Betrieb und Gewerkschaft

Zur Kika/Leiner „Rettung“

Thomas Hauer

Zwei Monate durfte sich Österreich mit den über 5.000 Beschäftigten von Kika/Leiner freuen. Durch die Vermittlung von Bundeskanzler Kurz wurde die insolvente Möbelhausgruppe verkauft. Während die XXXLutz-Gruppe wächst und Ikea den Onlinemarkt dominiert, fällt Kika/Leiner wiederholt durch Finanzprobleme auf. Dann trat Kurz-Berater René Benko mit seiner Firma Signa-Holding auf den Plan. Er ist Milliardär und könnte sich die Rettung von Kika/Leiner und allen Beschäftigten leisten. Nur wäre er nicht Milliardär, wenn er so ticken würde. Es wird jetzt auch nicht gerettet, sondern saniert. Deshalb müssen bis zu 1.100 Beschäftigte gehen. Das macht zumindest Benko und seine InvestorInnen noch reicher.

Die Betriebsräte bedauern zwar die Entwicklung, nehmen sie aber als „natürlich“ hin. Es gibt einen Sozialplan, aber keine Spur von Widerstand gegen die Kündigungswelle. Die Fehler des Managements werden auf die einfachen Beschäftigten abgewälzt. Was ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit dem Geld passiert, das die Beschäftigten erarbeitet haben? Wer hat sich bereichert? ÖGB und Betriebsrat sollten deshalb die Offenlegung der Finanzen fordern, die in Zukunft von VertreterInnen der Belegschaft kontrolliert werden müssen. Denen geht es nämlich, im Gegensatz zu den Benko & Co, nicht um Profite für wenige, sondern um langfristig stabile Jobs.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kämpferische Solidarität statt "Hoamatland"!

Das war die Aktion der Gewerkschaft gegen die Zerschlagung der Sozialversichung in Linz
Franz Neuhold

SLP-Flugblatt

Am 18. Oktober lud die Gewerkschaft zu einer Protestkundgebung gegen die Zerschlagung der Sozialversicherung vor das Linzer Landhaus. So weit, so gut. Doch die politische Ausrichtung sowie der völlige Mangel an Plan und Perspektive der Gewerkschafts-Führung werden der Regierung nur ein abschätziges Lächeln entlocken.

Was war geschehen?

Der Ton der Reden zielte nicht auf bundesweite Proteste und die Einbindung der Betroffenen in weitere Aktionen ab, sondern forderte - völlig realitätsfern - vom OÖ-Landeshauptmann Stelzer (ÖVP!), sich in Opposition zur Kurz-Regierung zu stellen. Phrasen vom "oberösterreichischen Standort", den es angeblich zu verteidigen gilt, machten die Runde, anstatt zu erklären, dass diese neoliberale Politik bundesweit und weltweit abläuft und nicht bloß einen "Husch-Pfusch" darstellt. Vor dem Hintergrund der Krisenanfälligkeit des Kapitalismus und verstärkter Konkurrenzkämpfe sind all diese Maßnahmen, die auf mehr Selbstbehalte, Privatisierungen und Umverteilung von unten nach oben hinauslaufen, ganz genau geplant und wohl überlegt - vom Großbürgertum, der Industriellenvereinigung und ihrer derzeitigen Regierungskoalition. Stattdessen hörte man von der Bühne die "Bitte" an Kurz und Co., sich noch einmal "hinzusetzen", um das Gesetz zu "überarbeiten". Glaubt der Chef der Arbeiterkammer-OÖ tatsächlich, dass diese schwarz-blaue Regierung tatsächlich FÜR ArbeitnehmerInnen Politik machen wird, wenn sie noch einmal darüber nachdenkt? Der politische Bankrott dieser Gewerkschafts-Führung wurde zum Schluss schlagend, als man die Oberösterreichische Landeshymne anstimmte. Warum kein Lied über Solidarität, oder soziale Bewegungen? Nein, lieber gab man vor, die Landesregierung zu "ärgern", indem man den grottigen Text des bekennenden Antisemiten Franz Stelzhamer abfeierte*. ÖVP-Stelzer, Kurz und Strache werden sich von solch einer Performance nicht verunsichern lassen.

Was nötig ist!

Dem gegenüber stand die Stimmung unter den Protestierenden, die durchwegs offen für unsere Vorschläge war. Viele positive Diskussionen entwickelten sich. Gerade auch ältere Menschen stimmten uns zu, dass nun wirklich und energisch gekämpft werden müsste, um den weiteren und katatstrophalen sozialen Niedergang, wie er in anderen Ländern bereits zu sehen ist, zu stoppen. Wir verkauften ca. 50 Zeitungen und verteilten 200 Flugblätter unter dem Titel "Unser 6-Punkte-Plan zum Sturz der Regierung".

Was die Beschäftigten der Sozialversicherungen, alle Versicherten und generell ArbeitnehmerInnen, Erwerbsarbeitslose und Jugendliche in diesem Land tatsächlich brauchen, sind eine kämpferische Perspektive und ein mutiger Plan, diese Regierung in absehbarer Zeit wegzubekommen. Beginnen wir mit dem Aufbau von Aktionskomitees, ihrer Vernetzung und infolge dem Zusammentreffen der AktivistInnen im Rahmen einer bundesweiten Aktionskonferenz, idealerweise begleitet von Massendemos mit klaren Forderungen UND einem Gegenprogramm zum Sozialraub, bis hin zu Betriebsversammlungen und (General-)Streik. All das ist möglich, wenngleich nicht mit dieser unfähigen und planlosen Gewerkschaftsführung.

Dies Alles zeigt eindrücklich, wie zentral der Aufbau einer kämpferischen Bewegung - auch im ÖGB und seinen Teilgewerkschaften - ist. Mach mit bei und mit der SLP und Kampagnen wie 'ÖGB aufrütteln!' https://www.facebook.com/%C3%96GB-aufr%C3%BCtteln-2071512099764375/ und 'Sozial, aber nicht blöd' https://www.facebook.com/sozialabernichtbloed/

* Die erste Strophe der OÖ Landeshymne: Hoamatland, Hoamatland! han di so gern - Wiar a Kinderl sein Muader, A Hünderl sein' Herrn.

