Internationales

Kurdistan/Syrien/Türkei - Nein zum Angriff!

Erdogans neuerlicher Krieg gegen die KurdInnen dient auch der Ablenkung von Problemen in der Türkei.
İsamail N. Okay, Sosyalist Alternatif, www.sosyalistalternatif.com (Schwesterorganisation der SLP in der Türkei)

Das Erdogan Regime führt eine militärische Operation gegen die im Nordwesten Syriens gelegene Stadt Afrin durch. Unterstützt wird die Aktion von der „sozialdemokratischen“ Oppositionspartei CHP. Die Erfolge des Befreiungskampfes der zwischen der Türkei, Irak, Iran und Syrien aufgeteilten kurdischen Bevölkerung sind nun gefährdet.

Das Erdogan Regime hat ein Abkommen mit den USA und Russland getroffen. Dafür steht auch der Name der Militäroperation - „Olivenzweig“. Hier handelt es sich um einen Olivenzweig, der von einem Diktator dem anderen gereicht wird. Weder die verschiedenen Regime im Nahen Osten noch Russland oder die USA haben ein Interesse an der Umsetzung der Forderungen der KurdInnen.

Das Motiv für diesen Krieg gegen die KurdInnen ist einfach. Die kurdische Bevölkerung ist auf vier Länder aufgeteilt und wird in jedem davon unterdrückt. Errungenschaften in einem Land stärken die Forderungen nach mehr Selbstbestimmung und demokratischen Rechten in den anderen Ländern. Also unternehmen die jeweils anderen Regime alles, um diese Fortschritte zu beschränken – inklusive Krieg und blutiger Gewalt.

Die Propaganda der türkischen Medien schürt den Rassismus in den Köpfen der türkischen Massen, indem sie den Angriff auf die KurdInnen als „Krieg gegen Terror“ bezeichnet. Dabei hat das Erdogan Regime im Syrienkrieg dschihadistische Gruppen unterstützt und sogar offen Dschihadisten von der Türkei nach Afrin mit Bussen transportiert. Am Verhandlungstisch mit Russland und Syrien vertritt die Türkei die Interessen dieser Gruppen.

Andererseits versucht Erdogan, alle kritischen Stimmen durch Staatsnotstand und Notverordnungen zu unterdrücken. Damit will das Regime seine Macht im Land stärken. Der Krieg soll und wird die nationalistische Atmosphäre in der Türkei befeuern und den Spielraum der Opposition mindern. Die CHP steht in einem Wettbewerb mit der regierenden AKP-MHP-Koalition darüber, wer am „patriotischsten“, also am nationalistischsten, ist.

Doch der wirkliche Feind sind nicht die Menschen in Afrin, sondern das Erdogan Regime. Durch den Krieg gegen die KurdInnen soll dafür gesorgt werden, dass sich die Unzufriedenheit der türkischen ArbeiterInnenklasse nicht gegen das Regime richtet. Alle Proteste werden als „Terrorismus“ diffamiert. Wahrscheinlich wird es ein Streikverbot in der Metallindustrie geben. Nationalistische und rassistische Spaltung soll verstärkt werden.

Deshalb vermeiden die türkischen Medien den Begriff „kurdisch“ oder „sozialistisch“, wenn es um Rohjava geht. Man redet nicht mehr von einem „kurdischen Korridor“ zum Mittelmeer, sondern von einem „Terrorkorridor“.

Wie alle anderen Völker sollten die KurdInnen das Recht auf die Bestimmung ihres eigenen Schicksals haben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es jedoch auch wichtig, türkischen ArbeiterInnen die Hand zu reichen. Mit Forderungen nach der Verteidigung demokratischer Rechte, für Jobs und Wohnraum und dem demokratischen Besitz und der Kontrolle der riesigen Reichtümer der Region im Interesse aller Menschen könnten Angst und Hass durchbrochen werden. Bei früheren Bewegungen um den Taksim-Platz oder beim Tekelstreik konnten diese Gemeinsamkeiten nationalistische Spaltungen überwinden.

Weder die KurdInnen noch die Menschen in Syrien sind unsere Feinde. Die Reichen und die GroßgrundbesitzerInnen fürchten ein Zusammenkommen von kurdischen, irakischen, türkischen, syrischen und iranischen ArbeiterInnen. Eine solche Bewegung könnte lokale und imperialistische Regierungen wie Russland oder die USA sowie den Kapitalismus als solchen herausfordern.

Die AKP, CHP, MHP und IYI Parteien sind alle nationalistisch und chauvinistisch. Sie tun alle so, als ob ArbeiterInnen und Bosse die selben Interessen hätten. Deshalb braucht es eine ArbeiterInnenpartei, in der wir uns gegen den Nationalismus der KapitalistInnen organisieren können. Nur die Einheit der ArbeiterInnenklasse kann Kriege, den Imperialismus und seine Kollaborateure stoppen. Daher rufen wir alle Organisationen der ArbeiterInnenklasse, besonders die Gewerkschaften, dazu auf, den Krieg des türkischen Staates sowie des US- und des russischen Imperialismus gegen die KurdInnen abzulehnen.

Wir fordern ein Ende des türkischen Einmarsches und fordern die ArbeiterInnen in der Türkei auf: „Sei kein Teil des Krieges, sag nein zu der Attacke auf Afrin!“. Der Streik der MetallarbeiterInnen muss mit dem Kampf gegen den Krieg verbunden werden, weil die Einheit der ArbeiterInnen das Werkzeug gegen Nationalismus ist und hilft, die sektiererische Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Nein zum Krieg, zu Ausbeutung, zu Unterdrückung und Armut – für eine freiwillige sozialistische Föderation des Nahen Ostens!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Solidarität mit Afrin: Nein zum Krieg gegen die KurdInnen

Interview mit Ismail N. Okay zum türkischen Einmarsch in Nordsyrien

Vorbemerkung: Die Lage im kurdischen Afrin spitzt sich in diesen Tagen dramatisch zu. Nach Medienberichten hat die türkische Armee die 300.000 sich noch in der Stadt befindenden EinwohnerInnen eingekesselt. Bisher sollen 300 ZivilistInnen ermordet und 700 verletzt worden sein. Das türkische Militär hat  Telefonleitungen, Wasser- und Elektrizitätswerke zerstört, den Maydanki-Staudamm eingenommen, und versucht Afrin komplett zu isolieren. In der Stadt gibt es einen Mangel an Medikamenten und Gütern des täglichen Bedarfs. Erdogan kündigt derweil an, dass er die Militäroffensive auf andere Teile der selbstverwalteten Region Rojava, einschließlich Kobane, ausweiten will, wenn Afrin eingenommen wird. 

Wir veröffentlichen hier ein Interview mit Ismail N. Okay, das Ende Februar geführt wurde und zuerst in der März-Ausgabe der SAV-Zeitung „Solidarität“ erschien. Die SAV ruft zur Solidarität mit der bevölkerung Afrins und zur Beteiligung an den gerade in ganz Deutschland stattfindenden Protestdemonstrationen auf – auch um die Komplizenschaft der Bundesregierung mit dem Erdogan-Regime anzuklagen. Wir fordern ein Ende der Waffenexporte an die Türkei und den Rückzug der Bundeswehr-Soldaten von den NATO-Stützpunkten in der Türkei. 

Ein Flugblatt der SAV findet sich hier.

Was steckt Deiner Meinung nach hinter dem Einmarsch türkischer Truppen in Afrin?

Hinter diesem Einmarsch des AKP-Regimes in Afrin stecken drei Hauptmotive. Das erste ist die anti-kurdische Politik des türkischen Staates, also ein Vorgehen gegen die Bestrebungen der Kurdinnen und Kurden, ein Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen. Der türkische Staat wurde auf einem türkisch-islamisch-sunnitischen Selbstverständnis gegründet, das Staatsdoktrin ist. Das ist der Grund, warum sich – außer echten Marxistinnen – alle politischen Kräfte in der Türkei schnell einig sind, wenn es gegen die KurdInnen geht. Selbst geringste Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung, innerhalb oder außerhalb der Türkei, werden als Bedrohung angesehen. Eine in Syrien entstehende „Nordsyrische Kurdenregion“ ist aus Sicht des türkischen Staates eine Entwicklung, die mit allen Mitteln verhindert werden muss.

Der andere Grund ist die sogenannte neoosmanisch-imperiale Politik des Erdogan-Regimes mittels derer die Türkei in der Region zu einer Regionalmacht werden soll. Erdogan und die Herrschenden haben den Syrienkonflikt als eine Gelegenheit zur Umsetzung dieser Politik gesehen.

Drittens: Erdogan nutzt diesen militärischen Vormarsch um von den sozialen Problemen in der Türkei abzulenken. Vor dem Einmarsch in Afrin standen in Umfragen die sozialen Probleme, wie die Senkung des Lebensstandard, die niedrigen Löhne, der Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Inflation im Vordergrund. Nun sind diese Themen plötzlich in den Hintergrund gerückt. Erdogan schürt mit dem Einmarsch Nationalismus und hofft dadurch die wichtigen Wahlen im nächsten Jahr zu gewinnen.

Wie verläuft der Vormarsch der türkischen Armee? Was wird Deiner Meinung nach das Ergebnis sein?

Entgegen der türkischen Staatspropaganda verläuft der Vormarsch sehr langsam. Auf der anderen Seite ist Afrin fast völlg isoliert und außer im Südosten, wo sich die Militärkäfte des Assad-Regimes befinden, eingekesselt. Die Türkei ist auch militärisch überlegen und verfügt nicht zuletzt über Kampfjets und Drohnen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass Afrin nach einem relativ langen Kampf fallen wird. Aber je mehr sich der Kampf in die Länge zieht, umso größer werden die Konsequenzen für Erdogan sein.

Wie siehst Du die Bündnispolitik der YPG?

Die YPG spricht davon, eine flexible Taktik bezüglich ihrer Bündnispolitik mit den verschiedenen Kräften in der Region, anzuwenden. Ihre Betonung für die Einheit der Völker ist auch richtig. Allerdings es ist nicht klar welche Strategie sie diesbezüglich verfolgt. Die sehr enge Zusammenarbeit mit dem US-Imperialismus, der der Hauptverantwortlicher für die Zustände in Irak und Syrien ist, steht im Widerspruch zu solchen Aussagen.

Ohne Zweifel, ist die Situation, in der sich die KurdInnen bzw. die PYD/YPG gerade befinden, sehr schwierig. Ein Volk, das auf vier Länder aufgeteilt ist und dort unterdrückt wird, hat gleichzeitig vier Gegner, die sich leicht verbünden können. Das sehen wir gerade in Afrin. Zum Beispiel wäre der türkische Einmarsch ohne die Zustimmung von Russland bzw. des Assad-Regimes gar nicht möglich gewesen.

Es gibt sicher keinen leichten Weg, Selbstbestimmung oder einen „demokratischen Konföderalismus“, wie die PYD/YPG es nennt, zu erreichen. Aus unserer Sicht, ist das nur auf sozialistischer Grundlage möglich. Dieses Ziel kann man weder mit Hilfe des US- noch des russischen Imperialismus oder des Assad-Regimes erreichen. Einzig die Arbeiterklasse und die armen Bauern und Bäuerinnen in der Region können wahre Bündnispartner sein, um dieses Ziel zu erreichen.

Wie ist die Lage für KurdInnen, Linke und die demokratische Opposition in der Türkei?

Es herrscht eine große nationalistische Stimmung. Ohne Ausnahme betreiben alle Fernsehkanäle Kriegspropaganda und das nicht nur durch Nachrichtensendungen oder Polit-Talkshows, sondern auch mittels von Fernsehserien.

Nicht nur die Kritiker des Einmarsch werden unter Druck gesetzt, indem ihnen Verrat vorgeworfen wird, sondern auch diejenigen die sich in irgendeiner Form nicht für den Einmarsch geäußert haben. Gleich in den ersten Tagen nach dem Einmarsch wurden die Spitzenvertreter der Türkischen Medizinischen Vereinigung (TTB) festgenommen, weil sie sich gegen „Krieg“ geäußert haben. Auch hunderte von Menschen wurden nur wegen Äußerungen gegen Krieg in den sozialen Medien festgenommen.

Kurz gesagt es ist grade eine Zeit, in der die Linke gegen die Strom schwimmen muss. 

Ismail N. Okay ist Mitglied von Sosyalist Alternatif, der Schwesterorganisation der SAV in der Türkei.

 

Weltwirtschaft: Zehn Jahre seit dem Zusammenbruch

Judy Beishon, CWI in England & Wales

Dem Kapitalismus geht es nicht gut. Wirtschaftliche Unruhen parallel zu politischen Unsicherheiten. Höchststände an den Börsen im Dezember wurden im Februar zu Massenverkäufen bei Aktien. Kolossale private und öffentliche Schulden machen das System unsicher und begrenzen den Handlungsspielraum der KapitalistInnen. In Wirklichkeit hat sich die Weltwirtschaft vom Crash von 2007/08 nicht vollständig erholt.

Das Jahr 2018 begann damit, dass kapitalistische ÖkonomInnen einem weltweit synchronem Wachstum und Aktienmärkten auf Rekordhöhe applaudierten und darüber debattierten, ob man es Erholung, Expansion oder Boom nennen soll. Über dem Niveau der realen Unternehmensperformance und -gewinne liegend, beendeten die Aktien weltweit das Jahr 2017 mit einem beispiellosen "Wert" von über 80 Billionen US-Dollar - rund 17 Billionen US-Dollar mehr als beim Höchststand vor der Krise von 2008. Was die weltweite Produktion anbelangt, so haben der IWF und andere Institutionen nicht nur für 2017 ein Wachstum von 3% oder mehr geschätzt, sie haben auch erklärt, dass die nächsten zwei Jahre noch besser sein werden.

Aber als die wirtschaftlich Mächtigen im Jänner in Davos zu ihrem jährlichen Treffen zusammen kamen, war ihre Freude mit Vorsicht und Unbehagen verbunden. Insbesondere waren sie besorgt über politische und umweltpolitische Fragen, die sich auf die Wirtschaft auswirken könnten, darunter Handelsprotektionismus, Kriege, Flüchtlinge, Ungleichheit und extremes Wetterereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Die Unruhe und ihre Ursache war Anfang Februar klar, und die Financial Times sah sich gezwungen, vor Panik zu warnen.

Man ist sich bewusst, dass der Bullenmarkt der Aktien nicht nachhaltig ist, und es stellt sich die Frage, wie solide und nachhaltig das Wachstum tatsächlich ist. Die kolossale Verschuldung ist eine der zentralen Schwachstellen: Die Summe der weltweiten Verschuldung von Unternehmen, Regierungen und Privaten stieg von 142 Billionen US-Dollar im Jahr 2007 auf 233 Billionen US-Dollar im Jahr 2017 - ein massiver Anstieg in absoluten Zahlen, aber auch in Prozent der Weltproduktion.

Die tiefe Finanzkrise von vor zehn Jahren hat die kapitalistischen Eliten zutiefst erschüttert und führte in den Folgejahren zu sich nur schleppend entwickelnden Volkswirtschaften. Martin Wolf schrieb im Jänner in der Financial Times bezüglich der größten Volkswirtschaft der Welt, der USA: "Die Wirtschaft ist 17% kleiner, als wenn der Trend von 1968 bis 2007 angehalten hätte. Seit der Erholung 2009 folgt die Entwicklung einem viel langsameren Trend. Das Gleiche gilt für die Arbeitsproduktivität, deren Wachstum niedrig bleibt.“ Kapitalistische ÖkonomInnen haben lange Zeit über das niedrige Produktivitätswachstum in den wirtschaftlich entwickelten Ländern gerätselt und weisen darauf hin, dass es sich in den sogenannten Schwellenländern ebenfalls verlangsamt und die Wachstumsraten sinken.

Angesichts des weit verbreiteten Mangels an Vertrauen in den Aufschwung und wegen seiner zugrunde liegenden Schwäche blieben viele der massiven Stimulierungsmaßnahmen nach der Krise von 2007/08 in der einen oder anderen Form bestehen. Die Zinssätze sind nach wie vor extrem niedrig und quantitative Easing (QE: der Ankauf von Staatsanleihen mit digital geschaffenem Geld) oder andere Interventionen werden in vielen großen Volkswirtschaften bis heute weiter geführt. Die Bank of Japan - in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt - kauft weiterhin Anleihen in Höhe von rund 700 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft pro Monat Staatsanleihen in der Höhe von 30 Milliarden € pro Monat (zuvor 60 Milliarden € pro Monat) – und es ist noch offen, wie lange sie das weiter macht. EZB-Präsident Mario Draghi sagte, er sehe "nur sehr wenige Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr angehoben werden". Die Bank of England hat noch nicht damit begonnen, ihre nach dem Crash aufgekauften Anleihen im Umfang von £ 435 Milliarden zu verkaufen, und die US-Notenbank beginnt erst sehr langsam ihr Konjunkturprogramm, das sich auf $ 4,5 Billionen belief, zurück zu fahren.

Diese riesigen Geldspritzen, allein über 10 Billionen in QE, in Kombination mit Zinssätzen die sehr niedrig oder sogar bei Null liegen, haben Volkswirtschaften aus der Rezession gezogen und Zusammenbrüche wie in 1930er Jahren verhindert. Sie legten die Grundlage für das gegenwärtige globale Wachstum, das zu einer Propaganda-Kampagne der Regierungen geführt hat, die verkünden, dass die tiefe Rezession nach der Kreditklemme der Vergangenheit angehört.

Vor dem Hintergrund des globalen Wachstums konnten einige der am stärksten von der Rezession betroffenen Euro-Länder - angesichts von Rettungsaktionen und zum Preis von weiterem wirtschaftlichen Schaden in Folge der erzwungene Kürzungen - wieder zu den Wachstumsraten von vor der Krise zurückkehren. Eine willkommene Konsequenz waren günstigere Voraussetzungen für die ArbeiterInnenklasse und die Mittelklasse um Verbesserungen zu erreichen. Wenn das Wirtschaftswachstum anhält, werden sich die Beschäftigten ermutigt fühlen, spürbare Lohnerhöhungen zu fordern, wie zum Beispiel in Schottland, wo öffentlich Beschäftigte eine Erhöhung von 6,5% fordern, oder in Deutschland, wo MetallarbeiterInnen für 6% auftraten.

Geringe Investition

Die Stimulierungs- und Rettungspakete waren eine Bonanza für die Reichsten, da sie den Wert ihrer wichtigsten finanziellen Vermögenswerte, egal ob Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder Aktien, erhöht haben. Gleichzeitig „herrschen“ sie über eine Krise von niedrigen Investitionen im Produktionsbereich und niedriger Produktivität. "In den G7-Staaten (den größten sieben Volkswirtschaften der „fortgeschrittenen“ Länder, Anm.) sind die Raten der Nettoinvestitionen niedriger als vor der Finanzkrise und die Arbeitsproduktivität liegt unter ihrem Durchschnitt der Periode von 1995 bis 2007" schrieb Wolf. (Financial Times, 5. Dezember 2017)

Statt zum Wohle der Gesellschaft zu investieren zur Förderung der Gesellschaft haben sich die "Industriekapitäne" obszön hohe Gehälter, Aktienoptionen und Dividenden genehmigt. Diese kolossalen Gewinne wurden teilweise durch die Verschiebung der Lohnquote finanziert, also indem der Anteil des erwirtschafteten Reichtums, der an die Beschäftigten geht, verringert wird. Das ist die Folge wenn die Arbeitsbedingungen und der Lebensstandard der Beschäftigten immer weiter nach unten gedrückt werden. Die Verlagerung von Produktion, Call-Centern etc. in Niedriglohnländer oder der Einsatz von schlecht bezahlten heimischen oder migrantischen Beschäftigten hat die Profite ebenso erhöht wie der Einsatz neuer Technologien in einigen Sektoren, die im Kapitalismus nicht zur Verbesserung des Lebensstandards der Mehrheit verwendet wird.

Die enorme Reichtumsvermehrung der Elite ist auch Folge des "Financial Engineering", also „innovativer“ Finanzierungsinstrumente. Diese beinhalten, dass Unternehmen in großem Umfang ihre eigenen Aktien kaufen, oft mit zu niedrigen Zinssätzen geliehenem Geld. Das ist zu einer beliebten Methode geworden, um den Aktienbesitz von Führungskräften sowie die Dividenden der AktionärInnen nach oben zu treiben. Unternehmen im S&P 500 US-Aktienindex haben allein in den letzten zwei Jahren 1,1 Billionen Dollar für den Rückkauf von Aktien ausgegeben. Die Rückkäufe reduzieren die Anzahl der verfügbaren Aktien und erhöhen so den "Gewinn pro Aktie", den das Unternehmen melden kann, und damit auch den "Wert" der verbleibenden Aktien. Große US-Unternehmen haben in 13 der letzten 14 Jahre mehr für Rückkäufe als für Dividenden ausgegeben. Außerdem fließt reichlich Geld in Private-Equity-Übernahmen, also privates Beteiligungskapital, und zwar oft mit dem Ziel, die geschluckten Aufzusplittern und weiter zu verkaufen.

