Internationales

Internationale Notizen Juli/August 2016

Griechenland: Sieg bei Busreinigung in Athen
Seit Monaten bekamen die BussreinigerInnen der städtischen Busse in Athen ihre Löhne nicht ausbezahlt. Doch diese antworteten mit mehreren Streik- und Protestaktionen. Anfang Juni mussten Unternehmen bzw. Subunternehmen zustimmen, den Großteil der fehlenden Löhne in voller Höhe auszuzahlen und den Lohn auf die gesetzliche Mindesthöhe anzuheben. Zuvor hatten die Unternehmen versucht, den Streik vor Gericht verbieten zu lassen. Zur Durchsetzung eines der grundlegendsten Rechte am Arbeitsplatz – für die Arbeit bezahlt zu werden – war ein harter und langer Kampf notwendig. Dabei half auch die Solidarität lokaler und internationaler AktivistInnen. Mitglieder von Xekinima (CWI Griechenland) waren aktiv an dem Streik beteiligt und vertraten die KollegInnen auch als GewerkschafterInnen vor Gericht.
www.xekinima.org

Lucy Redler im Bundesvorstand der Linken
Der Magdeburger Parteitag der Partei Die Linke sendete nach mehreren Wahlniederlagen endlich Signale nach links. Von einer „Revolution für soziale Gerechtigkeit“ war die Rede, ebenso sollten die soziale Frage und Antirassismus in den Mittelpunkt gestellt werden. Dennoch wurden bedeutende Anträge, wie jener zu einem Abschiebestopp in Thüringen, wo die Linke in der Regierung sitzt, nicht durchgebracht. Die Rechtsverschiebung der vergangenen Jahre wurde jedoch gebremst. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass Lucy Redler, Mitglied der SAV (Sozialistische Alternative, CWI Deutschland), in den Bundesvorstand der Partei gewählt wurde. Dort werden sie und andere GenossInnen dafür kämpfen, dass die linken Signale des Parteitags auch in der praktischen Politik umgesetzt werden.
www.sozialismus.info

Sanders: 115.000 für Antritt
Die Kampagne des „demokratischen Sozialisten“ Sanders politisierte zehntausende ArbeiterInnen und Jugendliche. Doch wie immer klarer wird, ist die „politische Revolution“ in der Demokratischen Partei nicht möglich. Eine Petition der Socialist Alternative (CWI USA), die Sanders zu einem unabhängigen Antritt auffordert, hat inzwischen 115.000 Unterschriften erreicht.
www.socialistalternative.org

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Neoliberale Offensive in Brasilien

Nach dem Sturz Dilmas ist die neue Regierung mit starken Protesten konfrontiert.
Marcus Kollbrunner, Liberdade Socialismo e Revolução, www.lsr-cit.org

Die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff von der PT (“Arbeiterpartei”) wurde am 12. Mai vom Bundessenat aufgrund für 180 Tage abgesetzt. Es war unklar, was danach kommt. An ihrer Stelle hat der ehemalige Vizepräsident Michel Temer von der PMDB das Amt übernommen. Der unmittelbare Grund der Amtsenthebung waren undemokratische Manöver der traditionellen Rechten und des Großkapitals. Doch Dilmas Fall ist auch das Ergebnis der Politik der PT in den letzten 13 Jahren. Die PT, die Anfang der 80er als Partei der ArbeiterInnen entstanden war, wird ihrem Namen schon lange nicht mehr gerecht. Sie setzte auf weitgehende Zusammenarbeit mit KapitalistInnen und die Umsetzung ihrer Wünsche. Sie ist wie die europäische Sozialdemokratie verbürgerlicht. Die PMDB ist von jeher eine bürgerliche Partei, die sich, scheinbar ideologiefrei, als Partei der politischen Mitte präsentiert, aber Politik für die herrschende Klasse umsetzt.

Bis Ende 2015 hatte die herrschende Klasse von Dilma Angriffe gegen die ArbeiterInnenklasse erwartet. Diese hatte sie zum Teil auch umgesetzt, obwohl sie bei den Wahlen 2014 das Gegenteil versprochen hatte. So machten die wirtschaftliche Krise und Dilmas neoliberale Politik sie zu einer der unpopulärsten PräsidentInnen der Geschichte. Die Wirtschaft war 2015 um 3,8% geschrumpft. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf 11 Millionen angewachsen. Die Inflation liegt im zweistelligen Bereich. Bereits im Vorfeld der WM 2014 hatte es Massenproteste und Streiks für Preissenkungen und Lohnerhöhungen im öffentlichen Verkehr gegeben. Das ist der Hintergrund, vor dem die „Operation Autowäsche“ die öffentliche Meinung explodieren lies. Bei „Operation Autowäsche“ ermittelte die Bundespolizei gegen führende PT-Regierungsmitglieder wegen Korruption rund um den staatlichen Ölgiganten Petrobras – und wurde fündig.

Die allgemeine Unzufriedenheit erlaubte der Rechten große Teile der Mittelklasse in riesigen Demonstrationen gegen die Regierung zu mobilisieren. Dilmas Regierung hatte aufgrund ihrer Unpopularität nicht mehr die Stärke um weitere Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse umzusetzen. Daher setzte ein zentraler Teil des Großkapitals seit Beginn 2016 auf Amtsenthebung. Bis zum letzten Moment versuchte Dilma das Großkapital zu überzeugen, dass sie liefern könnte. Einige der letzten Maßnahmen der Regierung Dilma beinhalteten die Öffnung der Ölförderung für ausländische Unternehmen, brutale Kürzungen, Privatisierungen und ein neues “Anti-Terror”-Gesetz, das den Weg für die Kriminalisierung sozialer Bewegungen öffnet.

Trotz der Wut auf Dilmas neoliberale Politik fanden große Demonstrationen gegen die Amtsenthebung statt. Denn viele sehen die Amtsenthebung als Angriff auf die Demokratie und manche sogar als Staatsstreich. Tatsächlich kann die Amtsenthebung die Tür für noch härtere anti-demokratische Attacken auf die ArbeiterInnenklasse öffnen.

Die ersten Tage der Temer-Regierung waren von einer Lawine an Ankündigungen begleitet. In kürzester Zeit sind massive Kürzungen geplant worden: die Abschaffung der verpflichtenden Finanzierung von Gesundheit und Bildung, die Erlaubnis massive Kürzungen umsetzen zu dürfen, sowie ein Deckel für Staatsausgaben, um den öffentlichen Sektor einzudämmen. Aber die Regierung war vom ersten Tag an mit Protesten konfrontiert. Das führte zu einem teilweisen Rückzug von Temer. Er versuchte, die Ankündigungen seiner MinisterInnen abzuschwächen. So führte die Entscheidung, das Kulturministerium abzuschaffen, zu Besetzungen von öffentlichen Gebäuden im ganzen Land und Temer musste diesen Plan zurückziehen. Die Regierung kündigte auch die Streichung des geplanten Baus von 10.000 Sozialbauten an, musste diese Entscheidung aber nach Protesten der Bewegung obdachloser ArbeiterInnen (MTST) zurücknehmen. Und zwei Minister mussten nach der Veröffentlichung von Aufnahmen, die belegen, dass es Pläne gab “Operation Autowäsche” zu streichen, gehen. “Operation Autowäsche” untersuchte nämlich auch führende Mitglieder der PMDB...

PSOL, die linke Organisation „Partei des Sozialismus und der Freiheit“, konnte seine Autorität während des Amtsenthebungsprozesses stark ausbauen. Sie hat ihre linke Opposition gegen die Dilma-Regierung bekräftigt, aber im Senat und der Abgeordnetenkammer gegen Dilmas Amtsenthebung gestimmt. PSOL wird wahrscheinlich in den Lokalwahlen im Oktober stark dazu gewinnen. Allerdings gibt es die Gefahr, dass Teile der PSOL dann Bündnisse mit der PT eingehen könnten – was die Fehler der PT-Politik fortsetzen würde. Unsere Schwesterorganisation in Brasilien – LSR („Freiheit, Sozialismus, Revolution“)– ist Teil von PSOL und betont die Notwendigkeit eines Generalstreiks, um die Angriffe der Temer-Regierung zu stoppen. Gefordert werden ebenso Neuwahlen für das Präsidentenamt und um den gesamten korrupten Kongress zu ersetzen. LSR steht für den Aufbau einer linken sozialistischen Alternative zur PT. Wenn das nicht passiert, kann es sein, dass das politische Vakuum von anderen politischen Kräften gefüllt wird, die Temer nichts entgegenzusetzen haben.

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Hauptstadt der Arbeitslosen

Stefan Gredler

Viele kennen es: ein AMS-Termin nach dem anderen und dutzende Bewerbungen ohne Erfolg. Der Brennpunkt der Arbeitslosigkeit in Österreich ist Wien, mit einer Arbeitslosenrate von 14%, unter männlichen Jugendlichen sind es sogar 31%! Bei der Wahl der Berufsgruppe wird seitens des AMS wenig Rücksicht genommen. Da wird man schnell wo eingetragen, egal was man eigentlich tun will. Durch den Druck, Arbeit finden zu müssen, landet man schnell in schlechten Arbeitsverhältnissen. Statt guter Ausbildung oder sicherem Job heißt es oft Kurs, Gastro oder Leiharbeit. Wir brauchen eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden/Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich. Allein die Stadt Wien könnte so tausende Jobs schaffen. Und wir brauchen tausende neue Lehrstellen mit guter Bezahlung und ordentlicher Ausbildung!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

„Normale kapitalistische Entwicklung“

Zehn Jahre Rot-Rot in Berlin

Anfang September erscheint im PapyRossa-Verlag der Sammelband „Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden – Die Linke und das Regieren“. Herausgegeben von Thies Gleiss, Inge Höger, Lucy Redler und Sascha Stanicic und unterstützt von der Antikapitalistischen Linken (AKL) vereint das Buch Texte unterschiedlicher AutorInnen zu historischen, interationalen und aktuellen Erfahrungen mit Regierungsbeteiligungen linker Parteien. Wir veröffentlichen hier als Vorabdruck einen Beitrag Lucy Redlers zu den Erfahrungen der so genannten rot-roten Koalitionen in Berlin in den Jahren 2001 bis 2011.

„Der Staat ist kein Fahrrad, auf das man sich einfach setzen und in beliebiger Richtung losradeln kann“, meinte die ehemalige Grüne Verena Krieger im Jahr 1991. Er ist „Produkt und Ausdruck der kapitalistischen Vergesellschaftungsform und der mit ihr verbundenen materiellen Reproduktions- und Klassenverhältnisse“. Harald Wolf, ehemaliger Wirtschaftssenator der PDS in der ersten rot-roten Koalition und 2006 Spitzenkandidat der Linkspartei.PDS zitiert gern Verena Krieger und widmete der Idee im Mai 2014 einen ganzen Artikel (1). Doch statt das Fahrrad auszutauschen, radelte die PDS/DIE LINKE Berlin in ihrer Regierungszeit 2001-2011 mit der SPD auf einem Tandem komplett in die falsche Richtung und fuhr die Interessen von Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, MieterInnen und Erwerbslosen gegen die Wand. Es wurde gespart, „bis es quietscht“ (Wowereit), die Partei verlor in den Augen von AktivistInnen und Mitgliedern ihre Glaubwürdigkeit und zahlte einen hohen Preis für ihr Ziel, durch die Regierungsbeteiligung in Berlin von den bürgerlichen Parteien und der veröffentlichten Meinung akzeptiert zu werden. Gregor Gysi zu Folge war die Regierungsbeteiligung „ein Wert an sich“.

