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Logistik: Logisch nur für Profite

Severin Berger in Zusammenarbeit mit Anne Engelhardt (ISA-Deutschland)

In den Jahrzehnten des Neoliberalismus wurde durch Globalisierung und weltweite Verstrickung der Lieferketten der Transportsektor immer wichtiger. Allein 2000-19 stieg die jährliche Anzahl von see-transportierten Containern in EU-Ländern von etwa 45 auf über 100 Millionen - in derselben Zeit stieg der Wert von exportierten Waren in Österreich von 120 auf fast 240 Milliarden US-Dollar. 

Dieses enorme Wachstum kann nicht allein durch technische Innovationen gestemmt werden, es bedarf auch einer generellen Steigerung der Arbeitskraft. Schaut man sich die Statistiken an, ist relativ schnell zu erkennen, dass der Transportsektor hierzulande jedoch im selben Zeitraum kaum einen Zuwachs an Beschäftigten verzeichnen konnte: Wie kann dieser Widerspruch erklärt werden?  

Liest man gewerkschaftliche Berichte und Arbeitssicherheit-Studien wird klar, dass die Arbeitsverdichtung im Logistikbereich international seit Jahrzehnten zunimmt. So schreibt die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: “Hohe körperliche Anforderungen, hohe Arbeitsintensität und lange Arbeitszeiten [...] kennzeichnen die Arbeitsbedingungen”. Zusätzlich werden immer mehr Jobs auf Menschen in Billiglohnländern abgewälzt, wodurch die Lage für Beschäftigte noch prekärer wird: über 50% der Seeleute und Offiziere stammen aus Ländern des Globalen Südens: Philippinen, China, Indonesien, Indien usw.

Doch ein Ende der neoliberalen Ära zeichnet sich ab: fortschreitende De-Globalisierung und die Corona-Krise haben starke Auswirkungen auf den Transport & Logistik-Sektor. Beschäftigte dort waren unter den ersten, die von der Covid-Krise getroffen wurden. Unternehmen haben oft die Pandemie verwendet, um Jobs zu kürzen oder Löhne nicht zeitgerecht auszuzahlen, während sie gleichzeitig ihre Profite hoch hielten.

Auch die Klimakrise führt innerhalb der Branche zu großen Problemen. Trockene Flüsse hindern den Binnentransport per Schiff, was wiederum dazu führt, dass viele Häfen zu Stauplätzen werden und das Schienennetz dem Mehrbedarf nicht gerecht wird - in beiden Bereichen sind es die Arbeiter*innen, die diese Probleme am meisten spüren. All das führt nicht nur zu Burnouts und Frustration, sondern auch immer öfter zu Arbeitskämpfen in dem Bereich!

Nichts zu verlieren als unsere (Liefer-)Ketten!

Die wichtige Position des Transport- und Logistiksektors im globalen wirtschaftlichen System gibt den Beschäftigten potentiell eine unglaubliche Macht. Wir sehen momentan eine Reihe von Arbeitskämpfen auf der ganzen Welt. Viele davon werden von den jeweiligen ISA-Sektionen unterstützt. So zum Beispiel in Deutschland, wo es Ende August zu Streiks in den Häfen von Bremen und Hamburg kam. Dabei gingen mehr als 12.000 Beschäftigte auf die Straße, um sich für einen Inflationsausgleich und Arbeitszeitkürzungen einzusetzen.

Ende Juni traten mehr als 80.000 Eisenbahner*innen in Großbritannien über mehrere Tage in den Streik, um sich gegen den Arbeitsplatzabbau und immer prekärere Arbeitsbedingungen zu wenden. Auch in anderen Transportsektoren gab es Arbeitskämpfe auf der Insel - so erreichten z.B. Teile der Belegschaft am Flughafen London Heathrow eine Lohnerhöhung um 18%.

Auch in den USA gab es in den letzten Jahren immer mehr Aktivität im Logistikbereich. Allen voran natürlich der Logistik- und Einzelhandelskonzern Amazon. Die Amazon Labor Union wurde zum Symbol des neuen Gewerkschaftsschwungs in den USA, in dem vor allem junge, weibliche und farbige Arbeiter*innen an vorderster Front kämpfen.

Dies ist nur ein kleiner Auszug der stattfindenden Bewegungen - Bewegungen, die immer häufiger zum erfolgreichen Beispiel für weitere Kämpfe werden. Globale Krisen und das globale System Kapitalismus können nur global bewältigt werden durch die Sprengung der Profitketten!

Beide Artikel von Severin Berger in Zusammenarbeit mit Anne Engelhardt (ISA-Deutschland)

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

„Wissen ist Macht“, eine Illusion?

