Internationales

Nachtzug-Killer und Nachtzug-Retter

Breite Kampagne fordert: Ausbau des Nachtzugnetzes
Winfried Wolf

Zynischer hätte man es kaum arrangieren können: Ausgerechnet auf der Fahrt eines Promi-Sonderzugs zum Klimagipfel in Paris, im Dezember 2015, verkündete der Ex-Kanzleramtschef und neu installierte Bahnvorstand Ronald Pofalla, die Deutsche Bahn AG beabsichtige im Dezember 2016 die Einstellung aller Nachtzüge. Diese seien „total unwirtschaftlich“.Man habe „alles Erdenkliche unternommen“, doch „trotz der Sanierungsbemühungen“ seien dies Züge „stark defizitär.“ Im übrigen gäbe es „keinen ausreichenden Bedarf für dieses Marktsegment.“ Mit Rio Reiser gilt: ALLES LÜGE!

LÜGE Nummer 1 – „alles unternommen“

Das Gegenteil trifft zu. Die Deutsche Bahn AG betreibt seit mehr als fünf Jahren eine systematische Politik, um die Nachtzüge auf den Prellbock zu dirigieren. Das hat System. Auf diese Weise wurde Ende der 1990er Jahre die beliebte Zuggattung InterRegio (IR) kaputt gemänätscht. Damals nahm man zuerst die Speisewagen aus den Zügen, entfernte sodann die beliebten Kindersitze und legte schließlich die IR-Fahrplan-Daten so, dass Anschlüsse nicht mehr klappten. 2001 wurde verkündet: Operation geglückt – Patient Inter-Regio tot.

Genau dieses Kaputt-mach-Modell kam in jüngererZeit bei den Nachtzügen zum Einsatz. So wurden Ende 2014 moderne Schlaf- und Liegwagen ausgemustert, damit man 2015 jammern konnte, es herrsche „Fahrzeugmangel“. Jahrelang erhielt man bei Onlinebuchungen bei den Nachtzügen die Frust-Mitteilung „Preisauskunft nicht möglich“. Wichtige Verbindungen (so Hamburg – Paris und München – Hamburg) waren wochenlang überhaupt nicht buchbar und fuhren entsprechend fast leer im Netz.

LÜGE Nummer 2 – „keine ausreichende Nachfrage“

Tatsächlich nutzten bisher Jahr für Jahr 2,7 Millionen Fahrgäste die Nachtzüge – trotz der angestrengten Bemühungen des Bahnvorstands, die Züge auf den Prellbock rollen zu lassen. Dabei wird systematisch mit statistischen Tricks gearbeitet – so wenn von einer „sehr niedrigen Auslastung“ der Nachtzüge die Rede ist. Tatsächlich erscheinen in der Statistik der DB ausgebuchte Schlafwagen oft als nur mit 33 Prozent oder gar zwanzig Prozent „Auslastung“, obgleich sie in Wirklichkeit zu einhundert Prozent belegt sind. Wie das? Weil die Dreibettabteile durch Politiker oder Geschäftsleute mit Single-Buchung oder für Pärchen mit Double-Buchung reserviert sind und die Reisenden womöglich nur auf einer Teilstrecke unterwegs sind. Dabei kassiert in solchen Fällen die Bahn ja zu hundert Prozent, behauptet aber eine krass niedrige Auslastung, weil sie solche Sonderbelegungen nicht berücksichtigt beziehungsweise die Belegung auf die zurückgelegten Kilometer umrechnet. Wer jedoch in den letzten Jahren einen Nachtzug buchen wollte, stellte fest, dass diese oft Wochen vor der Fahrt komplett ausgebucht sind. Und überhaupt: Leben wir nicht in einer Gesellschaft, in der die Nacht zum Tag wird und viele Anbieter – siehe „Die lange Nacht der Museen“ – darauf „marktgerecht“ reagieren.

LÜGE Nummer 3 – „völlig unwirtschaftlich“

Auch diese Behauptung kann im Detail zerpflückt werden. Hier nur zwei Hinweise. Erstens: Die Wirtschaftlichkeit der Nachtzüge hängt stark von den Trassenpreisen ab. Das ist die „Schienenmaut“, die Nachtzüge an DB Netz, eine andere Bahntochter, zu bezahlen haben. Damit sind aber die Kosten (und eventuell Verluste) der Nachtzüge zugleich Gewinne bei DB Netz. Wer also bei den Nachtzügen „spart“, senkt die Bahngewinne anderswo. Zweitens: Die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB), die grundsätzlich ja auch mit Wasser kochen, bauen den Nachtzugverkehr aus. Sie rechnen im Detail vor, dass Nachtzugverkehr profitabel betrieben werden kann. Warum dort und nicht hier? Grotesk: Die Österreicher wollen Teile der deutschen Nachtzüge übernehmen, wenn die DB AG wirklich aus dem Segment aussteigt. Können Ösis nicht rechnen?

Gegen das Aus bei den Nachtzügen hat sich ein breites Bündnis gebildet. An diesem sind die Betriebsräte der betroffenen Bahntochter (DB ERS – DB European Railservice), die Grünen im Europaparlament, die LINKE im Bundestag, Umweltverbände und die GDL beteiligt. Im Mai erscheint ein Sonderheft der Zeitschrift Lunapark21 zu den Nachtzügen und ein Faltblatt, in dem ein konkretes Modell für ein europaweites Nachtzug-Netz vorgestellt wird. Im Juni wird es medienwirksame Aktionen gegen das Nachtzug-Aus geben.

Kubas verlorener Kampf gegen US-Imperialismus

Shona Thompson

Im März besuchte Obama Kuba als erster US-amerikanischer Präsident seit der Revolution von 1959. Ziel dieser Annäherung war die Lockerung des Handelsembargos. Dieses war eingeführt worden, um Kuba als linkes Vorbild der Region in die Knie zu zwingen. Das Handelsembargo hat der kubanischen Wirtschaft über die Jahrzehnte einen Schaden von 1.1 Billionen Dollar zugefügt. Bis zu ihrem Zerfall war die Sowjetunion ein elementarer Wirtschaftspartner, danach waren es Venezuela und China. Weil nun auch deren Wirtschaft schwächelt, knüpft Kuba Kontakte mit den USA und öffnet sich immer mehr für ausländisches Kapital. Geschäftsleute aus den USA wittern einen neuen Absatzmarkt und Investitionsflächen.