Ausgangslage 2001

Die PDS Berlin trat in die rot-rote Regierung ein auf dem Höhepunkt von Filz, Korruption, Vetternwirtschaft und des Berliner Bankenskandals unter der vorigen Großen Koalition. Offen beschreibt Harald Wolf in seiner 2016 erschienen Bilanz ‚Rot-Rot in Berlin‘: „Rot-Rot vollzog eine Transformation von einem parasitär-klientistischen Modell zu einem Modell ‚normaler‘ kapitalistischer Entwicklung. Damit ist noch kein Ausbruch aus dem Neoliberalismus verbunden.“(2)

Unter Rot-Rot wurde Filz und Korruption eingedämmt, die Zeche für die „normale kapitalistische Entwicklung“ und neoliberale Politik, an der sich die PDS nun eifrig beteiligte, zahlten jedoch die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, Erwerbslose und MieterInnen. Die damalige PDS verschrieb sich der Logik der Haushaltskonsolidierung: „Angesichts der dramatischen Haushaltslage war klar, dass an einer Politik der Haushaltskonsolidierung kein Weg vorbei führt.“ (3) Klaus Wowereit sagte damals über die PDS: „In Berlin ist das ganz anders. Hier macht die PDS eine praktische Politik. Sie arbeitet mit an der Umsetzung von Hartz IV, entgegen dem, was ihre Bundespartei fordert. Da ist die PDS durchaus schizophren.“ (4) Oskar Lafontaine, damals noch SPD, lehnte Überlegungen der SPD-Bundeszentrale für eine Ampelkoalition in Berlin ab und brachte auf den Punkt, worum es aus SPD-Sicht bei der Einbeziehung der PDS ging: „Ein Senat, der der Bevölkerung Opfer abverlangt, darf nicht eine enttäuschte CDU und eine sozialpopulistisch agierende PDS zum Gegner haben. Wer sparen will, ist gut beraten, die PDS mit ins Boot zu holen.“ (5)

Die PDS Berlin beteiligte sich nicht nur am Sparen, sie verzichtete auch darauf, gewisse Maßnahmen zur Einnahmesteigerung wie die Anhebung der Gewerbesteuer zu ergreifen. Harald Wolf bekannte sich „zum Vorsatz“. Die Berliner Morgenpost kommentierte Wolfs Haltung 2004: „Strukturreformen wie der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, die Neuordnung der Hochschulmedizin, das neue Schulgesetz, die Opernstiftung, die neue Struktur der Wirtschaftsförderung oder die Hochschulverträge mit abgesenkten Zuschüssen seien unabhängig von der Haushaltslage notwendig und sinnvoll. ‚Wir haben zu oft auf mildernde Umstände plädiert, statt uns zum Vorsatz zu bekennen‘, sagt Wolf.“ (6)

Mit der Einbeziehung der PDS in die rot-rote Koalition gelang das, was durch eine Fortsetzung der Großen Koalition nicht möglich gewesen wäre. Die PDS wurde als vorige Opposition in die Koalition integriert und schwächte mit ihrem Kurs den außerparlamentarischen Widerstand – ein ähnliches Phänomen, welches bei der Einführung der Agenda 2010 durch die rot-grüne Bundesregierung deutlich wurde: Schröder setzte durch, was Kohl nicht gewagt hätte.

Bilanz von zehn Jahren Rot-Rot

Im Wahlprogramm der LINKEN Berlin für die Abgeordnetenhauswahlen 2016 heißt es: „Rot-Rot hat von 2002 bis 2011 den Landeshaushalt saniert. Diese Sanierungspolitik war hart und ging zuweilen über das Vertretbare hinaus. Sie sorgte jedoch dafür, dass politische Handlungsspielräume zurückgewonnen wurden.“ (7) Im Programm wird die Politik unter Rot-Rot gerechtfertigt und verklärt – mit dem Ziel, 2016 erneut in eine Regierung mit SPD und nun auch den Grünen einzutreten. Man fragt sich, wessen Handlungsspielräume hier gemeint sind. Für MieterInnen, Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, LehrerInnen, arme Menschen wurden unter Rot-Rot keine „Handlungsspielräume gewonnen“, sondern ihre Lage hat sich verschlechtert. Was passiert ist:

Privatisierung von über 100.000 Wohnungen, die Mietsteigerungen und Verdrängung zur Folge hatten

Die Wohnungsbaugesellschaft GSW mit über 65.000 Wohnungen wurde an ein Konsortium der Finanzinvestoren Goldman Sachs und Cerberus verkauft. Außerdem veräußerten die landeseigenen Gesellschaften über 30.000 Wohnungen; 5000 Wohnungen der landeseigenen BVG wurden ebenfalls verkauft. Den enormen Mietsteigerungen der landeseigenen Unternehmen wurde nicht Einhalt geboten.

Stellenabbau im öffentlichen Dienst von 35.000 Stellen

Seit Amtsantritt von Rot-Rot bis Ende 2010 wurde der Öffentliche Dienst von 151.165 auf 115.885 Stellen verkleinert. Laut Harald Wolf waren es am Ende von Rot-Rot noch 105.000 Beschäftigte (berechnet nach Vollzeitäquivalenten). Die LINKE Berlin setzte sich noch im Wahlkampf 2011 für eine Mindestzahl von Stellen von 100.000 ein und hätte damit noch weiteren Stellenabbau hingenommen. Der Abbau traf vor allem die Bezirke: Hier wurden die Stellen laut Senatsverwaltung für Finanzen von 48.587 auf 24.117 halbiert. Das Ergebnis ist, dass man in manchen Bezirksämtern heute ein halbes Jahr auf einen Termin wartet oder das Wohngeld mehrere Monate verspätet ausgezahlt wird.

Ausstieg aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband und Absenkung der Löhne und Gehälter im Öffentlichen Dienst

Dem Austritt aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband folgte der sogenannte Anwendungstarifvertrag im Jahr 2003, in dessen Folge Löhne und Gehälter um 8 bis 12 Prozent gesenkt und von der bundesweiten Lohnsteigerung abgekoppelt wurden. Gleichzeitig wurden die Arbeitszeiten verkürzt. Das führte für viele Menschen zur Arbeitsverdichtung, da sie nun ein ähnlich hohes Arbeitsvolumen bei kürzerer Arbeitszeit leisten mussten. Die Angleichung an das bundesweite Lohnniveau erfolgt 2017. Im Osten Berlins wurden die Löhne und Gehälter zudem um 1,41 Prozent VBL-Beitrag gekürzt. Den Beamten wurde unter anderem das Urlaubsgeld gestrichen.

Lohn- und Gehaltskürzungen und Ausgründungen in öffentlichen Betrieben

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) setzte der rot-rote Senat 2004 Gehaltskürzungen von 10 Prozent durch. Den KollegInnen des öffentlichen Krankenhauskonzerns Vivantes wurde im Zuge eines ‚Notlagentarifvertrags‘ das Urlaubs- und Weihnachtsgeld für mehrere Jahre gestrichen und Personal abgebaut. Die Argumentation: In beiden Fällen sei das Kostenniveau zu hoch und nur Kürzungen könnten eine Privatisierung verhindern. Harald Wolf meinte gar, dass öffentliche Unternehmen, für die die Linkspartei.PDS die Verantwortung habe, so gut wirtschaften müssten wie private Unternehmen.(8) Den Beschäftigten der Charité wurde angedroht, Hunderten KollegInnen betriebsbedingt zu kündigen, wenn diese nicht ebenfalls Lohnkürzungen hinnehmen würden. Außerdem erlaubte der Aufsichtsrat der Charité unter dem damaligen PDS-Senator Thomas Flierl die Ausgründung der CFM. Die KollegInnen in der CFM haben bis heute keinen Tarifvertrag.

Aushöhlung des Ladenschlussgesetzes

Das Berliner Ladenschlussgesetz wurde durch den Beschluss bundesweit zu einem der schlechtesten Ladenschlussgesetze. Eine weitere Verschlechterung wurde durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt.

Reduzierung der Personalausstattung an Schulen und Abschaffung der Lernmittelfreiheit

Die Reduzierung der Personalausstattung auf 100 Prozent führt bei Krankheit, Schwangerschaft, Fortbildung oder Personalratstätigkeit zu sofortigem Unterrichtsausfall und hat unfreiwillige Stellenverlagerungen zur Folge. Die GEW Berlin fordert eine Personalausstattung von 110 Prozent. Außerdem wurde die Arbeitszeit für verbeamtete LehrerInnen um zwei Jahre erhöht. Die Lernmittelfreiheit wurde unter Rot-Rot abgeschafft.

Ausbau von Überwachung

Rot-Rot erleichterte die Möglichkeit, in allen U-Bahnhöfen und Zügen die Bevölkerung per Video zu überwachen oder bei Verkehrskontrollen filmen. Das ging mit der Zustimmung von Rot-Rot zum Abbau von Aufsichtspersonal auf den S-Bahnsteigen und U-Bahnhöfen durch BVG und S-Bahn einher.

Wasserbetriebe: Novellierung des Teilprivatisierungsgesetzes

Die Berliner Wasserbetriebe wurden unter der Großen Koalition vor Rot-Rot teilprivatisiert. Den damaligen privaten Investoren Veolia und RWE wurden skandalös hohe Renditen von acht Prozent garantiert. Unter Rot-Rot wurde 2003 – trotz voriger Kritik der PDS an diesen Gewinngarantien – das Gesetz zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe novelliert und damit die Gewinngarantien für RWE und Veolia erneut festgeschrieben. DIE LINKE Berlin trägt dadurch Mitverantwortung für die Geheimhaltung der Verträge zur Absicherung der Profitinteressen. Die Führung der LINKE Berlin fiel dann der außerparlamentarischen Initiative des Wasservolksentscheids zur Offenlegung der Verträge in den Rücken und rief (nach eigenen Angaben aus juristischen Gründen) dazu auf, beim Volksentscheid nicht mit Ja zu stimmen, sondern sich zu enthalten – obwohl es einen anders lautenden Beschluss des Landesparteitags gab. Einige haben sogar öffentlich erklärt, warum man mit Nein stimmen sollte. Der Wasservolksentscheid war trotzdem erfolgreich und brachte das Misstrauen gegenüber dem Senat zum Ausdruck.

Risikoübernahme für die Fondszeichner der Bankgesellschaft

Gerlinde Schermer von der SPD-Linken, schrieb im Neuen Deutschland im Februar 2005 zu Bankenskandal und Risikoabschirmung: „Der Beschluss des Abgeordnetenhauses zur Risikoübernahme war das Eingeständnis des demokratischen Rechtsstaates, der größenwahnsinnige und kriminelle Geschäfte gewissenloser Banker nachvollzieht, den Raum öffentlichen Vermögens zu Gunsten Reicher legalisiert.“ (9)

Diese Liste lässt sich fortsetzen: Zustimmung im Bundesrat zum Bankenrettungspaket und zur neoliberalen EU-Verfassung, Polizeieinsätze gegen AntifaschistInnen, Übergabe von zwei Dritteln der Kitas in kommunalem Eigentum an freie Träger, Abschiebungen von Geflüchteten und die Fortführung des Abschiebeknasts Grünau, Räumung alternativer Wohnprojekte, Streichungen im Kulturbereich, Kürzungen der Hilfen zur Erziehung, Reduzierung des Blindengeldes um 20 Prozent, Kürzungen von 75 Millionen Euro im Universitätsbereich, Verbot des Volksbegehrens zum Bankenskandal, Umsetzung von Hartz IV und Ein Euro-Jobs, Abschaffung des BVG-Sozialtickets und nach erheblichem Protest seine Wiedereinführung zu einem doppelt so teuren Preis, Schließung von neun Schwimmbädern.

