Internationales

AMLOs Wahl – Eine neue Hoffnung für Mexiko?

Interview mit Caral Torres von der Revolutionären Linken

Carla Torres ist eine der beiden Sprecherinnen von Izquierda Revolucionaria – IR (Schwesterorganisation der SLP in Mexiko). René Arnsburg sprach mit ihr im Rahmen der internationalen Sommerschulung des Komitees für eine Arbeiterinternationale (KAI/CWI).

Am 1. Juli 2018 wurde bekannt, dass der Präsidentschaftskandidat der Wahlplattform von Morena (span. Movimiento Regeneración Nacional – Bewegung der Nationalen Erneuerung) und weiteren Parteien mit über 53 Prozent der Stimmen die Wahl gewann. Der ehemalige Bürgermeister von Mexiko-Stadt Andrés Manuel López Obrador (kurz: AMLO) erzielte bereits bei den Wahlen 2006 und 2012 hohe Ergebinsse und möglicherweise den Sieg, der auf Grund massiver Wahlfälschung verhindert wurde.

Damit schlug er die seit 2012 regierende PRI (Partido Revolucionario Institucional – Partei der institutionalisierten Revolution) und die zweite große bürgerliche Partei PAN (Partido Acción Nacional – Partei Nationale Aktion).

 

Welche gesellschaftlichen Faktoren haben zum Wahlsieg von AMLO und des Wahlbündnisses Morena geführt?

 

Einer der wichtigsten Faktoren sind die Ereignisse in der letzten Periode. Wir hatten bislang eine sehr instabile wirtschaftliche Situation in Mexiko, sehr schlechte Arbeitsbedingungen für die Menschen und einer Zunahme prekärer Beschäftigung. Unter Jugendlichen sind vor allem die unsicheren Arbeits- und Wohnverhältnisse ein großes Thema.

Man kann es so zusammenfassen: AMLO hat bereits 2006 die Wahl gewonnen, aber durch Wahlfälschung wurde es verhindert. Eine Zeitlang hat diese Wahlfälschung für große Frustration in der Gesellschaft gesorgt und im Allgemeinen hat sich die Situation in den letzten zwölf Jahren sehr verschlechtert – es wurden zum Beispiel die staatliche Strom- und Energieversorgung sowie die Wasserwerke komplett privatisiert. Es gab auch eine Reform, die das Bildungswesen privatisiert hat, um unter anderem die Lehrerbewegung zu zerschlagen, die eine der wichtigsten in den letzten Jahren war. Dazu kam die Politik der Narcos (Drogenhändler), die vor allem junge Leute in den Dörfern gezwungen haben, für sie zu arbeiten und Drogen zu verkaufen oder die durch die Narcos verschleppt oder ermordet wurden. Der Kampf gegen die Narcos hat auch große Unsicherheiten hervorgerufen, vor allem, als den Leuten klar wurde, dass diese mit der Regierung auf das Engste verbunden sind. Wir wussten immer, dass die Regierung korrupt war, aber in den letzten Jahren gab es immer wieder krasse Fälle davon. In 9 von 32 Bundesstaaten Mexikos wurden die regionalen Regierungschefs wegen Korruptionsaffären verurteilt. Die PRI (bisherige Regierungspartei) hat versucht, die Korruption in den Regierungen aller Bundesländern zu bekämpfen, aber das Ergebnis war das genaue Gegenteil. Deshalb haben die Regierung und deren Institutionen keine Legitimität mehr. Beim Verschwinden der 43 Studierenden in Iguala wurde allen klar, wie sehr die Regierung stinkt und die Wut ist groß. Als AMLO dann mit einem Programm auftrat, dass fortschrittlich erschien, schöpften die Menschen neue Hoffnung.

 

Was waren die Hauptforderungen in AMLOs Wahlprogramm?

 

Seine Hauptaussage war, dass er der Präsident aller sein will, zuerst aber der der Armen. Er hat ein 50-Punkte-Programm aufgestellt, das die aus seiner Sicht wichtigsten Forderungen enthält. Darin schlägt er vor, die Korruption abzuschaffen, die Reformen der letzten Jahre zurückzunehmen und Bildung für alle – was vor allem ausreichend Schulplätze bedeutet.

 

Du hattest gesagt, dass bereits 2006 Wahlfälschung begangen wurde und in Deutschland wurde über Einschüchterung und politisch motivierte Morde während des Wahlkampfs berichtet. Welche Auswirkung hatte das auf die Stimmabgabe?

 

Ich glaube, dass das noch mal einen großen Beitrag geleistet hat, warum die Leute jetzt so wütend sind. Es hat keinen allzu großen Effekt gehabt, denn nach so vielen Jahren der Gewalt ist die Bevölkerung anscheinend auch einfach desensibilisiert. Es hat sie gereizt, weil die anderen Parteien nichts gegen die Gewalt getan haben, aber nicht eingeschüchtert.

 

Ist die reale Unterstützung für AMLO möglicherweise sogar noch höher, als das Wahlergebnis, weil manche Leute nicht für ihn gestimmt haben, obwohl sie es wollten?

 

Ja. Offiziell hat AMLO 27 Millionen Stimmen bekommen, und die Wahlbeteiligung belief sich theoretisch auf 63 Prozent, was viel für Mexiko ist. Aber es entstand der Eindruck, dass viel mehr Leute gewählt haben, als im Nachhinein ausgezählt wurde. Es kamen zum Beispiel am Wahltag selbst von überall Berichte, dass es große Schlangen vor den Wahllokalen gab. Es gab diesmal keine flächendeckende Wahlfälschung wie 2006, aber es gab auf jeden Fall kleinere Fälschungsaktionen. Es wurden zum Beispiel Wahlurnen gestohlen oder die Narcos und die Regierungspartei haben viel Geld investiert, um die Zustimmungswerte kurzzeitig zu „erhöhen“ oder auch, um direkt Stimmen zu kaufen.

 

Wie haben die bürgerlichen Parteien nach AMLOs Wahlsieg reagiert?

 

Eigentlich gibt es nur eine bürgerliche Partei (lacht). Sie haben eine groß angelegte Kampagne gegen AMLO geführt, die aussagte, dass Mexiko zu einem neuen Venezuela werden wird. Die Parteien haben hysterisch reagiert und Angst in der Gesellschaft verbreitet. Wenige Wochen vor der Wahl, haben sie dann gemerkt, dass sie verlieren werden. Danach fingen sie an, um den zweiten Platz zu kämpfen. Noch bevor die Ergebnisse am 1. Juli offiziell bekannt gegeben wurden, hatten sie bereits Lopez Obrador zum Sieg gratuliert. Das alles zeigt, dass die bürgerlichen Parteien in einer Krise sind. Dass AMLO von ihnen nach der Wahl begrüßt wurde, bedeutet, dass sie mit ihm zusammenarbeiten wollen.

