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Rassismus im Herzen des Establishments

Kämpfen wir für die Abschaffung der Monarchie & des Kapitalismus!
Von Nelly Rowley, Socialist Alternative (ISA in England, Wales und Schottland)

Am 7. März 2021 wurde ein Interview mit Prinz Harry und Meghan Markle veröffentlicht, das skandalöse Informationen und die Schattenseiten des königlichen Lebens aufdeckte. Harry enthüllte, dass er von ungenannten, hochrangigen Mitgliedern der königlichen Familie ausgefragt wurde, „wie dunkel“ die Hautfarbe ihres damals ungeborenen Babys sein würde.

 

Meghan Markle erzählte Interviewerin Oprah Winfrey von Suizidgedanken, die sie aufgrund des Pressedrucks und der Isolation, der sie als Mitglied der königlichen Familie ausgesetzt war, hatte. Beide sagten, dass sie sich zwar an ihr Umfeld gewandt haben, ihnen aber jegliche Unterstützung oder Hilfe verweigert wurde, wobei Meghan Markle angeblich gesagt wurde, dass das „nicht gut für die Institution wäre“.

Bei der Erklärung ihrer Gründe, warum sie sich aus dem royalen Leben zurückziehen will, sprach Meghan Markle auch über die Behandlung durch die britischen Medien und über die erdrückenden und rassistischen Untertöne, die im Vergleich zur Darstellung von Kate Middleton durchgängig erkennbar sind.

Ein empörendes Beispiel aus einer britischen Boulevardzeitung zeigte Kate Middleton, wie sie „zärtlich“ ihren Babybauch wiegte, während in einem anderen Artikel davon die Rede war, dass Meghan Markle eitel sei oder „schauspielere“, während sie ihren Babybauch auf die gleiche Weise hielt. Diese frauenfeindliche Kritik am Verhalten schwangerer Frauen steht ganz im Einklang mit der allgemeinen Besessenheit der Presse und des kapitalistischen Establishments von royalen Schwangerschaften – mit dem Unterton, dass diese Frauen ihre einzige Aufgabe erfüllt haben: Einen Erben zu produzieren. Aber es steckt auch unverhohlener Rassismus hinter der unterschiedlichen Behandlung der Frauen, und diejenigen, die das leugnen – vor allem diejenigen in der Boulevardpresse – sind ein Teil des Problems.

Sollten wir überrascht sein?

Während viele von den Enthüllungen über Rassismus in der königlichen Familie schockiert waren, wird es für andere keine Überraschung sein. Diese Institution hat ihren gigantischen Reichtum und ihre Macht auf dem Rücken von Hunderten von Jahren des Kolonialismus, der Sklaverei und der Unterdrückung der Arbeiter*innenklasse aufgebaut, sogar schon vor der Zeit des Kapitalismus.

Dies ist nur ein weiterer Schlag für eine sterbende Institution. Erst letztes Jahr tauchten Nachrichten über die gut dokumentierten Verbindungen von Prinz Andrew mit dem milliardenschweren Sexualverbrecher Jeffrey Epstein auf. Anfang dieses Jahres tauchten Nachrichten auf, dass die königliche Familie nicht so politisch neutral ist, wie sie vorgibt zu sein, da die Königin mehr als 1000 parlamentarische Gesetze blockierte, die das wahre Ausmaß des königlichen Reichtums zu enthüllen drohten, was den wirklichen Spielraum für die Macht des Monarchin offenbarte, als „Reservewaffe“ gegen Bewegungen der Arbeiter*innenklasse in Zeiten der „Krise“ eingesetzt zu werden.

Seit der Veröffentlichung des Interviews gibt es in den Nachrichten und den sozialen Medien Empörung darüber. Piers Morgan – schon immer ein aufmerksamkeitshungriger Boulevard-Rechter (eine Art britischer Franz-Josef Wagner, Anm.d.Übers.) – stürmte gestern Morgen bei „Good Morning Britain“ (britisches Frühstücksfernsehen, A.d.Ü.) hinaus, nachdem er seine Abneigung gegen Meghan Markle geäußert und versucht hatte, die Bedenken gegen die königliche Familie herunterzuspielen.

Dies führt zu einem Schlüsselproblem. Während Meghan Markle das Leben eine Millionärin führt, das in vielerlei Hinsicht von den Erfahrungen vieler anderer unterdrückter Menschen und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse entfernt ist, ist es diese Erfahrung, abgelehnt und in Frage gestellt zu werden und sich als Außenseiterin zu fühlen, die sie mit Millionen Menschen teilt, die täglich Rassismus, Frauenfeindlichkeit und psychische Probleme erleben. Und die große Mehrheit der Menschen hat nicht die materiellen Mittel, um dem irgendwie zu entkommen und es auf die Art bloßzustellen, wie es Harry und Meghan tun!

Der Kapitalismus und überholte vorkapitalistische Institutionen wie die Monarchie horten Macht und Reichtum um einige wenige Auserwählte herum und lassen diese glauben, sie seien unantastbar. Es ist leicht zu erkennen, welche Werkzeuge die 1% benutzen, um ihren Reichtum weiter zu vergrößern und Macht und Reichtum von denen fernzuhalten, denen sie eigentlich gehören.

Die Rolle der Medien

Durch Victim Blaming und extrem einseitige Darstellung wollen die kapitalistischen Medien die öffentliche Aufmerksamkeit von den wirklichen, tiefgreifenden Problemen innerhalb der Gesellschaft ablenken. Dies ist beim besten Willen kein tragfähiges System. Solange der Kapitalismus existiert, werden Menschen zum Schweigen gebracht und dämonisiert, nur um die 1% an der Spitze zu halten.

Die Aussagen des Paares spiegeln den jahrelangen, tief verwurzelten Rassismus in den britischen Medien wider und zeigen deutlich, dass Institutionen wie das Königshaus auf Elitedenken, Privilegien und der Unterdrückung anderer aufgebaut sind.

