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Verschwörungstheorien in Zeiten von Corona

Seraphina Reisinger

In Zeiten von Corona und Lockdown werden die Maßnahmen der Regierungen von vielen Menschen kritisch gesehen. In den vergangenen Wochen und Monaten haben im deutschsprachigen Raum und in den USA mehrere sogenannte „Hygienedemos“ stattgefunden (https://www.sozialismus.info/2020/06/demokratische-rechte-verteidigen-geht-nur-gegen-rechts/)

Auf diesen gehen nicht nur "besorgte Bürger*innen" und verwirrte Esoteriker*innen mit, sondern sie werden auch von Rechtspopulist*innen und Neofaschist*innen besucht oder veranstaltet. In Deutschland wurde sogar eine neue Partei, „Widerstand 2020“, gegründet, die eine ähnliche Programmatik hat wie die AfD und maßgeblich von Kleinunternehmer*innen und Liberalen geführt wird. In Österreich wurden verschiedene Demos und Kundgebungen nicht nur von Rechten und Identitären besucht, sondern auch von rechten Vereinen angemeldet. So sind die Demo-Veranstalter*innen in Graz Anhänger*innen der antisemitischen Germanischen Neuen Medizin, in Klagenfurt wurde die Aktion von der BZÖ angemeldet.

Für rechte Gruppen sind diese "Hygienedemos" der ideale Ort um neue Mitglieder zu rekrutieren und ihr rechtes Gedankengut zu verbreiten. Die berechtigte Wut auf die Herrschenden und etablierten Parteien und eine oftmals fehlende linke Alternative werden genutzt, um Sündenböcke zu finden und leeren Populismus gegen die Regierungsparteien mit Rassismus und Antisemitismus zu paaren. Antworten auf soziale Probleme oder andere Probleme, die mit Corona einhergehen, wie im Gesundheitssystem oder auch dem Demokratieabbau bieten sie keine.

Es werden nicht nur die Regierungsmaßnahmen kritisiert, sondern Corona vollkommen geleugnet, oder behauptet, dass das Virus von einzelnen Verschwörer*innen in die Welt gesetzt wurde. Von Corona über 5G bis hin zu der WHO – alles ist angeblich eine große Verschwörung.

Über Verschwörungstheorien

Es ist oft schwierig, die “Argumentation” von Verschwörungsideologien zu widerlegen (https://www.slp.at/artikel/was-sie-dir-über-verschwörungstheorien-verschweigen-9759 ). Bei der Frage der Quellen vertrauen manche nur auf einzeln ausgewählte Personen, deren Meinung bereits ihrem Weltbild entspricht. Verschwörungstheorien widersprechen nicht nur häufig wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auch anderen Verschwörungstheorien oder auch sich selbst. Die bösen Verschwörer*innen sind so – abhängig von Verschwörungstheoretiker*in – Jüd*innen, Satanist*innen, Freimaurer, Reptiloide etc. Im Gegensatz dazu stehen dann einerseits die Verschwörungstheoretiker*innen selbst, die dieses Treiben „durchschauen“, andererseits verschiedene Erlöserfiguren. So sehen viele Anhänger*innen von Verschwörungstheorien aktuell Donald Trump als Retter und Erlöser an, der die Pandemiebekämpfung als Vorwand zur Bekämpfung der Verschwörung nutzen soll. Eine gute patriotische Verschwörung steht in dieser Weltdeutung einer bösen internationalen gegenüber – Vorstellungen, wie sie unter anderem von Xavier Naidoo oder auf US-amerikanischen Anti-Lockdown-Demonstrationen verbreitet werden.

Verschwörungstheorien greifen vor allem dann, wenn es Unmut über die herrschenden Verhältnisse gibt. Anstatt aber die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse im Kapitalismus anzugreifen, nutzen sie letztlich den Herrschenden, weil diese sich als “vernünftig” und konsequent z.B. im Umgang mit der Pandemie darstellen können: Wer Corona nicht leugnet, müsse ja dann in Ablehnung der wirren Verschwörungstheoretiker*innen die zum Teil undemokratischen Maßnahmen der Regierung gutheißen. 

Bill Gates und die WHO

Von Verschwörungstheorien*innen wird aktuell immer wieder behauptet, dass Bill Gates die WHO kontrolliert, noch dazu alle zwangsimpfen will und allgemein die Bill & Melinda Gates Stiftung Teil einer riesigen Verschwörung ist.

Tatsächlich kann und sollte man Superreiche wie Bill Gates kritisieren und bekämpfen. Und auch bei der WHO läuft vieles falsch. Grundsätzlich wird die WHO finanziert durch die Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten und durch Spenden von privaten Geldgeber*innen. Diese privaten Spenden sind meist auch zweckgebunden, werden also nur für bestimmte Zwecke ausgegeben, wie z.B. für die Forschung zu einer bestimmten Krankheit.

Die Pflichtbeiträge der Staaten sind seit 1993 eingefroren, die WHO ist also immer mehr abhängig von privaten Geldgeber*innen. Mittlerweile kommen beinahe 80% des Budgets der WHO von Spender*innen. Dadurch, dass immer mehr Geld von privater Seite kommt, wird die WHO auch abhängiger von diesen Geldgeber*innen (was nicht bedeutet dass die Finanzierung durch bürgerliche Staaten “objektiv” wäre, siehe die erpresserische Finanzierungspolitik u.a. der USA bezüglich Frauengesundheitsorganisationen und der Abtreibungs- und Verhütungsfrage!). Da diese Spenden oft auch zweckgebunden sind, steht bei weitem nicht genug Geld für den Aufbau von Gesundheitssystemen im globalen Süden zur Verfügung.

Das Problem ist also vor allem das System, in dem wir leben. Doch indem einzelne Personen als das ultimative Böse dargestellt werden, wird von den eigentlichen Problemen abgelenkt. Die WHO sollte unter demokratische Kontrolle und Verwaltung gebracht werden. Es dürfen weder bürgerliche Regierungen noch einige Superreiche mit ihrem Geld entscheiden, an welchen Krankheiten geforscht werden soll und wo nicht - das muss  Organisationen und Vertreter*innen der Arbeiter*innenbewegung obliegen

Es wird auch oft kritisiert, dass die Corona-Pandemie von der Pharmaindustrie geplant wurde, um die Umsätze zu steigern. Diese Skepsis gegenüber der Pharmaindustrie hat eine gewisse Berechtigung, denn die Konzerne handeln tatsächlich nicht in unserem Interesse. Daher ist eine unserer Forderungen, dass ein möglicher Impfstoff kostenlos ausgegeben wird (https://www.slp.at/artikel/impfverweigerung-ist-r%C3%BCckschrittlich-9502). Es muss sichergestellt werden, dass jeder Mensch - unabhängig vom Geldbeutel - Zugang zu einem sicheren Impfstoff hat. Dazu muss die Pharmaindustrie enteignet und Profitinteressen entzogen werden. https://www.slp.at/artikel/profite-gesundheit-9966

Sozialistische Antworten

Probleme, die angesprochen werden: Die autoritären Maßnahmen, die Krise im Gesundheitssystem, finanzielle Abhängigkeit bei der Forschung, Korruption etc. Das alles sind tatsächliche Probleme, aber diese werden nicht durch einige wenige Verschwörer*innen geplant, sondern sind Symptome des kapitalistischen Wirtschaftssystem, in dem Profite für Wenige über die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiter*innenklasse gestellt werden.

Tatsächlich gibt es an den Maßnahmen der Regierung(en) viel zu kritisieren. So haben wir in den letzten Monaten international gesehen, dass Demonstrationen unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen sehr wohl möglich sind. Während die Regierung aber Schulen, demokratische Rechte und private Freiheiten einschränkt, wurden in „nicht-systemrelevanten“ Betrieben – oft sogar ohne Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen – weiter Profite erwirtschaftet. 

Die Elite handelt so, wie sie es tut, nicht aufgrund einer geheimen Agenda, sondern weil sie ihre wirtschaftlichen Interessen umsetzen muss. Die industrialisierte Viehzucht und die Massentierhaltung haben aggressive Viren hervorgebracht. Die Konkurrenz zwischen den einzelnen kapitalistischen Nationalstaaten, das Kaputtsparen der Gesundheitssysteme im Großteil der Welt etc.: Der Kapitalismus sorgt überall für immer mehr Chaos und Zerstörung. 

Das Gute ist, dass der Marxismus uns auch eine Antwort auf diese Probleme liefert (https://www.slp.at/artikel/gesundheit-statt-profit-unsere-forderungen-9977). Wir als Arbeiter*innen haben die Macht, dieses System zu stürzen. Wir können Widerstand leisten, indem wir gemeinsam auf die Straße gehen und für unsere Rechte kämpfen. Wir können mit Arbeitskämpfen, u.a. im Gesundheits- und Sozialbereich, Verbesserungen erreichen, so wie Kolleg*innen, die jetzt schon in Bewegung getreten sind. Denn das sind wirklich wirksame Instrumente gegen die Missstände und der Weg zu einer Gesellschaft ohne kapitalistische Ausbeutung - im Gegensatz zur systemerhaltenden Wirkung der Verschwörungstheorien!

Sozialismus, oida!

Beatles vor 50 Jahren: Wie aus „Get back“ ganz schnell „Let it be“ und das Ende der Beatles wurde.

Peter Jackson (Hobbit, Herr der Ringe, King Kong etc.) nimmt mit dem Film „Let it be“ einen neuen Anlauf und kommt (hoffentlich) im September damit in die Kinos.
Albert Kropf

Vor knapp 50 Jahren erschien Anfang Mai 1970 mit „Let it be“ das letzte Beatles Album. Bis heute rangieren viele Songs daraus bei Fans, Medien und diversen Playlists ganz oben in der Beliebtheitsskala. Und das obwohl viele eingefleischte Beatles Fans ein bisschen Bauchweh mit dem Album haben. Nicht ganz umsonst. Schließlich war es als Soundtrack zum gleichnamigen Film gedacht und hatte letztlich mit dem Film wenig und dem ursprünglichen Konzept kaum noch was zu tun. Von den Beatles selbst wurde es im Frühjahr 1969 beiseite gelegt. Stattdessen sind sie wieder eigenen Wege gegangen und haben dann ab Spätsommer 1969 das eigentlich letzte Beatles Album „Abbey Road“ aufgenommen und dabei Teile von „Get Back“ wieder aufgegriffen. Weder Film noch Album rief bei ihnen noch Interesse hervor und so fand auch die Film-Premiere ohne ein Mitglied der „Fab Four“ statt.

Trotzdem gewann der Film 1971 für die beste Filmmusik einen Oscar. Das war nicht für das Album, sondern die wirkliche Filmmusik und damit das eigentliche “Get back” Konzept. Der Film und die vielseitige Literatur darüber zeigen, dass von „Fab Four“ eigentlich auch nicht mehr gesprochen werden kann. Bis heute wartet der Film auf seine Wiederveröffentlichung nachdem er Anfang der 1980er kurz auf Video erschienen war. Ein Grund dafür dürfte wohl sein, dass der Beatles-Vermarktungskonzern samt Nachkommen und Überlebenden kein Interesse an diesem negativen Bild über die Band hat. Um dieses „Problem“ zu lösen, wurde mit der sonstigen sehr kargen und nur in homöopathischen Dosen verabreichten Veröffentlichungspolitik von unveröffentlichten Beatles Material gebrochen. Dazu durfte der Starregisseur Peter Jackson angeblich uneingeschränkt in die „Get Back Sessions“-Archive, quasi in den Berg Eribor, hinabsteigen. Zurückgekommen ist er weder mit den Schätzen der Zwerge noch mit dem Drachen Smaug, sondern einer positiven “Neubewertung” der „Get Back Sessions“, die im neuen Film der Öffentlichkeit 2020 präsentiert werden sollen. Was für eine Überraschung, wo das auch noch so gut in die immer positive Veröffentlichungspolitik passt. Vielleicht sind die Beatles ja doch nach der Trennung Freunde geblieben?

Kommerz und das Ende der Beatles

Die Beatles starteten Anfang der 1960er Jahre als Halbstarken-Rockerband, fanden ihre musikalische Prägung im Hamburger Rotlicht- und Hafenmilieu. Die Mundharmonika auf ihrem ersten Hit „Love me do“ hatte Lennon in den Niederlanden gestohlen, die Beatles waren immer wieder in Schlägereien verwickelt. Sie waren eine raue Band, deren Musik dieses soziale Milieu widerspiegelte. Als in Leder gekleidete Rocker haben sie auch keinen Plattenvertrag bekommen. Um den zu bekommen, haben sie sich aber ohne großes Wenn und Aber von ihrem Manager Brian Epstein aalglatt vermarkten und in Anzüge stecken lassen. Die Musik blieb aber rau und aggressiv und das zog, aber schon wie!

Später gründeten sie mit Apple ihre eigene Firma und managten sich selbst. Aufgrund ihrer Erfahrungen wollten sie Kunst und Musik vor dem schädlichen Einfluss der Unterhaltungsindustrie befreien. Treibende Kraft dahinter war zuerst McCartney und dann Lennon. In Wirklichkeit aber zeigte Apple, dass kleine antikommerzielle Inseln in einem immer aggressiveren kapitalistischen Umfeld nicht lange gut gehen können. Apple ging gnadenlos schief. Viele kennen heute unter Apple den Konzern von Steve Jobs. Tatsächlich muss dieser Millionen für die Namensverwendung zahlen. Ein Treppenwitz, dass das anti-kommerzielle Projekt, das nur überlebte, weil sich die Beatles nicht einigen konnten, letztlich zur großen Einkommensquelle wurde.

Unmittelbar aber wurde Apple für die Beatles zu einer riesigen Geldvernichtung. Da begannen dann auch die Probleme größer zu werden. Lennon und McCartney erhielten als Autoren der überwiegenden Songs nicht nur ihren Anteil an den Verkäufen und Einnahmen, sondern auch Millionen für Tantiemen. Hier zeigt sich auch, wie wenig sich bürgerliches Recht eignet, künstlerisches Eigentum zu „schützen“, sondern nur um es zu vermarkten. Die meisten Songs der Beatles entstanden bis zum „Weißen Album“ 1968 in Gemeinschaftsarbeit aller(!) im Studio. Auf den meisten Songs stand trotzdem Lennon/McCartney, weil einer der beiden mit einer Idee ins Studio gekommen war. Wie sooft mag das zwar rechtens sein, aber gerecht ist und war es nicht. Das war auch etwas, was die beiden anderen Beatles zunehmend spürten.

Ian Gillan, Sänger bei Deep Purple Anfang der 1970er, beschrieb einmal seine Leistung als Sänger und Textautor so, dass er während die anderen im Studio die Songs entwickelten, im Pub saß und in zunehmender Vernebelung auf Bierdeckeln die Texte kritzelte. Im Gegensatz zu den anderen, kassiert er aber bis heute an den Tantiemen ein kleines Vermögen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Harrison und Ringo Starr mit einem Blick auf ihre schwindenden Geldberge Apple zunehmend skeptischer sahen. Als der Hut bei Apple schließlich lichterloh brannte, setzen Lennon, Harrison und Starr gegen den Willen McCartneys den amerikanischen Starmanager und Superkapitalisten Allen Klein als Universalmanager und Sanierer für die Beatles Finanzen ein. Während Lennon bis heute das Image eines Linken hat, umweht McCartney nicht zu Unrecht die Aura eines geizigen Superreichen mit allen dazugehörigen negativen Eigenschaften. Daher ist es heute auch schwer zu glauben, dass gerade McCartney es war, der am längsten gegen den Widerstand der anderen an der anti-kommerziellen Ausrichtung von Apple festhalten wollte.

Von Freundschaft und dem Bild der lustigen „Fab Four“ konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gesprochen werden. Weil es noch nicht traurig genug war, hat Allen Klein die Beatles dann auch noch ausgenommen wie eine Weihnachtsgans …

Wie aus „Get back“ schließlich „Let it be“ wurde

In dieser verfahrenen Situation der auseinander bröckelnden Beatles, kam McCartney die Idee zur Rettung. Eigentlich waren die Beatles eine Live-Band, ihr erstes Album hatten sie in nur wenigen Stunden mehr oder weniger live eingespielt. Daraus und dem sehr engen und intensiven Zusammenleben auf Tour ergab sich auch die Vertrautheit untereinander. Seit dem Auftritt im Candlestick Park in San Francisco 1966 waren die Beatles aber nicht mehr aufgetreten. Die Studioarbeit wurde durch die um sich greifende Technik immer komplexer und auch individualistischer. Der Zusammenhalt der Gruppe flaute noch weiter ab, der Verlust der eigenen Authentizität größer, das vereinende, künstlerische Element kleiner. Auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ab Mitte der 1960er Jahre begannen die vier sich in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Das künstlerisch kreative Zentrum war zweifellos zu diesem Zeitpunkt noch McCartney. Dabei waren es gerade die Beatles, die die Studiotechnik maßgeblich einbrachten und förderten. Sie waren somit gleichzeitig Opfer und Schöpfer dieser Entwicklung.

