Andere Themen

10. und 11. Dezember: Eine Welt zu gewinnen

Um erfolgreich kämpfen zu können, braucht es eine politische Grundlage. Diskutiere mit!

Spätestens Corona hat offenbart: Dieses System funktioniert für die Mehrheit der Menschen nicht. Klimakrise, Wirtschaftskrise, soziale Krise, Bildungskrise, Gesundheitskrise - und das sind nur ein paar der aktuellen Probleme. Doch weltweit wehren sich Menschen und kämpfen. Wir diskutieren, WIE wir den Widerstand gegen dieses System organisieren können, WIE eine Sozialistische Alternative funktionieren kann und WIE wir dorthin kommen.

Komm gemeinsam mit Freund*innen und Kolleg*innen. Teilnehmer*innen werden auch von Bewegungen in anderen Ländern berichten und wir diskutieren in Arbeitskreisen darüber, warum CO2-Steuern nichts lösen, der ÖGB zu lahm ist und mehr Frauen in Aufsichtsräten kein Mittel gegen Sexismus sind. Weil wir nicht nur eine Welt zu verlieren, sondern v.a. auch eine zu gewinnen haben, werden wir nicht nur diskutieren, sondern DICH auch einladen, mit uns gemeinsam politisch aktiv zu werden!

Es ist an der Zeit - anstatt dich allein zu ärgern, werde Teil einer revolutionären Organisation, der Internationalen Sozialistischen Alternative!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Postmoderne am Ende: Rückkehr des Wir?

Postmoderne Ideen verschwinden nicht automatisch, aber verlieren mit mehr Klassenkämpfen an Einfluss.
Sarah Moayeri

“So etwas wie eine ‘Gesellschaft’ gibt es nicht” - diese Aussage von Margaret Thatcher aus 1987 fasst nicht nur die ideologische Offensive der Herrschenden, die mit der Ära des Neoliberalismus einherging, zusammen. Sie zeigt auch, wie nah sich Neoliberalismus und die “Postmoderne” stehen. Jahrzehnte von Privatisierungen, Kürzungen und anderen Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse haben sich auf das Bewusstsein ausgewirkt. Die “Postmoderne” bezeichnet verschiedene Ideen/Konzepte, die sich Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts entwickelt haben und die über Jahrzehnte die akademische Welt dominiert und darüber hinaus an Popularität gewonnen haben. Wir kennen alle Aussagen wie “Der Marxismus ist überholt”, “Es gibt keine Arbeiter*innenklasse mehr”, “es ist alles komplexer geworden” oder “man kann nicht alles verallgemeinern”. 

Die große Gemeinsamkeit verschiedener postmoderner Ideen ist die grundsätzliche Ablehnung einer allgemeinen “Wahrheit”, von “großen Erzählungen”. Die Enttäuschung über die Niederlage der Massenbewegung 1968 in Frankreich, nachdem die Kommunistische Partei und die Gewerkschaftsführungen nach Generalstreiks und Straßenkämpfen, statt die Machtfrage zu stellen, mit der Regierung verhandelten, war groß. Einige linke Intellektuelle suchten die Antwort nun nicht mehr im Marxismus und im kollektiven Kampf, sondern im “Diskurs” und im Fokus auf das Individuum. Ihre Überzeugung bestand darin, dass wir alles “differenziert voneinander” betrachten müssten, dass gesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen das Ergebnis von Ideen, Diskursen und Sprache seien. Der Marxismus wurde zunehmend im selben Atemzug mit anderen Ideologien als “reduktionistisch” oder “eurozentristisch” abgelehnt. Veränderung wurde maximal im individuellen Leben oder in der Sprache angestrebt. Solche Ideen fanden im Kontext von weltweiten Niederlagen der Arbeiter*innenbewegungen und der Schwäche der marxistischen Linken ein gewisses Echo. Spätestens mit dem Zusammenbruch des Stalinismus und dem Gefühl vom “Ende der Geschichte”, bewusst von der herrschenden Klasse geschürt, wurden sie populär. 

Wenn “große” gesellschaftliche Veränderung nicht mehr möglich scheint, ist es naheliegend, dass der Fokus aufs Individuum rückt. Basierend auf Foucaults Analysen von “Macht” lautete die Devise: Macht ist überall, jede*r von uns übt sie aus. Kein Wunder also, dass, auch wenn viele “postmoderne” Denker*innen das von sich weisen würden, viele Ideen, die wir heute als “Identitätspolitik” bezeichnen, ihren Ursprung in der Postmoderne haben. Tatsächlich bleiben postmoderne Ideen dabei stehen, Unterdrückung zu beschreiben, ohne Vorschläge zu bieten, wie sie erfolgreich bekämpft werden kann. 