Was bedeuten ausländische Investitionen? Nach der Revolution wurde im Zuge der Agrarreform Großgrundbesitz verstaatlicht. Auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) wurde 2011 die Abkehr von der Planwirtschaft verkündet. Aktuell sind 50–70% der Landfläche in Privatbesitz und rund 500.000 KubanerInnen arbeiten im privaten Sektor. Eine der wichtigsten Einkommensquellen des Staates ist der Tourismus. Privates Kapital findet sich v.a. in Form von ausländischen Hotelketten und Restaurants auf der Insel. Die Einnahmen des privaten Sektors fließen größtenteils ins Ausland. Privatisierungen bringen also keine Erhöhung des Lebensstandards der KubanerInnen.

Beim Parteitag im April wurde die weitere Öffnung für ausländisches Kapital fixiert, den letzten Resten der Planwirtschaft geht es an den Kragen. Die kapitalistische Wirtschaftsweise will auch die letzten Ecken der Welt durchdringen. Der privilegierte Bürokratieapparat der PCC hat die Privatisierung forciert, anstatt internationale Bewegungen und Kämpfe der Unterdrückten und Ausgebeuteten zu unterstützen, aus welchen neue BündnispartnerInnen hätten werden können. Damit haben sie die Errungenschaften der Revolution gefährdet. 

Kuba ist noch bei weitem fortschrittlicher als alle anderen, kapitalistisch geführten Länder Südamerikas. Die kubanischen ArbeiterInnen dürfen nicht darauf hoffen, dass Raúl und Fidel Castro für ihre Rechte kämpfen werden, sondern müssen diese auch gegen die Maßnahmen der Parteiführung verteidigen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen - Deutschland/Hongkong/Belgien

Sozialismustage in Berlin

Von 25.– 27.März fanden in Berlin die „Sozialismustage“ der Sozialistischen Alternative (CWI inDeutschland) statt. 420 Menschen nahmen teil, zehn traten im Rahmen des Wochenendes der SAV bei, was alle Erwartungen übertraf. Es gab drei große Veranstaltungen mit RednerInnen aus den USA, Britannien, Griechenland u.a., sowie 30 Kommissionen und Aktivitäten wie diverse Workshops.

http://www.sozialismus.info

 

Hongkong: Aktion gegen Steuerflucht

Am 12. April protestierten zwei Dutzend AktivistInnen vor dem Büro von Mossack Fonseca in Hongkong, der Firma im Zentrum des Panama Papers Skandals. Organisiert wurde die Aktion von Socialist Action (CWI in Hongkong). Das geheim im 14. Stock versteckte Büro von Mossack Fonseca wurde von Demosprüchen wie "Tax the rich!" erschüttert. Zentrale Forderungen waren die Trockenlegung von Steuerparadiesen (Hong Kong selbst ist auch eines) und eine starke Besteuerung der Reichen. Gefordert wurde auch, dass die Banken in öffentliches Eigentum und Kontrolle überführt werden müssen. Denn Banken sind stark in Steuerfluchthilfe involviert - 500 von ihnen werden in den Panama Papers genannt. Der Protest wurde von der Liga der SozialdemokratInnen und ihrem Vorsitzenden Leung Kwok-Hung unterstützt.

http://www.socialism.hk

 

Belgien: Nein zum Terror, nein zum Hass

Nach den Anschlägen vom 22. März nutzen die Herrschenden und Rechtsextreme die Angst für Rassismus, Sozialabbau und Repression. LSP/PSL (CWI in Belgien) nahm an Gedenkveranstaltungen teil, organisierte Kundgebungen - und wandte sich gegen Rassismus UND Repression. Sie fordert, dass die Gewerkschaft Antworten auf die sozialen Fragen geben muss. LSP/PSL verteidigte am 27. März eine Versammlung der Opfer der Anschläge gegen 400 Rechtsextreme. Am 2. April wurde ein Versammlungsversuch der "Identitären" mit einer antirassistischen Gegenmobilisierung beantwortet. Die Polizei verhaftete willkürlich, u.a. elf Mitglieder von LSP/PSL. "Nein zum Terror, nein zum Hass" ist das Motto der LSP/PSL, um eine Bewegung aufzubauen, die einen Ausweg aus der Gewaltspirale des Kapitalismus weist.

http://www.socialisme.be

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kein böses Wort mehr

Das böse Wort ist in den USA nicht mehr Sozialismus, sondern zunehmend Kapitalismus.
Marcus Volodarsky

Lange war „Sozialismus“ in den USA ein Tabu-Wort. Als SozialistIn ist man missbilligt und sogar verfolgt worden. Nun lebt der angeblich tote Begriff gerade unter Jugendlichen auf - besonders durch die Kampagne des demokratischen Kandidaten Sanders, der sich als "demokratischer Sozialist" bezeichnet. So haben 43% der Befragten unter 30 bei einer YouGov-Umfrage im Jänner 2016 Sozialismus positiv bewertet, und nur 32% Kapitalismus. Dies spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung wider. Die Jugend hat nicht den "Sozialismus" stalinistischer Regimes erlebt, jedoch sehr wohl ihre Erfahrung mit dem Kapitalismus gemacht. Ein System, das zum Inbegriff von Perspektivlosigkeit geworden ist: Mindestlohnjobs, wuchernde Studiengebühren (CollegeabsolventInnen sind mit durchschnittlich $35.000 verschuldet), Arbeitslosigkeit (über 10% der Jugendlichen). Die falschen Versprechen des Kapitalismus sind als Folge der Krise enttarnt worden. Aus dem amerikanischen Traum wurde der amerikanische Alptraum. Der Wunsch nach einer Systemalternative ist gewaltig und Sozialismus ist populärer als je zuvor – auch wenn vielen unklar ist, was das tatsächlich ist. Es ist deswegen die Aufgabe von MarxistInnen, diese Stimmung mit dem Kampf für eine revolutionäre Veränderung und eine demokratisch geplante Wirtschaft zu verbinden.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Israel/Palästina: Get organised!

