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Andere über uns (Oktober/November 2020)

Nach Jahrzehnten muss ein linker Badeplatz, Ort hitziger Diskussionen und Kinderlager der anderen, kritischen, Art, schließen. Denn die steinreiche Familie Esterházy, größte private Grundbesitzerin Österreichs, der 10% des Burgenlandes gehören, will den bisher von vielen genutzten Seezugang an reiche Private verpachten. Was hat die SLP damit zu tun? Auch wir haben dort Seminare durchgeführt...

 

Schulschließung/Offenhaltung: Das Schlechteste aus allen Welten!

Es ist höchste Zeit für eine Bildungsrevolution, statt nur die alten Löcher zu stopfen

Die Frage “Schulen offen halten” oder “Schulen schließen” wird hitzig und polarisiert diskutiert. Die Landes- und Bundesregierungen, die monatelang nichts getan haben, um Vorbereitungen für die zweite Welle zu treffen, um einen zweiten Lockdown zu verhindern haben nun eine “Lösung” gefunden, die keine ist. Weder aus virologischer Sicht, noch aus Sicht der Kinder, der Eltern bzw. der Lehrer*innen: Die “Lösung” besteht letztlich darin, dass sich jeweils die durchsetzen, die am meisten Druck machen können bzw. am meisten Druck aushalten. Wieder wird die Verantwortung für ein gesellschaftliches Problem dem/r Einzelnen umgehängt und auf das “Recht des Stärkeren” gesetzt. 

Das Recht auf Sonder-Betreuungsurlaub gibt es nicht, hier setzt die Regierung auf den guten Willen der Unternehmen. Auf den die Beschäftigten wohl vergeblich warten werden - wie schon die große Herde “schwarzer Schafe” bei mangelnden Sicherheitsvorkehrungen etc. bewiesen hat. Das Ergebnis ist unmittelbar, dass in manchen Schulen und Kindergärten bis zu 80% der Kinder anwesend sind, dass Eltern überfordert und verzweifelt sind, Lehrer*innen und Kindergartenpersonal Angst haben und dass aufgrund des damit lückenhaften 2. Lockdowns ein dritter Lockdown wahrscheinlicher wird. Denn wenn die Infektionszahlen in Folge nicht ausreichend sinken, dann bleibt nur die Wahl zwischen immer mehr alte Mitbürger*innen sterben zu lassen oder einen neuerlichen Lockdown zu verhängen. Aktuell geht es eigentlich nicht um die Frage Schulen offen oder nicht, sondern wie müssen die Bedingungen sein, damit Schulen künftig sicher und offen sein können?! Wir sind für Schulen, die sicher und für alle frei und kostenlos zugänglich sind. Wo ausreichend und gut bezahltes Personal angestellt ist, wo in verschränktem Ganztagsunterricht gemeinsam gelernt, gespielt und entspannt werden kann. Wir sind für Schulen, in denen nicht Wirtschaftsinteressen und Sparstift, sondern die Bedürfnisse von Schüler*innen, Lehrer*innen und Gesellschaft im Zentrum stehen.

Alles für “die Wirtschaft”

Bei der Debatte offen oder nicht gibt es sehr unterschiedliche Interessen: Das vorrangigste ist jenes der Wirtschaft, die über “ihre” Arbeitskräfte ohne lästige Betreuungspflichten Zuhause verfügen will. Die unterschiedlichen Meinungen in den verschiedenen Landesregierung bzw. der Bundesregierung folgen keinen grundsätzlich anderen Zugängen sondern spiegeln eher den Druck verschiedener Kapitalfraktionen und deren Interessen wieder. Durchgesetzt hat sich aktuell der Bereich “Skiurlaub” und “Weihnachtsgeschäft”. Ihnen geht es auch nicht um die Schule als Bildungseinrichtung, sondern als Kinder-Aufbewahrungseinrichtung!

Daraus wird dann eine Frontstellung zu den dort Beschäftigten erzeugt, die ja auch Angst um die eigene Gesundheit und die ihrer Familien haben - und ihrerseits wieder die eigenen Kinder in die Betreuung schicken müssen um selbst arbeiten zu können. Das Totalversagen der Regierungen führt also dazu, dass Beschäftigte gegen Beschäftigte ausgespielt werden! Eltern berichten über Druck aus der Schule, die Kinder nicht zu schicken, dem sie aus beruflichen Gründen nicht nachgeben können. Kindergartenpädagog*innen berichten über Druck von den Eltern, de facto Normalbetrieb zu haben. Ein letztlich klassisches “Teile und Herrsche” Szenario, das nur einem dient: Die Arbeitskräfte im für die Unternehmen nötigen Ausmaß zur Verfügung zu haben. Wenn die Herrschenden als Argument das “Kindeswohl” vorschieben, dann ist das - um es mit aller Deutlichkeit zu sagen - eine Lüge, das war ihnen schon bisher völlig egal. 

Warum die aktuelle Schulschließung notwendig geworden ist

In der Debatte werden unterschiedlichste Studien zu Kindern, Jugendlichen bzw. Infektions-, Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko zitiert. Das zeigt auch sehr gut, dass Wissenschaft nicht objektiv ist, sondern je nach Interessenlage genutzt wird bzw. liefert. Klar ist, die Infektionszahlen sind insgesamt hoch, Österreich hier trauriger Weltmeister. Klar ist auch, dass Infektionen dort stattfinden wo viele Menschen längere Zeit in geschlossenen Räumen zusammen kommen. Dazu gehören viele Arbeitsplätze, Öffentliche Verkehrsmittel und eben auch Schulen und Kindergärten. Bewiesen ist inzwischen, dass das Infektionsrisiko von Kindern sich kaum von jenem der Erwachsenen unterscheidet (allerdings unterscheidet sich die Sterblichkeit bei Ausbruch von Covid 19). Klar ist auch, die Schule besteht nicht nur aus Kindern, sondern zum Großteil (!) aus Jugendlichen und Erwachsenen. Die 1,1 Millionen Schüler*innen umfassen Kinder, aber eben auch Jugendliche bis ca. 19. Jahre, teilweise sogar älter. Dazu kommen rund 130.000 Lehrer*innen (davon je nach Schultyp zwischen ca. 40% und über 55% über 50 Jahre alt, also Risikogruppe), das Reinigungspersonal an den Schulen, Sekretariatskräfte, Personal in Kantinen und Großküchen. Und dann noch Beschäftigten bei den Transportunternehmen, die zweimal täglich hunderttausende Schüler*innen von A nach B bringen. Nicht zu vergessen die dazugehörigen Familien, also nochmal Millionen Personen. Selbst wenn also Kinder selbst nicht schwer erkranken, so sind Schule und Schulweg ein unsicherer Ort. Wenn also der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer von der SPÖ behauptet, die Schule wäre der “wahrscheinlich sicherste Ort” dann ist das definitiv unwahr.

Keine Vorbereitung führt ins Chaos

Spätestens mit der Schulfrage hat die Politik zu Recht viel an Vertrauen eingebüßt. Über die Sommerferien ist kaum etwas gemacht worden, dann im September erklärt worden es wäre alles super organisiert, obwohl jede*r in der Schule das Gegenteil erlebte und nun die Übernacht-Schließung.

