Andere Themen

Profite mit Nachhilfe

3 Milliarden Euro – so hoch wird das Wiener Start-Up GoStudent bewertet, nachdem Anfang Jänner verschiedene internationale Finanzriesen wieder über 300 Millionen Euro an Risikokapital in die Online-Nachhilfeplattform gesteckt hatten. Es ist der Wahnsinn des Kapitalismus in Reinform: Schüler*innen leiden besonders in der Pandemie unter Leistungsdruck und ein paar Superreiche verdienen damit Millionen: Innerhalb des letzten Jahres haben sich die auf GoStudent gebuchten Nachhilfestunden verzehnfacht. Bezahlt wird diese schleichende Privatisierung von Eltern, die selbst unter der Krise leiden. Holen wir uns das Geld für eine ausfinanzierte Gesamtschule mit kleineren Klassen und ausreichend pädagogischem, psychologischem und sozialarbeiterischem Personal von den millionenschweren Start-Up-Hipstern und ihren Geldgeber*innen!

Bad Djoke

Viel Aufregung gab es um die (Nicht-)Teilnahme von Tennis-Nr. 1 Novak Djokovic an den Australian Open der Männer (17.-30. Jänner). Als dem Impfgegner mangels Impfung oder Sondergenehmigung die Einreise verweigert wurde, zauberte er plötzlich einen positiven Test vom Dezember hervor, um als genesen zu gelten – nur um gleich der Lüge überführt zu werden, dass er sich an die Quarantäne-Regeln gehalten hätte und vor seiner Ankunft in Australien nicht gereist wäre. Die ganze Affäre zeigte aber nicht nur die (allseits bekannte) Arroganz des Sportler-Multimillionärs, sondern auch die Verlogenheit der australischen Regierung: Seit Beginn der Pandemie herrschen dort einerseits drakonische Lockdowns, die vor allem das Privatleben betreffen. Andererseits überlässt die liberale Regierung das Gesundheitssystem komplett der kapitalistischen Logik: Tests? „Dafür gibt es den freien Markt“ antwortete Premier Morrison – folglich gibt es zu wenige und nur zu horrenden Preisen. Im Jänner schossen die Infektionen nach oben. Kollabierende Spitäler? „Wir müssen die Welle reiten, wir haben keine Alternative“, meinte er dazu. Sein pseudo-hartes Auftreten gegen Djokovic dient also vor allem dazu, vom eigenen Versagen in der Pandemie abzulenken.

Mehr zum Thema: 

Ich oder Du

Über die Anrede und warum es nicht egal ist
Albert Kropf

„Ich oder Du“ war 1984 ein Superhit von Hansi Lang. Schon lange her. Eine Zeit, wo Austropop noch mehr als patriotisch, reaktionäre angehauchte Volksmusik war und eine kaum mehr vorstellbare Breite unter Jugendlichen hatte. Aber auch eine Zeit, in der das soziale Gefälle noch klar in der Anrede ausgedrückt wurde. Beschäftigte hatten den/die Chef*in mehr oder weniger ausnahmslos mit „Herr“ oder wenigen Fällen auch „Frau“ anzureden. Anders war es umgekehrt, wo es - je weiter unten in der beruflichen Nahrungskette - als „normal“ galt, vom Chef wiederum geduzt zu werden. Auch heute wird diese Ungleichheit und Ungerechtigkeit oft zynisch als „freundschaftliches Du“ bezeichnet – z. B. von Polizei oder anderen Autoritäten gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund verwendet. Damit soll ein Machtgefälle und auch beim Untergebenen eine Machtlosigkeit ausgedrückt werden. Wenn der eine duzt und der andere siezen muss, befindet man sich einfach nicht auf Augenhöhe! Es ist daher kein Zufall, dass wir dieser ungleichen Kommunikation im Jahr 2021 noch immer an Schulen gegenüber Jugendlichen begegnen. In diesem Fall gilt dann der Stehsatz: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!