 

Wie ist AMLOs Haltung gegenüber Trump und den USA? Nach seinem Sieg wurde in Deutschland darüber berichtet, dass er eine gute Beziehung zum Norden haben will.

 

Er will eine gute Beziehung zu der ganzen Welt haben. Das Problem ist nur, dass es Interessen gibt, die man einfach nicht vereinbaren kann. Es ist eine spezielle Situation mit den USA: Trump hat angekündigt, die Grenze zu Mexiko zu schließen, aber AMLO hat ebenfalls nationalistische und protektionistische Positionen. Er versucht, die nationale Industrie zu entwickeln und das fällt mit Trumps Position bezüglich der Grenzschließung zusammen. Der derzeitige Handelskrieg und die höhere Besteuerung mexikanischer Waren durch Zölle bergen allerdings ein großes Potential an Konflikten, die jederzeit ausbrechen können. Ein anderes Problem ist die Frage der MigrantInnen in den USA. AMLOs Aussage ist, dass er neue Arbeitsplätze schaffen wird und die Menschen nicht in die USA auswandern müssen. Auch das geht mit Trumps Position zusammen, dass die Menschen in Mexiko bleiben müssen, um dort zu arbeiten. Aber ein Konfliktpunkt bleibt, wie die MigrantInnen, die schon in den USA sind, behandelt werden und hier versucht Obrador eine bessere Behandlung für sie durchzusetzen.

 

Könnte man sagen, dass die Möglichkeit eines kleinen Handelskrieges zwischen den USA und Mexiko besteht, der auch das NAFTA-Abkommen in Frage stellen könnte?

 

Das ist auf jeden Fall möglich und NAFTA schwankt bereits, da Trump versucht, dieses Thema für sich zu nutzen und den mexikanischen Staat zu boykottieren.

 

Arbeitet Izquierda Revolucionaria in dem Bündnis Morena mit?

 

Wir haben begonnen, in drei oder vier Basiskomitees zu arbeiten, als das Bündnis 2006 gegründet wurde. Später wurden wir von der Bürokratie ausgeschlossen und wenige Monate vor der Wahl wieder zugelassen und bekamen auch eine Position in der Struktur von Morena. Für uns ist die Hauptsache aber, vor Ort mit den Leuten zusammenzuarbeiten. Wir versuchen, eine neue und demokratische Arbeitsweise in den Komitees umzusetzen, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der wir weitermachen können. Gleichzeitig machen wir weiterhin unabhängige Politik mit der feministischen Organisation “Libres y Combativas” (Frei und Kämpferisch) und der Schülergewerkschaft “Sindicato de Estudiantes”. Wir denken, dass das die beste Möglichkeit ist, unsere Arbeit voranzubringen und den Boden wiederzugewinnen, den wir in den letzten Jahren verloren haben. Vor allem, da die Rechten gerade schwach sind und es ein hohes Selbstbewusstsein in der Arbeiterklasse und sehr viele Leute gibt, die sich organisieren und etwas machen wollen.

 

Du hattest von den Erfahrungen mit den anderen sogenannten linken Regierungen gesprochen. RevolutionärInnen sind sich der Lehren daraus bewusst, aber ist das bereits Teil des allgemeinen Bewusstseins?

 

Nein, nicht so wirklich. Denn die Berichterstattung in den großen Medien beschäftigte sich beispielsweise nur mit den krassesten Ereignissen in Venezuela, aber nicht mit weitergehenden Aspekten. Diese Erfahrungen zu sammeln und in die Arbeiterklasse hineinzutragen ist genau unsere Aufgabe.

 

Was ist die Perspektive für die nächste Zeit und welche Schwerpunkte wird sich Izquierda Revolucionaria setzen?

 

Wir müssen verstehen, dass die Situation sich verändert hat und eine Regierung unter AMLO nicht dasselbe ist wie eine Regierung der PAN oder PRI. Am wichtigstens ist, dass die Arbeiterklasse neuen Mut hat und sich gestärkt fühlt, weil das Hauptziel der Wahl für sie erreicht wurde: die Rechten aus der Regierung zu jagen. Das ist für uns natürlich sehr positiv, aber wir warnen davor, dass eine Politik der Klassenversöhnung unzureichend ist. Das haben wir bei Lula gesehen, bei Dilma, bei Kirchner und auch bei Bachelet – eine Klassenversöhnung ist nicht möglich. Deshalb setzen wir uns dafür ein, den Kampf und die Selbstorganisation weiter voranzutreiben, weil die Wahl AMLOs und seine Beruhigungspolitik nach rechts und in Richtung der Unternehmen und der nationalen Bourgeoisie nicht zielführend sind. Wir betonen auch, dass wir nicht von einem einzigen Mann abhängen, sondern den Druck von links aufrechterhalten müssen. Wir schlagen vor, dass die Basiskomitees von Morena ausgebaut und gestärkt werden. Wir unterstützen die positiven Vorschläge von AMLO, wie die Rücknahme der Reformen im Bildungssektor und der Wiedereinstellung der Lehrkräfte. Wir wollen die Probleme seiner Basis lösen und das größte Problem von ihnen ist nicht etwa die Korruption, sondern die Ausbeutung durch das Kapital.

EU-Vorsitz: Eine Inszenierung...

Das Motto der schwarz-blauen Ratspräsidentschaft: „Ein Europa, das schützt“. Gemeint ist: „Das Kapital schützen“.
Martina Gergits

Die Ratspräsidentschaft wird eine gewaltige PR-Veranstaltung für die Regierung. Mit schönen Gebirgsbildern und Tracht inszenieren sich ÖVP und FPÖ. Stabilität, Sicherheit und Wohlstand müssen auch in Zukunft Selbstverständlichkeit in der EU sein, sagt Kurz. Sieht man sich die Kürzungspolitik begleitet von rassistischer Hetze der schwarz-blauen Regierung an, wird klar, was gemeint ist: Unternehmen und Kapital schützen, Geflüchtete und MigrantInnen sollen als Sündenböcke herhalten. Die Migrationsfrage wird ein zentrales Thema der Ratspräsidentschaft. Kurz hat bereits Bündnispartner in den Visegradstaaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) gefunden, aber auch im rechtsextremen italienischen Innenminister Salvini sowie bei Seehofer und Söder aus Deutschland. Das Ziel von Kurz & Co ist die Festung Europa.

Aber sie können mit ihrem Populismus nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU seit der Krise 2008 auch selbst in der Krise steckt. Nach außen möchte man stark auftreten, man ist sich einig, man möchte „wettbewerbsfähig“ bleiben. Die einzelnen Nationen verfolgen aber unterschiedliche Interessen und stellen diese immer öfter in den Vordergrund. Der Widerspruch „Einschränkungen ja, aber nur bei den Anderen“ wird im Kapitalismus immer häufiger schlagend.