Darüber hinaus setzen die Finanzinstitutionen ihre schwindelerregenden Spekulationen fort – mit unvorstellbare Summen wird an den Devisenmärkten, den Aktienmärkten und anderswo gezockt. Kryptowährungen wie Bitcoins sind zu einem neuen Instrument für Spekulation und Geldwäsche geworden. Aber weil sie noch nicht genug in die Mainstream-Kanäle der Wirtschaft eingebettet sind kann ihre Unbeständigkeit - obwohl sie jetzt mehr als 700 Milliarden Dollar „wert“ sind - die Weltwirtschaft nicht durcheinander bringen. Darüber hinaus gibt es Forderungen nach ihrer Regulierung, da Bedenken hinsichtlich der zusätzlichen Instabilität bestehen, die sie mit sich bringen können, wenn ihre Verwendung weiter zunimmt.

Der Leerverkauf von Aktien ist ein weiteres Spekulationsmittel dass jüngst in den Medien war weil der britische Baukonzern Carillion, dessen Zusammenbruch den Lebensunterhalt und die Pensionen von Zehntausenden ArbeiterInnen gefährdete, wiederholt davon betroffen war. Ausgehend von der Annahme, dass ihre Aktien im Wert fallen würden, wurden viele ausgeborgt um sie zu verkaufen und dann zu einem niedrigeren Preis zurück zu kaufen, bevor sie an den ursprünglichen Besitzer zurückgegeben wurden.

Steigende Ungleichheit

Wenn Firmen wie diese Bankrott gehen dann haben die meisten der reichen AktienbesitzerInnen und ManagerInnen genug Geld beiseite geschafft um weiterhin im Luxus zu leben. Das gilt aber nicht für ihre ArbeiterInnen, die Grundlage ihres Reichtums, die ihren Lebensstandard durch niedrige Löhne und Sparmaßnahmen zusammengestrichen sehen. Reichlich werden über die Gefahren steigender Ungleichheit Krokodilstränen vergossen und Warnungen durch KommentatorInnen in diversen Medien ausgesprochen. So z.B. IWF-Chefin Christine Lagarde als sie auf Befürchtungen einging, dass die wachsende Ungleichheit in vielen Ländern zu "Brüchen" führt.

Die aussagekräftigen Zahlen sind immer schockierender. Acht Männer besitzen den gleichen Reichtum wie die 3,6 Milliarden Menschen, die die ärmste Hälfte der Menschheit ausmachen, berichtete Oxfam vor einem Jahr. Im folgenden Jahr hat das reichste 1% der Welt 82% des gesamten erwirtschafteten Reichtums an sich gerissen. Die untere Hälfte des Planeten hatte nichts davon.

Stagnierender oder sinkender Lebensstandard beschränkt sich nicht auf die ehemaligen Kolonialstaaten. In den USA leben 41 Millionen Menschen in Armut, und das mittlere Wochengehalt (Median) für vollzeitbeschäftigte ArbeiterInnen hat sich seit 1979 real (also inflationsbereinigt) kaum verändert. Berichte deuten jetzt zwar auf steigende Durchschnittslöhne in den USA hin, aber auch hier profitiert die Führungsebene mehr von den Erhöhungen als die unteren Einkommensschichten. In Britannien liegen die Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate und daher geht es den Haushalten immer noch schlechter als 2007. Doch nicht nur, dass die Bezahlung unten gehalten wird, auch erleben Millionen wie viele zuvor gut bezahlter, sicherer Arbeitsplätze durch schlecht bezahlte Teilzeit oder unsichere Jobs ersetzt werden. Neue Technologien werden häufig eingesetzt, um durch Stellenabbau, kürzere Arbeitszeiten (ohne Lohnausgleich) bzw. Lohnkürzungen jenen Betrag zu senken, der an die Beschäftigten ausbezahlt wird und auch, um sie stärker zu überwachen.

Dies, wie auch die weit verbreiteten Angriffe auf den öffentlichen Dienst und Sozialleistungen, sind alles Anzeichen für die lang anhaltende Sackgasse, in der sich die kapitalistische Wirtschaft befindet sowie für das kurzfristige Profitstreben der herrschenden Klassen. Dies ist in einigen Ländern so weit gegangen, dass sogar Lagarde in Bezug auf Großbritannien zu dem Schluss kam: "Es gibt nicht viel Platz für zusätzliche Ausgabenkürzungen." Stattdessen empfahl sie Steuererhöhungen und die Reduzierung oder Privatisierung des Gesundheitswesens! Für die Superreichen dienen Kürzungen im öffentlichen Sektor zwei Mitteln: Erstens sehen sie darin schlicht ein Mittel, weniger Steuern zu zahlen. Zweitens hoffen sie auf fette Beute durch die private Bereitstellung lebenswichtiger Dienstleistungen.

Kapitalistische ÖkonomInnen haben nicht wirklich eine Vorstellung davon, was die nächste Periode bringen wird und welche Politik sie vorschlagen sollen. Es gibt keine akademischen Modelle, die die Auswirkungen der anhaltend niedrigen Investitions- und Produktivitätsrate abbilden können oder wie sich der Abzug bzw. das Ende der enormen Mengen an Geld, die zum Stimulieren der Wirtschaft eingesetzt wurden, auswirken könnten. Die meisten realisieren, dass kapitalistische Volkswirtschaften - wie Karl Marx es vor langer Zeit erklärt hat - Aufwärts- und Abwärtszyklen haben. Das bedeutet, dass sie die Stimulierungsmaßnahmen beenden und die Zinssätze erhöhen müssen (wie es einige Zentralbanken bereits begonnen haben), um eine potenziell hohe Inflation abzuwenden und um so einige Werkzeuge zu behalten, um der nächsten Rezession entgegenzuwirken. Gleichzeitig sind genau diese Schritte aber eine Bremse für das Wirtschaftswachstum. Dazu kommt noch, dass die Verschuldung so massiv ist, dass die steigenden Kreditkosten zunehmend Unternehmen, Einzelpersonen und sogar ganze Länder in Schwierigkeiten bringen oder sogar in den Konkurs treiben werden.

Steuersenkungen in den USA

Als ob die Superreichen nicht schon genug hätten, sind Donald Trumps neue Steuersenkungen für Unternehmen und Privatpersonen eine enormere Verschiebung von Reichtum hin zur Elite in den USA – und zwar einschließlich Trump. Er hat die Steuergeschenke damit begründet, dass sie Geld für Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen bereitstellen würden – und zwar indem dadurch Billionen Dollar, die aktuell im Ausland gebunkert werden, in die heimische Wirtschaft zu locken.

Zwar können einige vorübergehende Steuersenkungen (und in einigen Fällen Prämien von Unternehmen) SteuerzahlerInnen mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu Gute kommen und auch kann die bloße Geldmenge, die da involviert ist, auch gewisse belebende Effekte haben. Doch sogar rechte ÖkonomInnen haben das im Wesentlichen als Übertreibung abgetan. Zum Beispiel schrieb Wolf: "Eine plausiblere Betrachtungsweise ist, dass dadurch die Aktienkurse ansteigen werden, die Verteilung noch ungerechter wird und dass die Abwärtsspirale bei der Kapitalbesteuerung an Tempo zulegen wird." Die diesbezügliche britische Erfahrung ist ernüchternd. Die Senkung der britischen Körperschaftssteuer auf 19% hat wenig für Investitionen oder mittlere Reallöhne gebracht".

Eine Steuerbefreiung für im Ausland gebunkerte Gelder im Jahr 2004 führte dazu, dass in Übersee gehaltene Gelder in Höhe von über 300 Milliarden US-Dollar in die USA transferiert wurden, aber das meiste davon wurde für Aktienrückkäufe und Dividenden verwendet. Laut dem Congressional Research Service (CRS), dem „think tank des US-Kongresses, war es ein "ineffektives Mittel zur Steigerung des Wirtschaftswachstums", und viele der begünstigten Unternehmen vernichteten Arbeitsplätzen anstatt sie zu schaffen. Nachdem Trump die Steuersenkung durchgebracht hatte kündigte Wells Fargo, die drittgrößte Bank des Landes, Aktienrückkäufe in Höhe von 22,6 Milliarden Dollar an. Andere Unternehmen werden Hunderte von Milliarden Dollar mehr ausgeben. Für die Reichen ist das Ganze ein doppeltes Bonanza: Steuersenkungen, um sie dann zu nutzen, um noch mehr Geld zu bekommen.

Da diese Maßnahme die US-Staatsverschuldung, die bereits mehr als 20 Billionen Dollar beträgt, in den nächsten zehn Jahren um geschätzte weitere 1,5 Billionen Dollar erhöhen wird, unterstützen auch einige Republikaner das Paket nicht. Das US-Defizit könnte 2019 bereits bei 5,7% des BIP liegen, mit einer jährlichen Kreditaufnahme von über 1,1 Billionen Dollar – eine beispiellose Situation insbesondere, in einer Periode, die als Aufschwung gepriesen wird. Diesen Widerspruch deutete Lagarde in Davos an. Sie sagte dass die Steuersenkungen möglicherweise zu "ernsten Risiken" und "Auswirkungen auf die finanzielle Verwundbarkeit" führen könnten. Wenn der Staat mehr Geld ausborgt kann das wiederum zu höheren Zinsen führen, und ein steigendes Haushaltsdefizit verringert die Fähigkeit der FED (der amerikanischen „Zentralbank“, Anm.) bei einer nächsten Rezession Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Protektionismus

Eine weitere Quelle großer Instabilität für den globalen Kapitalismus sind wachsende Spannungen über Handelsbarrieren und Subventionen. In einer Welt, in der die Wirtschaft international verstrickter ist als je zuvor, hat Trumps Rhetorik von "Amerika first" die Angst vor einer mögliche Spirale in einen Abgrund protektionistischer Maßnahmen erzeugt. Es ist nicht so, als ob der Abbau von Barrieren vor Trumps Amtszeit reibungslos verlaufen wäre. Insgesamt sehen wir gegenläufige Trends zur Globalisierung und die Welthandelsorganisation (WTO) hat seit ihrer Gründung im Jahr 1995 kein einziges multilaterales Handelsabkommen finalisiert.

Der US-Handelsminister hat in Davos einen kleinen Sturm ausgelöst, als er sagte, dass die USA bereits in "Handelskriegen" steckt. Trump hat das rasch zurückgenommen und hat bisher auch nur begrenzte protektionistische Maßnahmen gesetzt. Jüngst führte er Zölle auf importierte Waschmaschinen und Solarzellen ein doch den Kurs der Vorgängerregierung hat er damit nicht wirklich verändert. Die Drohung von Strafzöllen von 292% auf Bombardier-Flugzeuge wurden von einem US-amerikanischen Schiedsgericht abgelehnt. Anstatt sich aus dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) zurück zu ziehen verhandelt es Trump lieber neu und sprach sogar von einer möglichen Wiederaufnahme der Transpazifischen Partnerschaft (TPP).

Ein großer Teil der amerikanischen und der ArbeiterInnenklasse weltweit steht zu Recht gegen den diversen kapitalistischen Handelsabkommen und -regeln (NAFTA, jener der EU-Staaten, das geplante TPP, die losere WHO und viele anderen) feindselig gegenüber: Denn diese sind ganz auf die Bedürfnisse der Großkonzerne zugeschnitten. Von den Architekten dieser Vertragswerke wird es als notwendige Opfer gesehen, wenn es in ganzen Regionen oder Branchen zu massivem Jobabbau kommt. Es ist genau diese Feindseligkeit, auf die Trump sich stützte, um gewählt zu werden. Aber wenn es um die Realität des "Isolationismus" in den USA geht, trifft er auf eine Reihe von Faktoren, die dem entgegen stehen. Als frühere Regierungen Zölle auf Stahl- und Reifenimporte in die USA auferlegten, führte die Tatsache, dass damit die Kosten für diese Waren stiegen unterm Strich zum Verlust von Jobs in den USA – doch Trump behauptet, er würde Jobs schaffen. Und wenn andere Regierungen dann ihrerseits mit Handelshemmnissen zurückschlagen, leiden wiederum die US-Exporte.

Trump ist allerdings durchaus unkalkulierbar und handelt nicht immer so, wie es für den US-Kapitalismus am besten wäre. Er setzte auf Rechtspopulismus um Unterstützung aufzubauen und könnte in manchen Fällen auch angesichts des Widerstands von Konzernen an seinen Ansagen festhalten. Aber letztlich können weder Protektionismus noch der Abbau von Handelsbarrieren die Probleme der USA und anderer kapitalistischer Mächte in einer Welt mit begrenzter Nachfrage lösen.

Eine Ironie ist, dass das Handelsdefizit der USA im ersten Jahr von Trump um 12% gestiegen ist und jenes mit China ein Rekordniveau erreicht hat. Zwischen den USA und China haben die Spannungen in Handels- und anderen Fragen zugenommen bis hin zu einem Kräftemessen mit militärische Manövern und Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer. 2016 machten die US-Exporte nur 12% des Welthandelsvolumens aus während China mit 17% den international höchsten Anteil verzeichnet. Chinas 900 Milliarden Dollar schwere "Belt and Road Initiative" (auch als neue Seidenstraße bekannt, Anm.) soll diesen Anteil noch erhöhen und will entlang von Land- und Seekorridoren 60% der Weltbevölkerung erreichen.

Die wirtschaftliche Entwicklung dieses riesigen Landes wurde jedoch durch eine massive Kreditaufnahme vorangetrieben und ist mit tiefgreifenden Problemen behaftet. Das offizielle Wachstum hat sich gegenüber dem Vorjahr leicht auf 6,9% verbessert, liegt aber deutlich unter dem Durchschnitt der letzten 25 Jahre von über 9%. China verfügt über riesige finanzielle Möglichkeiten die es nutzen kann, um in seine Wirtschaft einzugreifen, und der größte Teil seines Bankensystems ist in staatlichem Eigentum und unter staatlicher Kontrolle. Aber das enorme Ausmaß der Ungleichgewichte, einschließlich eines immensen Schattenbankensektors und eines Schuldenbergs der wie eine Zeitbombe tickt, sind akute und tiefgreifende Probleme für das Regime. Dieses muss darauf reagieren und gleichzeitig sowohl das Wachstum aufrecht erhalten als auch versuchen, soziale Unruhen zu verhindern.

Eine weitere Quelle für große Spannungen zwischen den Weltmächten sind Fragen der Währungskurse und damit zusammenhängend des Handels. Trump beeilte sich auch, einen weiteren seiner Vertreter in Davos zu korrigieren, diesmal seinen Finanzminister Steve Mnuchin, der erklärte hatte das ein schwächerer Dollar gut für den US-Handel sei. Seit dem Amtsantritt von Trump ist der US-Dollar gegenüber dem Euro um 14% gefallen. Das hilft den US-Exporten. Aber da die führenden Volkswirtschaften – nach einer Serie von Abwertungen in Folge des QEs – einen neuen Wettlauf von Währungsabwertungen befürchteten hatten sie sich vergangenen Oktober geeinigt, nicht auf Abwertungen zu setzen.

Wird sich die Krise wiederholen?

Die Zyklen der kapitalistischen Ökonomien sind heute so unvermeidlich, wie im 19. Jahrhundert als Marx sie analysierte; Die Basis des Systems hat sich ja nicht geändert. Die nächste Rezession wird kommen - die einzige Frage ist, wie tief sie sein wird. Viele kapitalistische ÖkonomInnen sagen, dass sich 2007-8 nicht wiederholen wird, weil die Regierungen Veränderungen bei den Finanzinstitutionen erzwungen haben - zum Beispiel, dass die Banken mehr Kapital, mehr Eigenmittel halten müssen. "Aber das Kapital fließt immer noch frei um die Welt; die Ungleichgewichte bei den Leistungsbilanzen zwischen den Ländern sind so gewaltig wie immer; Finanzderivate bleiben sowohl undurchschaubar als auch gefährlich", betonte der Wirtschaftsredakteur von Sky, Ed Conway (Times, 11. August 2017).

Der us-amerikanische Dodd-Frank-Act von 2010 wurde als Instrument gepriesen, um eine neuerliche Krise abzuwenden. Aber keine derart begrenzten Maßnahmen sind dazu in der Lage – zumal sie noch nicht mal alle umgesetzt wurden. Das kapitalistische System mit seinen Märkten ist in seinen Fundamenten und in seinen Prinzipien auf Profite ausgelegt und weitgehend chaotisch und ungeplant. Keine Regulierungsmaßnahmen, auch keine weitergehenden sind auf dieser Basis in der Lage Krisen dauerhaft zu beseitigen.

Alle grundlegenden Ursachen bleiben bestehen. Die gegenwärtige wirtschaftliche Erholung basiert auf neuen Blasen und Schulden. Nicht nur Aktien sind stark überbewertet, sondern auch Anleihen. Der Kolumnist des Guardian, Larry Elliot, urteilt folgendermaßen: "Tiefe strukturelle Probleme – die übermäßige Abhängigkeit von Schulden um den Konsum anzukurbeln, ein verlorenes Jahrzehnt bezüglich des Wachstums der Produktivität, wachsende Einkommensungleichheit – all das ist nicht verschwunden sondern ist bestenfalls durch einen starken zyklischen Aufschwung verschleiert". (8. Jänner 2018)

Abgesehen von den wirtschaftlichen Schwächen, die bereits vor 2007 entstanden sind, und den vielen politischen, potenziellen Quellen für Instabilität gibt es auch neue finanzielle Quellen für Instabilität. Von nicht geringer Bedeutung sind dabei die unvorhersehbaren Folgen, wenn die Maßnahmen, die zur Belebung der Wirtschaft gesetzt wurden, nun beendet oder abgeschwächt werden. Der Crash von 2007 wurde durch den US-Markt für Subprime-Hypotheken ausgelöst, und seitdem ist es zu einer allgemeinen Verschiebung von Bankkrediten zu Unternehmensanleihen gekommen. Wenn nun die Zinsen steigen, dann führt dass zu unterschiedlichen Ansätzen für Krisen. Auf jeden Fall haben die Banken noch jede Menge Leichen im Keller (also fauler Kredite) - zum Beispiel haben Banken in der Eurozone fast 800 Milliarden Euro an faulen Krediten, die zum großen Teil von italienischen Banken gehalten werden.

Kein zukünftiger Abschwung wird eine exakte Wiederholung eines vorherigen sein und es ist unmöglich, die spezifischen Auslöser, das Timing und die Tiefe vorherzusagen. Aber alle Fakten deuten darauf hin, dass eine Krise vom Ausmaß wie 2007/8 oder noch schlimmer möglich ist. Was für ein Armutszeugnis für den Kapitalismus.

Stagnation und Krisen

Ein ähnlich vernichtendes Zeugnis ist die fehlende Aussicht auf ein gesundes Wachstum. Stattdessen steht die Menschheit einem fragilen Wirtschaftswachstum oder einer Stagnation gegenüber, die von wiederholten Krisen durchsetzt ist. Die kapitalistischen Mächte werden weit stumpfere Werkzeuge haben, um der nächsten großen Krise zu begegnen. Angesichts der Schwäche ihrer Volkswirtschaften können sie z.B. nicht vor einer Krise die Zinsen auf ein sehr hohes Niveau bringen um sie dann deutlich zu senken, und so starke Stimuli zu schaffen. Sie können zusätzliche Geldmittel in die Wirtschaft pumpen doch würde das die Schuldenstände noch weiter anheben und damit noch mehr Ungleichgewichte und Instabilität anhäufen.

Darüber hinaus könnte die Zusammenarbeit zwischen den Weltmächten auf deren Basis nach 2007 Geld und damit Liquidität in das Finanzsystem gepumpt wurde beim nächsten Mal weniger weitgehend sein, da die Spannungen und Konflikte zwischen ihnen zunehmen. Ihr Mangel an Lösungen hat seine Ursache in der langfristigen Krise eines Systems das seine ursprüngliche historische Mission, nämlich die Produktivkräfte zu entwickeln nicht mehr erfüllen kann. Da die kapitalistischen Klassen nicht in der Lage sind, Arbeitslosigkeit, Armut, Krieg und Umweltverschmutzung zu beenden, konzentrieren sie sich in parasitärer Weise darauf kurzfristig viel herauszuholen und nicht längerfristig etwas aufzubauen und zu entwickeln.

Ihr System basiert auf Produktion mit dem Ziel, Profit zu machen und nicht, um Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Es stößt auf systemimmanente Widersprüche: Grenzen der Kaufkraft der ausgebeuteten Mehrheit; eine generelle Tendenz auch über die Zyklen hinweg dass die Profitrate durch Mechanisierung und Automatisierung zurückgeht; und der Gegensatz zwischen Globalisierung und Nationalstaaten.