Gemeinsam den Widerstand von unten aufbauen!

Ob KV-Runde oder Sozialabbau: Wir müssen uns zusammenschließen und gemeinsam aktiv werden.
Michael Gehmacher

Die Großdemonstration gegen den 12-Stundentag am 30. Juni gab vielen Menschen Hoffnung. Über den Sommer warteten dann KollegInnen auf Initiativen der ÖGB-Spitze. Auch zahlreiche BetriebsrätInnen wollten mehr machen, wurden aber auf die Kollektivvertrags-Verhandlungen (KV) vertröstet. Am 18. September trafen sich dann ca. 900 KV-VerhandlerInnen. Präsentiert wurde ein fertiges Forderungspapier mit einigen guten Forderungen. Aber: Vom Kampf gegen den 12-Stundentag war so gut wie keine Rede mehr, eher wie man ihn sich abkaufen lässt.

Tatsächlich sind eine sechste Urlaubswoche, ein Recht auf lange Freizeitblöcke etc. gute Ideen. Aber abgesehen davon, dass der 12-Stundentag immer noch eine soziale und gesundheitliche Katastrophe bleibt: Ohne Kampf wird man auch diese Forderungen nicht umsetzen. Auch „starke Branchen“ wie die MetallerInnen können das nicht alleine schaffen. Es braucht konkrete Solidaritätsaktionen und eine gemeinsame Strategie. Genau das kann oder will die ÖGB-Spitze nicht bieten. Man hofft auf eine SPÖ in der Regierung – irgendwann.

Ein erster Schritt wäre es, die verschiedenen Kämpfe und Initiativen, die es ja gibt, miteinander zu verbinden: Im Sozial- und Gesundheitsbereich, im Bildungswesen, gegen Abschiebungen... Ein bundesweiter Streik-und Aktionstag, wie es die Initiative „ÖGB aufrütteln“ vorgeschlagen hat, wäre ein guter erster Schritt. Die Stärke der Regierung ist nur die Schwäche der Opposition bzw. die Unorganisiertheit, Unentschlossenheit und Planlosigkeit all jener, die nicht wollen, wie die Regierung will. Arbeitszeitverkürzung statt 12-Stunden-Tag ist möglich, Regierungsangriffe können zurückgeschlagen werden, dazu braucht es aber Akionen im Betrieb und auf der Straße. Die KollegInnen der AUVA sind hier ein Vorbild. Es hat sich ausgezahlt, dass die KollegInnen nicht auf die ÖGB-Spitze gewartet haben, sondern eigenständig aktiv geworden sind. Sie haben die Regierungsangriffe massiv abgeschwächt.

 

So könnte ein „heißer Herbst“ ausschauen

Gerade wo die Belastung schon jetzt groß ist, ist es auch die Wut über den 12-Stunden-Tag. MetallerInnen, ÖBB u.a. sind gewerkschaftlich gut organisiert. Hier sollten die KollegInnen die ÖGB-Streikfreigabe nutzen. Wenn klar wird, dass die Arbeit“geber“ den Forderungen nicht zustimmen, dann ist Streik ein nötiges Mittel, um die Angriffe auf Gesundheit und Einkommen zurückzuschlagen.

 

Streiks und Aktionen müssen demokratisch organisiert werden. Es ist wichtig, in Betriebsversammlungen über die genauen Ziele und die Protestform zu beraten und abzustimmen. Nur wenn alle mitentscheiden, kämpfen auch alle mit. Kampfschritte müssen auf Konferenzen besprochen werden. Auch das Ergebnis von Verhandlungen muss den betroffenen KollegInnen zur Urabstimmung vorgelegt werden. 

 

Kämpfe sind erfolgreicher, wenn sie nicht isoliert sind. Wir müssen selbst informieren, denn Medien und Politik stehen auf Seiten der Chefs. Aktionen wie Betriebsversammlungen und Streik müssen auch auf die Straße getragen werden. Das erhöht die Wirkung und gibt solidarischen Menschen die Möglichkeit, sich anzuschließen. So kann auch ein Schulterschluss zu KollegInnen aus anderen Betrieben und Branchen hergestellt werden.

 

Die Regierung plant auch Angriffe auf Mindestsicherung, Arbeitslose und die Krankenkassen. Auch hier kann es Auseinandersetzungen geben. Diese Bewegungen müssen mit den Lohn– und Gehaltsverhandlungen verbunden werden. Weil die ÖGB-Führung zu zögerlich ist, müssen KollegInnen, die was tun wollen, sich dauerhaft koordinieren und unterstützen: ÖGB aufrütteln macht genau das: FB/ÖGB aufrütteln

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Aktionstag Sozialbereich

Erfolgreicher bundesweiter Aktionstag gegen Kürzung der Mindestsicherung
Michael Gehmacher

Am 12.10 gab es wichtige Aktionen im Sozialbereich, die SLP und viele ihrer AktivistInnen waren in mehreren Bundesländern und als Teil von „Sozial, aber nicht blöd“ mit von der Partie.

Die schwarze-blaue Bundesregierung plant weitere Angriffe auf die Mindestsicherung. Konkret will sie v.a. bei Kindern, MigrantInnen und Jugendlichen kürzen. Menschen sollen gezwungen werden, mit nur 563 Euro im Monat auszukommen – was angesichts von hohen Mieten und steigenden Preisen unmöglich ist! Grund genug für verschiedene Initiativen im Sozialbereich sich zu einem Aktionstag zusammen zu schließen. Die Initiativen Resilienz, „Bündnis Flüchtligsarbeit“, KNAST, „Sozial, aber nicht blöd“ und „Raum für Alle*“ organisierten einen gemeinsamen Aktionstag am 12. Oktober mit Aktionen in Wien, Linz, Graz und Innsbruck.