Für uns Sozialist*innen steht die Monarchie im Widerspruch zu allem, an das wir glauben. Die Idee, dass eine Person mit dem Recht zu herrschen geboren werden kann, ist rückständig und hat keinerlei Platz in der Zukunft, für deren Aufbau wir kämpfen.

Gewöhnliche arbeitende Menschen und all jene, die Unterdrückung erfahren, müssen die Menschen sein, die entscheiden dürfen, wie wir die Gesellschaft führen und was mit dem Reichtum geschieht, auf dem die Kapitalist*innen sitzen. Wir können nicht blind ein paar Wenigen vertrauen, die keinerlei echte Erfahrung mit der Welt haben, die sie kontrollieren.

Der Kapitalismus ist schuld

In den Jahren, in denen Meghan Markle einen „guten Ruf“ hatte, schien die königliche Familie sie zu nutzen, um die Monarchie als „fortschrittliche“ Institution darzustellen und zu „modernisieren“, mit einer Frau of Colour in einer hohen Position. Doch alles, was sie dadurch erreicht haben, ist zu zeigen, dass das gegenwärtige System durch und durch verdorben ist.

Das kapitalistische System hat nie – und wird nie – ohne eine Unterscheidung zwischen „uns“ und „ihnen“ existieren. Unter dem vernichtenden Schlag der Pandemie beginnen die Menschen dies zu begreifen. Das derzeitige System ist in jeder Hinsicht unhaltbar. Wir brauchen eine Veränderung.

Es wurde behauptet, dass die Hochzeit von Meghan Markle mit Prinz Harry der Welt signalisieren sollte, wie wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln. Stattdessen hat sie gezeigt, dass das System immer wieder in rassistische und elitäre Rhetorik verfällt, selbst wenn man ihm die Chance gibt, sich vorwärts zu bewegen.

Aber als Marxist*innen und Sozialist*innen können wir zeigen, dass wir wirklich die Macht haben, die Dinge zu verändern. Es ist wichtig, dass wir uns mit denjenigen solidarisieren, die sich gegen Rassismus und Sexismus aussprechen – auch mit denen, die aus elitären Kreisen kommen. Aber das zu tun, erfordert einen kompromisslosen sozialistisch-feministischen Ansatz, der gegen Rassismus, Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorgeht, zur gewerkschaftlichen Organisierung aufruft und den schwachen Faux-‚Feminismus‘ und ‚Antirassismus‘ der herrschenden Klasse entlarvt.

Wir werden niemals in der Lage sein, diese Probleme richtig anzugehen, solange wir nicht das System in Frage stellen, das die Bedingungen dafür schafft, dass diese Unterdrückungen stattfinden kann. Wir müssen für eine demokratische, sozialistische Gesellschaft kämpfen, in der alle Menschen, egal welcher Herkunft, in der Lage sein werden, sich gegen Unterdrückung auszusprechen, ohne dafür bestraft zu werden

 

Framing Britney Spears

Filmbesprechung der kürzlich in Irland und Großbritannien erschienen Dokumentation über die Sängerin Britney Spears.
von Aislinn O’Keeffe, Socialist Party (ISA in Irland)

1992 sang die zehnjährige Britney Spears eine eindrucksvolle Version von „Love Can Build a Bridge“ (von The Judds). Der Moderator, Ed McMahon, der sie danach interviewt, äußert sich zu ihren „hübschen Augen“ und fragt sie, ob sie einen Freund habe. Britney, bei der dies sichtlich Unbehagen auslöst, lächelt daraufhin höflich und wählt ihre Worte mit Bedacht, während sie vor einem großen Publikum versucht, eine Antwort zu finden. Es ist eine Situation, die den meisten Frauen* und Mädchen* bekannt vorkommen wird – in die Position gezwungen zu sein, die Emotionen eines erwachsenen Mannes angesichts unangebrachter Kommentare zu managen – und eine Begegnung, die charakteristisch für Spears’ Karriere werden sollte. Demgegenüber wurde ihr 12-jähriger männlicher Kontrahent gefragt, wie es sei, auf einer Farm aufzuwachsen.

Der kürzlich erschienene Dokumentarfilm Framing Britney Spears dokumentiert die #FreeBritney-Bewegung und verfolgt Spears’ Karriere und die Ereignisse, die zu der Vormundschaft führten, der die 39-jährige Performerin und Künstlerin derzeit ausgesetzt ist. Er zeichnet den Werdegang des Superstars nach, vom bodenständigen, temperamentvollen Teenager zu einer jungen Frau, die von den kapitalistischen Medien schikaniert, gejagt und an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben wurde.

 

Systemimmanenter Sexismus

Eines der eklatanten Merkmale des Filmmaterials, das Spears’ Aufstieg zum Ruhm dokumentiert, ist die unverhohlene Sexualisierung und Objektifizierung des jungen Stars seit dem Alter von nur 16 Jahren. Angefangen beim sexualisierten Schulmädchen-Outfit von „Hit Me Baby One More Time“ bis hin zu Interviews und Pressekonferenzen, bei denen Moderator*innen, oft Männer, die mehr als doppelt so alt sind wie sie, den Teenager über ihre Brüste, Küsse mit Jungs, ihre Outfits und ihre Jungfräulichkeit befragen. Britney wird durch ihre Plattenfirma und die kapitalistischen Medien hyper-sexualisiert, was durch eine mediale Besessenheit hinsichtlich ihrer Jungfräulichkeit konterkariert wird. All das macht die Falle deutlich, in die alle Frauen* und Mädchen* auf die ein oder andere Weise geraten: Sie sollen sexy sein, aber nicht sexuell. Das stellt einen unmöglichen, fragilen Drahtseilakt dar, bei dem das gesellschaftlich akzeptierte Gleichgewicht ständig außer Reichweite liegt.