Es soll Einigkeit von ÖVP und FPÖ sowie der EU suggeriert werden. Doch der „pro EU Kurs“ der ÖVP und die „EU-Kritik“ der FPÖ bieten Konfliktstoff. Und sie können nicht verstecken, was hinter ihrer Inszenierung wirklich auf der Agenda steht: Rassismus, Kürzungen und Angriffe auf unsere Rechte. Die EU wurde als „Wirtschatfsbund“ gegründet und vertritt vor allem Banken und Konzerne. Diese „Union der Bosse“ setzt neoliberale und unsoziale Politik durch.

Das bedeutet für uns Beschäftigte, GewerkschafterInnen und AktivistInnen vor allem eines: Wir dürfen nicht verstummen, sondern müssen auch und vor allem in der Ratspräsidentschaft laut protestieren, demonstrieren und streiken, um uns gegen die rassistische Politik und gegen Maßnahmen wie den 12-Stunden-Tag zu wehren.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die deutsche Linkspartei als Vorbild?

Eine Partei wie die Linke in Deutschland wünschen sich angesichts der FPÖVP-Regierung viele.
Christoph Glanninger

Aktuell hat die LINKE über 60.000 Mitglieder und ist seit den letzten Bundestagswahlen die am schnellsten wachsende Partei. Gleichzeitig fällt sie in den letzten Monaten immer wieder durch harte interne Auseinandersetzungen auf. Ein Grund, sich damit zu beschäftigen, was wir von der LINKEN lernen können. Aber auch damit, was unsere Schwesterorganisation, die Sozialistische Alternative (SAV), die auch Teil der zweitgrößten Parteiströmung, der Antikapitalistischen Linken (AKL) ist, innerhalb der LINKEN einbringt.

Lucy Redler, SAV-Bundessprecherin und Mitglied im LINKE-Parteivorstand zum 10-jährigen Bestehen: „DIE LINKE ist heute die einzige linke Opposition gegen Militarisierung, Krieg und Sozialabbau im deutschen Bundestag. Sie hat die Einführung des Mindestlohns, auch wenn dieser noch viel zu niedrig ist, mit vorangetrieben. DIE LINKE ist die einzige Partei, die KollegInnen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tatkräftig in ihrem Kampf für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen unterstützt und an der Seite streikender Belegschaften steht.“

Trotzdem gibt es in der LINKEN noch immer eine zu starke Orientierung auf parlamentarische Arbeit und Wahlen anstatt auf die Verankerung in Betrieben und die Unterstützung von sozialen Bewegungen. Deshalb schreibt die SAV auch: „Pflege und Wohnen sind die beschlossenen Schwerpunkt- und Kampagnenthemen der Partei. Das sind genau die Themen, an denen es viel Bewegung und eine große gesellschaftliche Sensibilität gibt. DIE LINKE kann sich nicht nur mit klaren Forderungen und Konzepten als Vertreterin der Interessen von Beschäftigten, PatientInnen und MieterInnen profilieren, sondern auch als Dienstleisterin und Motor der Bewegungen.“

Auch ein Blick auf die letzte Bundestagswahl zeigt: In Westdeutschland, wo die Partei eher auf Opposition und soziale Proteste setzt, konnte ein Stimmenzuwachs erzielt werden. Im Osten, wo die Partei aus historischen Gründen stärker ist, hat eine angepasste Politik und Regierungsbeteiligung (in Thüringen stellt sie sogar den Ministerpräsidenten) dazu geführt, dass viele WählerInnen zur AfD überlaufen.

Leider unterscheidet sich die Regierungspolitik der LINKEN in Berlin und einer Reihe von ostdeutschen Bundesländern nur um Nuancen von Anderen, auch hier wird abgeschoben und privatisiert. Die LINKE wird zum Verwalter bestehender Missstände, anstatt diese zu bekämpfen. Gleichzeitig führt die Regierungsbeteiligung dazu, dass sie mittlerweile als Teil des Establishments gesehen wird.

Aktuell fällt die LINKE vor allem durch Debatten zu Flucht und Migration auf. Einige rund um die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht (die lange als Linke in der Partei galt) argumentieren, dass man AfD-WählerInnen nur durch eine Abschwächung der migrationspolitischen Forderungen zurückgewinnen kann. Doch die Stärke des Rechtspopulismus entsteht durch rechte Scheinantworten auf mit der Migration verbundene soziale Fragen und v.a. weil er sich am stärksten als „Anti-Establishment“ präsentiert. Diese Stimmung kann nur durch ein sozialistisches Programm bekämpft werden und nicht durch die Legitimierung von rechten Forderungen oder angepasste Politik. Deshalb fordert die SAV: „DIE LINKE sollte weiterhin erste Ansprechpartnerin für Proteste gegen Rassismus und AfD sein, aber auch ganz konkrete Aktionen zur Verteidigung von Geflüchteten und von Abschiebung bedrohten Menschen durchführen.“ … „Unsere Forderungen nach Abzug der Bundeswehr von ihren Auslandseinsätzen, einem Verbot von Waffenexporten und radikaler Abrüstung sollten wir mit der Forderung nach der Enteignung der Rüstungsindustrie und der Umstellung der Produktion auf zivile Güter bei Erhalt aller Arbeitsplätze ergänzen. Aktionen gegen Bundeswehr-Werbung an Schulen, die Verschiffung von Rüstungsexporten und Unterstützung von Antikriegsprotesten sollten eine höhere Priorität bekommen.“

Die Auseinandersetzungen sind kompliziert und die Linien teilweise widersprüchlich. Sozialistische Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden helfen aber wenig: Im Endeffekt geht es um die Frage, ob es die Aufgabe einer Linkspartei ist, einen Kampf für die Überwindung des Kapitalismus zu führen oder lediglich dessen schlimmste Auswirkungen abzumildern. Internationale Beispiele wie Syriza in Griechenland zeigen, dass es in der aktuellen Situation nicht möglich ist, relevante Verbesserungen durchzusetzen oder langfristig zu verteidigen, ohne das gesamte System zu überwinden und die Macht der Banken und Konzerne zu brechen. SozialistInnen müssen sich für so ein Programm einsetzen, z.B. wurde auf dem letzten LINKE-Parteitag durch eine Initiative der AKL die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien in den Leitantrag aufgenommen.

Wenn wir den Kapitalismus überwinden wollen, brauchen wir eine Partei, die Menschen in ihren Nachbarschaften, Betrieben, Schulen und Unis organisiert, die für internationale Solidarität mit allen Unterdrückten steht und offen für Sozialismus eintritt - in Deutschland, Österreich und International.

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Nein zum Europa der Eliten!