Den Auftakt bildeten Fans des Wiener Sportclub, die am 9. Oktober bei einem Heimspiel in Wien-Hernals am Spielfeldrand ein großes Transparent gegen Sozialabbau und einen Aufruf für den 12. Oktober aufhängten. Über 90 Minuten ein gut sichtbares Zeichen. Außerdem wurde eine Ausgabe der Fanzeitung verteilt, in der sich ein Artikel schwerpunktmäßig mit Sozialabbau auseinandersetzte und zum Aktionstag aufrief.

Am 12. Oktober selbst starteten wir mit einer Aktion vor dem AMS-Redergasse in Wien Margareten. AktivistInnen vom „Bündnis Flüchtlingsarbeit“ und „Sozial, aber nicht blöd“ machten in einer Kundgebung auf die drohenden Kürzungen der Mindestsicherung, den allgemeinen Sozialabbau und dem gleichzeitig existierenden extrem großen Reichtum in Österreich aufmerksam. Eine aktuelle Studie der Uni Linz geht inzwischen von einem reinen Privatvermögen von 1.317 Milliarden Euro sowie von 148.000 MillionärInnen und 36 MilliardärInnen in Österreich aus. Gleichzeitig besitzen rund vier Millionen Menschen hierzulande insgesamt nur 2% des gesamten Reichtums (während das reichste ein Prozent 40,5 % dieses Reichtums sein eigen nennen kann). Etwas mehr als eine Million Menschen lebt dauerhaft an der Armutsgrenze. Und bei diesen soll besonders gespart werden!

Viele PasanntInnen zeigten sich positiv überrascht von unserer Aktion. Vor allem AMS-“KundInnen“ berichteten über die aktuelle Situation als Erwerbsarbeitslose. Ein Kollege vom Stadtgartenamt machte auf das besondere Problem der Kürzungen bei MigrantInnen aufmerksam.

Am frühen Nachmittag machte die SozialarbeiterInneninitiative „KNAST“ bei der Station „Landstrasse - Wien Mitte“ auf die drohenden Kürzungen aufmerksam. Gemeinsam wurde ein großes soziales Netzt gespannnt. Rund 20 Leute beteiligten sich an der Aktion.

In Linz startete um 17.00 eine Aktion am Taubenmarkt: hier wurde vorallem die Verbindung zwischen den Angriffen der Bundesregierung und dem oberösterreichischen Sozialabbau hergestellt. In Graz gab es eine Aktion in der Fußgängerzoner direkt vorm Grazer Sozialamt. Mit vielen Flugblätter ausgestattet stellten sich AktivistInnen von Resilienz in die Innsbrucker Fußgängerzone. An verschieden Orten wurde den Tag über Flyer verteilt.

In Wien trafen sich alle beteiligten Basisinitiativen dann zum Abschluss zu einer längeren Kundgebung bei der U3-Station Ottakring und berichteten von ihrer Arbeit und dem Kampf gegen Sozialabbau. Ulli R., Beraterin in einem großen österreichischen Sozialverein und Aktivistin von „Sozial, aber nicht blöd“ berichtete von den Schwierigkeiten, die BezieherInnen der Mindestsicherung schon jetzt haben, und was die Kürzungen bedeuten würden. Selbst Alleinerzieherin, ging sie vorallem auch auf die Situation von alleinerziehenden MindestsicherungsbezieherInnen ein.

Nikita T., Obdachlosenbetreuer und Aktivist bei „Sozial, aber nicht blöd“ berichtete von der Situtation im Obdachlosenbereich. Das „Bündnis Flüchtlingsarbeit“ informierte über die für BewohnerInnen und BetreuerInnen oft haarstreubenden Zuständen in Wiener Flüchtlingsunterkünften und die Auswirkungen der Kündigungswelle.

Ein weiterer Höhepunkt der Aktion waren die live Darbietung des PartisanInnenliedes „Bella Ciao“ von Laura Refeseder und das gemeinsame Einreissen der „Mauer der Angriffe“. Diese Mauer bestand aus Pappkartonschachteln, wobei jede Schachtel einen einzelnen Angriff der Bundesregierung oder aus einem Bundesland darstellte. Gemeinsam wurde dann die Mauer sehr schnell zu Fall gebracht. Georg und Till von der Inititative „ÖGB-Aufrütteln“ stellten eine wichtige Verbindung zum Kampf gegen den 12-Stundentag her: Nach der erfolgreichen ÖGB-Demo vom 30. Juni hätte der Widerstand ausgeweitet und auch mit Streiks weiter gehen müssen. Beide ginden hart mit dem Versagen der ÖGB-Führung ins Gericht. Dieser Punkt wurde von Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende beim Verein Wiener Kinder– und Jugendbetreuung, AK-Rätin der Liste Komintern und Aktivistin von „Sozial, aber nicht blöd“, aufgegriffen. Sie berichtete vom Streik im Sozialbereich im Februar 2018 und stellte die wichtige Verbindung zu dem Angriffen auf Sozialleistungen her.

Als Menschen die im Sozialbereich arbeiten sind wir von den aktuellen Angriffen besonders betroffen. Die Kürzungen treffen uns einmal als Beschäftigte. Dazu kommt dann, dass viele Kürzungen etwa bei der Mindessicherung oder der Familienbeihilfe (Streichung der doppelten Familienbeihilfe für beeinträchtigte Menschen) auch viele Sozialvereine betreffen. Die Verträge mit ihren „KundInnen“ hängen ja oft von der Höhe der Sozialleistungen ab. Diese Sozialvereine geben dann oft die Streichungen 1:1 an die Beschäftigten weiter.