McCartney sah noch eine Zukunft in den Beatles und wollte zu ihren Ursprüngen zurück - „Get back“ eben und wieder live spielen. Und dazu musste ab 2. Jänner 1969 geprobt werden - der Ursprung des „Get Back“ Projekts. Zuerst sollten es nur existierende Songs sein, dann wurde die Idee erweitert neue Songs zu entwickeln. Während McCartney zuerst ein mehrtägiges Konzertszenario als TV-Event vorschwebte, bremsten ihn die anderen auf ein Konzert, das dann schließlich am 30. Jänner 1969 auf den Auftritt am Dach des Apple Gebäudes reduzierte wurde. Dafür aber mit einem neuen Album – quasi eines Soundtracks des Films – und neuen Songs. Ein Kompromiss, den alle akzeptierten aber die Wünsche von keinem wirklich ausdrückte. Die Zeiger der Uhr zurückdrehen. Wer kennt diesen Wunsch nicht, wenn eine Situation zunehmend verfahren ist? Etwas was uns auch heute im Wunsch nach reformistischer Politik in der politischen Arbeit immer wieder begegnet. Aber leider funktioniert es in der Politik so wenig wie damals bei den Beatles. Um dieses „Get back“ noch stärker zu betonen, kehrten sie schließlich auch zum Covermotiv ihres ersten Albums „Please, please me“ – dem EMI Stiegenhaus in London – zurück. Obwohl „Get back“ als Album nie erschienen ist, kennen die meisten von uns das Bild des Covers aber, weil es später für das „Blaue Album“ (einen Sampler der Hits von 1967-70) verwendet wurde.

Während also McCartney zurück wollte, waren die anderen recht glücklich mit ihrer Situation. Nach seiner depressiven „Fat Elvis-Period“, fand Lennon in Yoko Ono nicht nur eine neue Lebenspartnerin, sondern auch künstlerische, politische Inspiratorin. Kennengelernt hat er sie just durch McCartney, der Lennon aus seiner Lethargie mit in das pulsierende, künstlerisch kreative Leben Londons der Swinging 60ies reißen wollte. Nun ging Lennon immer mehr, wenn auch anfangs etwas verwirrt und flapsig tastend, in Richtung politisch motivierter Kunst- und Ausdrucksformen. Damit konnte aber McCartney immer weniger was anfangen. Stattdessen begann der seiner Neigung zum „Happy Sound“ mehr und mehr nachzugeben und seichtere Songs nicht mehr an andere Künstler*innen weiterzugeben, sondern in die Beatles einzubringen. Schließlich entdeckte McCartney nach dem „Abbey Road“ Album seine Liebe zum ländlichen, abgeschiedenen Leben in einer vermeintlichen kleinbürgerlichen Idylle auf einem Bauernhof in Schottland, während Lennon mit Yoko Ono an der linksradikalen Szene New Yorks andockte. Harrison entwickelte sich spätestens seit dem Weißen Album zum eigenständigen Songschreiber und ernstzunehmenden Musiker auch arbeite außerhalb der Beatles mit anderen Musiker*innen (Clapton, Dylan etc.) zusammen. So überraschte Harrison mit seinem erfolgreichen Album „All things must pass“ nach dem Ende der Beatles und bewies sein unter den Beatles unterdrücktes musikalisches Potential. Leider zeigte sich später bei ihm auch die ungünstige und anstrengende Auswirkung aus der Kombination von zu viel Rauschkraut mit fernöstlicher Mystik und Spiritualität. Selbst der immer „lustige“ Schlagzeuger Ringo Starr begann eigene Songs zu schreiben und zu interpretieren, wie seine ebenfalls 1970 erschienen Solo Alben bezeugten und widmete sich zunehmend der Schauspielerei.

Im Original Film „Let it be“ sahen wir wenig überraschend, einen “überambitionierten” McCartney und drei andere, teilweise eher lethargische bis genervte Beatles. Eigentlich drückt neben “Get back” nur “One after 909” das Konzept aus. Es war einer der ersten Songs von Lennon/McCartney überhaupt, der zwar schon für “Please, Please Me” aufgenommen wurde, es aber nicht aufs Album schaffte. Mit Lennon in der Mitte und seinen Kommentaren am Ende des Rooftop Konzerts, entsteht kurz der Eindruck, er wäre nach wie vor der Bandleader. In Wirklichkeit empfand er die Beatles schon als Klotz am Bein und schaffte sich mit der Plastic Ono Band im Juli 1969 ein neues musikalisches und vor allem politisches Betätigungsfeld. Auch Harrison und Ringo sahen wenig Perspektiven in den Beatles und spielten zeitweise in der Plastic Onon Band. Lennon hatte nur wenig Songs für die Beatles in die „Get Back Sessions“ einzubringen. Um das zu kaschieren, landeten schließlich mit „Across the universe“ und „Come together“ zwei Songs, die Lennon zugunsten seiner politischen Ansichten weitergegeben hatte, dann doch auf Beatles Alben. „Across the universe“ gab Lennon an den WWF, viel spannender aber ist „Come together“, das Lennon für die politische Kampagne Timothy Learys in Kalifornien gegen den Erzkonservativen Ronald Reagan geschrieben und “gegeben” hatte. Dabei nahm er Anlehnung am Namen der Kampagne „Come together, join the party“.

Harrison hatte zu Beginn der Sessions angekündigt kein eigenes Material mehr beisteuern zu wollen. „Get Back“ blieb von Beginn an das Projekt McCartneys, der sich als einziger neben Beatles und Apple keinem wirklichen Solo-Standbein zugewandt hatte. Nach dem Konzert am 30. Jänner wollte er sich kurz die Bänder anhören und dann in den kommenden Tagen weitere Songs aufnehmen. Es kam nicht mehr dazu.

Wer löste die Beatles auf?

Formal gilt der 10. April 1970 als offizielles Ende der Beatles. Da erschien in den Zeitungen ein Interview, indem Paul McCartney über die Veröffentlichung seines ersten Soloalbums offiziell seinen Ausstieg und damit das de facto Ende der Band erklärte. Gegeben hat er das Interview aber gut einen Tag vorher und daher müsste das Ende der Beatles genau genommen rückdatiert werden. In Wirklichkeit aber ist das vollkommen egal, weil die Band bereits aufgehört hatte als Band zu existieren. Ringo war bereits bei den Aufnahmen zum „Weißen Album“ ausgetreten. Am 10. Jänner 1969 verließ Harrison nach einem Streit mit Lennon die Beatles. Lennon wollte stattdessen mit Eric Clapton oder Jimi Hendrix einfach als Ersatz weitermachen. Im Film kommt diese Szene nicht vor, dafür eine kurze Auseinandersetzung von McCartney mit Harrison. Deswegen gilt McCartney bis heute bei vielen als Buhmann und Grund für den Austritt Harrisons. Nach “Abbey Road” hat dann Lennon den Beatles endgültig den Rücken gekehrt. Allerdings überredeten ihn die anderen dreien wegen anstehender Veröffentlichungen das noch nicht publik zu machen.

Der Regisseur Michael Lindsay-Hogg hatte aber mehr als 130 Stunden Filmmaterial aus den Aufnahmen und das Rooftop Konzert, das nun geschnitten wurde. Der Ton-Produzent Glyn Johns hatte ebenfalls viel Material und begann aus dem vorhandenen parallel zum Film ein Album zu erstellen. Es fehlte aber die gemeinsame Klammer und so passten Film und Album immer weniger zu einander. Im Film kamen Songs vor, für die es keine tauglichen Tonaufnahmen gab. Gleichzeitig waren mittlerweile starke Songs nun für das neue, bereits fertige Album „Abbey Road“ verwendet worden. Da die Beatles aber mit Universal Pictures noch einen Vertrag für einen Film und Soundtrack zu erfüllen hatten, wollte das Beatles Management „Get back“ nicht vollständig beerdigen. Unter der Ägide von Allen Klein wurde der kommerziellste Weg gewählt. Der Harrison Song „I me mine“ kam im Film vor, es gab aber keine taugliche Aufnahme. Also kehrten die drei verblieben Beatles im Jänner 1970 – ein Jahr nach „Get back“ – bereits ohne John Lennon in die Studios zurück, um die Lücke zwischen Film und Album füllen zu können.

An der Tatsache des Endes der Band hat sich keiner der anderen dreien groß gestoßen. Was ihnen gegen den Strich ging war, dass McCartney das für die Werbung seines Soloalbums nutzte und gegen die Abmachungen, gegenseitig auf die Veröffentlichungen der anderen Rücksicht zu nehmen, verstieß. In dieser Phase sah das Beatles/Apple Management noch eine Chance mit den Bändern der „Get Back“ Sessions, die so zu „Let it be“ wurden, Geld zu verdienen. Allen Klein fand den Soundtrack Entwurf von Glyn Johns jetzt nicht mehr passend und engagierte mit Unterstützung von Lennon und Harrison Phil Spector. Ein Produzent, der für seine us-amerikanischen „Bubble-Gum“, leicht ins bombastisch abgleitende Mainstream Musik bekannt war. Herausgekommen ist dabei – rechtzeitig zum Ende der Beatles – das Album „Let it be“. Neben Sgt. Peppers ist es das mit Sicherheit letztlich am aufwendigsten produzierte Album der Beatles. Aus dem ursprünglich rohen, Live-Sound von „Get back“ wurde schließlich das überproduzierte und überladene „Let it be“. Passend, ein Abgesang mit Streichern wie beim letzten Track „The Long and winding road“.

Und hier schließt sich der Kreis wieder. Genauso wie damals Phil Spector aus den vorhandenen Bändern noch ein kommerziell verwertbares Album schnitt, schnitt Peter Jackson in den letzten Monaten eine neue, dem schön gefärbten Bild der Beatles entsprechende und kommerziell vermarktbare Fassung vom Film „Let it be“. Dabei ist es wenig überraschend, dass ein anderes, weniger depressives und streitbares Bild der Band 50 Jahre nach ihrem Ende präsentiert wird. Damit können die Überlebenden und Erben viel besser Leben und ziemlich sicher mehr Geld scheffeln.

Perspektiven für Corona und danach

Stellungnahme des SLP Bundesvorstands vom 6.5.2020

Die aktuelle Corona-Krise ist eine Krise, die alle Lebensbereiche erfasst. Sie zeigt die Schwäche des aktuellen, kapitalistischen Systems auf. Sie hat so dramatische Auswirkungen, weil sie nach Jahrzehnten der neoliberalen Kürzungspolitik mit Ausbluten des öffentlichen Gesundheitswesens kommt. Und sie ist Auslöser der schon länger schwelenden Weltwirtschaftskrise.

Zum aktuellen Zeitpunkt ist unklar, wie lange und in welcher Intensität uns Corona noch begleiten wird. Die wahrscheinlichste Perspektive ist aber, dass es noch für mindestens ein Jahr (eher mehr) Einschränkungen durch Corona-Maßnahmen verschiedenster Art und wechselnder Intensität geben wird. Es ist nicht die erste Pandemie, aber ihre Ausbreitung wird begünstigt durch die Globalisierung der Wirtschaft, inklusive der globalen Bewegung von Arbeitskräften sowie der intensiven internationalen Reisetätigkeit. Weil es sich um ein neues Virus handelt – und weil eine in der profitorientierten Konkurrenzwirtschaft gefesselte Forschung und Pharmaindustrie forscht – wird es Monate, eventuell sogar Jahre dauern, bis Impfstoff bzw. wirksame Medikamente gefunden sind. Ein dauerhafter Lockdown ist aus wirtschaftlichen aber auch aus menschlichen Gründen kaum möglich, aber es ist davon auszugehen, dass wir uns noch länger im Spannungsfeld „Öffnung der Wirtschaft um den Preis von Beschränkung des Privaten“ bewegen müssen. Eine solche Lockerung, z.B. durch die Öffnung des Handels aber auch von Schulen, spiegelt die Notwendigkeiten der Konkurrenzwirtschaft wider und kann zu einer gefährlichen zweiten Welle an Infektionen führen. Beginnt ein Staat mit Lockerungen, müssen andere folgen, um im globalen Wettbewerb nicht noch stärker ausgebremst zu werden. Durch die verstärkte menschliche Interaktion ohne ausreichend Schutz, kann es aber zu einer zweiten Infektionswelle kommen.

Corona manifestiert grundsätzliche Probleme der kapitalistischen Wirtschaftsweise. So sind viele gefährliche Virus-Ausbrüche der Vergangenheit eng mit der industriellen, auf Massentierhaltung basierten Fleischproduktion verknüpft, auch Corona ist von Tieren auf den Menschen übergetreten (wenn auch in diesem Fall nicht durch Masttiere, sondern Wildtiere). Lieferketten sind durch den Lockdown unterbrochen worden. Der kapitalistische Markt hat in Europa seine Unzulänglichkeit bewiesen und war lange nicht in der Lage ausreichend eigene Masken zu produzieren. Die Klimakrise wurde durch Corona in den Hintergrund gedrängt, eskaliert aber weiter. In Österreich wird es aufgrund massiver Dürre zum dritten Jahr in Folge mit großen Ernteeinbußen kommen. Auch international gibt es eine Zunahme von Waldbränden (unter anderem in der Nähe von Chernobyl!), aber auch in Österreich ist die Waldbrandgefahr massiv gestiegen. Wir stehen am Beginn einer sich aufschaukelnden gegenseitigen Verzahnung verschiedener Krisenphänomene bestehend aus Umwelt-, Klima- und Wirtschaftsaspekten bis hin zu Hungerkatastrophen. Eine Rückkehr zur sogenannten (kapitalistischen) Normalität ist nicht möglich, abgesehen davon, dass diese „Normalität“ in großen Teilen der Welt ohnehin nie existiert hat. Entsprechende Behauptungen durch Vertreter*innen des Establishments müssen von Sozialist*innen als rückwärtsgewandt und falsch zurückgewiesen werden. Was die Vertreter*innen des Kapitals aber wollen, ist im Zuge der Klimabewegung verlorenes Terrain wieder zurück zu gewinnen und lange gehegte Begehrlichkeiten gegen die Rechte von Arbeiter*innen bezüglich Arbeitszeit, Löhnen und Sozialem endlich in die Tat umzusetzen. Die so genannte „neue Normalität“ ist in Wirklichkeit ein Versuch, diese Krisen im Interesse der Herrschenden auf dem Rücken arbeitender Menschen zu verwalten.

Die herrschende Klasse ist seit Beginn der Pandemie in einer Zwickmühle: Wie auch immer die bürgerliche Politik auf die Pandemie reagiert, es geht auch auf Kosten der Wirtschaft. Reagiert sie aber nicht oder zu wenig, bricht das Gesundheitssystem zusammen und damit eine Säule politischer Stabilität, worunter auch wieder die Wirtschaft leider würde. Angesichts der Wirtschaftskrise und der ohnehin schon von politischer Instabilität geprägten Periode vor Corona würde ein Versagen der bürgerlichen Regierungen und ein massenhaftes Sterben die kommenden Kämpfe zusätzlich radikalisieren und weiter Richtung “Systemfrage” drängen. Es geht der herrschenden Klasse und ihren Regierungen nicht um den Schutz von Menschenleben, das zeigt sie täglich z.B. mit ihrer Flüchtlingspolitik. Hinter der Strategie die Kurve „abzuflachen“, steckt die Strategie, die Folgen der Pandemie über einen längeren Zeitraum auszudehnen um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern – und damit das herrschende System vor einer Destabilisierung zu schützen. Es geht um das kleinere Übel im Spannungsfeld zwischen kurzfristigen Profitinteressen und längerfristigen Erwägungen. Die herrschende Klasse ist sich hier alles andere als einig. Je länger die Corona-Maßnahmen anhalten, desto stärker wird aber von hier das Drängen danach, alle Einschränkungen zurück zu nehmen, selbst wenn es zu früh ist. 