Die Sexualisierung und Objektifizierung von Britney Spears ist deshalb keine Ausnahmeerscheinung oder ein einmaliges Ereignis, das nur von einer einzelnen Person erlebt wurde. Vielmehr macht die Erfahrung von Spears das breitere gesellschaftliche Problem der Objektifizierung aller Frauen und Mädchen in der kapitalistischen Gesellschaft deutlich. Objektifizierung bedeutet die Herabsetzung von Menschen auf den Stellenwert von bloßen Dingen, ein Prozess der Entmenschlichung. In der heutigen kapitalistischen Gesellschaft wird Objektifizierung von Frauen* vor allem durch die Fixierung auf ihr Äußeres betrieben. Diese schädliche Ideologie wird durch Werbung, Fernsehen, Zeitschriften, Musik, Filme usw. verbreitet, die alle eine Rolle dabei spielen, dieses Problem zu normalisieren und zu verbreiten.

Objektifizierung für den Profit

Doch welchen Nutzen hat die Objektifizierung von Frauen* für Kapitalist*innen? Ganze Industrien sind aus der Ausbeutung von Frauen durch Objektifizierung hervorgegangen. Der globalen Schönheitsindustrie wird bis 2026 ein Wert von 438,38 Milliarden Dollar prognostiziert, während die globale Pornoindustrie, einseitige Vorstellungen von “Schönheit” verbreitend, einen jährlichen Wert von 97 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Eine Fülle anderer Industrien profitiert von dieser Objektifizierung: darunter die Mode-, TV-, Film-, Einzelhandels-, Massenmedien- und Social-Media-Industrie.

Wenn die Objektifizierung Frauen als Menschen abwertet, entwertet sie auch die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese mit Frauen* in Verbindung gebracht werden, z. B. Haus- und Pflegearbeit, die von Frauen* in überwältigender Mehrheit unentgeltlich geleistet wird und der Weltwirtschaft laut einem Oxfam-Bericht von 2018 jährlich 10 Billionen Dollar erspart. Am Arbeitsplatz bedeutet dies eine geringere Entlohnung für Frauen*, was einen klaren Vorteil für die Arbeitgeber*innen mit sich bringt.

Entmenschlichung führt zu Gewalt

Welchen Preis zahlen Frauen* und Mädchen* noch für diese Objektifizierung? Objekte sind nicht menschlich; sie sind Gegenstände, die nach Belieben benutzt und weggeworfen werden können. Wenn Frauen* und Mädchen* in der Gesellschaft routinemäßig zu Objekten gemacht werden, wirkt sich das auf die Art und Weise aus, wie sie gesehen und letztlich behandelt werden. Dies wird in der medialen Berichterstattung über Spears deutlich. Beispielsweise konzentrierten sich Publikationen und Moderator*innen auf ihr Äußeres und ihre vermeintliche Sexualität – zu Ungunsten ihres immensen Talents, ihrer Persönlichkeit und ihrer Menschlichkeit. Auch dies wiederholt sich in der gesamten Gesellschaft, wobei Frauen* aus der Arbeiter*innenklasse, LGBTQ*, Migrantinnen, Frauen of Color, Sintiza und Romnja und Frauen* mit Behinderungen am stärksten darunter leiden.

Objektifizierung und ihre entmenschlichenden Auswirkungen ebnen den Weg für Gewalt. 2019 berichtete Women's Aid, dass seit 1996 in Irland 230 Frauen* gewaltsam zu Tode gekommen sind – 87 % von ihnen wurden von einem ihnen bekannten Mann* getötet. Sage und schreibe jede dritte Frau* weltweit hat in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. 60 % der Frauen erleben wahrscheinlich Belästigungen am Arbeitsplatz und 71 % wurden in der Öffentlichkeit unerwünscht berührt oder betatscht. Hinzu kommt, dass Frauen* routinemäßig unerwünschte Aufmerksamkeit, unangebrachte Bemerkungen und andere „mildere" Formen von Sexismus erleben, oft auf täglicher Basis.

Der Tribut, den Frauen* und Mädchen* im Laufe ihres Lebens für solche Erfahrungen zahlen müssen, ist enorm. Die Auswirkungen von unrealistischen Schönheitsstandards, Gewalt, Belästigung und die gesellschaftliche Verharmlosung der Erfahrungen von Mädchen* und Frauen* haben einen verheerenden Einfluss auf die psychische Gesundheit. Während Männer* bei Suizidversuchen mit höherer Wahrscheinlichkeit sterben, ist der Anteil der Frauen* und Mädchen*, die einen Suizidversuch unternehmen, höher. Im Jahr 2016 lag die Wahrscheinlichkeit, sich selbst zu verletzen, bei Frauen* und Mädchen* um 24 % höher. Zudem leiden sie unter einem geringen Selbstwertgefühl, Depressionen, Angstzuständen, Essstörungen und traumabedingten psychischen Problemen. All diese Faktoren schränken die Möglichkeit von Frauen* ein, sich frei in der Welt zu bewegen und wirken sich negativ auf ihre Lebensqualität aus.

Wir nehmen es nicht mehr hin

Trotz allem gibt es auch positive Aspekte, die sich aus der aktuellen Diskussion um die Behandlung von Britney Spears ergeben. Seit den späten 1990er und 2000er Jahren hat es einen deutlichen Wandel der Einstellungen gegeben. Viele junge Menschen und solche, die mit Spears aufgewachsen sind, blicken mit Entsetzen auf die Hyper-Sexualisierung des Stars und ihre Behandlung durch die Medien zurück. Haltungen, die damals komplett normalisiert waren, werden von einem großen Teil der jungen Menschen, die jetzt die #FreeBritney-Bewegung unterstützen, komplett abgelehnt. Neue Generationen werden aktiv und organisieren sich gegen sexistische Vorstellungen und Unterdrückung, was sich auch im Aufstieg der #MeToo-Bewegung zeigt.