Besonders unangenehm ist es, wenn wir als SozialarbeiterInnen oder BetreuerInnen die Kürzungen bei unseren KlientInnen mit durchführen sollen. Etwa wenn KollegInnen auf Sozialämtern die Mindestsicherung kürzen bzw. streichen müssen, wenn KollegInnen am AMS Sanktionen mittragen müssen oder wenn FlüchtlingsbetreuerInnen in der Arbeit dazu angehalten sind, bei Abschiebungen mit zu wirken (etwa in dem sie PolizistInnen zum Zimmer des Asylwerbers bringen müssen). Da wir Beschäftigte im Sozialbereich aber auch keine MittäterInnen sein wollen, werden wir uns zu weiteren Aktionen zusammen schließen. Die Gewerkschaft kümmert sich um dieses Thema leider herzlich wenig!

Außerdem brauchen und wollen wir eine deutliche Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen. Die kommenden Lohn- und Gehaltsverhandlungen sind eine hervoragende Gelegenheit, um gemeinsam auf die Strasse zu gehen. Schon beim Streik im Februar haben es einzelne KollegInnen bzw. organisierte Belegschaften geschafft, unsere Forderungen als Beschäftigte mit dem Kampf gegen Sozialabbau und rassistische Abschiebepolitik zu verbinden. Der Aktionstag war ein wichtiger Meilenstein der Vernetzung und Zusammenarbeit und damit auch auf dem Weg zu kämpferischen – und erfolgreichen – KV-Verhandlungen.

Sozial aber nicht blöd auf FB: https://www.facebook.com/sozialabernichtbloed/

 

Protest im Salzburger Sozialbereich

Landesregierung will nicht einmal in KV-Höhe zahlen!

Am Samstag den 6.10 demonstrierten in Salzburg etwa 200 Beschäftigte aus dem Sozial- und Pflegebereich gemeinsam mit solidarischen Menschen. Die Demonstration forderte die ausreichende Finanzierung der privaten Sozialeinrichtungen durch die Landesregierung. Schon im Juni protestierten die KollegInnen dafür, dass die Erhöhung des Kollektivvertrages der Sozialwirtschaft in einer Erhöhung der Förderungen für die privaten Sozialvereine durch das Land Salzburg umgesetzt wird. Doch nach wie vor finanziert die Salzburger Landesregierung die geltenden Kollektivverträge nicht, sondern zahlt niedrigere Förderungen. Begründet wird dies dadurch, dass das Land die Kollektivverträge ja nicht mitverhandle und darum auch nicht berücksichtigen müsse. Dies führt dazu, dass der Sozial- und Pflegebereich zusätzlich zu den ohnehin überall bestehende Sparmaßnahmen betroffen ist und in dem die Kollektivverträge seit Jahren kaum oberhalb der Inflationsrate abgeschlossen wurden.

Schon im Juni protestierten die KollegInnen dafür, dass die Erhöhung des Kollektivvertrages der Sozialwirtschaft in einer Erhöhung der Förderungen für die privaten Sozialvereine durch das Land Salzburg umgesetzt wird.

Mit Flugblättern der Basisinitiative "Wir sind sozial aber nicht blöd." stellten wir nicht nur die Forderungen nach höheren Löhnen und einer 35-Stunden-Woche auf, welche schon der Streik Anfang des Jahres zum Ziel hatte, sondern schlugen Gewerkschaft und KollegInnen auch einen kämpferischeren Kurs zur Erreichung der aktuellen Forderungen vor:

Allein Appelle an die Landesregierung werden nicht reichen, wir brauchen eine breite Diskussion in den Betrieben über nächste weitergehende Schritte. Betriebsversammlungen und Streiks sind eine Möglichkeit, um vielen KollegInnen eine Teilnahme an den Protesten zu ermöglichen und den notwendigen Druck auf die Landesregierung aufzubauen.

So ergriff auch eine Aktivistin das Mikrofon am Lautsprecherwagen und rief die Parole "Heute Demo, morgen Streik! Widerstand! Wir sind bereit!", die auf laute Resonanz stieß.

Klassenkampf statt fauler Kompromisse

Um die schwarz-blauen Angriffe abzuwehren braucht es eine ganz andere Gewerkschaftspolitik.
Christian Bunke

Auf den Betriebsversammlungen gegen die Einführung des 12-Stundentages durch die schwarz-blaue Bundesregierung wurden seitens mancher GewerkschaftsvertreterInnen große Töne gespuckt.  So sagte Peter Grandits, Konzernbetriebsrat der PORR AG: „Wenn es hart auf hart geht, werdet ihr im Radio hören: Die Westautobahn ist gesperrt, da haben sie Schotter verloren. Die Flughafenautobahn ist gesperrt, da haben sie Beton verloren. Alle Wege nach Wien sind gesperrt. Da kennen wir nichts.“

Dass ein Betriebsratsvorsitzender über Streiks gegen die Regierung nachdenkt, ist begrüßenswert. Allerdings ist seit Juni wenig bis nichts passiert. Der ÖGB setzt nicht auf die Zerschlagung des 12-Stundentag-Gesetzes, sondern auf das Aushandeln von „Ausgleichsmaßnahmen“. Hier verkennt der ÖGB die Lage. Regierung und Großindustrie wollen nicht verhandeln, sondern diktieren. Damit überhaupt wieder Verhandlungen stattfinden können, müssen die Gewerkschaften Kampfbereitschaft zeigen.

Es gibt viele Beispiele dafür, wie dies bewerkstelligt werden kann. Schauen wir auf die Charité in Berlin, eines der größten Krankenhäuser Europas, in etwa vergleichbar mit dem AKH in Wien. Bei der Charité konnten die KollegInnen der „Charité Facility Management“ nach jahrelangem Kampf einen Stundenlohn von 11 Euro für alle durchsetzen. Es brauchte Streiks und Organisationsarbeit, damit am Ende ein Verhandlungsergebnis stehen konnte. Das ist immer noch viel zu wenig, aber ein wichtiger erster Schritt für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse.

Durch den Einsatz kämpferischer AktivistInnen konnte eine handlungsfähige Betriebsgruppe der Gewerkschaft Verdi aufgebaut werden, die in der Lage war, eigenständig zu handeln, zu kämpfen und die nächsten Schritte zu beschließen. Inzwischen hat sich sogar ein bundesweites Netzwerk kämpferischer Basisinitiativen im Gesundheitswesen Deutschlands gegründet.