Doch es ist absolut nicht ausgeschlossen, dass auch in Österreich eine solche Überlastung mit Mangel an Beatmungsgeräten, mit hohen Infektions- und Todesraten bei medizinischem Personal und mit wachsenden Letalitätsraten traurige Realität wird. Wir können es nur immer wieder betonen: Viele Covid 19 Tote könnten vermieden werden - sie sterben in Folge der über Jahrzehnte aufgebaute Mängel im Gesundheitssystem.

Corona als Auslöser und Beschleuniger der Wirtschaftskrise

Die Weltwirtschaft schlingert seit längerem am Rand einer Krise entlang. Nun ist klar, dass Corona der Auslöser für das Eintreten der Krise ist - diese aber in Tempo und Tiefe auch mit beeinflusst. Der Einbruch der Wirtschaft geht mit atemberaubender Geschwindigkeit vor sich. Er ist schneller und stärker als in der Krise von 2007/8 und sogar stärker als während der Großen Depression in den 1930er Jahren. Binnen weniger Tage und Wochen explodieren die Arbeitslosenzahlen, in Österreich und international. Die Auswirkungen werden in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft dramatisch sein: Firmenschließungen und ein daraus folgender weiterer Konzentrationsprozess, dramatisch steigende Schulden von Privaten, Firmen und Staaten, steigende innerimperialistische Spannungen und dramatische soziale Folgen. Dauer und genauer Verlauf der Krise können nicht vorhergesagt werden, doch Hoffnungen, dass mit Ende des Lockdowns eine Rückkehr zur “Normalität”, also zu einer Situation wie vorher, möglich wäre ist mehr als unwahrscheinlich. 

Die Grundlage der Krise ist nicht Corona, sondern die kapitalistischen Widersprüche die sich schon vor Corona bedrohlich aufgetürmt hatten. Überproduktion bzw. Überakkumulation waren ebenso präsent wie Blasen, Spekulation und sinkende Profitabilität. Natürlich wird es mit Ende eines Lockdowns einen gewissen Nachholeffekt, insbesondere im Handel geben, doch werden die Effekte in keinem Vergleich zum “Nachkriegsaufschwung” stehen. Die Basis des Aufschwungs der 1950er und 60er Jahre, der im kollektiven Gedächtnis fälschlicherweise als kapitalistischer “Normalzustand” gespeichert ist, obwohl es sich um eine einzigartige Sonderperiode gehandelt hat, waren die enormen Zerstörungen des 2. Weltkrieges. Doch Corona hat keine vergleichbaren Zerstörungen mit sich gebracht, ein ähnlicher “Wiederaufbau-Effekt” kann also ausgeschlossen werden. Viel mehr wird das neue “Normal” ein brutalerer Kapitalismus sein, der große Teile der sozialen Errungenschaften der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endgültig zu Grabe trägt. https://www.slp.at/artikel/die-corona-wirtschaftskrise-hat-begonnen-10007 

Die ILO (International Labour Organisation) geht davon aus, dass weltweit 1 Milliarde Menschen in Folge von Corona von Arbeitslosigkeit bzw. Lohneinbußen betroffen sein werden. In Österreich hat die Arbeitslosigkeit binnen kürzester Zeit den höchsten Wert der 2. Republik erreicht – und es ist kein Ende in Sicht. Ein Teil dieser Arbeitslosigkeit wird – allerdings bestenfalls vorübergehend – durch die Kurzarbeitsmaßnahmen der Regierung abgefangen werden. Ein Teil wird im Zuge einer Wiedereröffnung der Wirtschaft wieder eine Anstellung finden. Aber weil Corona zu den tieferliegenden Widersprüchen des Kapitalismus hinzu kommt, wird die Wirtschaftskrise nach dem Lockdown nicht einfach vorbei sein. Viele der „neuen“ Arbeitslosen werden ohne Job bleiben. Wie in jeder Krise kommt es auch in dieser zu einem massiven Konzentrationsprozess: Kleinunternehmen sind zusätzlich durch den Lockdown besonders betroffen und gehen ein, große Konzerne und Ketten dominieren zunehmend die Wirtschaft. Ja, es gibt auch Nischen, aber der generelle Trend der Kapitalkonzentration ist Bestandteil jeder, und daher auch dieser, Krise. Zu den Krisengewinnern wird voraussichtlich der Tech-Sektor gehören. Hier hat ein regelrechter Wettlauf unter den großen Konzernen um den Zugang zu den gigantischen, durch die Coronakrise entstehenden, Datensätzen begonnen. Der IT-Sektor wird derzeit gestärkt, ebenso dessen Verwebung mit Geheimdiensten und anderen Teilen des Staatsapparats.

Die europäische und gerade auch die österreichische Wirtschaft wird – v.a. auch wegen der starken Exportorientierung (knapp 40% des BIP kommen aus dem Bereich „Warenexporte“ [1]) und der großen Bedeutung des Tourismussektors (rund 15% des BIP [2]) – besonders stark vom Rückgang des Welthandels und den Reisebeschränkungen betroffen sein.

Die Maßnahmen des Kapitals – in Österreich und international – zeigt dreierlei auf:

  • die verzweifelten Versuche, die Effekte der Wirtschaftskrise abzufedern

  • den Rückzug auf nationale Interessen

  • die Flexibilität der Herrschenden „wenn es nötig“ erscheint

Auch die schwarz-grüne Regierung nimmt viel Geld in die Hand, um den Betrieben „unter die Arme zu greifen“. Doch diese Maßnahmen helfen v.a. größeren Unternehmen (was bereits kritisiert wird) und werden in Folge den Konzentrationsprozess verstärken. Maßnahmen, die die sozialen Effekte abfedern sollen, wurzeln im Wunsch nach Stabilität und auch dem Versuch, die Inlandsnachfrage zu stützen. Doch der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf der direkten Unterstützung von Firmen. Die Argumentation, so würden auch Arbeitsplätze erhalten, stimmt nur sehr bedingt (https://www.slp.at/artikel/mogelpackung-kurzarbeit-9988). 

Der Kapitalismus ist ein internationales System, doch das Kapital hat jeweils (mit ganz wenigen Ausnahmen) eine nationale Heimat. Die Regierungen sind in letzter Konsequenz der verlängerte Arm „ihrer“ jeweiligen Unternehmen. In Krisenzeit erfolgt notwendigerweise ein Rückzug auf die „Homebase“. Die „eigene“ Regierung kümmert sich um „ihre „Unternehmen, stützt (mit Subventionen) und schützt (durch Marktbeschränkungen) diese. Internationale Organisationen und Zusammenschlüsse (wie die EU) treten im Verhältnis zu den nationalen Interessen in den Hintergrund. Die EU ist durch die aktuelle Krise massiv geschwächt, die Abkommen von Lissabon, Maastricht und Schengen weitgehend ausgesetzt. Das sehen wir auch aktuell. Schon vor Corona hat der Nationalismus zugenommen, und zwar auch geschürt durch Regierungen, nicht zuletzt auch die Kurz-Regierung. Die jüngsten Handelsbarrieren in Europa bei Masken etc. zeigen, dass in der Wirtschaftskrise jeder Regierung das „Hemd“ des eigenen nationalen Kapitals näher ist als die „Hose“ der EU. Das zeigt insbesondere angesichts einer Pandemie (also einer weltweiten Epidemie) und einer Weltwirtschaftskrise besonders die schädlichen Beschränkungen des Kapitalismus. Die EU war seit ihrer Gründung ein Projekt mit Ablaufdatum, da die nationalen Widersprüche des Kapitals auf Dauer nicht überwunden werden können - Corona und die Wirtschaftskrise werden hier voraussichtlich zu entscheidenden Veränderungen führen. Der Trend zu verstärktem nationalstaatlichem Handeln seitens der Regierungen wird ebenso Widersprüche und Konflikte, vor allem mit multinationalen Konzernen herbeiführen. Es wird zunehmend Konflikte zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen geben, welche sich auf die Politik innerhalb und zwischen den Nationalstaaten und Machtblöcken auswirken werden. Diese Tendenz wird durch die eskalierende Klimakrise zusätzlich verstärkt.

Binnen weniger Tage und Wochen sehen wir einen dramatischen Wechsel der Wirtschaftspolitik. In manchen Ländern kommt es zu Not- und Zwangsverstaatlichungen, Milliarden werden locker gemacht, der Staat greift massiv ein. Schon vor Corona haben wir einen Trend zu „mehr staatlicher Intervention“ gesehen – das hat sich dramatisch beschleunigt. Die Elemente von Deglobalisierung und stärkerer staatlicher Intervention bedeuten ein Ende des Neoliberalismus, wie wir ihn in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Doch bedeutet das keineswegs ein Ende von Kürzungs- und Austeritätspolitik. „Keynesianische“ Wirtschaftspolitik, mit staatlichen Investitionen in z.B. Infrastruktur und eine offensive Geld- bzw. Fiskalpolitik ist keineswegs „linker“ oder „besser“ für Arbeiter*innen. 

Der Mythos, das Keynesianismus die linke Alternative zu Monetarismus bzw. Neoliberalismus wäre wird v.a. aus der Sozialdemokratie und den mit ihr verbundenen Gewerkschaften am Leben gehalten. Doch die diversen mit dem Schlagwort “Keynesianismus” oder auch “Neo”- bzw. “Post”-Keynesianismus verbundenen Wirtschaftstheorien, bleiben fest im Kapitalismus verankert. Sie wirken alle im Wesentlichen entlang der Argumentationslinie “geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Beschäftigten gut”. ALLEN Wirtschaftskonzepten gemein ist, dass sie vergeblich versuchen, die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zu überwinden - und daran Scheitern, da sie an den kapitalistischen Grundwidersprüchen nichts ändern. 

Dass die Trennlinien nicht zwischen “links” und “rechts” laufen sondern zwischen den Interessen der verschiedenen nationalstaatlichen Kapitalfraktionen, zeigt sich z.B. in der Person von Blümel. Der bisher auf  ein Nulldefizit fixierte Blümel sagt nun „Das Budget 2020 wird keines sein, wo ich von einem ausgeglichenen Haushalt spreche“ [3]. Er argumentiert also für ein “Mehr” an Staat. Gleichzeitig spricht er sich gegen Eurobonds aus und dieser Widerstand wird als “neoliberal” gedeutet wird. Doch beides spiegelt nur die Aufgabe jeder Regierung wider, sich für die Interessen und Notwendigkeiten ihres jeweiligen nationalstaatlichen Kapitals einzusetzen. Hier wird durch die eintretende Wirtschaftskrise ein regelrechter Wettbewerb zwischen den Regierungen losgetreten, wer zuerst die Lockdown-Maßnahmen zurückfährt um im folgenden Aufholrennen eine Pole-Position zu ergattern. Dieses aus kapitalistischer Sicht nötige Streben nach Wettbewerbsvorteilen drückt sich in den Maßnahmenpaketen (Freiheit für die Wirtschaft, Beschränkungen für das Individuum) ebenso aus wie im Riskieren einer bzw. mehrerer weiterer Infektionswellen durch Corona. 

Dabei sehen wir allerdings auch zunehmend bonapartistische Tendenzen in der Politik. Das bedeutet, dass die Regierung in ihrem Ziel das kapitalistische System zu stützen und zu retten, auch zu Maßnahmen greifen muss, die für Teile des Kapitals schmerzlich sind, auch um auf den Druck aus der Arbeiter*innenklasse nach Sicherheit zu reagieren und damit die Lage zu stabilisieren. So hat z.B. die Regierung Kurz zu Beginn der Coronakrise gegen Teile der österreichischen Kapitalist*innen agiert, als sie den Lockdown verkündet hat. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich der kapitalistische Charakter der Regierung aber in all ihren Maßnahmen: der Schutz von Jobs und die Sicherheit der Beschäftigten bleibt der Freiwilligkeit der Unternehmen überlassen, während die Einschränkungen für die Bevölkerung (also in großen Teilen die Arbeiter*innenklasse) bis hin zur Beschränkung demokratischer Grundrechte mit der vollen Härte des Staates (Rekordstrafen für Corona-Vergehen für Einzelpersonen) durchgesetzt wird. https://www.slp.at/artikel/manche-sind-gleicher%E2%80%A6-9993 Die sogenannte “Opposition” ist nicht besser aus Sicht der Arbeiter*innenklasse. Vor allem die SPÖ agiert populistisch, indem sie die Rechte der Stadtbevölkerung (mangelnder Zugang zu Parks etc) instrumentalisiert hat, um in Wirklichkeit wirtschaftsliberale Forderungen nach dem „Hochfahren“ der Wirtschaft durchzusetzen. Für Sozialist*innen und für die Arbeiter*innenklasse ist die SPÖ auch in der aktuellen Krise keine Bündnispartnerin. 

Die Stimmung kann kippen

Bewusstsein entwickelt sich nicht linear und nicht in allen Bevölkerungsschichten gleich. Der Lockdown, eventuelle weitere Corona-Wellen aber v.a. die Wirtschaftskrise werden hier zu Radikalisierungen aber auch zu Rückschlägen führen. Gerade einmal 10% fanden die Situation (Stand Anfang Jänner!) als nicht belastend an , gegenüber 88% die sie als belastend empfanden. Aktuell ist die Zustimmung für die Regierung und ihre Maßnahmen hoch. Doch es ist eine trügerische Stabilität. Perspektivisch haben die Maßnahmen der Regierung (die persönliche und politische Rechte stark einschränken, während der Wirtschaft de facto volle Freiheit gewährt wird) verstärkt das Potential, zu Unmut zu führen. Hinzu kommen noch die Folgen der Wirtschaftskrise, die v.a. auf den Rücken der Arbeiter*innenklasse abgeladen werden sollen - auch das wird zu Unmut führen. Das Tempo dieser Entwicklung, eine Radikalisierung aber auch wieder Zustimmung zu Regierungsmaßnahmen und die unterschiedliche Entwicklung in unterschiedlichen Schichten: all das muss genau beobachtet und analysiert werden. Es gibt keinen direkten historischen Vergleich, der hier herangezogen werden kann, aber eine Lehre der Geschichte ist, dass sich Bewusstsein in Sprüngen entwickelt und dass es hier zu dramatischen Veränderungen kommen kann: Regime die heute noch fest im Sattel sitzen und Massenunterstützung haben, können morgen bereits durch Proteste hinweggefegt werden. Das haben wir bei diversen Kriegen erlebt, aber auch im “Arabischen Frühling” und unzähligen anderen Beispielen. 

Konkret hängt viel auch von der Entwicklung der Pandemie und dem Verlauf der Wirtschaftskrise ab, aber auch von der (Un)Wirksamkeit von Maßnahmen oder etwaigen Skandalen. Klar ist: es wird zunehmend deutlich, dass mit “zweierlei Maß” gemessen wird, dass nicht alle gleich betroffen sind. Bis jetzt konnte eine sichtbare Überlastung des Gesundheitswesens vermieden werden, doch muss auch auf die “Message Control” der Regierung und die Mitarbeit der Medien hingewiesen werden. Die vielen Beispiele für eine existierende Überlastung (fehlende Sicherheitsvorkehrungen im Gesundheitswesen, hohe Infizierung des Gesundheitspersonals, Bagatellisierung von Symptomen etc.), sowie die häufige Willkür der Behörden (absurde Corona-Strafen durch die Polizei) werden eher in den sozialen Netzwerken, als über die traditionellen Medien verbreitet und stehen daher stets im Verdacht von Fake-News. Die Regierung, und hier v.a. die ÖVP, versucht ihr Image als “Macher mit Demut” (Ja, ich mache Fehler aber bemühe mich sehr) durch laufend neue Maßnahmen aufrecht zu erhalten, was sich in aktuell hohen Umfragewerten niederschlägt. Der Unmut drückt sich weniger gegenüber den Gesamtmaßnahmen aus, als bei einzelnen Fragen, wie z.B. rund um die Fragen von Schulschließung/Öffnung, gratis Masken etc. Mit einem Vertiefen der Wirtschaftskrise und/oder wenn es zu einer weiteren Infektionswelle nach den Lockerungen des Lockdowns kommt, kann die Stabilität der Regierung ins Wanken geraten. Was noch akzeptiert wird, aber zunehmend als unfair angesehen wird, kann dann Sprengkraft bekommen. Wer es sich leisten kann, kann sich teuer in privaten Instituten testen lassen, während die Mehrheit der Bevölkerung wegen dem Fehlen von Massentests eingesperrt wird. Als die Rewe-Gruppe - trotz anderslautender Ankündigung durch die Regierung - Masken verkaufte, führte das zu einem regelrechten Shitstorm, auch die Glaubwürdigkeit von Kurz erlitt einen Kratzer. 37% spüren bereits “finanzielle Engpässe”, ein Wert, der zunehmen wird. Betroffen sind besonders Jüngere von denen bereits über die Hälfte Auswirkungen spüren. Im Gesundheitswesen fehlt es an allem: an Personal, an Masken, an Schutz, an Beatmungsgeräten. Die Beschäftigten in diesem Bereich weisen seit langem darauf hin. Doch selbst jetzt werden Milliarden in die Erhaltung der Wirtschaft gesteckt, während die Pfleger*innen sich mit einem „Lob“ zufrieden geben müssen. Allgemein findet - neben der verständlichen Angst und Verunsicherung - eine Politisierung statt. Der Ruf nach Schutz, der gerade auch aus der Arbeiter*innenklasse kommt (bis hin zum “Abstimmen mit den Füssen” = Krankenstände bzw. sogar dem Erkämpfen von Schutzmaßnahmen, wenn auch auf niedrigem Level), ist Ausdruck dafür. Gerade unter Beschäftigten des Sozial- und Pflegebereiches, sowie im Einzelhandel sehen wir ein steigendes Selbstbewusstsein bzw. eine wachsende Unzufriedenheit mit den (lange existierenden) Unzulänglichkeiten. Das nehmen auch die Herrschenden war, die versuchen, hier mit kleinen “Anerkennungsprämien” zu reagieren - und teilweise scharfen Gegenwind erleben, wenn deutlich wird, wie gering diese sind. 