Die Tatsache, dass sich die Einstellungen in so kurzer Zeit verändert haben, ist ein Beweis für die Stärke der massenhaften Organisierung und zeigt das Potenzial für zukünftige Kämpfe gegen die derzeitige Ausrichtung der Gesellschaft auf den Profit, zum Schaden der Menschheit. Als Sozialist*innen verstehen wir, dass patriarchale Strukturen und Ideologien Werkzeuge sind, die der Kapitalismus nutzt, um Ungleichheit aufrechtzuerhalten und zu rechtfertigen. Deshalb erfordert der Kampf gegen dieses repressive System ein umfassendes Verständnis von sowie ein Zurückdrängen der Unterdrückung von Frauen und allen Minderheiten als ein zentrales Merkmal unserer Organisierung mit dem Rest der Arbeiter*innenklasse.

Freier Markt “löst” Impffrage?

Sozialistische Antworten statt Sackgasse mit Verschwörungstheorien, Skeptizismus und freiem Markt.
Stefan Brandl

Die Infektionszahlen bleiben seit Monaten hoch, während Österreich im internationalen Schnitt mit Impfungen weit zurück liegt. In der Sommer”pause” wurden keine funktionierenden Schritte für die absehbare 2. Welle getroffen, weswegen sich die Regierung in eine chaotische und panische Impfkampagne als letzten Ausweg flüchtet.

Staaten zahlen seit Jahrzehnten Milliarden an öffentlichen Geldern an die Pharmaindustrie, die dennoch Forschungsergebnisse wie Gewinne privat hält. Bei einem Umsatz von 2018 weltweit rund 1,2 Billionen US-Dollar liegt die Gewinnquote bei rund 25%. Trotz staatlicher Investitionen gibt es keine Kontrolle, wie viel ein Impfstoff oder Medikament kosten und wann wieviel geliefert wird. Forschungen verlaufen parallel und Ergebnisse werden nicht effektiv (oder gar nicht) geteilt und verfügbar gemacht.
Wir sehen seit Anfang Jänner vermehrt (überwiegend verschwörungsmäßig aufgeladene) Kritik an Corona-Maßnahmen und Impf”plänen”. ÖGB und die breitere Linke greifen das Thema nicht (ausreichend) auf: Die Kritik an der Unfähigkeit der Regierung wird dem rechten Rand überlassen und die FPÖ versucht, davon zu profitieren. Tatsächlich agiert die Regierung nicht wegen einer Verschwörung so ineffizient, irrational und unfähig, sondern weil sie den direkten bzw. verlängerten Arm der wirtschaftlichen Interessen darstellt.

Statt eines globalen Plans für und durch die arbeitende Bevölkerung im Dialog mit Expert*innen wird weiterhin auf den freien Markt vertraut. Das Wettrennen um Impfstoffe ist vor allem ein Wettrennen um Märkte; das Land, das zuerst geimpft hat, kann als erstes wieder voll “aufsperren” und voll produzieren und hat einen Wettbewerbsvorteil. Als Sozialist*innen treten wir angeblichen “Sachzwängen” entgegen und zeigen auf, dass der ganz “normale” kapitalistische Wahnsinn verantwortlich für unzureichende, unwissenschaftliche und unterfinanzierte Corona-Maßnahmen ist und nur eine weltweite demokratisch geplante, bedürfnisorientierte Wirtschaft die Antwort auf die globale Pandemie sein kann.

 

Corona-Maßnahmen sind Klassenfrage

Als Sozialist*innen stehen wir auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis, auch in der Medizin. Wir stehen für das Recht aller, rasch kostenlosen Impfstoff in ausreichender Menge und Qualität zu erhalten. Dazu braucht es auch zusätzliches Personal für die Impfkampagne. Massentesten und Massenimpfen können nicht ohnehin überlasteten Lehrer*innen und Gesundheitspersonal zusätzlich “umgehängt” werden.

Nicht alle (wenn auch zu viele), die bei “Corona-Demos” mitmarschieren, sind Verschwörungsmythiker*innen. FPÖ & Co. muss durch klare Antworten auf teils berechtigte Sorgen das Wasser abgegraben werden. Widerstand gegen Demokratieabbau, neue Armut und Zwei-Klassen-Medizin muß von links besetzt werden: Impfdichte und -wirksamkeit sowie Corona-Maßnahmen sind und bleiben Klassenfrage!

Offenlegung von Geschäftsbüchern und Forschung von Pharmakonzernen. Ergebnisse müssen geteilt werden, Gelder müssen in der Forschung und nicht auf Privatkonten landen. Kein Platz für Profitlogik in der Wissenschaft: Unabhängig von Pandemie und Kosten die besten Impfungen und Medikamente für alle statt jahrelange Abhängigkeiten von mittelmäßigen Medikamenten, die wir privat zahlen müssen!

Die Strategien der Regierungen klaffen weit auseinander. Konkurrenz zwischen Nationalstaaten führt zu Engpässen bei Masken und Impfstoffen, ärmere Länder werden massiv benachteiligt. Es braucht einen internationalen Plan - erstellt von wissenschaftlichen Expert*innen, Vertreter*innen des Gesundheitspersonals und der Arbeiter*innenklasse - zur Bekämpfung der Pandemie.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wall Street-Wahnsinn: GameStop & der Short Squeeze

Bryce Callaway, Socialist Alternative (ISA in den USA)

Die herrschende Klasse und ihre Sprachrohre in den Medien haben schon immer versucht, die arbeitenden Menschen davon zu überzeugen, dass"wenn es der Börse gut geht, es allen gut geht.“ Das Jahr 2020 aber hat, neben vielen anderen Dingen über unsere Gesellschaft im Kapitalismus, schonungslos offenbart, dass dies eine komplette Lüge ist. Während die arbeitenden Menschen ihr Leben, ihre Jobs und ihre Gesundheitsversorgung verloren, stieg der US-Aktienmarkt und vergrößerte den Reichtum der Milliardär*innen des Landes um mehr als eine Billion Dollar. Nach den katastrophalen globalen Auswirkungen der Gier der Wall Street in der Großen Rezession von 2007-2009 war es nie klarer als heute, dass die Finanzmärkte einfach nur ein Casino für die Reichen sind und nichts Nützliches für die breitere Gesellschaft bieten.