Wir sehen heute immer noch den Einfluss der Postmoderne, nicht nur wenn von “check your privilege” die Rede ist. Eine grundlegende Skepsis gegenüber kollektiver Organisierung ist immer noch präsent. Oft wird die Ablehnung von “Ideologien” von bürgerlichen und reformistischen Kräften, zum Beispiel in der Klimabewegung, als Waffe gegen Marxist*innen eingesetzt und ist dabei selbst Ideologie. Die Ablehnung von “geschlossenen” Ideologien wie dem Marxismus war und ist sehr nützlich für die Regierenden und Herrschenden. Aber: Solche Ideen fanden vor allem in einer Zeit großen Anklang, als es ein niedriges Level an Klassenkämpfen und einen Niedergang der Arbeiter*innenbewegung gab. 

Vorherrschende Ideen drücken immer die jeweilige reale, die sogenannte materielle, wirtschaftliche und politische Situation aus. Die historisch tiefe Krise des Kapitalismus, in der wir stecken und die weltweite politische Polarisierung mit immer größeren und explosiveren Kämpfen und Bewegungen lässt keinen Spielraum mehr für solche ideologischen Spielereien. Immer mehr Menschen lehnen das herrschende System ab, Jugendliche sind auf der Suche nach linken Alternativen und Möglichkeiten, sich gegen Rassismus, Sexismus, Ausbeutung und Unterdrückung zu organisieren. Die Klassenwidersprüche werden deutlicher, die brutale Realität des Kapitalismus spürbarer. Die Massenbewegungen der letzten Jahre, Myanmar, Libanon, Chile, Belarus, wurden ganz maßgeblich von der Arbeiter*innenklasse getragen. Sozialist*innen haben mit dem Marxismus das notwendige Instrument, um sie zu realen Erfolgen zu führen, die Arbeiter*innenklasse zu vereinen statt sie zu zersplittern und eine Alternative zum Kapitalismus aufzuzeigen. Anders als postmoderne Ideen kann der Marxismus erklären, wie zum Beispiel die Entwicklung von Rassismus mit den knallharten, materiellen Interessen, die hinter dem Kolonialismus steckten, zusammenfiel, wie die systematische Unterdrückung von Frauen mit den ersten Klassengesellschaften entstand und heute noch lebensnotwendig für den Kapitalismus ist und so weiter. Wer diese materiellen Realitäten, die Basis jeder Gesellschaft, von Kultur, Ideen, Sprache usw., dem sogenannten Überbau, trennt, verliert sich darin, verzweifelt diesen Überbau verändern zu wollen ohne das Übel an der Wurzel packen zu können. Wir sagen: Sprache schafft nicht Realität, Diskurs schafft nicht die Wirklichkeit: Es ist das “gesellschaftliche Sein”, das “das Bewusstsein bestimmt” und dieses Sein, das kapitalistische System, können und müssen wir überwinden. 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Applaus für Cari Cari // Naomi gegen den Rest

Applaus für Cari Cari

Zur Eröffnung der Landesausstellung „100 Jahre Burgenland“ fand die Schickeria aus Politik, Medien und Wirtschaft zusammen. Dort erlebte sie jedoch eine unschöne Überraschung: Die Band Cari Cari konfrontierte während ihrem Auftritt die Verantwortlichen mit den skandalös niedrigen Gehältern der Orchestermusiker*innen. Deren Tageslohn betrug nur 30€, während bei burgenländischen Großevents wie dem Nova Rock Millionen an Luxusgagen und Bonuszahlungen ausgeschüttet werden. Dabei zeigten Cari Cari auch die Rolle der SPÖ auf, die sich im Burgenland sozial (für die Leute mit dem richtigen Pass) präsentiert, aber die gleiche unsoziale Politik wie überall sonst macht. Übrigens: Moderator Alfons Haider, der sich sonst gerne progressiv gibt, sprang sofort für seine Auftrags- und Geldgeber ein und versuchte, der Band den Mund zu verbieten.