Diese Entwicklung ist eine Chance aber v.a. auch eine Verantwortung für Gewerkschafter*innen, für Linke und Sozialist*innen. Sich einem “nationalen Schulterschluss” anzuschließen ist hier grundlegend falsch, weil dabei die Interessen der Arbeiter*innenklasse jenen des Kapitals aktuell und dauerhaft untergeordnet werden. Aktuell sehen wir eine gewisse Radikalisierung des ÖGB. ÖGB-Vorsitzender Katzian hat in mehreren Interviews die Forderungen nach einem “Corona-Tausender”, nach Arbeitszeitverkürzung und nach Vermögensteuer erhoben. Auch wenn wir gleichzeitig sehen, dass gerade die ÖGB-Führung sich besonders “staatstragend” gibt, so sind das doch auch Forderungen, die in die richtige Richtung deuten und wohl auch in breiten Schichten der Arbeiter*innenklasse auf Unterstützung stoßen. Hier gilt es anzusetzen und auch aufzuzeigen, WIE das und mehr erreicht werden kann. Denn die Aufgabe ist es aktuell, Ängste ernst zu nehmen, konkrete Vorschläge zu machen, wie Corona- und Wirtschaftskrise zu lösen sind und Proteste zu initiieren bzw. zu unterstützen. Gerade jetzt kann die Frage einer Gesellschaftsveränderung und der Überwindung des Kapitalismus nicht auf “nachher” verschoben werden, da genau das die einzige wirkliche Lösung darstellt. Das Fehlen einer Arbeiter*innenpartei ist - wieder einmal - schmerzlich zu bemerken. Auch wenn die FPÖ und andere rechte Kräfte aktuell kaum eine Rolle spielen, kann das rechte Lager von der kommenden Entwicklung profitieren, wenn es keine linke Alternative gibt. Der Zusammenhang der Corona-Krise mit Globalisierung, Migration, mangelnder heimischer Produktion usw. kann (auch unterstützt von der Regierungspropaganda) nationalistische Stimmung und eine “Wir zuerst!”-Mentalität stärken. Die massiven Auswirkungen der Krise auf das Kleinbürgertum werden diese Tendenzen nochmals bestärken. Eine solche Entwicklung ist aber - und auch das haben wir 2007/8 gesehen - erst ein zweiter Schritt. Zu Anfang entwickelt sich Bewusstsein eher nach links, ist offen für antikapitalistische und sozialistische Ideen und erst mit der Schwäche und den Fehlern der Linken öffnet sich ein größeres Fenster für die Rechte. Die Verantwortung für sozialistische Kräfte kann daher gar nicht überschätzt werden!

Als Sozialist*innen haben wir schon in der Vergangenheit, u.a. auch in der Klimabewegung, auf die Notwendigkeit von internationalem Agieren hingewiesen, auf die gefährlichen Beschränkungen durch kapitalistische Konkurrenz (z.B. durch Patente) und auf die Notwendigkeit von demokratischer Planung der Wirtschaft. Die aktuelle Krise beweist einmal mehr, dass all diese Vorschläge keine Hirngespinste sind, sondern absolut Notwendig. Auch kapitalistische Firmen stellen die Produktion um, aber nur, wo es für sie profitabel ist, und das viel zu spät – mehr aber ist nötig und möglich. Bastler*innen und Arbeiter*innen in verschiedenen Unternehmen suchen und finden rasche und billige Lösungen für Schutzausrüstungen und DIY Beatmungsgeräte. Es sind Arbeiter*innen auf der ganzen Welt, die durch ihren Druck und auch Kampfmaßnahmen, Regierungen und Unternehmen dazu zwingen „dicht zu machen“, um die Beschäftigten zu schützen. Menschen verhalten sich zum überwiegenden Teil extrem rücksichtsvoll, versuchen andere zu schützen und ihnen sogar zu helfen. Das enorme Potential, die Solidarität und Kreativität der Arbeiter*innenklasse, wird überall sichtbar – und steht im krassen Gegensatz zum Egoismus des Kapitals. Dieser Egoismus wurzelt nicht darin, dass Kapitalist*innen „schlechtere Menschen“ wären, sondern in den Mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise, die im Widerspruch zu Solidarität und Menschlichkeit steht.

Die aktuelle Krise zeigt auch, welche Jobs wichtig sind. Nicht die Manager*innen, die Vorstände etc. sind „systemrelevant“ sondern die Kolleg*innen in Pflege, Handel und Infrastruktur - also in Bereichen der sogenannten “Reproduktion. Es gibt breite Unterstützung für Bereiche, in denen überdurchschnittlich viele Frauen und schlecht bezahlte Beschäftigte arbeiten. Die Coronakrise streicht deshalb auch die zentrale Relevanz der Reproduktionsarbeit für das Fortbestehen einer funktionierenden Gesellschaft heraus. Auch zeigt sich hier sehr deutlich die spezifische Ausbeutung von Frauen* in der Reproduktion. Dieser Aspekt muss durch sozialistisch-feministische Kampagnen betont werden. Dies wird auch erleichtert, weil gerade in diesen Bereichen Solidarität und Selbstbewusstsein entsteht. Die Corona-Krise verstärkt einen Trend, den wir schon davor beobachten konnten, dass Sektoren wie der Sozial- und Gesundheitsbereich, Bildung, der öffentliche Dienst, Logistik, usw. zunehmend der Brennpunkt für Klassenkämpfe und auch für Entwicklungen in den Gewerkschaften werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass aufgrund von Corona billige Arbeitskräfte v.a. im Pflegebereich und in der Landwirtschaft fehlen. Österreich übt derzeit massiven Druck aus, um diese Arbeitskräfte nach Österreich zu bekommen. Es handelt sich meist um Arbeitskräfte aus Osteuropa, im speziellen aus Rumänien, die sogar gegen den Widerstand der rumänischen Regierung ausgeflogen werden. Man sieht daran, wie diese Gesundheitssysteme zugunsten „des Westens“ ausgeblutet werden. Gleichzeitig sind gerade diese ausländischen Arbeitskräfte regelmäßig rassistischer Hetze ausgesetzt. Auch hier liegt eine enorme Verantwortung bei der Gewerkschaftsbewegung. 

Schon vor der Corona-Krise gärt es seit Jahren im Sozial- und Gesundheitswesen. Der Streik im Rahmen der SWÖ-Verhandlungen wurde durch Corona abgeblasen, die Gewerkschaftsführung hat hier einen miesen Deal hinter dem Rücken und auf dem Rücken der Beschäftigten abgeschlossen. Bei vielen Beschäftigten im Sozialbereich hatte das wohl, verstärkt durch die Bedingungen der “Isolation”, durch Homeoffice und in der Freizeit, zumindest vorübergehend einen frustrierenden Effekt. Bei einer Minderheit überwiegt aber die Wut auf die Gewerkschaftsbürokratie. Diese zu organisieren und sie im Kampf für einen ausfinanzierten Sozial- und Gesundheitsbereich vor dem Hintergrund der massiven Wirtschaftskrise zu unterstützen, ist derzeit von zentraler Bedeutung. Ob es gelingt, das gesteigerte Selbstbewusstsein und die weit verbreitete Stimmung von “nach Corona holen wir uns, was uns zusteht” in konkrete Kämpfe umzuwandeln, wird auch zentral davon abhängen, ob es kämpferischen Aktivist*innen und Initiativen gelingt, die Stimmung in eine aktive Bewegung zu kanalisieren. Der internationale Tag der Pflege (12. Mai) ist eine Möglichkeit das - auch mit Rückenwind durch Proteste in anderen Ländern - zu tun.   https://www.slp.at/artikel/sozialwirtschafts-sw%C3%B6-abschluss-2020-ein-verrat-mit-folgen-9990

Der Lockdown ist vor Allem zu Beginn auf breite Unterstützung gestoßen, die in Teilen auch weiterhin anhalten wird. Doch ist der Lockdown ein Zustand, der nicht lange aufrecht zu erhalten ist. Insbesondere in den Städten und in ärmeren Familien mit kleinen Wohnungen, ohne Balkon oder Garten steigt die Spannung. Zunehmende Gewalt gegen Frauen und Kinder, steigende Burnout- und Scheidungsraten etc. sind hier nur die Spitze des Eisberges. Manche Maßnahmen wie die lange Schließung der Bundesgärten in Wien und die überbordenden Strafen gegen Spaziergänger*innen und Bankerlsitzer*innen machen wütend. Sieht man doch, dass gleichzeitig in vielen Betrieben weiter produziert wird und Sicherheit hier keine Rolle spielt. Als Sozialist*innen fordern wir den Schutz der Beschäftigten: die Kolleg*innen selbst müssen entscheiden, was und wie produziert wird, welche Sicherheitsvorkehrungen möglich sind und welche Betriebe gegebenenfalls ganz heruntergefahren werden müssen – all das darf nicht den Chefs überlassen werden! Als Sozialist*innen fordern wir auch größtmögliche Freiheiten für die Bevölkerung: durch ein Maßnahmenpaket mit u.a. Massentestungen und frei verfügbaren Desinfektionsmitteln, mit der Öffnung aller Grün- und Freiflächen in Verbindung mit umfassender Information, mit u.a. Kleinstgruppen in Kindergärten und Schulen und vielem mehr und v.a. auf der Grundlage demokratischer Strukturen die die nötigen Schutzmaßnahmen diskutieren und festlegen, kann der Lockdown beendet werden, ohne die Bevölkerung zu gefährden.

Gleichzeitig ist zu beobachten, wie in den vergangenen Wochen in den bürgerlichen Medien ein Stimmungswechsel propagandistisch vorbereitet wurde. Wurden zu Beginn der Krise noch „Coronaparties“ skandalisiert wird nun verstärkt das „Denunziantentum“ in den Vordergrund gestellt. Es werden auch verstärkt Untertöne im öffentlichen Diskurs bemerkbar, durch welche eine Stimmung erzeugt werden soll, die geeignet erscheint verwundbare Bevölkerungsgruppen (Alte, Kranke, etc) für die „individuelle Freiheit“ zu opfern. Dies soll helfen „die Wirtschaft“ wieder hochzufahren. Außerdem wird ernsthaft diskutiert diese Personengruppen aus dem öffentlichen Leben auszuschließen, damit junge und gesunde Menschen wieder konsumieren und arbeiten können. Es gibt wachsende Ängste unter verwundbaren Bevölkerungsgruppen, welche es gilt ernst zu nehmen. Hier grenzen sich Sozialist*innen klar vom kleinbürgerlichen (Neo-)Liberalismus ab. Individuelle Freiheit darf nicht gegen die Gesundheit anderer Menschen ausgespielt werden. Wir verteidigen individuelle Freiheit, aber nicht die Freiheit des individuellen Ellenbogens gegen andere. Schon jetzt haben auch in Österreich verschiedene rechtsextreme und neofaschistische Strukturen dieses Aktionsfeld für sich entdeckt. 

Die aktuelle Krise zeigt die Beschränktheit, die Gefährlichkeit und die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems auf, der Menschheit ein Leben in Würde und Sicherheit zu gewährleisten. Und das, obwohl die materiellen Voraussetzungen dafür längst vorhanden sind. Die aktuelle Stabilität der Herrschenden ist typisch für den Beginn von Krisen und erinnert an die Massenunterstützung zu Beginn des 1. Weltkrieges - und selbst die war in großen Teilen inszeniert. Doch nur wenige Jahre danach wurde die Welt von einer revolutionären Welle überzogen, die den Kapitalismus in seinen Grundfesten erschütterte und in Russland unter der Führung der revolutionären Bolschewiki auch hinweg fegte. In vielen Staaten sind die Herrschenden uneinig darüber, wie sie (re-)agieren sollen: Konflikte zwischen Zentral- und Regionalregierungen (wie z.B. in den USA, China und Russland) bzw. zwischen verschiedenen Parteien deuten auf die Zerrissenheit der herrschenden Klasse hin – auch das sind Symptome einer revolutionären Situation. Nein, wir stehen noch nicht am Beginn einer Revolution, aber die Weltwirtschaftskrise, die Corona-Krise und die Klimakrise haben das Potential, eine solche auszulösen. Schon im Zuge der 2007/8er Krise kam es zu Massenprotesten - die jetzige Krise wird nicht nur tiefer sein, sondern baut auf den Erfahrungen von 2007/8 auf - den Erfahrungen damit, dass die Regierungen Banken und Konzerne, aber nicht Jobs gerettet haben, auf den Erfahrungen mit den eigenen Kämpfen, ihren Schwächen und Stärken und auf den Erfahrungen mit “neuen linken Formationen” und ihrer reformistischen Beschränktheit. 

Trotz dieser Fortschritte im Bewusstsein gilt weiterhin, dass die Arbeiter*innenklasse in diese Krise weltweit großteils ohne die nötige Organisation geht und weiterhin ein sehr verwirrtes, und vor allem in Österreich zurückgeworfenes, Bewusstsein dominant ist. Doch Bewusstsein kann sich rasch und in Sprüngen entwickeln. Die Aufgabe von Sozialist*innen ist es, dabei zu helfen diese Organisierung aufzuholen und ein antikapitalistisches Bewusstsein zu entwickeln. Der Aufbau von kämpferischen Organisationen der Arbeiter*innenklasse, sowie der Aufbau einer revolutionären Partei sind dabei zentral: für die kommenden Kämpfe aber auch, um letztlich eine revolutionäre Entwicklung zu einem erfolgreichen Sturz des kapitalistischen Systems zu bringen. Um der Menschheit eine Zukunft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krisen zu ermöglichen, müssen wir die Erfahrungen der Vergangenheit bündeln, die Kräfte zusammenführen und brauchen Programm und Strategie um den Kampf bis zum nötigen Ende und auf internationaler Ebene zu führen. Es gibt eine Zukunft, für die es wert ist zu kämpfen – werde Teil dieses Kampfes. Werde Teil der SLP, werde Teil der Internationalen Sozialistischen Alternative!


 

[1] http://wko.at/statistik/eu/europa-exportquoten.pdf

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/295575/umfrage/beitrag-de...

[3] https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2020/maerz/massnahmen-coron...

Der Virus heißt Kapitalismus

Dieses System schützt die Profite der Reichen statt die Gesundheit der Menschen.

Corona ist keine Naturkatastrophe. Es reiht sich ein in eine Kette von Epidemien der letzten Jahrzehnte: Von SARS über die Vogelgrippe und die Schweinegrippe bis zum jetzigen SARS-CoV-2. Profitorientierte Ausbeutung der Natur, Massentierhaltung und kapitalistische Agrarindustrie begünstigen die Entstehung und Übertragung immer neuer Viren, mit immer schlimmeren Folgen.