Anna Hiermann, Katja Straka, Sebastian Kugler

In der Diskussion um soziale Gleichheit wird oft bessere Bildung als Schlüssel präsentiert. Das ist nachvollziehbar, jedoch nicht die Lösung, die soziale Ungleichheit aufzuheben. Das Bildungssystem ist nämlich selbst Teil und Ausdruck dieser Gesellschaft. Das beginnt damit, dass in Österreich Bildungschancen besonders stark vererbt werden: Nur 7% von Arbeiter*innenkindern beginnen ein Masterstudium – bei Akademiker*innenkindern sind es 25%. Das liegt daran, dass das Schulsystem Kinder bereits mit 10 Jahren (sozial) selektiert. Wer es trotzdem an höhere Bildungseinrichtungen schafft, muss oft neben Schule oder Universität arbeiten und hat so weniger Zeit zum Lernen. Außerdem können sich arme Familien weniger zusätzlichen Unterricht leisten. Das bedeutet, dass von Armut betroffene junge Menschen weniger ihren Talenten und Interessen nachgehen können.

Daran ändert auch die fortschrittlich klingende Kompetenzorientierung nichts, die in allen Bildungsinstitutionen angekommen ist: Schüler*innen sollen möglichst viele verschiedene Kompetenzen erlernen, um am Arbeitsmarkt möglichst flexibel einsetzbar zu sein. Schließlich sind die Zeiten vorbei, wo man in einer Branche bis zur Pension gearbeitet hat. Das liegt am technologischen Fortschritt, aber auch an den zunehmenden Krisen des Kapitalismus. Kompetenzorientierung ist also nur ein schöner Name für Anpassung an aktuelle Profitinteressen. 

Aber auch echte Errungenschaften im Bildungssystem, die die Arbeiter*innenbewegung in der Vergangenheit erkämpft hat, werden innerhalb eines profitorientierten Systems früher oder später wieder zurückgenommen, wenn wieder Profiten zuliebe bei Bildung gekürzt werden muss. So wurde z.B. kürzlich die Anzahl der Kinder in Volksschulklassen wieder erhöht. Und selbst das fortschrittlichste Bildungssystem, wie früher in Schweden, änderte nichts an der systemischen Ungleichheit dort. Das widerlegt die reformistische Illusion der Sozialdemokratie, durch Bildungspolitik auch die Klassengesellschaft aufzuheben: Wir müssen diese überwinden, um uns gute Bildung zu erkämpfen.

Bildung erkämpfen heißt Kapitalismus abschaffen

Wir brauchen eine Gesamtschule, wo alle Schüler*innen individuell gefördert werden. Dazu braucht es mehr Lehrer*innen, Sonderpädagog*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen etc. Nur so kann auch richtige Inklusion gelingen, wo Schüler*innen mit und ohne besondere Bedürfnisse zusammen lernen. Auch sollten sich Lehrpläne nicht nach den Bedürfnissen von Firmen richten, sondern einerseits Lebenspraktisches und andererseits die individuellen Interessen fördern. Das bedeutet auch, die Trennung zwischen Kopf- und Handarbeit aufzuheben, indem Jugendliche sich berufliche Kenntnisse aneignen, jedoch gleichzeitig z.B. Sprachen erlernen, sich mit Literatur auseinandersetzen können etc. Des Weiteren bedeutet es, die Studienbeihilfe soweit zu erhöhen, dass Studierende sorgenfrei studieren können. Dasselbe gilt auch für Schüler*innen, da auch unter ihnen schon manche nebenbei arbeiten. Um all das jedoch durchzusetzen, braucht es gemeinsame Kämpfe von Lernenden und Lehrenden. Deswegen sind die aktuellen Streikaktionen in der Freizeitpädagogik und Streikdrohungen in der Elementarpädagogik wichtige Ansatzpunkte. Die Kämpfe für ein komplett anderes Bildungssystem müssen jedoch Teil des Kampfes gegen den Kapitalismus an sich sein, denn nur dessen Abschaffung kann soziale Gleichstellung und freie Bildung garantieren.

Info:

Das Bildungssystem ist eine Institution im kapitalistischen Herrschaftssystem - eine „ideologiefreie Schule“ gibt es deswegen nicht: So startete die EU etwa 2016 eine Initiative zur “Erziehung zu Unternehmerischem Denken und Handeln an den Schulen in Europa“, womit der Profitwahn des Kapitalismus ideologisch verschleiert als „Entrepreneurship Education“ in den Lehrplänen verankert wird.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Das Netz ist politisch

Kimi

Wer auf Instagram oder Tiktok ist, weiß wahrscheinlich, wer Andrew Tate ist. Auf Grund seiner rassistischen, sexistischen und homophoben Aussagen trendet er auf Tik Tok. Er bezeichnet Frauen als Objekte, redet darüber, sie zu schlagen und zu würgen und gibt ihnen die Schuld an Vergewaltigungen.

Solche Kommentare legitimieren Hass gegen Frauen und bringen ihn auf ein nächstes Level. Der Hass bleibt nicht im Netz, sondern wirkt sich auf das Leben von Frauen und queeren Personen aus. Nicht Einzelpersonen wie Tate, sondern das kapitalistische System erzeugen Frauenunterdrückung. Die Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau ist eine wesentliche Säule im Kapitalismus. Frauen leisten unbezahlte Reproduktionsarbeit (Kindererziehung, Pflege und Hausarbeit) und helfen damit die Gesellschaft zu versorgen und arbeitsfit zu halten.