Die WASG Berlin kommentierte damals zu recht in ihrem Wahlprogramm 2006: „Eine Politik, die Umverteilung von unten nach oben brav akzeptiert und umsetzt, leistet keinen Beitrag zum Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht und zur Veränderungen der Kräfteverhältnisse auf Bundesebene. (…) Das ist nicht links, das ist nicht sozial – sondern neoliberale Sachzwangpolitik.“ (10)

Die LINKE Berlin bzw einige ihrer ProtagonistInnen wie Harald Wolf bilanzieren heute die Privatisierung der GSW, die Kürzung des Blindengeldes, den zwischenzeitlichen Versuch des damaligen PDS-Wissenschaftssenators Flierl Studienkontenmodelle einzuführen (die durch Studierendenproteste verhindert wurden) und einige andere Maßnahmen als Fehler. Der Großteil der Maßnahmen wird jedoch mit dem Verweis auf die Haushalsnotlage und der „notwendigen Eigenanstrengungen“ im Zuge der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Bundeshilfen gerechtfertigt. Mit dem Scheitern der Klage vor Gericht scheiterte die gesamte Argumentation.

„Erfolge“ von Rot-Rot

Den weitgehenden Verschlechterungen unter Rot-Rot, die vor allem in der ersten Legislaturperiode durchgesetzt wurden, stehen Maßnahmen gegenüber, die von der LINKEN heute als Erfolg verteidigt werden. Dazu ist zweierlei festzuhalten: Erstens wäre selbst dies kein Argument für das Mittragen der Verschlechterungen. Zweitens lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die – oftmals vermeintlichen – Erfolge zu werfen:

Gemeinschaftsschule: In Wirklichkeit wurde in Berlin nicht eine Schule für alle geschaffen, sondern mit Sekundarschulen neben Gymnasien die Zweigliedrigkeit des Schulwesens eingeführt. Da die Schulreform unzureichend ausfinanziert wurde, führte sie an einigen Stellen zu einer Verschlechterung für SchülerInnen und LehrerInnen und einer Zusammenlegung und Schließung von Schulen. Positiv war die Abschaffung des Sitzenbleibens.

Öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS): Der Stellenabbau im Öffentlichen Dienst ging einher mit der Schaffung von ca. 7000 Stellen im ÖBS. Im ÖBS werden zwei Drittel der Beschäftigten jedoch lediglich mit 1300 Euro brutto entlohnt. Durch eine ÖBS-Tätigkeit wird kein Anspruch auf ALG I erworben, ÖBS-Beschäftigte müssen eine Wiedereingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter abschließen und können bei einer Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses mit Sanktionen bestraft werden.

Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Nach zehn Jahren (!) hat Rot-Rot endlich die Einführung der individuellen Kennzeichnungspflicht beschlossen.

Bürgerhaushalte: In einigen Bezirken gibt es Bürgerhaushalte, das heißt BürgerInnen haben die Möglichkeit, über einen Teil der Verwendung von Geldern mit zu bestimmen. Nur: Solange es nicht mehr Geld für die Bezirke gibt, führt ein Bürgerhaushalt unter diesen Bedingungen dazu, dass die BürgerInnen lediglich entscheiden, wo mehr und wo weniger gekürzt wird.

Einführung des Berlin-Passes: Dieser ermöglicht BezieherInnen von Transferleistungen, den vergünstigten Eintritt bei einigen Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten. In Bezug auf Kulturangebote wird jedoch deutlich, dass es sich eher um bürgerliche Almosenpolitik handelt. So können InhaberInnen des Berlinpasses, Restkarten für Theatervorstellungen für drei Euro erwerben. Der ver.di-Erwerbslosenrat forderte schon damals die Einführung eines Anrechts auf verbilligte Tickets anstatt das Zugeständnis von Resttickets.

Daraus folgt, dass die meisten der genannten Erfolge sich beim näherer Betrachtung nicht als grundlegende Verbesserung entpuppen.

An real positiven spürbaren Verbesserungen bzw der Verteidigung des Bestehenden bleiben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): die Beitragsfreiheit der ersten drei Kitajahre (auf Druck des Kita-Volksbegehrens und nachdem Rot-Rot die Kita-Gebühren zuerst angehoben hatte), die Verhinderung der Privatisierung der Berliner Sparkasse (auf Druck der Bundespartei DIE LINKE), die Öffnung des Flugfelds Tempelhof, Bargeld statt Chipkarten für Geflüchtete und vorübergehend eigene Wohnungen statt Massenunterkünfte und Erleichterungen zur Durchführung von Volksentscheiden. Als positiv verbucht die LINKE Berlin ebenfalls für sich, dass mit dem Vergabegesetz öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, die 7,50 Euro brutto zahlen. Das ist ein Fortschritt im Vergleich zur ersten Legislaturperiode, in der der Senat seine eigene Post per PIN-AG verschickte, die Dumpinglöhne von 5,86 Euro brutto zahlte.

Wäre ein Senat ohne die LINKE schlimmer gewesen?

Das ist kann heute niemand sagen. Sicher hat die LINKE in der Regierung auch die ein oder andere Verschlechterung abgewendet. Aber das kann nicht die Tatsache aufwiegen, dass die Beteiligung der PDS/LINKE dazu geführt hat, dass die einzige im Parlament vertretene linke Opposition massive Verschlechterungen mittrug, ihre Glaubwürdigkeit verlor und den außerparlamentarischen Widerstand schwächte. Sie bekam bei den Wahlen 2006 die Quittung und verlor mit 180.000 Stimmen die Hälfte der absoluten Stimmen und 9,2 Prozentpunkte. 2011 verlor sie erneut 1,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2006.

Die Feststellung von Ellen Brombacher und Carsten Schulz von der Kommunistischen Plattform in der Partei DIE LINKE von 2006 ist zutreffend: „Wir tragen und ‚gestalten‘ an der Seite der Berliner SPD einen Kurs mit, der letztlich die Hasardeure des Kapitalismus auf Knochen jener schützt, die wenig besitzen oder zumindest nicht zu den wirklich Begüterten zu zählen sind. Dass wir diesen Kurs hier und da abmildern, ist in den Augen vieler, die Hoffnungen in uns setzen, viel unbedeutender, als es für sie bedeutend ist dass wir ihn mit ermöglichen.“ (11)

Widerstand und Alternativen

Gegen die Politik von Rot-Rot gab es vor allem in der ersten Legislaturperiode starken Widerstand von Studierenden, LehrerInnen, den Charité-KollegInnen und Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Vor diesem Hintergrund gründete sich die WASG Berlin in Opposition zum rot-roten Senat. Viele Entwicklungen wie zum Beispiel die Privatisierung von über 100.000 Wohnungen führten genau zu dem, was die WASG Berlin damals befürchtete und vorhersah: „Hier werden die Mieten zukünftig steigen. Wohnungen in guten Wohnlagen werden privatisiert, die räumliche Spaltung der Stadt nimmt dramatisch zu. Einkommensschwache Mieter werden in die Randlagen verdrängt.“ (12) Der Sozialatlas Berlin 2016 hat genau diese Vorhersage erneut bestätigt.

Die WASG Berlin warb damals „für einen gesellschaftlichen Aufbruch gegen Sozialabbau, Privatisierungen und Tarifflucht“ ohne die „eine andere Politik nicht möglich“ ist. „Wir setzen auf Proteste, Demonstrationen und Streiks als Mittel von sozialen Bewegungen, allen voran der Gewerkschaften, um gegen die Interessen der Kapitalbesitzer, die Bedürfnisse von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen zu verteidigen.“ (13)

An verschiedenen Stellen hätte die PDS und später die LINKE Berlin die Möglichkeit gehabt, die Koalition zu verlassen, der SPD die Schuld für den Sozialabbau zu geben und gemeinsam mit außerparlamentarischen Akteuren an den Aufbau einer Gegenbewegung zu gehen.

2016 droht ein Weiter so

Geschichte wiederholt sich nicht Eins zu Eins. Heute gibt es eine gesellschaftliche Ablehnung von neoliberaler Politik und Privatisierung. Die LINKE Berlin hat Erfahrungen damit gemacht, dass sie auch aus eigener Sicht an einigen Stellen zu weit gegangen ist. Dies hat sich in Teilen bereits in einem unterschiedlichen Herangehen in der ersten und zweiten Legislaturperiode gezeigt. Doch: die grundlegende Politik von 2001 und 2011 wird noch heute gerechtfertigt und eine erneute Regierungsbeteiligung in ähnlich staatstragender Maniert wird angestrebt. Im Wahlprogramm 2016 kommt die Idee von gesellschaftlichen Protesten und Widerstand nahezu nicht vor. Dabei wurden 2015 und 2016 drei Erfolge gerade außerparlamentarisch erreicht:

  • Der bundesweit erste Tarifvertrag für mehr Personal im Krankenhaus wurde durch Streiks an der Charité durchgesetzt
  • Verbesserungen im Bereich der sozialen Wohnraumversorgung wurden durch den Druck des Mietenvolksentscheids herbeigeführt
  • Die Offenhaltung des Tempelhofer Feldes wurde in einer Kampagne der Initiative 100 % Tempelhofer Feld erstritten

Verbesserungen wurden in der Vergangenheit und werden in Zukunft nicht durch geschicktes Regierungshandeln, sondern durch Druck von unten durchgesetzt. Die AKL Berlin kommentierte am 11. März 2016: „Die These, dass DIE LINKE den Kapitalismus besser verwalten könne als andere neoliberale Parteien, ist falsch. (…) DIE LINKE würde, wenn sie nur mitspielt, statt die Bedingungen der Ausbeutung anzugreifen, überflüssig und sie würde das Vertrauen derer verlieren, die heute noch DIE LINKE unterstützen. Wir müssen uns fortan von dem Gedanken lösen, dass der demokratische Sozialismus zu erreichten sei mit Anträgen und Beschlüssen im Parlament ohne gesellschaftliche Brüche und ohne eine wirkungsvolle Gegenmacht.“ (14)

Quellen:

(1) www.zeitschrift-luxemburg.de/der-staat-ist-kein-fahrrad/

(2) Harald Wolf, Rot-Rot in Berlin, S. 317

(3) Ebenda, S. 31

(4) zitiert nach: Bilanz einer Schieflage, Fehlentscheidungen des Berliner SPD-Linkspartei.PDS-Senats, LAG WASG Berlin, S.2

(5) Oskar Lafontaine, Alle für eine, Tagesspiegel 20.06.2001, www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/neuwahlen-alle-fuer-eine/236102.html

(6) Joachim Fahrun: Harald Wolf schwört Berliner PDS-Fraktion auf neuen Kurs ein, Berliner Morgenpost, 26.09.2004, unter: www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article103655848/Harald-Wolf-schwoe...

(7) DIE LINKE Berlin: Unser Plan für ein soziales und ökologisches Berlin, Landeswahlprogramm, unter: www.die-linke-berlin.de/die_linke/parteitage/5_landesparteitag/4_tagung/...