Doch in der vergangenen Woche schien eine viral gegangene Kampagne rund um den Videospielhändler GameStop aus dem Nichts zu kommen und die klassische Machtdynamik der Wall Street ins Chaos zu stürzen. Der Aufmacher auf Bloomberg.com lautet "Hedge Fond-Legenden verlieren bei Amoklauf von Reddit-Händler*innen Milliarden". Könnten sich "Otto Normalverbraucher" auf Social-Media-Seiten wirklich in einem beispiellosen Akt der Internet-Solidarität zusammengeschlossen haben, um große Wall-Street-Investor*innen zu Fall zu bringen?

Der Short-Squeeze

Die klassische Art und Weise, wie der Aktienmarkt funktioniert, ist, dass man Aktien eines Unternehmens in der Hoffnung kauft, dass ihr Wert steigt, wenn die Performance dieses Unternehmens steigt; in der Fachsprache: man geht "long". Eine andere, weniger intuitive Art, sich zu den Aussichten der Aktien eines Unternehmens zu positionieren, ist der "Leerverkauf" in der Hoffnung, dass der Kurs fällt - man geht "short". Wenn der Preis fällt, verdienen die Leerverkäufer Geld, wenn er steigt, verlieren sie Geld.

Leerverkäufe sind eine beliebte Strategie für Hedge-Fonds, d.h. Wall-Street-Gesellschaften, die komplexe Handelsmethoden anwenden, um Renditen für ihre wohlhabende Kundschaft zu erzielen. Einige dieser Leerverkäufer erregten die Aufmerksamkeit des Subreddits WallStreetBets, der aus einzelnen Investor*innen besteht, die untereinander hochriskante Handelsstrategien diskutieren. Das Subreddit wettete kollektiv gegen Hedgefonds, indem es eine große Anzahl von Aktien von Unternehmen aufkaufte, die leerverkauft wurden, wie GameStop und die Kinokette AMC.

In den vergangenen zwei Wochen löste dies eine virale Kampagne unter einzelnen privaten Händler*innen aus, die die Aktienhandels-App Robinhood und andere Online-Broker nutzen. Die Privatleute, die gleichzeitig in diese Unternehmen investierten, erzeugten ein kleines, aber dennoch einflussreiches Marktinteresse, das die Preise dieser Aktien ansteigen ließ und die Hedgefonds dazu zwang, in Panik ihre Positionen zu schließen. Dadurch entstand ein "Short Squeeze", eine typische Handelssituation, in der der Aktienkurs sehr schnell ansteigt. Die Handelsaktivitäten haben seither ein Eigenleben angenommen, das weit über die reddit-Gruppe hinausgeht, die sie initiiert haben.

Milliardärs-Investor*innen haben seither das Spiel betreten und wetten darauf, dass die GameStop-Aktie noch weiter steigen wird. Skrupellose reiche Investor*innen haben zu diesem Zweck eine Reihe von Fehlinformationen verbreitet, unter anderem, dass das Festhalten an GameStop-Aktien den Hedge-Fonds schaden würde – trotz des Einbruchs des Aktienkurses um 40% am Donnerstag, den 28. Januar. Die Reichen spielen beide Seiten gegeneinander aus und manipulieren den wohlverdienten Hass der Öffentlichkeit auf ihre eigenen Hedgefonds, um ihre neuen Long-Positionen zu stützen.

Marktmanipulation?

Als die Aktien von GameStop und AMC in die Höhe schnellten, erlitten einige Hedge-Fonds erhebliche Verluste. Sofort machten sich die Wall Street und ihre Medien daran, die Aktionen der Reddit-Investor*innen öffentlich als "manipulativ" und "gegen die Art und Weise, wie Aktienmärkte funktionieren sollten", zu verurteilen. Ohne einen Hauch von Ironie bemerkte der Leerverkäufer Andrew Left von Citron Research: "Ich wusste nicht, dass das so kultartige Züge hat. Es ist einfach ein Schema, schnell reich zu werden".

GameStop ist kein Unternehmen, das es verdient, zum 50- oder 100-fachen seines Wertes von vor einem Jahr gehandelt zu werden. Als stationäres Unternehmen hat GameStop erlebt, wie ihre Rentabilität eingebrochen ist, da Spielekäufe zu digitalen und Online-Händler*innen abwandern. In dem Bemühen, die Einnahmen zu halten, hat sich GameStop sogar lächerlicherweise als "systemrelevantes Geschäft" eingestuft und seine Mitarbeiter*innen inmitten der aktuellen COVID-19-Panik in Risikosituationen zum Weiterarbeiten gezwungen. AMC wiederum war vor der haarsträubenden Achterbahnfahrt ihres Aktienkurses nur einen Schritt vom Bankrott entfernt.

Aber wann hat sich die Wall Street jemals um den "wahren" Wert eines Unternehmens gekümmert? Große Händler haben jahrzehntelang "Pump and Dump"-Strategien angewandt (Kursmanipulation nach Eingehen einer Long-Position, Anm. d. Übers.), um den Wert ihrer Aktienbestände aufzublähen, während sie sie im Stillen weiterverkauften – und ahnungslose Menschen dem Hype auf den Leim gingen und die wertlosen Aktien kauften. Darüber hinaus ist das gesamte Geschäftsmodell börsennotierter Unternehmen auf die Aktionär*innen ausgerichtet, von denen viele die astronomisch entlohnten Führungskräfte des Unternehmens sind. Im Dienste des alles entscheidenden Aktienkurses werden die Unternehmen alles tun, um dem Markt positive Signale zu senden, selbst wenn dies bedeutet, dass Zehntausende von Arbeitsplätzen gestrichen oder ins Ausland in billigere Arbeitsmärkte verlagert werden.