Es gibt unzählige Beispiele für das völlige Versagen bei der Vorbereitung auf die 2. Welle. Eine Direktion in Wien berichtet, dass FFP2 Masken erst am 23.11. geliefert werden sollen (also eine Woche nach Lockdownbeginn) es aber fraglich ist, ob diese überhaupt je ankommen. Die verschiedenen digitalen Lernplattformen brechen laufend zusammen, weil in den Sommermonaten - trotz expliziter Bitte der dort Beschäftigten - kein zusätzliches Personal angestellt wurde um auf die massiv gesteigerten Nutzung reagieren zu können. Schüler*innen berichten über fehlende oder mangelhafte Leih-Laptops (z.B. solche die nicht Internetfähig sind). 

Aber nicht nur, dass der aktuelle Lockdown mit Teil-Schließung der Schulen und Kindergärten mit entsprechender Vorbereitung auf die 2. Welle zu verhindern gewesen wäre taumelt die Regierung neuerlich auf eine völlig unvorbereitete Schulöffnung nach dem 6. Dezember zu. Wieder wird nichts geändert an den Rahmenbedingungen und damit wird genauso schlecht weitergemacht wie zuvor. Es wird immer deutlicher, dass die türkis-grüne Regierung nicht nur planlos ist, sondern sich um das Weihnachtsgeschäft weit mehr kümmert, als um die Gesundheit der Menschen.

Mit den notwendigen Schritten hätte im Frühjahr begonnen werden müssen, doch nichts ist geschehen. Wenigstens jetzt muss umgehend damit begonnen werden, um Tote und einen 3. Lockdown zu verhindern. Hier nur einige der notwendigen Maßnahmen, denn die Betroffenen vor Ort sind die wahren Expert*innen, die Lehrer*innen, Schüler*innen, die Reinigungs- und Sekretariatskräfte, sie alle haben noch mehr und sehr konkrete Vorschläge:

  • Leerstehende Büro- und Hotelräume zu Klassen umfunktionieren um ausreichend Räumlichkeiten für kleinere Gruppen und Distanzhalten zu ermöglichen - dazu braucht es auch ein Umstellen des Lernens auf Projektunterricht um häufigen Raum- bzw. Lehrer*innenwechsel zu vermeiden

  • Anstellung aller zur Verfügung stehenden Lehrer*innen und ähnlicher Fachkräfte um die so entstandenen zusätzlichen Kleingruppen im Unterricht begleiten zu können.

  • Das Recht für alle im Schulbetrieb und derjenigen, die zu gefährdeten Gruppen gehören sich in anderer Form einzubringen - im Distance learning oder bei der Erstellung von Material

  • Rechtzeitiges zur Verfügung Stellen von allen notwendigen Unterrichtsmaterialien: Kopien, Bücher, aber auch Laptops und Computer. Die großen Tech-Konzerne machen aktuell Zusatzgewinne - hier ist genug Geld, um die notwendige Unterstützung für alle Schüler*innen zu garantieren, notfalls auch durch die Beschlagnahmung dieser Mittel

  • Kostenloses Internet für alle Haushalte in ausreichender Qualität - auch hier gilt: Stellen die Betreiberfirmen es nicht zur Verfügung, müssen sie zum Wohle der Allgemeinheit enteignet werden um diese Maßnahme umzusetzen

  • Statt einer pseudo Schulautonomie, die ohnehin v.a. eine Verwaltung des Mangels darstellt, hätte über den Sommer ein bundesweiter Schulbeginns-Plan zwischen Bildungsministerium und Öffi-Betreiber*innen erstellt werden können. Ein großer Teil davon ist ohnehin öffentlich und private Betreiber*innen, die dazu nicht bereit sind oder sogar noch Profit daraus schlagen wollen, gehören im Sinne des Gemeinwohls enteignet und in öffentlichen Besitz überführt

  • Die öffentliche Hand hätte Massentestkapazitäten aufbauen können - finanziert u.a. aus den Extraprofiten von Onlinehändler*innen und Pharmaindustrie. So könnten z.B. alle Schüler*innen und Lehrer*innen wöchentlich oder öfter getestet werden, um so Cluster und Superspreader zu verhindern

  • Statt abgehobener pseudo-Expert*innen hätten motivierte und dafür auch entsprechend bezahlte Lehrer*innen und Lehramtsstudierende zentral Unterrichtsformen ausarbeiten können, die mit Distance-Learning, Outdoor-Unterricht und in Kleinstgruppen sinnvolles Lernen möglich machen. Das wäre dann vielleicht ein bisschen weniger abprüfbarer Stoff und ein bisschen mehr wirklich über gesellschaftliche Fragen, Solidarität, das Gesundheitswesen etc. lernen als der Regelunterricht. Unzählige Lehrer*innen sind bereit und fähig, ihr Wissen hier einzubringen - doch sie werden von den Mühlen der Bürokratie überrollt, demotiviert und zu oft sinnloser und sogar gefährlicher Arbeit genötigt

Think Outside of the Box

Die Krokodilstränen von Wirtschaft und Politik sind Propaganda. Ehrlich sind aber die Sorgen von Eltern, Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen und natürlich die Wünsche der Kinder selbst. Hier gibt es nicht nur den Zwang nach einer Betreuungsmöglichkeit, um selbst arbeiten gehen zu können sondern auch die Angst vor psychischen und sozialen Folgen. 

Der Wunsch nach “Normalität” ist absolut verständlich. Wichtig ist es aber auch zu sehen, dass Corona viele der längst bekannten tiefgehenden Probleme im Bildungswesen offen gelegt hat. Die Frage sollte daher eigentlich lauten “Unter Corona versuchen den unzureichenden, oft sogar miesen Normalzustand so weit wie möglich aufrecht zu erhalten” oder “Es ist Zeit für wirkliche Veränderungen, auch im Bildungswesen”.

Der Mythos von der Schule als schöner Ort

Die Schule hat sich in den letzten hundert Jahren zweifellos stark verändert und ist nicht mehr diese Horrorinstitution, die im “Schüler Gerber” und vielen anderen Werken aufgearbeitet wird. Das Zusammenkommen mit anderen Kindern und Jugendlichen und das “rauskommen” aus Familie und Zuhause ist neben der Bildungsfrage ein wesentlicher und positiver Aspekt. Aber die Zahlen zeigen auch, dass das ausschließlich positive Bild, das aktuell gezeichnet wird nicht der Realität entspricht. Kein Wort darüber, dass Angst vor der Schule, vor Mitschüler*innen, vor Mobbing, vor Prüfungen etc keine Randphänomene sind. 50% aller Schüler*innen hat Prüfungsangst inklusive Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. 12% nehmen legale Aufputschmittel wie Kaffee und Energy Drinks, 6% nehmen Beruhigungsmedikamente. ⅓ der Schüler*innen empfindet den Schulalltag generell als belastend, ca. 23% haben eine Essstörung. 2019 entsprach die gesamte schulpsychologische Betreuung 158 Vollzeitstellen (wir leisten uns aber 183 Nationalratsabgeordnete) - für über 1,1 Millionen Schüler*innen und der Schätzung, dass mindestens 10% aller Schüler*innen psychische Probleme haben (vor Corona)! 