Die bereits angelaufene Offensive österreichischer Unternehmensverbände gegen die Gewerkschaften muss durch den Aufbau solcher Strukturen wie in Berlin beantwortet werden. Wir brauchen eine Aktivierung und Politisierung der Mitgliedschaft. Die beeindruckende Demonstration von weit über 100.000 ArbeiterInnen gegen den 12-Stundentag hat das Potential dafür gezeigt. Auch die Betriebsversammlungen waren gut besucht. Sie dürfen aber nicht mehr nur ein Verlautbarungsorgan der Gewerkschaftsspitzen sein, sondern müssen zu einem Instrument der demokratischen Willensbildung in den Betrieben werden.

Die Forderung nach der Demokratisierung der österreichischen Gewerkschaften ist kein Wunschtraum. Anfang der 2000er Jahre konnte das Linksbündnis „left unity“ die Führung der britischen Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS übernehmen. Die PCS ist das britische Gegenstück zur hiesigen Beamtengewerkschaft GÖD.

Über Jahre hinweg baute „left unity“ ein Netzwerk von AktivistInnen in der Gewerkschaft auf und lieferte sich erbitterte Auseinandersetzungen mit der konservativen Gewerkschaftsspitze, bis schließlich eine Mehrheit der Mitgliedschaft einem kämpferischen Programm ihre Stimme gab. Seit Jahren wird „left unity“ jedes Mal mit großer Mehrheit wiedergewählt.

Aus gutem Grund. Die PCS fordert vom britischen Gewerkschaftsbund koordinierten Widerstand gegen die Sparprogramme der konservativen Regierung. Sie setzt sich für gemeinsame Streiks bis hin zu einem Generalstreik ein. Gleichzeitig wartet die Gewerkschaft nicht darauf, dass andere sich bewegen. Seit Jahren sind die Gehälter britischer Staatsangestellter eingefroren. PCS bereitet sich nun darauf vor, diese Gehaltssperre zu bekämpfen. Im Sommer gab es erste Initiativen in Richtung eines Streiks.

Das brauchen wir in Österreich. Wir brauchen eine Gewerkschaftsführung, die ein Programm für den Widerstand mit ihren Mitgliedern diskutiert und dann vorlegt. Es muss eine Eskalationsstrategie entwickelt werden, mit der diese Regierung von kleinkarierten RassistInnen und versnobten Yuppies, die nie in ihrem Leben einen Tag in einem normalen Job arbeiten mussten, hinweggefegt werden kann.

So eine Gewerkschaft, so eine Führung entsteht nicht von allein. Jetzt muss mit dem schwierigen Weg des Aufbaus einer linken Gewerkschaftsopposition begonnen werden. Erste kleine Schritte werden bereits gemacht. Die Streiks im österreichischen Sozialbereich vor einigen Monaten haben gezeigt, was möglich ist, wenn Belegschaften sich organisieren und Proteste vorbereiten. Mit dem Bündnis „ÖGB aufrütteln“ existiert nun eine Struktur, die zu einem Sammelbecken betrieblicher AktivistInnen werden könnte, die sich mit dem Bestehenden nicht mehr abfinden wollen. Daran gilt es nun mit aller Kraft zu arbeiten.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Geburt der Bürokratie

Jan Millonig und Sebastian Kugler

Wenn GewerkschaftsfunktionärInnen im fetten BMW zur Protestaktion von Beschäftigten des Sozialbereichs kommen, ist das mehr als nur „schiefe Optik“. Wenn eine Fachsozialbetreuerin mit 1.538,85 Gehalt von einer GPA-Vorsitzenden Teiber mit 4.876,40 € netto vertreten wird, ist das mehr als fraglich. Wenn ÖGB-Chef Katzian 7.668,68 € netto verdient, erklärt dass zumindest zum Teil warum er eine andere Realität sieht als die Mitgliedschaft.

Die Bildung von Gewerkschaften ermöglichte es den ArbeiterInnen, die Konkurrenz untereinander um Jobs und Löhne zu minimieren und den KapitalistInnen gegenüber geeint aufzutreten. Um die systembedingte Benachteiligung der ArbeiterInnen gegenüber den KapitalistInnen abzuschwächen, mussten die Gewerkschaften eigene Apparate aufbauen – mit eigenem Personal. Die ArbeiterInnen, die fortan nicht nur Gewerkschaftsmitglied waren, sondern für sie arbeiteten, mussten die Interessen der Beschäftigten vertreten. Gleichzeitig konnten sie aber nicht über das kapitalistische System, das sie zu Ausgebeuteten macht, hinausgehen. Für sie wurde die Gewerkschaft von einem Mittel zur Durchsetzung der Interessen von ArbeiterInnen auch zum Zweck ihrer eigenen Lebensgrundlage. Und diese besserte sich erheblich, je stärker die Gewerkschaften und ihre Apparate wurden. In Gewerkschaften, die nur die Humanisierung, nicht den Sturz des Kapitalismus zum Ziel haben, verselbständigen sich diese Apparate (unter kräftiger Mithilfe von Staat und Kapital) immer mehr und entwickeln eigene Interessen. Sie identifizieren diese Interessen als die der gesamten Bewegung, obwohl sie diesen manchmal direkt entgegenstehen. Sie zentralisieren die Entscheidungsgewalt und ersetzen Gewerkschaftsdemokratie durch bürokratische Strukturen. Schließlich sollten die Gewerkschaften zwar stark sein, um genug Macht und Geld für die Bürokratie zu bringen – sie sollten aber auch die Stabilität des Systems nicht zu sehr gefährden, mit dem die BürokratInnen immer mehr verwachsen. Denn diese Leute verbringen nun mehr Zeit in staatlichen Sitzungssälen und Konferenzräumen von Unternehmen als unter ArbeiterInnen – und übernehmen dementsprechend die Logik von Staat und Kapital.