Naomi gegen den Rest

Tennis-Star Naomi Osaka kam zum Auftakt der US-Open Ende August wieder ungewollt in die Schlagzeilen. Seit Frühling hatte sie auf jegliche Pressekonferenz verzichtet, da sie sich nicht ständig dem Druck des Rampenlichts aussetzen konnte. Dafür wurde sie von den Medien und Tennismogulen kritisiert, die mit Osakas Namen und Erfolg Profite machen wollen. Nun gab sie ihre seither erste Pressekonferenz und kam auf die Lage in Haiti und Afghanistan zu sprechen – doch die Medien stürzten sich wieder auf die Tränen, die sie dabei vergoss. Osaka hat sich in den letzten Jahren – sehr zum Ärger der Tennisindustrie – immer wieder klar positioniert: Während der letzten US-Open trug sie aus Solidarität mit der Black Lives Matter-Bewegung zu jedem Spiel eine neue Maske mit Namen von Opfern mörderischer Polizeigewalt. Davor hatte sie aus Protest gegen die Polizei ein Turnier in New York boykottiert und es damit zum Platzen gebracht. Sie selbst ist als Tochter eines Haitianers und einer Japanerin ständig mit anti-schwarzem und anti-asiatischem Rassismus konfrontiert und kämpft dagegen an. Doch die Medien stellen Osaka vor allem als emotionales Nervenbündel dar – und versuchen damit, ihre politische Wirkung zu entschärfen.

 

Bildrechte: Andrew Henkelman, CC BY-SA 4.0  , via Wikimedia Commons

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sommer, Sonne, Sozialismus

Sommer, Sonne, Sozialismus
Florian Klabacher

Im August konnten wir trotz Pandemie unser traditionelles Sommercamp am Turnersee in Kärnten/Koroška abhalten. Dank Glück mit dem Wetter, ausgefeiltem Hygiene-Konzept und regelmäßigen Tests in einem sehr entspannten Rahmen. Mit von der Partie waren Aktivist*innen unserer Schwestersektionen der International Socialist Alternative (ISA) aus Israel/Palästina, Belgien, Rumänien, Deutschland und Russland, sowie zahlreiche Interessierte. Insgesamt kamen 77 Teilnehmer*innen, sieben davon traten entweder noch am Camp der ISA bei oder kündigten an, beizutreten. Eine große thematische Bandbreite wurde in rund 40 Workshop-Angeboten, Podiumsdiskussionen und Kampagnentreffen bearbeitet: Von der nationalen Frage in Israel/Palästina über die Black-Panther-Bewegung zum Aufbau von feministischen Initiativen; von Lenins Imperialismustheorie über den Kampf gegen Transphobie zur Programmdiskussion rund um Umweltzerstörung & Klimawandel – und vieles mehr. Diese Diskussionen werden uns dabei helfen, kommenden Bewegungen für nachhaltige Klimapolitik, Feminismus, Ausfinanzierung von Gesundheits- und Sozialbereich oder gegen Abschiebungen und Rassismus Programm und Kampfstrategien vorzuschlagen. Nachdem wir am Camp auch Energie getankt haben - beim Chillen am See, Tischtennis, Yoga, Fußball, Schach oder am Lagerfeuer - sind wir dafür hoch motiviert.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

SLP-Aktivist bei World to Win

In der 50. Folge des Video-Podcasts der ISA „World to win“ wurde SLP-Aktivist Sebastian Kugler eingeladen, über das Kommunistische Manifest und seine Bedeutung für soziale Bewegungen heute zu diskutieren. „World to win“ bringt jeden Sonntag sozialistische Analysen zu verschiedenen aktuellen und historischen Themen auf Youtube und Streaming-Plattformen. Jetzt abonnieren und keine Folge mehr verpassen!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Filmkritik: The Summer of Soul (...Or, When the Revolution Could Not Be Televised)

von Eljeer Hawkins (Socialist Alternative, ISA in United States)

Das Harlem Cultural Festival fand über einen Zeitraum von sechs Wochen, vom 29. Juni bis zum 26. August 1969, im Mount Morris Park in Harlem statt, der als das Mekka des schwarzen Amerikas bekannt ist.

Harlem, New York - Im Sommer 1969 fanden zwei historische Festivals statt, die epische Ausmaße für den Verlauf der Musikgeschichte haben sollten und eine der politisch turbulentesten Zeiten in der Geschichte der USA prägten. Die 1960er Jahre waren ein Jahrzehnt revolutionärer und konterrevolutionärer Ereignisse, die ihren Ausdruck in der Musik der Zeit fanden. Eines der Festivals, von dem jede*r schon einmal gehört hat - Woodstock - wurde durch die Auftritte von Jimi Hendrix, Janis Joplin, The Who und vielen anderen legendären Bands und Künstler*innen zu einer Legende.