(8) Harald Wolf, Rede auf der 4. Tagung des 10. Landesparteitags, 10.06.2006

(9) Gerlinde Schermer: Offenbar nichts gelernt, in: Neues Deutschland, 07.02.2005

(10) Programm der WASG Berlin zur Berliner Abgeordnetenhauswahl am 17.09.2006, S. 54

(11) Ellen Brombacher, Carsten Schulz: 2006 erneut Rot-Rot in Berlin? In: Edeltraut Felfe, Erwin Kischel, Peter Kroh: Warum? Für wen? Wohin? 7 Jahre PDS Meckelnburg-Vorpommern in der Regierung, S. 274

(12) Bilanz einer Schieflage, a.a.O., S. 7

(13) Wahlprogramm WASG Berlin, a.a.O., S. 6

(14) Wir widersprechen! Erklärung der AKL Berlin zum Landesparteitag von DIE LINKE. Berlin, 11.-13.03.2016, unter: www.antikapitalistische-linke.de/?p=1219#more-1219

 

     

    Niederlage für China im Inselstreit

    Zum Urteil des Internationalen Schiedsgerichtshof zur Situation im südchinesischen Meer
    von www.ChinaWorker.info, dem Internetportal für China und Südostasien des „Committee for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ (CWI), dessen Sektion in Deutschland die SAV ist

    Am 12. Juli hat der Ständige Schiedsgerichtshof, eine Körperschaft der Vereinten Nationen (UNO) mit Sitz im niederländischen Den Haag, sein Urteil zum Konflikt im südchinesischen Meer verkündet, das sehr zum Vorteil der Philippinen ausgefallen ist, die das Verfahren angestrengt haben. Auch wenn der Gerichtshof keine unmittelbare Entscheidungsbefugnis hat und das Regime in China die Haager Instanz nicht anerkennt, stellt dieses Urteil einen diplomatischen Schlag gegenüber China dar. Schon im Vorfeld hatte Peking angekündigt, eine mögliche Entscheidung ignorieren zu wollen.

    Das Gerichtsurteil, das 500 Seiten umfasst, deckt zwar zahlreiche Punkte ab. Im Ergebnis geht es aber darum, dass die territorialen Ansprüche Chinas (die sogenannte „Neun-Striche-Linie“) keine rechtliche Grundlage haben und dass China die Souveränität der Philippinen in den betreffenden Gewässern demnach verletzt hat. Das Gericht verfügte, dass das Abkommen, auf dem seine Entscheidung basiert (es geht um das „Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen“ UNCLOS, das in den 1980er Jahren in Kraft trat und auch von China unterzeichnet wurde), alle historisch begründeten Ansprüche nichtig macht, die das Regime in China im Falle der strittigen Inselgruppen und Seegebiete geltend zu machen versucht.

    Auch wenn zum derzeitigen Zeitpunkt noch schwer auszumachen ist, wie die genauen Reaktionen der verschiedenen und miteinander konkurrierenden Mächte aussehen mögen, so wird dieses Urteil in der nächsten Zeit umfassende geopolitische Konsequenzen für Südostasien wie auch für die chinesisch-amerikanischen Beziehungen haben. Vincent Kolo, verantwortlicher Redakteur unseres Internetportals www.chinaworker.info, hat uns seine Sicht der Dinge geschildert.

    Wofür steht dieses Gerichtsurteil?

    Es steht jedenfalls nicht für eine Lösung des Konflikts, der sich immer weiter zuspitzt und in den letzten Jahren mehr und mehr mit militärischen Mitteln ausgetragen wurde. Selbst wenn es nicht das unmittelbar wahrscheinlichste Szenario ist, so besteht doch die Möglichkeit, dass durch dieses Urteil ein militärisches Kräftemessen verstärkt oder gar ein ausgewachsener Krieg ausgelöst wird. Diese Gerichtsentscheidung gießt nur Öl ins Feuer. Die einzigen, die Grund haben, diesen Richterspruch zu feiern, sind die Waffenexporteure und führende Militärs, die mehr Mittel für ihre Armeen wollen.

    Als SozialistInnen haben wir noch nie Vertrauen in die UNO und ihre Organe gesetzt. Die Vereinten Nationen haben noch nie eine größere Krise oder gar einen bewaffneten Konflikt zu lösen vermocht. Eher ist das Gegenteil der Fall. Dieses Gerichtsurteil ist, als wäre die Büchse der Pandora geöffnet worden, was unvorhersehbare Folgen für alle rivalisierenden Mächte haben kann. Das südchinesische Meer ist mit dem Balkan der 1990er Jahre zu vergleichen – nur auf hoher See. Dort gibt es einander überlappende und heftig miteinander in Konkurrenz stehende Gebietsansprüche, und des besteht die Möglichkeit, dass die Aktion einer der beteiligten Seiten zu unvorhersehbaren Reaktionen führen kann. Es gibt eine Reihe von konkurrierenden Seiten, und es geht nicht allein um den Konflikt zwischen China und den USA.

    Wie wird China reagieren?

    Das ist eine der Fragen, die man zum gegenwärtigen Zeitpunkt am schwersten beantworten kann. Es ist noch nicht einmal klar, ob die führenden Figuren der Diktatur in China einen entsprechenden Plan haben, da möglicher Weise sogar Xi Jinping und sein Team von der Wucht dieses Urteilsspruchs gegen sie überrascht sein könnten. Während Peking die Entscheidung als bedeutungslos abwinkt, wird China dadurch auf internationaler Ebene diplomatisch weiter isoliert. Demgegenüber stellt es für Chinas Rivalen (vornehmlich die Philippinen, wobei das Urteil auch eine Ermutigung für andere Mächte bedeuten kann) eine enorme diplomatische und propagandistische Stärkung dar. Es handelt sich hierbei zweifellos um einen PR-Sieg für den US-Imperialismus, der ihm – abgesehen davon – hilft, die militärische und ökonomische Initiative in Südostasien zurückzugewinnen. Doch dieser „Sieg“ kann auch wie ein Boomerang zurückkommen.

    Peking ist außer sich, und das ist wahrscheinlich noch eine Untertreibung. Auch wenn das Regime meint, das Urteil ignorieren zu können, so handelt es sich hierbei um einen heftigen Schlag ins Gesicht, geradezu um eine Demütigung. Diese hat das Potential, die Macht von Xi Jinping zu unterhöhlen und liefert alle Formen unvorhersehbarer Faktoren, die nötig sind, um einen heftigen Kampf an der Spitze des chinesischen Staats auszulösen. Selbst einige KritikerInnen Pekings werden überrascht gewesen sein, wie eindeutig diese Entscheidung gegen das Regime ausgefallen ist. Viele haben zwar erwartet, dass das Gericht nicht im Sinne Chinas urteilen würde. Man ist aber davon davon ausgegangen, dass dies mit mehr Abwägung oder einfach schwammiger vonstatten gehen würde. Stattdessen hat das Urteil nun die Interessen Pekings schwer beschädigt. Ein Kommentator äußerte, dass es sich hierbei um den schwersten diplomatischen Rückschlag für das chinesische Regime seit 1989 und den Sanktionen handeln würde, die kurz nach dem Massaker vom Tiananmen Platz auferlegt worden sind. Das Wirtschaftsmagazin „The Economist“, das ebenfalls davon ausgeht, dass das Urteil die Spannungen verstärken wird, nennt es „den größten Rückschlag bisher für die Versuche Chinas, den amerikanischen Einfluss in Südostasien zurückzudrängen“.

    Welche Auswirkungen wird das auf Chinas Innenpolitik haben?

    Xi riskiert, als schwacher und unentschlossener Führer wahrgenommen zu werden, sollte er gar nicht darauf reagieren. Das würde vier Jahre zunichte machen, in denen er einiges investiert hat, um von sich selbst das Image des „starken Mannes“ zu kultivieren. Dieses Image ist wiederum entscheidend für sein politisches Ziel, die Wirtschaft und die Machtverhältnisse an der Spitze der Partei umzukrempeln. Er hat den Nationalismus angestachelt und könnte nun zum Opfer seiner eigenen „groß-chinesischen“ Propaganda werden.

    In den sozialen Medien Chinas breiten sich Posts wie ein Lauffeuer aus, in denen zerschlagene iPhones zu sehen sind und die Boykott-Aufrufe gegen „Apple“-Produkte (die in chinesischen Fabriken hergestellt werden!) enthalten. Xi will keine Proteste auf der Straße. Im Vergleich zu seinen Vorgängern, die aus taktischen Gründen manchmal zu Protesten animiert und den Massen erlaubt haben, Druck abzulassen (wie beispielsweise 2012 gegen Japan), handelt es sich bei Xi eher um eine Art „Kontroll-Freak“. Wenn es in der kommenden Phase in China doch zu derartigen Protesten kommen wird, dann wäre dies eher ein Zeichen dafür, dass das Regime in eine zunehmend verzweifelte Lage gerät und sich die Krise an der Spitze der Partei zuspitzt.

    Von daher kann das Haager Urteil massive Folgen auch innerhalb Chinas nach sich ziehen. Es übt auf jeden Fall größeren Druck auf Xi und seine Verbündeten aus, irgendwie reagieren zu müssen. In Hong Kong könnte die Stimmung unter den jungen Leuten, die sich gegen die dortige Regierung und sogar gegen China richtet, neuen Schwung bekommen, sollte die chinesische Diktatur sich als „Papertiger“ entpuppen, der im Fall des südchinesischen Meeres nicht in der Lage ist „angemessen“ zu reagieren. Und was für Hong Kong gilt, trifft auch auf Tibet, Xinjiang und andere Regionen zu, in denen die Herrschaft Pekings reichlich unbeliebt ist.

    Für Taiwan, wo gerade erst die DPP an die Regierung gekommen ist, ist noch schwieriger zu sagen, welche Folgen möglich sind. Schließlich hat Taiwan als „Republik China auf Taiwan“ (ROC) seine ganz eigenen historischen Ansprüche im südchinesischen Meer, ähnlich denen Chinas. Die Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichtshofs nun weist auch diese Gebietsansprüche zurück und bringt Tsai Ing-wen, die neue Präsidentin, in eine ausweglose Situation. Wenn sie nicht energisch genug darauf reagiert, macht sie sich von Seiten der Oppositionspartei Kuomintang und der „ROC-Nationalisten“ angreifbar, die ihr dann vorwerfen, auf der Seite Japans und der USA zu stehen und sich nicht genügend für die Interessen Taiwans einzusetzen. Die Kuomintang hat umgehend Druck auf Tsai ausgeübt, die Insel Taiping Dao, die von Taiwan kontrolliert wird, aufzusuchen, um die Hoheitsansprüche Taiwans zu untermauern (vom Haager Gerichtshof ist Taiping von einer „Insel“ zu einem „Felsen“ degradiert worden, was bedeutet, dass es keine Grundlage für Ansprüche Taiwans auf die umliegenden Gewässer gibt). Tsai muss aber auch vorsichtig sein, irgendwelche Schritte zu unternehmen, die die Beziehungen ihrer Regierung zu den USA und Japan beschädigen könnten.

    Welche regionalen Verwicklungen stehen uns bevor?

    Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir das noch nicht genau sagen, da viel von dem weiteren Vorgehen der USA abhängt. Wenn Washington versucht, als Vollstrecker des Haager Urteils aufzutreten und z.B. seine Marineaktivitäten in den strittigen Gewässern ausweitet, so wäre dies für China eine Provokation. Wir haben es mit einer äußerst fragilen und potentiell explosiven Situation zu tun, weil die Innenpolitik und die Krisen aller betroffener Seiten (schließlich stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an!) beeinflussen können, wie die jeweiligen Mächte zu diesem Konflikt stehen.

    China hatte bereits mit der Einrichtung einer Luftabwehr-Zone über dem südchinesischen Meer gedroht, was eine Eskalation bedeuten und die USA zu einer Reaktion zwingen würde. Es wurde auch schon mit dem Bau beispielsweise einer Landebahn, eines Hafens oder militärischer Einrichtungen auf den Untiefen von Scarborough (chinesisch: „Zhongsha-Inseln“) gedroht. Das würde die „rote Linie“ der USA überschreiten, weil dadurch chinesische Kräfte auf wenige hundert Kilometer an die US-Militärbasen auf den Philippinen heranrücken würden. Beide genannten Optionen brächten ein hohes Konfliktpotential mit sich.