Wenn die PolitikerInnen in Europa über „Sicherheit“ reden, dann geht es ihnen um Aufrüstung, nicht um Jobs!
Moritz Bauer

Am 20. September treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Salzburg zu einem inoffiziellen Gipfel. Die Themen: „Bekämpfung der illegalen Migration“ und „innere Sicherheit“, um „ein Europa, das schützt“. Betrachtet man die bisherige Politik der EU, wie die der einzelnen Mitgliedsstaaten, wird schnell klar, wer oder was geschützt werden soll: die Profite der Reichen und Superreichen.

Auch bei anderen Gipfeln im Zuge der österreichischen EU-Präsidentschaft wird es vordergründig um „Migration“ gehen und hinter den Vorhängen wird der neoliberale Umbau weiter vorangetrieben. Die rassistische und repressive Politik soll auf ganz Europa ausgeweitet und besser koordiniert werden. Doch gegen diese Politik und diese Gipfel gibt es Proteste - in Wien, Salzburg und in anderen Städten.

Die SLP stellt sich gegen eine EU der Banken und Konzerne und für ein solidarisches Europa und eine sozialistische Welt. Wir wollen gemeinsam mit Jugendlichen, SchülerInnen, Lehrlingen und Studierenden eine kämpferische Kampagne organisieren, die soziale Bewegungen und auch internationale Kämpfe in den Mittelpunkt stellt. Lasst uns die Proteste vernetzen und gemeinsam mehr Geld für Bildung, Soziales und Wohnen für alle erkämpfen - werde auch du mit uns aktiv!

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Irland: Historischer Sieg für Frauen

Das Referendum brachte ein „Ja“ für das Recht auf Abtreibung – der Kampf um die Umsetzung geht weiter.
Keishia Taylor, Socialist Party Irland

Am 25. Mai wurden Abtreibungsverbot und „Artikel 8“ mit überwältigender Mehrheit von 66% abgelehnt. Die Bedeutung dieses Sieges nach Jahrzehnten von frauenverachtender Politik durch die katholische Kirche ist enorm. Diese katholische Kirche betrieb die furchtbaren Magdalenenheime und Mutter-Kind-Heime, die für Frauen massives Leid bedeuteten. Beim Referendum ging es auch um den Bruch damit. 90% der 18-24jährigen, 80% in den ArbeiterInnenbezirken in Dublin und eine große Mehrheit aller Altersgruppen, außer den über 65jährigen, stimmten für die Aufhebung des Artikel 8.

Nach dem Tod von Savita Halappanavar 2012, einem Opfer von Artikel 8, brach eine Bewegung von unten aus. Sie wurde getragen von jungen Menschen, Frauen, LGBT-AktivistInnen und Menschen aus der ArbeiterInnenklasse. Jugendliche trugen "Repeal the 8th" (so heißt die Kampagne der sozialistisch-feministischen Organisation ROSA) an Schulen und Unis. Mutig teilten viele ihre Erfahrungen mit ungewollten Schwangerschaften über soziale Medien, da sie in den etablierten Medien nicht gehört wurden. Die kämpferische Bewegung macht klar: „Wir werden sexistische Unterdrückung nicht länger akzeptieren“. Das wurde auch von den explosiven #IBelieveHer Protesten bestätigt, die in Folge des skandalösen Verfahrens bei einem Vergewaltigungsfall in Belfast aufbrandeten. Die selbe Militanz hat sich auch in den Kämpfen um #MeToo und Trans Rechte gezeigt, sowie in den Bewegungen gegen Frauenunterdrückung in Spanien, Lateinamerika und Polen. All das inspirierte die Menschen in Irland.

Die Parlamentsabgeordneten von Solidarity spielten, gemeinsam mit ROSA, eine zentrale Rolle. Ruth Coppinger, Paul Murphy und Mick Barry - Mitglieder der Socialist Party - waren DIE Stimmen der ArbeiterInnenklasse und der Bewegung für Repeal im Parlament. Die Time4Choice Kampagne setzte auf kreative Proteste, inspiriert vom TV Drama A Handmaid's Tale (im deutsprachigen TV: Der Report der Magd). Teil der Kampagne war die Ausgabe von sicheren aber illegalen Abtreibungspillen. Wir organisierten Infotische in Stadtzentren und sammelten tausende Euro für die Kampagne. Hunderte verteilten ROSA-Flugblätter, gingen von Haus zu Haus und hängten 8.000 Plakate auf. Eine weitere Aktion war ein 10km langer Marsch zum Flughafen in Solidarität mit jenen Frauen, die für Abtreibungen ins Ausland fahren müssen. SchülerInnen gestalteten und verbreiteten ein Video, in dem die nicht wahlberechtigten Jugendlichen die Wahlberechtigten aufforderten, für JA zu stimmen.

ROSA kämpft auf Basis eines sozialistisch-feministischen Programms. Wir fordern freien Zugang zum Gesundheitswesen, Verhütung, Kinderbetreuung, Wohnen und sichere, gut bezahlte Jobs. Dass ROSA auch für wirtschaftliche Sicherheit und sexuelle Befreiung sowie Freiheit von Repression kämpft, spricht junge Frauen und LGBT+ Personen sehr an, weil das Fragen sind, die dieser Generation unter den Fingern brennen. Und ROSA bietet eine Strategie, wie das erkämpft werden kann.

Die offizielle "Gemeinsam für Ja" Kampagne beschränkte sich auf "Härtefälle" wie Vergewaltigung, Inzest und medizinische Indikation. Sie sagten ihren AktivistInnen sogar, sie sollten die Wörter "Abtreibung" und "Repeal" nicht in den Mund nehmen. V.a. Jugendliche waren darüber enttäuscht.

Es ist ein Sieg der Jungen und der Basis-AktivistInnen. Die rechte Gewerkschaftsführung spielte kaum eine Rolle. Die etablierte Politik versuchte zu bremsen und die etablierten Parteien stimmten wiederholt gegen das Recht auf Abtreibung. Premier Varadkar und Gesundheitsminister Harris, die nun als „Helden“ gefeiert werden, haben erst vor sechs Monaten, als die Stimmung klar war, eine 180 Grad Wende gemacht.

Nun müssen die Gesetze rasch umgesetzt werden. Doch dabei können wir nicht stehen bleiben. Auch wenn Abtreibung entkriminalisiert wird, bedeutet das nicht, dass sie auch verfügbar ist. Das Gesundheitssystem ist in Hand der katholischen Kirche - der Kampf muss also weitergehen, für eine Trennung von Kirche und Staat, für Aufklärung an Schulen, gratis Verhütungsmittel und gratis Zugang zu Abtreibungen im Gesundheitssystem. Das bedeutet auch, dass letzteres aus den Händen der Kirche genommen werden und das öffentliche Gesundheitswesen entsprechend ausgebaut werden muss. V.a. Jugendliche verlangen eine komplette Trennung von Kirche und Staat – was ein massives Problem für das Establishment ist!