Obwohl seine Aussagen gegen viele Richtlinien von TikTok und Co. verstoßen, hat es sehr lange gedauert, bis er von den Apps gesperrt wurde. Warum? Weil es riesige Unternehmen wie TikTok und Co. nicht interessiert, welche Auswirkungen Tates Aussagen haben. Hass im Netz verbreitet sich schnell und sorgt für Diskussionen - das sind Stunden, die User*innen auf diesen Netzwerken verbringen, anders gesagt, steigen die Profite in die Höhe.

Deshalb ist es umso gefährlicher für uns, wenn Kapitalist*innen wie Elon Musk Twitter kaufen wollen. Rassismus, Sexismus und Homophobie werden dann erst recht zugunsten von Rechten wie Trump akzeptiert und unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit toleriert.

Kann uns Internetaktivismus retten?

Viele User*innen wollen sich gegen Dinge wie Rassismus, Klimawandel oder die Unfähigkeit der Politik wehren und werden deshalb aktiv im Internet – auch Internetaktivismus genannt. Einige reposten nur Beiträge von anderen. Andere erstellen eigenen Content oder erklären komplizierte Themen. Internetaktivismus kann Jugendliche zwar politisieren, aber nur die, die sich für Politik interessieren und eigenständig und gezielt politische Seiten suchen. Der Algorithmus merkt sich das und bombardiert Nutzer*innen immer wieder mit ähnlichem Content. Dir wird nur gezeigt, was du wissen willst oder schon weißt. Social Media kann das Interesse verstärken und informieren. Insofern kann Social Media ein Mittel sein, aber keine Lösung. Der Aktivismus bleibt fast immer im Netz stecken und kann den Aktivismus im echten Leben nicht ersetzen.

Organisationen wie Fridays for Future nutzen Internetaktivismus gezielt, um Menschen das Gefühl zu geben, aktiv am Kampf dabei zu sein. Doch das ist nur eine Illusion. Denn es bringt nicht den Druck auf die Herrschenden, der nötig ist, sondern bedient hauptsächlich die eigene Bubble.

Wenn Personen wie Trump ihre Agenda verbreiten wollen, dann passiert das auch! Ungewollt werden User*innen mit dieser Agenda bombardiert. Das beste Beispiel: Die Gerichtsverhandlung von Johnny Depp und Amber Heard. Abgesehen davon, was in ihrer Beziehung passiert ist: Amber Heard wurde ausgelacht, sexistisch beschimpft und nicht ernst genommen - und Johnny Depp wurde gefeiert. Es wurde festgestellt, dass Depp und sein Social Media Team mit Millionen von Dollar endlose Hashtags und Beiträge gegen Heard verbreiteten. Egal ob Youtube, Instgram, Tik Tok oder Twitter, jede*r wurde über dieses Gerichtsverfahren ungewollt informiert bzw. desinformiert.

Deshalb fordern wir eine demokratische Kontrolle von Social Media Plattformen. Wir wollen keinen Algorithmus, der Hass verbreitetet und Reiche noch reicher macht. Wir fordern die Enteignung von Internet-Konzernen – soziale Medien müssen in öffentlicher Hand sein, denn nur so können sie kontrolliert werden und zugunsten der Allgemeinheit und nicht einer kleinen Elite verwendet werden.

 

Info:

Obwohl Internetaktivismus nicht den Aktivismus im echten Leben ersetzen kann, kann das Internet ein wichtiges Tool sein! Vor allem in Diktaturen findet sehr viel online statt. Bewegungen werden von Bewegungen in anderen Ländern inspiriert. Aktivist*innen nutzen soziale Netzwerke, um Proteste zu organisieren, wie in Myanmar oder im Iran. In China finden unzählige Streiks und Arbeitskämpfe statt. Die Arbeiter*innen nutzen Chat-Gruppen, um über nächste Schritte zu diskutieren, da Versammlungen aufgrund der Repression nicht möglich sind. Aber auch in Ländern ohne starke Repression sehen wir, dass Kolleg*innen das Internet als Tool benutzen. Es werden Facebook-Gruppen gegründet, um Kampagnen zu starten – zum Beispiel in Großbritannien “NHS Workers Say NO! to Public Sector pay inequality” mit über 87.000 Mitgliedern.

 

 

Bild: Trevor cokley, Wikimedia Commons

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Werden Straßenblockaden auch den Klimawandel stoppen?

Peter Hauer

Fridays for Future (F4F) hat Millionen Menschen auf die Straße bekommen. Regierungen und Kapitalist*innen haben mit leeren Zugeständnissen versucht, der Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Hinwendung zu Parteien wie den Grünen, und die Illusion, dass Institutionen wie UNO oder Gesprächsrunden mit der Politik (z.B. Klimarat) den nötigen radikalen Wandel herbei führen würden, hat vielen in der Bewegung die nötige programmatische Radikalität genommen. Gleichzeitig brennt das Thema weiter. Der Ruf nach radikaleren Ideen ist verständlich und vor allem auch korrekt. Doch wie sieht diese “Radikalität” aus? Viele Schlagzeilen haben die Aktionen in Museen und das Festkleben auf Straßen gemacht. Zu den - vermeintlich - radikalsten Aktivist*innen gehören jene von Extinction Rebellion oder der “Letzten Generation” (LG). Für ihre Anliegen (mehr Klimaschutz) haben sie breiten Support von der Bevölkerung, aber für ihre Methoden isolieren sie mehr, als Menschen zu mobilisieren.