    Es ist aber auch möglich, dass Chinas Taktik darin besteht, nun seine Manöver im ostchinesischen Meer auszuweiten, wo es um territoriale Auseinandersetzungen mit Japan geht. Der rechts-nationalistische japanische Premier Abe hat gerade erst wieder eine Wahl für sich entscheiden können (die zum Oberhaus), und wartet nur darauf, seine Pläne umsetzen zu können und Japans Militär vom „pazifistischen“ Klotz am Bein zu befreien. Xi könnte eine robustere Gangart gegenüber Japan auch nutzen, um etwaige Schwächen im südchinesischen Meer zu übertünchen. Aber natürlich brächte auch diese Möglichkeit große Gefahren mit sich.

    Die Regierung der Philippinen, an deren Spitze seit kurzem der neue Präsident Duterte steht, wird auf der nationalistischen Welle reiten und eine gewisse Euphorie anfachen, die dieser Richterspruch bereiten wird. tatsächlich besteht Dutertes Position aber darin, zu einer Übereinkunft mit China zu gelangen oder zumindest die Spannungen zu beruhigen und zu stärkere Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene zu kommen. Das Verfahren gegen China vor dem Gerichtshof in Den Haag ist von Dutertes Amtsvorgänger Aquino angestrengt worden, der viel stärker mit den USA verbändelt war. Die USA hingegen wollen nicht dass die Annäherung zwischen Duterte und Peking allzu groß wird. Von daher kann dieses Urteil von den Vereinigten Staaten und ihren Unterstützern im Polit-Establishment der Philippinen auch dazu genutzt werden, Sand ins Getriebe zu streuen.

    Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass das Urteil des Schiedsgerichts nicht dazu beitragen wird, um die Spannungen zu beruhigen. Es wird vielmehr zum Gegenteil führen. Die Streitigkeiten werden nicht „geklärt“ sondern eher noch größere Gefahren bewaffneter Konflikte oder von Scharmützeln erzeugt. Für die Massen in der Region – von China bis zu den Philippinen und darüber hinaus – sind das alles nur schlechte Neuigkeiten. Für die nationalistischen Politiker und Kriegstreiber bietet das Urteil alle Möglichkeiten, um die Armeeausgaben zu steigern und eine militaristische Stimmung anzuheizen, um die Empörung der Menschen von der wirtschaftlichen Misere im jeweils eigenen Land abzulenken.

    SozialistInnen haben immer erklärt, dass kapitalistische Institutionen wie die UNO keine fortschrittliche Rolle spielen können. Keine der korrupten Eliten, die an diesem Konflikt beteiligt sind, haben eine Lösung zu bieten. Sie alle stehen der Arbeiterklasse und den verarmten Schichten feindlich gegenüber. Wir stehen für internationale Solidarität und dafür, dass in ganz Südostasien dringend Arbeiter-Massenparteien aufgebaut werden müssen, die den Kapitalismus und die Austerität bekämpfen und sowohl gegen Nationalismus als auch den Militarismus aufbegehren.

     

    Türkei: Herausforderung für die Linke

    Der Putschversuch kam für viele überraschend. Wie kam es dazu und wie sollten sich Linke dazu verhalten?
    Interview mit Ismail Okay (Sosyalist Alternatif Schwesterorganisation der SLP) zur Lage nach dem Putschversuch

    Erdoğan versucht seit Jahren mit allen Mitteln seine Macht zu festigen. Proteste wie „Gezi“ wurden immer wieder brutal niedergeschlagen. Viele Menschen kamen ums Leben. Nach den Korruptionsskandalen im Dezember 2014 wurde die „Gülen Bewegung“, die einst Bündnispartner Erdoğans war, als terroristisch bezeichnet. Tausende Polizisten, Geheimdienstler und Richter wurden verhaftet. Auch in der Armee war eine große Säuberung geplant.

    Gleichzeitig setzt Erdoğan auf eine Politik die auf Chaos, Angst, Terror und Massakern basiert. In Bezug auf Kurdistan wurde der Waffenstillstand beendet und in Folge dessen, viele kurdische Städte zerstört.

    Diese nationalistisch geprägte harte Taktik ist im letzten Jahr aufgegangen und die AKP ist wiedergewählt worden. Allerdings hatte sie nicht genügend Sitze im Parlament, um eine neue Verfassung nach Erdoğans Geschmack durchzubringen.

    Dennoch befindet sich das parlamentarische System nach den Wahlen im Juni letzten Jahres in der Krise. Bei den ersten Wahlen hat die AKP nicht genügend Stimmen zusammenbekommen, um allein eine Regierung zu bilden. Die anderen drei im Parlament vertretenen Parteien lehnten eine Zusammenarbeit ab.

    AKP und Erdoğan haben seitdem allmählich an Unterstützung verloren. Mehr und mehr haben Leute den Eindruck gewonnen, dass Erdoğan nicht mehr für Stabilität steht, sondern für mehr Chaos in der Gesellschaft.

    Unter diesen Bedingungen war schon zu spüren, dass ein Putsch möglich ist. Ein nicht ganz kleiner Teil der Bevölkerung setzte sogar darauf, da sie sich keine Lösung der Situation von den etablierten Parteien erwarteten.

    Aber ein Umsturz der Regierung durch eine kleine Gruppe von Soldaten ist auch keine Lösung. Ein erfolgreicher Militärputsch hätte die Lage der Arbeiterklasse nicht verbessert, ganz im Gegenteil. Auch das Militär wäre, wie bereits zuvor, gegen kämpfende ArbeiterInnen vorgegangen.

    Als SozialistInnen und GewerkschafterInnen haben wir uns daher klar gegen den Putsch ausgesprochen. Gleichzeitig haben wir aber klargemacht, dass das Erdoğan-Regime keinerlei Unterstützung von uns bekommt.

    Nach dem Putsch versucht Erdoğan seine Macht zu stärken. Welche Maßnahmen hat er ergriffen und wie schätzt du die Lage ein?

    Erdoğan will die aktuelle Lage zum Ausbau seiner Macht nutzen. Es hat eine deutliche Zunahme von Mobilisierungen der AKP gegeben. Das wird massiv von staatlicher Seite unterstützt. So ist zum Beispiel in vielen AKP-geführten Städten der öffentliche Nahverkehr seit dem 15. Juli kostenlos, damit mit mehr Menschen an diesen Kundgebungen teilnehmen.

    Der Ausnahmezustand wird genutzt, um freie Hand für weitere Maßnahmen zu haben. Die Säuberung des Staatsapparats, die bereits seit Jahren läuft, wird nun beschleunigt. Zehntausende von BeamtInnen wurden nun suspendiert.

    Unmittelbar ist die Position von Erdoğan und der AKP gestärkt. Doch dies wird nicht von Dauer sein, denn die eigentlichen sozialen und wirtschaftlichen Probleme sind nicht gelöst. Die politische Krise ist nicht vorbei, sondern hat eine neue Stufe erreicht.

    Welche Aufgaben stellen sich für die Linke in der Türkei und Deutschland?

    Die Linke muss in die Offensive gehen. Erdoğan stellt sich jetzt als „Demokrat“ dar. Man sollte diese Situation nutzen, um Demonstrationen und Kundgebungen gegen dem Putsch aber auch gegen die Politik von Erdoğan zu organisieren. In gewisser Weise ist die aktuelle Lage sogar günstiger als in den letzten zehn oder zwanzig Jahren.

    Die pro-kapitalistischen konservativen Islamisten wie Erdoğan und Co haben sich bisher als Opfer des kemalistischen Regimes dargestellt. Mit der veränderten Lage funktioniert dies nicht mehr und das eröffnet neue Möglichkeiten für die Linke.

    Eine Massenpartei mit einem klaren sozialistischen Programm könnte diese nutzen, um gegen das Erdoğan-Regime und das kapitalistische System zu mobilisieren.

     

    Bernie Sanders beendet seine Revolution

    Jetzt gilt es Jill Stein, die Kandidatin der „Green Party“, zu unterstützen
    von Khasama Sawant, sozialistische Stadträtin von Seattle und Mitglied von „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SLP in den USA)

    Dass Bernie Sanders nun zur Wahl von Hillary Clinton aufruft, hat Millionen seiner AnhängerInnen schwer enttäuscht. Viele von denen, die durch seinen Aufruf zur „politischen Revolution“ neue Hoffnung geschöpft hatten, haben bis zur letzten Minute gehofft, dass er sich weigern würde, am Ende die Kandidatin der Wall Street zu unterstützen. Diese Hoffnungen sind nun jäh zerstört worden.

    Sanders ruft jetzt nicht nur zur Wahl seiner bisherigen neoliberalen Konkurrentin auf. Er hat sogar damit begonnen, Wahlkampf für sie zu machen, noch bevor der Nominierungsparteitag der „Demokraten“ überhaupt stattgefunden hat. Bis vor kurzem hatte er noch angekündigt, den Kampf fortsetzen zu wollen. Als er bei ihrer Kundgebung in New Hampshire aufgetreten ist, hat er seine Absicht signalisiert, sie bei ihrem Wahlkampf begleiten zu wollen.

    Nach Monaten des Wahlkampfes im Zuge der Vorwahlen, den er gegen ihre engen Verbindungen zur Wall Street und dem Amerika der Konzerne geführt hat, sprühte Sanders´ starke Empfehlung für Hillary Clinton nun beinahe vor Begeisterung. So sagte er: „Hillary Clinton wird eine herausragende Präsidentin abgeben, und ich bin stolz, heute hier an ihrer Seite stehen zu dürfen“. Den Kern seiner Rede bildete ein Vergleich beider noch verbliebener konzernfreundlicher KanidatInnen, in dem er Punkt für Punkt durchging. Er skizzierte die realen Gefahren der Politik von Trump und ging z.B. auf dessen Haltung zum Thema Klimawandel ein. Das sei „eine Katastrophe für unser Land und unseren Planeten“.

    Was die Gefahr angeht, die der rechtsgerichtete Populismus von Trump darstellt, lässt Sanders´ Analyse keine Zweifel aufkommen. Er liegt jedoch vollkommen falsch, wenn es um die Frage geht, wie dem Problem beizukommen ist1. Wir werden die Rechte nicht erfolgreich bekämpfen können, wenn wir stattdessen VertreterInnen des Establishments wie Hillary Clinton unterstützen. Es ist doch gerade die breite Empörung über die brutale Politik des politischen Establishments (als dessen oberste Vertreterin Hillary Clinton zurecht betrachtet wird), die den Konzerninteressen dient und erst den Boden für Trumps Aufstieg bereitet hat. Wir haben das ganz eindeutig bereits vor ein paar Jahren erleben können, als die „Tea Party“ stark werden konnte, die das Licht der Welt erblickte, weil die Wut über die Rettungspakete für die Wall Street so zugenommen hatte. Die Linke hatte damals übrigens nichts besseres zu tun, als Erklärungen dafür zu suchen, weshalb Obama „plötzlich“ eine Politik für die Konzerne vertrat.

    Die undemokatische „Democratic Party“ wird niemals ein effektives Werkzeug sein, mit dem man die politische Rechte bezwingen könnte – weder in Wahlkampfzeiten noch davor oder danach. Die Erfahrung hat uns wieder und wieder gelehrt, dass es sich bei dieser Partei in Wirklichkeit um einen ewigen Wegbereiter der Rechten handelt2. Wollen wir die Rechte bezwingen3, so müssen wir mächtige und vereinte Massenbewegungen aufbauen sowie eine neue politische Partei der viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“4. Diese Partei muss mit unseren Bewegungen zusammenarbeiten und nicht gegen sie.

