, öffentliche, säkulare Bildung mit progressiver, altersgerechter, LGBTQ-inklusiver Sexual- und Beziehungserziehung, die auf Zustimmung ausgerichtet ist.

  • Für freien und einfachen Zugang zu Verhütung und Abtreibung.

  • Die Gewerkschaften und Betriebsräte müssen einen echten Kampf für die gewerkschaftliche Organisierung führen, für ein Ende der prekären Arbeit, für einen existenzsichernden Lohn für alle Arbeiterinnen und Arbeiter und gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – eine solche Bewegung könnte die Führung im Kampf gegen alle Formen von Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und Transphobie übernehmen, um einen vereinten Kampf der Arbeiterklasse aufzubauen.

  • Schluss mit einem Strafsystem, das Sexismus, Diskriminierung und Opfervorwürfe reproduziert. Jeder Teil des Staates und der Sozialdienste, der mit Opfern und Tätern in Kontakt kommt, sollte über das Thema geschlechtsspezifische Gewalt aufgeklärt und geschult werden, um sicherzustellen, dass alle Opfer mit Respekt behandelt werden.

  • Wir kämpfen für einen Staat, der demokratisch von der Arbeiterklasse von unten regiert wird, indem wir die gegenwärtige Bevorzugung zugunsten der herrschenden Klassen beseitigen und die Präsenz von Rassismus, Sexismus und Diskriminierung im Staats- und Justizsystem ein für alle Mal beseitigen.

  • Für eine sofortige und massenhafte Reaktion der gesamten Arbeiter*innenklasse auf die Versuche von Staaten und Religionen, Frauen und LGBTQ-Leute ihres Rechts auf ihren Körper zu berauben, wie z.B. die Angriffe auf die Abtreibungsrechte in vielen Ländern.

  • Kampf gegen die Objektifizierung der Frauenkörper und ein Ende der sexistischen Werbung – die Medien müssen unter demokratische Kontrolle gestellt werden.

  • Kriege beenden und Kampf für Klimagerechtigkeit – Schluss mit rassistischer Einwanderungspolitik – für das demokratische Recht auf Asyl.

  • Demokratisches öffentliches Eigentum und die Kontrolle der Arbeiterklasse über die wichtigsten Hebel der Wirtschaft, über die wichtigsten Reichtümer und Ressourcen, als Teil eines demokratisch-sozialistischen Plans der Wirtschaft, um für die Bedürfnisse der Menschen und des Planeten zu sorgen und nicht für Profite.

  • Wir kämpfen für Brot und wir kämpfen auch für Rosen – für eine sozialistische Gesellschaft, in der Sexismus und Gewalt gegen Frauen wirklich der Vergangenheit angehören – für eine sozialistische Welt frei von Klassenteilung, Unterdrückung, Krieg und Gewalt, in der jeder Mensch das Recht auf einen guten Lebensstandard und die Freiheit hat, das Leben zu genießen!

 

Gewalt an Frauen hat System

Sexismus und Gewalt an Frauen ist nicht importiert, sondern zentraler Bestandteil des Systems.
Christoph Glanninger

Bis jetzt gab es 2020 in Österreich 19 Frauenmorde. Durch Corona hat Gewalt gegen Frauen zugenommen. Erst im September vermeldete die Regierung einen Anstieg von verhängten Annäherungs- und Betretungsverboten im Februar-April-Vergleich um 22 %. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. In der gleichen Pressekonferenz versucht die Frauenministerin, Gewalt an Frauen auf ein „patriarchales Familienbild, das nach Österreich getragen wird“ zu schieben.

Ganz typisch für etablierte Parteien und Medien ist es, das Thema Gewalt an Frauen entweder als importiertes Problem darzustellen oder als “Familiendrama” zu individualisieren. Selbst wenn etablierte Politiker*innen sich als “entschlossene Kämpfer*innen” gegen sexualisierte Gewalt inszenieren, produziert ihre alltägliche Politik die Grundlage für diese.