Jüdische und palästinensische Beschäftigte kämpfen für gewerkschaftliche Organisierung – Gemeinsam!
Neta Most

Seit 2008 steigt die gewerkschaftliche Organisierung in Israel/Palästina stark. 40.000 Beschäftigte traten 2014 und 2015 dem Gewerkschaftsdachverband Histadrut bei. Es waren jüdische und palästinensische ArbeiterInnen: BusfahrerInnen, Lehrende, Beschäftigte bei McDonalds, Visa und Mastercard, bei Fabriken und Telekom-Unternehmen. Das Ziel dieser Neuorganisierung sind Kollektivverträge, für die mindestens ein Drittel der Beschäftigten eines Betriebes derselben Gewerkschaft angehören muss.
2000-14 wuchs die israelische Wirtschaft um durchschnittlich 3,3% pro Jahr. Der Anteil der Unternehmen am BIP wuchs von 14% auf 17%, während der Anteil der Beschäftigten von 61% auf 57% fiel. Das Durchschnittseinkommen stieg zehn Jahre lang nicht, die Preise schon. 18,8% aller israelischen Familien leben unter der Armutsgrenze. Bei palästinensischen Familien in Israel beträgt die Armutsrate aufgrund der Kombination von neoliberaler Politik und nationaler Unterdrückung 52%. Die ArbeiterInnenklasse hatte nichts vom Wirtschaftswachstum, auch weil der Organisierungsgrad 1980-2012 von 85% auf 25% gefallen war. Gewerkschaftsmitglieder gingen in Pension und wurden durch unorganisierte LeiharbeiterInnen ersetzt. Nur ein Drittel der Beschäftigten ist durch Kollektivverträge geschützt.
Die Bosse tun alles, um eine Organisierung zu verhindern. Viele, die zum Gewerkschaftsbeitritt aufrufen, werden mit Jobverlust, Strafen und physischen Attacken bedroht. Die neue Schicht sich organisierender Beschäftigter fand oft keine Gewerkschaft, die sie organisieren wollte. Die Führung der Histadrut und ihrer Gewerkschaften versagte kläglich, eine Kampfstrategie zu entwickeln. Die Erfahrungen aus diesen Kämpfen führten zu einer neuen Gewerkschaft: „Alle Macht den ArbeiterInnen“ („P2W“). Mitglieder von Socialist Struggle (CWI in Israel/Palästina) spielen in P2W eine führende Rolle.
Eine der ersten Aktivitäten von P2W war im Wissenschaftsmuseum. Die Beschäftigten protestierten gemeinsam mit P2W gegen die Weigerung des Managements, mit ihnen zu verhandeln. Das Management schickte eine Gruppe von Securities, um die streikenden ArbeiterInnen zu verprügeln. Sie brachen einem P2W Aktivisten die Kniescheibe. Das Management war letztlich gezwungen, mit den Streikenden zu verhandeln. Es folgte ein Präzedenzurteil: das Management muss nun mit jener Gewerkschaft verhandeln, die die Beschäftigten auswählen, sofern sie genug Unterschriften haben.
Die Beschäftigten der Telekommunikationsfirma Pelephone organisierten sich 2012 im Histadrut. Das Management verweigerte Verhandlungen mit den Streikenden. Sie übten Druck auf ArbeiterInnen aus und beschlagnahmten die Autos der StreikführerInnen. Auch hier musste das Management dann mit dem Komitee verhandeln.
Die neue demokratische - wenn auch kleinere - Gewerkschaft plus der Druck aus den eigenen Reihen zwang den Histradrut, Antworten auf die Fragen der neuen Schicht von ArbeiterInnen zu geben. Histadrut mobilisierte Betriebsräte, hielt Soli-Kundgebungen ab und war auf den Demonstrationen von Pelephone stark vertreten. Ein Ergebnis des Drucks, denn für gewöhnlich werden Kämpfe gegen Privatisierung oder andere Attacken durch die Regierung nicht derart unterstützt.
Die Organisierungswelle schuf eine neue Schicht von palästinensischen ArbeiterInnenführerInnen. In manchen Fällen führten Sie gemeinsame Komitees von jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen an. Wie die Putzkräfte der Tel Aviv Universität, angeführt von Ali Tulat, der auch Teil der gewählten P2W Führung ist. Ihr Komitee wurde 2014 gegründet und kämpft nun für bezahlte Mittagspausen und letztlich für eine Direktanstellung durch die Universität.
Bei Light Rail in Jerusalem organisierten sich sowohl jüdische wie auch palästinensische Beschäftigte. Die FahrerInnen protestierten gegen niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten. Der Anführer dieses Komitees ist Nidal Atrash, ein palästinensischer Bahnführer aus dem besetzten Ost-Jerusalem. Das Komitee hatte das Management unter Druck gesetzt, um den FahrerInnen zu ermöglichen, zur Arbeit zu fahren. Ihre Dörfer waren durch die israelische Repression vom Rest Jerusalems abgeschnitten. „Als wir im Kampf standen, sagte niemand ‚Das ist ein Araber‘ oder ‚Der hier ist jüdisch‘, weil wir alle auf derselben Seite standen. Jeder hat sich beteiligt. Das Management will AraberInnen und JüdInnen gegeneinander ausspielen, weil es in ihrem Interesse liegt.“
Diese Beispiele für gemeinsame Kämpfe von jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen fordern die Teile und Herrsche Politik des israelischen Kapitalismus heraus. Socialist Struggle unterstützt die sich neu bildenden Komitees sowie die Idee des gemeinsamen Klassenkampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Wir kämpfen gegen ein Ende der Besatzungspolitik und nationaler Unterdrückung und für Gleichheit, soziale Rechte, Frieden und Sozialismus für alle ArbeiterInnen.

 

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Gmunden zeigt internationale Solidarität

Peter Hauer

Die Kampagne #OutsourcingMustFall in Südafrika kämpft gegen Arbeitslosigkeit und Outsourcing. Vusi Mahlangu, ein leitender Aktivist, wurde von Unbekannten entführt.
 
Als Reaktion fand am 1. April in Südafrika ein nationaler Solidaritätstag statt. Die Gmundner Ortsgruppe der SLP unterstützte diesen mit einer Fotoaktion und Straßendiskussionen mit PassantInnen. Die Leute zeigten sich interessiert, wollten mehr Informationen über die Kampagne und waren geschockt über die Situation in Afrika.
 
Beim nachfolgenden wöchentlichen Ortsgruppentreffen, wo viele InteressentInnen anwesend waren, wurde noch über die Kampagne in Südafrika diskutiert und weitere Fotos gemacht. Erleichterung herrschte ein paar Tage später, als wir erfuhren, dass es Genosse Vusi gut geht und er in Sicherheit ist.
 