    Hillary Clinton wird die zweifelhafte Ehre zuteil, die zweit-unbeliebteste nominierte Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen Parteien in der Geschichte der Wahlumfragen in den USA zu sein. Unbeliebter als sie ist lediglich ein gewisser Donald Trump. Aus der Sorge, Trump könne der nächste Präsident werden, zieht Clinton ihre meiste Unterstützung. Umgekehrt verhält es sich bei ihrem Kontrahenten: Die Ablehnung Clintons ist das stärkste Ass im Ärmel von Trump.

    Die Idee, sich lieber für „das kleinere Übel“ zu entscheiden, ist für die 99 Prozent der Bevölkerung immer in der Katastrophe geendet. Weil sie praktisch ohne Druck von links agieren konnte, hat die „Democratic Party“ den „Republikanern“ in den letzten Jahrzehnten dabei geholfen, die Agenda immer weiter nach rechts zu verschieden. Wie Jill Stein, die Präsidentschaftskandidat der „Green Party“, ganz treffend festgestellt hat, geht es darum, dass „die Taktik mit der Angst am Ende zu all dem geführt hat, wovor wir immer Angst gehabt haben“.

    Die Grundfesten des politischen Systems ins Wanken gebracht

    Weil er das korrumpierte politische Establishment und die Dominanz der Wall Street und der Super-Reichen über die Gesellschaft herausgefordert hat, hat der Wahlkampf von Bernie Sanders die Grundfesten des politischen Systems der USA ins Wanken gebracht. Zehntausende Menschen sind darüber zum ersten Mal in ihrem Leben politisch aktiv geworden, und eine vergleichsweise breite Debatte darüber, was Sozialismus sein soll, ist zurück auf die Tagesordnung gebracht worden. Doch die Themen, die Sanders ins Spiel gebracht hat (wie z.B. die Forderung nach einem landesweiten Mindestlohn von 15 Dollar, eine Ablehnung der „Trans Pacific Partnership“ [TPP] oder die Forderung nach einer staatlich finanzierten Gesundheitsversorgung für alle) werden durch seinen Kniefall vor Clinton in keinster Weise vorangebracht werden.

    Stattdessen wird man versuchen, die Wahlempfehlung von Sanders für Clinton nun auszunutzen, um exakt dasselbe verkommene Establishment erneut aufzurichten. Dazu zählt auch die Parteiführung der „Demokraten“, die von den Konzernen gekauft ist und die bei jeder Gelegenheit gegen Sanders ins Feld gezogen ist. Vergangene Woche noch ist er genau von dieser Seite niedergebrüllt worden which5. Mehr noch: Wenn Jill Stein nicht antreten oder nur wenig an Unterstützung erhalten würde, dann – das zeigen die Umfragen schon jetzt – wären die beiden rechten Kandidaten Gary Johnson (von den sog. „Libertären“) und Donald Trump (von den „Republikanern“) die großen Nutznießer. Sie würden ein gros der Stimmen bekommen, die sich gegen das Establishment richten. Das würde dazu beitragen, die Basis für rechten Populismus weiter zu vergrößern.

    Bei der Wahlempfehlung von Sanders für Clinton handelt es sich um einen fundamentalen Fehler eines Politikers in führender Position. Sanders hatte das Vertrauen von Millionen hoch engagierter und einsatzbereiter ArbeiterInnen und jungen Leuten. Sie verfolgen genau, was er tut. Er hat die Verantwortung, ihnen die Richtung vorzugeben. Und das darf nicht darauf hinauslaufen, dass wir am Ende (wieder) in der politischen Sackgasse landen.

    „Socialist Alternative“, die Organisation, in der ich Mitglied bin, und ich haben den Wahlkampf von Sanders zwar aktiv unterstützt, indem wir z.B. die Kampagne „Movement4Bernie“ ins Leben gerufen haben. Wir haben aber stets und vehement seine Entscheidung kritisiert, im Rahmen der Vorwahlen bei den „Demokraten“ anzutreten6. Wir haben aber auch immer wieder gesagt, dass die Erfahrungen mit dem zutiefst anti-progressiven Charakter der „Democratic Party“ dazu beitragen kann, diesen Fehler wieder zu korrigieren. Wir haben Bernie Sanders dazu gedrängt – sollte er gemäß unseren Erwartungen bei den Vorwahlen der „Demokraten“ unterliegen –, als unabhängiger Kandidat oder als Kandidat der „Green Party“ weiterzumachen. Aus diesem Grund haben wir eine Petition gestartet, die von fast 125.000 Personen unterschrieben worden ist.

    Die Erfahrung der manipulierten Vorwahlen hat den undemokratischen, konservativen und konzernfreundlichen Charakter der „Demokraten“ bis ins Letzte bestätigt. Sanders hat bei den Vorwahlen der „Democratic Party“ zwar rund 46 Prozent der Stimmen bekommen. Eine Wahlempfehlung haben aber nur acht „demokratische“ Mitglieder der Repräsentantenhauses und lediglich ein Senator der „Demokraten“ für ihn abgegeben. Die übergroße Mehrheit des Partei-Establishments hat sich entschieden gegen Sanders und die Millionen von ArbeiterInnen und jungen Leuten ausgesprochen, die hinter seinem Aufruf zur politischen Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre mobilisiert werden konnten.

    Die gesamte Erfahrung des Sanders-Wahlkampfs und der tiefe Graben, der zwischen der enormen Erhebung der Basis an Leuten aus der Arbeiterklasse und den jungen Menschen hinter Sanders auf der einen sowie dem konservativen und prokapitalistischen Charakter der „Democratic Party“ auf der anderen Seite lag, haben das Potential für eine neue politische Partei, die unabhängig von Konzerninteressen und den Milliardären ist, förmlich spürbar werden lassen.

    Selbst wenn Sanders noch nicht dazu bereit gewesen ist, Schritte in dieser Richtung zu veranlassen, so gab es nichts, dass ihn dazu gezwungen hätte, eine Wahlempfehlung für Hillary Clinton, die Kandidatin von „Wal-Mart“, der Wall Street und der Kriegstreiberei, auszusprechen. Sanders hätte es wenigstens ablehnen könne, eine solche Wahlempfehlung für Clinton auszusprechen. Er hätte zumindest den Versuch unternehmen können, sich an seine Millionen von UnterstützerInnen zu wenden, um mit ihnen zusammen für Massenproteste gegen den Rassismus und die Frauenfeindlichkeit eines Donald Trump zu mobilisieren. Dabei hätte er seine AnhängerInnen dazu auffordern können, den linken und konzernkritischen Wahlkampf von Jill Stein zu unterstützen.

    Ein solches Vorgehen hätte die Zustimmung großer Teile seiner Anhängerschaft gefunden. Obwohl das gesamte mediale und politische Establishment enormen entsprechenden Druck aufgebaut haben, haben in den letzten Umfragen fast die Hälfte seiner UnterstützerInnen geäußert, einen Wahlaufruf für Clinton abzulehnen. Doch anstatt seinen ersten Fehler zu korrigieren (die Kandidatur im Kontext der Vorwahlen der „Demokraten“), hat Bernie Sanders noch einen draufgesetzt. Seine Bilanz links ausgerichteter Politik wird nun auf zynische Art und Weise für Versuche genutzt werden, seine Anhängerschaft genau hinter dem Establishment einzureihen, gegen das er doch eigentlich aufbegehren wollte.

    Die Spender von Hillary Clinton

    Die Argumente von Bernie Sanders für die Wahlempfehlung von Clinton gründen auf den Zugeständnissen die in Orlando mit Blick auf das Wahlprogramm „Democratic Party“ gemacht worden sind. Um diesen Zugeständnissen irgendeine Form von bindendem Charakter zu geben, hätte dieses Wahlprogramm aber von gewählten Partei-VertreterInnen legitimiert werden müssen. Politiker, die künftig gegen diese programmatische Ausrichtung stimmen, müssten folglich wissen, dass sie damit jede Unterstützung der Partei verlieren. Aber so funktioniert weder die „Democratic Party“ noch die „Republican Party“. Fakt ist, das die Nominierungsparteitage der „Demokraten“ allzu häufig makellose Beispiele für vage und dann gebrochene Wahlversprechen abgegeben haben. Üblicher Weise ist das Wahlprogramm schon wertlos, noch bevor die Tinte, mit dem es geschrieben worden ist, trocknen konnte. Hillary Clinton wird freie Hand haben, welche Art von Politik sie umsetzen wird, wenn sie einmal im Amt ist. Was zuvor ins Wahlprogramm aufgenommen worden ist, wird dann keine Rolle mehr spielen. Und ihre Entscheidungen werden in erster Linie davon abhängen, was die Milliardäre gut finden, von denen sie unterstützt wird.

    Das Partei-Establishment der „Demokraten“ mag zwar Druck verspürt und daher gewisse Zugeständnisse beim Wahlprogramm gemacht haben. Aber dennoch halten diese sich sehr in Grenzen. So wurde beispielsweise verhindert, dass eindeutige Aussagen zu so wichtigen Themen wie der staatlichen Gesundheitsversorgung „Medicare“, dem möglichen Widerstand gegen TPP oder einer Ablehnung des Fracking getroffen wurden. Schließlich steht das Amerika der Konzerne sämtlichen dieser Punkte feindselig gegenüber. Die Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Dollar die Stunde wurde zwar ins Wahlprogramm aufgenommen, glaubt aber wirklich jemand daran, dass Hillary Clinton sich ernsthaft dafür einsetzen wird? Man bedenke nur, wer zu ihren Spendern zählt: die Banken von der Wall Street, „McDonalds“, „WalMart“, der große Einzelhändler „Target“, die Pharma-Riesen, private Krankenversicherungen und die Öl-Magnaten. Wird wohl irgendeiner von ihnen die Verdopplung des bisherigen Mindestlohns tolerieren?

    Bernie Sanders hat wiederholt gesagt, dass „die >Democratic Party< sich entscheiden muss: Stehen wir an der Seite der arbeitenden Menschen oder der Interessen des großen Geldes?“. Kann Bernie Sanders denn jetzt und ohne rot zu werden behaupten, dass die „Demokraten“ (oder Hillary Clinton selbst) in irgendeiner Weise zu dieser Entscheidung gekommen sind?

    Wir können uns einfach nicht leisten, den Fehler den Bernie Sanders begangen hat, mitzumachen. Für uns ist es an der Zeit darüber hinauszugehen. Weil wir – und dabei werden wir keinen Fehler begehen – die politische Rechte aufhalten müssen7.

    Wir werden das Erstarken des rechten Populismus auf dieselbe Art und Weise stoppen, auf die wir die Forderungen durchgesetzt bekommen, für die wir in den vergangenen Monaten gekämpft haben. Das geschieht, indem wir organisierte und kämpferische Strukturen der arbeitenden Menschen aufbauen und daraus mächtige Massenbewegungen machen. Eine Demobilisierung unserer Bewegung und die Übergabe unseres Schicksals in die Hände konzernfreundlicher Politiker wird nur dazu führen, dass die Rechte gestärkt wird.

    Es war die Stärke der mächtigen sozialistischen und der Arbeiterbewegung der 1930er und -40er Jahre, die dem „Demokraten“ Franklin Roosevelt wesentliche Zugeständnisse abgerungen hat. Und es war die Stärke der Anti-Establishment-Bewegungen der 1960er und -70er Jahre, mit der dem „Republikaner“ Richard Nixon wesentliche Konzessionen abgerungen worden sind. In beiden Fällen hat die Führung dieser Parteien keinen Millimeter mehr zugestehen wollen, als sie dazu durch eben solche Bewegungen gezwungen worden sind.