Radikal nur in den Methoden, nicht den Inhalten

Der offenbare Schluss, den LG aus F4F gezogen hat, ist, dass man es nicht geschafft hat, die Politiker*innen für die nötige Klimapolitik zu gewinnen. Das Programm wurde daraufhin nochmal mehr zusammengekürzt (ganze 2 Punkte: 1. kein Fracking, 2. Tempolimit von 100km/h) und auf “radikalere” (in Wahrheit nur medienwirksamere) Methoden gesetzt. Das Ziel all dieser Aktionen ist es, von Regierungen (die den Klimawandel seit Jahren verschlafen haben und an der Verschärfung massiv schuld sind) eine Zusage zu bekommen, dass sie die Dringlichkeit verstanden haben. Die Aktionen (Beschmutzung von Kunstwerken oder Straßenblockaden) haben v.a. das Ziel, dass die führenden Aktivist*innen mit Vertreter*innen der Politik oder Medien quatschen können. Da kündigt man auch mal an, dass es keine weiteren Aktionen geben wird, sobald sie das erreicht haben (Quelle: Talkshow Lanz 09.11.22). Die einzelnen Aktivist*innen mögen es ernst meinen, doch die Aktionen treffen nicht wirklich und passen damit perfekt zur Finanzierung von LG, die nicht unerheblich aus den Taschen der Reichen und Mächtigen kommt (mehr in der Infobox).Radikal - und notwendig - wäre es, dieses Wirtschaftssystem anzugreifen, das dem Profit alles unterordnet, dem der Klimawandel quasi egal ist. Dazu müssten nicht die Straßen im Berufsverkehr gesperrt, sondern die Profite der Autokonzerne bekämpft werden. 

Klassenkampf statt Stellvertretung

Dass viele Klimaaktivist*innen lieber auf die Regierung und nicht auf linke Organisationen oder Gewerkschaften hoffen, hat mehrere Gründe. Einer sind die Illusionen in das kapitalistische System. Eine anderer, dass die Gewerkschaftsspitzen selbst lange so getan haben, als ob sie das Klimathema nichts anginge und Hand in Hand mit den Konzernspitzen die Lüge von “Job oder Klima” aufrecht erhalten haben. Doch gerade die Klimafrage ist eine, die nicht gelöst werden kann ohne ein anderes System. Die Regierungsparteien aber tun alles. um dieses System zu erhalten, deswegen braucht es eine andere Strategie und Programm. Es wird ein Programm brauchen, das dort ansetzt, wo wir die Herrschenden tatsächlich zum Handeln zwingen können und zwar eines, das in den Betrieben und beim System selbst anfängt. Und ein solches brauchen die Arbeiter*innen und sie sind gleichzeitig die einzigen, die es erkämpfen können. Stehen die Energiekonzerne, die Autoindustrie und das Transportwesen wegen Streiks still, dann wird es möglich sein, die nötige Veränderung zu erreichen, ohne dass Menschen ihre Jobs verlieren! 

 

Info:

Aileen Getty (Erbin eines Öl-Tycoons, 1 Mio.), Rory Kennedy (Nichte von JFK, 1 Mio.), Abigail Disney (Disney Konzern, 200.000,-) oder Adam McKay (Hollywood Mogul, 4 Mio) spenden Unmengen an den “Climate Emergency Fund”. Davon werden Gründungen von Organisationen, Aktivist*innen, aber auch Strafen bezahlt. Diese Finanzierung steht wohl in Zusammenhang mit dem zahnlosen Programm von Gruppen wie der "Letzten Generation”.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Krise trifft auf Jugend

Severin Berger

Bild: ÖGJ

(Junge) Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten: In Bereichen des täglichen Bedarfs sind die Teuerungen noch massiver als die Gesamtinflationsrate zeigt und gleichzeitig werden weder Sozialleistungen noch Löhne in jugenddominierten Branchen ausreichend erhöht. Natürlich gibt es auch jene, die das nicht so hart trifft: die kommen jedoch meist aus gutbürgerlichem Haus und sind so selten auf eigenen Verdienst, Familien- oder Studienbeihilfe angewiesen.

Besonders staatliche Unterstützungsmaßnahmen zeigen das Versagen der Politik: Seit Jänner 2018 wurde die Familienbeihilfe nicht mehr erhöht, die Studienbeihilfe wird in diesem Semester erstmals seit 5 Jahren angehoben (mit Werten, die im Frühjahr schon beschlossen wurden) - eine wirkliche Anpassung dieser Leistungen an die Inflation soll aber laut Regierung frühestens 2023 folgen.