Seit fast 20 Jahren weiß man um diese Gefahren. Doch die Regierungen dieser Welt taten nichts, um sie abzuwehren. Die Forschungen nach einem Impfstoff gegen SARS wurden eingestellt, sobald die erste Version des Virus verschwand. Die Konzerne und Regierungen sahen darin nur unnötige Kosten.

In der gleichen Zeit zerschlug man lieber weltweit Sozial- und Gesundheitssysteme. Auch in Österreich wurden Spitäler geschlossen, Betten gekürzt und lebenswichtige Dienstleistungen privatisiert. Alle etablierten Parteien haben diese Politik mitgetragen.

Die notwendigen Schritte angesichts der Krise liegen auf der Hand.

Erstens: koordinierte internationale Zusammenarbeit in der Forschung nach Impfstoffen und in der Produktion von Schutzausrüstung. Stattdessen forschen einzelne Unternehmen privat, parallel und in Konkurrenz zueinander und Staaten blockieren Lieferungen lebensnotwendiger Güter.

Zweitens: Sofortige Milliardeninvestitionen, um Gesundheit und Soziales auszufinanzieren, inklusive massiver Lohnerhöhungen für die Beschäftigten in diesen Bereichen. Nichts davon passiert. Stattdessen machen die Konzerne weiter Profite, auch durch die staatlich subventionierte Kurzarbeit. Der reichste Mann der Welt, Amazon-Chef Jeff Bezos, wurde seit Ausbruch der Krise um 22 Milliarden Euro reicher. In Österreich besitzt das reichste 1% ca. 460 Milliarden Euro. Kein Cent davon wird benutzt, um die Krise zu bekämpfen.

All das wäre sofort machbar. Der einzige Grund dafür, warum es nicht passiert, ist die Profitlogik dieses Systems. Statt des kapitalistischen Chaos brauchen wir dringend demokratische Planung der Wirtschaft: die Beschäftigten und Expert*innen im Gesundheits- und Sozialsystem wissen, was zu tun ist. Nicht etablierte Politiker*innen oder Pharmabonzen. Die Beschäftigten in der Industrie wissen, was wirklich produziert werden muss und wie man die Produktion umstellen kann. Nicht die Chefetagen von Großkonzernen.

Nicht die Forderung, den Kapitalismus zu stürzen, ist utopisch – sondern der Glaube, dass es ohne grundlegende Veränderung weitergehen kann. Seien wir also realistisch: Organisieren wir uns, ob über das Internet, in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz. Bauen wir eine Bewegung auf, um die Reichen und ihre Politik zu stürzen. Sozialistische Demokratie ist kein Wunschtraum. Sie ist unsere einzige Chance.

https://www.slp.at/sites/default/files/zeitung/SN_Corona_02-1.pdf

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Corona und Klimakrise - wir brauchen einen Systemwandel

SLP-Klimateam

Die neue globale Klimabewegung rund um Gruppen wie Fridays for Future gibt es nun seit über einem Jahr. In dieser Zeit entwickelte sie unglaubliche Dynamik und wurde zur größten Jugendbewegung seit den späten 1960ern. Das Thema Klimakrise war plötzlich überall, gerade in Wahlkampfzeiten hat es den öffentlichen und medialen Diskurs häufig dominiert. Diese Entwicklung steht in starkem Kontrast zu den konkret umgesetzten, beschlossenen und geplanten Klimaschutzmaßnahmen, denn in diesem Bereich hat sich quasi nichts getan. Im Gegenteil, die weltweiten CO2-Emissionen sind auch 2019 weiter gestiegen,  Forscher*innen erwarten einen Anstieg um 0.6% im Vergleich zum Jahr 2018 [1]. 

Woran das liegen kann, warum die Klimaschutzmaßnahmen im Regierungsprogramm den Namen nicht wert sind und was effektive Strategien für die Klimabewegung für die kommenden Monate, unter anderem auch in Angesicht der Corona- und Wirtschaftskrise, sein können, werden wir in diesem Text diskutieren. 

Entwicklung der Klimabewegung

Die Klimabewegung hat letztes Jahr in wenigen Monaten eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Waren es Anfang 2019 noch ein paar Dutzend Schüler*innen und Studierende, die jeden Freitag am Held*innen-Platz für Klimagerechtigkeit streikten, gab es am 15. März bereits die erste Großdemonstration, die auch Teil des ersten (von vier) internationalen Aktionstages war. Am 27. September, dem Earth Day, demonstrierten dann über 80.000 Menschen gemeinsam in Wien; in ganz Österreich waren es über 150.000 [2]. In der ganzen Klima-Aktionswoche, 20.-27. September, fanden die vermutlich größten Klima-Demonstrationen in der Weltgeschichte statt. In der Woche gingen laut der Zeitschrift Guardian mehr als 6 Millionen Menschen auf die Straße [3]. 

Von diesen Entwicklungen konnten die Grünen um Werner Kogler massiv profitieren, denn das Thema Klimakrise dominierte auch die Nationalratswahlen. Am Sonntagabend  nach dem Wahlende verkündete Kogler einen „Sunday for Future” und behauptete später, die Grünen seien „das Gesicht, der verlängerter Arm, das Spielbein dieser Bewegungen im Parlament“ [4]. 

Anders als von vielen erhofft, brachte das aber keinen effektiven Klimaschutz, sondern die Fortsetzung des rassistischen Neoliberalismus von Schwarz-Blau, nun aber im moralisch-kuscheligen grünen Deckmäntelchen. Genauso wie Kogler sein Versprechen brach, nicht mit der ÖVP zu koalieren [5], ist der Widerstand der Grünen gegen klimaschädliche Großprojekte wie den Ausbau der 3. Piste, den Lobau-Tunnel oder die Waldviertel-Autobahn verschwunden. 

Kritik am Umfallen der Grünen kam von Fridays for Future jedoch wenig bis gar nicht. Trotz lokaler Unterschiede hat Fridays for Future in Österreich zunehmend mehr NGO-Charakter bekommen. Die Strategie, die notwendigen Veränderungen durch Lobby-Druck auf die Herrschenden in Politik und Wirtschaft zu erreichen - wie es NGOs und Petitionen tun - hat keinen Erfolg gebracht und wird es auch in Zukunft nicht. Das Gefühl, von der Politik ernst genommen und “gehört zu werden”, eine Stimme zu haben und mit Vertreter*innen der Parteien direkt zu diskutieren, kann sehr mächtig sein. Die Veränderungsangebote, die sie machen, weisen aber den Weg in Richtung einer ökologischen Modernisierung des Kapitalismus, einem “grünen” nur weiter so. Die Gefahr dabei ist nicht nur, dass die notwendigen Veränderungen ausbleiben, sondern vor allem, dass die Klimabewegung de-radikalisiert wird - dass die berechtigte Wut kanalisiert und “ungefährlich” gemacht wird, indem sie in das bestehende System eingebaut wird. 

Schwarz-Grüne Mogelpackung

Verkehr

Selbst die abgefeierte Maßnahme von 2 Mrd. € Einmalinvestitionen in die Öffis ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. So wären alleine für den Bahnverkehr jährlich 1 Mrd. € nötig, um eine echte Trendwende zu schaffen [6]. Von U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen ist da noch gar nicht die Rede. Massive Investitionen in den Schienenverkehr sind insbesondere für den Transit- und Güterverkehr bitter nötig, denn aktuell werden nur 31% [7] der Güter in Österreich per Bahn transportiert, was Mensch und Natur extrem belastet. Zusätzlich zu den Investitionen, braucht es eine geplanten Rückbau des LKW-Transports, welcher zusammen mit den  Beschäftigten passieren muss, damit sichergestellt werden kann, dass ihre Interessen gewahrt bleiben. Die durch die Regierung vorgesehene Privatisierung des Schienenverkehrs untergräbt jedoch das Ziel einer flächendeckenden und guten Öffi-Versorgung - wissen wir doch aus Beispielen wie Britannien längst, dass verstärkte Profitorientierung in diesem Sektor zur Stilllegung unrentabler Nebenstrecken und massiven Sicherheitsproblemen im Zugverkehr führt. Weder ist die langjährige grüne Forderung nach einem fixen Enddatum für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennermotoren festgeschrieben worden, noch ein generelles Neuzulassungsverbot für SUVs. Das geplante 1-2-3-Öffi-Ticket, falls es denn wirklich kommt, bedeutet für viele Pendler*innen sogar Mehrkosten [8]. Wir fordern, stattdessen flächendeckenden öffentlichen Verkehr zum Nulltarif. Internationale Beispiele wie etwa Luxemburg [9] haben gezeigt, dass selbst im Kapitalismus Schritte in diese Richtung möglich sind. 

Flugverkehr

Auch im Luftfahrtbereich sieht es nicht besser aus. Statt unwirksamer Flugticketabgaben braucht es ein flächendeckendes und leistbares System von Nachtzügen in Kombination mit einer geplanten Reduktion des Flugverkehrs. Mobilität, egal in welcher Form, darf keine Frage der finanziellen Möglichkeiten sein. Massensteuern und -belastungen sind also kein geeignetes Mittel für Klimaschutz, weil sie spalten statt mobilisieren. 

Die geplante Verstärkung von Kompensationsmaßnahmen von Emissionen ist nicht nur ineffektiv, sondern auch neokolonial. Emissionen lassen sich durch Geldzahlungen nicht ungeschehen machen. Kompensationsprojekte in Entwicklungsländern führen jedoch oft dazu, dass Menschen für Aufforstungsprojekte von ihren Ländereien vertrieben werden. Statt Ablenkung durch ineffektive Marktmechanismen braucht es einen radikalen Rückbau dieser Industrie, denn “grünes Fliegen” gibt es nicht. 

Landwirtschaft

Bei der Landwirtschaft zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch hier soll mit nebulösen Anreizen und Appellen gearbeitet werden. Stattdessen braucht es eine grundsätzliche Abkehr von der jetzigen kapitalistischen Landwirtschaft: in der grundsätzlichen Ausrichtung muss ein Fokus auf Herstellung pflanzlicher Lebensmittel statt auf Tierhaltung gelegt werden, da diese viel weniger Ressourcen und Flächen benötigt und dadurch das Klima schont. Die Landwirtschaft muss so umgebaut werden, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ökologisch nachhaltig ist (damit ist kein Bio-Siegel gemeint). Wir brauchen eine Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, die die Bedürfnisse der Konsument*innen nach leistbaren und gesunden Lebensmitteln und einer intakten Umwelt an erste Stelle setzt. Um das zu ermöglichen, bedarf es einer Abkehr von Profitlogik und dem daraus resultierenden endlosen Wachstum sowie dem Export von Lebensmitteln und Futtermitteln um die halbe Welt. 

Industrie 

Obwohl die meisten Emissionen trotz Handel mit Emissionszertifikate aus der Industrie kommen [12], hat die Regierung kein Konzept zur ökologischen Umgestaltung der Produktions- und Wirtschaftsweise. Die OMV, einer der größten Emissionsverursacher Österreichs, wird im Regierungsprogramm noch nicht einmal erwähnt, obwohl der Staat mit 31,5% der Aktienanteile noch immer Hauptanteilseigner ist. Ebensowenig gibt es Überlegungen zum sozialverträglichen Umbau bis hin zum Rückbau der Automobilbranche oder anderer emissionsintensiver Branchen, die die Interessen der Beschäftigten einbeziehen. Stattdessen wird auf Optimierung und Effizienzsteigerung gesetzt und das Märchen vom “grünen” Kapitalismus befeuert. Dass kapitalistischer Wettbewerb per se nicht nachhaltig ist, da hier nicht ökologische und soziale Nachhaltigkeit, sondern die möglichst billige Produktion und Generierung maximaler Profite im Zentrum stehen, wird unter den Teppich gekehrt. Dabei wird gerade in der Corona-Krise einmal mehr deutlich, wie katastrophal die Folgen sind, wenn wichtige Güter wie Medikamente oder Masken nicht vor Ort, sondern in Billiglohnländern produziert werden. 

Und wer zahlts? 

Eines ist im schwarz-grünen Regierungsprogramm jedenfalls mehr als deutlich: Statt eines großen Wurfs sind lediglich kleine Maßnahmen angedacht, Wirtschaftsinteressen werden nicht einmal angekratzt, so zum Beispiel beim Ökostromausbau. Bis 2030 soll durch Verdreifachung der Windkraft und Verzehnfachung der Photovoltaik 100% grüner Strom erreicht werden. Bezahlen sollen das hauptsächlich die privaten Haushalte mit der Stromrechnung, und das obwohl die Industrie den Löwenanteil des Stroms verbraucht. Wir sollen also deren Rechnung bezahlen [13, 14].

Selbst Ziele wie die Erhöhung der Quote an wärmegedämmten Gebäuden oder die Umrüstung von Heizungssystemen in Gebäuden sollen nicht durch eine finanzielle Mitbeteiligung der Immobilienwirtschaft, sondern rein aus unseren Steuergeldern bezahlt werden. 

Das Regierungsprogramm ist eine Fortsetzung der Verteilung von unten nach oben. Ein Beispiel, die Senkung der Körperschaftssteuer von 25% auf 21% kostet den Staat jährlich 1,5 Mrd. Euro [15]. Dieses Geld, genau wie andere Steuergeschenke an Konzerne, wird entweder durch Sozialabbau oder höhere Steuern für Arbeiter*innen wieder reingeholt; wahrscheinlich wird es eine Mischung aus beidem. 

Und auch wenn das Nulldefizit wegen Corona mittlerweile gekippt wurde, ist jetzt bereits offensichtlich, dass die Gelder weder für ernsthaften Klimaschutz noch für die bitter notwendige Ausfinanzierung des Sozial- und Gesundheitsbereichs eingesetzt werden. Dabei ist gerade dieser Bereich eine klimafreundliche Zukunftsbranche, die menschliche Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Wer die extra Corona-Milliarden im Endeffekt bezahlen wird ist auch nicht zu schwer zu erraten. Ein Tipp. ganz bestimmt nicht die Konzerne...

Angesichts der Corona-Krise wird der Klimaschutz nun unter den Teppich gekehrt. So spielen ökologische Kriterien beim 38 Mrd. Euro Rettungspaket für die Wirtschaft keine Rolle. Stattdessen wird nun angedacht, die AUA mit unseren Steuergeldern zu retten - und das, obwohl in diesem Bereich keine zukunftssicheren Jobs geschaffen werden können. Statt private Profite in fossilen Sektoren durch Steuergelder zu finanzieren sollte die AUA verstaatlicht und unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten sozial-ökologisch umgebaut werden. 

Wie kämpfen wir effektiv? 

Vor uns liegt möglicherweise die größte Wirtschaftskrise seit den 1920er Jahren. Die Einbrüche an den Börsen, die Wirtschaftsprognosen der großen Volkswirtschaften, die private Verschuldung, die angesichts der Rettungspakete noch einmal explodierte Staatsverschuldung und vieles, vieles mehr deuten darauf hin. Wir wissen nicht zuletzt noch von 2008: wo Staaten sparen, geht es sozialen Errungenschaften, Bildung, Gesundheitswesen etc. an den Kragen. Ob die mickrigen Klima-Investitionen aus dem schwarz-grünen Regierungsprogramm also überhaupt  kommen werden, ist mehr als fraglich. Bei den Maßnahmen in Milliardenhöhe zur Rettung der Wirtschaft ist von Klima jedenfalls schon keine Rede mehr. Vor uns liegen eine Reihe von Kämpfen gegen Kürzungen, gegen Massenentlassungen, gegen Repression gegen Arbeitslose… Das ist eine riesige Herausforderung für die Klimabewegung: Wird sie nicht zur Verbündeten dieser Proteste, wird sie gegen diese ausgespielt werden. Frei nach dem Motto  „Streitet Euch um das Geld” werden Klima auf der einen Seite und Gesundheit, Soziales und Bildung auf der anderen in Konkurrenz gezwungen. 