Die Beschränkungen der Kaufkraft werden durch die Erfahrung Japans deutlich: seit drei Jahrzehnten wird hier versucht, die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Premierminister Shinzo Abe appellierte jüngst sogar an Firmenchefs, die Löhne in diesem Frühjahr um 3% zu erhöhen, um die Nachfrage zu erhöhen und eine Deflation abzuwenden. In der Praxis wird es allerdings schwer sein UnternehmerInnen zu finden die bereit sind die Löhne “ihrer” Beschäftigten zu erhöhen um dem Kapitalismus als Ganzem zu helfen. Höhere Löhne müssen durch entschlossene gewerkschaftliche Aktivitäten erkämpft werden.

Natürlich waren die zehn Jahre seit der Krise viel mehr als nur Wirtschaftsgeschichte. In Bezug auf das Aufkommen des Rechtspopulismus schrieb Wolf mürrisch: "Die zunehmende Ungleichheit könnte das Ende der Demokratie bringen ... letztlich". (Financial Times, 19. Dezember 2017) Nein, weit wahrscheinlicher ist eine Entwicklung, die ein Ende für Kürzungspolitik und Ungleichheit bedeutet. Dieses Jahrzehnt hat eine deutliche Unterstützung für PolitikerInnen gebracht, die genau das befürworten: Bernie Sanders wurde der populärste Politiker in den USA, Jeremy Corbyn hat der Labour Party in Britannien Stimmen und Unterstützung gebracht, Syriza erhielt (vor ihrem Verrat) 36% bei den griechischen Parlamentswahlen, der Aufstieg von Podemos in ganz Spanien, Jean-Luc Mélenchon der in Frankreich sieben Millionen Stimmen erhielt und andere Beispiele. Die Brexit-Abstimmung und die Wahl von Trump waren letztlich der Ausdruck der Empörung über die Polarisierung des Reichtums und dann des Versagens der Kräfte, die gegen Kürzungspolitik sind, der linken Kräfte, eine echte Alternative anzubieten.

Diese und viele weitere Entwicklungen sind und waren die politische Folgen der Krise von 2007/8. Dann gab es ein gewisses Warten unter ArbeiterInnen und in der Mittelschicht darauf, dass sich das Blatt wendet und der verlorene Lebensstandard wiederhergestellt werden konnte. Wenn die Erkenntnis wächst, dass genau das für die Wenigsten eintreten wird und dass die junge Generationen nicht länger einer besseren Zukunft gegenübersteht als frühere Generationen, dann wird das Interesse an sozialistischen Ideen als einzige Alternative wachsen. Die Jugend in den USA zeigt die Richtung an. Eine Meinungsumfrage im letzten November zeigte, dass mehr Millennials (also nach 1980 geborene) „Sozialismus“ unterstützen als „Kapitalismus“. Wenn neue sozialistische Massenparteien entstehen die in der ArbeiterInnenklasse und in den Gewerkschaften verwurzelt sind dann werden sie eine enorme Anziehungskraft haben, wenn sie mutig Programme aufstellen, die das bis ins Mark verfaulte kapitalistische System hinwegfegen können.

Bye, bye #NoGroKo

SPD bleibt sich treu
Von Sascha Staničić, SAV-Bundessprecher

Der Sturm im Wasserglas ist vorbei. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit haben 78 Prozent der SPD-Mitglieder entschieden: Weiter so mit einer Großen Koalition unter Kanzlerin Merkel! Weiter so mit einer Politik, die soziale Ungleichheit zementiert, Arbeitnehmerrechte untergräbt, den Polizeistaat statt den Sozialstaat ausbaut und Geflüchtete weiter ausgrenzt!

Die SPD wird ihren Niedergang tendenziell fortsetzen, auch wenn möglicherweise in den nächsten Monaten erst einmal Ruhe in der Partei einkehren wird. Die bisher schon bekannten Personalentscheidungen sprechen aber eine deutliche Sprache: eine inhaltliche Neubestimmung wird es mit der SPD nicht geben. Die designierte Vorsitzende Andrea Nahles zeichnet als Arbeitsministerin für Verschärfungen der Hartz IV-Sanktionen genauso verantwortlich wie für die als Tarifeinheitsgesetz bezeichnete Einschränkung des Streikrechts und der künftige Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz hat als Regierender Bürgermeister von Hamburg nicht nur den brutalen Aufstandsbekämpfungstest der Polizei gegen die Proteste beim G20-Gipfel im letzten Jahr zu verantworten, sondern steht für eine Finanzpolitik, die sich nicht grundlegend von seinem Vorgänger Schäuble unterscheiden wird. Das Mitgliedervotum hat gezeigt, worauf wir immer hingewiesen haben: die SPD ist eine durch und durch prokapitalistische und im bürgerlichen Staat verankerte Partei ohne relevante Ansätze einer wirklichen linken Opposition.

#NoGroKo

Schon lange hatten die Jusos und ihr Vorsitzender nicht mehr so viel Öffentlichkeit, wie in den letzten Wochen. Mangels eines prominenten GroKo-Gegners aus der älteren Generation der SPD-Führung, wurde Kevin Kühnert zum Gesicht der innerparteilichen Opposition gegen die Fortsetzung einer Regierungskoalition mit CDU und CSU. Tausende traten in die SPD ein und man konnte fast den Eindruck bekommen, dass es Leben und Ansätze für eine linke Politik in der SPD gibt. Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine zogen aus den Kontroversen in der SPD den Schluss an die vermeintliche SPD-Linke mit dem Vorschlag der Bildung einer neuen linken Sammlungsbewegung bzw. einer neuen linken Volkspartei heranzutreten – in der Hoffnung, dass das nun eingetretene Votum für eine Fortsetzung der Großen Koalition zu einer Absatzbewegung aus der Partei führt.

Doch Kevin Kühnert hat unmittelbar nach der Bekanntgabe des Ergebnisses des Mitgliedervotums deutlich gemacht, dass er nicht daran denkt, der Sozialdemokratie den Rücken zu kehren. Die Jusos wollen den Regierungsparteien auf die Finger schauen, dafür sorgen, dass es im Land wieder politischen Streit gebe und an der Erneuerung der SPD arbeiten. Kein Wunder, waren doch SPD-Führungsmitglieder wie Lars Klingbeil und Ralf Stegner in den letzten Wochen voll des Lobes für Kühnert und seine Jusos und machten deutlich, dass dieser sich seine Karrierechancen durch die #NoGroko-Kampagne noch nicht verbaut habe. Dementsprechend ist damit zu rechnen, dass Kühnert denselben Weg gehen wird, wie die meisten seiner VorgängerInnen: von links unten nach rechts oben – in Amt und Würden von Regierung oder SPD-Apparat.

Hätten Kühnert und die Jusos wirklich die Basis für eine sozialistische Erneuerung und für Arbeiterpolitik legen wollen, hätten sie die #NoGroko-Kampagne als programmatischen Angriff auf die Politik der SPD der letzten Jahrzehnte führen müssen und nicht versuchen sollen mit dem Schreckgespenst des weiteren Wählerschwunds durch eine Fortsetzung der GroKo nur an den Überlebenswillen der Parteimitglieder und -funktionärInnen zu appellieren. Sie hätten eine organisierte Opposition bilden müssen, die die Verbindung zu gewerkschaftlichen Kämpfen und sozialen Bewegungen herstellt, um die entstandene Popularität Kühnerts für Selbstorganisation und Gegenwehr nutzbar zu machen. Aber bei den IG Metall-Warnstreiks, den Demonstrationen gegen den türkischen Einmarsch in Afrin (und die Komplizenschaft des SPD-geführten Außenministeriums mit der türkischen Regierung) oder anderen Protesten hat man von Kühnert und seinen Gefolgsleuten nicht viel gesehen.

So wird der Aufstand der Jusos gegen die Große Koalition als Sturm im Wasserglas in Erinnerung bleiben, wenn überhaupt.

Das wundert nicht, denn die Jusos hatten zur Erneuerung der SPD inhaltliche Vorschläge gemacht, die weit entfernt sind von sozialistischer Politik im Interesse der abhängig Beschäftigten. Da wurde nicht einmal die vollständige Rücknahme der Agenda 2010 oder eine stärkere, progressive Besteuerung von Konzernprofiten gefordert. Die Profitorientierung des ökonomischen Handelns in dieser Gesellschaft wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern nur mit abgehalfterten Ideen von mehr Mitbestimmung ergänzt. Ein Nein zu Abschiebungen gab es genauso wenig, wie eine Absage an Auslandseinsätze der Bundeswehr.

DIE LINKE

Das sind Positionen, die DIE LINKE als einzige im Bundestag vertretene Partei vertritt. Jedes Zusammengehen mit den Juso-SozialdemokratInnen würde daher eine Abkehr von den sozialistischen Prinzipien bedeuten, die es in der Linkspartei noch gibt. Doch die Kevin Kühnerts sehen ohnehin keinen Grund mit der SPD zu brechen. Sicher werden einzelne Mitglieder die Partei nun (wieder) verlassen und einige von ihnen mögen den Weg zur LINKEN finden. Die Idee einer Sammlungsbewegung oder neuen Volkspartei, wie sie von Sahra Wagenknecht in den letzten Wochen propagiert wurde, entbehrt aber jeder Grundlage und würde, wenn dies anders wäre, ohnehin eine Rechtsverschiebung der politischen Ausrichtung der LINKEN bedeuten, die man nicht mitmachen sollte.

Die LINKE-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger haben in einem Brief an die Kreisvorstände der Partei auf das Mitgliedervotum in der SPD reagiert, indem sie zur verstärkten Orientierung auf lokale Bewegungen und Initiativen aufrufen, zum Zusammenkommen von Aktiven aus verschiedenen Bereichen in Gesprächsforen und Aktionskomitees. Die vom Parteivorstand beschlossenen Kampagnen zu den Themen Pflege und Wohnen bieten hier eine gute Möglichkeit, als LINKE vorwärtstreibender Teil sozialer Proteste und gewerkschaftlicher Kämpfe zu werden und diese mit einer antikapitalistischen Perspektive zu verbinden. Wenn das glaubwürdig von der gesamten Partei getragen würde, statt durch die Politik in den Landesregierungen von Berlin, Brandenburg und Thüringen und die Fokussierung auf Parlamentsarbeit in weiten Teilen der Parteiführung konterkariert zu werden, könnte DIE LINKE als die Gewinnerin aus der aktuellen politischen Krise des Landes und der Sozialdemokratie hervorgehen – und sowohl enttäuschte SPD-WählerInnen als auch bisherige NichtwählerInnen gewinnen.

Die letzten Wochen und Monate haben eine tiefe politische Krise der bundesdeutschen Gesellschaft und ihrer Institutionen offenbart. Noch nie hat eine Regierungsbildung auf Bundesebene so lange gedauert. Mit der AfD ist nicht nur erstmals eine Partei rechts der Union im Bundestag vertreten, sie ist auch auf Anhieb stärkste Oppositionspartei geworden. All das in Zeiten von Wirtschaftswachstum und hohen öffentlichen Haushaltsüberschüssen. Die Weltwirtschaft ist jedoch ein Koloss auf tönernen Füßen und eine neue Krise, oder gar ein Crash, sind jederzeit möglich. Dann wird es wieder heißen: It’s the economy, stupid! Und die politischen Verhältnisse werden erneut durcheinander gewirbelt werden. Ob die Große Koalition, die ohnehin keine starke Regierung sein wird, die volle Legislaturperiode bestehen bleiben wird, ist vor diesem Hintergrund alles andere als sicher. DIE LINKE und Gewerkschaften müssen jetzt den Druck auf die GroKo massiv steigern, um mögliche Angriffe auf die Arbeiterklasse und sozial Benachteiligte zu verhindern und bei den angekündigten Verbesserungen das Maximum herauszuholen. Und gleichzeitig müssen sie sich organisatorisch und politisch auf stürmischere Zeiten vorbereiten.

Nach Parkland: Gegen Trump und NRA!

Für Sicherheit statt Kapitalismus – Nein zum starken Staat!
von Marcus Hesse, Aachen

Nachdem am 14. Februar an einer Schule in Florida 17 Menschen, zumeist SchülerInnen, bei einem Amoklauf getötet wurden, hat sich im ganzen Land eine Protestbewegung in Bewegung gesetzt.

Sie setzt sich mit Entschiedenheit gegen die mächtige Schusswaffenindustrie und deren Lobbyorganisation NRA zur Wehr, die auch zu einer wichtigen politischen Stütze Donald Trumps gehört.

Eine Demonstration ging direkt vor die NRA-Zentrale. Forderungen nach schärferen Schusswaffengesetzen werden dabei mit Slogans gegen die Trump-Administration gemischt. Vereinzelt kam es zur Zusammenarbeit der Protestbewegung mit Women’s Marches und anderen Bewegungen gegen Trump.

Die Rolle der NRA

Die US-Waffenindustrie hat gerade auch in der Wirtschaftskrise Konjunktur. Die Umsätze der größten Hersteller erreichten in den letzten Jahren Rekordzahlen. Gerade Unsicherheit und die Erfahrung einer politischen und sozialen Krise tragen dazu bei. Die NRA ist eine der reichsten Lobbyorganisationen in den USA. Sie verfügt über einen Jahresumsatz von 450 Millionen US-Dollar. Seit den 60er Jahren, als sich Teile der weißen Ober- und Mittelklasse gegen die Bürgerrechtsbewegung bewaffneten, hat sie einen klar politischen, rechten Charakter. Zuletzt investierte sie 2016 stolze 55 Millionen US-Dollar in den Wahlkampf – dreißig Millionen davon zu Gunsten Trumps. (Die Zeit, 5.10.2017; Spiegel Online 24.2.2018) Im republikanisch regierten Florida scheiterte kurz nach dem Parkland-Massaker ein Gesetzesentwurf für schärfere Waffengesetze. Die NRA trat mit der Forderung auf, LehrerInnen zu bewaffnen und diese zu Quasi-HilfspolizistInnen zu machen. Wie zu erwarten war, hat Präsident Trump diese Forderung aufgegriffen. Zugleich gehen die Kürzungen im Sozial- und Bildungssektor, die in der Krise sprunghaft zugenommen haben, weiter. Schulsozialarbeiterstellen werden gestrichen, Druck und Konkurrenzkampf um immer weniger Arbeitsstellen nehmen zu. Verantwortlich dafür ist die neoliberale und kapitalfreundliche Politik der Republikaner und Demokraten.

Gewalt als Monopol

In Europa wird über die USA oft das Klischee einer Nation „schießwütiger Cowboys“ verbreitet. Aber auch von [links-]liberalen Kräften in den USA wird die Idee geäußert, dass schärfere Gesetze und eine Erschwerung des Verkaufs von Waffen eine ausreichende Lösung des Problems seien. Diese Forderungen laufen de facto auf eine Stärkung des Gewaltmonopols des bürgerlichen Staates hinaus. Er sollen zum Beispiel Waffenverkäufe an psychisch auffällige Personen oder Vorbestrafte untersagt werden. Das gerade Letzteres sich vor allem gegen arme und schwarze Menschen richtet wird dabei ausgeklammert. US-Liberale blicken als Vorbild auf Europa, wo das Waffentragen ein Vorrecht von „Experten“ aus Armee und Polizei ist.

Tatsächlich aber sind Polizei und Armee überall Mittel zur Unterdrückung. Die USA sind reich an historischen Belegen dafür. So ging die Nationalgarde immer wieder gegen Aufstände in den schwarzen  Ghettos vor, am Schärfsten 1968, nach der Ermordung Martin Luther Kings. 1999 wurde sie gegen die WTO-Proteste in Seattle eingesetzt. Alleine 2017 starben 987 Menschen in den USA durch Polizeikugeln – zumeist arme und schwarze Menschen. (Die Zeit, 8.1.2018) Die Bewegung „Black Lives Matter“ war eine Reaktion darauf.

„The right to bear arms“ – Ein kurzer Blick in die Geschichte

Der viel diskutierte 2. Verfassungszusatz von 1791 ist die Grundlage des massenhaften Waffenbesitzes durch  Zivilpersonen. Er entstand im Gefolge des Revolutionskrieges gegen die britische Krone. Anders als in den Monarchien Europas sollte es eine allgemeine Volksbewaffnung geben.  Tatsächlich gab es Milizen, die parallel zur Armee und Polizei existierten. Die im Grunde demokratische Idee einer allgemeinen Volksmiliz wurde auch von der sozialistischen Arbeiterbewegung übernommen.

Aber unter den Bedingungen einer auf Expansion und Ausbeutung basierenden Siedler- und Klassengesellschaft wurden Milizen zu Machtmitteln derer, die über Macht und Geld verfügten. Sie dienten zur Unterdrückung und Einschüchterung der Schwarzen und der von ihrem Land verdrängten indigen Bevölkerung. Mehrfach in der Geschichte wurden State Militias gegen streikende ArbeiterInnen, gegen die Linke und Gewerkschaften eingesetzt.  Unternehmer wie Henry Ford unterhielten zudem sogar regelrechte Privatarmeen.

Zur selben Zeit gab es aber auch kollektive, bewaffnete Gegenwehr durch Gewerkschaftsmilizen. In den 1960er Jahren nutzte die Black Panthers Party den Verfassungszusatz, um eigene Milizen zu bilden, die die schwarze Community gegen rassistische Gruppen und die Gewalt der Polizei schützten.

Was tun?

Mehr Überwachung von SchülerInnen ist abzulehnen. Lehrkräfte sollen nicht zu HilfspolizistInnen gemacht werden. Viel mehr muss es darum gehen, die sozialen Ursachen für Gewalt und Verrohung zu beseitigen, die letztlich zu Ausbrüchen wie diesen schrecklichen Amokläufen führen. Die mit der Trump-Regierung verfilzte Waffenlobby muss gestoppt werden. Die Waffenindustrie, die Milliardenprofite mit dem Tod macht, gehört entschädigungslos enteignet. Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SAV in den USA) setzt sich für eine Ausweitung des Verbots von automatischen Waffen ein. Waffenmodifikationen sollen verboten werden.

Die Forderung der SchülerInnen-Bewegung und der LehrerInnen-Gewerkschaften nach schusswaffenfreien Schulen sind natürlich berechtigt. Dazu gehört erst Mal, dass die Präsenz von NRA und Armeevorbereitungskurse in Schulen beendet werden.

Aber nicht das Gewaltmonopol des kapitalistischen Staates, der Streiks bricht und die Armen und Nicht-Weißen unterdrückt, gibt Sicherheit. Sicherheit kann es nur in einer Gesellschaft geben, die weder Armut noch mörderischen Konkurrenzkampf gibt und in der es nicht einigen wenigen Konzernen ermöglicht wird, für Profiten buchstäblich über Leichen zu gehen.

 

Jemen: Kein Ausweg im Kapitalismus

Wiedermal zeigt sich: Im Kapitalismus wird für Millionen das nackte Überleben zum Wunschtraum.
Lukas Kastner

Seit der Tötung des früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh durch KämpferInnen der Huthi Rebellen im Dezember 2017 haben sich die Kämpfe im Jemen intensiviert. Mit 17 Millionen von Hungersnot Betroffenen war der Krieg die schlimmste humanitäre Katastrophe 2017. Die hoffnungsvollen Massenproteste gegen seine Diktatur 2011 sind, mangels einer sozialistischen Perspektive, einem sektiererischen BürgerInnenkrieg gewichen. Unterstützt von lokalen Eliten, den Golfstaaten, der EU und der US-Regierung übernahm Vizepräsident Abd Rabbu Mansour. Korruption, Repression, soziale Verelendung und Fraktionskämpfe der lokalen Eliten ermöglichten schließlich die Einnahme der Hauptstadt Sana`a durch die Houthi Rebellen. Dies und die Militärintervention Saudi Arabiens, mit Unterstützung der Regierungen der USA, Großbritanniens, Kanada und Frankreichs, haben das imperialistische Blutvergießen in eine ausweglos scheinende Katastrophe gesteigert.

Ihr Schicksal können die jemenitischen ArbeiterInnen und Armen nur selbst in die Hand nehmen. Letztes Jahr haben tausende ArbeiterInnen für grundlegende Verbesserungen gestreikt. Das ist die Grundlage für organisierten Widerstand. Das CWI unterstützt diese Arbeitskämpfe aktiv. Es braucht eine organisierte revolutionäre Organisation und die internationale Unterstützung der ArbeiterInnenklasse, um dem kapitalistischen Morden ein Ende zu setzen.

 

Iran: Billigere Eier und Sturz des Regimes!

Tilman M. Ruster

Ende 2017 brachen massive Proteste im Iran aus. Millionen gingen auf die Straße, zunächst gegen Preissteigerungen und Korruption, schnell aber gegen das Regime insgesamt. Angesichts des Hintergrunds der Bewegung kein Wunder: Das iranische Regime ist an so ziemlich jedem Konflikt in arabischen Raum beteiligt. Milliarden gehen für die Unterstützung Assads, die libanesische Hisbollah oder die jemenitischen Huthi-Rebellen drauf. Der iranische Staat kämpft um seine Rolle in der Region in Zeiten der (Wirtschafts-) Krise.