Ganz anders und dann doch nicht so verschieden ist es in vielen heutigen, modernen Unternehmen. Flache Unternehmens-Hierarchien sind ein Zauberwort spätestens seit dem Jahrtausendwechsel. Alle sind untereinander per Du, schließlich sitze man ja im gleichen Boot und ziehe am selben Strang. Passend dazu wird in den Schulen mit „Entrepreneurship-Education“ den Kindern und Jugendlichen unternehmerisches Denken in allen auch privaten Lebenslagen eingetrichtert. Natürlich sollen hier Hierarchien nicht aufgehoben, sondern verwischt und eine Illusion einer nicht vorhandenen Gleichheit im Kapitalismus aufgebaut werden. Denn betriebliche Entscheidungen, Stellenabbau oder auch Übergriffe werden ganz un-flach oben gefällt, auch wenn sie alle betreffen.

„Keine Angst“ war ein anderer Superhit von Hansi Lang aus der Zeit. Und keine Angst sollten wir haben, wenn es um dieses Thema geht, egal ob alt oder neu. Die für uns heute oft lächerliche Grußpflicht beim Bundesheer, hat seinen Ursprung hierin und wurde von den einfachen Mannschaftsgraden erkämpft. Alle müssen sich gegenseitig grüßen und den Gruß unabhängig vom Dienstgrad erwidern. Dieses Selbstbewusstsein der Arbeiter*innen-Klasse ist heute mit Niedergang und Entpolitisierung der Gewerkschaften stark zurückgegangen. Es ist aber mehr als an der Zeit, uns unserer Stärke wieder bewusst zu werden. Sei es bei Lohnforderungen, Arbeitszeit, Gleichberechtigung oder eben beim Grüßen. Dass das aber nur der erste Schritt sein kann, zeigt wieder das Heer. Trotz Grußpflicht bleibt es ein zutiefst undemokratischer Ort, in dem sich die soziale Herkunft wie kaum woanders in der Hierarchie der Dienstgrade ausdrückt. Um wirklich mit undemokratischen Strukturen zu brechen, müssen wir auch mit dem Kapitalismus brechen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Don’t look up – Komet trifft auf Kapitalismus

Claus Ludwig (SAV - deutsche Schwesterorganisation der SLP)

 

*** Spoiler-Alarm ***

 

In “Don’t look up” (“Guckt nicht nach oben”) von Adam McKay entdecken die Astronomen Dr. Randall Mindy und Kate Dibiasky (Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence), dass ein Komet von der Größe des Mount Everests in sechseinhalb Monaten auf die Erde treffen und sämtliches Leben auslöschen wird. Diese nicht ganz unwichtige Botschaft versuchen sie, der US-Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep), einer weiblichen Trump-Version, zu vermitteln. 

Doch diese hält zunächst den Kongress-Wahlkampf für wichtiger. Auch der Versuch, die Dramatik über eine TV-Show zu transportieren, funktioniert nicht. Stattdessen wird Dibiasky in den sozialen Medien als hysterische Witzfigur stilisiert, ähnlich wie Greta Thunberg.

Es gibt “Kometen-Leugner*innen”, „alternative Fakten“, technische Schein-Lösungen und verzweifelte Wissenschaftler*innen, welche sich unterstellen lassen müssen, ihre mathematischen Berechnungen wären einseitige Meinungen. Ignoranz, Dummheit und – dysfunktionaler – Egoismus überall. Der Film funktioniert als Parabel sowohl für die Klimakatastrophe als auch für die Pandemie. Besonders tiefsinnig ist das nicht, aber sehr unterhaltsam.

Regie und Drehbuch machen es sich allerdings zu einfach, sich an der eskalierten Idiotisierung Marke Trump abzuarbeiten. Immerhin starten auch die “vernünftigen” Regierungen Biden oder Scholz keine effektiven Maßnahmen gegen den Klimawandel, trotz des Wissens und ihrer Bekenntnisse. Wenn der Erkenntnis kein Handeln folgt, verliert der Unterschied zwischen der Akzeptanz wissenschaftlicher Fakten (“Look up”) und deren Ignorieren (“Don’t look up”) an Bedeutung.