Es ist daher Aufgabe der Klimabewegung aktiver Teil dieser Verteilungskämpfe zu werden. In Frankreich zum Beispiel beteiligten sich Teile der Klimabewegung beim Generalstreik gegen die Rentenreform im Dezember 2019 und machten E-Scooter funktionsunfähig, da diese aufgrund der Lahmlegung des öffentlichen Verkehrs sonst die Funktion von „Streikbrechern” gehabt hätten  [16]. Soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit können wir nur gemeinsam erkämpfen, deswegen müssen wir das Thema in die Betriebe bekommen, denn wenn wir durch Streiks die Produktion stilllegen, werden wir wirkliche Verbesserungen gewinnen können. Amazon-Mitarbeiter*innen in den USA haben erste wichtige Schritte in diese Richtung gemacht. Eine Gruppe von Mitarbeiter*innen hat sich unter dem Namen „Amazon Employees for Climate Justice“ zusammengeschlossen. Über 1000 Kolleg*innen verließen vergangenen September ihren Arbeitsplatz, um sich am weltweiten Klimastreik zu beteiligen [17]. Als Kollektiv waren sie stark genug und trauten sich den unzureichenden Klimaschutz des Konzern anzuprangern, obwohl sie mit einer Entlassung bedroht wurden, falls sie sich ein weiteres Mal gegen Amazon aussprechen sollten [18]. In Österreich gibt es die Gruppe Workers for Future (Allianz von Fridays for Future), in der wir aktiv mitarbeiten. Workshops in Betrieben und die aktive Zusammenarbeit mit selbstorganisierten Basisgruppen im Pflege- und Sozialbereich sind erste Schritte auf dem Weg zu einem Klimageneralstreik. 

Der Kollaps der Wirtschaft, mit ausgelöst aber nicht verursacht durch die Corona-Krise, wird für Milliarden Menschen weltweit erneut das Versagen des kapitalistischen Systems deutlich machen. Schon jetzt sehen wir, wer den Preis dafür zahlen muss. Denn während Amazon durch die Schließung der Geschäfte von der Corona-Krise profitiert [19], und Mitarbeiter*innen trotz der Corona-Krise dazu drängt, weiterzuarbeiten, kündigt der Konzern einen Mitarbeiter, der einen Streik gegen die unzureichenden Corona-Schutzmaßnahmen organisiert hat [20].

Das kapitalistische System versagt dabei, den Menschen ein gutes Auskommen und eine ökonomisch sorgenfreie Zukunft zu schaffen. Und es versagt dabei, nachhaltig zu produzieren. Zeigen wir die Klima- und Menschenfeindlichkeit des Kapitalismus auf. Es braucht jetzt ein umfassendes Programm gegen Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, Bildungskürzungen und für flächendeckende und kostenlose Öffis, Lohnerhöhungen und massive Investitionen in Klimamaßnahmen wie Gebäudeisolierung und und und… Die Schlüsselfrage hier, bei der alles zusammenkommt, ist, wer das alles bezahlt. Wir lehnen Massensteuern ab und sagen „Holen wir uns das Geld bei den Reichen!” in Form von Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, Trockenlegung des Stiftungswesens und Kampf gegen legale und illegale Formen der Steuerhinterziehung. Bei fast 230.000 Millionär*innen [21] in Österreich brauchen wir uns keine Sorgen machen, ob wir die notwendigen Maßnahmen finanzieren können. Sorgen müssen wir uns darüber machen, ob wir die Reichen und ihre Parteien davon abhalten können, unsere Welt zu zerstören. Demokratie darf sich nicht auf Parlamente beschränken, sie gehört in die Betriebe und Nachbarschaften, von wo aus wir gemeinsam planen können, was und wie wir produzieren wollen. Klar ist: Es bleibt bei Klima versus Kapitalismus. Die Antwort auf die Macht der Konzerne, die unseren Planeten zerstören, muss eine sozialistisch-demokratische Planwirtschaft sein. Wie und was wir produzieren müssen wir gemeinsam entscheiden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Interessen von Mensch und Natur vor denen einer reichen Minderheit stehen. 

 

Quellen:

[1] Global Carbon Project 2019: 1811

[2] https://twitter.com/GreenpeaceAT/status/1177590765222092800

[3] Taylor, Matthew/ Watts, Jonathan/ Barlett, John. 2019. Climate crisis: 6 million people

join latest wave of global protests. The Guardian. 27.09.2019.: 

https://www.theguardian.com/environment/2019/sep/27/climate-crisis-6-mil...

n-latest-wave-of-worldwide-protests

[4] Kleine Zeitung. 2019. Grüne wollen sondieren: Kogler: “Es muss sich niemand

fürchten”. Kleine Zeitung. 02.10.2019:

 

 

https://www.kleinezeitung.at/politik/wahl/5699477/Gruene-wollen-sondiere...

muss-sich-niemand-fuerchten

[5] Heute. 2019. Kogler: “0 Prozent Chance auf Koalition mit ÖVP”. Heute. 11.07.2019: 

https://www.heute.at/s/kogler-0-prozent-chance-auf-koalition-mit-vp--566...

[6] Stelczenmayr, Sabine/ Hofmann, Robert/ Högelsberger, Heinz. 2019. Mit Bahn und

Öffis gegen die Klimakrise. 18.10.2019: 

https://awblog.at/mit-bahn-und-oeffis-gegen-die-klimakrise/

 

[7] Schienengüterverkehr in Österreich. WKO. 07.08.2019 

https://www.wko.at/branchen/transport-verkehr/schienenbahnen/Schienengue....

html

 

 

[8] ORF. 2020. 1-2-3-Ticket kann Pendeln teurer machen. ORF. 8. Jänner 2020: 

https://wien.orf.at/stories/3029149/ 

[9] ORF. 2019. “Öffis” in Luxemburg werden gratis. 22. ORF. Jänner 2019: 

https://orf.at/stories/3108557/ 

[10] Der Standard. 2020. Doppelt so viele Nichtflieger wie Vielflieger in Österreich. Der

Standard. 07.02.2020:

https://www.derstandard.at/story/2000114274266/in-oesterreich-doppelt-so...

ger-wie-vielflieger

[11] Plank, Leonard/ Ngoc Doan, Thi Bich. 2019. Power Burden. Verbrauch und 

Kostenverteilung im österreichischen Stromsektor (AK-Kurzstudie). Wien. AK Wien: S. 

21:  

https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/wirtschaft/energiepol...

den_2019.pdf; sowie Herzelem, Dorothea/ Thoman, Josef. 2018. Neue Energiepolitik – 

zwischen Chance und Gefahr, A&W blog. 29.03.2018: 

https://awblog.at/neue-energiepolitik/

[12] Attac. Türkis-Grün: Zu viel für Reiche, zu wenig fürs Klima: 

https://www.attac.at/kampagnen/tuerkis-gruen-zu-viel-fuer-reiche-zu-weni...?

utm_source=Newsletter%20Mailerlite&utm_medium=email&utm_campaign=tuerkis_gru

en_zu_viel_fuer_reiche_und_konzerne_zu_wenig_fuers_klima_attac_info_2_2020&utm

_term=2020-01-18

[13] Anderl, Michael [et al.]. 2019. Klimaschutzbericht 2019. Wien. Umweltbundesamt: S. 58: 

https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0702.pdf

[14] John, Gerald/ Anders, Theo. 2020. Regierungsprogramm - Türkis-grüne Steuerpolitik: 

Entlastung für Kleinverdiener, aber auch für Reiche. 04.01.2020. 

https://www.derstandard.de/story/2000112907674/tuerkis-gruene-steuerpoli...

g-fuer-kleinverdiener-aber-auch-fuer-reiche 

[15] ZDF. 2019. Generalstreik in Frankreich - Über 800.000 gegen Macrons Rentenreform

auf den Straßen: 5.12.2019:

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/hunderttausende-protestieren-bei-ge...

rankreich-100.html

[16] BBC. 2020. Amazon 'threatens to fire' climate change activists. 3.1.2020: 

https://www.bbc.com/news/business-50953719 

[17] Rosane, Olivia. 2020. Amazon Threatens to Fire Employees Who Speak out on

Climate Crisis. In: EcoWatch. 3.1.2020:

https://www.ecowatch.com/amazon-employees-climate-justice-threatened-264....

html?rebelltitem=3#rebelltitem3

[18] Weimer, Wolfram. 2020. Person der Woche: jeff Bezos. Der weltgrößte

Corona-Profiteur. n-tv. 24.03.2020:

https://www.n-tv.de/politik/Der-weltgroesste-Corona-Profiteur-article216...

d=IwAR380MSqwWEhMp2LTEjLVjjz4QR_lsLfHXywd-5e6OMo_QYFeOnFLZtluSw

[19] Bünte, Oliver. 2020. “Unmoralisch und unmenschlich”: Amazon kündigt

Streik-Organisator. heise online. 01.04.2020:

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Unmoralisch-und-unmenschlich-Ama...

digt-Streik-Organisator-4694388.html

[20] Der Standard. 229.000 MIllionäre in Österreich. Der Standard. 18.10.2018:

https://www.derstandard.at/story/2000089627229/229-000-millionaere-in-oe...

 

 

Die Ursprünge von COVID-19 und die kapitalistische Nahrungsmittelproduktion

Keishia Taylor, Socialist Party – Irische Schwesterorganisation der SLP in der International Socialist Alternative

Trotz gewaltiger Fortschritte in Medizin, Immunologie, Virologie und Thechnologie verursacht der neue Stamm des Coronavirus (SARS-CoV-2, der die COVID-19-Krankheit verursacht) auf der ganzen Welt menschliches Leid. Dieser neuartige Influenza-Virus stammt von Fledermäusen ab. Aber wie verursachte ein in Fledermäusen entstandener Virus aus dem ländlichen China eine tödliche Pandemie – uns was hat der Kapitalismus damit zu tun?

Zuerst erschienen am 22. März, auf Englisch unter https://socialistparty.ie/2020/03/roots-covid-19-capitalist-food-product...

Der COVID-19-Ausbruch wurde ursprünglich auf Schuppentiere auf einem Wildtiermarkt in Wuhan zurückverfolgt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich das Virus seit Oktober oder November unbemerkt in der lokalen Bevölkerung ausbreitete, bevor es im Dezember als neuer Virusausbruch erkannt wurde. SARS-CoV-2 ist ein zoonotisches Virus. Das heißt, es wurde von einer anderen Spezies an Menschen übertragen. Entweder direkt von Fledermäusen oder durch einen Zwischenwirt wie Tiere, die zu den Wildtiermärkten gebracht wurden. Zibetkatzen, die auf Wildtiermärkte in Guangdong gebracht wurden, verbreiteten auch das SARS Virus von 2002. Wildtiermärkte stellen immer noch eine Gefahr dar.

Wildtiermärkte und Lebendtierhandel

Asiatischen Wildtiermärkte handeln eine Reihe von lebenden gezüchteten- und Wildtieren. Sie werden in engen, vollgepackten und übereinander gestapelten Käfigen gehalten. Oft werden sie an Ort und Stelle geschlachtet, bei unzureichenden Kühlmöglichkeiten und schlechten Abflüssen. Die Tiere stehen durch die Bedingungen, unter denen sie gehalten werden unter Stress. Dadurch sind ihre Immunsysteme geschwächt. Das Zusammenkommen einer einzigartigen Kombination von Spezies und Pathogenen (Krankheitserregern) auf den Märkten bedeutet, dass sich mutierende Viren einfach von einer Spezies zur anderen verbreiten können.

Die Tiere auf diesen Märkten kommen zunehmend von industrialisierten Betrieben, aber auch von kleinen Bauernhöfen und Wildfängen, vor allem seit den rechtlichen Reformen der 1980er. Diese sollten großangelegte industrielle Züchtung und Handel von Wildtieren fördern. Diese lukrative Industrie im Wert von 76 Milliarden Euros wird durch die Staatsmacht unterstützt. Gerechtfertigt wird sie mit den Jobs, die sie in verarmten Gegenden schafft (14 Millionen in ganz China).

Wilde Spezies wie Schuppentiere, Schlangen und Zibetkatzen werden nicht von normalen Arbeiter*innen konsumiert, sondern nur von den Wohlhabenden – als Luxusgüter, Kräftigungsmittel und Statussymbole. Es gab einen Schwall von Beiträgen mit dem Hashtag #RejectGameMeet („Jagdwild-Fleisch ablehnen“) auf der Social-Media-Plattform Weibo. Sie richteten sich gegen den Wildtierhandel und auch gegen den Auberglauben an angebliche medizinische Wirkungen von Tierprodukten. Der COVID-19-Ausbruch und öffentlicher Druck haben zu mehr Auflagen rund um den Wildtierhandel geführt. Aber, wie beim vorübergehenden Verbot nach der SARS-Epidemie von 2002, sind diese Beschränkungen begrenzt. Und sie könnten von kurzer Dauer sein.

Globale Nahrungsmittelproduktion und Zerstörung von Lebensraum

Die großen Wildtier-Zuchthöfe werden tendenziell in den Randgebieten der menschlichen Gesellschaft angelegt und dringen in Wälder und Wildnis ein. Das Aufkomme neuer Krankheitserreger neigt dazu, dort zu passieren, wo Menschen – in Form von Großkonzernen und kapitalistischen Regierungen – die Landschaft drastisch verändern: Durch Zerstörung von Wäldern, Intensivierung der Landwirtschaft, Bergbau, Straßen- und Siedlungsbau. Das geschieht in erster Linie durch die Agrarindustrie. Beispielsweise bringt die weltweite Zerstörung von Regenwald durch die Nahrungsmittelindustrie neue Arbeiter*innen in diese Lebensräume und verdrängt kleine Bäuer*innen tiefer in die Wälder. (Die Rindfleisch-Industrie ist für 65% der Zerstörungen von Regenwald verantwortlich.)

Diese Form menschlicher Aktivität beschädigt Ökosysteme und zerstört die Biodiversität (Artenvielfalt). So verlieren Viren ihre Wirte und suchen neue. Fledermäuseund Ratten sind besonders anpassungsfähig, überleben Veränderungen in Ökosystemen und werden zu Reservoirs für alte und neue Viren. Die Virologin Zheng-Li Shi identifizierte dutzende SARS-ähnliche Viren in Höhlen in Yunnan (China). Diese Viren könnten Menschen infizieren. Menschliche Invasionen unberührter Wälder bringen wilde Spezies und die Krankheitserreger, die sie tragen, in Kontakt mit Nutztieren, Landarbeiter*innen und anderen Menschen.

Der neue Coronavirus ist die sechste große Epidemie in den letzten 26 Jahren, die ihren Ursprung in Fledermäusen hat. Sie wurden durch eine Reihe von domestizierten, gejagten oder Nutztieren übertragen, wie Pferde (australischer Hendra-Virus von 1994), Kamele (Middle East Respiratory Syndrome, 2012), für Bushmeat gejagte Schimpansen (Ebola, 2014), Schweine (malaysischer Nipah-Virus, 1998) und Zibetkatzen (SARS auf chinesischen Wildtiermärkten, 2002). Diese Fälle hätten als Warnung für rasches Handeln dienen sollen.

Nahrungsmittel für Profite

Stattdessen sind Agrarkonzerne bereit, massive Waldrodungen, die den Planeten zerstören, durchzuführen, Arbeiter*innen mit Hungerlöhnen auszubeuten, sie Giftstoffen und Krankheiten auszusetzen und Viren den Weg zur Verbreitung in der menschlichen Bevölkerung zu bereiten. All das im Namen der Profite. Im kapitalistischen System wird diesen Agrarkonzernen gestattet, die Kosten (finanziell und anderweitig) auszulagern – an Ökosysteme Tiere, Konsument*innen, Landarbeiter*innen und Regierungen. Und sie wären nicht überlebensfähig, müssten sie die Rechnung selbst bezahlen. Die fünf Billionen Dollar schwere Agrarindustrie ist in einer „strategischen Allianz mit Influenza“, argumentiert der Evolutionsbiologe Rob Wallace. Denn sie verwendet ihren enormen Reichtum und ihre Macht, um diese gefährlichen und unethischen Praktiken, die zum Aufkommen von Krankheiten führen, fortzusetzen.

Der Drang nach Profiten in der DNA des Kapitalismus bedeutet einen Zwang, Märkte zu erobern oder neue zu erfinden, permanent in unberührte Gebiete zu expandieren und alle Ressourcen in Waren und  Umsatz zu verwandeln. Das führt zur Ausbeutung und Zerstörung von Menschen, Ökosystemen und Land in neokolonialen Ländern, in erster Linie durch das große Kapital der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder – und damit zu massiver globaler Ungleichheit. Hunderte Millionen von verarmten Menschen in Afrika und Asien ohne Zugang zu Kühlsystemen sind von traditionellen Märkten abhängig.

Was ist nötig, und wie?