In vielen Fällen ist die Schule aber auch ein Fluchtpunkt für Kinder, die Zuhause mit Gewalt und Missbrauch konfrontiert sind. Hier kann das Problem erkannt und im Optimalfall auch Hilfe organisiert werden. Bei einem Lockdown spitzen sich nicht nur die Probleme Zuhause zu, sondern fällt auch diese Hilfsmöglichkeit weg. Das verschärft Probleme, die allerdings - so ehrlich muss man in der Debatte auch sein - auch vorher bestenfalls mangelhaft angegangen werden konnten, weil es an Sozialarbeiter*innen und entsprechenden Schutzeinrichtungen fehlt

Wenn eine Schülerin in der jetzigen Situation erklärt, gerne in die Schule gehen zu wollen weil “endlich Zeit ist, um nachzufragen und mit den Lehrer*innen die Themen in Ruhe durchzugehen” dann zeigt das, wie groß der strukturelle Mangel im Normalzustand ist. 

Die aktuelle Situation sollte genutzt werden, um echte Verbesserungen zu erkämpfen:

  • eine dauerhafte Verkleinerung der Klassen- und Gruppen

  • Entrümpelung des Lehrplanes durch Vertreter*innen von Lehrer*innen und Schüler*innen

  • Abschaffung der Prüfungsbulimie, weg mit Noten und Konkurrenzlernen

  • Anstellung nicht nur von zusätzlichem Lehrpersonal, sondern auch von Sekrätariatskräften, Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen

Schule schon bisher too much

Eine weitere Angst ist, dass Kinder durch einen Lockdown “Zeit verlieren” - doch was ist damit eigentlich gemeint? Dahinter steckt der Gedanke, dass wir in einer Gesellschaft leben, wo “nur die härtesten, bzw. best gebildetsten” durchkommen. Wer einen Nachteil bei der Ausbildung hat, hat schlechtere Karten. Wenn der Arbeitsmarkt schwieriger wird, steigen also die Chancen jener, die mehr können. Mal ganz abgesehen davon, dass aktuell alle das selbe Problem haben stellen wir die Frage einmal anders herum: Was ist so schlimm daran, wenn ein Schuljahr einmal gänzlich anders aussieht? Nicht nur, dass Kinder problemlos Stoff “aufholen” können, wenn sie die dafür nötige Unterstützung bekommen ist doch die Frage eher, ob es nicht eine gute Gelegenheit wäre, mal zu schauen, was und wie eigentlich gelernt wird. 

Schüler*innen haben im ersten Lockdown auch profitiert - sie haben gelernt, sich ihre Zeit selbst besser einzuteilen. Mag sein, dass “fachlich” der Lehrplan nicht voll abgearbeitet wurde. So what? Die Schüler*innen haben jede Menge gelernt über Medienkompetenz (Fake-News und Quellen beurteilen), über Naturwissenschaften (wie werden Viren übertragen, wo können sie wie lange leben, wie funktioniert die Übertragung…), über die Welt (wo liegt dieses China eigentlich, wer ist dieser Präsident von Brasilien und wieso kann Russland den Impfstoff an den Rekruten testen), über internationale Produktionsketten und wie das Wirtschaftssystem (nicht) funktioniert (warum gibt es zu wenig Masken, Desinfektionsmittel), darüber welche Jobs wirklich wichtig sind (Gesundheit, Handel) etc. Sie haben Erfahrungen mit Rassismus und Klassenunterschiede gemacht (warum werden Jugendliche mit Migrationshintergrund von der Polizei viel schärfer auf Einhaltung der Corona-Maßnahmen kontrolliert als die Reichen und Schönen) und damit, dass eben doch nicht alle gleich sind und nicht gleiche Möglichkeiten haben (weil Wohnungen unterschiedlich groß, Internetzugänge unterschiedlich gut und Laptops unterschiedlich vorhanden sind). Das wenigste davon ist abprüfbares Wissen, das “die Wirtschaft” fordert, aber Wissen und Erfahrung ist es dennoch. 

Müssen wir nicht auch die Frage stellen: Was für ein perverses System ist das, in dem in einer derartigen Ausnahmesituation Leute sich Sorgen machen müssen, dass ihr Kind ein paar Wochen “normale” Schulbildung verliert! Die Wirklichkeit sieht ja auch hier schon lange anders aus: 40% aller Schüler*innen brauchen mehrmals pro Woche Lernunterstützung von den Eltern, 25% täglich. ⅓ der Eltern ist damit - fachlich - überfordert, 70% ist damit belastet. Zusätzlich brauchen rund 25% aller Schüler*innen Nachhilfe, 18% kaufen diese auch tatsächlich extern zu - jährlich werden dafür rund 100 Millionen Euro von den Familien ausgegeben. All das sind VOR-Corona-Zahlen! 

  • Kein Durchfallen wegen Corona: schaffen wir das Durchfallen endlich ab

  • Nutzen wir Corona, um endlich die Noten abzuschaffen, die nachweislich nicht beim Lernen unterstützen

  • Für ein völlig anderes Schul- und Bildungssystem, das sich an Bedürfnissen & Fähigkeiten der Schüler*innen und der Gesellschaft, aber nicht der Unternehmen orientiert. Ein solches ist notwendig - steht aber im Widerspruch zum kapitalistischen System, in dem Menschen nur als Arbeitskräfte (und Konsument*innen) bewertet werden

Statt Sprungbrett für weitere Verschlechterungen endlich in die Offensive gehen!

Corona zeigt auch, dass das völlig veraltete System, Themen in “Fächer” aufzusplittern anstatt als Projekt von allen Seiten zu betrachten. Als “Bildungs”Minister Fassmann erklärte, dass Schüler*innen wie sonst auch jede Stunde im Distance Learning ein anderes Fach durchmachen würden hat das gezeigt, wie weit weg er - und andere politisch Verantwortliche - von der Schulrealität sind. Abgesehen davon dass dabei vergessen wird, dass nach wie vor viele Schüler*innen nicht über die technischen Hilfsmittel verfügen wird auch ignoriert, dass Lehrer*innen teilweise gleichzeitig Schüler*innen in Distance und in der Schule direkt betreuen sollen. Praktisch möglich ist all das nicht - pädagogisch sinnvoll auch nicht. Da machen Projekte, die Schüler*innen teilweise gemeinsam über mehrere Tage erarbeiten können wesentlich mehr Sinn - ein Konzept, das seit langem gefordert wird aber am starren Fächerkanon scheitert. Dieser wird beibehalten da hier viel leichter eine “Vergleichbarkeit” hergestellt werden kann. Ein Fach - ein abprüfbares Thema - eine Prüfung - ein Ergebnis. Dass dabei kaum Sinnvolles raus kommt ist zweitrangig, viel wichtiger ist, dass so eine Disziplinierung der Schüler*innen und ihre Anpassung an das System erzwungen werden kann. Wie realitätsfern das Ganze ist, offenbart Corona in krasser Form. 