Keine Verschwörung

Als sich die Regierenden schließlich des Problems annehmen, keimt Hoffnung auf. Doch Präsidentin Orlean lässt den Versuch abbrechen, den Komet vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre per Nuklearraketen zu zerstören. Peter Isherwell, Chef des Technik-Konzerns Bash, hatte ihr eingeflüstert, man solle den Kometen erst nach Eintritt in die Atmosphäre durch Sprengungen in mehrere Teile zerlegen, um die Metalle und seltenen Erden darauf ausbeuten zu können – natürlich ohne China und Russland, schließlich befinde man sich im Konkurrenzkampf. Mark Rylance spielt den Konzernchef als schön widerwärtige Mischung aus den realen Kotzbrocken Elon Musk, Jeff Bezos und Marc Zuckerberg.

Die Sache mit dem kontrollierten Aufteilen läuft absehbar suboptimal. Astronomin Dibiasky weist allerdings die verschwörungsmystischen Erklärungen für das Verhalten der Herrschenden zurück und erklärt einer Gruppe Jugendlicher: “Leute, die Wahrheit ist noch tausendmal deprimierender: Sie sind echt bei weitem nicht so schlau, um so böse zu sein, wie ihr vermutet.”

Die Herrschenden haben keine raffinierte Verschwörung geplant. Sie sind getrieben von Gier und Machtinteressen. Sie ignorieren Fakten, sie sind trotz aller technischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten im Detail Ausdruck der Gesamt-Dummheit ihres Systems. Sie gefährden Menschen, die Zivilisation – und im Film sämtliches Leben auf dem Planeten – nicht, weil sie uns Schaden zufügen wollen, sondern weil sie ihren eigenen, im historischen Maßstab völlig bedeutungslosen Nutzen daraus ziehen wollen. Auch an diesem Punkt funktioniert “Don’t look up” als Symbol für den Klimawandel im Zeitraffer.

Happy End im echten Leben?

In der Welt von Hollywood und Netflix sind offensichtlich nur zwei Szenarien vorstellbar – entweder die Regierenden kriegen noch die Kurve oder wir sind alle hinüber. Wir sollten daraus eine Lehre ziehen, die der Film selbst überhaupt nicht nahelegt: Wenn es wirklich ernst wird, sollten wir unser Leben und Überleben nicht profitorientierten und soziopathischen Politiker*innen und Kapitalist*innen anvertrauen.

Die Wissenschaftler*innen haben die Fakten eindeutig dargelegt, es kommt aber darauf an, die Welt auf deren Basis zu verändern. Der Plan von Konzern und Präsidentin hätte gestoppt werden müssen, offensichtlich nicht durch Wahlen, sondern revolutionär, gewaltsam, mit allen notwendigen Mitteln. Stattdessen brennen routiniert einige Autos und Supermärkte werden eher lustlos geplündert. Anstelle des notwendigen Aufstandes gibt es eine Benefiz-Show für die Wahrheit mit Popstar Riley Bina, gespielt von der Sängerin Ariana Grande.

Die schlechte Nachricht: Auch bezüglich der Klimakatastrophe reicht es nicht zu appellieren, Fakten zu verbreiten und das eine oder andere Event zu organisieren. Die gute: Wir sind nicht von der sechsmonatigen Flugbahn eines Kometen abhängig und haben noch einige Jahre Zeit, eine Bewegung aufzubauen, die den Herrschenden ihre Herrschaft nimmt und die Gesellschaft so organisiert, dass unser Überleben gesichert werden kann.

Das ist außerhalb der Vorstellungskraft der Macher*innen von “Don’t look up”. Und doch ist dies einer der ersten Filme, welcher die Systemfrage bezüglich Pandemie und Klima indirekt transportiert. Angucken lohnt sich. Das Staraufgebot an Schauspieler*innen wirkt zwar etwas unterfordert und Albernheiten, Flachheiten und Längen schmälern das Vergnügen zeitweise, aber besser als die jüngsten Superhelden- und Disney-Ödnisse ist „Don‘t look up“ allemal.