Wenn wir zukünftige Pandemien verhindern wollen, brauchen wir eine drastische Reorganisierung der Nahrungsmittelproduktion. Wir müssen natürliche Lebensräume schützen und Renaturierung in Angriff nehmen, um zu ermöglichen, dass gefährliche Krankheitserreger in der Wildnis bleiben. Und wir müssen gefährliche und unhygienische Nahrungsmittelproduktion und -verbreitung beenden. Massentierhaltung sollte beseitigt werden. Das würde auch dabei helfen, Klimawandel und Antibiotikaresistenz zu bekämpfen und die Chancen neuer viraler Epidemien deutlich senken. Wir brauchen eine gerechte Umstellung zu sicherer Nahrungsmittelproduktion und gerechte Verteilung über die Weltbevölkerung, einschließlich sicherer, guter Jobs. Wir müsse die ekelhafte und barbarische Behandlung von Tieren in der Nahrungsmittelproduktion beenden.

Solange der globale Kapitalismus am Ruder ist, werden Industrien und Regierungen keine Schritte setzen, die ihre Profite reduzieren. Und sie werden mit Sicherheit nicht die grundlegenden Veränderungen umsetzen, die nötig sind, um zu verhindern, dass die Nahrungsmittelindustrie weitere tödliche Pandemien entfesselt. Agrarindustrien müssen unter demokratisches, gesellschaftliches Eigentum gebracht werden, unter der Kontrolle von arbeitenden Menschen. So können sie umgewandelt und genutzt werden, um den Interessen von Bäuer*innen, Konsument*innen, Arbeiter*innen und der Umwelt zu dienen, mit lokaler und globaler Zusammenarbeit.

Die Produktion von Nahrungsmitteln kann in den falschen Händen verheerende globale Konsequenzen haben und darf nicht der Anarchie des freien Marktes überlassen werden. Etwas derart grundlegendes muss demokratisch geplant sein, um die Bedürfnisse der Mehrheit zu befriedigen. Dieses Ziel ist völlig angemessen, aber kann unter der Herrschaft des Profits nicht erreicht werden, sondern nur in einer sozialistischen Gesellschaft, die von den und für die Massen geführt wird.

 

 

Hat Südkorea die Lösung?

Was man in der Covid19-Krise vom Beispiel Südkorea wirklich lernen kann
Franz Neuhold

 

Drive-Through-Station für Corona-Virentestungen

Busan Metropolitan City / KOGL Type 1

(http://www.kogl.or.kr/open/info/license_info/by.do)

Ein Blick auf Südkoreas Reaktion auf die erste Welle der Covid-Krise führt zu einer verheerenden Einschätzung aller anderen „globalen Eliten“ und der Rolle kapitalistischer Regierungen generell.

Was kann man über das globale Krisenmanagement im Allgemeinen sagen?

„Verschieben der Torpfosten“ nennt man eine Taktik, wie man wachsendem politischen Druck angesichts begangener Fehler auszuweichen versucht. Sebastian Kurz tat angesichts wachsender Kritik und dem Druck von vielen Seiten am 26. März genau das, als er angesichts der bisherigen PR-Linie überraschend einräumte, alles lange unterschätzt zu haben. Wäre ihm nicht vom israelischen Premier sprichwörtlich in den Hintern getreten worden, hätte ÖVP-Grün wie in Italien weiter nicht viel gemacht. Prinzip Ischgl oder Donald Trump (Profite vor Menschenleben) überall sozusagen.

„So gut wie nichts!“ muss die generelle Antwort auf die Frage lauten, warum (fast) jede Regierung weltweit zumindest volle sieben Jahre zu spät dran ist. Manche ein paar Wochen und Monate mehr, andere etwas weniger. Tatsächlich lässt sich die zeitliche Verzögerung auf mindestens sieben Jahre eingrenzen. Das deutsche Robert-Koch-Institut, eine Top-Adresse für Virologie und Forschung, führte 2012 in Zusammenarbeit mit anderen Bundesbehörden eine Risikoanalyse bezüglich eines möglichen Pandemie-Szenarios auf der Grundlage eines modifizierten SARS-Virus durch. Diese wurde veröffentlicht und in einen Bericht an den Deutschen Bundestag Anfang 2013 aufgenommen! Haben Sie jemals von „unserer“ Regierungen darüber gehört oder Vorbereitungen wahrgenommen?

(Die Quellenangaben zu dieser Analyse plus fundierte Artikel zu Südkorea im Anhang an diesen Artikel unten.)

Vor dieser RKI-Risikoanalyse gab es die SARS-Krise von 2002/03 und 2009/10 die sogenannte „Schweinegrippe“-Pandemie. Beide zeigten Gefahren und Herausforderungen auf, die noch kommen werden bzw. können. Diese Covid-Krise ist im Allgemeinen weder überraschend noch apokalyptisch aus eigenem Antrieb. Natürlich löst diese Erkenntnis keineswegs die akuten Herausforderungen, die aufgrund der Versäumnisse der Herrschenden nun uns alle treffen.

Internationale Debatte: Südkorea als Vorbild?

Die Bedeutung dieser jahrelangen Ignoranz wiegt allein schwer genug. Aber selbst, wenn man nur die akute Phase seit Dezember 2019 (wahrscheinlicher Ausbruch in China) betrachtet, sieht die Bilanz katastrophal aus. Jede harte Maßnahme zur Unterdrückung der Virus-Ausbreitung führt zu Fragen von Demokratie und autoritären Tendenzen. In Ungarn möchte Orban weit in Richtung Diktatur gehen. Gegenwärtig wird in Europa und Amerika diskutiert, was in asiatischen Ländern von China bis Südkorea getan wurde, um die Entwicklung der Epidemie einzudämmen oder zu unterdrücken. Auf dem Spiel stehen wirtschaftliche und soziale Stabilität und demokratische Errungenschaften.

Hier nun ein genauerer Blick auf Südkoreas erste Epidemiewelle. Die Ergebnisse können überraschen und alle Illusionen in eine globale „vernünftige kapitalistische Politik“ zerstören. Mehr als das: Die Auswertung wird dazu beitragen, ein revolutionär-sozialistisches Programm mit Übergangsforderungen zu entwickeln.

Zivilschutzübungen seit Jahren; Massen-Tests, Infektions-Nachverfolgung und Fallisolierung seit Beginn der Krise, aber ... weder Abriegelungen noch Ausgangssperren!

Es muss betont werden, dass es im Falle Südkoreas bisher noch nicht einmal zu einer Abriegelung oder Ausgangssperre gekommen ist. Warum? Weil Südkorea gezwungen war, viele richtige Dinge zu tun, angefangen bei der langfristigen Vorbereitung. Natürlich wurden diese Entscheidungen nicht von der Position einer sozialistischen Arbeiter*innen-Regierung aus getroffen. Ganz im Gegenteil - es war nur eine weit bessere Kosten-Nutzen-Rechnung. Aber die Tatsache, dass die politischen Manager*innen des südkoreanischen Kapitalismus nur aufgrund einer besonderen Situation dazu gezwungen wurden, ist bezeichnend.

Ein Hauptmerkmal der modernen globalen Gesellschaft ist, dass es aufgrund der Arbeitsteilung, des Handels und der imperialistischen Beziehungen keine stabile Insel der „kapitalistischen Vernunft“ geben kann. Gerade deswegen entlarvt die bemerkenswerte südkoreanische Krisenpolitik die Nutzlosigkeit der kapitalistischen Eliten im Allgemeinen für Arbeitnehmer*innen und die gesamte Gesellschaft. Um zu verstehen, warum Südkorea zu dieser Ausnahme von der Regel werden könnte, müssen wir auf das Jahr 2015 zurückblicken und den Ausbruch des SARS-bezogenen MERS-Virus betrachten. Dies stellte eine ernste und offensichtliche Bedrohung für die kapitalistische Gesellschaft in diesem Teil der koreanischen Halbinsel dar. Es wurden Entscheidungen getroffen, einen Zivilschutzplan zu entwickeln und sich auf weitere Epidemien in der Zukunft vorzubereiten.

Warum standen in Südkorea so viel mehr Tests zur Verfügung?

In Folge von MERS-2015 wurden Verfahren installiert, die zu schnelleren Tests, höheren Kapazitäten für die Entwicklung dieser und zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens führten. Insgesamt wurden dieses Jahr im Rekordtempo 47 Drive-Through-Stationen gebaut, an denen man sich (natürlich kostenlos) testen lassen konnte. Quellen wie "Worldometer" zufolge gab es in Südkorea 5200 Tests pro Million Einwohner, während die USA bei mageren 74 lagen.

Man kann auf Grundlage ausführlicher Testungen, die idealerweise am Beginn eines besonnenen Krisenmanagements stehen müssten, eine Überblicks-Karte erstellen. Somit könnten sich Herde (sog. cluster) und Mini-Epidemien umgehend isolieren lassen. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für die meisten könnten auf ein notwendiges Mindestmaß reduziert bleiben.

Am besten läuft dies, wenn man eine solche Vorgangsweise über die letzten Jahre schon gemeinsam erprobt hat. In Südkorea wurden die Kapazitäten und Vorbereitungen vor dem (vom Zeitpunkt her unbekannten) Ausbruch strategisch aufgebaut. Darüber hinaus wurden Zivilschutzübungen und Informationskampagnen gestartet, um das Bewusstsein zu schärfen. Noch im Dezember 2019 fand eine große Übung statt. Natürlich bringt ein solcher Tag Ausfälle für Unternehmen und schmälert kapitalistische Gewinne. Die dortige Regierung erachtete dies jedoch als Preis für die spätere Rückvergütung durch rasche Krisenbewältigung als akzeptabel.

Die in weiten Teilen der Bevölkerung verankerten Abläufe und das erworbene Wissen erhöhen sicherlich das Vertrauen in die Verlässlichkeit dieser Vorgänge. In einem Artikel auf sciencemag.org vom 17. März heißt es: "Oh Myoung-Don, Spezialist für Infektionskrankheiten an der Seoul National University, sagt: 'Die Erfahrung mit dem MERS hat uns sicherlich geholfen, die Prävention und Kontrolle von Krankenhausinfektionen zu verbessern. Bisher gibt es keine Berichte über Infektionen mit COVID-19 bei südkoreanischen Mitarbeitern des Gesundheitswesens'". Später genügte es der Regierung, nur noch "soziale (=physische) Distanzierung" zu fordern. Kooperation statt Zwang. Tatsächlich unterstützt Südkorea nicht im geringsten die „Argumente“ all jener, die nach Ausgangssperren und starke Führer rufen.

Warum haben alle anderen Industrie- und imperialistischen Länder und Regierungen kläglich versagt?

Auch hier ist klarzustellen: Südkorea hat zwar auf die Krise 2015 reagiert, eine imperialistische Supermacht wie Deutschland jedoch nicht, obwohl vor ihren Augen mögliche Szenarien berechnet wurden (siehe Risikoanalyse des RKI 2012/3). Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, dass die überwältigende Mehrheit der kapitalistischen Eliten für ihr Prinzip „Profite vor Menschen“ auf eine andere Linie setzte; und zwar Ignoranz! Der Grund dafür steckt letztlich im System.

Das Potenzial für genügend Tests und eine schnellere virologisch-wissenschaftliche Anpassung an ein neues Virus ist fast überall auf der Welt vorhanden. Die Hauptbeschränkungen der Forschungs- und Testkapazitäten sind durch die sogenannten Marktkräfte und den kapitalistischen nationalen Egoismus gegeben. Dies ist auch auf anderen Ebenen der Impfstoff-Forschung und der Schutzausrüstung sichtbar. Unsägliche Nachteile, z.B. durch das geltende Patentrecht oder im Kampf um Generika-Medikamente, erschweren die Lage zusätzlich. Jede Regierung, die uns heute nach all den versäumten Jahren sagt, es gäbe “nicht genug Testmöglichkeiten“, lügt. Die Wahrheit müsste lauten: „Wir haben niemals das Nötige getan, um sie jetzt zur Verfügung zu haben“.

Arbeiter*innen-Kontrolle statt Regulierung durch den Markt

Wenn man sich jedoch an das Märchen von der Selbstregulierung des Marktes hält, gibt es natürlich keine Chance, eine Krise von solchen Ausmaßen zu bewältigen. Das sieht man daran, dass in Europa selbst die „schnellsten“ Regierungen der akuten Entwicklung um viele Wochen und Monate hinterher humpeln und ihr Heil in Zwangsmaßnahmen suchen müssen. Hinzu kommen sieben Jahre Totalverlust. Die internationale Zusammenarbeit und Planung aller wirtschaftlichen Aspekte, einschließlich der Herausforderungen im Zusammenhang mit Epidemien/Pandemien, ist möglich. Aber nicht mit dem Kapitalismus und seinen bürgerlichen Eliten. Es kann und muss unter maximaler Einbeziehung der arbeitenden Menschen geschehen, die die Gesellschaft von der Basis ausmachen. Grundvoraussetzung sind weiters die sofortige Rückabwicklung neoliberaler Kürzungen im gesamten Gesundheitsbereich und Vergesellschaftung der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung. Drastische Änderungen sind bezüglich Patente, Forschung und Pharmasektor vorzunehmen. Jeder gewinnorientierte Einfluss wird eine schnelle Reaktion und kollektive Vorbereitungen und Kooperation untergraben. Die Frage nach echten Arbeiter*innen-Regierungen statt dem kapitalistischen Einheitsbrei der Parlamentsparteien wird in der kommenden Zeit mit praktischer Bedeutung gefüllt werden.

Die jetzt überall aufkommenden scharfen Maßnahmen wie Ausgangssperren zeigen nur, dass die Regierungen tatsächlich ahnungslos bzw. ignorant waren und für grobe Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht werden müssen. Wie ein betrunkener Autofahrer steuert man nun mit heftigen Auslenkungen. Oberflächlich versuchen sie, den Eindruck von Kontrolle zu vermitteln. Mancherorts greift man schon nach diktatorischen Vollmachten. Doch dass es zum Überschlag kommen wird, ist nur eine Frage der Zeit.

Wie steht es um Menschen- und demokratische Rechte sowie Datenschutz?

Natürlich ergeben sich aus der Strategie Südkoreas weitere Fragen, insbesondere zu demokratischen Rechten, Daten- und Persönlichkeits-Schutz. Berichte über möglichen Missbrauch von Gesichtserkennung und Bewegungsverfolgung alarmieren Menschen überall. Kanzler Kurz kündigte das für Österreich am 26. März als „Big Data“-Offensive an. Dazu braucht es einen sozialistischen Gegenentwurf und gemeinsamen Widerstand von unten.

Wir wissen, dass Technologie an sich neutral ist. Im Kapitalismus besteht immer die Gefahr, dass diese Technologie gegen demokratische und Menschen-Rechte eingesetzt wird. Hier kommt die Arbeiter*innenschaft als unabhängige Kraft und wichtigste soziale Gruppe ins Spiel. Der mögliche Ausgangspunkt: Wenn es am Ende des Tages nachweislich unvermeidlich ist, Methoden wie Gesichtserkennung oder Mobiltelefondaten bei der Kontaktverfolgung einzusetzen; wer kontrolliert die Daten und wie werden sie vor Missbrauch geschützt? Dies muss idealerweise durch Komitees mit weitreichendem Einfluss der Arbeiter*innenklasse und ihrer Organisationen geschehen. Wenn der bürgerliche Staatsapparat oder rechtsextreme Kräfte versuchen, sie zu kontrollieren, muss dies ein Sammelpunkt des Widerstands sein.

Wie kann man demokratische Errungenschaften verteidigen und gleichzeitig die Covid-Krise bewältigen?

Jedenfalls verteidigen wir demokratische Rechte nicht mit Sonntagsansprachen, als ob Varianten von ohnehin beschränkter bürgerlicher Demokratie das A und O wären. Die Verteidigung der Demokratie muss genutzt werden, um das Klassenbewusstsein (Arbeiter*innen schaffen den Wert in der Gesellschaft) zu schärfen und idealerweise auch unter kapitalistischen Bedingungen Elemente von Arbeiter*innenkontrolle zu entwickeln. Schon einmal haben in der österreichischen Geschichte Arbeiter*innen sich selbst ermächtigt und – wenn auch nur für kurze Zeit – wesentliche Bereiche der Gesellschaft in einer noch viel schwierigeren Zeit geführt. Es war die sogenannte Rätebewegung, die sich aus dem Jännerstreik 1918 gegen den imperialistischen Weltkrieg entwickelte. Trotz vieler entmutigend wirkender Voraussetzungen (neoliberale Entsolidarisierung, Verbreitung von Rassismus, wenig Erfahrungen durch gemeinsame Erfolge bei sozialen Massenprotesten oder Streiks): Bauen wir dennoch auf das enorme positive Potential, das in den Arbeiter*innen-Massen rund um den Globus steckt! Es hat sich in Ansätzen schon während der ersten Phase der Krise gezeigt.