Enorm ist der moralische Druck, “jetzt in der Krise” Besonderes zu leisten. Auffällig ist, dass dieser Druck sich insbesondere gegen Beschäftigte richtet, die nicht für Mehrarbeit bezahlt werden sollen bzw. unter besonderem Risiko arbeiten sollen. Das gilt besonders im Gesundheits- und Bildungsbereich. Es wird eine Darstellung konstruiert, als ob ordentliche Bezahlung und Corona-sicheres Arbeiten unzumutbare Forderungen wären, die im Widerspruch zu den Rechten und Bedürfnissen der Kinder stehen würden. Es ist zu erwarten, dass von Regierungsseite die nächste Runde von Lehrer*innen-Bashing vorbereitet wird um eine Stimmung zu erzeugen, in der Verschlechterungen leichter durchgedrückt werden können. In einem offenen Brief schreiben Elementarpädagog*innen: “Wir sind verpflichtet, uns diesem steigenden Risiko auszusetzen, obwohl wir selbst gerne uns und unsere Familien schützen würden.” 

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Unternehmen - und dazu gehört auch der Öffentliche Dienst - versuchen auszutesten, “wieviel reingeht”. Der jüngste Vorstoß von Wirtschaftskammer-Chef Mahrer, im Handel nach dem Lockdown auch am Sonntag offen zu halten, zeigt wohin die Reise gehen soll. Beschäftigte die im Homeoffice Arbeit und Kinderbetreuung schaffen - warum sollte dann künftig “neben” einem kranken Kind im Pflegeurlaub nicht auch gearbeitet werden? Im Bildungsbereich leisten Lehrer*innen aktuell unzählige unbezahlte Überstunden. Sie erstellen neues Unterrichtsmaterial, Hygienepläne und versuchen für Schüler*innen Laptops zu organisieren. Sie müssen ebenso wie die Schüler*innen für Internet, Ausdrucke, Handy-Minuten und Büro-Ausstattung selbst aufkommen (Fun-Fakt: Lehrer*innen haben zwar oft keinen Arbeitsplatz in der Schule, dürfen den Zuhause aber nicht von der Steuer abschreiben). Es ist sicher, dass auch nach Corona versucht werden wird, unbezahlte Extraleistungen, die jetzt “eingerissen” sind, beizubehalten. 

  • Für die volle Bezahlung der gesamten Arbeit, die bei Lehrer*innen, Kindergartenpädagog*innen und Unterstützungspersonal anfällt

  • Eine Rückkehr in Schule und Kindergarten wenn sichergestellt ist, dass ab dem ersten Tag ausreichend Tests und Schutzausrüstung zur Verfügung stehen

Die neue Sorge um “die Armen”

Ein zentrales Thema ist die Sorge um die “bildungsfernen Schichten” und die “Armen”. Auch hier muss deutlich gesagt werden: Die gibt es auch nicht erst seit Corona. Allein schon die  leidige Unterscheidung in AHS und Mittelschule zeigt, dass es sich nicht um ein neues Problem handelt. Und um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Den Herrschenden waren und sind die Schüler*innen aus diesen Schichten völlig egal. Es sind Krokodilstränen, die hier vergossen werden! Nicht alle haben einen Laptop - stimmt, und das war auch schon bisher so. Dennoch gibt es Schulen, in denen teure Taschenrechner, Laptops aber auch Berufskleidung, Werkzeug und Zubehör zur notwendigen Grundausstattung gehören. Der Schulanfang ist jedes Jahr für hunderttausende Familien eine ernsthafte finanzielle Belastung. Und diese Belastung steigt seit Jahrzehnten weil durch das Ausbluten des Bildungssektors alle Eltern eine Art “Schulgeld” in Form von Kopierkostenbeitrag, Bastelkostenbeitrag und ähnlichem Zahlen müssen. Corona macht diese Schieflage offensichtlich, doch sie hat immer schon bestanden und ist die notwendige Folge einer Klassengesellschaft! Bildung ist ein wichtiges Recht und Schulschließungen bergen die Gefahr, dass die soziale Schere noch weiter aufgeht. Der Umkehrschluss ist aber falsch: Auch eine gute Bildung kann die Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Klassengesellschaft nicht aufheben. Es ist wichtig, das Grundrecht auf Bildung zu verteidigen, und es ist wichtig, für ein System zu kämpfen, in dem Bildung unabhängig von der Herkunft für alle gleich ist!

  • Volle Ausfinanzierung des Bildungswesens, keine Privatisierung der Kosten, freier Zugang für alle.

  • Alle Unterrichtsmittel müssen - auch unabhängig von Corona - für alle kostenlos, in guter Qualität und ausreichend zur Verfügung stehen!

Und wo bleibt die Gewerkschaft?

Die Gewerkschaftsführung folgt bei dem - wie anderen - Themen letztlich der Regierungslinie. Sie hat den nationalen Schulterschluss verinnerlicht und auf eine unabhängige Position, die einzig die Interessen der Arbeiter*innenklasse vertritt, längst verzichtet. Das gilt für die ÖVP-nahe GÖD, die die Lehrer*innen zwar vertreten sollte, aber am “Weltlehrertag” am 5.10. zwar Wertschätzung für die Lehrer*innen verlangt, aber keine Schutzmaßnahmen. Das gilt genauso für die anderen, die SPÖ-nahen, Fachgewerkschaften. ÖGB-Vorsitzender Katzian freut sich, dass er von der Regierung ein bisschen mit einbezogen wird, aber reale Ergebnisse für die Beschäftigten wirft das kaum ab. Die Lohnabschlüsse sind mager, die Mehrarbeit wird nicht bezahlt, Sicherheit gibt es nicht und bei den Kindern zuhause bleiben dürfen die Eltern auch nicht. Wenn Gewerkschafter*innen für ein “Offenhalten” argumentieren, dann steckt dahinter eine schlichte Rechnung: Es gibt mehr Beschäftigte, die in anderen Bereichen arbeiten, also offene Schulen brauchen, als Beschäftigten in Schulen und Kindergärten. Das perfide Spiel der Regierung, eine Beschäftigtengruppe gegen eine andere auszuspielen wird von der Gewerkschaft damit mitgespielt. Doch die Gewerkschaft hat die Aufgabe, ALLE Beschäftigten zu vertreten, für alle sichere und gute Jobs zu erkämpfen und nicht den Druck von oben nach unten durch zu reichen!

Die Lehrer*innen und Kindergartenbeschäftigte, die seit Monaten unter Mehrfachbelastung, gesundheitlichen Risiken und gesellschaftlichem Druck leiden, fühlen sich zunehmend alleine gelassen. Im Gesundheits- und Sozialbereich organisieren sich Kolleg*innen seit einigen Jahren auch unabhängig von den offiziellen gewerkschaftlichen Strukturen, um sich auszutauschen und ihre Interessen kämpferisch vertreten zu können. Auch im Bildungsbereich ist so ein Schritt notwendig und wohl nur mehr eine Frage der Zeit. Es sind die Schüler*innen, die Lehrer*innen und die Eltern, die die jahrzehntelange Kürzungspolitik im Bildungswesen, die “Optimierung” und die Anpassung an die Bedürfnisse der Wirtschaft nun unter Corona noch verstärkt ausbaden müssen. Jedes Problem, dass das Bildungswesen schon vorher hatte wird nun in potenzierter Form deutlich. Da einfach zu sagen “die Schulen müssen offen bleiben” geht meilenweit am echten Problem vorbei. 