Das Referendum hat den Kampf für eine Abschaffung des Abtreibungsverbotes in Nordirland befeuert, wo Abtreibung seit 1861 illegal ist (im Gegensatz zu Großbritannien, Anm.). ROSA organisierte dort direkt nach dem Referendum weitere Aktionen. Erfolg ist möglich, wenn der Kampf konsequent geführt wird. Das kann auch andere Kämpfe inspirieren – Fragen von Wohnungslosigkeit, prekären Jobs, sexueller Belästigung und die brutale Behandlung von Asylsuchenden wird nun lebhaft diskutiert – wie auch die Frage, welcher Kampf nötig ist, um Unterdrückung und Ausbeutung zu beenden. Die Bewegung in Irland ist Teil einer globalen neuen feministischen Welle. ROSA versucht diesen Kampf zu unterstützen und dazu beizutragen, dass er im Herzen antikapitalistisch und sozialistisch feministisch ist.

 

 


http://www.socialistparty.ie

http://www.rosa.ie

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Südtirol/Alto Adige: Doppelpass und mögliche Loslösung?

FPÖ und ÖVP heizen bei der nationalen Frage in Südtirol/Alto Adige die Stimmung auf.
Franz Neuhold

Die schwarz-blaue Regierung hält eigentlich wenig von Minderheitenrechten, v.a. bei Betroffenen in Österreich: SlowenInnen, UngarInnen, Roma/Romnija, KroatInnen... Im Falle Südtirols agiert die Allianz aus österreichischem Bürgertum, Rechtsextremen und Deutschnationalen jedoch mit bemerkenswerter Fürsorge und Umsicht. Ein Doppelpass für alle Deutschsprachigen in Südtirol sorgt für Wirbel. Auf dem Parkett der EU-Diplomatie unterstreicht das den Hardliner-Anspruch, den sich Kurz auch bei anderen Streitfragen bereits gegeben hat. Doch es ist ein leicht zu durchschauendes Manöver. Es reicht, auf den Umstand hinzuweisen, dass im Fall der seit vielen Jahren hier lebenden und arbeitenden Austro-TürkInnen (oder „türkischen ÖstereicherInnen“) ein Doppelpass kategorisch abgelehnt wird. Es offenbart sich ein rassistisches Konzept. Es wirkt das Blut-und-Boden-Prinzip, welches aus Sicht der ArbeiterInnenbewegung absurd ist angesichts internationaler Arbeitsteilung und der Wirklichkeit der (Arbeits-)Migration. Tatsächlich wäre eine Entkopplung der BürgerInnenrechte vom Pass nötig.

In Südtirol stellt sich eine schwierige Aufgabe für SozialistInnen und die ArbeiterInnen-Bewegung. Dies liegt in der Struktur des Landes, seiner Geschichte und den heute spürbaren Folgen. In den letzten Jahren dürfte tatsächlich ein Umbruch in der Gesellschaft Südtirols, v.a. seiner deutschsprachigen Mehrheit, vollzogen worden sein. Dies ist auch Ausdruck des Zerfalls der kapitalistischen Ordnung in Europa. Vor wenigen Jahren noch war es unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit, v.a. aufgrund der vorliegenden weitgehenden Autonomie, eine vollständige Loslösung fordern oder ihr zustimmen würde. Genau dies liegt nun im Bereich des Möglichen. Die Dynamik in solchen Fällen darf nicht unterschätzt werden. Es kann gut sein, dass deutschsprachige nationalistische und rechtsextreme Kräfte, die zusammen bereits 10 von 35 Mandaten im Landtag halten, so manche unverbindliche Umfrage über-interpretieren. Angeblich wünschen laut Karmasin-Umfrage „nur 26% … sich Verbleib bei Italien“. Doch es sind in jedem Fall deutliche Spuren und Versuche einer Richtungsänderung bis tief in die dominante „Sammlungsbewegung“ der Südtiroler Volkspartei (SVP, 17 Mandate) zu erkennen.

Ausgerechnet die Bewegung in Katalonien gegen den spanischen Staat, der immer noch auf dem Erbe der Franco-Diktatur ruht, wird von rechtsextremen PolitikerInnen ins Treffen geführt. Nun, tatsächlich erlitt auch und gerade Südtirol unter den faschistischen Regimes bittere Stunden, sowohl durch die Mussolini-Diktatur (erzwungene „Italianisierung“) als auch Hitler-Deutschland (Anerkennung der Brennergrenze). Doch im Falle Kataloniens ist die historische Unterdrückung noch brutal und aktuell. In Südtirol hingegen gibt es heute nicht den Hauch einer Einschränkung von Sprache oder sonstiger kultureller Identität. Vor allem finanziell und steuertechnisch trennen Südtirol und andere Regionen Welten: 85% der Steuereinnahmen verbleiben unter direkter Kontrolle des Landes, genauso wie die Verwaltung aller Schulen, Straßen, der Wasserwirtschaft und des Grundbesitzes. Andererseits haben Neoliberalismus und „Sparzwang“ in den letzten eineinhalb Jahrzehnten dazu geführt, dass Südtirol nicht mehr Netto-Empfänger, sondern -Zahler an Rom ist. Zur Wirtschaftsstruktur: 75% der Wertschöpfung erfolgt durch Dienstleistungen. Mit wenigen Ausnahmen umfasst das produzierende Gewerbe Kleinindustrie und Handwerk. Noch ist die Region durch extrem hohe Einnahmen aus dem Fremdenverkehr gesegnet. Zwei Gründe werden Einbrüche erwirken: 1. Klimawandel (v.a. Wasserknappheit) und 2. Wirtschaftskrisen und sinkende Einkommen in anderen Ländern, die ArbeitnehmerInnen und Mittelklasse zwingen, Kosten für höherpreisigen Urlaub zu reduzieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es für Südtirols Volkswirtschaft in keiner anderen Verfasstheit dauerhaft bessere Voraussetzungen geben wird. Dies vor allem, weil der allgemeine Trend in ganz Europa in die Krise weist und soziale Konflikte und Verteilungskämpfe drastisch zunehmen werden.

Den strukturellen Problemen des Kapitalismus entkommt man nicht durch bloße Abspaltung. Die Skepsis gegenüber dem durch wirtschaftliche und politische Krisensymptome beladenen Italien wächst. Doch kann z.B. eine Eskalation der Bankenkrise Italiens schlagartig auch in Österreich zu massiven Problemen führen (Bsp. UniCredit-Bank Austria). Auf genau darauf hat der Loslösungs-Fetischismus von „Süd-Tiroler Freiheit“, „Freiheitlichen“, „BürgerUnion“, SVP keine Antworten.