Am 28. Januar bekamen Großinvestor*innen ihren Wunsch erfüllt, als die Online-Broker den Handel mit GameStop und anderen hoch gehandelten Wertpapieren einschränkten. Benutzer durften ihre Positionen verkaufen, aber sie konnten keine weiteren Aktien kaufen, während große institutionelle Investoren wie Hedge-Fonds immer noch in der Lage waren, Geschäfte wie gewohnt durchzuführen. Die Gegenreaktion unter den Kleinanleger*innen kam sofort, und im US-Kongress protestierten von AOC bis Ted Cruz Politiker*innen aller Lager gegen die Handelsbeschränkungen. Die Broker benutzten technische Ausreden, warum sie die betreffenden Wertpapiere von ihren Plattformen entfernt hatten, aber es fällt schwer, dies nicht als ein weiteres Beispiel dafür zu sehen, dass die Karten in diesem Casino gegen normale Menschen und zugunsten der Wall Street gezinkt sind. Zu Recht verärgerte Nutzer*innen überschwemmten die Robinhood-App mit 1-Stern-Bewertungen, die Google prompt entfernte und damit zeigte, wo seine Klassensolidarität liegt.

Wall Street vs. Main Street

The Big Short war ein beliebter Film, weil er zeigte, wie die Arroganz der Wall Street ihr auf die eigenen Füße fällt. Aber leider war das Ergebnis der Situation im Jahr 2008, auf der der Film basiert, dass die Arbeiter*innen gezwungen wurden, die großen Banken mit Steuergeldern zu retten, während Millionen von Menschen im Stich gelassen wurden und ihre Jobs und Häuser verloren. Schlimmer noch: Die Obama-Regierung hat nie jemanden an der Wall Street zur Rechenschaft gezogen, und die Investor*innen konnten ihre Verluste in den kommenden Jahren schnell wieder hereinholen; einige Firmen nutzten die Finanzkrise außerdem als Möglichkeit, angeschlagene Vermögenswerte zu Ausverkaufspreisen zu kaufen. Die Arbeiter*innen haben sich nie wirklich erholt und sitzen in prekäreren Jobs fest als je zuvor, was durch die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wurde.

Es ist absolut verständlich, dass normale Menschen sich zusammenschließen wollen, um etwas Geld für sich selbst zu verdienen und die riesigen Investor*innen zu Fall zu bringen, die so viel Schmerz verursacht haben und dabei noch so üppig profitierten. Einige Nutzer des Subreddits haben sogar gesagt, dass sie ihre Gewinne aus dem Handel verwenden werden, um ihre Student*innenkredite abzuzahlen. Die Glaubwürdigkeit unserer politischen und wirtschaftlichen Institutionen bröckelt weiter und die arbeitenden Menschen haben richtig erkannt, dass sie keine Gerechtigkeit zu erwarten hätten, wenn sie sich individuell mit dem Establishment und dem Großkapital messen würden.

Hedgefonds sind nicht die einzigen miesen Akteure im Kapitalismus. Alle Kapitalist*innen, einschließlich der Eigentümer*innen von GameStop selbst, häufen ihren Reichtum an, indem sie den Arbeiter*innen weit weniger zahlen als das, was diese für das Unternehmen erwirtschaften. Ein Teil des entnommenen Profits wird an der Börse aufgeteilt. Finanzunternehmen, die Long-Positionen eingehen, profitieren genauso von der Ausbeutung der Arbeiter*innen wie Hedgefonds, die Short-Positionen einnehmen. Hedgefonds anzugreifen, indem man ein anderes Unternehmen bereichert, wie der GameStop-Handel nahelegt, ist eigentlich ein Nullsummenspiel für die Kapitalist*innenklasse.

Außerdem ist der Aktienmarkt unglaublich komplex und gegen die arbeitenden Menschen manipuliert. Große Finanzunternehmen profitieren von undurchsichtigen Regeln und betreiben verschwenderisch teure Ultrahochgeschwindigkeits-Internetverbindungen, die ihnen Handelsinformationen liefern, lange bevor sie normale Menschen erreichen. Die Robinhood-App zum Beispiel übermittelt die Trades ihrer Kunden an die großen Finanzfirmen, bevor die Trades ausgeführt werden. Es ist sehr schwer, die Wall Street zu überrumpeln, und der Einfluss von Kleinanleger*innen auf Hedgefonds wurde stark übertrieben, um den GameStop-Hype zu verlängern. 

Wie wir die Wall Street bekämpfen können

Können arbeitende Menschen die Strategie, die von den Redditors verwendet wurde, auch einsetzen, um die Wall Street für immer zu Fall zu bringen? Leider ist es so, dass die meisten Menschen kein zusätzliches Geld zur Verfügung haben, um in den Aktienmarkt zu investieren, da sie mit Miete, Lebensmitteln, Gesundheitsfürsorge und unzähligen anderen überhöhten Lebenshaltungskosten stark belastet sind. Kleinanleger*innen laufen Gefahr, sich zu spät in die Aktienblase einzukaufen und bei deren Platzen mehr Geld zu verlieren, als sie sich leisten können.

 

Die Wall Street hat außerdem immer die Möglichkeit, Notfinanzierungen in Anspruch zu nehmen. Einer der betroffenen Leerverkäufer, Melvin Capital, erhielt im Handumdrehen eine Finanzspritze in Höhe von 2,75 Milliarden Dollar, um seinen Hedgefonds zu stabilisieren, als die Probleme auftauchten. Große Investor*innen haben zusätzlich institutionelle Unterstützung, was einmal mehr klar wurde, als die Federal Reserve sofortige und beispiellose Maßnahmen ergriff, um sicherzustellen, dass die Finanzmärkte während der globalen Pandemie "gesund" blieben. In der Zwischenzeit sind Menschen, die aktiv um ihr Überleben kämpfen, oft noch Monate von einem weiteren Stimulus-Scheck entfernt, der kaum die Kosten für eine Monatsmiete decken kann. 