Es braucht nicht weniger, als eine echte Bildungsrevolution, eine völlig andere Schule, völlig ausfinanziert, mit ausreichenden Mitteln und Inhalten und Methoden, die die Lernenden und die Lehrenden als Partner*innen ins Zentrum rücken. Eine solche Bildungsrevolution aber ist notwendigerweise Teil einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung. Bei der Bildung darf so ein revolutionärer Prozess also nicht stehen bleiben! 

Mehr zu den Positionen der SLP in unserem Bildungsprogramm: https://www.slp.at/broschueren/wessen-bildung-unsere-bildung-4828

Die Reichen werden reicher?! Nein Danke!

Wir können und wollen diese Krise nicht ausbaden!

Tausende Jobs werden gestrichen. Die Arbeitslosigkeit steigt auf neue Rekordwerte. Chancen auf einen Job sind gering. Die Unternehmen wollen die Kollektivvertragsrunde am liebsten absagen, die Gewerkschaft bettelt darum, mitreden zu dürfen und stimmt mageren Abschlüssen zu. Die Folgen der Krise von 2007/8 sind noch nicht vorbei und schon wieder sollen wir – die ohnehin nicht viel haben – die Suppe auslöffeln, die uns andere – jene, die viel haben – eingebrockt haben.

Die Maßnahmen der Regierungen dienen v.a. dazu, das wirtschaftliche System zu stabilisieren. Auch wenn aktuell von dem vielen Geld auch ein bisschen bei uns landet, so wird doch weiter bei uns gekürzt. Ein Kahlschlag bei Sozialem und Gesundheit ist zu befürchten.

Gleichzeitig zeigt Studie über Studie, dass die Reichen immer reicher werden. Absurd! Hier ist all das Geld, das wir so dringend brauchen. NIEMAND muss in Armut leben, es ist genug für alle da. Der Reichtum, den wir alle schaffen, ist unglaublich ungleich verteilt – holen wir uns das Geld bei den Reichen!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Weil Sozialismus nicht umsonst ist ....

„Die Coronakrise hat die Superreichen rund um den Globus noch reicher gemacht.“ schreibt das Deutsche Handelsblatt. Auch in Österreich schaut die Regierung v.a. darauf, dass die Elite nicht zu kurz kommt. Organisationen wie die SLP werden angesichts von Krise, Arbeitslosigkeit und Demokratieabbau immer wichtiger. Doch ein Teil unserer normalen Arbeit ist wegen Corona nicht möglich. Wir sind aber weiter aktiv, wir analysieren, wir diskutieren, wir organisieren. Natürlich sehen wir keinen Cent von Unternehmen oder Regierungen. Unsere Arbeit wird durch Mitglieder und Unterstützer*innen finanziert.

Wir bitten dich daher, eine Corona-Überbrückungsspende für sozialistische Arbeit einzurichten. Einmal oder auch als wöchentlicher oder monatlicher Dauerauftrag von 100€, 50€, 20€, 10€, 5€ oder auch 2€ können uns helfen, unsere laufenden Fixkosten zu bezahlen und sicherzustellen, dass wir den notwendigen Widerstand gegen die Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten, die Rechte von Arbeitslosen und auf die demokratischen Rechte organisieren können. Danke!

Unser Konto:

IBAN: AT256000000008812733 
BIC: OPSKATWW

 

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Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Studium für alle!

Peter Hauer

Das neue online Semester hat begonnen. Wir haben gesehen, dass es unzählige Probleme mit der Umstellung auf Online-Learning (OL) gab. Machen wir ein Gedankenspiel: Welche Möglichkeiten gäbe es für OL im Sozialismus? OL gäbe es nicht nur in Krisenzeiten, es wäre zentraler Bestandteil des Bildungssystems. Wenn das Studium online absolviert werden kann, bietet das die Möglichkeit für viel mehr Menschen, sich einem Studium zu widmen und sich fortzubilden. Man könnte Universitäten für alle Menschen öffnen. Gerade bei Theorie-Vorlesungen gibt es oft keinen Grund, warum diese nicht als Aufnahmen online und dauerhaft verfügbar sein sollten. Zu den Übungen können genauso online Videos angeboten werden.

Natürlich kann nie alles online abgehalten werden. Es gibt immer Kurse, wo Praxis benötigt wird. Dennoch kann zumindest ein Studium-light online angeboten werden. Viele Hürden für ein Studium würden wegfallen. Es gäbe keinen Grund mehr für eine Beschränkung der Teilnehmer*innenzahl. Online ist genug Platz für Alle. Durch die Aufnahmen können es sich werktätige Menschen einrichten, wann sie welche Vorlesung besuchen. Und die meisten Prüfungen könnten genauso online absolviert werden. Und dies zusätzlich zu einer massiven Arbeitszeitreduktion, wodurch die Menschen mehr Freizeit haben werden. Man könnte Satelliten-Campusse in jeder kleinen Stadt aufbauen, wo die Veranstaltungen vor Ort gestreamt werden, wobei auch Lehrpersonal zur Verfügung stehen könnte. Wieso sollte es nicht in jeder Stadt ein Institut für Höhere Bildung geben?

Dadurch, dass man die Bildung wesentlich mehr Menschen verfügbar macht, wird sich das in der Gesellschaft positiv widerspiegeln. Es wird keine Trennung mehr zwischen „Forschenden“ und „Arbeitenden“ geben. Jede Person hat die Möglichkeit am Fortschritt der Gesellschaft mitzuwirken. Dadurch, dass es keine Schranken mehr für das Studium gibt, durchdringt die Innovation auch Bereiche, die im Normalfall (noch) nicht so technologisiert sind; wie z.B. die Landwirtschaft. Durch die hohe Zugänglichkeit von Bildung würde der gesellschaftliche Wohlstand immer mehr und belastende Arbeit immer weniger. Deshalb Bildung für alle, nicht nur für die wirtschaftliche Elite im Kapitalismus!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Schluss mit Drohungen und Einschüchterungsversuchen!

Ein anonymes “Komitee” namens “Coacc” führt seit Monaten eine Angriffswelle nach der anderen gegen die SLP. In einem jüngsten Übergriff durch das “Coacc” kam es zu einer massiven Drohung bei der Privatadresse von SLP-Mitgliedern (“Bald kriegen wir euch Coacc”, im Bild). Das folgt einer Serie von über Social Media verbreiteten Falschinformationen bzw. entstellten Halbwahrheiten und Angriffen auf unser Büro, unsere Treffpunkte und private Wohnadressen. Während Anfangs noch politische Elemente bei “Coacc” zu sehen waren, so haben wir es zunehmend mit einem völlig unpolitischen de facto persönlichen Rachefeldzug von Unbekannten zu tun. Weder Inhalt noch Methode helfen irgendwie bei der Bekämpfung von Sexismus, weder insgesamt noch in der Linken. Trotz all der Angriffe hält die SLP das Angebot zu Gesprächen an Betroffene aufrecht - für eine unpolitische Rachekampagne von Elementen deren Inhalte und Methoden außerhalb der Linken stehen, stehen wir aber nicht zur Verfügung.

Persönliche Stellungnahme zu Angriffen des Kollektivs COACC auf die SLP

Eigentlich hatte ich nicht die Absicht, diese öffentliche Erklärung zu formulieren, weil ich nicht der Meinung bin, dass Linke zu viel Zeit auf innerlinke Kleinkriege verschwenden sollten und sich lieber auf den Kampf um die Befreiung der Arbeiter*innenklasse konzentrieren. Doch die Ereignisse der letzten Tage und Monate zwingen mich dazu, zu den Angriffen gegen die SLP als angeblich sexistische Partei Stellung zu nehmen.