Leo Trotzki schrieb in seinen Notizen über Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs 1940: „Sie haben einem zentralisierten, eng mit der Staatsgewalt verbundenen kapitalistischen Widersacher zu begegnen. Für die Gewerkschaften - soweit sie auf reformistischem Boden bleiben, das heißt soweit sie sich dem Privateigentum anpassen - entspringt hieraus die Notwendigkeit, sich auch dem kapitalistischen Staate anzupassen und die Zusammenarbeit mit ihm zu erstreben.“

Das ist die Basis einer Ideologie, die auf den „Ausgleich der Interessen“ zwischen ArbeiterInnen und Wirtschaft abzielt, institutionalisiert in der Sozialpartnerschaft. Weil ihre eigenen, speziellen Interessen widersprüchlich sind (Stärke der ArbeiterInnenklasse bei gleichzeitiger Freundschaft mit dem Kapital), halluziniert die Bürokratie „gemeinsame Interessen“ von ArbeiterInnen und KapitalistInnen als StaatsbürgerInnen. Diese gibt es nicht und wird es nie geben.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sozialpartnerschaft: Mythen und Realität

Die Sozialpartnerschaft: zahlreiche Mythen und die harte Realität
Michael Gehmacher, aktiv im SWÖ-Streik 2018 und 26 Jahre ÖGB Mitglied

Im Kampf gegen 12-Stundentag und andere Regierungsgrauslichkeiten wurde die Debatte über die Sozialpartnerschaft neu belebt. Woher kommt sie? Wie funktioniert sie? Funktioniert sie überhaupt? Und lohnt es sich, um sie zu kämpfen?

Mythos 1: “Die Sozialpartnerschaft ist eine österreichische Eigenart.“ Tatsache ist: Die Sozialpartnerschaft ist zwar in Österreich besonders ausgeprägt gewesen, Formen von kooperativer Gewerkschaftspolitik gibt es aber überall dort, wo Gewerkschaften keine systemüberwindende Perspektive und Unternehmen ein Interesse an „Einbindung“ derselben haben. Institutionalisiert war sie u.a. in den skandinavischen Ländern, Irland und Deutschland.

Mythos 2: „Nach dem Krieg wollte man das Lagerdenken überwinden und gemeinsam Österreich aufbauen.“ Tatsächlich aber verstanden nach 1945 viele ArbeiterInnen Krieg und Faschismus als unmittelbare Folgen des kapitalistischen Systems. Die Stimmung war in weiten Teilen der Bevölkerung antikapitalistisch. Zusätzlich entstanden um Österreich herum stalinistische Staaten. Dort gab es zwar keine echte sozialistische Demokratie, aber die Unternehmen wurden enteignet. Die Angst der Bourgeoisie vor der antikapitalistischen Stimmung und einer möglichen Enteignung war ein wichtiges Motiv für die Kooperation mit ÖGB und Arbeiterkammern. Dazu kamen wirtschaftliche Gründe: Der schwachen österreichischen Bourgeoisie fehlte das Geld zum Investieren. Der ÖGB auf der anderen Seite wurde nicht in erster Linie von unten gegründet, sondern von ehemaligen FunktionärInnen. Anstatt mit dem Kapitalismus zu brechen, der ins Verderben geführt hatte, hofften sie, dass ein besser kontrollierter Kapitalismus und eine Zusammenarbeit mit dem Klassengegner zu einem harmonischen „Zusammen“ führen würde. Diesem Glauben liegt eine falsches Grundverständnis des Kapitalismus zugrunde: Die Interessen von Arbeit und Kapital stehen im permanenten Widerspruch. Es ist der Kampf darum, wer wieviel von den in der Produktion von den ArbeiterInnen neu geschaffenen Werte bekommt.

Mythos 3: „Die Sozialpartnerschaft brachte Wohlstand.“ An der Wiege der österreichischen Sozialpartnerschaft standen fünf „Lohn- und Preisabkommen“ mit denen die Erhöhungen von (niedrigen) Löhnen und (hohen) Preisen festgeschrieben wurde. Die Gewerkschaft hielt sich daran, Unternehmen und Schwarzmarkt nicht. Der Nachkriegsaufschwung wurde gerade in Österreich mit lang anhaltender Armut in großen Teilen der ArbeiterInnenschaft finanziert. Die Gewerkschaftsführung verzichtete für das „Gesamtwohl“ auf Verbesserungen für die ArbeiterInnen. Forderung nach Lohnerhöhung wurden abgelehnt mit dem Hinweis, man wolle der Wirtschaft nicht den „egoistischen Willen der Arbeiterschaft“ aufzwingen! Doch gegen die Verlängerung des sozialen Elends durch die Abkommen wehrten sich zehntausende ArbeiterInnen mit Streiks, etwa im Oktoberstreik 1950. Die Niederschlagung des Oktoberstreiks auch durch die ÖGB-Führung unterstreicht, dass diese bereit war, auch mit Gewalt ein System, das vor allem dem Kapital nutzt, aufrecht zu erhalten.

Zur Erhöhung des Lebensstandards ab den 1960er Jahren kam es durch die Kombination aus Wirtschaftsaufschwung und Angst vor der Systemkonkurrenz im Osten. Die Unternehmen kalkulierten: Es war billiger, Verbesserungen zuzustimmen, als Klassenkämpfe mit eventuell weitreichenden Folgen zu riskieren. Doch mit dem Abflauen des Aufschwunges ab Ende der 1960er Jahre, der zahmen Gewerkschaftspolitik und dann ab Ende der 1980er dem Wegfall der stalinistischen Staaten gab es keine Notwendigkeit mehr für eine „Kooperation“ von Seiten des Kapitals.