Empfehlung: Angucken. 7 von 10 Punkten.

Außerdem empfehlenswert: Marxist Review of new hit movie "Don't Look Up" 59. Ausgabe des Video-Podcasts "World to Win" (in englischer Sprache)

Klassismus: Leugnung der Klassengegensätze

Anna Hiermann

Menschen werden auf verschiedenste Art und Weise unterdrückt. Aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität sowie ihrer Klassenzugehörigkeit. In der intersektionalen Theorie wird diese Art der Unterdrückung als „Klassismus“ bezeichnet. Gemeint ist z.B., wenn über Menschen mit niedrigem Einkommen oder ohne Arbeit gelästert wird, weil sie angeblich zu dumm wären, einen gut bezahlten Beruf zu erlangen. Die Ursachen für diese Diskriminierungserfahrungen werden dabei häufig in der Kultur gesucht. Lösungsansätze beschränken sich daher meist auf Symbolik, wie z. B. die Erhöhung des Anteils an “Arbeiter*innenkindern” an Universitäten. Diese Vorgehensweise ist jedoch gefährlich. Die Gegensätze zwischen den Klassen sollen nicht mehr überwunden, sondern nur die Auswirkungen möglichst minimiert werden. Menschen aus der Arbeiter*innenklasse sollen einfach nur mehr respektiert werden usw.  Die bestehende Klassenunterdrückung ist kein kulturelles Phänomen, nicht “nur” eine Diskriminierung, sondern ein Produkt der Klassengesellschaft, ohne die der Kapitalismus nicht existieren könnte. 

Die marxistische Klassenanalyse setzt nicht bei kulturellen Ursachen an, sondern bei den grundlegenden Klassenwidersprüchen. Es stimmt, dass Menschen aus der Arbeiter*innenklasse weniger Zugang zu Universitäten oder Ähnlichem haben. Aber die Ursachen dafür liegen viel tiefer. Der Marxismus ergründet ebenso Ursprünge wie Strategien der Bekämpfung. Weiters hat er eine klare Definition des Begriffs „Arbeiter*innenklasse“. Darunter fallen alle Menschen, die „nichts anderes zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft“ (Marx). Die Entstehung spezifischer Unterdrückungsformen ist eng mit der Entstehung von Klassengesellschaften verbunden. Die Entstehung der ersten Klassengesellschaften beschreibt Friedrich Engels 1884 in seinem Werk: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“. Seit der neolithischen Revolution (=Übergang der Altsteinzeit in die Jungsteinzeit vor ca. 12.000 Jahren) wird mehr produziert, als zum unmittelbaren Überleben benötigt wird. Aus diesem gesellschaftlichen Mehrprodukt resultierte ebenso die Unterdrückung „des weiblichen Geschlechtes durch das männliche“, da in den meisten Gesellschaften nach der männlichen Linie vererbt wurde, sowie eine ungleiche Verteilung des Reichtums generell. Die Unterdrückung der Frau (und andere Formen der Diskriminierung) ist (sind) untrennbar mit der Klassenunterdrückung verbunden und überschneiden sich nicht bloß punktuell.

All diese Arten von Unterdrückung gehen aus den Klassengesellschaften hervor. Die Klassenunterdrückung bildet also das Fundament für alle anderen Unterdrückungsformen. Somit müssen alle Kämpfe gegen die Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Sexualität, Religion etc. als Klassenkämpfe geführt werden, d.h. darauf abzielen, die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse gemeinsam zu überwinden.