Es sei betont: Sollte es zu einem Referendum kommen, haben auch die deutschsprachigen SüdtirolerInnen als vergleichsweise bessergestellte Minderheit das Recht auf Selbstbestimmung. SozialistInnen müssen in jedem Fall versuchen, den Widerstand von ArbeitnehmerInnen gegen soziale Verschlechterungen zu einem verbindenden Element zwischen Sprach-Gruppen, Ethnien und über Staatsgrenzen hinweg zu machen. Auch die Verteidigung der Selbstbestimmungsrechte der sodann vorhandenen Minderheiten (italienisch und ladinisch Sprechende, zusammen ca. 27%) wäre wichtig. Eine offene Debatte mit AktivistInnen in und aus Südtirol, aber auch Italien, mit Beteiligung kämpferischer Gewerkschaften, wäre dazu ein sinnvoller nächster Schritt.

 

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Für sozialistischen Internationalismus

Internationale Solidarität der ArbeiterInnen statt Spannungen zwischen den Großmächten und Kriege.
Christian Bunke

Am 14. Mai erschoss das israelische Militär rund 50 unbewaffnete DemonstrantInnen an der Grenze zum Gazastreifen. Die DemonstrantInnen wollten unter anderem gegen die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem protestieren.

Was nur wenige Menschen mitbekommen haben dürften: Auch hunderte Israelis, darunter AktivistInnen der israelischen Schwesterorganisation der SLP, demonstrierten gegen diese Provokation durch die Regierungen der USA und Israels. Auch ihre Demos wurden von der israelischen Polizei gewaltsam zerschlagen.

Die zahlreichen und zunehmenden Konflikte im Nahen Osten sind ein Beispiel für die sich verschärfenden Konflikte zwischen den Großmächten auf unserem Planeten. Die USA, China, Russland, Europäische Union und andere kämpfen um Reichtum, Prestige und Ressourcen. Das Land Syrien wurde für diese Ziele in den vergangenen Jahren in Grund und Boden gebombt.

Viele Menschen stehen dem hilflos gegenüber. Für wen soll man Partei ergreifen? Bedeutet die Solidarität mit protestierenden palästinensischen Jugendlichen gleichzeitig eine Unterstützung für die in Gaza regierende islamistische Hamas? Und muss die Wut über die Aggression ausländischer Mächte in Syrien im Umkehrschluss eine Unterstützung des syrischen Diktators Assad bedeuten?

Wir meinen: nein. Unser Ansatz ist die internationale Solidarität der arbeitenden Menschen, die unter den zahlreichen, sich zuspitzenden Konflikten leiden und nichts zu gewinnen haben. Damit eine solche Solidarität praktisch werden kann, braucht es Selbstorganisation. Kein Assad, kein Putin und auch kein Nethanyahu wird hier helfen.

Anlass für grenzüberschreitende Solidarität gibt es genug. Im Gazastreifen liegt die Arbeitslosigkeit bei 50%, während die Kinderarmut auch in Israel bei 20% liegt. In Gaza leidet die Bevölkerung unter andauernden Repressalien durch das israelische Militär und rechtsradikale jüdische Siedlergruppierungen, während auch in Israel Wohnungslosigkeit, prekäre Jobs, hohe Lebenshaltungskosten und mangelnde Perspektiven für die Jugend grassieren. Die andauernden militärischen Konflikte verschlingen Milliarden, die Bevölkerung zahlt den Preis. Es ist kein Wunder, dass es auch in Israel Fabrikbesetzungen und Streiks gibt. Anfang dieses Jahres gab es Massendemonstrationen für das Bleiberecht afrikanischer Flüchtlinge in Israel.

Doch die Hamas hat kein Interesse an einem Brückenschlag. Stattdessen unterstützt sie den Einmarsch türkischer und jihadistischer Truppen in die von linken kurdischen Milizen kontrollierte Region Afrin. Die bittere Ironie ist, dass auch ebenjene Milizen in eine Zwickmühle geraten sind. Ging man noch vor Monaten ein Zweckbündnis mit den USA ein, um den Islamischen Staat verdrängen zu können, werden die KurdInnen nun von den USA im Stich gelassen, weil diese ihren NATO-Partner Türkei nicht vergraulen wollen.

Die Forderung, dass der Aufbau einer internationalen und politisch unabhängigen ArbeiterInnenbewegung zur Bildung einer effektiven Friedensbewegung notwendig ist, ist kein frommer Wunsch. Es ist vielmehr die Einsicht, dass dies zwar ein steiniger Weg ist, aber der einzig mögliche, wenn arbeitende Menschen nicht länger der Spielball der Großmächte sein wollen. Deshalb setzt das CWI in Israel/Palästina auf gemeinsame Massenaktionen von PalästinenserInnen, arabischen und jüdischen Israelis und den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei.

Man kann beim Kampf gegen politische Repression im eigenen Land nicht auf die Unterstützung angeblich „freundlicher“ anderer Mächte bauen. Das zeigt sich auch am Beispiel Hong Kong. Hier sieht sich die Bevölkerung mit wachsendem politischen Druck des chinesischen Regimes konfrontiert. Die Menschen fürchten den schleichenden Aufbau einer Diktatur.

Dagegen hat sich die Kampagne „Stop Repression in Hong Kong“ organisiert, an der CWI-Mitglieder beteiligt sind. Die Kampagne setzt keine Hoffnungen auf mögliche Unterstützung durch Rivalen Chinas wie zum Beispiel die USA. Im Gegenteil sagt die Kampagne ausdrücklich: „Wir wollen international Druck von den Graswurzeln an aufwärts aufbauen. Dabei setzen wir auf die Jugend, Studierende und GewerkschafterInnen. Wir glauben nicht daran, durch Regierungen Druck ausüben zu können. Diese sind der chinesischen Diktatur zu freundlich gegenüber und interessieren sich nur für das Geschäft und die Profite, nicht aber für demokratische Rechte.“ Internationale Solidarität von unten ist die einzig mögliche Antwort auf die Politik der Kriegstreiber.

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Imperialismus in der Krise

Die globale politische Instabilität ist der neue Normalzustand.
Sebastian Kugler

„Der Krieg ist die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, meinte einst der preußische General Carl von Clausewitz. MarxistInnen fügen dem noch hinzu: Die Politik ist auch bloß die Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln. Folgerichtig werden Clausewitz‘ Theorien über Kriegsführung auch heute noch nicht nur in Militärakademien, sondern auch in politischen ThinkTanks und im BWL-Studium der Harvard University gelehrt. Denn Kapitalismus bedeutet Produktion für Profit. Auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen führt das notwendigerweise zu Konflikten. Kapitalistische Staaten müssen die Interessen ihrer großen Kapital-Fraktionen durchsetzen – zur Not bewaffnet. Die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ Deutschlands etwa verlautbaren: „Deutsche Sicherheitsinteressen ergeben sich aus unserer Geschichte, der geografischen Lage in der Mitte Europas, den internationalen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen des Landes und der Ressourcenabhängigkeit als Hochtechnologiestandort und rohstoffarme Exportnation.“

Seit dem 19. Jahrhundert spricht man von Imperialismus, wenn stärkere Mächte schwächeren ihre ökonomischen Interessen aufzwängen. Nach dem 2. Weltkrieg hatten die USA die alten imperialistischen Mächte wie Britannien und Frankreich aufgrund überlegener Technik und militärischer Stärke überholt. Die USA führten nun eine Koalition der kapitalistischen Welt gegen das stalinistische Konkurrenzsystem im Osten. Ein gemeinsamer Feind und der Nachkriegsaufschwung bedeuteten die zeitweise Linderung der Konflikte unter den imperialistischen Ländern.