    Der wesentliche Grund, weshalb Sozialprogramme, wie sie in Europa und andernorts errungen worden sind (und Bernie Sanders hat so oft darauf Bezug genommen), noch nie in den USA erreicht wurden, besteht darin, dass die US-amerikanische Arbeiterklasse bisher nicht darin erfolgreich gewesen ist, ihre eigene politische Partei aufzubauen. Stattdessen hat sie sich fortwährend an die prokapitalistische „Democratic Party“ geklammert. Länder wie Schweden, Großbritannien und Frankreich haben den Aufbau von sozialistischen Massenparteien und Massenparteien der Arbeiterbewegung erlebt, die sich gegen die liberalen und konservativen kapitalistischen Parteien in ihren Ländern aufgelehnt haben. Diese haben gemeinsam mit mächtigen Bewegungen gekämpft und bedeutende Erfolge erzielt (wie z.B. eine öffentliche Gesundheitsversorgung und ein kostenloses staatliches Bildungssystem). Die herrschenden Eliten in diesen Ländern haben allein deshalb nachgegeben, weil sie die Gefahr noch stärkerer Erhebungen der Arbeiterklasse bannen wollten. Dies ist nicht allein aus gutem Willen heraus geschehen.

    Wir haben jetzt die historische Gelegenheit, mit dem Aufbau einer neuen Massenpartei der viel zitierten „99 Prozent der Bevölkerung“ beginnen zu können. Wir brauchen eine Partei, die auf echter Demokratie gründet. Dazu gehört ein gewählter und wieder abwählbarer Vorstand, der keine Spendengelder von Konzernen annimmt, ein bindendes Programm hat und bis zuletzt bereit ist, „die Verachtung“ von Seiten der Wall Street und des Amerikas der Konzerne in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig müssen diese Partei und ihr Vorstand ohne wenn und aber für unsere Interessen kämpfen.

    Wahlempfehlung für Jill Stein

    Aus diesem Grund rufe ich zur Wahl von Jill Stein, der Kandidatin der „Green Party“, auf.

    Jill Stein kämpft im Wesentlichen für all die Ziele, für die auch Sanders gestanden hat8. Sie fordert „Medicare“ für alle, einen bundesweiten Mindestlohn von 15 Dollar, einen raschen Umstieg auf erneuerbare Energien und ein Ende der Gruppen-Verhaftungen. In einigen Punkten ist sie über das hinausgegangen, was Bernie Sanders gefordert hat. Dies gilt vor allem für wesentliche Felder der US-Außenpolitik, die sie ablehnt, aber auch hinsichtlich ihrer Forderung nach einer Aufhebung der Studiengebühren.

    Der Wahlkampf von Jill Stein ist eindeutig die Fortsetzung unserer politischen Revolution, und er verdient die breitest mögliche Unterstützung von Seiten der „Sandernistas“ (Kosename für die AnhängerInnen von Sanders; Anm. d. Übers.). Je mehr Stimmen Jill Stein bekommt, desto besser aufgestellt werden wir sein, um nach den Wahlen die Grundlagen für eine neue Partei der „99 Prozent“ zu schaffen.

    Ich stimme zwar nicht in allen Punkten mit Jill Stein bzw. der „Green Party“ überein. Dieser Partei kommt aber eine entscheidende Rolle dabei zu, beim Aufbau einer unabhängigen Politik zu helfen. Es ist an der Zeit sich darüber klar zu werden, was der Spruch „Bernie or Bust“ (dt.: „Bernie Sanders oder kaputtgehen“) bedeutet. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt dafür, das Handtuch zu werfen und „kaputtzugehen“. Die Kapitulation von Bernie Sanders ist ein herber Rückschlag. Wir müssen das aber nicht einfach so hinnehmen. Wir müssen einiges an echter Arbeit leisten. Und Millionen von Menschen suchen nach einem Ausweg, der voran führt.

    Ende dieser Woche wird sich die Kampagne „Movement4Bernie“ als „Movement for the 99%“ neu gründen. Das ist eine Reaktion auf das unvermindert vorhandene Bekenntnis zum Kampf für die politische Revolution – vor wie auch nach dem Monat November. Wenn du noch an keinem Treffen unter dem Motto „Beyond Bernie“ (dt.: „jenseits von Bernie Sanders“) teilgenommen haben solltest, zu dem das „Movement4Bernie“ und „Socialist Alternative“ einladen, um die nächsten Schritte für unsere Bewegung zu diskutieren und Teil derselben zu werden, so hoffe ich, dass du demnächst an einem solchen Treffen teilnehmen und in Erwägung ziehen wirst, bei „Socialist Alternative“ aktiv zu werden.

    In genau zwei Wochen werden wir beim Nominierungsparteitag der „Demokraten“ dabei sein. Dort wird es zu großen Protestkundgebungen vor dem Parteitagsgelände und auf den Straßen von Philadelphia kommen. Im Saal werden auch die Delegierten von Bernie Sanders gegen die Parteiführung der „Demokraten“ protestieren. Einige von ihnen werden sich aktiv daran beteiligen, den Parteitag vorzeitig zu verlassen.

    Ich hoffe, dass die LeserInnen dieser Zeilen ebenfalls dabei sein können, um mit mir zusammen an den Protesten teilzunehmen und die Delegierten in Empfang zu nehmen, die den mutigen Schritt gehen, den Parteikonvent vorzeitig zu verlassen.

    Es ist aber auch an der Zeit, weit umfangreichere Verweigerungsaktionen durchzuführen: Dabei muss es um die Verweigerung gehen, sich weiter fest im Griff einer konzernfreundlichen Politik und der undemokratischen „Democratic Party“ zu befinden. Es ist an der Zeit, unsere eigene Partei aufzubauen und zu einer wirklichen Revolution zu kommen, die mächtig genug ist, um eine Herausforderung für die Dominanz der Konzerne darstellen zu können. es geht darum, dass wir uns gegen den institutionalisierten Rassismus, Armut und wirtschaftliche Ungleichheit zu Wehr setzen. Wir müssen alle Ziele erreichen, für die unsere Bewegung gekämpft hat.

    (Dieser Artikel erschien zuerst auf der Internetseite vom „Counterpunch“: http://www.counterpunch.org/2016/07/13/bernie-sanders-abandons-the-revol.... Dort lautete die Überschrift: „Bernie Sanders Abandons the Revolution“)
    1vgl.: http://www.counterpunch.org/2016/05/04/its-not-about-bernie-why-we-cant-...
    2vgl.: https://www.sozialismus.info/2016/07/sind-die-us-demokraten-reformierbar/
    3vgl.: https://www.jacobinmag.com/2016/05/trump-clinton-sanders-kshama-sawant-g...
    4vgl.: www.counterpunch.org/2016/05/04/its-not-about-bernie-why-we-cant-let-our...
    5vgl.: http://www.politico.com/story/2016/07/bernie-sanders-booed-house-democra...
    6vgl.: https://www.sozialismus.info/2015/05/usa-bernie-sanders-erklaert-praesid...
    7vgl.: https://www.sozialismus.info/2016/04/mit-welcher-strategie-gegen-donald-...

    vgl.: http://www.socialistalternative.org/2016/06/30/stop-trump-populist-threat/
    8vgl.: http://www.truth-out.org/news/item/36148-green-party-s-jill-stein-shares...

     

       

      Keine Sicherheit im Kapitalismus

      Von Sascha Stanicic, Bundessprecher der SAV (Schwesterorganisation der SLP in Deutschland)

      Über den Umgang mit den Gewalttaten in Süddeutschland

      Die Ereignisse von Würzburg, München, Ansbach und Reutlingen sagen sehr viel mehr über die bundesdeutsche Gesellschaft, ihre PolitikerInnen und Medien aus, als über den Islam, Islamisten und über die so genannte innere Sicherheit.

      Die Gewalttaten waren schrecklich und das Mitgefühl aller sollte den Opfern und ihren Hinterbliebenen gelten. Gerade aus Respekt vor diesen sollte ein sachlicher Umgang mit den Ereignissen stattfinden und ernsthaft diskutiert werden, ob es Wege geben kann, die solche Taten in Zukunft verhindern helfen können. Die Vorschläge, die aus den Reihen konservativer Staatsfetischisten aus CDU/CSU und den Rassisten der AfD kommen, sind dafür alle nicht geeignet.

      Berichterstattung

      Nach derzeitigem Kenntnisstand haben wir es in allen Fällen mit Einzeltätern zu tun, die weder im Auftrag irgendeiner terroristischen Vereinigung noch als Folge einer Mitgliedschaft oder Aktivität in einer Organisation handelten. Trotzdem wird in der Berichterstattung über alle vier Fälle diese Frage ausführlich behandelt. Im Fall des Mordes in Reutlingen sprechen einige Medien auch von einem Anschlag, obwohl es sich um eine Beziehungstat handelte. Die Tatsache, dass der Täter Syrer ist, reicht offenbar aus, um seine Nationalität und Religionszugehörigkeit zum Gegenstand der Berichterstattung zu machen. Als 2012 in Krailing ein Bayer seine zwei Nichten im Schlaf ermordete war in der Berichterstattung nicht zu finden, ob der Mann Christ, Atheist, CSU-Mitglied oder sonst etwas war – auch wurde seine deutsche Staatsangehörigkeit nicht sonderlich hervorgehoben.

      Der Amokläufer von München hat sich in einem Video als „Deutscher“ bezeichnet, er hat „Scheiß-Türken“ gerufen und eine Zeugin berichtete, dass er einen ausländerfeindliche Spruch gerufen habe. Er wurde in Deutschland geboren und hatte die deutsche Staatsbürgerschaft. In seiner Wohnung wurden Unterlagen über den rassistisch und rechts-politisch motivierten Massenmord an sozialdemokratischen Jugendlichen durch Anders Breivik in Norwegen gefunden. Der Münchener Attentäter schlug am fünften Jahrestag dieses grausamen Verbrechens zu. Alle neun Opfer sollen Migrationshintergrund gehabt haben. Trotzdem wird er in den Medien konsequent als „Deutsch-Iraner“ bezeichnet und wurde noch nach Bekanntwerden des zitierten Videos in den Medien ein „islamistischer Hintergrund“ nicht ausgeschlossen. Dass ein rechtsradikal-rassistischer Hintergrund viel naheliegender ist, wird so gut wie nirgends erwähnt.

      Als vor zwei Jahren in Mittelfranken ein Amokläufer zwei Menschen erschoss, wurde er in den Medien als „psychisch auffällig“ bezeichnet. Dass er Sportschütze war, wurde nicht zum Anlass genommen, diese Bevölkerungsgruppe (die ja immerhin bewaffnet ist) unter Generalverdacht zu stellen. Trotz intensiver Recherche im Internet, ist die Religionszugehörigkeit des Täters nicht zu ermitteln.

      Terror verhindern?

      Bei den Tätern von Würzburg und Ansbach handelte es sich offenbar tatsächlich um Männer, die zumindest Sympathien mit dem rechten politischen Islam hatten. Fragt man hier nach der konkreten Motivationslage oder Auslösern für die Tat, werden in den Medien der Tod eines Freundes des Würzburger Täters in Afghanistan und die drohende Abschiebung des Ansbacher Täters genannt. Läge da nicht die Schlussfolgerung nahe, dass ein Ende des Krieges in Afghanistan und ein Ende der menschenverachtenden Abschiebepolitik diese Taten „verhindert“ hätten?