Die zweite Veranstaltung, das Harlem Cultural Festival, fand sechs Wochen langvom 29. Juni bis zum 24. August im Mount Morris Park in Harlem statt, der als das Mekka des schwarzen Amerikas bekannt ist. Zu den Höhepunkten gehörten die atemberaubenden Auftritte von Gladys Knight & the Pips, Sly and The Family Stone, dem jungen Stevie Wonder, der Hohepriesterin des Soul, Nina Simone, der Königin des Gospel, Mahalia Jackson, der Blues-Ikone BB King und zahlreichen anderen. Tragischerweise fristete das Harlem Cultural Festival ein Schattendasein, ohne dass die breite Öffentlichkeit etwas davon mitbekam, abgesehen von Ausschnitten von Nina Simones Auftritt auf YouTube und denjenigen, die beim Festival dabei waren - bis jetzt.

The Summer of Soul (...Or, When the Revolution Could Not Be Televised) beschreibt eine wichtige Zeit des Kampfes gegen Rassismus und Kapitalismus im schwarzen Amerika. Selbst nachdem Berühmtheiten wie Martin Luther King Jr., Malcolm X und Fred Hampton ermordet worden waren, gab es eine enorme Hoffnung und den Willen, für Veränderungen zu kämpfen. Mit der Ermordung ihrer besten Anführer*innen wurde die Bewegung jedoch enthauptet, und dieser Dokumentarfilm zeigt die Frustration und Leidenschaft dieser Stimmung. Für die heutige Generation von Musikliebhaber*innen, aktiven Arbeiter*innen und Jugendlichen bietet das Harlem Cultural Festival wertvolle Lektionen zum Verständnis des Bewusstseins, der politischen Organisation, des kulturellen Wandels und des Rhythmus sozialer Bewegungen zu pulsierenden Beats und Grooves.

Wiederentdeckung eines legendären Moments

Das sechswöchige Festival wurde gefilmt, aber nie veröffentlicht, obwohl ein lokaler Fernsehsender in New York City einstündige Sondersendungen ausstrahlte. Nachdem die Bänder über 50 Jahre lang in Vergessenheit geraten waren, gelang es Ahmir Khalib Thompson, der der Welt besser als Questlove, Gründungsmitglied der legendären Roots-Crew, bekannt ist, das Filmmaterial zu sichern.

Organisator und Gastgeber des Festivals war der Nachtclubsänger Tony Lawerence, gesponsert von Maxwell House Coffee, der darin einen Aufschwung für Profit und Konsum in farbigen Gemeinden sah. Auch der republikanische Bürgermeister von New York City, John Lindsay, der von Tony Lawerence als "Blue-eyed Soul Brother" bezeichnet wurde, unterstützte das Festival enthusiastisch.

Lindsay war ein liberaler Republikaner – ich weiß, für heutige politische Verhältnisse klingt das schockierend. Er stand zur Wiederwahl an und unterstützte Programme zur Armutsbekämpfung in den Ghettos von New York City angesichts der städtischen Rebellionen nach der Ermordung von Dr. King im Jahr 1968. Lindsay wollte seine Popularität bei Schwarzen, Puertoricaner*innen und Juden und Jüdinnen für einen Wahlsieg nutzen, während er die weißen Arbeiter*innen, die noch in der Stadt wohnten, verprellte.

Schätzungsweise 300.000 Menschen, vor allem schwarze Arbeiter*innen, Arme und Jugendliche, besuchten die sechs aufeinanderfolgenden Sonntage. Jeder Sonntag stand unter einem musikalischen Motto wie Pop, Blues, Rhythm & Blues (R&B), Gospel, Funk und Jazz. Das Festival war ein Mikrokosmos für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen in Harlem und im ganzen Land im Jahr 1969.

Ein neuer Tag und neue Herausforderungen

Das Jahr 1969 sollte für die radikale schwarze Bürgerrechtsbewegung und den allgemeinen Klassenkampf im ganzen Land und in der Welt eine kritische und sich entwickelnde Periode sein. Das Jahrzehnt war geprägt von Revolution und Gegenrevolution; der Dokumentarfilm beleuchtet die öffentlichen Ermordungen von John und Bobby Kennedy, Malcolm X und Dr. Martin Luther King, Jr. Im Januar 1969 trat der konservativeauf Recht und Ordnung bedachte Antikommunist Richard Nixon sein Amt an. Nixon setzte weiterhin Mittel ein, um die radikalen sozialen Bewegungen, die Organisationen der Schwarzen und die revolutionäre Führung zu demontieren und zu demobilisieren. Um die Reichweite der konterrevolutionären Tagesordnung zu veranschaulichen, zeigt der Dokumentarfilm die Verhaftung und strafrechtliche Verurteilung von 21 Mitgliedern der Ortsgruppe der Black Panther Party in Harlem im Jahr 1969, darunter Afeni Shakur, die Mutter der Hip-Hop-Ikone Tupac Shakur.