---

Zum Weiterlesen: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, Friedrich Engels

Bestellen unter slp@slp.at

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Falle „Selbstoptimierung“

Der Trend zu Fitness und Selbstoptimierung dient der Aufrechterhaltung des Kapitalismus.
Anna Hiermann

Körperliche Fitness liegt seit längerem im Trend. Fitnessstudios an fast jeder Ecke, dazu Eiweißshakes sowie zahlreiche Zeitschriften und Bücher zu dem Thema. Sie suggerieren, dass jedeR fit und gesund sein kann, wenn er/sie sich nur genug anstrengt. Menschen, die beispielsweise nicht ihren Körper im Fitnessstudio stählen oder vermeintlich zu oft in einer Konditorei gesichtet werden, wird vermittelt, sich gehen zu lassen, undiszipliniert bzw. faul zu sein.

Das alles erinnert stark an das Dogma „Du bist deines Glückes Schmied“, das eines der größten Lügen unserer kapitalistisch geprägten Gesellschaft ist. Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen haben keine Möglichkeit, sich ein Vermögen aufzubauen. Also bleibt zum „Glück“ nur die Selbstoptimierung – wer das nicht schafft, so die Botschaft, ist selbst schuld. Denn laut der heutigen neoliberalen Ideologie existiert nämlich keine “Gesellschaft“, deshalb kann man nur sich selbst verbessern. Des Weiteren braucht es leistungsfähige Arbeitskräfte, die möglichst nicht krank werden und mit der eigenen Selbstoptimierung beschäftigt sind, um das aktuelle System nicht in Frage zu stellen oder gar zu revoltieren. Anstatt ausschließlich der Selbstoptimierungspropaganda zu folgen, sollten wir uns mehr mit unserem Umfeld (z. B. sozialen Ungerechtigkeiten) auseinandersetzen und daran arbeiten, diese zu verändern.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Rebellion ja, aber im Kollektiv

Anna Hiermann

Wie sieht momentan das geläufige Schönheitsideal der Frau aus? Jung, gesund und schlank soll sie sein. Außerdem soll sie doch bitte schön keine Haare unter den Achseln oder auf den Beinen, Pickel oder sonstige „Problemzonen“ haben. In der Popkultur und den geläufigen Medien sind vor allem Frauen sichtbar, die diesem Ideal entsprechen. Jene, die nicht in dieses Schema passen, bleiben eher unsichtbar. Vor allem auf junge Mädchen, aber ebenso erwachsene Frauen, herrscht ein enormer Druck, diesem Ideal zu entsprechen, ansonsten fürchten sie, sie gelten als „unfickbar“ und seien somit nichts wert. Woher kommt jedoch dieser Druck?

Die Schönheitsindustrie ist milliardenschwer. Mit allen möglichen nützlichen und unnützen Produkten lässt sich sehr viel Geld verdienen. Schon in Mädchenzeitschriften wird Werbung für diverse Kosmetik gemacht. Schließlich sind diese jungen Frauen von heute für die Kapitalist*innen die „Konsumopfer“ von morgen. Durch sie kann wesentlich mehr Profit erwirtschaftet werden als durch rebellische Frauen. Apropos Rebellion. Der Kapitalismus braucht gewisse Rollenbilder und Schönheitsideale, um Frauen klein zu halten. Das System ist aber auch flexibel und entdeckt Nischen und andere Entwicklungen, wo „normale Frauen“ gezeigt werden, als profitable Märkte.

Bei beiden geht es auch darum, eine Rebellion von den Frauen zu verhindern und die Räder können sich weiter drehen wie bisher. Wie ist es mit Bewegungen, wie „Body Positivity“ oder „Body Neutrality“? Sind sie eine Alternative? Diese suggerieren, man müsse nur seinen eigenen Körper lieben und könne sich so dem gesellschaftlichen Druck entziehen. Unrasierte Beine beispielsweise sind vollkommen in Ordnung, jedoch bleibt auch bei diesem Trend der Fokus auf dem Individuum. Du kannst dich dem Druck der Schönheitsideale nicht entziehen, selbst schuld. Durch individuellen Widerstand lässt sich der Schönheitswahn nicht beseitigen. Auch nicht, wenn „viele“ neue „Standards“ für Schönheit aufstellen. Stattdessen sollten wir uns damit beschäftigen, wie Frauen selbstbestimmt leben können und wie wir z.B. bei den Protesten im Bildungswesen, im Sozialbereich, bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller*innen etc. für unsere Interessen kämpfen können.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Mein langer Weg zur ISA - aber kurz gefasst