 

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Frisch gestreikt ist halb gewonnen

Christoph Glanninger

Der 1. April 2016 war für den Bürgermeister von Chicago (bekannt als Bürgermeister des reichsten 1%) alles andere als lustig. Über 15.000 LehrerInnen und UnterstützerInnen brachten die Stadt durch einen Streik zum Stillstand. Der Streik fordert nicht einfach nur ein höheres Gehalt, sondern wendet sich gegen das Kaputtsparen des öffentlichen Schulsystems. Gefordert wurde u.a. die Finanzierung des Schulsystems durch die Vermögen von Superreichen. Möglich wurde das, weil die LehrerInnengewerkschaft von Chicago (CUT) seit 2010 eine linke Führung hat und bereits 2012 einen wichtigen Arbeitskampf führte.

Mitglieder werden mobilisiert, eingebunden und Entscheidungen demokratisch getroffen - da ist es nicht überraschend, dass der aktuelle Streik mit 96% beschlossen wurde. Erfolgreich macht die CUT auch die Einbeziehung verschiedener UnterstützerInnen (Nachbarschaftsgruppen, SchülerInnen, Eltern usw.). Denn der Kampf für bessere Schulen betrifft alle. Während des aktuellen Streiks gab es in der ganzen Stadt Solidaritätsaktionen und sogar einen Solidaritätsstreik von Fast Food Beschäftigten. Unterstützung bekommen die LehrerInnen auch von der afroamerikanischen Community, da sich die CUT immer wieder gegen rassistische Diskriminierung ausgesprochen hat. So geht Streiken im Öffentlichen Dienst: systemüberwindende Forderungen aufstellen und breite Unterstützung mobilisieren. Da können sich GÖD & Co. ein paar Scheiben abschneiden.

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Japan nach 25 Jahren Stagnation

Carl Simmons

Rechtsruck und Proteste

Seit kurzem gilt Shinzo Abe als am längsten amtierender Premierminister Japans seit beinahe vierzig Jahren. Seine Regierung unter Führung der „Liberal Demokratischen Partei“ (LDP) hat in den Meinungsumfragen auf Platz eins zurückgefunden, obwohl es im vergangenen Sommer große Demonstrationen gegen neue Sicherheitsgesetze gegeben hat, die von einer Mehrheit der Bevölkerung klar und unumwunden abgelehnt werden.

Diese zeitweilige Stabilisierung war in erster Linie möglich, weil die Opposition so schwach und es eine Tatsache ist, dass das Scheitern der „Abenomics“ (Wirtschaftspolitik von Abe) für die Masse der Bevölkerung noch nicht sichtbar geworden ist. Allerdings wird dies der Regierung wahrscheinlich nur eine kurze Atempause verschaffen. Hinter der Fassade der politischen und sozialen Stabilität steckt der Kapitalismus Japans in einer umfassenden Krise – selbst vor der jüngsten Schwäche der globalen Kapitalmärkte.

Das durchschnittliche Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (Gesamtleistung) lag in Japan seit 1990 bei unter einem Prozent. Was als „verlorenes Jahrzehnt“ begann, ist nun zu den „verlorenen zwanzig Jahren“ geworden. Der Charakter dieses Rückgangs ist durch einen kurzen Bericht des landesweiten Fernsehsenders NHK belegt. Darin hieß es kurz vor den Neujahrsferien, dass Japan in der OECD-Rangliste zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf den 20. Platz gefallen ist. Das ist das schlechteste Abschneiden seit 1970.

Abgesehen von diesem langsamen wirtschaftlichen Niedergang erlebt Japan auch noch einen raschen Rückgang, was die Einwohnerzahlen angeht. Ein von der Regierung finanzierter Bericht hat davor gewarnt, dass die Anzahl der JapanerInnen bis 2060 von 127 Millionen Menschen auf 87 Million sinken wird. Vierzig Prozent davon werden älter als 65 sein.

Der Aufstieg Chinas

Die Bedeutung der Krise und die Beunruhigung aufgrund des nationalen Niedergangs ist durch den dramatischen Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen und militärischen Großmacht und somit zum Kontrahenten noch verschärft worden. Es vergeht kaum eine Woche ohne oberflächliche Halbwahrheiten in der japanischen Presse, die diesen verhältnismäßigen Niedergang zum Ausdruck bringen. So haben zum Beispiel chinesische Universitäten zum ersten Mal japanische Hochschulen im Ranking übertroffen. Obendrein haben die meisten Universitäten in Asien und auch die meisten Publikationen chinesischer Wissenschaftsjournale diejenigen aus Japan nun überholt. Hinzu kommen Berichte vom Ausbau des chinesischen Militärs zur neuen Seemacht.

Es ist dieses Verständnis von der Krise, dass den Aufstieg von Abe mit seiner nationalistischen Rhetorik verstärkt hat. Das ist auch am Charakter seiner Partei, der LDP, abzulesen, der sich verändert hat. In der Vergangenheit wurde diese Partei von individuellen Cliquen dominiert, die einzelne Abgeordnete des japanischen Parlaments unterstützt haben, welche die Gelder für Bauprojekte beschafft und umgekehrt abwechselnd Kabinettsposten und das Amt des Premierministers getauscht haben. Mögliche unterschiedliche Positionen waren dabei zweitrangig. Heute wird die Partei von der „Nippon Kaigi“ („Japankonferenz“) beherrscht, für die Abe als Berater agiert. Man geht davon aus, dass diese nationalistisch geprägte Organisation innerhalb der LDP mittlerweile von 289 Parlamentariern und einer Mehrheit der Kabinettsmitglieder von Abe unterstützt wird.

Während Abe ganz persönlich hinter der reaktionären Ideologie der rechtsgerichteten Politiker und ihrem Programm zur Änderung der Verfassung steht, weiß er gleichzeitig auch, dass er die Stimmung in der japanischen Gesellschaft im Blick haben muss. Und die tendiert zur Zeit nicht dazu, die Uhr zurückzudrehen und die demokratischen Rechte einzuschränken. Die Ratifizierung des Gesetzes zur Sicherung von Staatsgeheimnissen, die Versuche, die Opposition dadurch ruhig zustellen, dass man die Presse unter Druck gesetzt hat, und nun die Ratifizierung der neuen Sicherheitsgesetze (die Japans militärische Handlungsfähigkeit ausweiten, A.d.R.) – all dies hat bei einem Teil der Gesellschaft die Alarmglocken läuten lassen. Hinzu kommt, dass eine Schicht von jungen Menschen politisch aktiv geworden ist. Auch wenn sie zeitweilig geschlagen worden ist, so ist die Bewegung gegen die Sicherheitsgesetze von letztem Sommer nicht ohne gesellschaftliche Wirkung geblieben.