Gestern erhielten wir diesen an unserer Privatadresse hinterlassenen Drohbrief . Das ist der Eskalationshöhepunkt eines monatelangen, absurden Psychoterrors durch das Kollektiv COACC (Calling Out Abusive Comrades Collective), das sich zum Ziel gesetzt hat, die politische Arbeit der SLP zu sabotieren.

Der Hintergrund sind zwei Fälle (einer von vor 6 Jahren) von übergriffigem/ sexistischem / problematischem Verhalten durch (Ex-)Mitglieder von uns und ein Dissenz mit den zwei Betroffenen darüber, welche Maßnahmen wir als Partei zu ergreifen haben. Zum Grundsätzlichen, das wir schon in mehreren Stellungnahmen auf slp.at ausgeführt haben: Wir lehnen das Konzept der Definitionsmacht im Umgang mit Sexismus innerhalb der Linken und unserer Organisation in all seinen Ausprägungen ab, weil Fälle von Sexismus sehr bewusst und kollektiv von den demokratischen Strukturen unserer Organisation behandelt werden müssen. In der Frage von Maßnahmen und Sanktionen nur das zu übernehmen, was jeweilige Opfer von Übergriffen oder Sexismus fordern, ohne kollektive Diskussion, kommt einer Willkür gleich, die dem Kampf gegen Sexismus nur schadet. Da geht's nicht nur um mögliche politische Instrumentalisierungen und Falschbeschuldigungen o.ä.. Es geht um eine grundsätzliche Herangehensweise innerhalb einer demokratisch organisierten revolutionären Partei, die in all ihren Sphären den Anspruch hat, gegen sexistisches Verhalten von Mitgliedern effektiv und nachhaltig vorzugehen. Denn die Erfahrung zeigt beispielsweise: Meistens fordern Betroffene sogar viel zu sanfte Maßnahmen, weil sie das Geschehene herunterspielen. Zum Konkreten: In beiden Fällen wurden von uns Maßnahmen - also Diskussionen, Sanktionen und "Aufgaben" - gesetzt, die zum Ziel eine Schärfung des Bewusstseins und eine Veränderung des Verhaltens hatten - wenn wir den Eindruck gehabt hätten, dass die Reflexionsbereitschaft und -fähigkeit und der absolute Wille dazu nicht da gewesen wären, hätten wir andere Maßnahmen - bis hin zu Ausschlüssen ergriffen. Das ist aus meiner Sicht der einzig richtige Umgang im Kampf gegen Sexismus in den eigenen Reihen. Nur wer bewusst und aktiv gegen sexistisches Verhalten vorgeht, kann Menschen ändern. Wer denkt, Sexismus ließe sich in jedem Fall einfach "ausschließen" hat 1. Nicht verstanden, wie patriarchale Ideologie im Kapitalismus funktioniert, sie durchdringt nämlich die gesamte Gesellschaft, also auch die Linke und 2. Keine Perspektive für einen erfolgreichen Kampf gegen Sexismus, der nämlich nur durch eine massenhafte Mobilisierung der breiten Arbeiter*innenklasse gegen Spaltung, Unterdrückung und das herrschende System erfolgen kann und nicht in zersplittertern linksautonomen "Safe Spaces".

Um die Absurdität zu verdeutlichen: In einem Fall in der konkreten Sache handelt es sich sogar um ein Verhalten VOR der Mitgliedschaft des Genossen, mit 18 Jahren, welches er heute, 6 Jahre später bzw. seit seiner Mitgliedschaft & der konkreten Auseinandersetzung mit seinem Verhalten, vollständig ablehnt und aufgearbeitet hat. Wenn man alle Männer, die sich mit 18 Jahren so verhalten haben wie er aus der Linken ausschließen würde, bliebe niemand mehr übrig. Eine proletarische, revolutionäre Partei, aber auch eine breite Linke aufbauen bedeutet immer, Menschen für den Kampf um Sozialismus zu gewinnen, die in dieser Gesellschaft sozialisiert wurden - mit allen reaktionären, sexistischen und rassistischen Einflüssen, die es bewusst zu bekämpfen gilt.

All das heißt nicht, dass es keine Diskussionen über den Umgang mit Sexismus innerhalb der Linken geben darf - bitte, gerne, immer - auch wenn ich der Überzeugung bin, dass unser Ansatz der richtige ist. Aber was uns passiert ist, ist keine Diskussion, sondern symptomatisch für eine identitätspolitische Pseudolinke, die sich zwar den Kampf gegen Sexismus auf die Fahnen schreibt, in Wirklichkeit aber ganz gezielt klassenkämpferischen und sozialistisch-feministischen Kräften und mit ihren Methoden auch der gesamten Linken und Arbeiter*innenbewegung schadet.

Persönlich derart zur Zielscheibe zu werden, hätte ich von Nazis und Rechten erwartet, bei aller Kenntnis über die Verrücktheit mancher Gruppen aber niemals innerhalb der Linken. Der Schaden ist denke ich selbsterklärend, genauso wie es offensichtlich ist, dass es hier nicht mehr um den Kampf gegen Sexismus, sondern um die Einschüchterung linker Aktivist*innen geht. Aktivist*innen, die tagtäglich die Organisierung der Arbeiter*innenklasse und Kämpfe gegen Rassismus, Sexismus, Unterdrückung und Kapitalismus vorantreiben, werden zum Hauptfeind einer kleinen Gruppe, die meint in der gesamten Linken die Deutungshoheit darüber zu haben, wie genau mit sexistischem Verhalten umgegangen werden soll. Es geht dabei auch um mehr: Die Frage nach den Schwächen der existierenden kleinbürgerlichen Ideologien innerhalb der Frauenbewegung kommt hier vielleicht ganz besonders absurd, aber doch relativ klar zum Vorschein. Ein "Feminismus", der sich darauf beschränkt linke Aktivist*innen zu "outen", anzugreifen oder zu skandalisieren ist derselbe, der keinen Klassenstandpunkt hat und nur in Kategorien von "wer hat die meisten Diskriminierungspunkte" denkt, ist derselbe, der "diverse" Repräsentation wichtiger findet als Kämpfe um reale Verbesserungen, ist derselbe, der sich nicht aus der linken Komfortzone hinausbewegt, weil er zu arrogant für eine Auseinandersetzung mit normalen Menschen ist. Gerade in einer Zeit, in der Frauen wieder weltweit an vorderster Front in Massenkämpfen um Abtreibungsrechte, sexuelle Selbstbestimmung, aber vor allem auch um soziale Verbesserungen & gegen die Auswirkungen dieser globalen Krise und reaktionären Regierungen stehen, lässt mich so etwas sprachlos über den Zustand der Linken zurück.