 

 

Das wirkliche Druckmittel der arbeitenden Menschen, um die herrschende Klasse in die Knie zu zwingen, besteht in ihrer Macht, die Arbeit zurückzuhalten, die alle Profite in unserer Wirtschaft schafft. Wir müssen dringend eine kämpfende Arbeiter*nnenbewegung wieder aufbauen und die Basis für die Schaffung einer neuen Arbeiter*innenpartei legen, die unabhängig von den verrotteten, der Bourgeoisie hörigen Demokraten ist. Wenn Joe Bidens jüngste Präsidentschaftskampagne von über 60 Milliardär*innen unterstützt wurde, wie können wir dann von ihm erwarten, dass er für die arbeitenden Menschen und gegen die Interessen der Wall Street eintritt?

 

Die beiden Wahlkämpfe von Bernie Sanders für das Amt des Präsidenten haben gezeigt, dass Millionen von der Idee eines Klassenkrieges mit der Wall Street und der Milliardär*innenklasse aufgewühlt waren. Forderungen nach einer Besteuerung der Reichen und "Medicare For All" sind weithin populär und können einer Arbeiter*innenpartei eine Plattform bieten, um die herum sie sich organisieren kann. Wir können uns nicht auf bloße Aufrufe an die Kapitalist*innenklasse verlassen, "das Richtige zu tun" – nur eine Massenbewegung der arbeitenden Menschen kann die Kraft aufbringen, die stark genug ist, um bedeutsame Zugeständnisse vom Großkapital zu erlangen.

Karl Marx wäre sicherlich etwas schadenfroh, wenn er sähe, wie ein paar Großinvestor*innen durch diese von vielen "Normalos" koordinierte Aktion leiden. Aber seine Vision wies auf einen dauerhaften Bruch mit dem System des Kapitalismus hin, der es diesen Ausbeuter*innen überhaupt erst ermöglicht zu gedeihen. Eine Arbeiter*innenpartei sollte den Ruf nach einer sozialistischen Zukunft aufgreifen, in der die Produktivkräfte der Gesellschaft in kollektivem Besitz sind und über ihre Verwendung und Funktion demokratisch entschieden wird. Die Tage der Herrschaft des 1% über die 99 % könnten dann endlich auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt werden.

 

 

Es reicht nicht, nur auf Demonstrationen zu gehen!

Katja, 29

Ich bin in einer sehr politischen Familie groß geworden und war schon sehr früh als Kind immer mit auf Demos, zum Beispiel gegen die erste schwarz-blaue Regierung. Ich habe schnell gemerkt, dass man etwas gegen die herrschende Politik und die Probleme, die der Kapitalismus mit sich bringt, tun kann und dass man nicht alles hinnehmen muss. Irgendwann war es mir dann zu wenig, immer nur auf Demos zu gehen und ich wollte Teil einer politischen Organisation werden. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, der SLP beizutreten. Das Programm und die Positionen der SLP spiegeln das wider, was ich denke. Ich war vorher bei der Linkswende aktiv, an der ich aber aus vielen Gründen Kritik habe, unter anderem aufgrund ihrer Positionen zu Israel-Palästina und ihren oft oberflächlichen Positionen z.B. bei der EU. Die SLP hat ein klares Programm und eine klare Vorstellung von einer Alternative zum Kapitalismus. Die Treffen gehen inhaltlich in die Tiefe und ich finde es sehr gut, dass es so viel Diskussionen zwischen den Mitgliedern gibt und die Möglichkeit, sich gut einzubringen.

 

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Alles ist politisch (Dezember 2020)

WISSENSCHAFT in Zwangsjacke

Während Corona-Leugnungs-Demos gefährliche Verschwörungs-Idiotien verbreiten und Nazis ein reiches Betätigungsfeld bieten, schreitet die Impfstoffforschung voran. Doch sie tut es unter kapitalistischen Bedingungen langsamer und unkoordinierter als es laufen könnte. So ist auf der Homepage des „Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller“ (vfa.de) zu lesen: „Bei der Entwicklung der Covid-19-Impfstoffe haben mehrere Unternehmen ausdrücklich Zusammenarbeit angeboten.“ Warum ist das eine Erwähnung wert? Wieso können die gesellschaftlichen Interessen nicht erzwingen, dass alle relevanten Firmen sich mit maximaler Transparenz der Problemlösung widmen? Gründe sind der systembedingte Profitzwang und destruktive „nationalstaatliche Interessen“. Zwischen den laut Weltgesundheitsorganisation WHO global derzeit 200 Impfstoff-Entwicklungen gibt es zu wenig Austausch. Dies zeigt sich auch am Beispiel der internationalen Impfstoffallianz CEPI, die es übrigens erst seit 2016 gibt. Bei der „öffentlich-privaten Partnerschaft“ handelt es sich um eine wackelige Konstruktion, welche maßgeblich von privaten Geldgeber*innen abhängig ist. So berichtet CEPI am 12. November, dass 20 Millionen Dollar von der Gates-Foundation erwartet werden. Wie schön, wenn Milliardäre wie Bill Gates mit dicken Schecks ihre Menschenliebe zeigen oder gar psychologisch etwas kompensieren müssen. Aber warum haben nicht schon viel früher die beteiligten Regierungen und die EU-Kommission für ausreichende Finanzierung gesorgt? Kapitalismus ist ein chaotisches, systematisch ungerechtes und labiles System, das den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft schon lange nicht mehr genügt.