Das kapitalistische System ist abhängig von der in Familien geleisteten unbezahlten Hausarbeit. Laut einer Oxfam-Studie entspricht die unbezahlte Hausarbeit, die Frauen und Mädchen jeden Tag leisten, wenn sie nach jeweiligem Mindestlohn bezahlt würde, weltweit einer Summe von 11 Billionen US-Dollar/Jahr. Der Großteil sexualisierter Gewalt passiert im Familien- oder Bekanntenkreis. Durch Politik, Medien und Gesellschaft wird auch heute noch ein Familienbild vermittelt, bei dem Männern beigebracht wird, der “Mann im Haus” sein zu müssen und dementsprechend ihre Partnerin zu kontrollieren. Gerade während Corona wurden diese Rollenbilder gestärkt. Dazu kommt, dass durch Sexismus in den Medien und durch eine milliardenschwere Sexindustrie, die Vorstellung verstärkt wird, dass Männer über Frauen “verfügen” können. Diese reaktionären Rollen- und Familienbilder bilden die Grundlage für Gewalt.

Statistiken zeigen, dass sich gerade in wirtschaftlichen und damit sozialen Krisen diese Situation besonders zuspitzt und es zu einer Zunahme von häuslicher Gewalt kommt. Durch Arbeitsplatzverlust, Kürzungen im Sozialsystem und bei Betreuungsangeboten, finanziellen Problemen und Perspektivlosigkeit steigt der Druck innerhalb von Familien und Partnerschaften, kombiniert mit reaktionären Rollenbildern erhöht das die Gefahr für Gewalttätigkeiten. Zusätzlich verstärken wachsende Ungleichheit und Wirtschaftskrisen die wirtschaftliche Abhängigkeit und machen eine Trennung schwieriger.

Die Justiz im Kapitalismus schützt Opfer von Gewalt nicht und verschafft keine Gerechtigkeit: Nicht einmal 1 von 10 Vergewaltigungen wird zur Anzeige gebracht, nur 13% aller Anzeigen enden mit einer Verurteilung, nur etwa 10% der Anzeigen bei häuslicher Gewalt führen zu Verurteilung, dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. Nicht überraschend, sind doch die Organe des Staates selber von sexistischen Vorstellungen durchzogen: Gerade bei der Polizei finden sich reaktionäre Ideen (eine Statistik aus den USA zeigt, dass in 40% aller Polizist*innenfamilien häusliche Gewalt vorkommt).

Aber dieser systematische Sexismus trifft weltweit auf eine wachsende Schicht an Frauen und LGBTQ+-Personen, die ihn nicht mehr akzeptieren. Frauen stellen heute einen so großen Anteil der lohnabhängig Beschäftigten wie nie zuvor. Gerade durch Corona wird offensichtlich, dass Frauen die überwältigende Mehrheit in “systemrelevanten” Berufen stellen. Das trägt auch zu steigendem Selbstvertrauen und wachsender Zurückweisung jeglichen Sexismus bei. Weltweit haben wir in den letzten Jahren die Entwicklung einer beeindruckenden feministischen Bewegung gesehen, in deren Zentrum auch der Kampf gegen sexualisierte Gewalt steht: #Metoo, “ni una menos” und feministische Streiks in Spanien, der Schweiz etc. Auch in Ländern, in denen es keine verallgemeinerte Bewegung gibt, verändert sich das Bewusstsein.

Als Sozialist*innen zeigen wir in diesen Protesten auf, dass Sexismus und Gewalt an Frauen und LGBTQ+-Personen aus dem kapitalistischen System entsteht. Deshalb brauchen wir einen gemeinsamen Kampf gegen die Reichen und Mächtigen - für höhere Löhne, leistbare Mieten, ausreichend Beratungsangebote und Plätze in Frauenhäusern, entsprechende Aufklärung und Schulung in Schulen und der gesamten Gesellschaft und viele andere Maßnahmen. Dieser Kampf muss ein zentraler Teil im Wiederaufbau der Arbeiter*innenbewegung sein. Aber obwohl wir die eine oder andere Verbesserung erkämpfen können, wird es sexualisierte Gewalt geben, solange der Kapitalismus existiert. Ein System, das auf Frauenunterdrückung aufbaut und, vor allem in Krisenzeiten, weltweit Ungleichheit, Gewalt und Unterdrückung produziert, wird unmöglich dazu in der Lage sein, Gewalt an Frauen und LGBTQ+-Personen zu beenden. Dafür braucht es einen Bruch mit diesem Profitsystem. Denn nur in einer sozialistischen Demokratie, in der die Arbeiter*innenklasse Wirtschaft und Gesellschaft kontrolliert, können wir die notwendigen Hebel in Bewegungen setzen, um die sozialen und gesellschaftlichen Grundlagen für Gewalt an Frauen endgültig zu beseitigen.

 

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