Die massenhaften städtischen Aufstände wie in Harlem und Newark wurden von der Kerner-Kommission als die Folgen der Vernachlässigung und des Rassismus durch die Bundesregierung in den städtischen Zentren Amerikas beschrieben. Harlem war besonders wichtig. Als politisches, soziales und kulturelles Zentrum des schwarzen Amerikas hatte Harlem auch mit einer verheerenden Heroinepidemie zu kämpfen, die die gesamte Gemeinschaft erfasste, mit wirtschaftlicher Depression, endemischer Gewalt und einer Bewegung gegen Rassismus und Kapitalismus in der Krise.

Trotz dieser harten Realitäten gab es in Harlem ein lebendiges politisches und kulturelles Bewusstsein; die Ideen von Black Power dominierten die öffentliche Diskussion und den politischen Rahmen neben der Bürgerrechtsbewegung im Süden. In den urbanen Zentren Amerikas lehnten die Ideen der Black Power jahrelang die liberale, reformistische Politik der weißen und schwarzen Bürgerrechtsorganisationen ab, die die schrecklichen Zustände in den Ghettos im ganzen Land nicht behoben hatten.

Nach der Ermordung von Dr. King wurde die Frage der Führung entscheidend. Mit Jesse Jackson trat auf dem Festival eine öffentliche Persönlichkeit auf, die mit Dr. King in der Operation Breadbasket in Chicago, Illinois, zusammengearbeitet hatte. Jackson war jung, hip und charismatisch und vertrat eine Schwarze Politik, die der Zeit und dem Festival entsprach.

Nach der Ermordung von Dr. King und der gewaltsamen Konterrevolution gegen die radikalen Elemente der Schwarzen Befreiungsbewegung zeichnete sich der Aufstieg einer reformistischen Führung aus der Schwarzen Mittelschicht ab, die an das Zweiparteiensystem und die Tagesordnung der Wall Street gebunden war.

Die frühe Entwicklung der neuen schwarzen Irre-Führungsschicht zeichnete sich mit ihrer Unterstützung von Präsident Richard Nixons Initiative für den schwarzen Kapitalismus und der politischen Spaltung auf dem historischen Parteitag von Gary 1972 ab. Dort führten Schwarze Vertreter*innen der Demokratischen Partei wie der künftige Bürgermeister von Detroit, Coleman Young, seine Delegation während einer politisch umstrittenen Debatte mit Schwarzen Nationalist*innen aus dem Saal. Die Anwesenheit von Jesse Jackson und dem New Yorker Al Sharpton in dem Dokumentarfilm ist ein wenig überraschend, angesichts der Rolle, die sie in den folgenden 40 Jahren in der Schwarzen und nationalen Politik als allgemein dem Programm des Kapitalismus angepasste Stimmen gespielt haben..

Die Diaspora-Dimensionen des Festivals werden verblüffend deutlich, da Questlove den Zuschauern das Privileg bietet, die Auftritte des Perkussionisten Ray Barretto und von Ramón "Mongo" Santamaría zu sehen. Der Diaspora-Charakter des Kampfes und der Rhythmen ist spürbar, und die afro-lateinamerikanische und puertorikanische Arbeiter*innenklasse und Jugend ist auf dem Festival deutlich präsent, unterstrichen durch die lokalen Organisator*innen der Young Lords Organization, die East Harlem (meine Heimat) bevölkern. Der Wandel in Politik und Kultur stand im Mittelpunkt der sechs Wochen. Das Wort "negro" wurde durch "Schwarze*r" ersetzt, als politische und kulturelle Bezeichnung für eine Masse von Menschen, denen durch rassistische Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung über Generationen hinweg ihre Menschlichkeit abgesprochen wurde. Die Idee der Solidarität, des gemeinsamen Kampfes gegen Unterdrückung und des afrikanischen Kontinents war ein wichtiger Bestandteil der Musik. Schwarze Arbeiter*innen und Jugendliche setzten mit ihrer Mode, ihrer Sprache, ihrem Sound, ihren Frisuren und ihrem Auftreten ein neues Paradigma, das das Jahr 1969 und darüber hinaus prägen sollte.