Viele Bosse wissen genau, wie sie aus dieser Misere Profit schlagen: Sollten junge Menschen Ansprüche an Arbeitsbedingungen oder Lohn stellen, werden sie einfach nicht eingestellt denn die nächsten Bewerber*innen steht oft schon, aus der Not heraus, vor der Tür. In “jungen” Branchen - z.B. Gastronomie, Hotellerie oder Krankenpflege - sind Probleme wie schlechte Arbeitsbedingungen, unzureichender Lohn, Sexismus und Arbeitssicherheit sehr offensichtlich. Illegale Beschäftigung ist in Sektoren mit vielen jungen Beschäftigten besonders hoch. Zusätzlich befinden sich über 40% der jungen Erwerbstätigen in atypischen Beschäftigungen - heißt: befristet, Leih-/Zeitarbeit oder geringfügig beschäftigt.

Junge Menschen sind, im Gegensatz zum Vorurteil, keineswegs faul - viele, besonders aus ärmeren Schichten, sind darauf angewiesen zu arbeiten und das oft neben oder statt einer Ausbildung, was die Situation für die Zukunft oft verschlechtert. Die Teuerungen werden immer mehr Jugendliche dazu zwingen, sich in horrende Arbeitsverhältnisse zu begeben.

Mehr und mehr junge Menschen verstehen aber auch, dass es, im Angesicht der massiven Krisen, so nicht ohne Veränderung des Systems weitergehen kann. Diese Erkenntnis führt zu Unmut und Widerstand, Widerstand, den wir in vielen Bereichen immer deutlicher spüren und der nicht einfach wieder verpuffen wird. 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Krypto: Symptom, nicht Lösung von Krisen

Severin Berger

In Zeiten enormer Inflation haben viele Menschen Angst um ihr Erspartes und sind auch wegen Erfahrungen mit der 2007er Krise misstrauisch gegenüber Banken und Staaten. Gleichzeitig bringt normale Arbeit immer weniger Reallohn. Als Lösung und Weg zum “schnellen Geld” wird in letzter Zeit häufig das Investment in Kryptowährungen genannt. Verfechter*innen beschreiben sie als “dezentrales” Tauschmittel, das ohne Zwischenschritt über Banken verwendet werden kann. Die Grundidee des Handels gibt allen uneingeschränkten Zugriff auf ihre “Wallet” (englisch für “Geldtasche”), welche zur Verwaltung besessener Kryptowährungen dient. Es können Transaktionen gestartet, angenommen oder abgelehnt werden - volle Kontrolle über alle Teile des Handels. Diese Kontrolle durch Nutzer*innen wird oft genannt, wenn es um die angebliche Demokratie der Technologie geht.

Haben wir die Kontrolle?

Vor nicht allzu langer Zeit gab es schon mal ein ähnliches Demokratieversprechen - damals im Kontext des sich etablierenden Internets. Denn auch im Internet können Nutzer*innen Kontrolle über alle Teilaspekte des Informationsaustauschs haben. Heute sehen wir, wie wenig dieser Kontrolle wirklich bei Endkonsument*innen liegt und wie viel Einfluss große Konzerne oder Staaten auf den Zugang zu Informationen haben.

Wer den Zugang bewacht, hat die volle Macht: Z.B. sind ~72% aller vorhandenen Bitcoins in 2% der “Wallets” konzentriert! Im Kryptomarkt bestimmt die Größe der “Wallet” wie viel Kontrolle über die jeweilige Währung und deren “Wert” vorhanden ist - diese Ungleichheit hat nichts mit Demokratie zu tun. Bei der notwendigen Infrastruktur sieht es nicht besser aus: Nur 10% der “Miner” (Personen/Unternehmen, die “Kryptocoins” “herstellen”) sind für etwa 90% aller Bitcoins verantwortlich!

Um es nicht unerwähnt zu lassen: Der Bitcoinmarkt, vor allem das “minen” hatte Anfang 2022 einen jährlichen Verbrauch, und damit verbundene Umweltbelastung, von ca. 200 TWh Strom - fast so viel wie ganz Australien!

Ein Blick auf die Geschichte des Kryptomarkts zeigt sofort, dass dieser alles andere als frei von Krisen ist. Bereits 2011 kam es bei z.B. Bitcoin zu Kursstürzen von mehr als 90%. Im Frühling 2022 wurden durch den Zusammenbruch der Kryptowährung Terra-Luna innerhalb weniger Tage 45 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung regelrecht ausgelöscht. Die extreme Instabilität von Kryptowährungen macht sie eher zu Glücksspiel als zu wirklichen Investments.

Denkt man über die Grundlagen des Marktes nach, wird klar, wieso sich so einfach Blasen bilden können: Ähnlich wie bei Aktien handelt es sich um “fiktives Kapital”, also Finanzanlagen, deren Wert durch spekulativen Handel von den realen, in der Produktion geschaffenen, Werten gelöst wurde. Gleichzeitig kann das Platzen der so entstehenden Blasen allein durch das Abziehen einer größeren Menge des “fiktiven Kapitals” ausgelöst werden - das bietet den “Reichsten” enorme Einflussmöglichkeit. Dieser Trend hin zu spekulativen Feldern zeichnet sich seit den 80ern ab. Durch sinkende Profitabilität in der Produktion begab sich das Kapital auf die Suche nach neuen Anlageformen: Eine der neuesten Investitionsfelder sind nun Kryptowährungen. Es ist kein Zufall, dass heute Großbanken zu den krypto-reichsten Institutionen gehören: Citibank z.B. hat bereits mehr als 250 Millionen in Investments ausgegeben und verwaltet über zwei Milliarden US-Dollar in Krypto-Anlagen.