Die mit dem neuen Budget nochmal stark gestiegenen Militärausgaben stehen Kürzungen im Sozialbereich gegenüber. Reformen des Präsidenten Ruhani beschleunigen das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich und damit auch zwischen Bevölkerung und Regierung. 80% der Wirtschaft stehen unter Kontrolle des Regimes, die Gewinne versickern durch Korruption. Die Mullahs sind oft Multimilliardäre, während eine fünfköpfige Familie im Durchschnitt mit 500€/Monat zurechtkommen muss. 11% Inflation machen das Leben endgültig unleistbar.

Schon 2009 gab es eine riesige Protestwelle, damals v.a. um den vermutlich durch Wahlbetrug unterlegenen, aber regimetreuen Präsidentschaftskandidaten Mussawi an die Macht zu bringen. Jetzt steht das ganze System in Frage. Auch die Methoden der Proteste haben sich verändert. Teilweise haben sich die DemonstrantInnen bewaffnet, Polizeipräsidien und Militärbasen wurden angegriffen. Aber v.a. hat die ArbeiterInnenklasse begonnen, aktiv einzugreifen. Die Protestwelle ist auch eine Streikwelle, bei BusfahrerInnen, ÖlarbeiterInnen und anderen Branchen und Provinzen. Was fehlt, ist eine Form von zentraler Organisation. Gut, dass die Bewegung nicht wieder auf Versprechen irgendeines „Reformers“ aus den Reihen des Regimes reinfällt, aber ohne gemeinsame Forderungen, ohne eine Koordination der Proteste wird sie scheitern. Zu Redaktionsschluss verkündete das Regime, die Lage wieder unter Kontrolle zu haben, aber Stabilität lässt sich nicht erzwingen. Auch vor dem Hintergrund der Entwicklung in Tunesien und anderen arabischen Ländern werden die Proteste in der Zukunft wieder aufflammen, dann hoffentlich besser vernetzt und mit einem politischen Programm zum Sturz des Regimes!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen Februar 2018

Leon Neureiter

Streik in Kasachstan

In der Region Karaganda kam es zu einem großen Streik im Kohlebergbau. AktivistInnen des CWI und SozialistInnen, mit denen wir eng zusammenarbeiten, waren beteiligt. Forderungen waren die Verbesserung der miserablen Arbeitsbedingungen und Verdoppelung der Löhne. Der Streik fiel mit dem kasachischen Unabhängigkeitstag, dem 16. Dezember, zusammen. In vielen Städten gab es Massendemonstrationen. Die ArbeiterInnen trotzten den Temperaturen, die oft unter dem Nullpunkt lagen, ebenso wie der polizeilichen Repression und der Diffamierung durch die Politik. Das CWI organisierte internationale Solidarität, wofür sich die StreikführerInnen ausdrücklich bedankten. Das Regime des Diktators Nasarbajew kann sich schon länger nur durch Repression halten, der Streik erschüttert es weiter.

Www.socialistworld.net

 

Schulstreik in Schweden
2015 kamen etwa 35.000 Flüchtlingskinder nach Schweden. Erst 2017 bekamen sie Asylbescheide – die meisten von ihnen waren negativ. Einige Flüchtlinge begingen kurz darauf sogar Selbstmord, andere von ihnen wurden abgeschoben. Gegen die rassistische Politik der schwedischen Regierung gab es schließlich am 12. Dezember einen Schulstreik, an dem mehr als 4.000 SchülerInnen aus etwa 50 Schulen in 19 schwedischen Städten teilnahmen. Mitglieder der schwedischen Sektion des CWI, Rättvisepartiet Socialisterna (»Sozialistische Gerechtigkeitspartei«), spielten eine Schlüsselrolle in der Vorbereitung des Streiks. Auch kleine Zugeständnisse der Regierung kurz vor dem Streik konnten nichts ändern, denn auch diese wären keine grundsätzliche politische Änderung gewesen.

www.socialisterna.org

 

Proteste in Hongkong

In Hongkong ist ein zum Teil unter Kontrolle der chinesischen Zentralregierung stehender Bahnhof geplant. AktivistInnen befürchten, dass die chinesische Regierung Hongkongs Autonomiestatus durch die Hintertür aushebeln wird. Als Neujahrsgeschenk gab es daher eine Protestaktion, an der ca. 10.000 Leute teilnahmen. Mit dabei war die CWI-Sektion aus Hongkong, Socialist Action.

www.socialism.hk

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Wie weiter in Europa?

Thesen des Internationalen Vorstands des CWI vom Dezember 2017

Die dramatischen Ereignisse, die sich in Katalonien und dem spanischen Staat entwickelt haben, reflektieren die grundlegende soziale und politische Krise, die viele europäische Länder im Griff hat. Die Propaganda der herrschenden Klassen behauptete, dass sie die politische und soziale Krise restabilisiert und gelöst habe, die sich in Griechenland entwickelt hatte. Der Brexit und nun Katalonien zeigen aber die zugrundeliegende soziale und politische Situation in vielen Ländern der EU. Es gab keinen generellen Zuwachs des Klassenkampfs seit dem letzten Treffen des Internationalen Vorstands im Dezember 2016. Das bedeutet trotzdem nicht, dass die Kapitalistenklassen vor einer stabilen Situation steht. Die kapitalistischen Klassen in ganz Europa sieht sich weiterhin politischen Schocks, Krisen und Umbrüchen gegenüber. Die revolutionären Ereignisse, die Katalonien durcheinander gewirbelt haben, sind von Bedeutung für den spanischen Staat, die EU und die ganze Welt.

Manche kapitalistischen KommentatorInnen setzen zufrieden auf die Rückkehr eines substantiellen ökonomischen Wachstums, basierend auf dem zunehmenden Inlandsprodukt der Eurozone in den letzten Quartalen. Das stattgefundene Wachstum – 2,1 Prozent dieses Jahr – war jedoch bestenfalls schleppend und extrem ungleich. Es ging nicht mit einer Erhöhung des Lebensstandards, sondern mit anhaltender Austerität und einer Zunahme der Spekulation und der Schaffung von “Blasen”, da die Kapitalisten nach Möglichkeiten zur Investition ihres überakkumulierten Kapitals suchen,einher. Griechenland, Spanien, Portugal und Italien sind im festen Griff der massenhaften Erwerbslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen. Die reale Erwerbslosigkeit, nicht nur die offiziell festgestellte, sondern die versteckte mit einbezogen, liegt in der Eurozone bei 18 Prozent! Prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne, vor allem unter Jugendlichen, sind überall in der EU mehr und mehr die Norm. Die Maßnahme für Sklavenarbeit in Italien, welche Studierende zwingt, ohne Lohn für Arbeitgeber zu arbeiten, ist ein Hinweis für das Ausmaß der stattgefundenen Angriffe.

Zur selben Zeit ist das grundlegende Problem der Schuldenkrise nicht gelöst. Abgesehen von einem erneuten, durchaus möglichen Ausbruch der Krise in Griechenland gibt es auch die Möglichkeit einer solchen in Italien. Diese könnte sich entwickeln, wenn Italien nicht mehr in der Lage ist, die Schulden der öffentlichen Kassen zu bedienen, die mittlerweile bei 130 Proeznt des BIP (Bruttoinlandsprodukt) liegen. Die skandinavischen Länder kamen aus der Krise 2007/2008 relativ ungeschoren davon. Allerdings weisen die angehäuften Schulden darauf hin, dass diese deutlich heftiger in einer zukünftigen Krise betroffen sein können. Das wird wichtige Auswirkungen auf den Klassenkampf haben, auf die wir uns vorbereiten müssen.

In der europäischen Wirtschaft entwickeln sich wichtige Fragen, die durch die Einführung der Robotik und anderer Änderungen in der Produktion aufkommen werden. In Deutschland gibt es eine Diskussion um die Neustrukturierung der Autoindustrie. Die zwischen den Handelsblöcken auftretenden Spannungen fanden jüngst ihren Ausdruck im Konflikt zwischen den USA und Kanada über Bombardier, der sich dann auf Großbritannien ausweitete.

Zusätzlich zum Brexit gab es vermehrte Zwischenfälle innerhalb der EU selbst. Im Osten gab es größere Spannungen durch Polen und Ungarn. Polen bereitet eine Forderung nach Reparationszahlungen von Deutschland vor. Donald Tusk, der ehemalige polnische Premierminister, ging so weit und erklärte, “die EU brauchte Polen nicht und Polen nicht die EU”. Dies brachte einige KommentatorInnen dazu, die Frage eines Polexits zu stellender eine neue Krise auslösen würde.

Es gibt Anzeichen, dass der Kreml Sorgen bezüglich der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2018 hat, die anlässlich des Jahrestags der Übernahme der Krim vorgezogen wurden. Das ist teilweise in der fortgesetzten ökonomischen krise begründet – Reallöhne fallen seit vier Jahren, aber auch darin, dass die patriotische Rhetorik nach den Ereignissen in der Ukraine weniger zieht. Das russische Militär kostet prozentual drei Mal mehr als der NATO-Durchschnitt und es gibt nicht genug Geld für Bildung, Gesundheit und Renten. Die Regionen und Teilrepubliken werden ausgehungert, ein drittel von ihnen hat höhere Schulden als 85 Prozent ihres Einkommens und sind mit Zahlungsunfähigkeit bedroht. Das, und neue Angriffe auf die Sprachrechte durch die Regierung, machen eine Rückkehr von Spannungen zwischen Moskau und Tartastan oder den kaukasischen Republiken praktisch unausweichlich. Putin wird die Wahlen zweifelsfrei gewinnen, denn es wird kein ernstzunehmender Oppositionskandidat zugelassen werden und er wird sich von seiner eigenen Partei “Einiges Russland” distanzieren, die im Frühjahr weniger als zwanzig Prozent in den großen Städten erhalten hat. Einige wirkliche Arbeiteralternative wird dringend gebraucht angesichts des großen unmuts über Korruption und Ungleichheit, aber da es eine solche nicht gibt, wird das vakuum durch Navalny, einem Rechtspopulisten, der linke Slogans zu Fragen der Löhne und eines kostenlosen Gesundheitswesens verwendet. Die von Jugendlichen geprägten Proteste haben das Eis gebrochen – die Anzahl von Protesten ist in diesem Jahr deutlich gestiegen. Durch die Aufschiebung der Probleme bereitet der Kreml nur weitere und größere Proteste nach den Wahlen vor.

Macrons Versuch, die verstärkte Integration der Volkswirtschaften der Eurozone mit einem vereinbarten Kostenrahmen voranzutreiben, wurde teilweise dadurch gehemmt, dass Merkel einen Rückzieher machen musste, weil sie auf die Rechtsextremen Rücksicht nehmen muss. Weitere Versuche für eine verstärkte Integration der Eurozone sind aber möglich. Wie weit diese dann jedoch gehen, ist alles andere als klar, und sie arbeiten gegen die zentrifugalen Kräfte an, die gerade wirken. Das wird zu weiteren Konflikten innerhalb der EU und der Eurozone führen. Teile der deutschen herrschenden Klasse hatten befürchtet, dass sie die Zeche für eine stärker integrierte Eurozone zahlen müssten, wozu sie nicht bereit waren.

Revolution und Konterrevolution in Katalonien

Die Aufstände in Katalonien beinhalteten Elemente sowohl von Revolution als auch Konterrevolution. Ebenso offenbarten sie die Bedeutsamkeit der nationalen Frage für die Arbeiterklasse und revolutionäre MarxistInnen. Sie legten auch die existierende Führungskrise offen. Solch dramatische Ereignisse sind ein Test für alle linken und sozialistischen Organisationen, vor allem für revolutionäre MarxistInnen. Die GenossInnen der Izquierda Revolucionaria und das CWI haben korrekt das Recht der KatalanInnen verteidigt, über ihre Zukunft zu entscheiden, und eine sozialistische Republik Katalonien gefordert. Diese müsste gemeinsam mit arbeitenden Menschen aus dem übrigen spanischen Staat in einem gemeinsam Kampf gegen die herrschenden Klasse und die Partido Popular ankämpfen, um eine demokratische und freiwillige sozialistische Förderation aller Völker des spanischen Staats aufzubauen.

Linke versagt

Das steht im Widerspruch zu der verräterischen Rolle der PSOE, die jede repressive und eskalierende Maßnahme der PP-Regierung und des spanischen Staatsapparats aktiv unterstützt hat. Die FührerInnen der Vereinten Linken und der Kommunistischen Partei haben auch bedauernswert gehandelt und praktisch die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung des katalanischen Volkes aufgegeben und eine Feindseligkeit gegenüber der Massenbewegung entwickelt. Sie haben sogar negiert, dass es politische Gefangene in Katalonien gibt und einige ihrer FührerInnen haben als RednerInnen auf Demonstrationen der spanischen nationalistischen Rechten in Barcelona teilgenommen. Die spanische Führung von Podemos hat eine andere Haltung eingenommen und steht außerhalb des reaktionären spanisch-nationalistischen Blocks, aber sie hat auch enorme Schwächen offenbart. Einerseits haben sie sich gegen die Aufhebung der katalanischen Autonomie ausgesprochen und auch die Existenz politischer Gefangener anerkannt. Aber sie haben sich geweigert am Prozess der Mobilisierungen für die katalanische Republik teilzunehmen und im rest des spanischen Staates gegen die Repression durch den Staatsapparat zu mobilisieren. Als einzige Lösung vertreten sie ein Referendum, dem genau die Parteien und der Staat zustimmen sollen, die das Selbstbestimmungsrecht nicht anerkennen. Iglesias hat sogar den Ausschluss des Generalsekretärs von Podemos in Katalonien voran getrieben, der eine sehr viel bessere Position zur Unabhängigkeitsbewegung eingenommen hatte. Gleichzeitig hat die linksnationalistische CUP eine wichtige Möglichkeit verpasst, die revolutionäre Krise in Katalonien über die grenzen hinweg zu treiben, die ihr von der bürgerlichen und kleinbürgerlichen PdeCat und ERC gesetzt werden. Ihre FührerInnen haben sich geweigert, ein unabhängiges linkes Programm zu vertreten und die Arbeiterklasse um eine sozialistische Politik herum zu mobilisieren. faktisch haben sie sich den permanenten manövern der von Puigdemont geführten bürgerlich-nationalistischen Regierung der PdeCat-ERC untergeordnet. Trotzdem hat die CUP vor allem unter breiten Schichten der Jugend Anerkennung gewonnen und wird als kämpferischster Teil der Bewegung betrachtet.

Diese Fehler der Linken in Katalonien und im restlichen spanischen Staat wurden in der ein oder anderen Form auch von anderen Linken international gemacht. Daneben war weder in Schottland die unabhängigkeitsbefürwortende SNP (Scottish National Party) noch der irische Premier Leo Varadkar dazu bereit, Katalonien zu unterstützen und sich der Haltung der EU bzw. der PP-Regierung zu widersetzen.

Die heftige Reaktion der PP-Regierung und ihr Wille, die Unabhängigkeitsbewegung zu zerschmettern hat Teile der herrschenden Klassen Europas aufgeschreckt. Sie fürchten, dass der Konflikt eskalieren und eine größere Krise in der gesamten EU auslösen könnte. Das hat die EU und die „drei M‘s“ im Speziellen – Macron, Merkel, May – nicht daran gehindert, Rajoy darin zu unterstützen, das Referendum für illegal zu erklären.

Die brutale Antwort von Rajoy zeigt zum einen die Zusammensetzung der Staatsmaschinerie und der PP im spanischen Staat. Es gibt dort ein mächtiges francistisches Erbe und eine Tradition, die nach dem Machtwechsel von 1978 nie eliminiert wurden. Es finden sich darunter extrem repressive, bonapartistische Elemente. Dies geht einher mit einer Angst vor den Folgen einer katalanischen Unabhängigkeit. Katalonien sorgt für mehr als zwanzig Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts und der Exporte. Außerdem – würde Katalonien sich abspalten, könnte das Baskenland folgen.

Puigdemont und die PDeCAT haben ihre Angst offenbart, die Massen in einen wirklichen Kampf gegen die PP und für Unabhängigkeit zu führen. Sie haben die Unfähigkeit von bürgerlich-nationalistischen PolitikerInnen gezeigt, einen effektiven Kampf für Unabhängigkeit zu führen. Puigdemont ist zusammen mit fünf anderen MinisterInnen nach Belgien geflohen, das Zentrum jener EU, welche Puigdemonts Unabhängigkeitserklärung ablehnte und sich hinter die PP-Regierung stellte. Puigdemont forderte dann dieselbe EU auf, zu intervenieren und die Unabhängigkeitsbewegung zu unterstützen! Die katalanischen bürgerlichen PolitikerInnen fürchten vornehmlich die Perspektive einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, die notwendig wäre, um die von der PP kommenden Repressionen abzuwehren. Die Repression der PP und die Verhaftung eines Teils der katalanischen Regierung wird deren Stellung jedoch eine zeitlang stärken. Der spanische Staat hat durch seine Repressionen in den Augen von Millionen, besonders den jungen KatalanInnen alle Legitimität verloren. Das wird ernsthafte Folgen für die herrschende Klasse in der kommenden Zeit haben.

Selbstbestimmungsrecht

Die nationale Frage hat eine entscheidende Bedeutung für die Arbeiterbewegung. MarxistInnen verteidigen das Recht auf Selbstbestimmung genauso wie die Einheit aller Teile der Arbeiterklasse. Ohne sich dem bürgerlichen Nationalismus zu unterwerfen ist es doch wichtig zu erkennen, dass nationalen Unabhängigkeitsbewegungen oftmals ein “unausgereifter Bolschewismus” innewohnt. Jede nationale Frage stellt sich sehr konkret und es ist notwendig, jede spezifische Situation zu analysieren, um unsere genauen Forderungen und Parolen zu bestimmen. Wie man in Schottland sehen konnte, kann die Unterstützung ab- und zunehmen. Das müssen wir in den Forderungen berücksichtigen, die wir in jeder Etappe nach vorne stellen. Ein Fehler bei der nationalen Frage kann verheerende Konsequenzen haben, das zeigt die historische Erfahrung. Corbyns falsche Herangehensweise an das Thema in Schottland war ein wichtiger Faktor, warum Labour dort keine großen Gewinne erzielen konnte, was bei den letzten britischen Wahlen letztlich die Bildung der Regierung von Theresa May ermöglichte. Das passierte trotz der schwächer werdenden Illusionen in die SNP. Diese hat in Schottland Kürzungen mitgetragen und ist dadurch mit Teilen der Arbeiterklasse aneinandergeraten.

In Katalonien war es richtig, das Recht auf Abhalten eines Referendums zu verteidigen. In Nordirland hingegen haben unsere GenossInnen das von Sinn Fein geforderte Referendum korrekterweise nicht befürwortet. Es würde die konfessionelle Spaltung zwischen ProtestantInnen und KatholikInnen nur erneut verstärken und nichts zur Lösung beitragen. Das muss den verschiedenen Gemeinschaften mit viel Fingerspitzengefühl erklärt werden.

Das repressive Vorgehen der PP-Regierung hat zweifellos die Unterstützung für Unabhängigkeit anwachsen lassen. Wichtige Teile der Spanisch sprechenden Arbeiterklasse, die die die spanische, nationalistische Rechte instinktiv zurückweisen und aufgrund der Rolle der bürgerlichen PDeCAT Misstrauen gegenüber der Unabhängigkeitsbewegung haben, mobilisierten zum Referendum am 1. Oktober und zum Generalstreik am 3. Oktober. Wäre der Kampf für eine katalanische Republik verbunden worden mit einem Aktionsplan gegen Kürzungen und Austerität und die Straßenmobilisierungen mittel Generalstreiks und Massendemonstrationen aufrecht erhalten worden, sowie die Komitees zur Verteidigung des Referendums aufrecht erhalten und erweitert worden, dann wäre es möglich gewesen die Arbeiterklasse mit einer migrantischen oder spanisch-sprechenden Herkunft (die einen hohen Anteil vor allem an der industriellen Arbeiterklasse ausmacht) für den kampf zu gewinnen. Das wäre die Aufgabe der radikal-linken, Pro-Unabhängigkeitspartei CUP und der FührerInnen von Unidos Podemos (der Wahlallianz von Podemos und der Vereinten Linken) gewesen. Aber die Führung der CUP blieb mit den bürgerlichen NationalistInnen verbunden und die reformistischen FührerInnen von Unidos Podemos fürchteten eine revolutionäre Herausforderung dieses kalibers wie die Pest. Kurz gesagt haben sich die politischen Grenzen und der organische parlamentarische Kretinismus von Podemos durch diesen ernsthaften Test offenbart.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht sicher, ob eine Mehrheit die Unabhängigkeit unterstützt, wie es auch in Schottland nicht der Fall war. Bei der letzten Umfrage (zum Zeitpunkt des verfassens dieses Dokuments) war die Unterstützung für Unabhängigkeit auf 48,7 Prozent gestiegen, während 43,6 Prozent sich dagegen aussprachen.In einer solch instabilen Situation müssen jedoch alle Umfragen mit Vorsicht betrachtet werden. Die Situation ist im Fluss und kann sich nach den Wahlen am 21. Dezember weiter verändern. Wir sollten auch nicht ausschließen, dass ERC und PDeCAT, wie es viele ihrer FührerInnen äußern, nach den Wahlen versuchen werden eine Weg der Verhandlungen mit der PP-Regierung zu beschreiten und auf die Erklärung der Republik und der Unabhängigkeit verzichten werden. Diese bürgerlichen und kleinbürgerlichen Pro-Unabhängigkeitsparteien haben auch die Risiken verstanden, die sich aus den Ereignissen ergeben haben und sind sich bewusst, dass eine Republik, die durch Massenmobilisierungen und revolutionäre Methoden erreicht wird, eine Eskalation des Klassenkampfes auslösen könnte, die sie selbst innerhalb kürzester Zeit hinwegfegen könnten.