Das Ende des Nachkriegsaufschwungs läutete eine neue Ära ein: In den imperialistischen Zentren wurde Kapital in zunehmend deregulierte Finanzsysteme investiert. Mangels eines strukturellen Aufschwungs sollte der Konsum daheim mit Krediten angekurbelt werden. Die Produktion selbst wurde hingegen ausgelagert. Seit den 1970ern stieg der Anteil an Manufakturgütern, die die „Entwicklungsländer“ exportieren, von ca. 15% auf 60%-70% ihrer gesamten Exporte. Auf der anderen Seite, den kapitalistischen Zentren, verfünffachten sich die Importe von Manufakturgütern seit 1970 von 10% auf 50%. Die Folge: Stellten die Entwicklungsländer 1950 nur 34% der weltweiten IndustriearbeiterInnen, waren es 2010 bereits 79%. Auf der anderen Seite verzeichnen heute die größten 500 Firmen 30% der globalen Umsätze. Von den 200 größten Firmen haben 96% ihren Sitz in einem der acht größten imperialistischen Länder. Die Arme dieser Konzerne inklusive ihrer Subunternehmen und Zulieferer in den Entwicklungsländern reichen global – doch ihre Füße stehen fest auf den Böden der imperialistischen Staaten. Die Rede von „Entwicklungsländern“ entpuppte sich als Lüge: Es war niemals vorgesehen, dass diese Länder „aufholen“ würden. Die Regeln machten immer die reichen Länder zu ihren eigenen Gunsten.

Eine entscheidende Ausnahme markiert die Entwicklung von China. Es wurde zwar zunächst zur Werkbank der Welt, entwickelte aber vor allem dank seiner schieren Größe und staatlicher Steuerung eigene ökonomische Macht. Heute sind die Überkapazitäten Chinas in der Stahlproduktion größer als die aktive Stahlproduktion des Rests der Welt. Die EU wuchs zu einem eigenständigen Player heran – jedoch nur in dem Ausmaß, in dem sich die Interessen ihrer Zugpferde Deutschland und Frankreich vereinen lassen.

Mit dem Kollaps der Sowjetunion konnte sich dieses Kartenhaus noch einmal stabilisieren – immerhin wurden neue Märkte frei und Russland brauchte einige Zeit, um im imperialistischen Wettbewerb wieder mitzumischen. 2007 begannen jedoch die Blasen in den kapitalistischen Zentren zu platzen. Das verschärfte die Probleme vieler Entwicklungsländer – nicht zuletzt auch der „aufstrebenden Märkte“ wie Brasilien und Indien. Auch destabilisierte die Krise Diktaturen in Nordafrika und dem Nahen bzw. Mittleren Osten. Diese hatten zwar mit imperialistischen Blöcken zusammengearbeitet. Sie hatten jedoch, gestärkt von den vergangenen antikolonialen Kämpfen, immer auch eine gewisse Autonomie beansprucht. Die revolutionären Bewegungen des „arabischen Frühlings“ konnten zwar einige der Diktatoren stürzen, aber nicht mit dem Kapitalismus brechen. Das eröffnete den imperialistischen Blöcken die Möglichkeit, sich verstärkt einzumischen. Kriegsführung wurde wie Produktion zunehmend „outgesourct“, allerdings mit unkontrollierbaren Folgeeffekten: die Milizen, die Unterstützung durch imperialistische Blöcke bekommen, haben auch ihre eigene Agenda - über unmittelbare wirtschaftliche Interessen hinaus.

 

„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“ – Jean Jaurés

Die verschärften imperialistischen Konflikte drücken sich vor allem in zwei Regionen auf unterschiedliche Weise aus. Einerseits in den militärischen Konflikten auf den Leichenbergen des arabischen Frühlings – Andererseits in den kollidierenden Wirtschaftsinteressen und der Frage des Zugangs zu Handelsrouten, vor allem im südchinesischen Meer und rund um die neue „Seidenstraße“.

Der Imperialismus ist in einer Zwickmühle: Die Krise 2007 hat der ohnehin schwächelnden Weltwirtschaft ihre finanziellen Krücken genommen – und eine Ära von Stagnation bzw. schleppendem Wachstum bloßgelegt. Die einzelnen imperialistischen Mächte müssen zunehmend den eigenen Zugang zu Märkten und Ressourcen sicherstellen. Gemeinsame Globalisierungsprojekte werden schwieriger. Das zeigt das Scheitern bzw. unsichere Schicksal diverser Handels-Abkommen. Die Krise der Globalisierung begann aber schon davor: die Welthandelsorganisation WTO konnte seit ihrer Gründung 1995 keinen multilateralen Handelsvertrag durchsetzen. Die Schwächung des Globalisierungskonsenses stärkt auch die Staaten, die sich zu regionalimperialistischen Mächten gemausert haben, wie etwa die Türkei, Saudi Arabien oder Iran. Sie wittern im Hauen und Stechen rund um Syrien und den Irak die Möglichkeit zur Ausweitung ihrer Einflusssphären. 

Gleichzeitig ist die Globalisierung aber auch nicht mehr rückgängig zu machen: Die Produktionsketten verlaufen über den gesamten Erdball, immer auf der Suche nach der billigsten menschlichen Arbeit und den meisten Ressourcen. Das seit den 1970ern zunehmende Gewicht der Finanzwirtschaft hat zur Folge, dass jeder bei jedem verschuldet ist.

Großen Konzernen ist das BIP oder der Schuldenstand ihrer Heimatländer egal, solange diese die Rahmenbedingungen für die globale Ausbeutung garantieren. Sie benötigen also die globale Zusammenarbeit der imperialistischen Blöcke. Gerade diese widerstrebt aber der Forderung, die jeweils eigenen imperialistischen Interessen wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Somit kommt es aber zu widerstreitenden Interessen unter verschiedenen Fraktionen der Herrschenden in den imperialistischen Ländern: Während CETA beschlossen wird, werfen die teilnehmenden Staaten mit Schutzzöllen um sich. Trump etwa wurde nicht zuletzt aufgrund der berechtigten Wut über die Folgen des globalen Freihandels gewählt. Nun manövriert er im ständigen Kreuzfeuer unterschiedlicher Kapitalinteressen, die sich sogar innerhalb seines Regierungsteams widersprechen.