Holen wir uns die Kontrolle!

Das allgegenwärtige Profitinteresse der kapitalistischen Klasse wird verdrängt und eine reine Umstellung des Rahmens rund um das System wird als Lösung verkauft. Ohne das Infragestellen der vorhandenen Produktionsverhältnisse kann kein neuer Markt geschaffen werden, der nicht automatisch von der herrschenden Klasse in ihrem Sinne geformt wird.

Die Reichen sind im Kapitalismus mächtig, egal ob ihr Vermögen in Immobilien, Gold oder “Wallets” liegt! Die Lösung ist nicht der Transfer von einem Markt zum anderen, sondern von oben nach unten: Um eine wahre Verbesserung zu schaffen, müssen wir mit dem kapitalistischen System brechen! Als ersten Schritt dafür braucht es eine Überführung des Finanzmarktes in die öffentliche Hand mit klarer demokratischen Kontrolle durch die Arbeiter*innenklasse - Für die Leben Vieler statt der Profite Weniger!

 

ISA & ROSA- Sommercamp

Sebastian Kugler

Über 60 Teilnehmer*innen aus Österreich, Deutschland, Rumänien, Israel/Palästina, Irland, USA und Belgien kamen in der vorletzten Augustwoche nach Kärnten/Koroška, um in entspannter Atmosphäre spannende Diskussionen zu führen: Von der Energiekrise über den Ukraine-Krieg bis zur Klimakatastrophe wurden sozialistische Standpunkte debattiert und ausgearbeitet. Zentral dafür waren auch Diskussionen zu historischen Themen wie der Russischen Revolution, um Lehren für heute ziehen zu können. Auch konkrete Initiativen und Kampagnen, etwa im Gesundheits- und Sozialbereich und in der Gastronomie, wurden besprochen und geplant. Geprägt war die Woche insbesondere von der Energie zahlreicher neuer Aktivist*innen und Interessent*innen, die mit der ISA und ROSA aktiv werden wollen. Zwei rote Fäden zogen sich durch alle Diskussionen: erstens die marxistische Übergangsmethode – also die Aufgabe, die notwendige revolutionäre Überwindung des Kapitalismus ausgehend vom jetzigen Bewusstsein und aktuellen Kämpfen und Bewegungen greifbar zu machen; und zweitens der sozialistische Feminismus – also der Fokus auf die besonders wichtige Rolle von Frauen und nichtbinären Personen (aber auch auf die Aufgaben von Männern) in den Kämpfen der Arbeiter*innenklasse. Das Camp war also nicht nur Erholung, sondern vor allem konkrete politische Vorbereitung auf die stürmischen Zeiten, die uns bevorstehen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Rückkehr der Atomkraft als Klimaretter?

Christian Steiner

Das AKW Zwentendorf steht symbolisch für Österreichs Auseinandersetzung mit der Nutzung von Atomkraft. Im November 1969 wurde der Bau durch die Regierung Klaus II genehmigt, im Dezember 1978 nach einer Volksabstimmung das Atomsperrgesetz erlassen und 1999 in die Verfassung aufgenommen. Unter dem Vorwand, eine Lösung für die Klimakrise darzustellen, versuchen die Kapitalist*innen, die Atomkraft wieder salonfähig zu machen. Die unsichere Versorgung mit fossilen Energieträgern, verstärkt durch den russischen Angriff auf die Ukraine, wird ebenfalls als Argument genutzt. Die EU-Kommission hat AKW’s und Gaskraftwerke als Brückentechnologie für die Energiewende eingestuft. Damit erhalten sie zusätzliche Förderungen und der erzeugte Strom erhält das Mascherl “klimafreundlich”. Auch aus Österreich gibt es prominente Stimmen, die den Bau von AKW’s für die Erreichung der österreichischen Klimaziele propagieren, zuletzt vom Präsidenten der oberösterreichischen Industriellenvereinigung Axel Greiner. Schon jetzt stammen laut IG Windkraft ca. 11% des in Österreich verbrauchten Stroms aus Atomkraftwerken, vorwiegend aus Tschechien. 

Private Gewinne - öffentliche Kosten

Der Bau von AKW’s dauert im Schnitt 10 Jahre und kostet mehrere Milliarden Euro. Der Betrieb ist nicht CO2 neutral, denn der Brennstoff Uran muss aufwendig geschürft und aufbereitet werden und die radioaktiven Abfälle müssen in einem Endlager verschlossen werden, das tausende Jahre hält. Weder kann die Sicherheit der Endlager gewährleistet werden noch können die Kosten hierfür abgeschätzt werden. Es wird bewusst in Kauf genommen, das Müllproblem auf zukünftige Generationen abzuwälzen. Die Kosten für Rückbau und Endlagerung werden schlussendlich auf die Allgemeinheit ausgelagert, denn die gebildeten Rücklagen der Konzerne sind endlich und unzureichend. Der Betrieb eines AKW ist im kapitalistischen System auf Maximierung der Profite ausgerichtet, was zur Folge hat, dass die Sicherheit der Anlagen kostenoptimiert wird. Das Leid tausender Menschen wird in Kauf genommen, wie im Fall von Fukushima oder auch Tschernobyl, um die Interessen der Herrschenden durchzusetzen. Atomkraft ist kein Mittel, um den Klimawandel zu stoppen, dafür dauert der Ausbau zu lange, stimmt die CO2 Bilanz nicht, ist sie zu teuer und verschlimmert das Problem des radioaktiven Mülls. Trotzdem wird sie in der Öffentlichkeit beworben, weil man, im Gegensatz zu erneuerbaren Energien, weiterhin eine Ressource hat, auf die man spekulieren und somit fette Gewinne erzielen kann.