In Katalonien ist es wichtig, die Masse der Arbeiterklasse für eine Unterstützung der Unabhängigkeit zu gewinnen. Das kann nur passieren, indem eine klare Opposition gegenüber Austerität und die Notwendigkeit einer sozialistischen Republik Katalonien erklärt wird. Es ist weiterhin nötig zu erklären, dass ein unabhängiges sozialistisches Katalonien die demokratischen und kulturellen Rechte aller bewahren wird. Das ist auch wichtig, um die Propaganda der Rechten im restlichen spanischen Staat zu erwidern, die die KatalanInnen spalten wollen – und um zusätzlich die Ängste der UnabhängigskeitsgegnerInnen mildern will, vor allem derer die aus dem restlichen spanischen Staat hergezogen sind.

Die Ereignisse in Katalonien und im spanischen Staat werden sich wahrscheinlich rasch weiterentwickeln, mit Widersprüchen und Komplikationen. Diese entspringen vor allem der kläglichen Rolle der Linken, IU und PODEMOS, und des Versagens der CUP, eine Position unabhängig von Puigdemont zu entwickeln. Die Rechte rund um die PP und Ciudadanos haben eine heftige spanisch-nationalistische Kampagne gestartet, der die größeren linken Organisationen weder im spanischen Staat noch in Katalonien etwas entgegensetzen. Es bleibt unklar, wie sich die Dinge entwickeln, aber sie kennzeichnen einen Wendepunkt im spanischen Staat mit Auswirkungen auf die gesamte EU.

Brexit und historische Krise in Großbritannien

Diese Entwicklungen haben sich parallel zu der anderen großen Krise, ausgelöst durch den Brexit, entwickelt. May und ihre Regierung haben es seit ihrem Wahl”sieg” geschafft, von Krise zu Krise zu taumeln. Eine Wahl, bei der die GewinnerInnen verloren und die VerliererInnen gewannen. Die Krise, die die Konservative Partei erfasst hat, ist eine historische. Sie hat sich durch den Brexit in erbitterte Fraktionen gespalten. Eine Spaltung entlang der Linien der Auseinandersetzung über die “Korngesetze” (für Freihandel) im 19. Jahrhundert scheint ernsthaft möglich. Dies war eine der ältesten und erfolgreichsten Parteien der herrschenden Klassen europaweit, möglicherweise international. In einem gewissen Zeitraum hatte sie mit einer Million Mitgliedern eine große soziale Basis, die einige Schichten der Facharbeiterschaft beinhaltete. Sie ist jetzt nur noch ein Schatten ihrer selbst, die offizielle Mitgliedschaft liegt bei ungefähr einhunderttausend – deren Durchschnittsalter 71 Jahre ist! May, oder Maybot (aufgrund der Wiederholung von Phrasen wird sie mit einem Roboter verglichen, A.d.Ü.), wie sie genannt wird, hat wenig bis gar keine Autorität und bleibt nur geduldete Premierministerin.

Die beiden Faktoren, die sie weiterhin von Krise zu Krise taumeln lassen, sind einerseits die Angst vor einem Wahlgemetzel für die Tories und einem Wahlsieg von Corbyn und andererseits das Fehlen eineR ernsthaften GegenkandidatIn innerhalb der Tories, um sie abzulösen. Diese Krise ist ein Abbild des langen historischen Niedergangs des britischen Imperialismus und steht sinnbildlich für den furchtbaren Zustand des britischen Kapitalismus.

Wie in anderen Ländern gibt es auch hier eine tief sitzende Verbitterung im öffentlichen Bewusstsein über eine “ungleiche Gesellschaft” mit einem Riesenreichtum, der in den Händen sehr Weniger konzentriert ist. In Städten wie London führt das zu extremem Vermögen, die Seite an Seite mit verzweifelter Armut existieren. Das zeigte sich in London mit dem rohen, schäumenden Klassenhass und der Wut, die nach dem schrecklichen Feuer im Grenfell Tower ausbrachen.

Die Umfragen deuten auf eine gestiegene Zustimmung für Corbyns Labour Party seit den letzten Wahlen hin und auf einen wahrscheinlichen, trotzdem nicht sicheren, zukünftigen Wahlsieg. Corbyns “Sieg” bei der letzten Wahl hat vorübergehend dazu geführt, dass die rechten Blairisten in der Parlamentsfraktion demoralisiert wurden. Nichtsdestotrotz sind sie weiterhin da und kontrollieren den Parteiapparat und die übergroße Mehrheit der Stadträte. In diesen führen die Blairisten weiterhin Kürzungen und Austeritätspolitik durch und Corbyn weigert sich, diese zu kritisieren, um die “Einheit der Partei” beizubehalten. Die Blairisten spielen momentan das fünfte Rad am Wagen und warten darauf, eine Corbyn-geführte Regierung zu sabotieren und zu untergraben, sollte er die nächsten Wahlen gewinnen. Die Partei bleibt zwei Parteien in einer und ihr Charakter unklar, wie wir das auch schon in früheren Dokumenten und Artikeln erklärt haben.

Neue linke Parteien – Charakter und Programm

Die Mehrheit der Kräfte in Momentum und der Labour Party haben viele der Merkmale und Charakteristika von neuen linken Parteien, die in anderen europäischen Ländern entstanden sind. Während PODEMOS Unterstützung unter Jugendlichen und wichtigen Schichten von ArbeiterInnen, vor allem neuen, jungen Teilen der Arbeiterklasse gewonnen hat, umfasst sie auch größere Schichten von radikalisierten kleinbürgerlichen Jugendlichen. Dem BE (Bloco de Esquerda, Linksblock) in Portugal fehlt eine gefestigte Basis unter der Industriearbeiterklasse. Die Mitgliedschaft besteht hauptsächlich aus jungen, prekarisierten ArbeiterInnen und kleinbürgerlichen Jugendlichen. Momentum in der Labour Party setzt sich vor allem aus kleinbürgerlichen Schichten zusammen. Das vermindert nicht die Bedeutung dieser Entwicklungen, die Orientierung unserer Sektionen auf sie und die Ausarbeitung der nötigen Taktiken in jedem Land. In Frankreich ist die Existenz von France Insoumise rund um Jean-Luc Mélenchon ein wichtiger Faktor in der sich entwickelnden, explosiven Situation. Diese Formationen sind jedoch nicht die klassischen Massenarbeiterparteien, die in der Geschichte existierten. Sie sind auch noch nicht mit der PRC (Partito della Rifondazione Comunista in Italien) zu ihrer Hochzeit vergleichbar, die zu einer gewissen Zeit eine deutlich größere Basis unter MetallarbeiterInnen und anderen Schichten der Arbeiterklasse hatte.

Die gemischte Klassenzusammensetzung dieser Parteien spiegelt sich im Programm und den Ideen wider, die sie vertreten. Diese haben noch keinen klassisch reformistischen oder linksreformistischen Charakter und zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig bis gar keine Bezugnahme auf Sozialismus. Sogar Corbyn, der momentan die linkeste Haltung hat, wirft nicht allgemein die Frage des Sozialismus auf. Eine der Aufgaben des CWI ist es, die Notwendigkeit zu erklären, den Kapitalismus als System abzulehnen und den Sozialismus als Alternative aufzuwerfen. Aus einer historischen Perspektive heraus ist Corbyns Programm rechter als das von LinksreformistInnen wie Tony Benn in den 1970ern und 1980ern, was die Auswirkungen des historischen Rückschritts und der Rechtsverschiebung ausdrückt, die in der Phase nach dem Zusammenbruch des Stalinismus sich ereigneten. Daher erscheinen diese Programme vielen aus der neuen generation heute radikal. Aber wenn wir in Betracht ziehen, wo wir stehen, einschließlich der politischen Folgen des Zusammenbruchs des Stalinismus und dessen Auswirkungen auf das Massenbewusstsein, repräsentiert das Programm Corbyns einen bruch mit den Jahrzehnten des Blairismus und ist auch Ausdruck von Veränderungen in der Haltung der Massen und von Fortschritten im Bewusstsein, wenn diese auch noch nicht so weit gehen, die Notwendigkeit eines wirklich sozialistischen Programms zu verstehen. Für MarxistInnen sind das Corbyn-Phänomen, Podemos, der Linksblock und andere Formationen links der völlig degenerierten Sozialdemokratie, klare Anzeichen des Fortschritts des KLassenkampfes und eröffnen Möglichkeiten unsere Positionen zu entwickeln und unsere Stellung unter Jugendlichen zu stärken. Natürlich fürchten die herrschenden Klassen nicht das Programm dieser neuen Linksparteien. Was sie fürchten, ist der Druck von den Massen, unter den sie kommen würden, weitere, radikalere Maßnahmen vorzunehmen. Das ist kein statischer Prozess und mehr radikal-linksreformistische oder sogar zentristische Programme und Führungsfiguren werden zu einem bestimmten Zeitpunkt aufkommen. In diesem Prozess können bedeutende Schritte vorwärts passieren, wenn der Einfluss einer erneuten kapitalistischen Krise und Massenkämpfe mit der Erfahrung der Massen in Kämpfen zusammenkommen.

ReformistInnen ohne Reformen

Die Krise des Kapitalismus führt dazu, dass sie ReformistInnen ohne Reformen sind. Das bedeutet nicht, dass die herrschende Klasse nicht zu Zugeständnissen bereit wäre, wenn sie mit einer ihre Existenz bedrohenden, mächtigen, revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse konfrontiert ist. Die Ära der anhaltenden Reformen im Kapitalismus ist jedoch lange vorbei. Das zeigt sich an der zaghaften und begrenzten Beschaffenheit des Programms, dass die modernen “ReformistInnen” heutzutage verteidigen.

Eine Folge aus der ökonomischen Krise 2007/2008 war ein heftiger Angriff auf die Mittelschicht in vielen Ländern. Das hat für die herrschende Klasse gefährliche Konsequenzen, weil es ihre soziale Basis schmälert. Ein bedeutender Teil dieser ehemaligen kleinbürgerlichen Schicht wurde nach links radikalisiert, was eine positive Entwicklung ist. Teile davon, zum Beispiel AssitenzärztInnen im Krankenhaus in Großbritannien, sind in wichtige Kämpfe eingetreten und haben die Methoden der traditionelleren Teile der Arbeiterklasse übernommen. Die Unerfahrenheit und der halb kleinbürgerliche Charakter dieser Schicht drückt sich allerdings auch in der Zusammensetzung großer Teile dieser neuen linken Parteien und Organisationen aus.

Die Angriffe auf die Mittelschicht wurden von anderen bedeutenden Entwicklungen in Europa und international begleitet. Es gab eine Stärkung der Repression, die der kapitalistische Staatsapparat einsetzt. Das zeigte sich bei der Härte der Repression, die in Katalonien, Deutschland, Großbritannien und anderswo gegen Demonstrationen und Proteste eingesetzt wurde. Daneben führten in manchen Ländern wie Großbritannien die Teilprivatisierung der Polizei und Kürzungen dazu, dass es in dieser Schicht eine weit verbreitete Unzufriedenheit und in Teilen sogar eine gewisse politische Radikalisierung nach links gab. Das war sichtbar in der Opposition gegen die Tories von einem Teil der Polizei im britischen Wahlkampf. Die Gefahr eines faktischen Streiks der irischen Polizei ist ein weiterer Beleg davon. Die irischen GenossInnen haben die schlimme Besoldungshöhe der SoldatInnen in den niedrigen Dienstgraden aufgegriffen, was dazu führte, dass wir eine breite Unterstützung unter den SoldatInnen gewannen und Briefe von SoldatInnen erhielten. Diese Entwicklungen im Staatsapparat sind mittelfristig extrem gefährlich für die herrschenden Klassen Europas und geben der Arbeiterbewegung die Möglichkeit, Teile davon wenigstens zu neutralisieren.

Die Schwäche im Programm neuer linker Parteien spiegelt teilweise auch den Zusammenbruch der ehemaligen stalinistischen Regime und den stattgefundenen Rückschritt im politischen Bewusstsein wider, ebenso wie die Tatsache, dass die Arbeiterklasse sich noch nicht entschlossen in diesen Parteien festgesetzt und sie als politisches Instrument des Klassenkampfs geformt hat.

Das war ein wichtiger Punkt in der Griechenlandkrise, den die griechischen GenossInnen herausgearbeitet haben. Während ArbeiterInnen SYRIZA gewählt hatten, sind sie nicht Teil der Partei geworden und haben nicht in ihr gekämpft. Die Eigenschaften weisen darauf hin, dass diese Organisationen extrem instabil sind und eine ungewisse Zukunft haben, vor allem wenn große historische Momente wie in Griechenland, beim Brexit oder jetzt in Katalonien sie testen. Der Zusammenbruch der PRC in Italien, die ja eine festere Aktivenschicht unter IndustriearbeiterInnen hatte, ist eine Warnung für die Begrenztheit dieser neuen Parteien. Die Folgen aus dem Scheitern der PRC und ihrem Zusammenbruch ist einer der Hauptfaktoren, die zu der momentanen schwierigen und komplizierten Lage in Italien geführt haben.

Die jüngsten Erfahrungen aus Momentum, wo unsere GenossInnen ausgeschlossen wurden, aus dem Linksblock, wo es eine erneute Hetzjagd gegen unsere GenossInnen gibt oder aus den Aktionen von Iglesias in Katalonien, haben uns gezeigt: Die Führung dieser neuen linken Parteien kann auf bürokratische Methoden zurückgreifen, wenn sie sich mit einer linken Opposition – vor allem von MarxistInnen – konfrontiert sehen.

Neue Linke

Der genaue Charakter und Geschichte dieser Parteien ist unterschiedlich in unterschiedlichen Ländern. In der Partei DIE LINKE zum Beispiel gab es bisher noch keine solchen undemokratischen Manöver gegen uns. Unsere Taktiken und wie wir jeweils intervenieren hängt von den konkret vorliegenden Bedingungen ab.

In Belgien gab es eine entscheidende Stärkung der ehemaligen MaoistInnen in der Partij van de Arbeid van België/Parti du Travail de Belgique (PTB/PvdA). Trotz der opportunistischen Grundlage hat diese Partei eine gewisse WählerInnenbasis aufgebaut. Intern behält sie ein striktes stalinistisches Regime bei. In der Wallonie ist sie bei Wahlumfragen auf dem dritten Platz. Für die Kommunalwahlen in Antwerpen schlägt sie einen gemeinsamen Wahlantritt mit der Sozialistischen Partei (SP.a) und den Grünen vor. Die Beteiligung an Koalitionen auf kommunaler Ebene und das Mittragen von Kürzungen war ein entscheidendes Element, was zum Zusammenbruch der PRC beigetragen hat.

Das Scheitern der neuen linken Parteien, eine deutliche Alternative zu den prokapitalistischen Parteien aufzuzeigen, hat in manchen Ländern den Rechtsextremen erlaubt, starke Zugewinne zu machen und Kapital aus den Bedenken von Teilen von ArbeiterInnen und der Mittelschicht beim Thema Migration zu schlagen. Die unerwartet großen Zugewinne der AfD (Alternative für Deutschland) bei den letzten Wahlen zeigen das. Maybot in Großbritannien war nicht die einzige Wahlsiegerin, die danach substantiell schwächer da stand. Auch, wenn es nicht ganz so heftig ausfiel, wurde Merkel in Deutschland entscheidend geschwächt. Ihr wird mehr und mehr Führungsversagen nachgesagt.

Der historische Niedergang der Konservativen Partei in Großbritannien wiederholt sich in anderen Ländern. Die deutschen Wahlen brachten den Siemens-Chef dazu, jene als eine “Niederlage der Eliten” zu betiteln. Zwanzig Prozent der AfD-Wählerstimmen kamen von Leuten, die zuvor NichtwählerInnen waren. Diese “Niederlage der Eliten” hat zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Bildung einer neuen Bundesregierung geführt. Eine Koalition aus der CDU/CSU mit der neoliberalen FDP und den Grünen konnte nicht gebildet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es offen, ob es zu Neuwahlen kommt oder eine weitere “Große Koalition” aus CDU/CSU und SPD (möglicherweise unter Einbeziehung der Grünen) gebildet werden kann. Während eine solche Regierung möglicherweise ein paar “Reformen” in ihrem Koalitionsprogramm versprechen würde, ist es alles andere als sicher, ob solche auch umgesetzt würden. Die deutsche herrschende Klasse will Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Jugend durchgesetzt sehen, insbesonder durch weitere Privatisierungen und eine Aufweichung der Arbeitszeitgesetze.

Rückgang in der Unterstützung für die Sozialdemokratie

Zeitgleich sind die Stimmen für die “sozialdemokratische” SPD auf den niedrigsten Prozentanteil seit den frühen 1930er Jahren gefallen – womit sie den Preis für die Teilnahme an Merkels Koalition und die Rolle der Partei bei den erstmaligen heftigen Angriffen auf ArbeiterInnen unter Schröder bezahlt. Der Rückgang der Wahlunterstützung für die “Sozialdemokratie” ist ein wichtiger Aspekt der momentanen Phase, vor allem unter Jugendlichen.

Das Wahlgemetzel der PS in Frankreich, die neunzig Prozent ihrer Sitze im Parlament verloren hat, der Rückgang der PSOE, die fünfzig Prozent ihrer Wählerstimmen seit der Krise 2007/2008 verloren hat, die Aussicht, dass die irische Labour Party alle ihre Sitze bei der nächsten Wahl verliert, der Rückgang der PS/SP in Belgien und natürlich der Untergang der PASOK in Griechenland – all das ist ein Ausdruck davon. Sogar in Österreich, wo die SPÖ ihren Stimmenanteil halten konnte, ist der Zusammenbruch der Unterstützung unter Jugendlichen und ArbeiterInnen sehr beträchtlich. Sie hat nur 17 Prozent der Stimmen der Unter-29-Jährigen und 19 Prozent der Stimmen von ArbeiterInnen bekommen.

Teile der Führungen der neuen linken Parteien versuchen, die “Sozialdemokratie” aus den Trümmern ihres Niedergangs wiederzubeleben. Sie versuchen das jedoch in einer neuen Phase des kapitalistischen Verfalls und Ruins, bei der es keinen Raum für die Reformen gibt, die in der Vergangenheit für eine längere Phase gewährt wurden. Sie sind ReformistInnen ohne langanhaltende Reformen. Sie sehen ihr Programm als ein Mittel, “den Kapitalismus zu reformieren”, seine neoliberale Phase zu beenden und eine humanere Form des Markts einzuführen. Linke RatgeberInnen wie Paul Mason in Großbritannien machen das explizit deutlich. Das wird dazu führen, dass die linken Führungen sehr schnell die Erwartungen und Hoffnungen der Massen verraten werden, wenn oder falls sie an die Macht kommen und den Zwängen und Krisen des Kapitalismus gegenüberstehen. Dies bekam man anschaulich mit Tsipras’ Verrat in Griechenland gezeigt. Das führte nun dazu, dass er von Trump nach dem letzten USA-Besuch gelobt wurde und seine Regierung Militärjets von den USA kauft. Die Hoffnungen, die zu Beginn diesen Jahres in die SPD gesetzt wurden, dass sie unter der Führung von Schulz wieder dazugewinnen würde, wenn er “den Corbyn macht”, sind in sich zusammengesackt, als er von seinen Andeutungen auf einen radikaleren Linksschwenk zurückgerudert ist. Nun hat die SPD entschieden, Verhandlungen mit der CDU/CSU über die Bildung einer “Regierung der WahlverliererInnen” zu führen. Unter Druck von Teilen der herrschenden Klasse hat die SPD-Führung entschieden mit Merkel Verhandlungen aufzunehmen, um ihren staatstragenden Charakter und ihre Loyalität zum Kapitalismus unter Beweis zu stellen. Pedro Sanchez und die Bewegung um ihn in der PSOE in Spanien sind mit der Massenbewegung in Katalonien vor die Wand gefahren. Die mögliche Radikalisierung und die Spaltung der PSOE scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben.