Die Strategie von Premier Abe

Je näher der Termin für die nächsten Parlamentswahlen im Juli rückt, desto stärker betont Abe, dass die Opposition keine Alternative zu seiner „Abenomics“ zu bieten hat. Auch wenn die Frage der Verfassungsänderung voraussichtlich nicht zum Kernthema seines Wahlkampfes werden wird, so wird Abe doch versuchen, aus den Geschehnissen wie zum Beispiel dem Atomwaffenversuch Nordkoreas oder den weiteren Vorfällen mit chinesischen Schiffen in von Japan beanspruchten Gewässern Profit zu schlagen. Auf diesem Weg wird er versuchen, Werbung für die Idee der Verfassungsänderung zu machen. Egal, was letztlich dabei herauskommen wird: Er wird alles mit Bedacht angehen, weil er weiß, dass es nicht einfach werden wird, ein entsprechendes Referendum für sich zu entscheiden. Ferner ist ihm auch klar, dass ein Erfolg oder ein Scheitern seiner Regierung letztlich von seiner Wirtschaftspolitik abhängen wird.

Das Scheitern der „Abenomics“

Anfangs hat die Politik der Regierung, die sich auf das „Quantitative Lockerung” verständigt hatte, dazu geführt, dass die großen Konzerne des Landes wesentlich mehr Profit abwarfen. Rund dreißig Prozent der Unternehmen, die zur ersten Garde der Werte an der Tokioter Börse (TSE) gehören, vermeldeten für 2014 Rekordgewinne. Das war die höchste Zahl seit 2006 als 36 Prozent der Konzerne diese Nachricht verkünden konnten. Insgesamt stiegen 2014 bei diesen Konzernen die Profite um 6,7 Prozent.

Dies stärkte die Zuversicht der Wirtschaftswelt. Vor dem Kurssturz der TSE an Neujahr verzeichnete man dort die höchsten Werte seit 16 Jahren. Seit dem Amtsantritt von Abe hatten sich die Kurse mehr als verdoppelt. Diejenigen, die ohnehin schon im Reichtum schwimmen, haben dabei am meisten gewonnen. Die landesweite Steuerbehörde berichtete, dass die Anzahl der Menschen, deren Einkommen 500 Millionen Yen pro Jahr übersteigt (4,26 Millionen Dollar) von 578 Personen im Jahr 2010 auf 1515 Personen im Jahr 2013 angestiegen ist.

Die gestiegene Profitabilität resultiert hauptsächlich aus dem Wertverfall des Yen, was eine Folge der Politik von Abe ist. Trotzdem hat Japan heute immer noch ein beträchtliches Handelsdefizit vorzuweisen. Während der Wertverfall des Yen die Exporte der Automobilbranche und anderer großer Ausfuhr-Branchen gesteigert hat, sind die Profite insgesamt vor allem aufgrund von ins Land zurückgeführten Profiten japanischer Unternehmen zustande gekommen, die diese im Ausland gemacht haben und durch den schwachen Yen noch viel mehr Wert sind. Doch eine Zunahme der von den Großunternehmen gehorteten Barmittel wird an sich noch nicht reichen, um die Erholung aufrecht zu erhalten. Damit dies geschieht, müssen die Profite reinvestiert werden.

Ende letzten Jahres waren Abe und Kuroda, der Chef der japanischen Zentralbank, schwer damit beschäftigt, den größten Arbeitgeberverband Japans („Keidanren“) zu stärkeren Investitionen aufzufordern. Als Kuroda die Arbeitgeber darüber aufklärte, dass „das Glück mit den Mutigen“ ist, schien sie dies Berichten zufolge nicht wirklich zu überzeugen. Angesichts eines stagnierenden Binnenmarktes und der Verlangsamung in China wollen sie wissen, wo die Verkäufe noch getätigt werden sollen. Selbst wenn es einen Markt für die neu produzierten Waren gibt, warum sollten die Unternehmen diese Investitionen ausgerechnet in Japan tätigen? Der Wertverfall des Yen hat kaum Wirkung gezeigt und den Trend zur Produktionsverlagerung nach Übersee anhalten lassen.

Nach Angaben der „Japan Bank for International Cooperation“ ließen japanische Unternehmen im Geschäftsjahr 2014 etwas mehr als 35 Prozent ihrer Güter im Ausland herstellen. 1989 waren es nur 14 Prozent. 2018 soll demnach 40 Prozent der Produktion im Ausland stattfinden. Ein großer Teil dieser Investitionen geht nach Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur und Thailand.

Abgesehen davon, dass die Bank mehr Investitionen fordert, verlangt sie von den ArbeitgeberInnen auch die Auszahlung höherer Löhne. Was die Anhebung der Löhne betrifft, üben sich die Arbeitgeberverbände in Lippenbekenntnissen. Jedes einzelne Unternehmen würde es natürlich lieber sehen, wenn der Wettbewerber und Konkurrent die Initiative zur Steigerung der Nachfrage übernimmt statt die eigenen Profite zu opfern. Ironischer Weise hat der Chef der „Bank of Japan“ sogar die konservativen Gewerkschaften kritisiert, weil sie sich nicht energisch genug für höhere Löhne einsetzen! Es ist gut möglich, dass das Scheitern der „Abenomics“ bald schon den Gewerkschaften angelastet wird, die in den einzelnen Unternehmen angesiedelt sind und einmal als wichtiger Faktor für den Erfolg des japanischen Kapitalismus gepriesen worden sind. Auch wenn der Durchschnittslohn leicht angestiegen sein mag, so hat er dennoch nicht mit der Inflationsrate mithalten können. Selbst dort, wo Unternehmen die Löhne angehoben haben, geschah dies meist nur in Form von höheren Bonuszahlungen.