(Energie)Wirtschaft dem Profitsystem entziehen

Das kapitalistische System funktioniert auf unsere Kosten und liefert keine Lösungen für die Klimakrise, sondern verschlimmert sie nur. Die technischen Lösungen für die Klimakrise existieren schon, werden aber nicht umgesetzt. Es ist notwendig, dass Entscheidungen zum Wohle der Allgemeinheit getroffen werden und nicht nach Profitinteressen! Daher brauchen wir ein neues, ein demokratisches System, in dem speziell der Energiesektor nicht profitorientiert aufgebaut und entwickelt wird. Dazu muss er von der Gesellschaft kontrolliert, besessen und verwaltet werden. Die Entwicklung des Energiesektors muss von der Vertretung der Arbeiter*innenklasse unter Aspekten der Nachhaltigkeit, Sicherheit und Umweltverträglichkeit bestimmt werden.

Um die Klimakrise zu bekämpfen ist die alleinige Umstellung des Energiesektors aber nicht genug. Vor allem Industrieproduktion, Mobilität und Landwirtschaft müssen nachhaltiger gestaltet werden. Diese notwendigen Änderungen bedürfen es, dass wir Arbeiter*innen das kapitalistische System bekämpfen und für ein sozialistisches System, das effizient und gleichberechtigt ist, eintreten.

 

Daten und Fakten:

In Fukushima verloren 80.000 Menschen dauerhaft ihre Heimat. TEPCO kürzte Beschäftigten das Gehalt um 23% wegen der Folgekosten. Die Kosten der Katastrophe von ca. 200 Mrd $ muss die Allgemeinheit tragen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Setz die rosa Brille auf, Doomer

Sonja Grusch

Endlich ist er da, der Sommer. Wir werden ihn genießen nach einem weiteren Jahr Corona. Der Sommer 2022 wird wohl bei vielen was von “ein letztes Mal auf den Putz hauen” haben. Weil wer darauf schaut, was kommt, kann eigentlich nur in Angst und Depression verfallen. Der Krieg rückt immer näher. Das Leben wird unerschwinglich. Der Stress in Schule und Job steigt. Die nächste Wirtschaftskrise steht bevor. Der Planet heizt sich auf. Und Corona kommt spätestens im Herbst auch wieder. Und für all das ist ganz offensichtlich keine Lösung in Sicht. Die herrschende Politik als überfordert zu bezeichnen ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie versagt auf voller Linie.

Die Studien häufen sich, die eine Zunahme psychischer Erkrankungen feststellen. Corona hier als Ursache zu nennen, greift zu kurz. Es ist die Erkenntnis, dass “alles den Bach runter geht”. Sind wir also alle “Doomer”, also Pessimist*innen angesichts der Krisen? Eine simple Darstellung, oder eigentlich wieder mal eine, die die Erklärung beim Individuum sucht. Nicht das System ist da schuld, das diese katastrophale Perspektive produziert, sondern du, wenn du so einen pessimistischen Ausblick hast. Setz dir einfach die rosa Brille auf, sieh das Gute, erfreue dich an den kleinen Dingen. Die Butter am Brot ist eh ungesund, zuhause ist es doch am schönsten und ist doch toll, wenn wir bald Mangos und Ananas im Burgenland anbauen können.

Und jetzt mal stopp! Es ist ja nicht so, dass die Mehrheit der Menschen hierzulande im Luxus leben würde. Ja, vielen Menschen in anderen Regionen der Welt geht es noch viel schlechter. Doch wohin führt eine solche Argumentation? Wir sollen dankbar sein für die Brosamen, die uns die Reichen überlassen?! Oder noch schlimmer, wir sollen unsere Bedürfnisse noch weiter runterschrauben, “fürs Klima” oder wahlweise auch “für die westlichen Werte”. Was für eine Lüge und was für ein Zynismus! Es ist das alte Spiel der Herrschenden, um sich ihre Privilegien und ihren dekadenten Lebensstil zu sichern. Weder in der Ukraine, noch in Russland werden die Menschen in Folge dieses Krieges mehr mitzureden haben, weil die Oligarch*innen weiter die Strippen ziehen. Und die globale Erwärmung kann nur mit der Umstellung der Produktion im Großen in den Griff bekommen werden.