Der Rückgang der Sozialdemokratie ist natürlich nicht einheitlich und es gibt Ausnahmen davon. Wie bereits erläutert, hat die Labour Party in Großbritannien massive Zugewinne in Unterstützung und Mitgliedschaft machen können durch die bereits ausgeführten Ursachen rund um Corbyn. In Portugal bleibt die PS zum jetzigen Zeitpunkt relativ beliebt. Sie wird durch den Linksblock und die Kommunistische Partei an der Macht gehalten und obwohl sie mit Kürzungen fortfährt, hat sie diese selektiver durchgesetzt. Zusammen mit einem dürftigen, kurzlebigen ökonomischen Aufschwung gibt es ein gewisses Gefühl des “zumindest wurden wir nicht ausgequetscht wie die GriechInnen.” Diese Stimmung kann sich schnell ändern, vor allem mit dem Beginn einer erneuten ökonomischen Krise oder durch mehr Kürzungen durch die Regierung.

Zugewinne von Rechtsextremen

Das CWI hat die Gefahr des Wachstum von Rechtsextremen in manchen Ländern erkannt. Dieses wurde oft auf der Basis rechtspopulistischer Ideen erreicht, so beispielsweise in Frankreich, wo auf demagogische Art und Weise die Ideen der sozialistischen Linken geklaut wurden, um Stimmen zu gewinnen. In Deutschland hat die AfD ihre heftigste neoliberale Politik heruntergespielt.

Trotzdem: Auch wenn die AfD noch keine gefestigte politische Kraft ist, kann sie das schnell werden analog dem Vlaams Belang in Belgien oder dem Front National in Frankreich. Solche Parteien sind jedoch darin begrenzt, wie weit sie gehen können, und können schnell kriseln, wenn sie vor Hindernissen oder Rückschlägen stehen. Das konnte man beim FN nach der letzten Präsidentschaftswahl sehen. Doch durch das Fehlen starker Massenarbeiterparteien ist die Existenz solcher rechtspopulistischer Parteien ein permanentes oder semipermanentes Merkmal des politischen Europas. Das zeigt sich mit der FPÖ in Österreich, die durch neue Massenparteien der Arbeiterklasse herausgefordert werden muss. Die Tatsache, dass die FPÖ unter die Unterstützung von 59 Prozent der ArbeiterInnen gewonnen hat, zeigt die existierende Entfremdung und Vorbehalte dieser Schicht, insbesondere seit der Geflüchtetenkrise.

Die Kräfte des CWI spielen eine wichtige Rolle dabei, im Sinne der Verteidigung der Rechte von MigrantInnen, der Ablehnung von Rassismus und dem Kampf für ArbeiterInneneinheit zu intervenieren – und auch mit den Ängsten und Bedenken vieler ArbeiterInnen umzugehen. Die Gefahr aus der rechtsextremen Ecke wird aber auch eine Gegenreaktion erzeugen, vor allem von der Jugend, wie man das in Deutschland sehen konnte. Die gewaltige Demonstration gegen die faschistische NMR mit 20.000 TeilnehmerInnen in Göteborg, in der die schwedische CWI-Sektion Rättvisepartiet Socialisterna eine entscheidende Rolle spielte, war ein Ausdruck davon. Schweden ist von der ökonomischen Krise 2007/2008 relativ unberührt geblieben. Trotzdem, die Verwerfungen und Wiederannäherungen zwischen den Parteien und ein Anwachsen von ziemlich entschlossenen sozialen Kämpfen deuten die Verwerfungen an, die da kommen.

Die Machtergreifung rechtspopulistischer, nationalistischer Parteien in Zentral- und Osteuropa ist eine Warnung für die Gefahr, die von diesen Kräften ausgeht. Ein Beispiel dafür sind die extrem nationalistische Rhetorik und bonapartistischen Maßnahmen der Recht und Gerechtigkeit-Partei (PiS) in Polen. Doch ihre Angriffe auf demokratische Rechte und ihre Versuche, das Justizsystem an die Kette zu legen, haben eine Gegenreaktion provoziert. Parallel dazu hat sie gewisse soziale Reformen beim Kindergeld und einen Mindestlohn eingeführt und versprochen, das Renteneintrittsalter zu senken. All das hat sie in die Lage versetzt, einen gewissen Grad an Unterstützung unter ArbeiterInnen beizubehalten. Nichtsdestotrotz hat die Regierungspolitik eine Reihe von Protesten und so manche Kämpfe hervorgebracht. Bemerkenswerterweise wurden die anfänglichen Proteste gegen den Plan, die Justizkontrolle durch die Regierung zu intensivieren, von kleineren linken Kräften rund um Razem und dem Gewerkschaftsdachverband OPZZ initiiert.

In der Tschechischen Republik hat der rechtspopulistische Milliardär Andrej Babiš und seine Partei ANO die Wahlen gewonnen. Er versprach Steuererleichterungen, erhöhte Investitionen und die Drosselung der Migration.

Frankreich

Die wachsende Opposition in Frankreich gegen Macron zeigt, wie kurzlebig die Wahlsiege bürgerlicher KandidatInnen in dieser Phase sein können. Macron gewann die Wahlen mit nur 25 Prozent Unterstützung von denjenigen, die wählen durften. Bei den Parlamentswahlen hat seine Partei REM gerade mal 15 Prozent der Stimmen in der ersten Runde erhalten. Seitdem, gerade mal innerhalb von Monaten, sind Macrons Zustimmungswerte in der Keller gegangen, weil er brutale Kürzungen, Angriffe auf Arbeitsrechte und Steuererleichterungen für die Reichen angekündigt hat.

Macron hat eine selbstgewählte bonapartistische Aufmachung – er hat das Parlament in Versailles zu seiner feierlichen Vereidigung zusammenkommen lassen. Wie in einigen anderen Ländern hat auch die französische herrschende Klasse mehr und mehr Methoden des parlamentarischen Bonapartismus übernommen. Das Arbeitsgesetz Frankreichs wurde mit Erlass des Präsidenten verfügt, ohne eine intensive Debatte und ohne Abstimmung im Parlament. Auch May in Großbritannien hat in Anlehnung daran auf ähnliche Methoden zurückgegriffen – sie hat entweder Abstimmungen im Parlament vermieden oder schlichtweg ignoriert.

Die Ablehnung Macrons stieg auf 57 Prozent gerade mal vier Monate nach seiner Wahl und seine Zustimmungsraten stürzten um 15 Prozent innerhalb eines Monats. Das war der schlimmste Fall seit Jacques Chirac im Jahr 1995. Macron ist nun noch unbeliebter als sein Vorgänger François Hollande! Wir haben eine potentiell explosive Situation in Frankreich. Das zeigt sich in den schon stattgefundenen Streiks und Protesten. Sogar Force Ouvrière (FO, gemäßigter Gewerkschaftsverband) und CFDT (weiterer, angepasster Gewerkschaftsdachverband) waren gezwungen, zu Streiks aufzurufen.

Wie in anderen Ländern auch war jedwede angekündigte Gewerkschaftsaktion die Folge massiven Drucks aus der Arbeiterklasse; es gab keine ernsthafte Strategie oder einen Schlachtplan, um gegen Macrons drakonische Gesetze zu kämpfen. Die Gewerkschaftsbürokratie hat in den meisten Fällen als Bremse für die Arbeiterbewegung in ganz Europa gewirkt. Die Entleerung vieler Gewerkschaftsstrukturen und das Versagen und die Unfähigkeit der Bürokratie, neue, jugendliche Schichten der Arbeiterklasse zu organisieren ist eine entscheidende Frage. Die Organisierung dieser neuen Schicht junger ArbeiterInnen ist keine einfache Frage und wird deutlich verkompliziert durch prekäre Verträge und eine Belegschaft, die oft in zwei oder drei Jobs parallel arbeitet. Trotzdem ist es eine der wichtigen Aufgaben, die sich der Arbeiterbewegung und dem CWI stellt.

Umbrüche in Irland und ökonomische “Erholung”

Die Entwicklung von Arbeitskämpfen in Irland in der jüngsten Zeit birgt wichtige Lehren. Vor dem Hintergrund einer FG-Minderheitsregierung, bei der Unabhängige mitmachen und die von der FF von außen gestützt wird, haben eine Reihe wichtiger Arbeitskämpfe begonnen, vor allem im Verkehrswesen. Ein faktischer Generalstreik der Verkehrsangestellten im öffentlichen Dienst fand statt. Andere Kämpfe, beispielsweise die der LehrerInnen und weitere, sind ausgebrochen. Diese Kämpfe fanden bemerkenswerterweise vor dem Hintergrund einer gewissen ökonomischen Erholung statt. Die Regierung hat dabei betont, dass diese Erholung der Nachweis für die Notwendigkeit von Kürzungspaketen in der Vergangenheit ist. Die Schlussfolgerung vieler ArbeiterInnen war deshalb zwangsläufig: Wenn die Krise vorbei ist, wollen wir unseren Anteil zurück. Einen ähnlichen Prozess konnte man in Slowenien und der Slowakei sehen. Auch in Griechenland gab es ein geringes Wachstum des BIP von 1,5 bis zwei Prozent in den letzten zwölf Monaten. Das führte zu einem geringen Fallen der Arbeitslosigkeit von 25 auf 21 Prozent. Eine Schicht von ArbeiterInnen in Griechenland hofft, dass das das Ende der Krise andeutet. Tsipras benutzt das in einer Verzweiflungstat, etwas Unterstützung zurückzugewinnen. Das ökonomische Wachstum war jedoch zuletzt noch nicht ausreichend, um in ein Wiederaufflammen von Arbeiterkämpfen zu münden. Diese “Erholung” ist weit davon entfernt, die 28 Prozent Rückgang im BIP wettzumachen, die Griechenland während der Krise zerbrochen haben.

Das war ein wichtiges Element in dem gigantischen Sieg, den die irischen GenossInnen bei der Frage der Wassergebühren erringen konnten. Diese wurden als das Kennzeichen der Kürzungspolitik gesehen. Die Massenmobilisierungen und die Zahlungsboykottkampagne, die durch unsere GenossInnen geführt wurde, haben der irischen herrschenden Klasse eine empfindliche Niederlage bereitet. Dies wurde verstärkt durch die erfolgreiche Abwehr der Versuche, die Jobstown-Demonstrierenden zu kriminalisieren. Auch hier spielten unsere GenossInnen eine entscheidende Rolle. Diese Siege waren wichtige dafür, das Selbstbewusstsein von ArbeiterInnen zu stärken und sie in Aktion zu bringen. Darüberhinaus gibt es in Irland einen Aufstand bzgl. sozialer Fragen wie Ehe für alle und nun der Bewegung für Abtreibungsrechte und die Abschaffung des achten Zusatzartikels in der Verfassung. Wie in vielen anderen Ländern auch, werden Frauen und vor allem junge Frauen aktiv in einem Aufbegehren gegen Pseudo-Gleichberechtigung und die tatsache, dass ihnen ihre Zukunft durch Sozialkürzungen genommen wird und ihre reproduktiven Rechte von konservativen Regierungen angegriffen werden. Aber das rad kann nicht einfach zurückgedreht werden, deshalb führen Angriffe auf die Rechte von Frauen zu massenhaftem Widerstand wie die Czarny-Proteste in Polen und das #metoo-Phänomen zeigen. Wir haben korrekterweise interveniert und in vielen Ländern Initiativen ergriffen und eine wichtige Rolle in diesen Kämpfen gespielt – nicht nur dabei, Frauen zu organisieren, sondern auch durch den Kampf für ein sozialistisches Programm und dabei die Verbindung zu den Bewegungen der Arbeiterklasse herzustellen.

Solche Themen können ein wichtiger Schauplatz für Kämpfe sein, vor allem für junge Menschen. Das zeigte sich auch in den Protesten gegen die Versuche der polnischen Regierung, Abtreibungsrechte einzuschränken. Bedeutsamerweise wurde diese Bewegung von einem Kampf im Bildungsbereich gefolgt, welcher dazu führte, dass die Regierung zum Rückzug gezwungen war. Wichtig ist, dass wir in solche sozialen Bewegungen mit einem Klassenstandpunkt eingreifen und solche Kämpfe verbinden mit dem Kampf gegen das kapitalistische Establishment und der Notwendigkeit einer sozialistischen Alternative.

Die aufgekommenen Erschütterungen der letzten Zeit, Brexit, Katalonien und das Wachstum der AfD in Deutschland, sind ein Vorgeschmack auf noch größere Umbrüche, die Europa in der nächsten Zeit umtreiben werden. Darin werden wir, wie in der Vergangenheit bereits auch, Elemente von Revolution und Konterrevolution sehen. Durch die Anwendung flexibler und kühner Taktiken und Initiativen kann das CWI in Europa entscheidende Schritte vorwärts machen. Es kann ArbeiterInnen und Jugendlichen, die in politische oder Arbeitskämpfe eintreten, dabei helfen, die notwendigen Schlüsse bei Aufgaben und Programm zu ziehen – notwendig, um den Kapitalismus zu besiegen.

 

Weltkapitalismus ohne Ausweg aus der Krise

Resolution des Internationalen Vorstands des CWI vom Dezember 2017

„Seit dem Weltkongress (des CWI; Anm. d.Ü.) ist die Krise des Weltkapitalismus noch tiefer und die bürgerlichen Strategen sind von noch düstereren Vorahnungen über die Perspektiven ihres Systems erfüllt. Ein Dauerthema ist die ‚Legitimationskrise‘ des Kapitalismus: im Bereich der Wirtschaft, in den internationalen Beziehungen, in der Umweltfrage, beim Klimawandel und den sozialen und politischen Auswirkungen davon. Über all dem schwebt eine, wenn auch weitestgehend unausgesprochene, begründete Angst davor, dass das Versagen des Kapitalismus die Welt an den ‚Rand des Vulkans‘ treibt. Die Bürgerlichen reden von Massenaufruhr und sogar revolutionärer Veränderung.“ (Thesen über die Weltperspektiven, IEK-Sitzung Dezember 2016)

Dem ist nur hinzuzufügen, dass sich die weltweite Krise des Kapitalismus – ungeachtet des oberflächlichen Bildes vom „Aufschwung“ – verschlimmert hat. Die internationale Bourgeoisie ist mit einer weiteren Erosion ihrer politischen „Legitimation“ konfrontiert, indem sich die Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse verschärft haben und immer offener zutage treten. In einer Reihe von Ländern propagiert die Bourgeoisie die Idee einer wirtschaftlichen Erholung und nutzt dabei die, in Wirklichkeit recht schwachen, Wachstumszahlen. Aber diese “Erholung” führt nicht zu wirklichen verbesserungen für die Arbeiterklasse. Sie ist auch alles andere als eine wirkliche Erholung oder ein Aufschwung, weil die tieferliegenden Widersprüche des Kapitalismus nicht gelöst wurden, sondern tatsächlich sogar verstärkt wurden.

Es besteht eine andauernde und umfassende Stagnation in den entwickelten kapitalistischen Ländern. In Afrika und Lateinamerika ist die Hoffnung auf eine „strahlende Zukunft“ verflogen, nachdem der Rohstoff-Boom der vergangenen Periode trotz eines teilweisen Exportanstiegs in einigen Ländern nun weitgehend verpufft ist. Das wiederum führte in einigen Ländern – wie Brasilien – zur größten Wirtschaftskrise der Geschichte, in deren Folge es zu Generalstreiks und politischen Tumulten kam, die sich in der kommenden Periode verstärken werden.

Dies führte zur Absetzung der Regierung Dilma Rousseffs, die von Massenprotesten der Gewerkschaften begleitet wurde. Die Idee, dass sich diese Länder auf kapitalistischer Basis auf dem Weg zum Wohlstand befänden, wurde komplett zertrümmert. Auch in Asien ist der Glanz verblasst, nicht nur in Indien (sofern es ihn denn dort überhaupt gegeben hat), sondern auf dem ganzen Kontinent.

Die Tatsache, dass der Lebensstandard der Arbeiterklasse, trotz des “Wachstums”, weiter angegriffen wird, zeigt, dass die krise des Kapitalismus nicht vorbei ist und dass es keinen Spielraum für dauerhafte Zugeständnisse gibt – trotz der Propaganda von einem Aufschwung. Dies hat Spannungen zwischen den gesellschaftlichen Klassen in Europa (einschließlich Osteuropa) und den USA angeheizt. In den Vereinigten Staaten hat die Peitsche der Reaktion – repräsentiert durch Präsident Trump – die innere und internationale Position des US-Imperialismus enorm geschwächt.

Die Spannungen zwischen Russland und den USA, der EU und sogar zu einem gewissen Grad mit China verschlechtern sich. Die anfängliche Unterstützung des Kremls für Trump ist vergessen, da der Konflikt imperialistischer Interessen in Syrien, Nordkorea und anderswo sich fortsetzt. Die gibt Putins Regime die Möglichkeit zu Hause antiwestliche Rhetorik zu verwenden, die durch die Schließung ihrer Botschaft in den USA und der andauernden Kontroverse über die “Trolle” des Kremls und deren Einmischung bei westlichen Wahlen angeheizt wird. Die permanente Sackgasse der Minsker Verhandlungen und das Scheitern von einem Waffenstillstand nach dem anderen führen dazu, dass sich Millionen Menschen weiterhin nicht trauen, in ihre Häuser in der Ostukraine zurückzukehren. Dass der Konflikt auf niedrigem Level unvermindert weitergeht, zeigt die kürzliche Anerkennung der Tatsache durch das ukrainische Verteidigungsministerium, dass zehntausend ukrainische Soldaten ums Leben gekommen sind (viele durch Krankheiten und Mobbing).

In der neokolonialen Welt, wo viele Länder weiterhin an die – stockende und teilweise zurückgehende – Rohstoffproduktion gefesselt sind, haben sich die Aussichten mit dem Einbruch der Rohstoffpreise verschlechtert. Das Ziel Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, bald Einkommen und Status der „ersten Welt“ zu erreichen, ist immer noch in weiter Ferne.

Das daraus resultierende Fortbestehen bitterer Armut geht einher mit dem Niedergang der Gesundheitsversorgung und vernichtet die Hoffnung darauf, uralte Not und mittelalterliche Seuchen wie die Pest auszumerzen. Die Elemente der Barbarei, in der neokolonialen Welt allgegenwärtig, wurden gestärkt. Das zeigt sich etwa in Simbabwe, wo sich fünfzig verzweifelte arbeitslose Menschen um den grausamen Job des staatlichen Henkers bewerben! Nationale Spannungen haben sich vervielfacht, nicht nur in der neokolonialen Welt – siehe die Vertreibung der Rohingya in Myanmar –, sondern inzwischen sogar im Herzen Europas, in Katalonien.

Katalonien und die nationale Frage

Die britische Bourgeoisie mit ihrer langen historischen Erfahrung neigt dazu, elastisch auf den „Wind der Veränderung“ zu reagieren. Im spanischen Staat, wo immer noch starke Elemente des Franco-Systems bestehen und wo Francos Erben in Form der regierenden Partido Popular (PP, Volkspartei) das Ruder in der Hand haben, nimmt die Bourgeoisie hingegen instinktiv Zuflucht zur Repression, so wie gegenwärtig im Kampf gegen die katalanische Unabhängigkeit. Das kann nur die Opposition gegen den spanischen Staat anheizen und die nationale Frage verschärfen.

Die Herangehensweise der spanischen Bourgeoisie kann zu einer weitaus größeren Eskalation von Klassenkämpfen und einer Vertiefung der politischen Krise führen, was deren revolutionäre Elemente verstärken und ähnliche Bewegungen im Baskenland und Galicien auslösen könnte.

Wegen der Geschichte der Unterdrückung durch den spanischen Staat stellt sich die nationale Frage momentan in Katalonien deutlich brennender als in Großbritannien. Aber wenn die britische Bourgeoisie mit Schottland so umgegangen wäre, wie es die spanische herrschende Klasse gerade mit Katalonien macht, hätte das eine enorme Beschleunigung der Bewegung für die schottische Unabhängigkeit bedeutet, die sich gerade im „Pausenmodus“ befindet, da die von der Scottish National Party (SNP) geführte schottische Regionalregierung das Austeritätsprogramm der britischen Tory-Regierung ausführt.