Der ursprüngliche Plan von Abe und Kuroda bestand eigentlich darin, eine Inflation von zwei Prozent anzuvisieren. Das, so meinten sie, würde die Unternehmen wie auch die VerbraucherInnen dazu bringen, mehr Geld auszugeben oder dazu, dass existierende Bar-Reserven an Wert verlieren. Doch trotz des QE, das nun seit drei Jahren zur Anwendung kommt, und einer massiven Erhöhung der Geldmenge hat dies seit Juli durchschnittlich zu erbärmlichen 0,2 Prozent Inflation geführt. „Mission gescheitert“, könnte man sagen. Eine Folge der Maßnahmen der Regierung zur Erhöhung der Geldmenge ist, dass die Schulden auf den höchsten Wert (226 Prozent des BIP!) angestiegen sind, die die OECD in ihren Ranglisten überhaupt verzeichnet. Die Regierung war nur deshalb in der Lage, die Schulden zu bedienen, weil die Zinsen so niedrig sind. Die Gefahr besteht darin, dass die Zinsen, die genau wie die Inflation voraussichtlich steigen werden, eine Schuldenkrise auslösen könnten. Mit einer Volkswirtschaft, die eine zweite Rezession im dritten Quartal 2015 nur knapp verhindern konnte, bleibt die momentane Erholung alles andere als robust. Das wirkliche Erbe der „Abenomics“ besteht in der stumpfen und kaum beeindruckenden Erholung mit anhaltenden Attacken auf den Lebensstandard der abhängig Beschäftigten.

Das Ende der „lebenslangen Beschäftigungsverhältnisse“

Der dritte Pfeil der „Abenomics“ sollte eigentlich aus einer „Strukturreform“ bestehen, was nichts anderes als ein Euphemismus dafür ist, den Arbeitgebern die Entlassung von Beschäftigten zu erleichtern. Das „System der lebenslangen Beschäftigung“, das einmal als Stütze der sozialen Stabilität galt, ist schwer untergraben worden. 1984 machten die unbefristet Beschäftigten noch 85 Prozent der gesamten Erwerbsbevölkerung aus. Diese Zahl ist auf heute unter 60 Prozent zurückgegangen. Die jüngste Lockerung der Bestimmungen bei der „Arbeitszuteilung“ (ein Arbeitskräfte-Pool-System) bedeutet, dass dieser Trend anhalten wird.

Die zunehmende Zahl an prekär Beschäftigten hat spürbar zu größerer Armut geführt. 2013 lag das Durchschnittseinkommen der prekär Beschäftigten bei lediglich 1,68 Millionen Yen. Die regular beschäftigten ArbeiterInnen erhielten im Vergleich dazu 4,73 Millionen Yen. Die Anzahl der arbeitende Arme, die weniger als zwei Millionen Yen im Jahr verdienen, ist 2014 auf das Rekordhoch von 11,39 Millionen angestiegen. Damit ist gut eineR von sechs ArbeiterInnen arm trotz Arbeit. Es gibt Berichte, nach denen fast fünfzehn Prozent der Kinder unter siebzehn Jahren in Haushalten leben, die unterhalb der offiziellen Armutsgrenze von 1,22 Millionen Yen im Jahr rangieren. Das zeigt, wie stark die Armut um sich greift.

Abe und seine Berater begreifen, dass die derzeitige Erholung schwach bleibt. Japan könnte jederzeit in eine erneute deflationäre Spirale hineingezogen werden. Er hofft, dass er bis zu den Wahlen des Oberhauses im nächsten Jahr von einem weiteren Abschwung verschont bleibt. Dies steckt dahinter, wenn die ersten Stimmen eine Vorverlegung der Wahlen zum Unterhaus auf diesen Sommer und somit eine Doppel-Wahl verlangen. Es erklärt auch den Nachtragshaushalt, der unter anderem ein Almosen von 30.000 Yen für Rentner mit niedrigen Bezügen vorsieht, und Zugeständnisse an den Koalitionspartner „Komeito“. Seither werden Lebensmittel von der Anhebung der Verbraucherteuer ab April 2017 ausgenommen. Wenn die wirtschaftliche Lage sich verschlechtert, dann ist es möglich, dass er die Steigerungen erneut verschieben wird.

Die Schwäche der Opposition

Der bedeutendste Faktor, auf den Abe zählen kann, ist die Schwäche der Opposition. Bei der wichtigsten Oppositionspartei, der „Demokratischen Partei Japans“ (DPJ), handelt es sich um eine Zusammenrottung von LDP-Abtrünnigen und ehemaligen Teilen der „Sozialdemokratischen Partei“ (vor allem vom rechten Flügel), die vom größten und konservativsten Gewerkschaftsbund, der RENGO, unterstützt wird.

Als die DPJ von 2009 bis 2012 mit in der Regierung saß, stand sie für eine noch orthodox-neoliberalere Politik als Abe. Sie verriet ihre eigenen UnterstützerInnen, indem sie die Verbrauchersteuern anhob. Im Wahlkampf hatte sie noch versprochen, genau dies nicht zu tun. Selbst was die Frage einer möglichen Verfassungsänderung angeht, ist die Partei nicht einer Meinung. Hinzu kommt, dass auch Abgeordnete das DPJ-Parteibuch haben, die den Yasukuni-Schrein besucht haben, an dem „erstklassigen“ Kriegsverbrechern gedacht wird und der lange Zeit nur mit der extremen Rechten Japans in Verbindung gebracht worden ist. Vor kurzem hat die Partei einem gemeinsamen Programm mit der neoliberalen „Ishin“-Partei zugestimmt, das auch die Forderung nach Einsparungen von zwanzig Prozent bei den Löhnen im öffentlichen Dienst umfasst. Dies kommt von einer Partei, die von großen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst (so zum Beispiel der Gewerkschaft der Kommunalbeschäftigten und der Lehrergewerkschaft Japans) unterstützt wird.

Links davon befindet sich die „Sozialdemokratische Partei“ (SDP), die nur noch ein Schatten ihrer Vorgängerin, der „Sozialistischen Partei Japans“, ist. Früher war diese Formation die Massenpartei der ArbeiterInnen in Japan. Heute spielt sie nur noch in Okinawa eine Rolle und hat bei den nächsten Wahlen im Sommer in der Mehrzahl der Wahlbezirke keine KandidatInnen.

Die „Japanische Kommunistische Partei“ (KPJ), die einzige Partei auf der Linken, die bei Wahlen auf Landesebene in der Lage ist, ein beträchtliches Maß an Stimmen zu bekommen, hat in den Umfragen an Boden gutgemacht. Dasselbe gilt für die Wahlen, die in diesem Jahr bereits stattgefunden haben. Während sie einerseits mehr Unterstützung bekommt, wird ihre Mitgliedschaft jedoch rapide immer älter. Viele ArbeiterInnen und GewerkschaftsaktivistInnen misstrauen der KPJ, die früher die SDP unterstützt hat. Bei Wahlen mögen sie mangels Alternativen zwar für die KandidatInnen der KPJ stimmen, als „ihre“ Partei betrachten sie sie jedoch nicht.