Kulturbudget

Unabhängigen Kultureinrichtungen steht schon jetzt das Wasser bis zum Hals. Bezogen auf das Gesamtbudget sinkt nun das Kunst- & Kulturbudget von 0,6% auf 0,5%. Finanzminister Blümel (ÖVP) deutete seine Vorlieben bereits an: Sanierung der Festspielhäuser in Salzburg und Bregenz. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieviel die unabhängige Kultur-Szene erhalten wird. Laut IG-Kultur ist das ein „katastrophales Signal“.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Der rechte Rand

Tilman Ruster

Zwei Anschläge vor Synagogen: Vor einem Jahr in Halle, vor ein paar Wochen in Wien; einmal ein Nazi, einmal ein Dschihadist. Die Mörder hätten sich wohl auch gegenseitig umgebracht, dabei eint sie viel mehr als ihr Antisemitismus. Beide Anschläge sind rechtsextrem. Kennzeichnend sind die Wahl der Mittel sowie wesentlichste Teile ihrer Ideologien: Aus Ablehnung der allgemeinen Zustände suchen sie die Lösung ihrer Probleme in der Vergangenheit. Faschismus und Dschihadismus gehen davon aus, dass es einen Zustand in der Geschichte gab, der wiederhergestellt werden muss. Die Einen träumen von verklärter germanischer Stammeskultur oder dem bürgerlichen Ideal des 19. Jahrhunderts, die anderen von der Zeit Mohammeds, des Kalifats und der islamischen Expansion. Egal ob Rassismus oder religiöser Wahn: Das Ergebnis ist dasselbe. Sehr deutlich wird das beim Frauenbild: Kochen, Waschen, ständige sexuelle Verfügbarkeit für „ihren“ Mann; davon träumen Rechtsextreme und Fundamentalisten jedweden Hintergrunds. Unterschiede sind lediglich in der Entstehung der Radikalisierung festzumachen. Beide Seiten (der selben Medaille) sehen sich jedoch gleichermaßen als Opfer; vor allem der „multikulturellen“ Moderne. Dazu ein Zitat, bei dem zu erraten ist, von wem es stammt (IS-Aktivist oder Identitärer): "Das System, welches alle Identitäten zerstören will, ist der von den USA angeführte politische Westen [...]. Die USA sind der Feind Europas und aller Kulturen

Das Zitat stammt von A. Markovics, Website Identitäre Generation, 6.2.2014, Zugriff: 7.6.2016 (gesichert von doew.at)

 

Andere über uns (Dezember 2020)

Der Blog MOMENT widmete sich der „Applaus ist nicht genug“-Demo vom 3.10. in Wien. Dieses kämpferische Zusammentreffen von Beschäftigten aus verschiedenen Branchen war ein bedeutsamer Schritt. Hervorgehoben wurde die Initiative 'Sozial, aber nicht blöd' und ihr Aufruf zu „Streiks für mehr Personal, Gehalt und weniger Arbeitszeit“. Zitiert wird Michael Gehmacher von der SLP, Betriebsrat beim Samariterbund.

 

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Andreas Rabl - Scheinheiliger des Monats

Der FPÖ-Bürgermeister von Wels (OÖ), Andreas Rabl, hat versucht, das Gedenken zur Pogromnacht 1938 an sich zu reißen und damit zu entwerten. Die Welser Antifa-Initiative hat dies allerdings verhindert. Die Jüdischen HochschülerInnen (JöH) fanden passende Worte zu Rabl: „zynisch und scheinheilig“!

 

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Alles ist politisch (Oktober/November 2020)

Remember Weltspartag?

1925 von der „Weltvereinigung der Sparkassen“ eingeführt, sollte der Weltspartag in Zeiten der kapitalistischen Krise Vertrauen und Kaufkraft stärken sowie mittels Erziehung Armut mindern. In gewisser Weise war es die finanzpolitische Version des sozialdemokratischen Reformismus. In den Jahren zuvor kam es zu einer gigantischen Geldentwertung mit radikalen Währungsreformen. Doch keinerlei Maßnahmen von Bürgertum und Kapital konnten eine harmonische friedliche Entwicklung bringen. Ein noch größerer Krieg folgte. Nach diesem 2. Weltkrieg konnte in einigen Ländern aufgrund des Nachkriegsbooms für einen Teil der arbeitenden Bevölkerung und zeitlich beschränkt ein relativer Wohlstand erreicht werden. Banken waren Orte, wo man als Kind gerne hinging, mit Bausteinen spielte und einmal im Jahr nette Geschenke von Sparefroh & Co. einstreifen konnte. Doch das Image hat sich mit der Sichtbarkeit der dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche und Krisen endgültig gewandelt: Sparzinsen liegen unter der Teuerungsrate. Durch Sparen und Lohnarbeit wird man nicht reich. Demgegenüber stehen Banken als Symbol für strukturelle Ungerechtigkeit, Betrug, Profitgier und Schäden an der Gesellschaft. Daran ändert auch die aktuelle „Sumsi-Wärmeflasche“ nichts mehr.

K&K auf modern

„Kultur ist krisensicher“ (Slogan der Landeskultur-GmbH OÖ). Welch ein Hohn, betrachtet man die herrschende Politik! Die IG-Kultur weist auf das wesentliche Problem beim angekündigten „Schutzschirm für Veranstaltungen“ hin: „Dotiert ist dieses Instrument mit 300 Mio. € (…). Unklar ist, wer diese Unterstützung in Anspruch nehmen kann. So wie die Rechtsgrundlage formuliert ist, wird dieses Instrument nur Unternehmen offen stehen.“ Ebenso zeigt die Koppelung der Personenobergrenze an das Vorhandensein fixer Sitzplätze, welch bürgerlich-elitäre Vorstellung die Regierung von „Kunst & Kultur“ hat. Das bedeutet wohl die Konzentration auf angepasste, tourismusdienliche und gut vernetzte K&K-Betriebe. Die vielen kleinen Kulturschaffenden und Initiativen, die Kritik am herrschenden (K&K)System in ihrer Kunst darstellen wollen, werden auf der Strecke bleiben.

 

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