Whitey On The Moon

"Taxes takin’ my whole damn check, The junkies make me a nervous wreck, The price of food is goin’ up

And as if all that crap wasn't enough, A rat done bite my sister Nell, With whitey on the Moon, Her face and arms began to swell ,And whitey's on the Moon..." - Gil Scott-Heron, Whitey on the Moon 1970

In den letzten Tagen haben die verachteten Milliardär*innen Richard Branson, Elon Musk und Jeff Bezos einen Ausflug in den Weltraum unternommen, zum großen Entsetzen der radikalisierten Arbeiter*innen und Jugendlichen, die mit wirtschaftlicher Not, COVID-19, Umweltzerstörung und den täglichen Fragen, wohin sich unsere Welt entwickelt, konfrontiert sind.

Am 20. Juli 1969 landeten die US-Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin vor 650 Millionen wachsamen Augen auf dem Mond; die Mondlandung wurde als Teil des Kalten Krieges mit der stalinisierten Sowjetunion um globale Hegemonie und Macht aufgenommen.

Reporter*innen aus dem ganzen Land suchten nach Reaktionen aus verschiedenen Gemeinschaften. Die Menschen in Harlem und die Besucher*innen des Festivals waren klar und offen; der Dokumentarfilm fängt die robuste Reaktion der Verachtung, des Zorns und der wirtschaftlichen Verschwendung der Mondlandung ein, während es den gewöhnlichen Arbeiter*innen, Armen und Schwarzen an den wesentlichen Ressourcen für das tägliche Überleben fehlte. Von 1969 bis heute hat das zersetzende profitgetriebene System des Kapitalismus die Arbeiter*innenklasse, die Armen und die Unterdrückten entbehrlich gemacht.

Warum das Festival wichtig ist

Ein Teilnehmer sagte über das Festival mehr als 50 Jahre später: "Ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht dort gewesen wäre, und es erlebt habe." Während er diese Aussage machte, kullerten Tränen über seine Wangen, denn er sah das Festival und erinnerte sich mit tiefer Zuneigung und Liebe an die vielen Schwarzen und PoC, die daran teilnahmen. Er sah seinen ersten Schwarm, Marylin McCoo von der Schwarzen Popgruppe The Fifth Dimension, einen ihrer größten Hits (Medley: Aquarius/Let the sunshine in) aufführen - das Festival hatte eine nachhaltige Wirkung auf das Bewusstsein der Menschen.

Der herzzerreißende Auftritt von Mahalia Jackson und Mavis Staples von den Staple Singers, die Dr. Kings Lieblingsgospelsong "Take My Hand, Precious Lord" sangen, ist einfach umwerfend. Sly and The Family Stone brachten einen revolutionären Sound und eine radikale Präsentation als multirethnische Band, die verschiedene Musik- und Modestile vermischte. Ihre Popularität machte ihren Frontmann und Leadsänger/ Songschreiber Sly Stone zum Funk- und Rockgott einer neuen Generation von Musikfans. Die musikalische Entwicklung von Stevie Wonder begann auf dem Festival, als er begann, mit neuem Sound und Stil neue Wege zu beschreiten.

Der Dokumentarfilm ermöglicht es einer neuen Generation von Musikfans, die reiche Tradition von Musik und Politik aus der schwarzen Geschichte und der Lebenserfahrung der Schwarzen Arbeiter*innenklasse und der Armen zu entdecken. Im Rahmen des Schwarzen August sollte "Summer of Soul" Pflichtprogramm für alle sein, die die politische Macht und die Musikgeschichte, die an den sechs Sonntagen im Mekka des schwarzen Amerikas, in Harlem, USA, geschrieben wurde, voll erfassen wollen.

Der Film ist auf Disney+ mit deutschen Untertiteln verfügbar.