Severin Berger, 21, Software-Entwickler, Servicekraft und manchmal Informatik-Student

Ich habe, wie wohl viele vor mir, schon seit meiner Kindheit die negativen Effekte des kapitalistischen Systems erlebt. Meine Eltern hatten neben, aber viel mehr aufgrund ihrer Arbeit kaum Zeit für mich oder meine Schwester und - noch schlimmer - auch keine für sich selbst. Es hat lange gedauert, bis ich die Systematik hinter diesem und noch so vielen anderen Problemen verstehen lernte und es mir möglich wurde, meinen Horizont zu erweitern, um nach Alternativen zu suchen – Alternativen, die ich dann, durch die Hilfe von Freund*innen, in einer Organisation fand, im Material dieser Organisation fand, in Mitgliedern dieser Organisation und in Diskussionen mit diesen Mitgliedern fand.

Letztlich hatte ich schon lange vor meinem Beitritt Kontakt zur ISA, habe aber diesen Kontakt durch verschiedene Gründe wieder verloren – Glücklicherweise gab es aber dieses Jahr ein Sommercamp, welches es mir ermöglichte, wieder, und diesmal noch viel fester, anzuknüpfen. Ich blicke mit Hoffnung auf die Zukunft – Hoffnung auf Sozialismus und Solidarität!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kapitalismus schmeckt nicht gut

Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Lebensqualität ein Hindernis für Wachstum & Profite ist
Oliver Giel

Vegan, Bio, regional – bewusste Ernährung liegt im Trend. Auch diverse Skandale, ständige Wegbegleiter der Nahrungsmittelindustrie, tragen dazu bei. Der Grundtenor: Verantwortung für gesunde Ernährung trägt der/die Verbraucher*in. Besonders Frauen wird ein schlechtes Gewissen gemacht, wenn sie nicht gesundes Essen, das auch noch „Spaß“ macht, auf den Tisch und in die Jausenbox zaubern.

Nur: Gesundes Essen ist teuer und braucht Zeit. Man muss einen größeren Teil des Einkommens investieren, selbst in der Küche stehen, oder ein gutes Restaurant besuchen. Doch auch Restaurants arbeiten häufig mit Fertigprodukten, bzw. Halbfertigprodukten, die voll von Fett, Farbstoffen und Geschmacksverstärkern sind. Diese sind billiger und können daher mit höherem Gewinn oder zu einem niedrigeren Preis verkauft werden bzw. sie sparen Arbeitskraft. Ironischerweise können sich so Ketten wie Vapiano oder McDonalds bessere Qualität, regionale Produkte und gleichbleibende Preise eher leisten. Bezahlt wird dies mit Massenproduktion, niedrigen Löhnen und Selbstbedienung.

Im Kapitalismus werden Lebensmittel einerseits für den Markt hergestellt, mit dem Ziel, Profit zu machen bzw. um im Falle von Kleinbäuer*innen, zumindest einigermaßen „über die Runden zu kommen“. Andererseits hängt vom Preis dieser Waren auch das Überleben der städtischen Bevölkerung ab.

Da der Lohn ausreichen muss, um die Arbeitskraft zu erhalten, hat der Kapitalismus als Ganzes ein Interesse daran, die Kosten für Nahrung möglichst niedrig zu halten. Dies geschieht über staatliche Subventionen (in Österreich jährlich 1.000.000.000 €), extreme Ausbeutung von Erntearbeiter*innen, oder eben die Verbilligung durch Qualitätsverschlechterung. Das Kostendumping wird mit der unbezahlten Hausarbeit von Frauen vervollkommnet. Gab es Anfang des 20. Jahrhunderts schon begrenzte Ansätze der Vergesellschaftung von Hausarbeit, wie in den cooperative housekeepings in den USA, ist diese durch Fast Food, Lieferservices und (Halb)fertigessen verdrängt worden. Das ist zwar qualitativ schlechter und selten günstiger, aber so können Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und die Kleinfamilie als Keimzeile des Staates bleibt erhalten.