Mythos 4: „Die Sozialpartnerschaft garantiert hohe soziale Standards“. Der ÖGB-Spitze ging es nie um eine Abschaffung des Kapitalismus, sondern darum, das Profitsystem so anzukurbeln, dass auch etwas verteilt werden kann. Aber im Kapitalismus gehts nicht ums Verteilen. Das Kapital muss danach streben, bestmöglich Profit zu machen, und die Bedingungen, um Profit zu machen, permanent zu verbessern. Das Kapital ist nicht zur „Partnerschaft“ fähig. Aber die Idee der Sozialpartnerschaft passte und passt zur reformistischen Ideologie der sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaftsspitze. Dazu gehört auch ein utopisches Verständnis vom Staat. Viele ÖGB-SpitzenfunktionärInnen mein(t)en, er würde eine Rolle als „fairer Schiedsrichter“ bei den Verhandlungen am grünen Tisch einnehmen. Dass der Staat in seiner Rolle als „ideeller Gesamtkapitalist“ im Wesentlichen das Kapital bei seinem Streben nach besseren Profitbedingungen unterstützt, wurde ausgeblendet. Durch die enge Verbindung mit der SPÖ wurde diese Haltung noch verstärkt. Jahrzehntelang glaubten ÖGB-FunktionärInnen, durch das Besetzen von staatlichen Funktionen und durch ihren Einfluss in der SPÖ, soziale Verbesserungen erreichen und sichern zu können. Solange die SPÖ eine ArbeiterInnenpartei war, spiegelten sich Forderungen aus der Gewerkschaftsbewegung in ihr wider. Doch mit der Verbürgerlichung der SPÖ und dem Ende des Nachkriegsaufschwunges war Schluss damit.

Mythos 5: „Mit Verhandlungen erreicht man mehr als mit Kampf.“ Heute sehen die KapitalistInnen keinen Grund mehr, Zeit und Geld in eine „Partnerschaft“ zu investieren. Selbst wenn es diese Bereitschaft noch gäbe: Vor dem Hintergrund der Krise des Kapitalismus fehlt das Geld dafür. Die Sozialpartnerschaft ist längst am Ende. Doch die Gewerkschaftsführung hängt daran, weil sie zur Ideologie geworden ist und weil sie Nutzen daraus zieht. Um die Gewerkschaftsführung „einzukochen“ erhielt sie Privilegien, durfte sich wichtig fühlen. Heute will sie am Verhandlungstisch bleiben, um diese Privilegien zu halten. Dafür gab und gibt es eine hohe Bereitschaft zu Zugeständnissen. Schwache Lohnrunden, Reallohnverluste einer Mehrheit der arbeitenden Menschen, während gleichzeitig bei fast allen Verhandlungsrunden auf Streiks verzichtet wurde, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit, Privatisierung der Verstaatlichten, uvm. Argumentiert werden die faulen Kompromisse damit, dass „halt nicht mehr drinnen ist“. Wie sonst ist es zu erklären, dass kurz vor der Beschlussfassung des 12-Stundentages im Nationalrat der ÖGB der Regierung anbot, eine Kommission zu schaffen, die im Schnellverfahren (!) über die Zulassung eines 12-Stundentages entscheidet. Regierung und Unternehmen führen einen aggressiven Klassenkampf von oben. Die Gewerkschaft aber verzichtet auf ihre schärfste Waffe: Den Unternehmen die Arbeitskraft in einem Streik vor zu enthalten und so ihre Profite zu beschneiden. Kampfbereitschaft ist die beste Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen.

Tatsächlich bleibt der Gewerkschaftsführung nur die neoliberale Logik von Regierung und KapitalistInnen, wenn sie im engen Korsett der kapitalistischen Logik verhaftet bleibt. Kämpfe werden auch deshalb abgelehnt, weil man Angst vor ihren Konsequenzen hat: Was, wenn die Beschäftigten nicht zu denselben Zugeständnissen bereit sind wie die Gewerkschaftsführung? Wenn sie bereit sind, weiter zu kämpfen? Wenn sie die Regierung wegstreiken? Wenn sie die Betriebe übernehmen? Wenn sie der vermeintlichen „Partnerschaft“ zwischen Kapital und Arbeit die echte Partnerschaft der Beschäftigten entegegensetzen. Davor fürchten sich nicht nur die KapitalistInnen, sondern auch die Spitzen der Gewerkschaft!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Zahlen und Fakten zur Sozialpartnerschaft

Die Sozialpartnerschaft ist eine informelle Zusammenarbeit der wichtigsten Organisationen von Beschäftigten und Unternehmen sowie der Bundesregierung. Sie ist die österreichische Version einer „kooperativen Gewerkschaftspolitik“, die ausschließlich im kapitalistischen Rahmen agiert und versucht, mittels Verhandlungen Verbesserungen für ihre Mitglieder zu erreichen.

Es handelt sich um keine staatliche oder öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern um eine aus der Nachkriegszeit gewachsene Konstellation. Die Sozialpartnerschaft ist auch nicht „per Gesetz“ festgelegt oder geregelt.

Die „Sozialpartner“ sind Arbeiterkammer (AK)und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) auf der Seite der Beschäftigten und Wirtschaftskammer (WKO) und Landwirtschaftskammer (LK) auf der Unternehmensseite. Wesentlichen Einfluss hat auch die Industriellenvereinigung (IV).

Die AK entstand in der 1. Republik, nachdem die revolutionären Organe der ArbeiterInnenselbstverwaltung, die Räte, von 1918-24 von der Sozialdemokratie in die Bahnen des bürgerlichen Staates gelenkt wurden. Da die AK eine gesetzliche Interessensvertretung ist, ist die Mitgliedschaft für die meisten Beschäftigten verpflichtend. Ihre zentrale Aufgabe sieht sie bei Serviceleistungen wie Rechtsberatung und Ausbildung von BetriebsrätInnen sowie wissenschaftlicher Arbeit.

Die AK hat dem ÖGB den Abschluss von Kollektivverträgen abgetreten, da gemäß § 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes freiwillige Zusammenschlüsse Vorrang gegenüber gesetzlichen Interessenvertretungen haben. Der ÖGB hat rund 1,2 Mio. Mitglieder in sieben Einzelgewerkschaften (früher waren es mehr), die größte Gruppe sind aber inzwischen die PensionistInnen.