Es gibt bislang keinerlei „wissenschaftliche Daten“, die Maßnahmen zur völligen Abschottung bzw. Ausgangssperren unterstützen würden.

Das System Kapitalismus hat seine Unfähigkeit in dramatischer Weise offenbart. Mehr Beweise dafür wird es in den kommenden Monaten geben. Dies wird bedeutsame Veränderungen in der Stimmung und dem Bewusstsein unzähliger Menschen bringen. In Protesten und sozialen Kämpfen werden am deutlichsten Lehren gezogen werden. Mit der Umsetzung eines auf die Interessen von Arbeitnehmer*innen ausgerichteten Programms können diese Methoden richtig angewendet und Gefahren Schritt für Schritt begegnet werden.

  • Die Methoden des Testens, Rückverfolgens und umgehender Fallisolierung sind höchstwahrscheinlich in jeder Phase der Covid-Krise (ob erste, zweite oder dritte Welle) von großer Bedeutung. Zusätzlich kann durch weitestgehend akzeptiertes und umsetzbares „physisches Abstandhalten“ eine starke Abflachung der Durchseuchungskurve erreicht werden. Bei keinen Maßnahmen dürfen Profitinteressen Entscheidungen beeinflussen.
  • Tür-zu-Tür-Tests und Drive-in-Teststationen müssen von Gesundheitspersonal und anderen mit einer kurzen aber soliden Einschulung und durchgeführt werden. Das darf nicht dem „freien Markt“ oder privaten Einrichtungen überlassen werden sondern muss von staatlichen Stellen durchgeführt werden – auch durch die staatliche Übernahme von privaten Labors etc.
  • Die Frage der angemessenen Schutzausrüstung ist von wesentlicher Bedeutung, ebenso wie die Forderung nach einer massiven Anhebung der Bezahlung für alle diese Tätigkeiten - dies wird von den arbeitenden Menschen als notwendig verstanden werden es und kann, falls erforderlich, dafür mobilisiert werden.
  • Ein weiterer Effekt ist, dass dem Gefühl der Isolation entgegengewirkt wird.
  • Diese Maßnahmen können das Bewusstsein dafür schärfen, dass nur kollektive und massenhafte Aktivitäten diese Corona-Krise und die bevorstehende Wirtschaftskrise lösen können. Wir brauchen keinen „starken Staat“, der tatsächlich nur Zick-Zacks beim Krisenmanagement schlägt.
  • Zur Durchführung von Haus-zu-Haus-Tests und auch im Falle von Nachverfolgungen muss eine breite Kommunikation über die Notwendigkeit und Nützlichkeit in Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Gesundheitsorganisationen durchgeführt werden. Selbst Institutionen wie das Rote Kreuz, Arbeiter-Samariterbund und andere bauen auf Arbeitskräften und „normalen Menschen“, wobei die Mehrheit aus der Arbeiter*innenklasse stammt.
  • Alle Maßnahmen (insbesondere Tür-zu-Tür-Tests und Infektions-Rückverfolgungen) müssen auf demokratische Weise durchgeführt werden, unterstützt durch Komitees von Menschen aus der lokalen Bevölkerung unter Einbeziehung von Gesundheits- und Gewerkschaftsorganisationen. Was die Rückverfolgung und Daten-Sammlung (zB. Handy-Ortung) betrifft, so muss ein gewähltes Gremium eingerichtet werden, das der Öffentlichkeit über Fernsehen und Internet über jeden Schritt und die Verwendung der Daten Bericht erstatten muss. Alle Daten müssen nach bestem Stand der Technik anonymisiert werden.
  • Beschäftigungsschutz und volle Bezahlung für jedeN im Falle der Isolation. Es darf keinerlei soziale Nachteile geben.
  • Desinfektionsmittel frei verfügbar für jeden an allen öffentlichen Orten. Dasselbe gilt für Masken, wenn diese eine sinnvolle Ergänzung darstellen.
  • Verteidigung des Rechts auf Proteste bis hin zu Streiks zur Durchsetzung dieser Forderungen sowie gegen Missachtung bei Menschenrechten und Datenschutz, falls dies notwendig ist.
  • Die Verringerung der physischen Kontakte mit Menschen, mit denen man keinen regelmäßigen Kontakt hat, und mit denen, die in besonderer Gefahr sind, ist höchstwahrscheinlich (auf der Grundlage vorliegender Daten) sehr nützlich.
  • In Verbindung mit sozialen Kontakten ist die Frage, warum Arbeitsplätze noch immer teilweise geöffnet und die Beschäftigten zu unnötigen Kontakten gezwungen sind, von zentraler Bedeutung. Wilde Streiks sind ein Ausdruck dafür, wie sich die Stimmung in Teilen der Arbeiter*innenklasse verändert, was ein gutes Zeichen für weitere unabhängige und massenhafte Aktivitäten für die Zukunft ist.
  • Jegliche Versuche von Drohungen und autoritäre Maßnahmen müssen bekämpft werden, da sie auch negative Auswirkungen auf die Maßnahmen zur Covid-Krise haben. Sie lähmen die nötigen kollektiven Anstrengungen angesichts einer langfristigen Krise.
  • Es muss umgehend investiert werden, um die Gesundheitsdienste und insbesondere die Altenpflege aus dem neoliberalen Burn-out zu führen. Alle Pläne von (Teil-)Privatisierungen sind unverzüglich zu stoppen und rückgängig zu machen. Schlagen wir die Angriffe auf die Sozialversicherung, die auf die Öffnung für den Markt abzielen, zurück!
  • Keine Zwangsarbeit durch Zivil-/Militärdienst oder andere Personen. Die Löhne der derzeit tätigen Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und aller, die hohen Gefahren ausgesetzt sind, müssen massiv erhöht werden.
  • Kein Lohnverlust darf hingenommen werden, da er die Lebenserwartung von Menschen angesichts der kommenden wirtschaftlichen und sozialen Krise im globalen Maßstab senkt.
  • Ein Plan für eine dauerhafte Finanzierung und Lohnerhöhungen sowie Arbeitszeitverkürzungen muss von allen in diesem Bereich tätigen Personen entwickelt werden. Die Gewerkschaften müssen von allen arbeitenden Menschen und ihren Familien unter Druck gesetzt werden, diesen Prozess zu unterstützen. Statt „nationalem Schulterschluss“ brauchen wir eine Offensive von unten.
  • Bewegungen von Beschäftigten, Bäuer*innen und armen Menschen rund um den Globus müssen mit den Fachleuten der verschiedenen Bereiche Pläne entwickeln, um die Gesellschaft aus der Krise zu führen. Kein Kompromiss mit bürgerlichen und kapitalistischen Interessen wird ausreichen. Der Sturz des Kapitalismus und seiner Staatsmaschinerie wird entscheidend sein, um Leben und die Chance auf eine lebensfähige Zukunft zu retten.

Quellen:

# Risikoanalyse unter Annahme eines fiktiven modifizierten SARS-Virus des Robert-Koch-Institut und anderer Behörden, veröffentlicht im Rahmen eines Zivilschutz-Berichtes im Jänner 2013 (Seiten 5-6 und 55-87): https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Krisenmanagement/BT-Bericht_Schmelzhochwasser.pdf?__blob=publicationFile

# Artikel zu Südkorea der Wissenschaftsredaktion des Deutschlandfunk (in deutscher Sprache), 19. März:http://https://www.deutschlandfunk.de/der-tag-corona-krise-was-wir-von-suedkorea-lernen-koennen.3415.de.html?dram:article_id=472886

# Artikel in sciencemag.org von Dennis Normile, 17. März, über Südkorea (in englischer Sprache): https://www.sciencemag.org/news/2020/03/coronavirus-cases-have-dropped-sharply-south-korea-whats-secret-its-success

Der Kapitalismus und Corona machen uns krank

Theresa Reimer

Isolation, Angst, Belastung und drohender Existenzverlust bedrohen die psychische Gesundheit

Viele Menschen haben im Zuge der Coronakrise in den letzten Tagen und Wochen Unsicherheit und Angst verspürt. Täglich sind wir alle mit Schreckensmeldungen rund um das Coronavirus konfrontiert. Während viele von uns weiterarbeiten müssen (und das nicht nur in Jobs, auf die die Gesellschaft momentan nicht verzichten kann), sind die Möglichkeiten, eine Auszeit von den Verpflichtungen und dem Stress zu nehmen, begrenzt. Soziale Kontakte sollen auf ein Minimum reduziert werden; wir alle sind angehalten, in den Wohnungen zu bleiben. Die Ausgangssperren lassen viele Menschen in der häuslichen und somit der sozialen Isolation alleine zurück. Laut einer Studie, die während des Ausbruchs des Coronaviruses in der chinesischen Stadt Wuhan durchgeführt wurde, gehen Angstzustände, Schlafstörungen oder depressive Symptome mit der Quarantäne einher. Dieser emotionale Stress kann sogar dazu führen, dass sich auch körperliche Beschwerden, wie Atemnot, Herzklopfen und Kopfschmerzen entwickeln. 

Während Unternehmen ein Rettungspaket in Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt wird, bangen Arbeitnehmer*innen um ihren Job, ihre Gesundheit und ihre Zukunft. Seit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen haben sich, zu den ohnehin schon 400.000 arbeitslosen oder sich in Maßnahmen befindenden Menschen, binnen einer Woche weitere 97.500 Menschen beim AMS arbeitslos gemeldet. Tausende Menschen, vor allem in der Baubranche oder in der Produktion, befinden sich in Kurzarbeit. Was danach kommt ist unklar. Die Arbeiter*innen im Gesundheits- oder Sozialbereich und im Handel stehen unterdessen unter einem enormen psychischen Druck und haben unter unzureichenden Schutzvorrichtungen weiter zu arbeiten. 

Diese neue und beispiellose Situation sorgt viele von uns. Für Menschen, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind, kann dies eine zusätzliche psychische Belastung bedeuten. Ängste, Neurosen, Panikattacken oder depressive Episoden spielen bei vielen psychischen Erkrankungen eine Rolle und können im Zuge dieser Verunsicherung verstärkt auftreten. 

Kapitalismus ist Krise

Es besteht ein offenkundiger Zusammenhang zwischen einer ungesicherten wirtschaftlichen bzw. sozialen Lage und dem Aufkommen bzw. der Intensität von psychischen Erkrankungen. Dies zeigt beispielsweise die vermehrte Verschreibung und Abgabe von Antidepressiva oder Medikamenten gegen Aufmerksamkeitsstörungen. Besonders junge Menschen werden mittlerweile immer häufiger mit einer psychischen Erkrankung diagnostiziert. Die zunehmende Zukunftsunsicherheit und der gestiegene Leistungsdruck spielen bei diesem Anstieg eine erhebliche Rolle. Die stetig steigende Arbeitsverdichtung und Entfremdung bei Arbeiter*innen ist mit dem Zwang zur Produktivitätssteigerung und somit mit dem ökonomischen Wachstum gekoppelt. Die Ursachen für steigenden Druck nach mehr Leistung liegen klar in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem verortet. Wenn mehr Leistung also mehr Stress bedeutet und dieser Stress Menschen an ihre psychischen Grenzen bringt, hat dies systemimmanente Ursachen. Der Kapitalismus macht uns nicht nur arm, sondern auch krank.

In Krisensituationen kommen allerdings für Menschen, die unter psychischen Erkrankungen leiden, weitere erschwerende Faktoren hinzu. Das Spardiktat der EU gegenüber Griechenland zeigte die enormen Auswirkungen, die eine verschlechterte finanzielle Situation und damit einhergehende gestiegene Sorgen und Unsicherheit auf Individuen der Arbeiter*innenklasse haben kann. Über 50 Jahre hindurch blieb die nationale Suizidrate in etwa auf dem selben Stand, ab 2011 stieg diese jahrelang rapide – um knapp 40 % – an. Durch die allgemeine Hoffnungslosigkeit angesichts der wirtschaftlichen Lage verstärkte sich das Gefühl der Ausweglosigkeit bei dem/der Einzelnen.

Psychische Gesundheit ist eine Klassenfrage

Ein weiterer Faktor, der auch in der jetzigen Situation zum Tragen kommt, ist, dass Gesundheit – und somit auch die psychische Gesundheit – nicht für alle im gleichen Maße zugänglich ist. Während die Elite private Krankenversicherungen abschließt und dadurch schnellen Zugang zu medizinischer Versorgung und Therapien hat, müssen Arbeiter*innen auch bei akuten Erkrankungen und Gefährdungen monatelang darauf warten, eine Therapie zu bekommen und darum bangen, ob und in welcher Höhe diese von den Krankenkassen übernommen wird. Hinzu kommt, dass viele psychotherapeutische Praxen aufgrund der Schutzbestimmungen bereits geschlossen haben. Telefonische Beratungen bzw. E-Mails sollen genutzt werden, sodass sich Erkrankte nicht allein gelassen fühlen und notwendige Therapie erhalten. Ob diese Maßnahmen wirklich ausreichen bzw. den Bindungsaufbau einer Psychotherapie ersetzen können, sei dahingestellt, zumal Expert*innen mit einem vermehrten Aufkommen von psychischen Erkrankungen im Zuge der Coronakrise rechnen und die ohnehin langen Wartezeiten dadurch noch verlängert werden könnten. 

Es ist natürlich wichtig, dass wir in dieser schwierigen Phase aufeinander achten, unsere sozialen Kontakte nicht vernachlässigen und uns gegenseitig unterstützen. Zuhören, wenn unsere Freund*innen und Familien Ängste und Sorgen äußern, ist ein wichtiger solidarischer Akt. Doch das kann und darf nicht alles sein. Es darf nicht die Aufgabe von Einzelpersonen und dem direkten sozialen Umfeld sein, sich um Menschen zu kümmern. Diese Aufgabe muss von staatlicher Seite und durch Expert*innen erfüllt werden. Psychische Gesundheit und ökonomische Absicherung hängen direkt zusammen. Wir brauchen daher ein öffentliches und voll ausfinanziertes Gesundheits- und Sozialsystem, das sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Unsere psychische Gesundheit darf nicht davon abhängig sein, wie viel wir verdienen. Das Personal im medizinischen und psychosozialen Dienst braucht keinen Applaus, sondern den gemeinsamen Kampf mit Patient*innen und Angehörigen für Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhung, mehr Personal und ausreichende Finanzierung. Pflege, sowie medizinische und psychosoziale Betreuung dürfen kein “Kostenfaktor” sein, sondern müssen als wesentliche Pfeiler eines Gesundheitssystems entsprechend anerkannt und entlohnt werden. Für gesellschaftliche Solidarität und eine Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen! Für ein Ende dieses kranken Systems!

 

 

Kopf des Monats: Mülkiye Lacin

Mülkiye stellten wir hier bereits im November vor. Die Wiener Freizeitpädagogin und kurdische Aktivistin wurde vom Erdogan-Regime mit unhaltbaren Vorwürfen festgehalten. Nach einer starken Solidaritätskampagne ihrer Kolleg*innen, die auch den ÖGB in die Verantwortung zwang, wurde sie freigelassen und ist wieder in Wien!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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Aufgrund der Klimakrise brennen ganze Länder. Scheinbar endlose Kriege verwüsten große Regionen. In Afrika droht die größte Hungersnot seit langem. Die nächste Weltwirtschaftskrise steht vor der Tür und bedroht auch hier unzählige Jobs und soziale Standards. Und das alles, obwohl die Menschheit längst das Wissen und die Mittel hätte, um in Einklang mit der Umwelt und gleichzeitig ohne Mangel zu leben. Oft wirkt es so, könnte man sich eher das Ende der Welt vorstellen, als das Ende des Kapitalismus. Doch immer mehr Menschen stehen gegen diesen Wahnsinn auf. Sozialist*innen kämpfen auf der ganzen Welt für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Die SLP und ihre Schwesterorganisationen in über 30 Ländern sind Teil dieses Kampfes: Von den Streiks für bessere Arbeitsbedingungen im Sozialbereich hier in Österreich bis zu den Demonstrationen in Australien gegen die Kohlelobby, welche für die verheerenden Brände verantwortlich ist: Kein Kampf für Verbesserungen ist uns zu klein, aber auch keiner zu groß! Werde auch du Teil der Bewegung für eine sozialistische Alternative!

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