Viel hat sich geändert, seit MarxistInnen erstmals den Imperialismus analysierten. Doch umso mehr bestätigten sich ihre Grundannahmen: wir haben nur die Wahl zwischen Sozialismus und Barbarei.

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Zahlen und Fakten: Imperialistisches Österreich

Helmut Swoboda

Kriegerische Verträge: Am 13.12.07 unterzeichnete Österreich den Lissabon-Vertrag und ist hiermit voll bei „Kerneuropa“ dabei – es geht darum, den Einfluss der EU auf der ganzen Welt zu gewährleisten. Das bedeutet: Aufstellen von Battlegroups, Bereitstellen von SoldatInnen für „friedensstiftende“ Missionen bzw. „friedenserhaltende“ Einsätze. Wobei „Frieden“ hier nur weitere Kriegshandlungen bedeutet. Damit Österreich mitmachen kann, strich 2001 die schwarz-blaue Regierung unter Schüssel bei Truppenaufenthaltsgesetz und Kriegsmaterialgesetz. Was wird Türkis-blau 2018 machen?

Aggressive Außenpolitik: Der österreichische Imperialismus hat den Balkan immer als Spielwiese  betrachtet, das zeigte sich schon in der Annexion Bosniens 1905. Auch bei der Zerschlagung Jugoslawiens waren die Außenminister Mock (Österreich) und Genscher (Deutschland) treibende Kräfte bei der Unabhängigkeit Kroatiens. Heute dominieren österreichische Firmen, Banken und Versicherungen in vielen Bereichen und Ländern des Balkans.

Der große Aufkauf: In Mittel- und Osteuropa sind seit dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten österreichische Firmen stark präsent. Auch hier hat der Finanzsektor dominanten Einfluss, so kaufte die Erste Bank gleich die größte tschechische Bank auf. Im Straßenbau profitiert(e) STRABAG sehr stark. Durch Privatisierungen konnte sich eine große Anzahl an österreichischen InvestorInnen bereichern.

Militär sichert Investitionen: Im Zeitraum von 2003 bis 2018 gab es insgesamt 38 Auslandseinsätze, die „Kerneuropa“ betreffen. Österreich beteiligt sich momentan an Einsätzen in 13 Staaten. Die Anzahl der stationierten SoldatInnen spiegelt die wirtschaftlichen Interessen wider. In Bosnien, wo der österreichische Finanzsektor ca. 85% des Marktes beherrscht, stehen 182 SoldatInnen, im Kosovo 434. Das drittgrößte Kontingent mit 183 SoldatInnen steht im Libanon, wo österreichische Firmen vom Wiederaufbau bzw. Ausbau des Tourismus profitieren wollen. Geht es um die Sicherung des Zugriffs auf Rohstoffe, so macht Österreich auch mit und stellt Truppen für Mali und die Westsahara.

 

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Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Welt wird gefährlicher

Der kapitalistische Konkurrenzkampf stürzt die Welt von einem Konflikt in den nächsten.
Lukas Kastner

Die Welt ist unsicherer geworden. Dies ist nicht nur ein Gefühl, welches viele Menschen aktuell beschleicht, sondern auch Fakt. Allein von 2010 bis 2014 stieg laut Global Peace Index die Zahl der jährlich durch weltweite Konflikte unmittelbar getöteten Menschen von 49.000 auf 180.000. Dies ist nicht das Werk einzelner Verrückter, sondern drückt eine Zunahme der im Kapitalismus unvermeidbaren imperialistischen Spannungen aus. Darüber kann auch die Verkündung der edlen Ziele (Kampf gegen den Terror, Demokratie etc.), wie sie in der Kriegspropaganda betrieben wird, nicht hinwegtäuschen.

Der Handelskrieg zwischen China und den USA ist der aktuellste Ausdruck dieser Entwicklung. Seit Beginn des Jahres belegen sich beide Staaten gegenseitig mit Strafzöllen im Wert von mehreren Milliarden Dollar auf über 1.000 Waren. Die militärischen Spannungen und Konflikte nehmen immer drastischere Ausmaße an. Auch die vorübergehende „Entspannung“ zwischen Nord- und Südkorea steht auf tönernen Füßen. Die Ankündigung Trumps, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen, hat die Frage der nuklearen Aufrüstung wieder auf die Tagesordnung gebracht. Militärschläge des iranischen Militärs auf israelische Stellungen in den Golanhöhen und Israels Gegenschlag auf Stützpunkte des Militärs in Syrien führen die Gefahr einer Steigerung des Blutvergießens im Nahen Osten vor Augen. Abwechselnd bedrohen Russland und die USA einander mit Vergeltungsschlägen in Syrien. Das zeigt, dass die Vorherrschaft in der Region immer stärker umkämpft ist. Neben den Weltmächten versuchen hierbei auch regionale imperialistische Kräfte ihre Stellung auszubauen. So tragen Iran und Saudi Arabien ihren Stellvertreterkrieg um die Vormachtstellung im Nahen Osten nicht nur in Syrien, sondern auch im Jemen aus.

Zugleich versucht Erdogan durch seinen Militäreinsatz im Norden Syriens, mit Rojava die einzige Region, in der es seit Ausbruch des Bürgerkrieges zu demokratischen Verbesserungen gekommen ist, zu zerstören. Die Drohungen, die Offensive in den Irak auszuweiten, zeigen die Bereitschaft des türkischen Herrschers, mit allen Mitteln gegen das Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen vorzugehen. Daneben mischen immer mehr Akteure verstärkt mit. Am augenscheinlichsten ist das Erstarken des deutschen Imperialismus, welcher nach Kosova und Afghanistan seit 2013 in Mali interveniert, um für militärische Präsenz in der rohstoffreichen Sahelzone zu sorgen. Der größte Einsatz der deutschen Bundeswehr wurde gerade im April wieder verlängert und auf 1.100 SoldatInnen aufgestockt.

Gegen diese Kriegstreiberei gibt es auf kapitalistischer Basis kein Mittel. Die EU präsentiert sich zwar als Friedensprojekt, doch ist sie genau das Gegenteil. So steht im Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." Dies bedeutet die Bereitschaft, Truppen in EU Kriegseinsätze zu schicken, sowie sich an Rüstungsvorhaben und Battlegroups zu beteiligen. Die führenden Mitgliedsstaaten der EU gehören auch zu den global führenden Kriegstreibern. Doch ist alles ausweglos? Die Hunderttausende, die sich weltweit tagtäglich gegen Krieg und Imperialismus engagieren, demonstrieren und sich der Gefahr von Gewalt und Repression aussetzen, geben Hoffnung. Mit ihnen gilt es für eine bessere Welt frei von Krieg, Ausbeutung Profitgier – also für eine sozialistische Welt zu kämpfen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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