      International nehmen terroristische Anschläge durch den so genannten „Islamischen Staat“ oder andere zur Zeit zu und verunsichern viele Menschen. Das ist das Ziel der Täter. Sie setzen aber auch darauf, dass die Reaktion der westlichen Staaten, PolitikerInnen und Medien weitere junge Muslime in ihre Arme treibt. Denn diese stellen oftmals „den Islam“ oder „die Flüchtlinge“ als Gefahr dar und verstärken antimuslimischen Rassismus. Dabei sind „die“ Muslime genausowenig verantwortlich für den IS, wie „die“ Deutschen für den NSU und „der“ Islam ist nicht Ursache des Terrors, genauso wenig wie „das“ Christentum für den Terror des Klu-Klux-Klans in den USA oder der christlich-fundamentalistischen Lord’s Resistance Army in Uganda verantwortlich ist.

      Gegen staatliche Aufrüstung

      Die Verunsicherung vieler Menschen wird von pro-kapitalistischen Regierungen auch dazu genutzt, staatliche Organe weiter aufzurüsten und demokratische Rechte abzubauen. Sie behaupten, um die Bevölkerung wirkungsvoller vor Anschlägen schützen zu können, sei es notwendig den Datenschutz abzubauen, mehr Polizisten einzustellen oder sogar die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Alle Erfahrungen zeigen aber, dass der Ausbau staatlicher Macht letztlich gegen alle KritikerInnen, vor allem auch gegen die Arbeiterbewegung und die Linke, eingesetzt wird. Ein Blick nach Frankreich genügt, wo der seit neun Monaten geltende Ausnahmezustand gegen streikende ArbeiterInnen und ihre Gewerkschaften eingesetzt wurde und die staatliche Repression gegen die Massenproteste der letzten Monate enorm war.

      Das ist ein Grund, staatliche Aufrüstung und den Ausbau staatlicher Willkürmöglichkeiten abzulehnen. Der andere ist, dass solche Maßnahmen den Terror nicht verhindern (können). Einzeltäter sind durch mehr Polizei nicht zu stoppen. Es sei denn, der Staat wird zu einem Spitzel-Staat ausgebaut, in dem bis in jede Wohnung und an jeden Arbeitsplatz geschnüffelt wird. Gleichzeitig wird eine Organisation wie der Islamische Staat so lange Mittel und Wege zur Durchführung von Attentaten finden, wie die gesellschaftlichen Grundlagen ihrer Existenz fortbestehen. Diese liegen im wesentlichen in der Ausbeutung der neokolonialen Welt, den Kriegen, der Unterstützung von Diktaturen im Nahen Osten und dem institutionalisierten Rassismus gegen Muslime und Geflüchtete in den westlichen Staaten. Will man dem IS den Boden entziehen, müssen diese Grundlagen beseitigt werden. Vor allem aber muss eine starke linke Alternative international aufgebaut werden, die der Spaltung durch Rassisten und durch die Kräfte des rechten politischen Islam den gemeinsamen Kampf von ArbeiterInnen, Jugendlichen und Erwerbslosen – unabhängig von Nationalität, Hautfarbe und Religionszugehörigkeit – für soziale Verbesserung und gegen Krieg und Imperialismus entgegen stellt.

      Dass einige Linke, wie Sahra Wagenknecht und Bodo Ramelow in dasselbe Horn wie bürgerliche Kräfte blasen, braucht niemand. Im Gegenteil: es schadet mehr, als es nutzt.

       

      Ist die AfD faschistisch?

      Für den Kampf gegen rechts ist eine richtige Analyse nötig
      von René Kiesel, Berlin

      Die Alternative für Deutschland (AfD) wird oft mit der NSDAP verglichen und rassistische oder autoritäre Politik schnell als faschistisch deklariert, doch was steckt wirklich hinter dieser Partei?

      Die AfD bildet eine Brücke zwischen gemäßigten und radikalen rechten Ansichten und innerhalb der Partei bildet sich ein Flügel heraus, der zum Teil Überschneidungen mit Faschisten aufweist. Prominente Vertreter dieses Flügels sind Poggenburg, Gauland und Höcke. Sie bekommen zudem Unterstützung aus verschiedenen Landesverbänden und der Jungen Alternative. Mitglieder des Jugendverbandes sind zum Beispiel bei den neofaschistischen Identitären und Burschenschaften aktiv. Dabei stellen Mobilisierungen der AfD einen Schutzraum für rechte Gewalt für Nazis, die außerhalb der Partei agieren, dar. Doch dies prägt nicht die gesamte Partei.

      Die Propaganda der AfD wird durch fortwährende Skandale breit in der bürgerlichen Presse transportiert. Die Partei als Ganzes ist sexistisch, LGBT-feindlich, nationalistisch, rassistisch und vor allem antimuslimisch. Wer der deutschen Wirtschaft nützt, ist akzeptiert, andere nicht. So sind es auch deutsche Erwerbslose, Alleinerziehende, RentnerInnen und prekär Beschäftigte nicht wert, Unterstützung zu erhalten. Doch selbst all das macht die AfD noch nicht zu einer faschistischen Partei.

      Gefährlich, nicht faschistisch

      War die kommunistische Partei vor allem nach ihrer Gründung eine Kampfpartei des Proletariats gegen den Kapitalismus, so war die faschistische Partei ihr Gegenstück. Um das kapitalistische System vor dem ökonomischen und politischen Untergang zu schützen, mussten die Errungenschaften der Arbeiterklasse zerschlagen werden. Es entstand eine prokapitalistische Partei neuen Typs, da die bisherigen bürgerlichen Parteien nicht dafür ausreichten. Die Basis der Faschisten stellten die kleinbürgerlichen und zum Teil bäuerlichen Massen, die zahlenmäßig dem Proletariat ebenbürtig waren. Das waren vor allem Leute, die den Verlust ihres eigenen Besitzstandes und ihrer sozialen Stellung fürchteten. In der faschistischen Partei geeint, führten sie den Bürgerkrieg gegen das organisierte Proletariat.

      Ein Merkmal PEGIDAs und des rechten Flügels der AfD ist dieses Element – Teile des Mittelstandes radikalisieren sich und gehen gegen die vermeintlich Schuldigen für ihre Situation auf die Straße. Und obwohl Nazischläger diesen Raum für gewalttätige Aktionen nutzen, entspricht dieses Bild nicht der Gesamtpartei. Deren gemäßigter Flügel verhindert zwar einen Bruch mit den Parteirechten, aber sie wollen vor allem den bürgerlichen Staat im parlamentarischen Rahmen regieren und nicht die physische Vernichtung der Gewerkschaften und linken Parteien, wie es faschistische Organisation taten oder sich heute noch auf die Fahne schreiben.

      Parteiflügel – nicht mit und nicht ohne einander

      Mit Unterstützung des rechten Flügels konnten sich die Konservativen um Petry, Pretzell und von Storch gegen den liberaleren Lucke-Flügel in allen Bundesländern bis Anfang 2016 durchsetzen. Der endgültige AfD-Charakter ist jedoch noch nicht entschieden, denn zur Zeit brauchen die Flügel einander noch, auch wenn es fortwährende Spannungen zwischen ihnen gibt. Bereits kurz nach ihrer Wahl zur Bundessprecherin 2015 kam Petry durch Teile der Partei in Bedrängnis, die sie nach rechts treiben wollen. Im Landesverband Sachsen, dessen Sprecherin sie ebenfalls ist, stellte die Patriotische Plattform einen rechten Gegenkandidaten zum Landesvorsitz auf – der allerdings haushoch verlor. Gleichzeitig holte André Poggenburg in Sachsen-Anhalt das bislang beste Ergebnis bei Landtagswahlen für die AfD. Und wie die Demonstrationen in Erfurt zeigten, stellen die Rechten die aktivsten Elemente der Partei – je radikaler die Mitgliedschaft, desto besser mobilisierbar ist sie.

      Doch ohne die gemäßigten Teile droht den Parteirechten die Marginalisierung. Die Auflösung des AfD-Verbandes im Saarland durch den Bundesvorstand aufgrund allzu bekannter Überschneidungen mit der rechtsradikalen Szene und der NPD war eine Niederlage für sie. Auch das aktuelle Beispiel Baden-Württemberg zeigt, dass ihnen Grenzen gesetzt werden. In einem Manöver kündigte der Bundessprecher Meuthen an, von seinen Ämtern zurück zu treten, sollte der Antisemit Gedeon nicht aus der Fraktion ausgeschlossen werden. Es endete mit einem Unentschieden, Gedeon lässt seine Ämter ruhen und Meuthen gibt sich als Sieger. Gleichzeitig rief Petry zur Ordnung, um die Einheit der Partei nicht zu gefährden.

      Ob die Partei insgesamt eine „Beantwortung“ sozialer Fragen von rechts in ihr Programm aufnehmen wird, bleibt abzuwarten. Der rechtskonservative Flügel besteht auf einer Wirtschaftspolitik, wie sie über Jahrzehnte typisch für die CDU war. Es ist fraglich, ob der nächste Parteitag darüber eine Entscheidung herbeiführen wird oder ob der Konflikt weiterhin gedeckelt wird.

      Daher besteht zwar ein Widerspruch in der Ausrichtung der Partei, aber wie FPÖ oder Front National zeigen, kann dieser Widerspruch über einen langen Zeitraum ausgehalten werden bis die Zuspitzung bestimmter Umstände eine Entscheidung erzwingt. n

      Rassistische Zitate von AfDlern

      Armin Paul Hampel (AfD-Chef Niedersachsen): „Ich will das auf keinen Fall herunter spielen, aber es ist doch klar, dass ein Gutteil dieser angeblichen Brandanschläge von den Flüchtlingen selbst kommt, meist aus Unkenntnis der Technik. Mal ehrlich, viele von ihnen dürften es gewohnt sein, in ihren Heimatländern daheim Feuer zu machen.“ (Der Spiegel 51/2015, S. 25)

      Uwe Junge (AfD-Spitzenkandidat im März in Rheinland-Pfalz): „Ungesteuerte Massenzuwanderung ist ein Verbrechen an unseren Kindern.“ (AZ, 06.01.16)

      Björn Höcke (Sprecher der AfD in Thüringen) stellte im November 2015 bei einer Tagung die rassistische These auf, dass die Evolution Afrika und Europa „zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert“ habe. In Afrika herrsche die „r-Strategie“ vor, die auf eine möglichst hohe Wachstumsrate abziele, dort dominiere der sogenannte Ausbreitungstyp. Dem stehe die europäische „K-Strategie“ gegenüber, „die die Kapazität des Lebensraums optimal ausnutzen möchte“.

       

         

        Frankreichs Großereignis – EM oder Streik?

        Margarita Wolf

        In Frankreich findet im Juni/Juli die Fußball EM statt und parallel dazu gehen die Streiks gegen die geplante Verschlechterung des Arbeitszeitgesetzes in eine neue Runde. Beides passt gut zusammen, weil Sport in unserer Gesellschaft auch politisch ist. Vor Allem dann, wenn Regierungen viel Geld im Zuge der EM investieren. Am 14. Juni fand in Paris eine riesige Demonstration statt, an der ArbeitnehmerInnen aus allen wichtigen Industriezweigen und viele Jugendliche teilnahmen. Trotz Anschuldigungen seitens der Medien und PolitikerInnen, dass die Proteste die EM ruinieren würden, gehen sie weiter und das ist auch gut so. Sie können derzeit auf die Unterstützung von 67% der Bevölkerung zählen. Ganz Europa sieht nach Frankreich und verfolgt nicht nur die EM, sondern auch, was sich auf den Straßen abspielt. Eine Chance für die Gewerkschaften, durch eine Ausweitung der Streiks und Betriebsbesetzungen ihr Ziel zu erreichen, die Umsetzung der geplanten Verschlechterungen zu stoppen. Gewerkschaften in anderen europäischen Ländern sollten sich solidarisieren und im eigenen Land gegen die Flexibilisierung der Arbeitszeit kämpfen. Nur dann haben auch in Zukunft Menschen Zeit und Geld, die EM-Spiele

        Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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