Die Idee vom Sozialismus wird von der KPJ auf einen unbestimmten Zeitpunkt in ferner Zukunft verwiesen. In ihrem Programm heißt es dazu: „Beim aktuell nötigen Wandel der japanischen Gesellschaft handelt es sich um eine demokratische Revolution statt um eine sozialistische Revolution“. Man glaubt immer noch nicht, dass Japan, eine imperialistische Großmacht ist, die die Unabhängigkeit von den USA längst erreicht hat.

Vor nicht allzu langer Zeit hat die Partei eine taktische Wende vollzogen. Vormals war man noch abgeneigt, mit irgendeiner anderen Gruppierung außerhalb der eigenen Reihen zu kooperieren. So organisierte die KPJ ihren eigenen Gewerkschaftsbund und hatte Bürgerinitiativen unter ihrer Kontrolle. Unabhängig von der Stimmenanzahl, die jeweils zu erwarten war, trat die Partei auch in sämtlichen Wahlbezirken mit eigenen KandidatInnen an. Mit dem Aufkommen rechtspopulistischer Kräfte, die wie Hashimotos „Ishin no Kai“ in Osaka und Abe auf Landesebene eine Verfassungsänderung anstreben, hat die KPJ ihren Standpunkt allerdings verändert. Man hat nicht nur eigene KandidatInnen zurückgezogen sondern (zumindest in Osaka) auch die Kandidaten der LDP als das „kleinere Übel“ unterstützt.

Ein Oppositionsbündnis?

Der Ruf nach einem breiten Oppositionsbündnis, mit dem Abe gestoppt werden kann, hat ein Echo hervorgerufen. Die Jugendorganisation SEALD („Studentische Notfallmaßnahmen für liberale Demokratie“), die letzten Sommer eine wichtige Rolle in der Bewegung gegen die Geheimgesetze und die Sicherheitsgesetze gespielt hat, hat zusammen mit vier anderen Bürgerinitiativen eine Pressekonferenz durchgeführt. Diese wurde für einen Aufruf an die Oppositionsparteien genutzt, sich für die Wahlbezirke, in denen nur ein Sitz zu vergeben ist, auf eineN gemeinsameN KandidatIn zu einigen und mit den entsprechenden KandidatInnen eine Vereinbarung zu unterzeichnen, dass diese sich für die Abschaffung der Sicherheitsgesetze einsetzen. Darüber hinaus wurde eine weitere Bürgerinitiative aufgefordert, sich der Bewegung anzuschließen und die Aufruf zu unterstützen.

Es ist zwar ein fortschrittlicher Ansatz, die Politik nicht allein den ParlamentarierInnen und Bürokraten zu überlassen. Genau so progressiv ist es, dass die jungen Menschen und „einfachen“ Leute aktiv werden. Allerdings wird diese Strategie in der Praxis nicht erfolgreich sein können.

Bei den kürzlich durchgeführten Bürgermeister- und Gouverneurswahlen in Osaka, der größten Stadt im Westen Japans, ist dieser Ansatz schon einem ersten Test unterzogen worden. Die Oppositionsparteien (darunter auch der lokale Ableger der LDP) sind gemeinsam gegen die Kandidaten von „Ishin no Kai“ angetreten.

Erst vor kurzem waren die Vorschläge, die „Ishin“ zur Neuausrichtung der Kommunalverwaltung von Osaka gemacht hat, bei einem Referendum zurückgewiesen worden. Und dennoch haben ihre Kandidaten einen erdrutschartigen Wahlsieg errungen. Statt die eigene Politik in den Mittelpunkt zu stellen, war „Ishin“ in der Lage, mit vagen, rechtsgerichteten und populistischen Phrasen gegen alle Parteien, die sich gegen sie verschworen hatten, einen Wechsel zu verhindern. Die Rechtspopulisten haben es geschafft, die Tatsache auszuschlachten, dass ihre Konkurrenten sich auf politischer Ebene nicht einig sind. Es stimmt, dass diese Taktik für „Ishin“ einfacher durchzuziehen war, weil sie formal gesehen eine Oppositionspartei ist. Abe schlägt mittlerweile aber schon dieselbe Richtung ein wie Hashimoto.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass viele AktivistInnen die Wahlen zum Unterhaus zu einer Abstimmung allein über die Sicherheitsgesetze von Abe machen wollen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, damit die Teile der Gesellschaft – wie zum Beispiel die verarmten Schichten – mitzunehmen, für die wirtschaftspolitische Fragen wesentlich wichtiger sind. Dieser Ansatz würde bedeuten, dass man KandidatInnen unterstützt, die für eine neoliberale Wirtschaftspolitik und Kürzungen bei den Lebensstandards stehen. Dazu zählt auch das Gesetz über die Kürzung der Bezüge im öffentlichen Dienst um zwanzig Prozent. Da nutzt auch eine Vereinbarung mit den jeweiligen KandidatInnen, dass diese sich für die Abschaffung der Sicherheitsgesetze einsetzen, in der Praxis nur relativ wenig. Schließlich kann ein Kandidat sehr wohl gegen diese Gesetze sein und sie verfassungswidrig finden, anschließend aber dennoch einer Verfassungsänderung unterstützen.

Wie weiter?

Statt eines Aufrufs zur Vereinigung der Oppositionskräfte wäre jetzt ein Aufruf zur Bildung eines Bündnisses von Bürgerinitiativen, kämpferischen Gewerkschaften und linken politischen Parteien rund um ein kämpferisches Aktionsprogramm nötig. Dadurch könnte klar und deutlich aufgezeigt werden, wie es für all die Unzufriedenen in der Gesellschaft weitergehen kann. Ein solches Programm würde die Abschaffung der Geheimgesetze und der Sicherheitsgesetze fordern, aber auch Widerstand gegen die Pläne zur Verfassungsänderung von Abe leisten und Stellung gegen die Präsenz der US-amerikanischen Militärbasen in Okinawa beziehen.