Artikel im Original lesen

Warum ich der SLP beigetreten bin

Anna

Mein Interesse für Politik entstand, als ich die Unterstufe besuchte. Dort hatte ich zwei Lehrer, mit denen wir sehr viel über gesellschaftspolitische Themen sprachen. So begann ich mich mit Politik zu beschäftigen. Für mich waren Ungerechtigkeiten wie Hunger, Armut, Diskriminierung bestimmter Gruppen unerklärlich. Außerdem verstand ich nicht, warum gegen die bedrohliche Klimakrise wenig bis gar nichts gemacht wird, obwohl seit Jahrzehnten die Bedrohung des Klimawandels und der Umweltzerstörung bekannt ist. Apropos Klimakrise. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Im Zuge von FFF begann ich zu verstehen, dass nicht der Mensch an sich, sondern das kapitalistische System der Ursprung des Übels ist. Maßnahmen für Klimaschutz gefährden schließlich Profite. Diese Erkenntnis führte dazu, dass ich mich politisch radikalisierte. Nach und nach brannte es mir unter den Nägeln, mich politisch zu engagieren, wusste aber nicht wie. Ich wollte dem politischen Geschehen nicht passiv zuschauen. Eines Tages kam ich bei einer SLP Kundgebung vorbei und so wuchs ich langsam ins politische Engagement hinein.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wie öffentlichen Raum zurückerobern?

Moritz Bauer

In den vergangenen Wochen und Monaten kam immer wieder die Debatte um den öffentlichen Raum auf. In Wien vertrieb die Polizei feiernde Jugendliche aus dem Resselpark beim Karlsplatz und in Graz interpretierten ÖVP-Bürgermeister Nagl und sein FPÖ-Vize die Straßenverkehrsordnung neu – was im Verbot von Skateboard-Tricks resultierte. Das Ziel dahinter ist klar: Alle, die schönes Wetter und sinkende Fallzahlen nutzen wollen, sollen dabei gefälligst auch konsumieren. Als Antwort darauf sind immer wieder konsum-(zwang-)freie Räume im Gespräch – doch diese können maximal Angebote auf individueller Basis setzen, ändern aber nichts daran, dass sich die Herrschenden aus der Affäre ziehen und die Angebote auf Vereine und Projekte auslagern, die permanent um ihre Finanzierung bangen müssen.

So sank etwa der Anteil des Kunst- & Kultursektors am Gesamtbudget von 2019-21 von 0,6% auf 0,5% – für eine Branche, die allein im März 2020 4,5 Millionen € verloren hat. Das vorhandene Geld fließt überwiegend in „Hochkultur“ wie die Festspielhäuser Bregenz und Salzburg, deren Tickets für viele schlicht nicht leistbar sind. Gleichzeitig wollte die Stadt Salzburg 2020 rd. 100.000€ für ein Gratis-Festival am Bahnhof und einen unabhängigen Kunst- & Kulturverein kürzen, was nur durch Proteste verhindert werden konnte. Auch Jugendangebote sind seit Jahren betroffen, so schloss unter anderem die rot-blaue Linzer Stadtregierung mehrere Jugendzentren. Und auf den Freiflächen, die noch nicht von Privatisierung und Kommerzialisierung betroffen sind, sorgen eben Polizeischikanen für Verdrängung.

Um allen eine Freizeit ohne Konsumterror zu ermöglichen, braucht es demokratische Kontrolle darüber, welche Projekte gefördert werden und wie wir unsere Freizeit verbringen wollen. Statt Beton und Kommerz können wir kreative, diverse und lehrreiche Projekte fördern und gemeinsam über die Nutzung der Räume entscheiden, ohne dass etwa die Interessen von Sportler*innen, Jugendlichen und Anrainer*innen gegeneinander ausgespielt werden. Die Grundlage dafür kann nur der gemeinsame Kampf gegen die Herrschenden sein, die Profitinteressen über Erholung und Freizeit stellen und damit wirklich freie Räume und freie Zeit für alle verhindern.

 

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Beginn der Ferial-Saison

Auch in den Ferien geht der Stress oft weiter: Dank Ferialjobs, Pflichtpraktika und Kapitalismus.
Moritz Bauer

Für zehntausende Jugendliche bedeutet der Sommerbeginn auch den Beginn ihres Ferialjobs oder -Praktikums. Insgesamt waren ca. 20% der 1,5 Millionen 15-29jährigen in Österreich 2019 laut Statistik Austria überwiegend (über ½ Jahr) aktiv erwerbstätig, weitere etwa 20% zeitweise (weniger als ½ Jahr). Vor allem die 130.000 Schüler*innen darunter brauchen Ferialjobs, um ihr Taschengeld aufzubessern, Eintrittskarten oder den eigenen Urlaub zu finanzieren, während Studierende eher auf das Geld angewiesen sind, um finanziell durch das Jahr zu kommen. Etwa 50.000 Jugendliche jährlich müssen außerdem mehrwöchige Pflichtpraktika im Rahmen ihrer Ausbildung an einer HTL, HAK oder Tourismus-/Handels-/Fachschule absolvieren – viele davon unbezahlt. 