In Katalonien gab es bedeutende Veränderungen in der Bevölkerung in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren, da es im großen Maß zu innerer Zuwanderung aus Gegenden wie Andalusien und Extremedura, vor allem in die Großstädte wie Barcelona kam. Viele dieser EinwandererInnen bildeten den “roten Gürtel” der katalanischen hauptstadt und formierten ein Bollwerk der sozialdemokratischen und stalinistischen Linken in der 1970ern und 1980ern. Diese Schicht wurde bis heute noch nicht entscheidend von der Unabhängigkeitsbewegung beeinflusst, was vor allem (aber nicht ausschließlich) an den bürgerlichen Nationalisten liegt, die historisch das politische Instrument der katalanischen Oligarchie waren. Diese katalanischen bürgerlichen Nationalisten waren besonders rassistisch und arbeiterfeindlich gegenüber diesen Teilen der Arbeiterklasse. Das bedeutet aber nicht, dass diese Schicht von ArbeiterInnen geschlossen die PP oder den rechten, reaktionären Block unterstützen würden. Eine große mehrheit dieser ArbeiterInnen respektiert das Recht des Volkes auf Selbstbestimmung, was sich im Erfolg von PODEMOS bei den letzten beiden katalanischen Parlamentswahlen zeigte. Unter den Jugendlichen in diesen Arbeitervierteln ist die Stimmung für Unabhängigkeit deutlich größer als in den früheren Jahren. Unter breiten Teilen von ArbeiterInnen, vor allem den beschäftigten im Gesundheits- und Bildungswesen und der öffentlichen Verwaltung – die an der Spitze der kämpfe gegen Kürzungen in den letzten Jahren standen – gibt es eine sehr starke Unterstützung für Unabhängigkeit.

Es gibt eine wirkliche Sorge vor einem “Dominoeffekt”, der große Auswirkungen im Rest Europas haben könnte, wo es viele ungelöste nationale Fragen gibt, welche zur Zeit oftmals nicht im Vordergrund stehen, die aber schnell wieder ausbrechen können. In Italien gibt es zum Beispiel Bewegung für eine größere Autonomie der Regionen Venetien und Lombardei. Die nationale Frage ist ein Lackmustest für die Arbeiterbewegung und insbesondere für eine marxistische Organisation , die einen Weg zu den Massen der Arbeiterklasse finden will. Nicht alle haben diesen Test bestanden und laufen deshalb Gefahr, unter die Räder der Geschichte zu geraten. Unsere Sektion hat diesen Text, vor allem durch die hervorragende SchülerInnen- und Studierendengewerkschaft, vorbildlich bestanden durch ihre großartige Intervention in den stürmischen Ereignissen in Katalonien und dem Rest des spanischen Staates.

Viele der MigrantInnen aus anderen Teilen des spanischen Staates leben im „roten Gürtel“ um Barcelona und andere Städte. Und sogar diese Bevölkerungsschicht hat sich in nennenswerten Teilen der Forderung nach Unabhängigkeit angeschlossen, vor allem unter Jugendlichen. Es gibt die reale Angst vor einem Dominoeffekt mit großen Erschütterungen im Rest Europas, wo in vielen Fällen die nationale Frage ungelöst ist – diese Konflikte ruhen derzeit, können aber sehr schnell angefacht werden. In Italien beispielsweise gibt es Bewegungen für mehr Autonomie in den Regionen Venetien und Lombardei.

Die nationale Frage ist ein Lackmustest für die Arbeiterbewegung und insbesondere für eine marxistische Organisation, die den Weg zur Masse der Arbeiterklasse finden will. Nicht alle haben diesen Test bestanden und riskieren als Konsequenz, unter die Räder der Geschichte zu kommen. Unsere Sektion im spanischen Staat hat vor allem durch ihre Arbeit in der großartigen Schülergewerkschaft mit ihrer unglaublichen Intervention in die stürmischen Ereignisse in Katalonien und im Rest des spanischen Staates diesen Test mit Bravour bestanden.

Wir stehen für die Verteidigung der nationalen Bestrebungen aller unterdrückten Gruppen und Nationalitäten, solange dies nicht in die Rechte anderer eingreift. Wir sind im Sinne der von Lenin entwickelten Herangehensweise an die nationale Frage gegen den geringsten Zwang gegen noch so kleine nationale Gruppen. Gleichzeitig treten wir für die größtmögliche Einheit der Arbeiterklasse ein, welche alle nationalen, rassistischen und sonstigen Grenzen im Kampf für demokratische Arbeiterstaaten überwindet, welche die Rechte aller Nationalitäten gewährleisten und verteidigen werden.

Der Marxismus wendet sich gegen alle noch so kleinen Zugeständnisse an den bürgerlichen Nationalismus, welcher versucht, die Massen zu spalten und entlang „nationaler“ und separatistischer Linien in die Irre zu führen. Das beinhaltet den Kampf um das Recht auf Selbstbestimmung, nicht nur in Katalonien sondern im ganzen spanischen Staat, während wir gleichzeitig die Idee eines unabhängigen sozialistischen Kataloniens als Teil eines sozialistischen Spaniens und Europas verbreiten.

Jahrestag Oktoberrevolution

In diesem Jahr jährt sich die Russische Revolution zum hundertsten Mal und wir sollten die internationale Arbeiterbewegung an das großartige theoretische Erbe erinnern, das uns Lenin mit seiner Herangehensweise an die nationale Frage hinterlassen hat. Ohne die richtige Herangehensweise an diese Frage wird es unmöglich sein, die sozialistische Revolution zu erreichen, was an der Russischen Revolution selbst zu sehen ist. Es geht nicht nur um das Recht auf Selbstbestimmung, sondern um die praktische Umsetzung dieses Rechts (z. B. in Finnland) direkt nachdem die Bolschewiki an die Macht gekommen waren. Die Bevölkerung des zaristischen Russlands bestand zur Zeit der Revolution nur zu etwa 43 Prozent aus RussInnen und zu 57 Prozent aus angehörigen unterdrückter Nationalitäten.

Ein Bündnis der Massen in ganz Russland – ohne das das Scheitern der ganzen Revolution riskiert worden wäre – wäre unmöglich gewesen ohne die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung in Verbindung mit der Idee einer demokratischen sozialistischen Föderation durch die Bolschewiki. Dieser Ansatz drückt sich auch heute noch in unseren Forderungen aus.

Die nationalen Fragestellungen schossen in der Moderne wie Pilze aus dem Boden. Es gibt viele gemeinsame Eigenschaften aber auch besondere Ausprägungen, die von uns eine sorgfältige Analyse erfordern, vor allem in Hinblick auf politische Slogans, um uns den Weg durch das Labyrinth der nationalen Frage zu bahnen. Alte nationale Konflikte können wieder aufbrechen, während sich gänzlich neue „nationale“ Themen durch Wirtschaftskrisen und Krieg in den Vordergrund drängen können.

Die nationale Frage ist eine Schlüsselfrage für den Nahen Osten, wo das Erbe der imperialistischen Unterdrückung und Besatzung einen Flickenteppich von Staaten hinterlassen hat, deren Grenzen mitten durch ethnische Gruppen und Völker gezogen wurden und diese auseinander gerissen haben. Das wurde in letzter Zeit durch die Kriege in der Region massiv vertieft. Diese Kriege führten zwar zu einer Art „Sieg“ über den sogenannten Islamischen Staat (IS bzw. Daesh), aber auch zu einem Berg von Opfern, massenhafter Vertreibung (elf Millionen SyrerInnen und vier Millionen IrakerInnen), der Verwüstung von Städten und letztlich zu riesigen Flüchtlingsströmen. Dieser „Sieg“ wirkt eher wie eine vernichtende Niederlage!

Die Ereignisse haben deutlich gemacht, dass nur die Bewegung der Arbeiterklasse – mit einer korrekten Politik zur nationalen Frage – die Massen im Nahen Osten mobilisieren kann. Nur diese Kraft kann einen gerechten und demokratischen Frieden erreichen und den gegenwärtigen Horror beenden.

Vierzehn Jahre nach dem Beginn des Irakkrieges, der eine neue demokratische und wohlhabende Zukunft für das Land und die Region einleiten sollte, scheint der Frieden so unerreichbar wie eh und je. Die Schrecken werden ohne eine absehbare Lösung weitergehen. Die militärischen Niederlagen des IS in Mossul und Raqqa – der Hauptstadt des Möchtegern-„Kalifats“ – und seine mögliche Verdrängung aus dem restlichen Syrien bedeuten nicht das Ende seiner terroristischen Methoden und seiner Organisation. Das CWI hatte bereits erklärt, dass die faschistischen Methoden des IS nicht auf Dauer erfolgreich sein würden und er zwangsläufig eine militärische Niederlage gegen den Imperialismus mit seiner überwältigenden Feuerkraft erleiden würde. Der IS machte den entscheidenden Fehler, alle „imperialistischen“ Kräfte gegen sich zu vereinen, ebenso die SchiitInnen und all die anderen Minderheiten.

Der IS konnte sich, vor allem in Raqqa, überhaupt nur so lange halten, weil er sprichwörtlich in den Untergrund gegangen ist, nachdem er die schiitische und zunehmend die sunnitische Bevölkerung gegen sich aufgebracht hatte. So wie der Vietcong im Vietnamkrieg hat der IS rund um Raqqa ein riesiges Tunnelsystem angelegt. So konnten die Auswirkungen der oberirdischen Angriffe abgemildert werden. Dass der IS dieses Tunnelsystem durch Sklavenarbeit errichten ließ, zeigt die extrem sektiererische Natur dieser Organisation.

Damit „imitiert“ der IS lediglich die schlimmsten Auswüchse des „modernen“ Kapitalismus, der heute weltweit mehr Sklavenarbeit ausbeutet als zur Zeit des Sklavenhandels zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert (damals wurden 13 Millionen Menschen als SklavInnen verkauft, heute sind es schätzungsweise 21 bis 46 Millionen, mit denen 150 Milliarden US-Dollar Profit erwirtschaftet werden!).

Zudem hat der IS aufgrund seiner „messianischen“ Methoden die Masse der Völker des Nahen Ostens und anderswo abgestoßen. Das bedeutet nicht, dass er völlig am Ende ist. Er wird im Irak und anderen Ländern zu seinen ursprünglichen Guerilla-Methoden zurückkehren. Darunter wird sich auch Afghanistan befinden und möglicherweise wird der IS seine Präsenz in Pakistan ausbauen. Wahrscheinlich wird es den Versuch geben, verstärkte Terrorkampagnen in Europa, den USA und in anderen Teilen der Welt, vor allem in Asien, wo die meisten MuslimInnen der Welt leben, durchzuführen.

Kirkuk

Ein sozialistischer und marxistischer Ansatz, der die Einheit aller Völker des Nahen Ostens anstrebt, ist einer der Schlüssel, um die Probleme der Armut und der sektiererischen Spaltung zu lösen. Nehmen wir die „kurdische Frage“, die mit dem Referendum für einen kurdischen Staat im Nordirak um die ölreiche Stadt Kirkuk eine neue Wende – nicht unbedingt zum Besseren – genommen hat. Diese Stadt wird von KurdInnen, TurkmenInnen und irakischen AraberInnen beansprucht. Der einzige Weg, all diese Ansprüche – vor allem die der Arbeiterklasse und Mittelschichten – zu befriedigen und einen weiteren grausamen Bürgerkrieg zu verhindern, ist der Kampf um einen Sonderstatus für Kirkuk.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen das CWI und unsere belgische Sektion bezüglich Brüssel, wo zwar überwiegend französischsprachige Menschen leben, das aber innerhalb der flämischsprachigen Region liegt. Wir sprechen uns für das Recht auf Selbstbestimmung aller Bevölkerungsgruppen und Regionen aus innerhalb einer sozialistischen Föderation in Belgien mit einem Sonderstatus der Region Brüssel, was ihre Beziehungen zu den anderen Teilen des Landes angeht.

Das ist der einzige Weg, alle Seiten zufriedenzustellen und die Einheit der Bevölkerung, vor allem der Arbeiterklasse, zu stärken. Das Referendum über die „Unabhängigkeit“ der Region um Kirkuk wurde trotz Bedenken der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) durchgeführt, welche in letzter Zeit in die meisten Kämpfe gegen den IS involviert war. Dies könnte wiederum zu weiteren Konflikten zwischen anderen irakischen Bevölkerungsgruppen und den KurdInnen führen – Kirkuk steht derzeit unter der Besatzung der irakischen Regierung und pro-iranischer Truppen und es droht die Gefahr, dass somit dem Gemetzel der letzten Zeit ein neuer Konflikt hinzugefügt wird.

Als vor vierzehn Jahren die amerikanisch-britische Invasion des Iraks begann, sagten wir, dass das diktatorische Saddam-Regime perspektivisch durch drei getrennte Staaten oder staatenähnliche Gebilde – schiitisch, sunnitisch und kurdisch – ersetzt werden könnte, was auf kapitalistischer Grundlage drei neue Diktaturen bedeutet! Der einzige Weg, ein weiteres blutiges Kapitel in der Geschichte der Region zu vermeiden, ist die Übereinkunft der Völker derzeit vor allem des Iraks und Syriens auf einer sozialistischen und demokratischen Grundlage. Dasselbe gilt für alle Länder des Nahen Ostens, die heute an ethnischen und nationalen Linien gespalten sind.

In Tunesien ist der herrschenden Klasse sehr bewusst, dass die 2011 begonnene revolutionäre Periode noch nicht beendet ist. Wenn es auch gegenwärtig einen gewissen Stillstand gibt, mit negativen Auswirkungen wie dem Erstarken des individuellen Terrorismus, so sind doch neue soziale Explosionen und Aufstände in der Situation angelegt. Die sogenannte „Regierung der nationalen Einheit“ ist angesichts wirtschaftlicher Stagnation von Instabilität und Popularitätsverlust gebeutelt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) übt Druck auf die Regierung aus, eine weitgehende Austeritätsoffensive durchzuführen. Vor diesem Hintergrund wird die Rechtsentwicklung der Führung der Gewerkschaft UGTT seit ihrem letzten Kongress – der Generalsekretär appellierte kürzlich in einer Rede an die ArbeiterInnen, mit der „Forderungskultur aufzuhören“ – in nächster Zeit zu verschärften Konflikten mit der Gewerkschaftsbasis führen. Unter dieser Schicht und unter Jugendlichen wird die Notwendigkeit einer klaren sozialistischen Alternative immer mehr Zustimmung erfahren.

Lateinamerika

Mit den Perspektiven für Lateinamerika beschäftigen wir uns an anderer Stelle. Wir wollen hier nur darauf hinweisen, dass sich in Lateinamerika, Asien und Afrika ein ähnliches Bild darstellt: Die Vertiefung der wirtschaftlichen Krise, scharfe Polarisierung zwischen den Klassen, politische Krisen, verschärft durch Korruption, und die Unfähigkeit der „nationalen Bourgeoisie“, sofern sie überhaupt als zusammenhängende Klasse existiert, der Gesellschaft einen Weg nach vorne zu zeigen.

Brasilien, das größte und einst florierendste Land Lateinamerikas, macht eine grundlegende Krise durch, die nach der Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff (Arbeiterpartei, PT) – einem „sanften Putsch“ – beinahe zu politischem Stillstand geführt hat. Es wurde offengelegt, dass der vorige Vizepräsident Temer, der ihre Absetzung in die Wege geleitet hat und ihren Platz eingenommen hat, in gewaltige Bestechung und Korruption verwickelt ist.

Er ist mit massivem Widerstand der Gewerkschaften und der Arbeiterklasse konfrontiert. Die Gewerkschaften haben bereits Generalstreiks gegen ihn organisiert und seine Amtsenthebung gefordert. Sein riesiges Privatisierungsprogramm, das sogar den Verkauf der staatlichen Münzanstalten vorsah, wurde vom brasilianischen und internationalen Kapital gefeiert, stößt aber auf den starken Widerstand der Arbeiterbewegung.

Die bürgerliche Presse spekuliert darüber, dass die öffentliche Stimmung gegen die Privatisierungswelle zugunsten der Opposition und der Gewerkschaften sei und Brasilien bei den Wahlen in eine „populistische“ Richtung – eine weitere Radikalisierung der Arbeiterbewegung – drücken könnte. Argentinien bietet mit der Wahl Mauricio Macris dasselbe Bild wirtschaftlichen und politischen Stillstands; anstatt neue Wege zu eröffnen, bleibt alles beim Alten.

Die soziale, politische und wirtschaftliche Krise in Venezuela hat sich verschlimmert. Die herrschende Klasse hat weltweit versucht, dies auszunutzen, um die Idee des „Sozialismus“ zu diskreditieren – so, wie sie es bereits nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes Osteuropas getan hatte. Doch die gesamte Weltlage, die Krise des globalen Kapitalismus wird diese Versuche schwächen. Das Maduro-Regime ist weiter nach rechts gerückt und kämpft um seinen Machterhalt, um die Interessen der herrschenden bürokratischen Elite, einschließlich der führenden Militärs, zu verteidigen. Gleichzeitig ist die reaktionäre rechte Opposition damit gescheitert, ausreichend Unterstützung und Schwung zu erhalten, um das Regime zu stürzen. Derzeit befindet sich das polarisierte Land in der Sackgasse. Wie sich dieser Prozess genau entwickeln wird, ist derzeit nicht sicher zu sagen. Die aktuelle Krise ist natürlich nicht das Scheitern des Sozialismus, sondern eine Konsequenz daraus, dass versäumt wurde, mit dem Kapitalismus zu brechen – wir warnten schon lange davor. Die Kräfte des CWI in Venezuela arbeiten unter extrem schwierigen Bedingungen gerade unter „Chavez‘ DissidentInnen“ daran, die Lehren aus dem Fehler zu ziehen, nicht mit dem Kapitalismus zu brechen und eine wirkliche sozialistische Alternative umzusetzen.

Im südlichen Afrika befinden sich Großgrundbesitz und Kapitalismus auf dem selben toten Gleis. Die Schlüsselländer in dieser Gegend für das CWI sind Nigeria (das bevölkerungsreichste Land mit 192 Millionen EinwohnerInnen) und Südafrika (das meist industrialisierte Land). In Südafrika sind die zentralen Entwicklungen die fortschreitende Krise des ANC – mit dem möglichen Ausschluss Ramaphosas aus Zumas Kabinett – und deren Widerhall in der Arbeiterbewegung. Die Frage einer neuen Massenarbeiterpartei ist immer noch eine Überlebensfrage für die Arbeiterbewegung.

Die aus der Krise von 2007-08 geerbte Klassenpolarisierung hat weiterhin schwere Auswirkungen auf die Vereinigten Staaten, Europa und andere Teile der „entwickelten“ Welt, während sich die Probleme in der neokolonialen Welt weiter verschlimmern.

Welt im Chaos

Unter der Peitsche der Krise haben sich die Konflikte zwischen den kapitalistischen Hauptmächten und Blöcken weiter verschärft. Dadurch entsteht der Eindruck einer Welt im Chaos, nicht zuletzt in den Reihen der herrschenden Klasse selbst, die in großen Teilen der Welt die Kontrolle über die Ereignisse verloren hat.

Es gibt die weitverbreitete öffentliche Wahrnehmung, dass dies in der Wirtschaft, in den sozialen und politischen Beziehungen und beim Klimawandel der Fall ist. Eine Reihe verheerender Erdbeben, Hochwasser und Wirbelstürme – einige davon „menschengemacht“ – verstärken das Bild sozialer und politischer Ohnmacht und völliger Handlungsunfähigkeit der Regierungen, speziell der US-Regierung unter Trump. Die Beschwerden Puerto Ricos, nach dem Hurricane keine ausreichende Hilfe vom Präsidenten erhalten zu haben, könnten bei seiner nächsten Kandidatur auf ihn zurückfallen. Vier Millionen PuertoricanerInnen mit US-Staatsbürgerschaft wären wahlberechtigt, falls sie sich entscheiden sollten, in die USA zu ziehen.

Die herrschenden Klassen sind weltweit uneinig und die Spaltungstendenzen entwickeln sich derzeit in offene Risse – die Revolution beginnt immer von oben! In der Gesellschaft gibt es ideologischen Aufruhr, was die Bourgeoisie zwingt, nach einer Politik zu suchen, mit der sie ihre Krise ökonomisch lösen und diesen Prozess politisch und gesellschaftlich in den Griff kriegen kann.

Auf nationaler Ebene zerlegt sich die herrschende Klasse bei der Suche nach der Politik und den Methoden, um die Massenbewegungen von unten abzuwürgen, in verschiedene Gruppen – diese Fraktionen können zur Entstehung unterschiedlicher Parteien führen. Die Konservative Partei in Großbritannien ist so gespalten wie nie zuvor und könnte komplett zusammenbrechen, wie es die italienischen Christdemokraten in den 1990ern taten, als mit dem Zusammenbruch des Stalinismus als von außen drohendem Schreckgespenst der Klebstoff verschwand, der die Partei zusammenhielt.

Trump

„Wen die Götter vernichten wollen, den machen sie zuerst verrückt,“ sagten die alte Griechen und dachten dabei offenbar an Donald Trump. Sein Wahl„sieg“ war ebenso eine verzögerte Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise von 2007-08 wie der fast errungene Sieg Jeremy Corbyns bei den britischen Wahlen. Wir sagten, dass eine Präsidentschaft Trumps ein vollkommenes Desaster für den US- und Weltkapitalismus wäre. Er würde sich benehmen, als sei er der beste Werbefachmann für Massenkämpfe und sozialistische Ideen – nicht nur in Amerika.