Der Kampf gegen Sexismus ist zentral für eine revolutionäre Partei, für das Ende jeder Diskriminierung und Unterdrückung und notwendig für die Einheit der Arbeiter*innenklasse. Aber auch mühsam, es ist mühsam in einer sexistischen Gesellschaft innerhalb der eigenen Reihen durchweg ein Klima und ein Bewusstsein zu schaffen, in dem möglichst keine sexistischen oder rassistischen Muster reproduziert werden und in der Frauen & LGBTQ+ Personen sich sicher fühlen können - immer mit dem Wissen, dass es im Kapitalismus keine vollständigen "sicheren Räume" geben kann. Nulltoleranz gegenüber sexistischem Verhalten ist innerhalb der SLP selbstverständlich. Aber Nulltoleranz bedeutet eben auch in den meisten Fällen die mühsame, aber notwendige Auseinandersetzung mit diesem Verhalten. Wo, wenn nicht innerhalb unserer Reihen soll es den Raum dafür geben, Antisexismus zu lernen & zur Praxis zu machen? Wer das Mühsame überspringt, wird nicht zum Ziel kommen, sondern für immer in einer isolierten Komfortzone bleiben, die für große gesellschaftliche Umwälzungen nicht ausgerüstet ist.

Millionär*innen besteuern sich selbst?

Ablenkung und Beschwichtigung durch Selbstbesteuerung? - Enteignung und demokratische Verwaltung!
Stefan Brandl

In ihrem Brief “Millionairs for Humanity” rufen 83 Millionär*innen dazu auf, die Steuern für sie selbst im Zuge der Corona-Krise zu erhöhen. Im Aufruftext fordern sie „ihre“ Staaten auf, die Steuersätze “sofort substantiell” zu erhöhen, um Geld für Gesundheits- und Bildungssystem frei zu machen - dagegen kann man in der Allgemeinheit wenig sagen.

Unabhängig vom persönlichen Motiv der Unterzeichner*innen, müssen wir diese Forderung dennoch in den richtigen Kontext setzen: Weltweit fallen Proteste gegen die völlig unzureichenden Corona-Maßnahmen und (Wirtschafts-)Rettungspakete mit BLM Protesten gegen Polizeigewalt und rassistische Diskriminierung zusammen. Die Aufstandswelle von 2019 wurde durch Corona unterbrochen – nimmt aber gerade wieder an Fahrt auf. Gleichzeitig wurden Milliardär*innen während der Corona-Krise weltweit um 637 Milliarden Dollar reicher. Die weitsichtigeren Teile der herrschenden Klasse bemerken, dass es klüger ist, jetzt ein paar Brösel von ihrem vergoldeten Kuchen abzugeben, als die Situation weiter eskalieren zu lassen. Denn dann könnten sie revolutionäre Aufstände erleben und riskieren, dass sich revolutionäre Organisationen aufbauen, die eine viel größere Gefahr für sie darstellen als es eine Wirtschaftskrise je sein könnte.

Ein höherer (wie hoch steht nirgends) Steuersatz wird den Lebensstandard der Unterzeichner*innen wohl kaum schmälern. Dieses Manöver wird wahrscheinlich sogar ihr spätestens seit der Krise von 2007 angeschlagenes Image verbessern, vielleicht sogar einen massiven Werbeeffekt für die eigenen Marken haben und neue Investitionsmöglichkeiten und Märkte eröffnen. Wir denken an Charity-Aktionen oder Spendenaufrufe der superreichen “Philantropen” (=Menschenlieber), um sich Sympathie zu erkaufen und von Kürzungen, Standortschließungen, Streikniederschlagungen etc. abzulenken.

Aber spielen wir das Szenario einer Steuererhöhung weiter durch: Selbst wenn plötzlich zusätzliche Millionen ins Budget gespült werden, zeigt uns die Vergangenheit und auch die durch Corona ausgelöste Krise selbst, wohin dieses Geld fließt: Es werden Rettungspakete für Banken und Unternehmen geschnürt, zusätzliche Mittel für Bildung oder das Gesundheitssystem sind bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Auf den bürgerlichen Staat ist klar kein Verlass: Weder beim Beschneiden der Privilegien der Reichen und der herrschenden Klasse, noch beim Verteilen steuerlicher Mittel.

Anstatt auf Millionär*innen zu setzen, die Teile „ihres“ Reichtums abgeben wollen, der ja eigentlich ohnehin durch die Arbeit von Millionen von Arbeiter*innen geschaffen wurde, muss dieser Reichtum nach den Bedürfnissen der Menschen verteilt werden. Dazu braucht es neue demokratisch gewählte Strukturen durch die Betroffenen der Krise und des Kapitalismus: Durch Arbeiter*innen, Menschen im Gesundheitsbereich, in Bildungseinrichtungen, im Einzelhandel oder anderen stark getroffenen Bereichen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kultur und Sport

Eckharts Antisemitismus

Eine welt- und sprachgewandte Kabarettistin klopft antisemitische Sprüche? Leider ja. O-Ton Lisa Eckhart: „Am meisten enttäuscht es von den Juden. Da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld“. Regelmäßig verwendet sie das N-Wort. Da gibt es nichts schönzureden: Solche Aussagen betonieren maßgebliche Muster antisemitischer und rassistischer „Selbstverständlichkeit“. Vom WDR kommt eine bizarre Fürsprache: Sie erörtere “die Schwierigkeiten im Umgang mit Minderheiten, mit Schutzwürdigen, mit Verehrungswürdigen, wenn diese Personengruppen sich Verfehlungen leisten, schuldig werden oder straffällig.“ Man verirrt sich in Kollektivschuld-Blödsinn und lässt die Ursachen von Antisemitismus und Rassismus komplett unerwähnt. „Provokation“ mag ihr Geschäftsmodell sein. Dadurch werden solche Auftritte jedoch nicht weniger reaktionär. Stefan Weiss formulierte im Standard: In den Spiegel, den sie angeblich vorhalten will, blicken „bald nur noch jene hinein(...), die sich darin ohnehin gefallen“. Lisa Eckharts Bühnenpräsenz ist letztlich leider nur die bürgerliche Entsprechung zu Alf Poier.

 

Unkultur

Die Interessensgemeinschaft Kultur fasst die Situation im Kulturbereich zusammen: „Eigentlich steckt der Sektor schon viel länger in einer Krise. Bestehende Initiativen erhalten schon seit Jahren immer weniger Geld, für neue ist kaum Platz, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und kaum vorhandene soziale Absicherung sind an der Tagesordnung. Die Corona-Krise zeigt diese langjährigen politischen Versäumnisse erbarmungslos auf.“

 

 

BLM @ NFL

Die NFL-Football-Saison startet bald. Der Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt ab 2016 brachte schon vor der diesjährigen Bewegung eine Politisierung. Die NFL-Bosse schwanken zwischen Eiertanz, Marktmodell und Sanktionen gegen aufmüpfige Spieler. Einige drohten (erfolgreich) mit Streik! Die Massenproteste geben nun Selbstbewusstsein. Über dem Stadion in San Francisco weht derzeit eine BLM-Flagge. Trump hasst das!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

WSC & Tourismus

WSC: Solidarität

 

Bei einem der letzten Heimspiele vor dem Shutdown zeigte der Wiener Sport-Club im März Solidarität mit den Streikenden im Pflege- und Sozialbereich, die damals für eine 35-Stundenwoche kämpften. Eine Streikende konnte vor Anpfiff über die Stadionlautsprecher zu den Fans im Stadion über den Arbeitskampf sprechen und machte anschließend den Ehrenankick. Begrüßt wurde sie ganz offiziell von Funktionär*innen des Vereins. Fans zeigten Solidaritätsplakate. Die Aktion war von Fans des WSC organisiert worden, die selber im Pflege- und Sozialbereich arbeiten. Auch einen „Sozial aber nicht blöd“-Aktionstag hatten die Fans bereits unterstützt. Hier sieht man, welches Potential für Solidarität eine Kampagne für einen ausfinanzierten Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich hat.