Dazu müsste auch gehören, dass Opposition gegen die Atomkraft und die aktuelle Energiepolitik bezogen wird, die nur zu weiterer Umweltzerstörung führen wird. Ein derartiges Programm müsste auch wirtschaftspolitische Forderungen im Sinne der ArbeiterInnen und verarmten Schichten voranbringen, die Forderung nach einem Mindestlohn von 1500 Yen pro Stunde (~ 11,50 Euro), nach Festverträgen für LeiharbeiterInnen und einer Reform der Gesundheitsversicherung umfassen, um eine hundertprozentige Abdeckung sicherzustellen.

Darüber hinaus muss der Kampf für Gleichberechtigung und gegen das reaktionäre Auftreten der LDP und von „Nippon Kaigi“ gegenüber Frauen aufgenommen werden.

Solch ein Bündnis könnte – wenn es tatsächlich zustande kommt – die Grundlage für eine neue Partei auf der Linken schaffen, die eine wirkliche sozialistische Alternative zum Kapitalismus darstellen kann. Denn letzterer bringt in der gegenwärtigen Phase nur Einschränkungen bei den demokratischen Rechten, Diskriminierung, Ungleichheit, Umweltzerstörung und Krieg mit sich.

 

Carl Simmons ist Mitglied von „Kokusai Rentai“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Japan).

Der Sozialismus ist international oder gar nicht

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100 Jahre Osteraufstand – Irlands verlorene Revolution

Der Osteraufstand zeigt: Selbstaufopferung reicht nicht – es braucht sozialistisches Programm & Partei
Christoph Glanninger

Im April 1916 versuchten einige tausend RebellInnen durch einen bewaffneten Aufstand die Unabhängigkeit zu erkämpfen. Obwohl das „Easter rising“ brutal niedergeschlagen wurde, gilt es als Beginn der irischen Unabhängigkeit. Neben großteils bürgerlich-nationalistischen Kräften beteiligten sich auch SozialistInnen wie James Connolly am Aufstand.

Der Aufstand war keine Revolution an der sich große Teile der Bevölkerung beteiligten, sondern eine Rebellion von einigen Tausend. Die Chance auf Erfolg war daher gering. Es gab kaum Aktivität außerhalb Dublins, keinen Generalstreik und keine größeren Demonstrationen. Das Scheitern zeigt auch, dass individuelle, im Geheimen geplante Aktionen nicht ausreichen, um einen der mächtigsten imperialistischen Staaten zu besiegen. Es waren Massenbewegungen, die in Sri Lanka oder auch Vietnam die Unabhängigkeit erkämpft haben.

Dass es die Grundlage für eine tatsächlich siegreiche Revolution gegeben hätte, zeigten die Klassenkämpfe 1917-21. Es gab landesweite Generalstreiks gegen die Einführung der Wehrpflicht und zur Unterstützung von hungerstreikenden Gefangenen. Die Irische Transport- und Allgemeine Arbeitergewerkschaft (ITGWU) wuchs von 5.000 Mitgliedern 1916 auf über 100.000 im Jahr 1920.  In Belfast zeigten 1919 protestantische und katholische ArbeiterInnen das Potential für gemeinsamen Widerstand von unten durch einen Generalstreik mit 100.000 Beteiligten. Auch die Unterstützung für sozialistische Ideen war enorm. An einer Feierlichkeit anlässlich der Russischen Revolution beteiligten sich im Februar 1918 in Dublin über 10.000 Menschen und in Limrick wurde während eines lokalen Generalstreiks der „Limricker Sowiet“ ausgerufen.

Diese großen Massenkämpfe zeigen das Potential für Veränderung von unten. Heute gibt es in Irland eine Massenbewegung gegen die Wassersteuer.

Die Socialist Party (SP, irische Schwesterorganisation der SLP) hat zusammen mit anderen eine Boykott-Kampagne gegen die Wassersteuer organisiert. Bis heute zahlen bis zu 50% der Bevölkerung nicht und wie lange es die Steuer daher noch gibt ist fraglich.

Das beweist, wie wichtig Organisationen sind, die erfolgreichen Widerstand auf Massenbasis organisieren können. Was es damals und heute gebraucht hätte bzw. braucht, ist eine starke Organisation für ArbeiterInnen, die die Bewegung organisiert und aufzeigt, wie gewonnen werden kann.

Ein großer Fehler, den die ArbeiterInnenbewegung 1916-21 gemacht hat, war, dass man sich wiederholt der bürgerlich nationalistischen Bewegung unterordnete. Connolly beteiligte sich am Aufstand ohne sozialistischem Programm und Labour (die Sozialdemokratie) folgte de facto der Parole „Labour must wait“ und überließ bürgerlichen NationalistInnen das Feld. Der Mangel einer sozialen Alternative für ArbeiterInnen in Nord- und Südirland ermöglichte es den Herrschenden, entlang religiöser Linien (ProtestantInnen gegen KatholikInnen) zu spalten und die Bewegung so insgesamt zurück zu schlagen.

Auch heute spielt der Kampf für nationale Unabhängigkeit auf der ganzen Welt eine wichtige Rolle (Schottland, Katalonien, Kurdistan usw.). Und überall ist es gleich wie 1916 in Irland: es gibt keine echte nationale Befreiung, die eine wirkliche Verbesserung für das Leben der Bevölkerungsmehrheit bedeutet, ohne sozialistische Veränderung.

In Irland gibt es über 60 Jahre nach der offiziellen Unabhängigkeit die selben grundlegenden Probleme – noch immer dominieren die Interessen internationaler KapitalistInnen und irischer Bosse. Nationale Befreiung und Kampf gegen Kapitalismus müssen also Hand in Hand gehen.

Dafür müssen die wichtigsten Banken und Konzerne verstaatlicht und unter demokratische Kontrolle gestellt werden, um so zu verhindern, dass Vermögen einfach abgezogen wird. Und um sicher zu stellen, dass die Wirtschaft im Interesse der großen Bevölkerungsmehrheit genutzt wird.

Um aus der Geschichte zu lernen, braucht es eine Organisation, die als „Gedächtnis der ArbeiterInnenklasse“ funktioniert. Die SP und ihre Bündnispartner haben seit kurzem sechs VertreterInnen im irischen Parlament. Sie nutzen das, um Bewegung auf der Straße zu unterstützen und sozialistische Ideen zu verbreiten. Ein Slogan bei der letzten Wahl war „echte Veränderung – keine Pseudoveränderung“ und in ihrer ersten Rede im Parlament machte die frisch gewählte SP-Abgeordnete Ruth Coppinger mit einem Zitat von Connolly klar: „Die Zeit das kapitalistische System zusammenzuflicken ist vorbei; es muss verschwinden“.

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