Und so war es dann auch. In weniger als einem Jahr hat er innen- wie außenpolitisch das Geschirr des Weltkapitalismus zerdeppert, indem er gewütet hat wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Er hat einen kleinen Nachahmer in Boris Johnson, nominell britischer Außenminister, dem von seinen RegierungskollegInnen wegen seiner undiplomatischen Ausrutscher nur Misstrauen entgegengebracht wird. Hinter vorgehaltener Hand munkeln sie über ihren Wunsch, er würde die ganze Zeit schlafen, damit man ihn unter Kontrolle behalten könnte.

Trump hat implizit angedroht, Nordkorea mit einem „taktischen“ Nuklearangriff auszuradieren und seinen „Raketenmann“ Kim Jong-un zu stürzen. Südkorea hat berechtigte Angst davor, denn es könnte dabei von der Erdoberfläche radiert werden.

Trumps „liberale“ bürgerliche KritikerInnen, darunter die Köpfe der Demokratischen Partei, würden es gerne damit abtun, dass es nicht das erste Mal sei, dass der US-Imperialismus mit den Säbeln gerasselt habe, gerade in Asien. Kuba und Russland wurde einst wegen der geplanten Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba der Einsatz von Atomwaffen angedroht.

In unserem Buch über Vietnam haben wir außerdem aufgezeigt, wie zur Zeit der Umzingelung der französischen Truppen bei Dien Bien Phu 1954 durch die Viet Minh der republikanische US-Vizepräsident und später in Ungnade gefallene Präsident Richard Nixon enthüllte: „In Washington hat der Generalstab einen Plan mit dem Namen ‚Operation Vulture‘ über den Einsatz dreier kleiner taktischer Atombomben entworfen … um die französische Garnison zu befreien.“ Später dann hat Präsident Clinton Pläne für einen „taktischen“ Atomangriff auf Nordkorea entwickelt. Dabei war die Aussicht, Millionen von Menschen einfach auszulöschen, zweitrangig.

Die nordkoreanische Bevölkerung war nur Kleinkram für Clinton und den US-Imperialismus. Er hielt seine Finger nur still wegen der zu erwartenden politischen Folgen, weltweiter Empörung mit Massendemonstrationen und Aufständen, welche die Existenz des Kapitalismus an sich hätten bedrohen können. Das wäre nämlich der Fall wenn auch nur eine Atombombe abgeworfen oder es „aus Versehen“ eine nukleare Explosion geben würde.

Trump hat inzwischen auch den Iran attackiert und dabei sowohl die Absprachen über das iranische Atomprogramm als auch das wackelige Gleichgewicht im von Kriegen zerrütteten Nahen und Mittleren Osten gefährdet. Statt die iranischen Hardliner in den Reihen der „Revolutionsgarden“, die durch Korruption und Privatisierung zu Reichtum gekommen sind, zu schwächen, könnten Trumps Vorschläge, wenn sie ausgeführt würden, diese Leute sogar stärken.

Seine Politik hat ihn nicht nur mit der Arbeiterklasse und den Mittelschichten, sondern sogar mit nennenswerten Teilen seiner „eigenen Seite“, den Republikanern im Kongress, zusammenprallen lassen. Er scheint zwar weiterhin die Unterstützung seiner „Wählerbasis“ halten zu können, welche bedeutende Teile abgehängter und entfremdeter ArbeiterInnen umfasst. Aber seine Umfragewerte liegen unter denen jedes anderen Präsidenten nach dieser Zeit im Amt. Er hatte ernsthafte Zusammenstöße mit den dominierenden Kräften der amerikanischen herrschenden Klasse und mit traditionellen „Verbündeten“ der USA.

Seine „Militarisierung“ der US-Regierung mit einem großen Anstieg der Zahl der Generäle in der Administration auf Kosten von ZivilistInnen, die üblicherweise direkt die Macht ausgeübt haben, führt weniger zu Verärgerung als zu einem Befreiungsgefühl unter der US-Bourgeoisie. Sie werden als eine Art Zügel des ansonsten unkontrollierbaren Trump betrachtet. Das wird natürlich nicht ausreichen, um Trump zu bremsen. Ähnlich wie zu Zeiten der Nixon-Präsidentschaft (späte 1960er, frühe 1970er) sammelt sich anlässlich verschiedener Themen massenhafte Opposition, deren gemeinsamer Druck noch vor den Zwischenwahlen im November 2018 Trump zum Rücktritt zwingen könnte.

Sein launisches Benehmen, sein parlamentarischer Bonapartismus – Balancieren in den Reihen seiner eigenen Partei, den Republikanern, und Hofieren der Demokraten, etwa durch Anhebung des Rahmens der öffentlichen Verschuldung – hat ihn von der republikanischen Kongress-Fraktion entfremdet. Und möglicherweise hat sein Wahnsinn Methode. Er liebäugelt offenbar mit der Idee, die Republikanische Partei zu spalten, was, wenn es ihm gelingen würde, die erste erfolgreiche Spaltung der Partei seit Abraham Lincoln vor dem US-Bürgerkrieg wäre. Trump könnte seine eigene neue „populistische“ Partei gründen. Steve Bannon, der aus Trumps Kabinett herausgedrängt wurde, arbeitet offenbar schon auf dieses Projekt hin.

Eine ähnliche Entwicklung könnte es auch innerhalb der Demokratischen Partei geben, falls sich Bernie Sanders und seine Leute rund um „Our Revolution“ von der Partei abspalten und eine neue Formation gründen sollten. Diese könnte sich in absehbarer Zeit zu einer neuen radikalen linken Alternative oder sogar zu einer neuen Massenarbeiterpartei entwickeln.

Vier Parteien würden dann in den Wettbewerb um Stimmen und Einfluss treten. Eine neue Massenpartei oder auch nur radikale Formation würde für die Arbeiterklasse der USA einen großen Schritt nach vorne bedeuten. Die fortgesetzte Krise des amerikanischen Kapitalismus wird diesen Prozess vorantreiben und großartige Möglichkeiten für unsere GenossInnen von Socialist Alternative schaffen, zu wachsen und eine bedeutende Kraft zu werden.

Proteste

Selten befand sich die Welt in einer kritischeren Phase als heute, wo die Krise alle Bereiche umfasst, alle Kontinente, ohne jede Hoffnung für die Bourgeoisie, ihr System vor ernsten Krisen und der daraus erwachsenen Massenopposition beschützen zu können. Die Arbeiterklasse hat begonnen, wichtige Veränderungen ihres Bewusstseins durchzumachen. Das führt nicht immer und automatisch zu einer sofortigen Zunahme von Kämpfen zu wirtschaftlichen Fragen, sondern kann seinen Ausdruck auch in verschiedenen Protesten zu sozialen Fragen finden. Um davon nur einige zu nennen: die andauernde Proteste gegen Vergewaltigungen in Indien, in Irland und Polen zum Thema Abtreibung, die #metoo-Kampagne auf der ganzen Welt, die internationalen Frauenstraiek in 58 Ländern am Internationalen Frauentag, die andauernde “Ni una Menos”-Kampagne in Lateinamerika und die historischen Frauenmärsche gegen Trump im Januar 2017. Eine Generation junger Frauen akzeptiert nicht den krassen Unterschied zwischen formeller Gleichheit und der Wirklichkeit von Niedriglöhnen, Belästigungen und Bevormundung. Wir befinden uns möglicherweise am Beginn einer Frauenbewegung, die sich gemeinsam mit einem Wiedererwachen der Arbeiterbewegung entwickelt.

Ökonomische Stagnation mit einer stotternden wirtschaftlichen „Wiederbelebung“ – vor allem in schlecht bezahlten, unsicheren Jobs, in wenigen Regionen und Ländern – hat in der Masse der Bevölkerung zu wachsender Unruhe und Zweifeln an der Tragbarkeit dieses Systems geführt, vor allem unter denen „hier unten“, der Arbeiterklasse und den Armen.

Das führt zu praktisch ständiger politischer Instabilität, besonders deutlich in den kürzlichen Wahlen in Europa, wo die traditionellen Parteien geschwächt wurden sowohl rechtspopulistische als auch neue reformistische, linke Organisationen, Erfolge erzielen konnten. Diese Kräfte verlieren jedoch schnell ihre Popularität. Es gibt eine Beschleunigung der Ereignisse, verbunden mit baldiger Enttäuschung der Massen, die sich oft sehr schnell in der Unbeliebtheit jener Parteien ausdrückt, die eben noch als die Sieger galten.

Die Alternative für Deutschland (AfD) zum Beispiel hat bei den Bundestagswahlen einen Durchbruch geschafft, womit jetzt Rechtsextreme im Bundestag sitzen, während gleichzeitig die Sozialdemokraten (SPD) das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erlitten haben. Dieser Schlag der Reaktion hat aber eine Gegenstimmung erzeugt, die sich nur drei Wochen später in den verbesserten Ergebnissen für die SPD und der Niederlage der rechten Parteien in Niedersachsen ausdrückte. Das ist nur ein Beispiel für die derzeitige Unbeständigkeit, und das in dem Land, das bis vor kurzem – zumindest oberflächlich – als das stabilste Land Europas galt.

Ein neuer Aufschwung in der Stimmung gegen das kapitalistische System, ein ausdrücklicher Antikapitalismus, hat sich durchgesetzt und die Corbyn-Bewegung in Großbritannien, die Entwicklungen um Bernie Sanders in den USA und die Bewegung um Mélenchon in Frankreich vorangetrieben.

Davon erschüttert haben sich die Bourgeoisie, ihre Parteien und „Institutionen“ versucht, als „Garanten der Veränderung“ zu präsentieren (Macron in Frankreich, Kurz in Österreich). Sogar Theresa May in Großbritannien versucht, mit Themen wie Studiengebühren, öffentlichem Wohnungsbau und genereller Kritik am System „Corbyn die Hosen zu klauen“. Das Mantra dieser Leute beinhaltet die Verurteilung von Ungleichheit. Während sich nach der Krise 2007-08 viele auf die Suche nach einem „besseren Kapitalismus“ gemacht haben, verlangen heute immer mehr ArbeiterInnen und Jugendliche eine grundlegende Alternative zum kapitalistischen System.

Weiterhin dunkle Wolken über der Weltwirtschaft

Diese neue Stimmung zwang die kapitalistischen Wirtschaftsinstitutionen wie den IWF und die Weltbank, als Anwälte oder gar als Apostel für Lohnerhöhungen aufzutreten. Das sind dieselben Stimmen, die bisher immer weltweite Lohnsenkungen als Teil brutaler Austerität gefordert haben und bereit waren, Griechenland und andere Länder ans Kreuz zu nageln, um diese zu erzwingen. Das Ergebnis war „endlose Austerität“ , wodurch Teile Europas und manche Länder auf anderen Kontinenten zur Katastrophe der Depression der 1930er zurückkehrten. Wenn diese Institutionen des Kapitalismus nun zumindest in Worten ihren Ton geändert haben, liegt das daran, dass sie keine andere Möglichkeit sehen, auf der bisherigen Schiene die „Nachfrage“ zu steigern. Dies bleibt das zentrale Problem des Kapitalismus; es gibt keine Alternative zur Erhöhung der Löhne, selbst wenn dies das Risiko wiederkehrender Inflation und steigende Staatsverschuldung bedeutet.

Trotzdem werden einzelne oder Gruppen von Kapitalisten sich gegen solche Maßnahmen stellen. In den USA sorgen sich die Kapitalisten im Allgemeinen und Trump im besonderen mehr um die Steigerung ihrer Aktiengewinne und somit die Rendite der Bosse und Aktienbesitzer als um die Schaffung realer Werte in Form von Arbeitsplätzen. Sie sind nicht einmal bereit, ihre riesigen Profite aus dem Ausland in die USA zurückzubringen ohne die Zusicherung, dass es keine Steuererhöhungen gebe.

Überdies gestatten die gegenwärtigen Staatsfinanzen der meisten Länder den Regierungen nicht, einzugreifen und den „Markt“ durch gesteigerte öffentliche Ausgaben anzukurbeln. Im Gegenteil sehen die meisten von ihnen keine Alternative zur Fortsetzung ihrer halsbrecherischen Austeritätspolitik.

Wie Trotzki erklärte, war Roosevelts bedeutende Ankurbelung der Wirtschaft durch gesteigerte öffentliche Ausgaben damals nur möglich, weil die USA, anders als die meisten anderen kapitalistischen Mächte, „fette Ersparnisse“ angehäuft hatten. Aber sogar dieses Programm, das etwa durch den Bau von Dämmen die Infrastruktur maßgeblich voran brachte und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen die Wirtschaft „stimulierte“, verlief in den späten 1930ern im Sande. Ein neuer Crash zeichnete sich 1937 ab, vor allem wegen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und Maßnahmen, die die Kreditvergabe einschränkten (was denselben Effekt hatte wie heutige Zinserhöhungen) – aber diese Maßnahmen wurden eiligst zurückgenommen, als deutlich wurde, dass sie eine bereits instabile ökonomische Situation erschüttern würden. Den USA gelang die Verhinderung eines neuen Abschwungs, der verheerender als der von 1929-33 geworden wäre, nur durch gesteigerte Waffenproduktion in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg.

Die Bourgeoisie, bspw. in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, läuft Gefahr, heute durch Zinserhöhungen denselben Fehler zu wiederholen und ihre wirtschaftlichen Probleme dadurch zu verschärfen. Sie glauben, sie hätten „die Banken gesäubert“ und könnten die aufgestauten Probleme vermeiden, die in der letzten Weltwirtschaftskrise durch die Oberfläche brachen.

Schulden angehäuft

Der derzeitige wirtschaftliche „Aufschwung“ in den USA und Europa wurde hauptsächlich durch das Einspritzen von Liquidität und kolossale Verschuldung, wiederum ermöglicht durch niedrige Zinsen, befördert. Ein Jahrzehnt der „quantitativen Lockerung“ hat dazu geführt, dass die großen Zentralbanken nun ein Fünftel der öffentlichen Schulden besitzen! Die neuen „Verschuldungsjunkies“ mit einem hohen Grad an Verschuldung sind unter anderem Australien, Kanada, Südkorea, Schweden und Norwegen. Die meisten dieser Länder wurden von der letzten Krise nicht so stark getroffen, werden dies aber beim nächsten unausweichlichen Niedergang, was zu einer scharfen sozialen Polarisierung und katastrophalen politischen Entwicklungen führen wird, wie wir sie im Rest der Welt gesehen haben.

Und bei diesem Ausblick sind noch nicht einmal die angehäuften Probleme in China berücksichtigt, das von einigen Ökonomen als riesiges Ponzi-Schema (System des Betrügers Charles Ponzi; Anm.) bezeichnet wird. Seit 2008 machte Chinas kreditgetriebenes Wachstum mehr als die Hälfte des weltweiten Wachstums aus.

Die chinesische „Kommunistische“ Partei wird wohl keinerlei sofortige oder langfristige Lösung für diese Krise anbieten. Ihr Hauptzweck war es, die Autorität von Xi Jinping als unangefochtenem Führer „der Partei“ und somit der Regierung zu zementieren. Er machte deutlich, dass „die Partei“ – also die herrschende Elite – weiterhin die Armee, die Wirtschaft usw. kontrollieren wird. Er sieht sich als auserwählt, durch diesen Plan und die Entwicklung eines neuen Kultes, „Xi-Denken“ („Xi Jinping thought“, politische „Theorie“ Xi Jinpings; Anm.), auf einer Ebene mit den vorigen chinesischen Führern Mao Zedong und Deng Xiaoping zu stehen.

Doch solche Zurschaustellung unangefochtener Macht ist keine Garantie für Stabilität – sondern das Gegenteil. Die Macht wird aus Angst vor den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Stürmen zentralisiert, die auf China zukommen. Mit der (nominellen) Konzentration der Macht in den Händen eines Mannes wird sich die Opposition ebenso auf dieses Individuum konzentrieren wie das Regime, dass ihn unterstützt. Und die Opposition ist gewachsen. Teile der Bevölkerung, vor allem die sehr Armen und in erster Linie die Mittelklasse unterstützt oder vielmehr toleriert das Regime. Aber das wird nicht ewig andauern.

Die Ein-China-Politik und ihre brutale Umsetzung durch die Repression in Hongkong erwecken den Eindruck, kurzfristig erfolgreich zu sein, sind aber langfristig zum Scheitern verurteilt. In Zeiten moderner Massenkommunikation über soziale Medien ist es nicht möglich, ein ganzes Volk in Ketten zu halten, vor allem wenn es eine längere Erfahrung mit (wenn auch beschränkter) bürgerlicher „Demokratie“ gesammelt hat, was in Hongkong der Fall ist. Es ist das großartige Verdienst unserer chinesischen GenossInnen und der CWI-Sektionen, die sie mit ihren Kundgebungen unterstützt haben, dass wir in dieser Situation nennenswerten Einfluss erlangen konnten.

Hemmungslose Spekulation

Die Angst vor einer neuen Wirtschaftskrise ist allgegenwärtig in den Diskussionen zwischen den kapitalistischen „Denkern“ von IWF, Weltbank und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Die Banken und Finanzhäuser sind jetzt mit Geld vollgepumpt und machen riskante Wetten mit der selben Hemmungslosigkeit wie vor 2007-08. Nach der Krise war sich die Bourgeoisie – wie immer – einig, dass sie „nie wieder“ rücksichtslose und „unverantwortliche“ Risiken gestatten würde, die das ganze System gefährden können. Aber das war schnell vergessen oder relativiert, sobald die „Lebenskräfte“ des Kapitalismus wieder da waren. Es gibt eine neue Gefahr für die (immer noch nicht umgebauten) Finanzsektoren: die Rückkehr der „besicherten Darlehensverbindlichkeiten“ – Bündeln minderwertiger Darlehen, verpackt in attraktiven „Produkten“, die sich alleine dieses Jahr auf 75 Milliarden US-Dollar summieren. Die Ratingagenturen haben sie mit „Triple-A“ ausgezeichnet.

Die allgemeine Schlussfolgerung aus der vorausgehenden Analyse – gemeinsam mit den Berichten auf unserer Website über die Entwicklungen in den Ländern, in denen das CWI präsent ist – ist, dass der Weltkapitalismus objektiv nicht vorwärts geht, sondern stagniert und in einigen Regionen rückwärts geht. Das hat insgesamt eine objektiv vorrevolutionäre Situation geschaffen – vor allem in der entscheidenden Wirtschaftssphäre – vergleichbar mit den 1930er-Jahren.

Wie Trotzki oft erklärt hat, erfordert der Übergang dieser vorrevolutionären in eine revolutionäre Situation das Eingreifen des subjektiven Faktors, Massenbewegungen der Arbeiterklasse, bewaffnet mit einem klaren revolutionären Programm und angeführt von revolutionären Massenparteien, die um die Macht kämpfen.

Die aus der Krise hervorgegangenen Ereignisse hatten einen schwerwiegenden Effekt auf die Veränderung des Bewusstseins der Massen weltweit. Wir sehen jetzt, wie sich bedeutende Schichten vom Neoliberalismus abkehren, eine Idee, die Jeremy Corbyn zum Ausdruck gebracht hat und die in den letzten Jahren ein Dauerthema in den Analysen des CWI ist. Das führte zu einer verallgemeinerten Phase linker Radikalisierung in der internationalen Arbeiterbewegung. Sogar in Neuseeland hat die neue Labour-Vorsitzende Jacinda Ardern – die einst im Büro von Tony Blair in Großbritannien arbeitete, aber behauptet, ihn niemals getroffen zu haben (!) – die Wahlen gewonnen und eine Regierungskoalition mit den Grünen und den NationalistInnen von „New Zealand First“ gebildet.

Diese Phase der linken Radikalisierung kann einen „entschiedeneren“ Linksreformismus zur Folge haben und zu einem internationalen Phänomen werden. Unter den Hammerschlägen der bevorstehenden Ereignisse wird dieser einer entschlosseneren Klassenstimmung und Bewusstsein der Arbeiterklasse und vor allem der Jugend den Weg frei machen.

Chancen für das CWI

Auf dieser Grundlage bieten sich uns große Möglichkeiten, die neuen Schichten für ein klares revolutionäres Programm und Organisation zu gewinnen. Die Kräfte des CWI brauchen weiterhin Mut für das Eingreifen in der nächsten Periode. Gleichzeitig ist es lebenswichtig, den Rhythmus der Ereignisse zu verstehen, die sich auf den ersten Blick manchmal scheinbar langsam vollziehen, die aber den Grund für gewaltige politische Erschütterungen bereiten, aus denen heraus wir wachsen und zu einer einflussreichen Kraft werden können. Wir müssen uns beeilen, aber wir brauchen auch Geduld im Umgang mit den sich entwickelnden Massenbewegungen, die nicht nur eine bloße Wiederholung der Vergangenheit sein, sondern neue Eigenschaften aufweisen und neue Fragen aufwerfen werden, auf die wir eingehen müssen, um die nationalen Sektionen und unsere Internationale aufzubauen.

 

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