 

Salzburger Maßstäbe

Anfang Juli führte die Stadt Salzburg in Amtsgebäuden „mit vielen Kunden aus Westbalkan-Staaten“ die Maskenpflicht wieder ein – man wolle Infektionen vorbeugen. Gleichzeitig wurde eine Mitarbeiterin der Salzburger Festspiele positiv auf Corona getestet. Am Fahrplan für die Organisation der Festspiele änderte das jedoch nichts. Diese sollten wie geplant über die Bühne gehen – mit zahlreichen internationalen Gästen aus Ländern, deren Corona-Entwicklung weitaus besorgniserregender als im Westbalkan ist. Aber die Gäste der Festspiele sind eben keine Arbeiter*innen mit migrantischem Hintergrund, sondern die Reichen und Schönen aus aller Welt. Und die wollen sich den 100. Jahrestag ihres elitären Spektakels nicht entgehen lassen. Also sollen 80.000 von ihnen in die Salzburger Innenstadt strömen. Bis zu 1.250 Plätze werden pro Vorstellung befüllt. Auf den Plätzen gibt es keine Maskenpflicht. Während also Menschen mit Verbindung zum Westbalkan als potentielle Superspreader behandelt werden, rollt man den Superreichen den roten Teppich aus. Wenn die Profite den Organisator*innen so viel wichtiger als Menschenleben sind, wird der Tod dieses Jahr nicht nur für den „Jedermann“ kommen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Planwirtschaft – die große Idee des 21. Jahrhunderts

Planwirtschaft bedeutet, für die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt zu produzieren, nicht für den Profit einiger Weniger.
Sebastian Kugler

Wien, Mariahilfer Straße. An der Hausnummer 72, wo vor dem Corona-Shutdown ein Betty Barclay Store für Damenmode stand, eröffnet am 14. April ein neuer Pop Up- Store - Für Atemschutzmasken. Während es auf der ganzen Welt – auch in Österreich – unzähligen Menschen bei der Arbeit an notwendiger Schutzausrüstung fehlt, wird sie hier profitabel verkauft. Ein 10er-Pack Einwegmasken um 20€, „lustige“ Kindermasken ab 24,99€, FFP3-Masken gibt es für 29,99€ und extra modische Masken um 39,99€. Nur vier Tage später gibt es einen versuchten Einbruch in dem Geschäft. Dem „Kurier“ gegenüber zeigt sich der Shop-Inhaber empört: "Ich möchte wissen, wer in Zeiten wie diesen eine solche Tat versucht" – und verweist im gleichen Atemzug auf den zweistelligen Millionenwert seiner Ware im Geschäft. Während der letzten Wirtschaftskrise vergleichbaren Ausmaßes schrieb Bertolt Brecht: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ 90 Jahre später gilt der selbe Satz für Maskengeschäfte – nur eine Woche nach dem Einbruch eröffnet an der Hausnummer 95 das nächste. Der ganze Wahnsinn des Kapitalismus offenbart sich in diesen Chronik-Meldungen. Warum werden nicht einfach genügend Masken produziert und an alle verteilt, die sie brauchen?

 

Die Antwort liegt im Wesen des Kapitalismus: Vom nuklearen Sprengkopf bis zur Atemschutzmaske: In diesem System ist alles Ware. Produkte werden nicht hergestellt, um einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen, sondern um profitabel verkauft zu werden. Corona spitzt die Absurditäten nur zu, die der Kapitalismus schon immer hervorbrachte. Firmen und Staaten konkurrieren in der Forschung nach Impfstoffen und halten ihre Ergebnisse geheim. Nun meint sogar das Finanzmarktportal marketwatch.com: „Statt sich auf nationale Regierungen zu verlassen, um die schnelle Entwicklung, Produktion und Bereitstellung von Tests und Medikamenten bei Ausbrüchen zu gewährleisten, braucht die Welt eine globale Koordinationsplattform.“ Es stimmt: Es braucht Koordination statt Konkurrenz - wirtschaftliche Planung statt den „freien Markt“. Doch das ist im Kapitalismus unmöglich. Die Krise, die Zerstörung von Natur und Menschenleben – sie sind alle in diesem profitorientierten Konkurrenzsystem angelegt.

 

Warum gibt es etwa Arbeitslosigkeit? Nicht, weil es nicht genug zu tun gäbe. Sondern weil die „Arbeitgeber“ uns nur für sie arbeiten lassen, wenn sie mit unserer Arbeit Profit machen können. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich würde auf einen Schlag die Arbeitslosigkeit beseitigen. Die gesellschaftlich notwendige Arbeit könnte dann so organisiert werden, dass nicht die einen überlastet und die anderen ohne Job sind. Statt wie bei der AUA nur zwischen Massenkündigung oder „Rettung“ auf Kosten von Steuerzahler*innen und Umwelt zu wählen, können Unternehmen verstaatlicht und unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Es ist ein Mythos, dass wir Bosse bräuchten, um wirtschaftliche Prozesse zu organisieren. Laut dem Institut für Fortbestehensprognoseherstellung waren schon vor der Corona-Krise 75% aller Insolvenzen auf Fehler der Chefetage zurückzuführen. Schon in den ersten Wochen der Krise machten unzählige Beschäftigte die Erfahrung, dass die Chefs völlig planlos waren, und sie auf sich alleine gestellt de facto selbst den Betrieb weiter führten. Es zeigt sich immer mehr, wer die wahren Expert*innen sind: Die Beschäftigten selbst. Sie wissen, wie man Produktion und Verteilung von Gütern organisieren kann. Durch das Internet ist es einfach, die Bedürfnisse der Gesellschaft nach bestimmten Gütern und Dienstleitungen zu erheben und die Arbeitsprozesse daran anzupassen. Demokratische Räte in allen Wirtschaftszweigen können die Wirtschaft viel effizienter organisieren als profit- und konkurrenzgetriebene Chefetagen. Das alles sind keine utopischen Ideen: Wo immer Arbeiter*innen sich gegen dieses System zusammengeschlossen haben, kam die Idee der Rätedemokratie und der wirtschaftlichen Planung auf. In den stalinistischen Diktaturen wurde sie verraten: Planwirtschaft braucht echte Arbeiter*innendemokratie.

 

Eine demokratisch geplante Wirtschaft ist nicht nur möglich, sie ist absolut notwendig. Das Chaos des Kapitalismus gefährdet nicht mehr nur soziale Standards und demokratische Rechte, sondern – in Form der Klimakrise – das Leben unzähliger Menschen. Nur planwirtschaftliche Maßnahmen können die radikale Umstellung der Produktion durchführen, die notwendig ist, um das Schlimmste zu vermeiden. Um das zu erreichen, müssen wir den Kapitalismus weltweit stürzen. Dafür kämpfen wir als revolutionäre Sozialist*innen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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