Die WKO ist die Entsprechung der AK auf Seite der „Arbeitgeber“. In ihr sind 300.000 Betriebe aus allen privaten industriellen und Dienstleistungssparten mit Ausnahme der Landwirtschaft (die sind in der Landwirtschaftskammer) organisiert.

Die IV mit ihren 4.200 Mitgliedern ist die aggressivere Organisation der Unternehmen und beeinflusst über Parteispenden an ÖVP und FPÖ bzw. ihr Verbindungsbüro in Brüssel die (Wirtschafts)politik. Bereits die schwarz-blauen Regierungen unter Schüssel hat die IV „mitbegleitet“, für die Homepage von Finanzminister Grasser wurden 280.000 Euro gespendet.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Klassenkampf und/oder Sozialpartnerschaft

Wer an der Sozialpartnerschaft klebt, steht den Angriffen der Regierung ratlos gegenüber.
Georg Kumer

Einführung des 12-Stundentags, Kürzung und Deckelung der Mindestsicherung, Kürzungen bei der AUVA, Zusammenlegung der Krankenkassen, Ausgabenstopp bei den Sozialversicherungen, de facto Straffreiheit für Unternehmen bei Sozialbetrug usw.: Die Pläne und Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung folgen einer klaren Logik: Geschenke für die Reichen, Kürzungen für uns. Jede Stunde, die gearbeitet wird, macht ein Unternehmen einen gewissen Profit, je mehr also gearbeitet wird, desto mehr Profit für das Unternehmen. Je mehr ein Beschäftigter arbeiten muss, desto weniger Beschäftigte werden benötigt, die Arbeitslosigkeit wird also steigen. Außerdem werden Überlastung, Burnout und Unfälle zunehmen. Weil aber der Unternehmensbeitrag zur AUVA um 500 Millionen Euro gekürzt werden soll, zwingt die Regierung die AUVA, diesen Betrag einzusparen, was zur Zusammenlegung und Schließung von Krankenhäusern sowie zur Leistungskürzung führen wird und eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung bedeutet. Die Deckelung der Mindestsicherung wird zu mehr Armut führen, z.B. bekommt eine Familie mit drei Kindern bis zu 4.080 Euro weniger pro Jahr. Es gibt also genug Gründe für Wut und Widerstand: Doch wo ist die Gewerkschaft?

In Österreich sind bereits jetzt 1,2 Millionen Menschen arm oder von Armut gefährdet. 200.000 PensionistInnen sind arm, knapp 300.000 Menschen sind armutsgefährdet trotz Job. Diese Zahlen sind das Ergebnis von 30 Jahren Neoliberalismus - vor allem durch die Sparpakete von SPÖ und ÖVP in den 1990er Jahren, um Österreich „wettbewerbsfähig“ für den EU-Beitritt zu machen, und durch die Sparpakete der ersten ÖVP-FPÖ Regierungen (z.B. Pensionsreform 2003). Bei all diesen verheerenden Kürzungen hat der ÖGB mit den Händen gerungen, demonstriert und 2003 sogar gestreikt. Schlussendlich hat er sich aber dem Argument der „Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts“ gebeugt. Die Verschlechterungen wurden im Rahmen der Sozialpartnerschaft mitverhandelt. Die Mitglieder wurden mit der Erklärung „Ohne ÖGB wäre die Lage noch schlechter“ abgespeist – Alternativen gab und gibt es scheinbar keine in der Logik der ÖGB-Führung.

Doch Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit Streiks gegen den 12-Stundentag unterstützt. Bei allen Angeboten zum Protest, die es von den Gewerkschaften gab (Betriebsversammlungen, Demonstrationen) war die Beteiligung enorm und wurden weitergehende Maßnahmen gefordert.

Bis jetzt hat der ÖGB eine Demonstration mit 100.000 Leuten gegen den 12-Stundentag organisiert und ÖGB-Präsident Katzian hat angekündigt, im Herbst bei den KV-Verhandlungen Ausgleichsmaßnahmen gegen die Verschlechterungen auszuhandeln. Mit so einer „Strategie“ werden die Verschlechterungen zuverlässig kommen. Denn abgesehen davon, ob die Sozialpartnerschaft überhaupt jemals „funktioniert“ hat – sie ist seit vielen Jahren tot. Die Gewerkschaftsführung hinkt mit ihrem Appell an diese vermeintliche „Partnerschaft“ der Realität um viele Jahre hinterher. Weil sie die Sozialpartnerschaft zur Ideologie des ÖGB gemacht hat, ist sie jetzt rat- und letztlich planlos. Ihre Appelle, Petitionen und auch Demonstrationen sind keine ausreichenden Mittel, angesichts der aggressiven Angriffe von Regierung und Unternehmen. Demonstrationen und auch Streiks in einzelnen Betrieben werden sie aussitzen. Auch Gerichte werden keine Lösung im Sinne der Beschäftigten bringen.

Regierung und Unternehmen fahren einen generellen Angriff auf unsere Zukunft, unsere Gesundheit, unseren „Lebensstandard“. Bitten und Betteln wird sie nicht stoppen. Postgewerkschafter Helmut Köstinger hatte absolut recht, als er bei der Demonstration gegen den 12-Stunden Tag zum Sturz der Regierung aufrief. Nur wenn sie gestürzt wird, wird sie aufhören, für den Profit der Unternehmen den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse zu senken. Doch die ÖGB-Führung hat Angst, das bekannte Fahrwasser der Sozialpartnerschaft zu verlassen. Lieber macht sie weiter wie bisher, selbst wenn die Strategie offensichtlich nicht funktioniert. Auf den Klassenkampf von oben müssen wir mit Klassenkampf von unten antworten. Auf den Generalangriff mit generalisiertem Widerstand. Mit der jetzigen Gewerkschaftsführung werden die Angriffe nicht abgewehrt werden können. Darum müssen wir, die Beschäftigen, die Gewerkschaften als Kampforganisationen zurückgewinnen, brauchen wir eine ganz andere, eine kämpferische Führung und demokratische Strukturen.

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