Ist also angesichts der Vielzahl von Problemen die Menschheit dem Untergang geweiht? Rosa Luxemburg hat vor über 100 Jahren erklärt, dass wir die Wahl zwischen Barbarei und Sozialismus haben. Der Kapitalismus bringt ersteres. Zweiteres zu erreichen ist keine leichte Sache. Doch angesichts der Alternative unbedingt notwendig. Die Millionen, die für Demokratie und Klimagerechtigkeit, für Frauen- und LGBTQI+ Rechte, für ordentliche Bezahlung und mehr Personal, gegen Aufrüstung und gegen Rassismus auch trotz Repression immer wieder aufstehen und sich organisieren sind der Beweis dafür, dass die Menschheit eine echte Chance auf eine Zukunft hat. Den Sommer zu genießen ist eine gute Sache, wir brauchen die Energie für die Kämpfe, die vor uns liegen. Weil uns nichts geschenkt werden wird, sondern wir uns unsere Zukunft erkämpfen müssen. 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Future Children need to organise!

Severin Berger

Drei Aktivistinnen auf drei Kontinenten - jung, wütend und überzeugt, dass Veränderung möglich ist. Um die Leben von “Pepper”, Hilda und Rayen dreht sich der Film “Dear Future Children”.

Mit dem Vorwissen über den Inhalt denkt man bei dem Titel vielleicht an einen Versuch, den “Future Children” Wissen mit in den Kampf zu geben. Leider schafft der Film es aber kaum, Antworten auf die brennendsten Fragen der Jugend zu liefern und lässt mögliche Wege zum erfolgreichen Kampf völlig aus. Das führt dazu, dass, trotz der beeindruckenden Bilder, vor allem ein Gefühl der Frustration und Hilflosigkeit bleibt.

Klar zeigte sich das bei der Premiere in Österreich: Nach der Vorstellung wurde das Publikum gefragt, was sie aus dem Film mitnehmen: Unter den meistgenannten Begriffen waren: “Angst”, “Wut” oder “Frust”. 

Aus dem Versuch einer “neutralen” Position heraus verfehlt der Film so das eigentliche Zielpublikum. Denn welche*r Aktivist*in will nach dem Versprechen eines “must-watch” eine Dokumentation sehen, welche die wahren Möglichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Kampfes völlig weglässt.

Viele der großen Bewegungen der letzten Zeit stehen an einem Scheideweg und Fragen über Formen der Organisation, der Kampfform, der Bündnispartner*innen und v.a. des Programms werden über ihre Zukunft entscheiden. Genau deshalb wäre es politisch wichtig, in so einem Film diese Fragen im Kontext erfolgreicher Bewegungen aufzugreifen.

Drei Kämpferinnen - Keine Perspektiven?

“Pepper” war Teil der Proteste in Hong Kong 2019. Im Film werden immer wieder die Probleme dieser Bewegung gezeigt: Oftmals basierten Entscheidungen eher auf Improvisation und Emotionen statt auf politischer Diskussion. Daraus stammende individuelle Aktionen sind natürlich verständlich, allerdings auch ein Zeichen für das Fehlen einer demokratischen Struktur als Rückgrat. Obwohl das Aufbauen einer solchen einer der wichtigsten Schritte zum Erfolg einer sozialen Bewegung ist, wird das kaum konkret im Film angesprochen. Die Frage, warum sich keine reelle Perspektive in der Bewegung bilden konnte, bleibt für das Publikum einfach offen. 

Hilda Flavia Nakabuye ist in FFF Uganda aktiv und setzt sich dort für Klimagerechtigkeit ein. Leider verfällt der Film hier sehr schnell der bürgerlichen Seite dieser Bewegung. Anstatt die Notwendigkeit und auch den Erfolg von vereinten Arbeiter*innen- und Schüler*innenstreiks zu zeigen, wird ein großer Fokus auf den Besuch einer Klimakonferenz (C40) gesetzt. Wieder nur ein großes “Bla-Bla” - Politiker*innen, die sich dort gegenseitig Preise verleihen anstatt die Hilferufe der Jugend ernst zu nehmen und eine konsequente Umstellung der Produktion voranzutreiben. 

Rayen war die politischste der drei Menschen im Portrait, mit Verbindung zur chilenischen Arbeiter*innenbewegung und klaren Vorstellungen, wie Massenstreiks die herrschende Klasse zum Handeln zwingen können. Leider wird über die Länge des Films hinweg nie erwähnt, ob oder wie Rayen organisiert ist und es wird auch hier das Bild einer einzelnen Kämpferin ohne große Vernetzung gezeichnet. Dabei wäre genau Chile endlich ein Lichtblick für das Publikum gewesen: 2019 haben Proteste und Streiks u.a. zu einer neuen Verfassung geführt. Dies war nur durch eine konsequente Bewegung von unten möglich, die untereinander organisierte, um gemeinsame politische Linien und Forderungen zu bilden. 

 

Videopodcast: "World to Win"

“Dear Future Children” ist zwar der Bilder wegen sehenswert, liefert allerdings kaum Strategien zum erfolgreichen Kampf. Falls du, liebe*r Leser*in genau nach sowas suchst, solltest du unbedingt am YouTube-Kanal der ISA vorbeischauen: In unserem (Video-)Podcast “World to Win” sprechen Aktivist*innen aus der ganzen Welt genau sowas auch an. (Auch auf Spotify zum Hören).

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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