Die Frage des guten Essens entpuppt sich als einer der Widersprüche, die der Kapitalismus nicht lösen kann, weil Lebensqualität nicht Zweck, sondern ein Hindernis für die Wirtschaft ist – sei es Ernährung, Wohnraum, Bildung oder Pflege. In einer sozialistischen Gesellschaft müsste man sich nicht entscheiden, ob man gut oder leistbar leben könnte. Und die heutigen Haubenköch*innen können ihre Kunst Betriebs- und Schulrestaurants zur Verfügung stellen, anstatt sie auf das reichste 1 % beschränken zu müssen. Die Lösung liegt nämlich nicht darin, dass jedeR jeden Tag 3x gesund für die Familie kochen muss, sondern dass in guten und gesunden Großküchen essen kann, wer will und das Selberkochen zum Vergnügen und nicht zur täglichen Last wird.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Red Bull / Mikis Theodorakis

Red Bull verleiht Lügen Flügel

Red-Bull-Milliardär Mateschitz versucht schon lange, mit seinem Geld die Medienlandschaft nach rechts zu rücken. Sein neues Projekt heißt Pragmaticus. Das Magazin erscheint als Beilage von Zeitungen wie Presse, Kleine Zeitung, Tiroler Tageszeitung und Vorarlberger Nachrichten. Diese Medien verbreiten damit Mateschitz‘ Politik, die im Pragmaticus elitär-intellektuell verkleidet als Meinung von „Experten“ präsentiert wird. So hetzt etwa der neoliberale Ökonom Martin gegen Mindestlöhne. Als Negativbeispiel führt er Seattle an – die Stadt, in der Socialist Alternative (US-Schwesterorganisation der SLP) den ersten $15-Mindestlohn erkämpfte! „Afrika-Experte“ Volker Seitz bemüht den rassistischen Mythos der Überbevölkerung. Er schreibt, dass in Afrika einfach zu viele Kinder geboren werden – und dass man Entwicklungsgelder streichen solle, bis dort „strikte Familienplanung“ herrsche. Österreichs Haus-und-Hof-Philosoph Liessmann darf dann auch noch eine wirre „Ode an die Grenze“ herbeischwurbeln. Prinz (!) Michael von Liechtenstein – wo übrigens auch der Verlag steuerschonend angesiedelt ist – wirft sich dafür ins Zeug, dass die EU mehr Bomben schmeißen solle. Leitender Redakteur ist übrigens der frühere Chef des Wirtschaftsressorts des ach so seriösen Standard, Andreas Schnauder.

Mikis Theodorakis (1925-2021)

Schon mal Sirtaki getanzt? Die weltberühmte griechische Musik stammt von Mikis Theodorakis, der im September 96jährig verstarb. Doch Theodorakis war nicht nur gefeierter Komponist, sondern auch Kommunist – er kämpfte im griechischen Widerstand gegen die Nazis und später gegen die Militärdiktatur. Noch im hohen Alter war er aktiv gegen das EU-Kürzungsdiktat und wurde auf Demos verletzt. Er war lange Mitglied der Kommunistischen Partei, von der er sich jedoch korrekterweise aufgrund ihrer stalinistischen Moskau-Treue abwandte. Er blieb ohne Organisation, auch das ein Grund für zahlreiche politische Fehltritte, wie die zeitweise Unterstützung konservativer Politiker*innen oder mangelnde Abgrenzung gegenüber sich sozial präsentierenden Nationalist*innen. Sein Werk bleibt jedoch eine unschätzbare Quelle sozialistischer Ideen und Inspiration für kommende Kämpfe.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Seiten