Kritik daran wird meist entgegnet, „es tut den Jugendlichen ja gut, mal richtig zu arbeiten“ – ganz im Sinne des kapitalistischen Arbeitsethos, der möglichst früh vermittelt wird: Nur, wer Profit schafft, hat Freizeit verdient – in der man praktischerweise dank Privatisierung und Kommerzialisierung das verdiente Geld auch gleich wieder ausgeben kann. Über Rechte, die Jugendliche haben, die arbeiten, lernt man allerdings nichts in der Schule. Dass viele Jugendliche ohnehin mit psychischen Problemen durch Leistungsdruck zu kämpfen haben, die Ferien teils für das Nachholen von Stoff benötigen und diese Arbeitseinstellung nicht nur für Jugendliche schädlich ist, wird gern ignoriert. 

 

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kunst und Bewegung in Zeiten von Corona

Zur Weiterentwicklung braucht es die Verbindung Kunst & soziale Bewegungen statt eines elitären Kunstbegriffs
Michael Gehmacher

Ende April drehten über 30 Schauspieler*innen aus Österreich und Deutschland Videos zu den Coronamaßnahmen der Regierungen. Die Aktion war eine Mogelpackung: Die (großteils sehr prominenten und gut verdienenden) Schauspieler*innen thematisierten darin die  Lockdownmaßnahmen. Es ging nicht um Solidarität mit anderen Künstler*innen in sozial schwierigen Situationen. Coronamaßnahmen wurden unmittelbar für Gewalt in der Familie, Einsamkeit, Frauenunterdrückung, psychische Krankheiten usw. verantwortlich gemacht, andere Erklärungen ausgeblendet.

Die Videos (produziert von einer Münchner Medienagentur) waren kein Werkzeug, um für nötige Verbesserungen im Kunstbereich zu kämpfen, sondern Wasser auf die Mühlen der Coronaschwurbler*innen und Rechtsextremen. Die Reaktion der Gegenseite: (pseudokritische) Künstler*innen, die ihrerseits v.a. die staatliche Propaganda nachbeten fordern Auftrittsverbot und ähnliches. Den Boden für Rechtsextremismus aufbereiten und die Forderung nach Auftrittsverbot waren allerdings zwei Seiten der selben Medaille. 
Erfrischend waren dagegen Beiträge von Betroffenen, die die Aktion aufs Korn nahmen und Videos über ihren Alltag z.B. auf der Intensivpflegestation, posteten. In Österreich gibt es seit Beginn der Pandemie auch andere Künstler*innenproteste, die tatsächlich kritisch waren und zumindest ein paar Verbesserungen erreicht haben. 

Doch die weitergehende Frage, ob die aktuelle Auffassung von Kunst, die in der öffentlichen Darstellung oft mit der „Hochkultur“ verbunden ist und an der Trennung von Publikum und Künstler*innen festhält, wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, wurde bis jetzt kaum gestellt. So gab es z.B. kaum eine Verbindung zu den Protesten im Sozialbereich, im Frauenbereich oder anderen Bewegungen, um gemeinsam z.B. für mehr Geld und mehr Infrastruktur zu kämpfen. Und das, obwohl viele Künstler*innen zum Überleben im Sozialbereich arbeiten und es zeitgleich mit dem Beginn der Pandemie Ansätze einer Frauen- und einer LGBTQ+-Bewegung in der Kunst gab. Die Trennung Publikum und Künstler*innen ist Ausdruck eines konservativ-bürgerlichen Kunstbegriffs, der davon ausgeht, dass die breite Masse bestenfalls einen passiven Konsumzugang zu Kunst haben kann. Das muss nicht sein: In der Flüchtlingsbewegung 2013 traten Geflüchtete mit einem eigenen Lied beim Protestsongcontest auf, der Rapper Kidpex rappte gemeinsam mit Geflüchteten uvm. Diese Aktionen waren solidarisch und überwanden die Trennung von Publikum und Künstler*innen. Sie produzierten neue Kunst, neue Künstler*innen und ein anderes Kunstverständnis. In den 1970ern kämpften viele Kärntner Slowen*innen um den Erhalt ihrer Sprache und Kultur. Es entstanden Kulturinitiativen, Laientheater, Slowen*innen begannen verstärkt selbst slowenische Literatur zu machen uvm. All das zeigt: Die „Kunstszene“ war schon mal weiter...  

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Seiten